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Champ Snapshots

One-Shot-Sammlung
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Zeitpunkt: 4 Jahre nachdem Raelene Champ geworden war, sie und Delion sind noch nicht zusammen (obviously, sie ist erst 14 Jahre alt hier)
Sicht: Raelene
Inhalt: Ein Jahr lang hatte Raelene in einer rebellischen Phase festgesteckt und ihrem Umfeld den letzten Nerv geraubt, ganz besonders dem Liga-Präsidenten Delion. Deshalb will sie sich mit einem selbstgebackenen Kuchen bei ihm entschuldigen und Besserung schwören. Leichter gesagt als getan ...
Hinweis: Spielt ein Jahr nach Shot 5 - Ich muss es beweisen Komplett anzeigen

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Shot 7: Ich will mich bei dir entschuldigen

Egal, wie oft Raelene die Schachtel, die sie bei sich trug, öffnete, und hineinsah, an dem Inhalt veränderte sich nichts: Ein selbstgebackener Kuchen, der wirklich furchtbar ungenießbar aussah.

Wenn man es wusste, erinnerte er vom Aussehen her entfernt an ein Glumanda mit Gesichtsdeformation. Ohne dieses Wissen sah der sogenannte Kuchen aber nur aus wie ein hellroter Klumpen, gefüllt mir Beeren, den man zu lange im Ofen gelassen hatte. Tatsächlich war er leicht angebrannt. Zwar hatte Mary ihr versichert, dass es nicht allzu schlimm sei und er durchaus noch essbar wäre, doch Raelene zweifelte irgendwie daran.

Dabei hatte sie sich beim Backen so viel Mühe gegeben und alles genau nach Rezept gemacht. Vielleicht wäre es besser gewesen Marys Hilfe früher anzunehmen, dafür war es jedoch zu spät. Allerdings könnte sie sich noch dazu entschließen dieses missratene Werk nicht abzuliefern und einfach wieder zu gehen. Schließlich wusste die Person, für die dieser Kuchen bestimmt war, nichts davon.

In diesem Moment stand sie im Kampfturm vor Delions Bürotür, schon seit mehreren Minuten. Eigentlich sollte dieser Kuchen nämlich ein Geschenk für ihn sein, weil sie sich bei ihm entschuldigen wollte. Für all den Ärger, den er ihretwegen in den letzten Monaten durchmachen musste.

Delion wird denken, dass ich ihn vergiften will, wenn ich ihm das gebe …

Seufzend öffnete sie erneut den Deckel der Schachtel und betrachtete den Kuchen unzufrieden. Langsam sollte sie sich entscheiden, was sie tun wollte. Besser wurde die Lage sowieso nicht, indem sie sich die Beine in den Bauch stand. Darauf zu hoffen, der Kuchen könnte auf wundersame Weise eine Entwicklung durchmachen, wie ein Pokémon, und zu einem wunderschönen Kunstwerk in der Geschichte des Backens werden, war lächerlich.

Raelene schloss die Schachtel und starrte angespannt auf die verschlossene Tür vor sich. Begeistert wäre Delion so oder so nicht, sie zu sehen. Kuchen hin oder her. Dafür hatte sie ihm zu viele Probleme gemacht. Inzwischen war sie sich dessen bewusst. Sie hatte verstanden, dass es falsch war, sich krampfhaft ändern zu wollen. Dadurch war sie nur zu einer Nervensäge mutiert, die jeden in den Wahnsinn trieb.

Wie sollte sie Delion glaubhaft erklären, sich bessern zu wollen? Falls sie es jetzt nicht versuchte, würde sie diesen Schritt vermutlich auch in Zukunft nicht wagen, denn es erschien ihr so unmöglich. Demnach blieb ihr nur sich dieser Herausforderung zu stellen. Außerdem wünschte sie sich wieder eine bessere Beziehung zu Delion. Nicht nur, weil er als Liga-Präsident ihr Chef war. Sie wollte ihn vor allem wieder als Freund zurückgewinnen, den sie schon so lange kannte. Dank dem sie vor etwa vier Jahren Hopplo kennenlernen und an der Arena-Challenge teilnehmen durfte.

„Okay“, sprach sie sich selbst Mut zu. „Ich schaffe das. Champ Time!“

Entschlossen hob Raelene eine Hand, gewillt zu klopfen, verharrte jedoch tatenlos in dieser Position. Einige Sekunden später wandte sie sich ab und fluchte über sich selbst. Warum war das so schwer? Irgendwie musste sie einen Weg finden, sich dieses Vorhaben zu erleichtern. Einfach vor der Tür abstellen käme nicht in Frage, da sie ihm ins Gesicht schauen wollte, wenn sie sich entschuldigte. Das wäre das mindeste, sonst kaufte er ihr den Willen zur Besserung erst recht nicht ab.

„Ah, ich hab's~.“

Raelene balancierte die Schachtel vorsichtig auf einer Hand, um mit der anderen einen ihrer Pokébälle hervorzuholen. Kurz darauf stand Wolly vor ihr und blökte laut.

„Pssst!“, ermahnte Raelene sie dazu still zu sein. „Kannst du mir bitte einen Gefallen tun? Ich habe eine Überraschung für Delion. Magst du vorgehen und ihn zuerst begrüßen? Das freut ihn bestimmt.“

Wollys waren so niedlich und unschuldig, da konnte Delion gar nicht anders als schwach zu werden. Garantiert! Somit wäre er etwas milder gestimmt und Raelene könnte ihm ohne Furcht unter die Augen treten. Fröhlich gab Wolly diesem Plan ihren Zuspruch, was sie zuversichtlich stimmte. Sie fühlte sich schon viel sicherer, als sie sich abermals der Tür zuwandte und diesmal ohne zu zögern klopfte.

Erst einige Sekunden später ertönte dumpf Delions Stimme von der anderen Seite: „Herein!“

„Dein Auftritt~.“

Raelene öffnete die Tür weit genug, damit Wolly hindurch schlüpfen und das Büro betreten konnte, während Raelene weiter draußen wartete. Nervös blieb sie außer Sicht und lauschte. Ihr Wolly gab mehrere glückliche Laute von sich und schien dabei herumzuhüpfen, sofern Raelene die Geräusche richtig deutete.

Wie erhoffte reagierte Delion positiv, seine Stimme klang sanft. „Hey~. Was machst du denn hier? Haben wir einen Termin?“

„Woll!“

„Na, komm her~.“

Wahrscheinlich hüpfte Wolly nun zu Delions Schreibtisch, wo er ihr liebevoll den Kopf tätscheln würde. Zumindest stellte Raelene sich das vor. Als es kurz verdächtig still wurde, bekam sie aber doch ein schlechtes Gefühl.

„Also“, rief Delion auf einmal laut, mit etwas Nachdruck, „wo ist denn deine Trainerin, hm?!“

Am liebsten wäre Raelene auf der Stelle in ein Loch versunken. Er wusste, dass sie da war! Nicht irgendjemand, sondern speziell sie. Der Champ. Sein Tonfall verriet ihr das. Also erkannte er sogar schon ihr Wolly auf den ersten Blick? Davon war Raelene mehr als beeindruckt. Dummerweise bedeutete das aber, ihr Plan ging nur zur Hälfte auf.

Champ“, betonte er, bereits mit einem genervten Unterton. „Jetzt komm schon rein.“

„Woll?“

„Ich hasse dich, Rebellen-Ich“, flüsterte Raelene.

Leichte Kopfschmerzen bahnten sich an. Mit denen hatte sie schon seit einigen Tagen zu kämpfen. Sie fuhr sich mit einer Hand durch die kurzen Haare, die sie mittlerweile nicht mehr ertragen konnte, und holte tief Luft. Danach drückte sie mit der Schulter die Tür richtig auf und klammerte sich an der Schachtel fest, wie an einem Rettungsring.

Zögernd betrat auch Raelene das Büro. Wolly hockte scheinbar neben Delion an seinem Stuhl, hinter dem Schreibtisch, weshalb sie die Kleine nicht sehen konnte. Lächelnd lehnte er sich zu ihrem Pokémon vor und sprach leise mit ihr. Worüber Delion mit Wolly redete konnte Raelene leider nicht verstehen, doch sie machte sich keine Sorgen deswegen. Gegenüber Pokémon verhielt Delion sich immer herzlich und fürsorglich.

Erst als er sich wieder aufrichtete und Raelene ansah, verhärteten sich seine Gesichtszüge schlagartig. „Guten Tag, Champ. Kann ich dir helfen?“

Natürlich zeigte Delion sich distanziert, ganz wie erwartet. Dass sie nicht mehr wie eine Punkerin gekleidet war und nach Ewigkeiten mal wieder zu einem sportlichen Outfit gegriffen hatte, half scheinbar nicht dabei, sein Misstrauen wenigstens ein klitzekleines bisschen abzuschwächen. Wäre auch zu schön gewesen. Mit Sicherheit vermutete er sogar eine Art Falle hinter ihrer optischen Rückkehr zum Ursprung.

Wenigstens hatte Raelene nichts mehr angestellt, wegen dem er sie zurechtweisen müsste. Ein strenger Delion, der dabei war, die Schwelle der Wut zu überschreiten, konnte nämlich wahrlich furchteinflößend sein. Auf diese Erfahrung wollte Raelene zukünftig lieber verzichten. Sie würde sich darum bemühen, ihm keinen Grund mehr zu liefern, ihr eine Predigt halten zu müssen.

Da Delion auf Raelene fixiert war, huschte Wolly hinter dem Schreibtisch hervor und erkundete neugierig das Büro, als wäre sie noch nie zuvor hier gewesen. Unbeholfen hielt Raelene die Schachtel etwas hoch, fand jedoch keine passenden Worte für einen Anfang. Derweil griff Delion nach einem Kugelschreiber und tippte mit der Spitze ungeduldig gegen die Oberfläche des Tisches – verschiedene Stapel aus Dokumenten lagen unsortiert auf diesem herum.

„Redest du jetzt nicht mehr mit mir?“

„D-doch“, stotterte Raelene. „I-ich … weiß nur nicht, was ich sagen soll.“

Delion schloss kurz die Augen, atmete kaum merklich durch und machte eine einladende Handbewegung. „Wie wäre es damit, mir zu sagen, weswegen du mich aufsuchst?“

Raelene nickte verkrampft. „Ja, das ist … eine gute Idee.“

Da sie den Mund öffnete, aber für mehrere Sekunden wieder nichts sagte, herrschte eine Weile Stille im Raum – wenn man von Wolly absah, deren gute Laune nie etwas trüben konnte. Offenbar machte Raelene einen mitleiderregenden Eindruck, denn Delions Gesichtszüge wurden weicher und er lehnte sich vor, um mit dem Kugelschreiber auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch zu deuten.

„Setz dich erst mal. Dann holst du tief Luft und sagst mir, was los ist.“

Dankbar nahm Raelene das Angebot an und stellte zunächst vorsichtig die Schachtel auf dem Schreibtisch ab, ehe sie Platz nahm. So viel Einfühlungsvermögen hatte Delion ihr gegenüber schon lange nicht mehr gezeigt. Vielleicht konnte sie die Beziehung zu ihm wirklich noch kitten. Also atmete sie einige Male tief und gleichmäßig durch, bis sie das Gefühl hatte, endlich normal mit ihm sprechen zu können.

„Ich will mich bei dir entschuldigen“, sagte sie aufrichtig.

Sofort zog Delion die Augenbrauen zusammen. „Hast du schon wieder etwas angestellt?“

„Nein ...“ Als Raelene den Kopf schüttelte, spürte sie erneut einen stechenden Schmerz. „Diesmal nicht.“

„Wofür genau willst du dich dann entschuldigen?“

„Für alles.“

Reichlich skeptisch lehnte Delion sich zurück. Sein Blick war fest auf sie fixiert, beinahe als befürchtete er einen Angriff, sollte er nur eine Sekunde unachtsam sein. Dieses Verhalten konnte Raelene ihm nicht übel nehmen. Ihre letzten Gespräche miteinander waren laut und unschön gewesen. Garantiert hätte Delion sie gerne mehrmals gefeuert, sofern ihm das möglich wäre – nur hätte er das anschließend der Öffentlichkeit erklären müssen.

„Ich war in diesem Jahr unausstehlich.“ Am liebsten hätte Raelene beschämt den Blick abgewendet, doch sie wollte ihm in die Augen schauen und beweisen, dass sie es ernst meinte. „Und ich habe nicht nur dir, sondern auch vielen anderen von der Liga Schwierigkeiten bereitet. Trotzdem habt ihr euch alle immer um mich bemüht, egal wie schwer ich euch das Leben gemacht habe. Mein Verhalten war egoistisch und kindisch. Das tut mir wirklich leid ...“

Delion blinzelte überrascht und benötigte diesmal selbst einen Augenblick, bis er seine Sprache wiederfand. „Aaalso ... ich fasse es positiv auf, dass du dich entschuldigst. Aber wie kommt es auf einmal dazu?“

Verständlich, dass ihn das interessierte. Für ihn kam dieser Sinneswandel aus dem Nichts, genau wie damals, als ihre rebellische Phase angebrochen war. Eine Erklärung konnte Raelene ihm daher nicht verwehren, nur wusste sie nicht so genau, wie sie darauf antworten sollte. Nicht, ohne ihn mit all ihren tief sitzenden Sorgen zu belasten.

„Zum einen hatte ich viele Gespräche mit Iva, Gloria und Mary.“ Ungewollt fing ihre Stimme an zu zittern. „Zum anderen habe ich genug Zeit zum Nachdenken gehabt und festgestellt, dass ich mich inzwischen nicht mal mehr selbst leiden kann. Ich will so einfach nicht mehr sein.“

Nun brach sie doch den Blickkontakt ab und beobachtete ihr Wolly, wie sie gerade von einer Wand zur anderen rollte. „Ich bin nicht perfekt und das werde ich nie sein. Aber solange mich meine Pokémon, meine Mutter, meine Freunde und meine Fans so gern haben, wie ich bin, ist das schon in Ordnung. Dann ist es auch nicht schlimm, nur ein Ditto-Champ zu sein.“

„Bei dir klingt es so, als wäre das ein schlechter Spitzname“, kommentierte Delion erstaunt.

Als Raelene den Blick zurück zu ihm lenkte, stellte sie fest, dass seine Mimik insgesamt deutlich entspannter aussah. Auch seine Körperhaltung wirkte um einiges lockerer und nicht mehr professionell unterkühlt. Dadurch fühlte Raelene sich selbst wohler in seiner Gegenwart, dennoch war sie von seiner Aussage verwirrt.

„Na ja, es klingt nicht gerade positiv ...“

„Sagt wer?“ Offenbar erwartete Delion darauf keine Antwort, denn er fuhr direkt fort. „Dittos sind nicht nur niedlich, ihnen stehen auch alle Wege offen, weil sie sich jedem Pokémon anpassen können. Durch diese Fähigkeit schrecken sie nicht mal vor starken Gegnern zurück. Wer sich selbst nicht richtig einschätzen kann, wird gegen ein Ditto den Kürzeren ziehen. Sie sind wahre Meister darin, schnell durchzublicken und Techniken wirksam einzusetzen.“

Er nickte Raelene aufbauend zu. „Ist doch also ein toller Spitzname, den deine Fans dir gegeben haben.“

„Meine Fans?“, wiederholte sie.

„Während deines letzten Schaukampfes haben sie dich mit diesem Ausruf angefeuert und haufenweise Fahnen und so gebastelt, auf denen stand, dass sie an dich glauben. Ist dir das nicht aufgefallen?“

Ehrlich gesagt hatte Raelene angenommen, ihre Hater wären so weit gegangen, sie sogar live im Stadion fertigmachen zu wollen. Also hatte sie lieber nicht genau auf die Zuschauer geachtet und sich nur stur auf den Kampf gegen Mel konzentriert. Nun erschien es ihr im Nachhinein lächerlich. Wieso sollte man Geld für jemanden ausgeben, den man gar nicht unterstützen wollte? Falls doch einige Leute anwesend gewesen waren, die Raelene nicht mochten, hatten sie sicher eher Mel zugejubelt, statt ihre Energie für sie zu verschwenden oder gar irgendwelche Fahnen zu basteln.

Diese Erkenntnis rührte und erleichterte Raelene so sehr, dass sie lächeln musste. „Nicht wirklich.“

„Achte nächstes Mal darauf“, riet Delion ihr. Einer seiner Mundwinkel zuckte leicht nach oben, doch er besann sich schnell und tippte mit dem Kugelschreiber gegen die Schachtel auf dem Schreibtisch. „Und was hat es damit auf sich?“

„Ach, das ...“

Den Kuchen hatte sie fast verdrängt. Das Gespräch lief so gut, doch dieses Ding könnte alles mit einem Schlag zunichte machen. Zu ihrem Leidwesen fiel ihr spontan keine Ausrede dafür ein, was sie sonst in einer Schachtel mit sich herumschleppen könnte. Widerwillig schob Raelene sie also in Delions Richtung.

„Ich hab einen Kuchen gebacken, als Entschuldigung“, murmelte sie leise. „Er ist aber nicht gut geworden. Curry zu kochen liegt mir mehr ...“

Eine gewisse Neugier erwachte in Delion, weshalb er die Schachtel noch näher zu sich zog und sie sofort öffnete. Wie befürchtet verfinsterte sich sein Gesicht und er hob eine Augenbraue.

„Ähm … ich bin schon mal froh, dass es kein Voltobal oder Lektrobal ist“, gestand er.

Hatte Delion etwa ernsthaft mit einer Bombe gerechnet?

Schlimmer konnte es nicht werden.

„Bist du dir sicher, dass du dich hiermit entschuldigen und mich nicht vergiften willst?“

Es konnte doch schlimmer werden …

Augenblicklich fuhr Raelene von ihrem Platz hoch und riss die Schachtel hastig wieder an sich. „Tut mir leid! V-vergiss den Kuchen! Ich sagte ja, er ist nicht gut geworden. Wenn du willst, lade ich dich einfach zum Essen ein. Es gibt sicher großartige Restaurants in der Stadt. Wir könnten uns auch etwas liefern lassen.“

„Hey!“, wandte Delion laut ein und stand ebenfalls auf, was sie zusammenzucken ließ. „Ganz ruhig, ich hab nur Spaß gemacht. War nicht mein bester Witz. Roy kann das besser.“

Behutsam brachte er Raelene dazu, die Schachtel loszulassen, so dass er sie an sich nehmen konnte. Er legte den Kugelschreiber zur Seite und ging um den Schreibtisch herum zu ihr. Sofort kehrte die Anspannung zurück. Beinahe ängstlich sah sie zu Delion auf, der so viel größer war als sie. Beruhigend lächelte er ihr zu – etwas, wovon sie schon nicht mehr zu träumen gewagt hätte, es jemals wieder zu sehen.

„Versprich mir, dass du ab jetzt keinen Unsinn mehr anstellst“, sagte er, wohltuend freundlich. „Dann verzeihe ich dir alles, was dieses Jahr vorgefallen ist. Abgemacht?“

Einladend streckte Delion ihr die Hand entgegen. Erleichterung erfasste Raelene. Er war dazu bereit, ihr zu verzeihen! Schnell schlug sie ein, mit beiden Händen, bevor er es sich anders überlegen konnte, und atmete auf. Ihre Dankbarkeit für diese zweite Chance spiegelte sich in ihren glasigen Augen wider, mit denen sie ihn ansah.

„Ich verspreche es!“, entgegnete Raelene entschlossen. „Du wirst sehen, ich werde mich bessern und ein großartiger Champ werden!“

„Es wäre schon großartig genug, wenn ich weniger Schadensbeseitigung betreiben muss.“

Räuspernd versuchte Delion seine Frustration und Überarbeitung bei diesem Thema zu überspielen, was in Raelene den Drang weckte sich nochmal zu entschuldigen. Wahrscheinlich half sie seinen strapazierten Nerven aber mehr, wenn sie ihre Worte in die Tat umsetzte und seine Arbeit somit einfacher machte. Sie konnte es kaum erwarten ihr neues Leben richtig in Angriff zu nehmen.

Plötzlich rollte Wolly gegen Delions Beine und blökte ihn erwartungsvoll an. Zu erkennen, was sie wollte, war nicht schwer. Hungrige Wollys machten ein ziemlich eindeutiges Gesicht. Außerdem hatte Hop schon von klein auf auch eines besessen, also konnte Delion eine Menge Erfahrung mit diesen Schaf-Pokémon sammeln.

Mit dem Daumen deutete er zu der Schachtel. „Sollen wir dann mal essen?“

„Du willst den echt probieren?“

„Klar, wäre doch sonst schade drum. Wir sollten nur in den Pausenraum gehen, denn hier habe ich keine Teller oder Besteck parat.“

„Woll!“

Sein Mut imponierte Raelene.

Seltsam zufrieden nahm Delion die Schachtel und gab ihr, so wie Wolly, zu verstehen, dass sie ihm folgen sollten. Unterwegs erklärte er anschließend, dass er sich mal hatte sagen lassen, selbst wenn etwas nicht genießbar aussah, schmeckte es in der Regel trotzdem gut, solange es mit Liebe gebacken oder gekocht worden war. Natürlich fragte Raelene sich, wem er diesen Rat zu verdanken hatte, verzichtete jedoch darauf nachzuhaken. Ihr genügte es, dass er ihren missratenen Kuchen überhaupt probieren wollte.

„Sag mal“, warf Delion zwischendurch ein, „der Kuchen … was soll das darstellen?“

Autsch.

„Ein … Glumanda.“

„Oh.“ Mühevoll unterdrückte er ein Lachen. „Du hast dir echt Gedanken gemacht, was?“

„... Ich hoffe, dass ich dir nie wieder einen Kuchen backen muss.“

Lächelnd nickte er ihr zu. „Der Wille ist da, wie man an dem Kuchen sieht. Du schaffst das schon.“

Solange es Raelene gelungen war, einen Funken Glauben an sie in Delion zu entfachen, hatte sich die Mühe auf jeden Fall gelohnt. Bislang glaubte sie, dass ihr Weg ab jetzt endlich dorthin führen würde, wo sie hin wollte. Alles war gut, sie könnte es wirklich schaffen.



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