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Unmei no Akai Ito

von

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Neugier 1/3

Die Neugier ist die Amme des Gerüchts.

(Erich Limpach)


 

„Meine Gefährtin wünscht, Ihren Sohn zu besuchen“, erhob seinen sonoren Bass über das morgendliche Vogelgezwitscher.
 

Die helle Sonnenscheibe erklomm gerade die oberen Baumwipfel und sandte ihre goldenen Strahlen durch das dichte Blätterwerk. Vereinzelt drang die mütterliche Wärme liebkosend auf ihre heute ungewohnt blassen Wangen. Seit dem heutigen Morgen begleitete sie ein leises Unwohlsein, welches sie dem wenigen Schlaf und ihrer - seit Neustem - steten Müdigkeit zuschrieb. Zumindest fiel ihr keine andere Erklärung ein. Sie hatte den Eindruck, selbst Ai maß sie zuweilen genauer, zumindest spätestens seit dem heutigen Erwachen. Damit streifte ihr Meeresblau kurz zu der schneeweißen Wölfin, welche hechelnd im Zickzack vor dem ungleichen Spaziergängerpaar über den schmalen Waldweg trabte. Ihre Nase prüfte dabei stets die Witterungen und Spuren.
 

Es musste ihm schon eine geraume Weile auf der Zunge gelegen haben, so abrupt und direkt, wie er ihr Schweigen nach der letzten Unterhaltung gebrochen hatte. Seltsam, wie er sich ausdrückte. Fürchtete er gar, ihr Interesse könnte mehr ihr gelten denn dem gemeinsamen Sohn? Ebenso seltsam: Beide Hundedämonen hatten die Mutter noch nie zuvor erwähnt.
 

„Wenn es Euch unangenehm ist...“, hob er gerade an, ihr gewohnt umsichtig zu begegnen.
 

Er war ein ausgezeichneter und ausnehmend zuvorkommender Gastgeber – und umso geduldigerer Mentor. Hatte er es doch sehr bald bereits vermocht, dass sie sich sogar hier, in einem Schloss voller naturgegebener Feinde, aufgehoben und wohlgefühlt hatte – lange, bevor sich sein Sohn ihres Wohlbefindens angenommen hatte.

Mit einem dezenten Schütteln ihres Kopfes wischte sie das leise Lächeln hinweg, welches ihr über diesen Gedanken entkommen war. Da hatte es bereits den Seitenblick aus seinem Dunkelgold besänftigt. Sie hatte wohl zu lange geschwiegen – wie stets angenehm überrascht ob seiner Rücksichtnahme.
 

„Nein, ich würde mich sehr freuen, Eure Gefährtin kennenlernen zu dürfen“, bekräftigte Ishizu mit ihrem aufrichtigen Lächeln.
 

Es war so bezaubernd, dass es sich sogleich auf seinen Zügen in einem Zucken seiner Mundwinkel widerspiegelte. Unverkennbar offenbarte es damit die Verbindung zwischen Sohn und Vater und bewog sie dazu, schuldbewusst ihren Blick abzuwenden. Solche Momente wurden immer kritischer, zumal sie sehr wohl registrierte, dass sie ihnen immer öfter auswich. Zu sehr fürchtete sie, ihre Mimik könnte die längst erwachsene Vertrautheit enttarnen.
 

„Um ehrlich zu sein, fürchte ich, könnte ihre Art für Euch gewöhnungsbedürftig sein“, galt ihr als Bestätigung und berief ihren Blick zurück auf ihn.
 

Ob sie ihm schon länger in den Ohren lag mit dem Wunsch nach einem Besuch?

Beim Turnier hatte sie gefehlt. Und, dass er den Zeitpunkt für nicht zufällig gewählt hielt, war spätestens jetzt klar.

Ob er an ihre Streitpunkte mit besagtem Sohn dachte?

Einiges musste Sesshōmaru ja auch von ihr haben. Ganz entgegen seiner Erwartung regte sich darüber auch in ihr die Neugierde.
 

„Demzufolge ist nicht nur ihr Interesse der Grund, warum Ihr mich Eurer Gefährtin solange vorenthieltet?“, hakte Ishizu daher schmunzelnd nach.

Es rang dem Daiyōkai tatsächlich ein Lächeln ab, das seine blauen Dämonenstreifen sanft aufwarf. Etwas, das sie von Sesshōmaru so nicht kannte. Es hatte eine ungeahnt anziehende Wirkung. Ob er sich dessen bewusst war?
 

Ihr Gegenüber erkannte derweil wieder einmal einen der Gründe, warum sie seinen Sohn derart leicht aus der Fassung hervorzulocken vermochte: Das seltene Bedürfnis bedachtsam gesprochene Worte charmant, jedoch nicht minder gnadenlos zu hinterfragen – und so zu enttarnen. Er schwieg, wohlwissend, dass so manche Offenlegung durchaus heilsam sein konnte.
 

„Wir trafen eine Übereinkunft noch vor Sesshōmarus Geburt“, lenkte ihr Meeresblau interessiert in das ansehnliche Antlitz des Dämonenherrschers.
 

Das war anzunehmen, wohnte die Mutter und Gefährtin doch nicht in seinem Schloss, nicht mehr zumindest, oder hatte es gar niemals? Diente die östliche Anlage vielleicht nur den seltenen Besuchen der Fürstin?

Natürlich zeigte sie sich weniger überrascht über die offensichtliche Nüchternheit der Beziehung des Fürstenpaares zueinander – nicht zuletzt dank der Erfahrungen in der östlichen Festung des einstigen Waffenbruders.

Also kannte Sesshōmaru gar keine von Zuneigung geprägte Paarbeziehung – wie die meisten ihrer Familie.
 

„Demnach war Euer Erbe Teil der Übereinkunft“, pflichtete der Hundeherrscher mit einem Nicken bei.
 

„Ein Teil davon. Als ich in den Westen kam, war mir die Kultur fremd, wie Euch, Ishizu-sama“, überraschte sie.

Er wirkte so natürlich in seiner Umgebung.
 

„Tatsächlich könnte man sagen, Ihr lernt von der Besten“, veranlasste sie automatisch dazu, sein leises Schmunzeln mit ihrem Zuversichtlichen zu erwidern.

Das Erstaunen war dennoch auf ihren Zügen verblieben. Also war sie eine Art Lehrmeisterin für ihn gewesen, ganz so, wie ihr Sohn nun für sie. Es warf ein unerwartetes Licht auf die einzigartige Übereinkunft ihrer Väter – und auf seine Entscheidung, gewisse Verpflichtungen auf Sesshōmaru letztlich zu übertragen.
 

„Im Gegenzug behielt sie die Oberhand über ihre väterlichen Kernprovinzen, den ehemaligen Herrn über den Westen – und eine gewisse Form der Eigenständigkeit. Natürlich sieht diese Übereinkunft ebenso vor, dass sie ihren Sohn jederzeit sehen darf.“
 

Mochte der Sohn auch längst dem Alter entwachsen sein, um der mütterlichen Fürsorge zu bedürfen. Dafür war der traditionelle Bau also errichtet worden.

Sie war bereits lange genug in ihrer beider Gesellschaft, um erahnen zu können, was er wohlweislich verschwieg. Er musste ihren Vater besiegt haben – hatte sie als Kriegsbeute jedoch trotzdem nicht einfach zum Gehorsam gezwungen. Eine rücksichtsvolle und zugleich hoffnungsvolle Geste für eine gemeinsame Zukunft oder ein befriedendes Angebot für die Erbin des unterlegenen Kontrahenten gegen den Fremden?

Heute war es für sie unvorstellbar, dass ihm mit solchem Misstrauen je begegnet worden sein könnte. Alle Dämonen, mit denen sie ihn bisher interagieren erlebt hatte, respektierten, wenn nicht sogar verehrten, ihn. Allerdings räumte sie sich die Möglichkeit dazu ein – auch eingedenk der unzähligen Ermahnungen Sesshōmarus über seine Art.
 

Auf jeden Fall eine interessante Familienkonstellation; in Anbetracht derer sich Sesshōmaru ihr gegenüber fast erstaunlich ‘‘gefühlsbewusst‘‘ verhielt. Zumindest nahm er seine Gefühle wahr; wenn auch das sprichwörtliche Brett vor dem Kopf zuweilen arg dick erschien. Kein Wunder, dass es ihm oft schwerfiel, sie zu verstehen. Ob er sich eine Beziehung wie die Ihre zu leben, überhaupt vorzustellen vermochte? Erklären konnte er sie sich mit Sicherheit nicht.
 

„Dann freue ich mich umso mehr darauf, endlich der Zeremonienmeisterin höchstselbst begegnen zu dürfen“, schmunzelte sie und traf auf erhabene Dämonenzüge.
 

Zu einer Erwiderung kam es nicht mehr, als sich stattdessen zwei Männerstimmen plötzlich auch in ihren Gehörgang brachen. Zwar nur leise und hintergründig, doch stetig und unverkennbar erheitert wurden sie vom Wind herangetragen, welcher raschelnd durch das Dickicht wisperte. Hatte nicht einzig Takeo sie in einigem Abstand begleiten sollen? Offensichtlich war er längst nicht mehr allein.

Sofort glitt ihr Blick neben sich, sodass sie seinen krallenbesetzten Finger, welchen er verschwörerisch an seine Lippen führte, völlig unvorbereitet antraf. Es raubte ihr ein diebisches Grinsen, hatte sie sich die würdevolle Erscheinung des Herrschers über die Hunde doch beim besten Willen so nicht vorgestellt. Ai legte den Kopf wie zur Bekräftigung schief, verbat sich jedoch jeglichen Laut, sobald sie an ihre Seite kam. Auch Ishizu wagte nicht einmal mehr zu atmen.
 

Er zog derweil seine Klinge unter einem nicht minder dämonischen Lächeln, das den Sohn unverkennbar verriet. So langsam und so leise schabte sie an der Scheideninnenwand entlang, dass es nicht einmal einem Flüstern im Wind gleichkam. Gespannt darauf, was nun geschah, folgte ihr Augenmerk der Schwertspitze, welche er zielstrebig gegen das herbstliche Gelbgrün richtete, ehe er neben ihr sein Yōki kaum merklich bemühte. Es kitzelte nicht unangenehm in ihrem Nacken. Mehr bedurfte es nicht, dann hatte sich seine dämonische Energie bereits mit der des Schwertes verbunden und war einem Blitz gleich durch das dichte Blätterwerk geschossen.
 

Ishizu ignorierte den Schauer, der ihr instinktiv die kleinen Härchen auf ihren Armen aufgestellt hatte, sobald die gegensätzliche Energie an ihr vorbeigefegt war. Sie wurde längst von ihrem amüsierten Glucksen geschüttelt, noch ehe sie ihrem Begleiter neben Ai durch das nun lichtere Gelbgrün gefolgt war.
 

Ihr Kichern verbiss sie sich so gut sie konnte, warfen sich doch die beiden ertappten Tunichtgute sogleich mit einem erschrockenen „Oyakata-sama!“, unisono zu Füßen ihres Oberbefehlshabers.

Der bemühte sich redlich darum, seine Miene ernst zu halten.

Nur Ishizu wagte den Blick in seine Züge und glaubte den Schalk in dem dunklen Orangegold wild auflodern zu sehen.
 

Noch darunter kündete der leise Windhauch in ihrem Rücken von dem weiteren Besucher auf der Waldlichtung, welchen die väterliche Energie angelockt hatte. Ais begrüßendes Winseln wurde mit Nichtachtung bedacht.

Wenn sie sich nicht versah, wagte er beinahe sogar leises Missfallen an den Vater zu richten, mochte er es auch rasch unter der angedeuteten Verbeugung verbergen.

Noch während der Herrscher die Klinge wieder auf seinem Rücken verstaute, fing Ishizu das violette Leuchten des rötlichen Knaufs auf, in welchem der Griff mündete. Ein seltsames Gefühl beschlich die Himmelstochter, ehe sie sich anschickte, dessen Ergründung zu vertagen.
 

Ein Wink und die beiden Krieger waren zurück auf ihren Beinen; der Zweite bereits nach einem kurzen prüfenden Blick den Pony hinauf in die Züge seines Herrn zurück auf halbem Weg zu seinem Posten, wie Ishizu annahm.

Sie meinte seine Beweggründe durchaus erahnen zu können.

Die Ausbildung seiner Dämonenkrieger brauchte Zeit und kostete Ressourcen. Sie waren fähig und daher gefürchtet, mit anderen Worten hochangesehen und respektiert. Würde er jede kleine Nachlässigkeit in Friedenszeiten abstrafen, erst recht so, wie dies in Dämonenkreisen wohl üblich schien, hätte er wohl bald weit weniger gut ausgebildete und tapfere Kämpfer, welche ihm treuergeben waren. So erinnerte er sie lediglich dezent aber nicht minder wirksam an seine Macht – und amüsierte sich dabei wohl köstlich über seine Wirkung.
 

„Wir sind bereits fertig, Sesshōmaru“, gestand ein, dass ihr Unterricht wieder etwas länger gedauert hatte als vereinbart.
 

Es übergab sie in seine Obhut.

Er musste sie längst erwartet haben, stand die Scheibe doch bereits hoch über den Baumwipfeln. Ob ihn der Eberdämon dazu bewogen hatte, den Grund für die väterliche Energie mitsamt der seiner dämonischen Klinge herausfinden zu wollen?

Ishizu wagte ein zaghaftes Lächeln, ehe sie das Nicken ihres Gastgebers mit einem leisen Kopfneigen zum Abschied erwiderte.

Ein Blick neben sie und Sesshōmaru hatte auch Takeo aus seinem Dienst entlassen – seiner war dabei weit weniger versöhnlich als der des ehrwürdigen Vaters.
 

Kurz legte sich das Schweigen bedrückend über die Lichtung, als Ishizu ihr anhaltendes Grinsen mit einem weiteren tiefen Atemzug unter ihre Kontrolle zu zwingen gedachte.
 

„Dir ist doch klar, dass er dich beeindrucken wollte“, war eisig wie ein Schneegestöber im tiefsten Winter.
 

Offensichtlicherweise war er verärgert. Es konnte kaum nur der Verspätung wegen sein. Das kam schließlich oft genug vor, dass sie sich verquatschten. Neugierig kam sie daher an seine Seite, jetzt, da sie bis auf Ai allein waren. Noch verwehrte er ihr seine Aufmerksamkeit, als sein Blick lediglich einem ihm bekannten Punkt am Horizont folgte.

Hatte sie beim Wolfsdämon noch kein Urteil gewagt, so lag es bei seinem Vater offen vor ihr. Ihr wissendes Schmunzeln verbarg sie dennoch lieber hinter ihrem Haarmeer, als sie den Blick senkte.
 

„Du bist eifersüchtig“, war eine Feststellung, keine Frage.

Er wandte nicht einmal den Kopf, dennoch galt sein Augenmerk wieder ihr allein.
 

„Unsinn“, durchschnitt ihre Gedanken gebieterisch.
 

Sie wagte wohl mitunter gerade deshalb ein Lächeln, ehe sie ihr Meeresblau in sein argwöhnisch verengtes Raubtiergold erhob. Wie zu erwarten entzog er ihr daraufhin seinen Blick wieder und war gerade dabei wohl zum Schritt Richtung heimatliches Schloss anzusetzen, da durchbrach sie die erneut aufkommende Stille.
 

„Ich möchte noch nicht zurück. Lass uns noch eine Weile spazieren.“

Jetzt hatte er Takeo gerade vorgeschickt.
 

Seit dem Vorfall mit dem Eberdämon hatte selbst sein Vater die Angewohnheit entwickelt, immer einen weiteren seiner Männer mitzunehmen. Er selbst präferierte Ah-Uhn, verständlicherweise. Dementsprechend mahnend fiel der Blick aus, den sie über seine Schulter erntete. Es raubte ihr ein verzücktes Lächeln - Ai war ja bei ihnen. Dann hatte sie abermals zu ihm aufgeschlossen. Diesmal wagte sie sogar nach seiner Klaue unter dem weiß-rot bemusterten Ärmel zu langen. Er behielt sie in seinem ungerührten Fokus und begegnete ihrem zarten Lächeln ausdruckslos. Dennoch ließ er sie gewähren, als sie ihre zierlichen Hände zart um seine Krallenbesetzte legte.
 

Leise plätscherte das Wasser über den kieselartigen Boden. Hier und da störte der Ruf eines Vogels die einträchtige Stille, bevor der Wind abermals in seinem charakteristisch hellen Klangkonzert durch das Blätterdach hoch zu ihren Köpfen streichelte. Ein Sonnenstrahl kitzelte sie an ihrer Nasenspitze, als Ishizu ihren Blick von den Baumwipfeln herabholte. Ihre Füße genossen noch das Kribbeln des erfrischenden Nass´, welches sie gemächlich in Wirbeln umfloss.
 

Ai streifte durch das lichtbewachsene Unterholz. Ihre Nase mal schnüffelnd am Boden, jagte sie der einen oder anderen Fährte nach, dann reckte sie sie wieder in die Luft, um dem nächsten Hinweis zu folgen. Sie blieb stets in Rufweite, dennoch konnte die Göttertochter erkennen, wie sehr ihre Begleiterin die Abwechslung für ihre Sinne genoss.
 

„Warum hat er nicht seine Energie zwischen seinen Krallen gebündelt, wie du?“, brach die Ruhe fast störend.
 

Sesshōmaru lehnte mit einem Bein leicht angewinkelt nicht unweit entfernt an einem dickeren Baumstamm. Dessen Wurzeln erhoben sich über das Bodenniveau und umrahmten seine hünenhafte Gestalt. Ishizus Lippen zierte längst ihr verzücktes Lächeln über diese fast schon legere Haltung. Er zeigte sie nur höchst selten - und nie in seiner Funktion als Erbe des Westens. Damit traf sein ausdrucksloses Gold ihr unergründliches Meeresblau. Sie saß auf einem der großen Steine, welche das natürliche Gewässer begrenzten. Offensichtlich hatte selbst sie die Hitze des Tages überrascht oder waren ihre zarten Füße das lange Gehen nicht gewohnt?
 

„Weil er es nicht kann“, erfolgte es knapp und kam völlig unerwartet.

Es war zu nüchtern, dennoch war sie geneigt, seiner Wortwahl eine Absicht zu unterstellen. Ging es um den Vergleich mit dem noch mächtigeren Vater?
 

„Also kannst das einzig du“, wollte ihm auch schmeicheln.

Es hatte sie von Beginn an überrascht, schien es doch so natürlich für Sesshōmaru, seine Energie ohne Hilfsmittel direkt zwischen seinen Krallen zu bündeln - fast wie ein Gott.
 

„Neben meiner Mutter“, neigte ihren Kopf zur Seite, nur eine Nuance, und dennoch entging sie ihm nicht.
 

Er hatte es also angesprochen. Wie beiläufig folgte sein dämonisches Gold da den geschmeidigen Bewegungen der Göttin, als Ishizu ihre Füße dem leise sprudelnden Wasser letztendlich wieder entzog, um sie bedachtsam auf der von der Sonne gewärmten Steinplatte zum Trocknen aufzusetzen. Instinktiv umschlangen ihre dünnen Arme ihre langen Beine dabei. Ihren Blick hatte sie ihm abgewandt hinüber zum anderen Ufer.
 

„Das Gift auch?“
 

Er tat es mit seinem kaum wahrnehmbaren Kopfschütteln ab, sobald sie ihren Blick zu ihm zurückgeholt hatte – verwundert über sein Schweigen.

Also war diese Art Peitsche aus gebündelter Energie sein mütterliches Erbe?

Sie wurde immer neugieriger auf die Fürstin über den Westen.
 

„Er hat erwähnt, dass es ihr Wunsch ist, dich zu besuchen“, war längst keine Überraschung mehr für ihn.

Offensichtlich hatte sie dem Wunsch entsprochen, so entspannt, wie sie darüber verblieb.
 

So verblieb auch seine Miene ungerührt, als er ihre zarte Erscheinung mit seinem Raubtiergold abwanderte. Leise regte sich die längst vertraute Unruhe in ihr und wärmte ihre blassen Wangen, als sie seinen Blick dabei jede Wölbung ihres Körpers glaubte abtasten spüren zu können.
 

„Sie neigt dazu, sich über das Maß für mich zu interessieren“, klirrte vor Kälte.
 

Es beruhigte ihre Aufregung schlagartig. Mit einem leisen Atemzug hatte sie ihre Mimik wieder unter Kontrolle gebracht, ehe sie seiner erstarrten Miene gelassen begegnen konnte. Das lebendige Funkeln in seinem Dämonengold verriet ihr, dass er es natürlich genauestens mitverfolgt hatte.
 

„Sie ist deine Mutter“, bemühte Ishizu, wohl aus einem Reflex heraus.

Da gab es ein Maß?

Es prallte an seiner Ausdruckslosigkeit ab wie an einer externen Panzerung. Ob er sich auch nur eine Mutter wie die Ihre vorzustellen vermochte?
 

„Und woran genau zeigt sich dieses Übermaß an Interesse an dir?“

Jetzt maß er einzig ihre Züge. Ohne es zu wollen, kam sie sich mit einem Mal selten dumm vor. Als hätte sie es wissen müssen. Missmutig schürzte sie die Lippen. Als sich ihre Augenbrauen zornig über ihrem Nasenbein kräuselten, erbarmte er sich.
 

„Meinem Gefühlsleben.“

Wo bitteschön hätte sie das heraushören sollen? Dementsprechend traf ihn ihr Meeresblau tadelnd. Zumal, welche Mutter tat das nicht?
 

Es ließ ihn sichtlich unbeeindruckt. Er war sich keines Versäumnisses bewusst. Sie ahnte derweil, warum er es für nötig befand, es überhaupt anzusprechen – ihretwegen. Es passte ihm also weniger, dass sie ihn gerade jetzt besuchte. Ob sie ablehnen hätte sollen? Nur wie? Sie wollte doch ein guter Gast sein.
 

„Wird sie es uns ansehen?“

Sie dachte an Chiyo. Das leise Zucken um seine Mundwinkel empfand sie als unpassend. Es war zu schnell vorbei, um es effektiv tadeln zu können.
 

„Sie ist nicht gut darin“, meinte wohl, sein Gefühlsleben zu ergründen.

Wie distanziert war ihre Beziehung?
 

„Es ist lange her, dass wir regelmäßig Kontakt hatten“, offenbarte schonungslos, dass man ihr ihre Überraschung wohl wieder einmal an der Nasenspitze ansehen hatte können.
 

„Dennoch wäre es ratsam, du vermiedest es, mich anzusehen“, brachte ihr einen seiner lauernden Blicke ein.

Jetzt meinte sie zu verstehen. Er fürchtete, sie könne sie verraten, nicht er. Für den ersten Moment war sie drauf und dran, sich rasant zu erheben, um ihn in alter Manier anzufahren, da stoppte sie das amüsierte Funkeln in seinem dämonischen Gold. Sie hielt inne.
 

„Du machst dich lustig“, empörte sie sich, teils gespielt, teils nicht.

Es raubte ihm einen leisen Zug um seine schmalen Lippen.
 

„Ich wiederhole mich nicht, Megami“, lehnte er dann seinen Kopf zurück gegen die Rinde, um die Augen zu schließen.

Also empfand er seine Mutter generell ebenso schlecht darin, ihre Blicke zu deuten, wie den Rest seines Hofstaats. Das beruhigte, zugegebenermaßen, doch ungemein.
 

„Ich werde mich also bemühen, dir noch kratzbürstiger als sonst zu begegnen“, kommentierte er sogar mit seinem schmalen Lächeln.
 

„Das würfe Fragen auf.“

Sein Vater war anwesend, erkannte sie da.
 

„Du hättest mich vorwarnen können“, beließ er unkommentiert.

Für ihn war es evident, die Mutter erst dann zu erwähnen, wenn es wirklich von Nöten war.
 

„Wie spreche ich sie an?“, erinnerte ihn an seine Aufgabe.
 

„Du nennst sie Gobodo.“
 

Er öffnete die Augen, als keine Antwort kam. Sie lächelte zur Bestätigung. Merkwürdigerweise verblieb sein Augenmerk interessiert auf ihr. Ein weiteres Mal wanderte er ihre Züge ab, fast so, als analysierte er sie. Es dauerte so lange, dass es sie dazu nötigte, den Blick abzuwenden und demonstrativ zurück auf den schmalen Seitenarm des klaren Süßwassers zu richten. Es wurde unangenehm. Was hatte er auf einmal?
 

„Dir war unwohl“, wirkte befremdlich teilnahmslos.
 

Dennoch erkannte sie die Sorge darin, gerade weil er es thematisierte. Es forderte ihren Blick pfeilschnell zurück auf seine ansehnlichen Züge. Hatte es sich rumgesprochen?
 

„Menschen fehlt zuweilen die Gabe zu schweigen“, schürzte ihre Lippen verstimmt.

Sein "zuweilen“ änderte daran rein gar nichts.
 

„Dafür weiß euer dämonisches Personal aber auch nicht gerade selten die Köpfe zusammenzustecken“, schenkte ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
 

Er wollte doch tatsächlich Namen.

Sie unterdrückte ein herzhaftes Aufseufzen. Wie kam er nur darauf, dass sie ihm die nennen würde, wüsste sie sie. Sie wollte keine Köpfe rollen sehen – nicht wegen so einer Lappalie. Also schüttelte sie leise den Ihren, ehe sie aufstand und sich den Kimono glattstrich, um schlussendlich die wenige Distanz zwischen ihnen zu überwinden. Wie das Raubtier seine Beute verfolgte sein Blick eine jede ihrer schwingenden Bewegungen, bis sie wenig später rittlings auf seinen Schoß kam. Er räumte ihr den Platz ein, als er sein Bein noch darunter ausstreckte. Sanft strich sie ihm den Pony aus seinem Gesicht, während ihr Blick sich selten offen gefühlvoll auf ihn herabsenkte. Sie begegnete seinem Wachsamen mit der Bitte um Nachsicht.
 

„Es ist nicht der Rede wert“, verengte ihm die Augen, noch kaum merklich.
 

„Sie sind Dämonen“, sollte ihr wohl seine Kompetenzen verdeutlichen.
 

„Manches Mal ist die effektivste Verteidigung, es zu ignorieren, Sesshōmaru“, wisperte sie längst mit einem verliebten Lächeln auf den zartrosa Lippen.
 

Demnach glaubte sie, es könnte schlafende Hunde wecken, einzugreifen. Er konnte also einzig hoffen, dass sie das Gerede richtig als Lappalie einstufte. Seine Verstimmung darüber, dass es nach wie vor sie zum Inhalt hatte, vermochte es dennoch nicht zu vertreiben.

Es rührte sie zu einem zarten Lächeln. Er offenbarte eine Form des Schutzes, die sie durchaus zu schätzen gelernt hatte die letzten Wochen, je öfter er sie ihr gezeigt hatte. Es gefiel ihr. Dass sein Blick ihrem immer noch ebenso ungerührt begegnete wie noch zuvor, stieß ihr seltsam auf. Solange, bis sie auch darin erkannte, dass sie ihm wohl noch eine Erklärung schuldig war, seiner Meinung nach.
 

„Auch das war nicht der Rede wert“, verengte sein Dämonengold noch um ein Weiteres.

Ob er ihr zu wenig Schlaf gönnte?
 

Sie sah, dass es ihn erneut nachdenklich stimmte, also senkten sich ihre Lippen nahezu belohnend auf die Seinen ob seiner Fürsorge.

Er ließ es zu, erwiderte ihren zarten Druck sogar, ehe er sie einließ. Als seine Krallen vertraut über ihre Schenkelaußenseiten an ihre schmale Hüfte kratzten, entlockte ihr leises Aufseufzen dem Dämon sein schmales Lächeln. Es löste ihre Lippen. Heiß prallte ihr Atem gegen die Seinen, als Meeresblau raubtierhaftes Gold einfing. Selbstsicherheit entspannte seine ansehnlichen Züge, während ihre zierlichen Finger wie Wassertropfen im leichten Sommerregen über seine Wangen tanzten.
 

„Wir brechen jetzt auf, Ishizu“, erfolgte weit weniger despotisch als üblich für ihn.

Dennoch kräuselte es ihr Näschen in Skepsis. Er hatte es eilig, auf einmal?
 

„Es ist meine Aufgabe, sie zu eskortieren“, kam unerwartet.
 

„Wann brichst du auf?“
 

„Am Abend“, ließ sie überrascht sein Antlitz unter sich abwandern.

Er hatte nicht erwähnt, dass sie diese Nacht ohne ihn verbringen musste.
 

„Dann lässt du mich allein“, wurde sogleich mit einem betont ungerührten Blick geahndet.

Sie sollte wirklich aufhören, seinem Ego zu schmeicheln. Er besaß bei Weitem bereits ausreichend davon.
 

„Ich bin morgen zurück.“
 

„Das beraubt mich dennoch einer Nacht“, traf sein amüsiert funkelndes Raubtiergold.
 

Unverkennbar: Es gefiel ihm. Sie ignorierte es. Das war jetzt auch schon egal.

Instinktiv gab sie dem Drang nach, ihm erneut sein unnatürlich geschmeidiges Haar aus den nicht minder unnatürlich ansehnlichen Dämonenzügen zu streichen. Als er die Augen ergeben schloss, wurde sie von einer Welle berauschender Wärme durchflutet. Automatisch senkten sich auch ihre Lider. Hauchzart führte sie ihre Nase nur Augenblicke darauf über seinen Nasenrücken, um ihn nicht minder gefühlvoll anzustupsen, ehe sie ihre Lippen sehnsüchtig mit den Seinen verschloss.
 

„Das machst du wieder gut“, öffnete seine Augen von Neuem.

Pures Vergnügen funkelte ihr im schattigen Licht der Sonne entgegen, als seine Umarmung um ihre Hüfte sie sogleich fester an sich zog.
 

„Wie mir scheint, holst du dir doch längst, was du zu vermissen erwartest, Megami“, trieb auch ihr ein diebisches Grinsen auf die Züge.
 

„Mehr willst du mir nicht zugestehen?“

Immerhin war er derjenige gewesen, der hatte aufbrechen wollen. Als sie daraufhin ihr Becken andeutungsvoll nach vorne kippte, packten sie seine Klauen sogleich fest an ihrem Beckenkamm. Sein Blick stach warnend in ihr bewegtes Meeresblau.
 

„Es fällt auf“, ließ sie nicht gelten.
 

„Wer, wenn nicht dein Herr Vater kennt meine grenzenlose Neugier“, mochten sie auch noch so lange bereits für den Weg nach Hause brauchen.

Es war nur natürlich, dass sie Einiges zu klären hatten. Zudem war Ai bei Ihnen.

Erneut stellte sie sich der eingehenden Musterung ihrer Züge.
 

„Ich will noch nicht gehen“, war nur ein Flüstern.
 

Sie blieb hartnäckig. Als sie ihre Fingerkuppen abermals auf ihre ganz eigene Art und Weise über die magentafarbenen Dämonenstreifen auf seinen Wangen führte, konnte sie regelrecht in seinem selten bewegten Raubtiergold mitverfolgen, wie sein Widerstand nach und nach in sich zusammenfiel. Noch bevor sie ihrer beider Lippen erneut in einem leidenschaftlichen Kuss verbunden hatte, wusste sie daher bereits, dass er sie dieses Mal gewähren ließ.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Herren scheinen ja wenig begeistert von Frau Mutters Interesse zu sein. Weshalb dem so ist, davon kriegt Ishizu beim nächsten Mal eine kleine Kostprobe. Ob die sich lohnt, wird sich zeigen... Komplett anzeigen

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