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Eren

Geheimnisse der Turanos
von

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Die Umkleideproblematik

„Ah, endlich ist der Unterricht vorbei!“, freut sich Max, streckt die Arme zur Decke und gähnt.

 

Verwundert sieht ihn Eren von der Seite an. „Haben wir nicht noch Sport? Oder hab ich den falschen Stundenplan?“ Wirklich überraschen würde es den Jungen nicht. Bei der unorganisierten Schule.

 

„Nein, stimmt schon. Aber der Theorieunterricht ist vorbei“, korrigiert sich Max auf dem Weg zur Turnhalle. „Sport ist ja nicht wirklich Unterricht.“

 

„Was macht ihr denn so in Sport?“

 

„Also momentan eigentlich nichts bestimmtes“, grübelt Max mit gerunzelter Stirn. „Wir sollen einfach ein paar Stationen im Kreis abarbeiten.“

 

„Also Zirkeltraining?“ Damit kann Eren auch was anfangen. Vermutlich ist es eine einfachere Variante wie bei ihm Zuhause, das bedeutet, er muss aufpassen nicht übernatürlich gut zu sein, um nicht aufzufallen. Schön durchschnittlich bleiben.

 

„Ich glaub“, mischt sich Timo ungefragt ein, der vor den beiden die Treppe zu den Umkleiden hinabsteigt, „Herr Lang ist einfach zu faul, uns was richtiges beizubringen. Im Zirkel muss er uns nicht viel erklären, da kann er die meiste Zeit am Rand sitzen und seine Opamusik hören. Deshalb bin ich auch im Kampf-Club. Ich brauch eine Herausforderung. Nur leider gibt’s da auch keine ebenbürtigen Gegner mehr. Die hab ich schon alle fertig gemacht.“ Was soll dieser Seitenblick zu Eren bedeuten? Das überhebliche, provozierende Glitzern im Augenwinkel gefällt dem Turano auf alle Fälle nicht. „Na, wie wär´s, Eren? Willst du´s nicht mal probieren? Der Kampf-Club sucht immer neue Mitglieder.“

 

„So verlockend das auch klingt … Nein, danke“, lehnt Eren geradeheraus ab.

 

„Ach, komm schon“, versucht der Klassensprecher ihn zu überreden. „Falls du Angst vor ein bisschen Körperkontakt hast, keine Sorge, ich würde mich natürlich zurückhalten.“

 

„Wie nett von dir“, säuselt Eren gespielt gerührt. „Trotzdem, kein Interesse.“

 

Ein wissendes Grinsen zieht Timos Mundwinkel auseinander. „Verstehe. Du bist eben ein typischer reicher Feigling, der seine Bodyguards losschickt, um selbst nicht dreckig zu werden, stimmt´s?“ Timo hebt selbstgefällig das Kinn. „Tja, es kann eben nicht jeder so mutig sein wie ich und selbst die Dinge in die Hand nehmen. Doch davon verstehst du sicher nichts. Tja, tja.“

 

Eren spannt den Kiefer an und vergräbt die Hände in der Bauchtasche seines Sweatshirts, damit der eingebildete Typ die geballten Fäuste nicht sieht. Es kostet ihn wirklich alles an Selbstbeherrschung, ruhig zu bleiben und nicht auf ihn loszugehen. Dem Kerl würde es definitiv nicht schaden mal seine Grenzen gezeigt zu bekommen. Nur leider ist er ein Turano auf geheimer Mission, gleich zwei Gründe, weshalb das hier in der Schule, vor den Augen der ganzen Klasse, eine miese Idee ist. Plötzlich ist der Zwölfjährige doch ganz froh darüber, dass Ajax auch heute auf die morgendlichen Kräfteschrumpfungen bestanden hat. Ansonsten würden jetzt sicher lila Augen sichtbar sein. Also begnügt er sich gezwungenermaßen damit, sich einfach nur vorzustellen, Timo eine zu verpassen. Oder zwei.

 

„Lass dich ja nicht von ihm provozieren“, rät Paula, die ihrem Stiefbruder gegen den Oberarm boxt. „Und du hältst jetzt endlich mal deine Klappe, Timothy Jessy Zaun-Peidl!“

 

„Timothy Jessy Zaun-Peidl?“, wiederholt Eren schmunzelnd.

 

Paula dreht sich mit einem frechen Grinsen zu ihm um. „Sein vollständiger Name. Er hasst ihn.“

 

„Und wieso verrätst du ihm den?! Solltest du als Stiefschwester nicht auf meiner Seite sein?“, regt er sich auf und wird rot im Gesicht.

 

„Dann hör auf, dich wie ein Arsch zu benehmen“, fordert Paula mit verschränkten Armen, ohne sich im geringsten einschüchtern zu lassen. „Was ist nur los mit dir?“

 

Hoffentlich ist die Mission bald vorbei. Täglich dieses provokante Gezanke aushalten zu müssen ... Eren weiß nicht, wie lange er sich beherrschen kann.

 

~~~

 

In den Umkleiden sucht sich Eren einen Platz ziemlich am Rand, stellt dort seine Schultasche ab und öffnet den Sportsack, ebenfalls von Ajax und den Angestellten zusammengestellt. Das Sportoutfit der Schule, das alle Schüler während des Sportunterrichts tragen müssen, besteht aus locker sitzenden schwarzen Shorts mit blauen Längsstreifen an den Seiten und einem T-Shirt im gleichen Blauton mit schwarzen Querstreifen über der Brust und dem Schulmaskottchen am Rücken: ein kämpferisch grinsender Cartoon-Orca mit einem Schweißband an der Finne, auf dem das Schulwappen abgebildet ist. Ziemlich albern in Erens Augen.

 

„Du hast deine Sportklamotten schon bekommen? Als ich neue brauchte, hab ich fast einen Monat warten müssen“, erinnert sich Max, der seine Tasche neben Eren auf die Bank entlang der Wand stellt und die Schuhe abstreift.

 

„Ich könnte auch langsam neue gebrauchen.“ Klar, dass Timo auch seinen Senf dazugeben muss, um sich wieder in den Mittelpunkt zu drängeln. „Die jetzigen werden allmählich zu eng. Tja, das kommt eben davon, wenn man so viel Kampf-Club-Training hat. Davon bekommt man Muckis. Ihr habt´s gut. Das Problem kennt ihr ja nicht.“

 

*Wenn der wüsste*, denkt sich Eren innerlich mit den Augen rollend. Kann man ihn irgendwie auf Stumm schalten? Ein „versehentlicher“ Schlag gegen den Kehlkopf zum Beispiel? Außerdem, so muskulös wie er behauptet zu sein, sieht er gar nicht aus. Ja, man erkennt einen leichten Sixpack und auch an den Armen ein wenig, aber ansonsten sieht er eher schwächlich aus. Eren ist sich sicher, dass er ihn mit einer Hand besiegen könnte. Wahrscheinlich sogar mit weniger.

 

„Klar, versteh ich dein Problem. Ich hab auch Muskeln, die bald nicht mehr in mein T-Shirt passen“, behauptet Max gespielt prahlerisch, kann sich aber ein fettes Grinsen nicht verkneifen. Er hat sich einfach kurzerhand einen Stift heraus gekramt und sich einen Sixpack auf den Bauch gemalt. Ziemlich schief und blau.

 

„Der zählt nicht!“, ärgert sich Timo grummelnd.

 

„Der zählt sehr wohl!“, entgegnet Max bestimmt. „Der sieht doch total echt aus! Nicht wahr, Eren?“

 

Eren dreht den Kopf weg. Er will nichts damit zu tun haben. Mit Sicherheit ist das einer dieser Punkte, der nichts auf dem Turano-Niveau zu suchen hat. Dennoch fragt er sich: Sind die beiden tatsächlich Freunde? Timo wirkt im Moment jedenfalls weniger eifersüchtig und streitlustig. Er lacht sogar ehrlich während er vergeblich versucht Max zu erklären, dass ein aufgemalter Sixpack für die Tonne ist.

 

Dabei fällt ihm eine günstige Gelegenheit auf. Scheinheilig stellt Eren seinen Fuß auf die Bank und öffnet konzentriert die Schnürsenkel, nur um verstohlen zu Max schielen zu können. Max ist, trotz der angeblichen Speckrolle, die ihm Timo aufschwatzen will, schlank, wenn sich auch kaum Muskeln abzeichnen. Außer dem aufgemalten Sixpack natürlich. Aber ansonsten sieht er völlig normal aus. Keine Federn verstecken sich unter den Klamotten, keine Schuppen, kein Fell, keine Flügel. Nicht mal eine Tätowierung, keine aus Buchstaben und Zahlen und auch keine andere.

 

*Eren, du Dödel! Natürlich hat er keine Kennzeichnung! Sonst wäre er ja schon längst im Bunker!*

 

Also hat Max schon einmal keine äußerlichen Merkmale auf irgendwelche besonderen Fähigkeiten. Schade. Das hätte es einfacher gemacht. Wie er es anstellen soll, dass ihm Max von möglichen unauffälligeren Fähigkeiten erzählt, weiß er noch nicht. Vielleicht wäre Hypnose doch eine Option? Er hat nur leider keine Ahnung, wie man jemanden hypnotisiert.

 

Plötzlich fällt ihm etwas auf. Er stockt mitten in der Bewegung, die Schuhe liegen bereits unter der Bank und die Hose hat er auch gewechselt, aber beim Oberkörper zögert er. Max hat vielleicht keine äußeren Merkmale, er selbst allerdings schon. Und wenn er sich jetzt hier vor den anderen umzieht, ist es unvermeidbar, dass sie seine Male und die Tätowierung sehen. Daran hat er vorher natürlich nicht gedacht. Ajax und sein Vater anscheinend auch nicht, sonst hätten sie ihm sicher eine Sportbefreiung geschrieben.

 

Und was jetzt? Soll er einfach so tun, als hätte er das T-Shirt vergessen? Zu spät, es hängt nämlich schon halb aus dem Sportbeutel heraus. Auf alle Fälle sollte er sich schnell etwas einfallen lassen, denn noch lange mit den Fingern im Saum des Sweatshirts verkrallt wie erstarrt dazustehen, erregt nur noch mehr Aufmerksamkeit.

 

„Alles okay, Eren?“, erkundigt sich Max noch immer lachend, hat es aber mittlerweile geschafft sich das T-Shirt überzustreifen.

 

„Ja, i-ich“, beginnt er, räuspert sich kurz und schnappt sich seinen Sportbeutel. „Ich muss nur kurz auf´s Klo.“

 

Bevor jemand was sagen kann, flitzt Eren in einem möglichst unauffälligen Tempo in die Toilettenkabinen und sperrt sich in der ersten ein. Wie gut, dass Umkleiden immer Toiletten- und Duschräume haben. Hier kann er sich unentdeckt umziehen.

 

Offenbar hat sich Ajax doch was beim Sportunterricht gedacht, denn im Beutel findet Eren ein Paar breiter Schweißbänder. Mit Sicherheit wird er der einzige sein, der solche trägt, aber er ist auch der einzige, der eine Tätowierung am linken Unterarm und übersinnliche Male an beiden Handgelenken verbergen muss.

 

Wenig später kehrt er in vollständiger Sportmontur zurück auf seinen Platz und schlüpft in die Turnschuhe.

 

„Alles okay?“, fragt Max erneut nach als sich der junge Turano auf die Bank setzt. „Ist dir schlecht oder so? Dabei hast du doch gar nichts vom Schulessen gehabt.“

 

„Zum letzten Mal: Hör auf ständig rumzuerzählen, dass meine Mom schlecht kocht!“, regt sich Timo wieder auf, tippt dabei bei jedem Wort gegen Max´ Brust.

 

„Nein, alles gut“, antwortet Eren, ohne von den Schnürsenkel aufzusehen oder Timos Worte zu beachten.

 

„Bestimmt hat er sich nur wegen seinem Speckbauch geschämt“, behauptet Timo überzeugt. Wieso ist der noch nicht in die Turnhalle gegangen?

 

„Timo, jetzt hör doch mal auf“, unterbricht Max ihn barsch. An Eren gewandt fährt er fort: „Er meint es ...“

 

„Schon gut“, versichert Eren bevor der Blonde seinen Satz beenden kann. „Ich musste wirklich nur auf´s Klo.“

 

„Und warum hast du dich dann nicht hier umgezogen?“, verlangt der Klassensprecher zu wissen. Hat der keine anderen Hobbys?

 

„Na, weil ich dachte, so Zeit zu sparen. Immerhin sind wir die letzten“, erfindet Eren schnell eine Ausrede. Die ist noch nicht einmal gelogen. In der Umkleide sind wirklich nur noch sie drei, die restlichen Jungs sind bereits zur Turnhalle gegangen. „Können wir dann gehen?“

 

„Klar." Max setzt sich als erstes in Bewegung. „Wie gut, dass Herr Lang keine Strafen für´s Zuspätkommen vergibt.“

 

„Ja, sonst müsstest du ständig zum Nachsitzen“, witzelt Timo, der Eren noch einen seltsamen Blick zuwirft und dann dem Blonden folgt.

 

Eren seufzt stumm auf, erleichtert, dass er die Umziehsituation doch noch so gut gemeistert hat. Für nächste Woche wird er sich fest vornehmen die Schweißbänder gleich in der Mittagspause anzuziehen, um nicht wieder aufs Klo flüchten zu müssen. Zwei Wochen hintereinander wäre doch ein wenig auffällig. Auch wenn es ihm ja eigentlich egal sein kann, was die Nichtzielpersonen von ihm denken. Naja, außer es hat was negatives mit seinem Familiennamen zu tun. Ach, Schule ist so kompliziert!



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