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Eren

Geheimnisse der Turanos
von

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Das hässliche grüne Monster namens Neid

„Und vergesst nicht eure Arbeiten Zuhause unterschreiben zu lassen und morgen wieder abzugeben“, erinnert der Mathelehrer Herr Tucker die Klasse, die bereits geschäftig zusammenpackt. Auch der Mann hängt sich seine hässliche braune Tasche um und verlässt den Raum. „Bis morgen, Klasse.“

 

Timo, der gerade seinen Stuhl auf die Tischplatte stellt, fragt neugierig mit einer Spur Selbstgefälligkeit: „Was habt ihr denn für Noten? Ich hab wieder ´ne Eins.“

 

*Angeber.*

 

„Eine Drei“, freut sich Max während er in seine Jacke schlüpft. „Ich hab wohl doch nicht so viel vergeigt, wie ich dachte.“

 

Er scheint ernsthaft zufrieden mit dem Ergebnis zu sein. Wieso? Eren hat gelernt, dass man erst dann zufrieden sein darf, wenn man volle Punktzahl erreicht hat. Nicht einen Punkt weniger. Schließlich soll man immer nach der nächst höheren Stufe streben, nach Perfektion und der Spitze. Dem Turano-Niveau eben. Da genügt es nicht annähernd eine Drei zu bekommen.

 

„Toll, ich hab nur eine Vier“, schmollt Paula auf dem Weg in den Flur.

 

„Ich hab dir Nachhilfe angeboten, du wolltest sie ja nicht“, wiederholt Timo leicht schadenfroh.

 

„Eine Vier ist gut genug, um nicht durchzufallen, also behalte deine besserwisserischen Nachhilfestunden“, meint das Mädchen stinkig.

 

Wow, ist die jetzt mies drauf. Vielleicht hätte sie wirklich nur etwas mehr lernen müssen? Ach, was macht sich Eren überhaupt Gedanken deswegen? Kann ihm doch egal sein, wenn die Brünette sitzen bleibt. Sie sind keine Freunde. Sie hat nichts mit seiner Mission zu tun. Sie ist unwichtig. Nur eine Statistin.

 

„Und du, Eren?“, erkundigt sich Max auf dem Weg zum Ausgang.

 

„Bestimmt hat er eine Menge Flüchtigkeitsfehler drin. Der Angeber musste ja ´ne halbe Stunde früher abgeben als wir anderen, damit er noch schlafen kann“, behauptet Timo schadenfroh grinsend.

 

Würde es sehr auffallen, wenn er dem arroganten Klassensprecher ein Bein stellt? Bestimmt. Also bleibt nur die Ignorierentaktik übrig. Schule ist anstrengend. Mitschüler sind anstrengend. „Eine Eins, alle Punkte.“

 

Der Klassensprecher schnaubt abfällig. „Niemand mag Angeber, Prinzlein.“

 

*Das sagt der Richtige.*

 

Die grünen Augen werden groß vor Staunen. „Echt? Der Privatunterricht muss ja echt spitze sein. Ich hab meine Mom schon oft gefragt, ob ich das nicht auch haben kann, aber sie meinte immer, das wäre zu teuer, dann würde ich keinen Kontakt zu Gleichaltrigen haben, dann würde ich nur faul auf der Haut liegen, blablabla.“

 

Tja, so ganz Unrecht hat seine Mutter nicht. Zumindest mit den ersten beiden Punkten, faul auf der Haut gelegen ist Eren beim besten Willen nicht.

 

„Es ist gar nicht so toll, wie du glaubst. Ja, man kommt wesentlich schneller mit dem Stoff durch und es ist bequem, wenn die Lehrer zu einem nach Hause kommen, aber es ist teuer, dir wird bei jedem Strich über die Schulter geschaut und du bist ständig allein mit klugscheißerischen Erwachsenen. Außerdem kannst du von niemandem die Hausaufgaben abschreiben und auch nicht zu spät kommen.“

 

Verschmitzt lächelt Eren den Blonden an, der sofort eine Unschuldsmiene aufsetzt und ganz empört an seine Brust fasst. „Hausaufgaben abschreiben? So was hab ich noch nie gemacht. Und zu spät kommen? Wann komme ich bitte zu spät?“

 

„In den vier Tage, die ich jetzt hier bin, bist du ganze zweimal zu spät gekommen“, erinnert ihn Eren. „Ein Wunder, dass die Lehrer das alle einfach akzeptieren.“ Und wo schon das Thema Hausaufgaben kurz angeschnitten wurde, fällt ihm etwas ein, weshalb er unvermittelt stehen bleibt. „Ach, Mist. Ich hab mein Deutschbuch im Spint vergessen.“ Ohne dem Buch würde er morgen sicher Ärger bekommen, wenn er keine Hausaufgaben dabei gehabt hätte. Erst von Herrn Steinberger und später von Ajax.

 

„Soll ich mitkommen? Oder kennst du mittlerweile den Weg?“, bietet der Blondschopf an.

 

Eren schüttelt den Kopf. „Du kannst schon gehen, sonst verpasst du sicher deinen Bus.“

 

„Oh, stimmt ja!“, stimmt Max erschrocken zu, sieht kurz auf sein Handy und bekommt einen gehetzten Gesichtsausdruck. „Wieso muss Schulschluss und Busabfahrt so nah beieinander liegen? Wer hat das nur festgelegt?“

 

„Egal wer´s war, er wollte dich sicher nur ärgern“, meint Paula scherzend.

 

„Ja! Ganz sicher!“ Max scheint nicht ganz zu verstehen, dass es als Scherz gedacht war.

 

Das Mädchen rollt mit den Augen, lässt es aber unkommentiert. „Ich verabschiede mich dann mal. Bis morgen.“

 

„Ja, ich geh auch lieber“, schließt sich der Blonde an. „Also, dann bis morgen und denk nochmal über die Kostümfrage nach, ja?“

 

„Ganz bestimmt nicht. Bis morgen!“, ruft Eren ihnen hinterher.

 

Er gibt die Sache mit dem Kostüm einfach nicht auf. Mindestens einmal täglich fragt er danach. Der Blonde muss Halloween wirklich lieben. Eren muss zugeben, er ist schon gespannt auf morgen. Dann ist es endlich soweit. Sein erstes Halloweenfest. Mal sehen, wie das wird. Und mal sehen, was er noch aus Max herausbekommt, wenn kein eifersüchtiger Timo in der Nähe ist.

 

Apropos Timo, wann ist der denn verschwunden? Schulterzuckend beschließt Eren keinen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, dreht sich um und geht zurück zur Treppe, da sein Schließfach im ersten Stock ist. Was auch das Image der chaotischen Schule unterstreicht, da alle anderen Klassenräume, die Eren braucht, im Erdgeschoss sind.

 

Er bahnt sich einen Weg durch die wenigen Nachzügler und Nachmittagsschüler, steigt die Treppe rauf und biegt oben nach rechts ab. Mittlerweile kennt er die Wege zu den benötigten Klassenräumen, den Toiletten, der Cafeteria, dem Sekretariat, der Sporthalle und natürlich auch zu seinem Spint auswendig. Deshalb dauert es auch nicht lange bis er seinen gefunden hat. Diesen öffnet er und bekommt plötzlich eine Gänsehaut.

 

Sofort sind all seine Sinne auf Alarmbereitschaft. Er spürt sie ganz deutlich, die Blicke, die ihn beobachten. Verstohlen sieht er sich um, aber außer ihm selbst ist niemand mehr zu sehen. Der erste Stock ist wie leergefegt. Trotzdem ist er sich sicher von irgendwo angestarrt zu werden. Es kribbelt bereits in seinen Adern.

 

Eine Minute später, in der nichts passiert, schüttelt Eren über sich selbst den Kopf. Natürlich ist es nichts ungewöhnliches, dass ihn in einer Schule jemand ansieht. Hier gibt es genug Lehrkräfte und Schüler. Alle harmlos. Auch wenn er wirklich beobachtet werden sollte, besteht keine Gefahr. Genau das redet er den Ameisen in seinen Adern ein, die sich allmählich beruhigen und widmet sich stattdessen wieder dem, weswegen er hier ist. Der Junge zieht das Deutschbuch aus dem Schrank und steckt es in den Rucksack.

 

Um Ajax lieber nicht noch länger warten zu lassen, schlägt er das Schließfach zu, schließt den Reißverschluss der Schultasche und dreht sich zur Treppe um. Als er nur noch wenige Schritte von der ersten Stufe entfernt ist, tritt plötzlich jemand hinter der Ecke hervor. Eren zuckt kurz zusammen, unterdrückt dabei den Drang eine Schattenkugel auf seinen Gegenüber zu feuern, bevor er sich schon einen Herzschlag später wieder fasst, als er den Jungen als Timo identifiziert.

 

Na super. Was will der denn jetzt? Warum ist er nicht schon gegangen? Und wieso hat Eren ihn nicht die Stufen rauf kommen hören? Hat er etwa hinter der Ecke auf ihn gewartet? War er es, der ihn beobachtet hat? Ist er wirklich so ein merkwürdiger Stalker?

 

„Oh, du bist es“, grüßt ihn Eren genervt. „Solltest du nicht schon mit Paula auf dem Weg nach Hause sein?“

 

„Nein. Heute ist mein Kampf Club-Training“, erklärt er nüchtern. Irgendwie gefällt Eren der Ausdruck in seinen Augen nicht.

 

„Schön für dich“, murrt Eren und will sich an Timo vorbeischieben, doch der versperrt ihm den Weg. „Was willst du, Timo? Ich hab doch schon gesagt, dass ich kein Interesse daran hab, deinem kleinen Club beizutreten.“

 

Ein verschlagenes Grinsen zieht seine Mundwinkel auseinander. „Das ist okay. Ich hab nicht vor, dich nochmal einzuladen. Ich dachte nur, ich stelle dir mal meine Freunde vor und zeige dir, was du verpasst.“

 

So langsam bekommt der Turano ein mieses Gefühl bei dieser Begegnung. Dass es nur Zufall ist, daran glaubt er sowieso keine Sekunde.

 

„Freunde?“, wiederholt Eren und hebt eine Augenbraue. „Tut mir leid, aber ich hab gerade keine Zeit. Mein Bruder wartet schon.“

 

Damit unternimmt er einen weiteren Versuch an dem Klassensprecher vorbeizukommen. Allerdings mit genauso viel Erfolgt wie beim ersten Mal. Diesmal allerdings ist nicht Timo selbst Schuld. Einer seiner „Freunde“ taucht hinter ihm auf, baut sich vor Eren auf und verschränkt die Arme vor der Brust. Der Schüler muss vielleicht zwei, drei Jahre älter sein als Eren, ist gut einen Kopf größer und mindestens dreimal so breit. Mit einem überheblichen Grinsen sieht er auf den Turano herab.

 

„Das ist also dieses berühmte, geheime Turanoprinzchen?“, fragt der Neue heiser.

 

„Das ist er“, bestätigt Timo mit einem überlegenen Grinsen.

 

Automatisch spannt sich Erens gesamter Körper an, äußerlich bemüht er sich ruhig zu bleiben. „Ist das einer deiner Freunde? Hey, nett dich kennenzulernen. Kann ich dann gehen?“

 

Der Fremde schnaubt abfällig. „Der ist wirklich so eingebildet, wie du gesagt hast.“

 

„Nicht wahr?“

 

Aus dem Gang hinter Eren nähern sich weitere Schritte. Im ersten Moment hat Eren zu hoffen gewagt, dass es unbeteiligte Schüler oder sogar Lehrer wären, die ihm helfen könnten aus dieser Situation zu entkommen, ohne verdächtige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Leider Fehlanzeige. So wie die zwei Mädchen und der Junge aussehen, gehören die auch zu Timos Kampf-Club. Was für ein Glück Eren doch hat. Dabei wollte er sich nur sein Deutschbuch holen. Ajax wird nicht erfreut sein, dass er zu spät kommt. Jetzt wird er sicher wegen denen bestraft werden.



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