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Eren

Geheimnisse der Turanos
von

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Die Wahrheit tut weh

Adoptieren? Soll das heißen …?

 

Hat er gerade ernsthaft gesagt, dass wir adoptiert sind?!

 

Sofort schnellt Dr. Ryus Kopf nach oben, die Augen auf den Zwölfjährigen vor sich gerichtet. Der Knoten in ihrem Bauch ist jetzt so groß, dass ihr schlecht wird. Sie hat sich falsch entschieden, das zeigt ihr ganz deutlich Erens Reaktion. Sie hätte sich einfach nur vorbeugen müssen, seine Haut berühren und ihn schlafen schicken. Doch dafür ist es zu spät. Der Junge hat es gehört. Er weiß es.

 

In der Sekunde, in der das A-Wort an sein Trommelfell gelangt ist, hat sich Erens gesamter Körper versteift. Er bewegt keinen einzigen Muskel, atmet nicht, nicht einmal sein Herz schlägt. Wie versteinert hockt er da, die blauen Augen weit aufgerissen, die Pupillen geweitet. Sein Verstand ist wie leer gefegt, nur ein einziges Wort hallt wieder und wieder durch seinen Kopf.

 

Adoptiert.

 

Adoptiert.

 

Adoptiert.

 

Das kann nicht wahr sein. Er muss träumen. Genau. Er träumt. In der realen Welt liegt er friedlich in seinem Bett, schläft tief und fest und sicher klingelt gleich der Wecker für die Schule. Ja. Genau. So ist es. Das hier ist nur ein ziemlich realer Traum. Es ist immerhin unmöglich, dass er adoptiert sein soll. Er lebt schon immer hier. Benedikt Turano ist sein Vater. Ajax Turano ist sein Bruder. Seine Familie. Das hier ist sein Zuhause. Sein Leben. Das kann keine Lüge sein. Seine Familie würde ihn nicht anlügen. Erst recht nicht bei so etwas wichtigem.

 

Er versucht es sich zwar einzureden, aber sein Verstand weigert sich diese süße, süße Lüge zu glauben.

 

„Warum ich beschlossen hab euch zu adoptieren? Schwer zu sagen.“ Turano schwenkt nachdenklich sein Glas herum, als könne er darin die Antwort finden. „Ich weiß, es war damals eine ziemlich spontane Entscheidung, die jeden überrascht hat. Mich eingeschlossen. Zugegeben, heute wissen nur noch wenige die Wahrheit, aber ...“ Der Mann lässt den Satz unvollendet, räuspert sich und sieht dann zu seinem Gegenüber. „Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht mehr. Damals hab ich Tag und Nacht damit verbracht Projekt Apex Life zu planen. Ich hab mir immer neue Backuppläne überlegen müssen, wenn wieder mal ein HHM-Experiment verstorben ist.“

 

Automatisch wandern Erens Augen zu seinem linken Unterarm: HHM-562, DEM. Ist es Zufall, dass seine Fähigkeitenkennzeichnung die selbe Bezeichnung hat, wie diese Experimentreihe? Bestimmt, oder? Und wenn nicht? Heißt das, er ist Teil dieser HHM-Experimente? Heißt das, er ist nur ein Experiment? Was soll das bedeuten? Was heißt das?! Sein Herzschlag hat wieder eingesetzt, zunächst nur in Zeitlupe, jetzt wird es mit jedem Schlag schneller bis es sich zu überschlagen scheint. Wovon reden sie da? Wovon reden sein Vater und sein Bruder da?!

 

Steh auf, Trottel! Zwingen wir sie dazu, uns die Wahrheit zu sagen! Und danach zeigen wir ihnen, dass sie uns nicht ungestraft belügen können!

 

Es muss für alles eine logische Erklärung geben. Es passt nicht zu ihnen, dass sie uns unser ganzes Leben lang was vorgespielt haben sollen. Sie sind keine Schauspieler. Wir müssen ihnen vertrauen. Sie sind unsere Familie. Es ist bestimmt nur ein Missverständnis …

 

Missverständnis am Arsch!

 

*Ruhe!*, zwingt Eren die Stimmen zum Schweigen. Ihm geht so schon genug durch den Kopf, ohne dass sich auch noch Engel und Dämon in seinen Gedanken streiten.

 

„Du weißt selbst, wie viele Fehlschläge wir durchstehen mussten bis wir sicher sein konnten, dass Eren überlebt“, fährt Turano unbeirrt fort. „Er war unsere letzte Chance. Ich wüsste nicht, woher wir noch mehr Engel- und/oder Dämonenblut bekommen sollten. Wieso ich ihn also adoptiert habe? Hm … Vielleicht hatte ich durch all die fehlgeschlagenen Experimente einfach Angst, dass Eren doch noch genauso enden könnte, wie seine Vorgänger, wenn ich ihn nicht rund um die Uhr im Blick behalte, um die ersten Anzeichen zu erkennen?“ Er zuckt unwissend mit den Schultern. „Wieso fragst du?“

 

„Hat keinen besonderen Grund. Ich hab nur spekuliert, ob er vielleicht schon die Verwandlungen drauf haben könnte, wenn er wie alle anderen Experimente im Bunker geblieben und nicht so verwöhnt als Turano aufgewachsen wär“, meint Ajax.

 

Die Menschen im Bunker sind auch alles Resultate irgendwelcher obskuren Experimente? Werden die Fähigkeiten nicht durch die Magiewolken aus Flaurana hervorgerufen? Gibt´s die überhaupt?

 

Was haben sie uns noch alles verschwiegen?!

 

Ich muss zugeben, so allmählich fange ich an die ganze Sache auch suspekt zu finden.

 

Erst jetzt?!

 

Was zum Teufel ist hier los?! Damit meint er nicht, dass Engel und Dämon ausnahmsweise einer Meinung zu sein scheinen, es kann doch nicht jedes Wort in seinem Leben eine Lüge gewesen sein. Seine Familie … Sie gehören doch zu den Guten. So etwas schreckliches wie Experimente an Menschen durchzuführen, das würden sie doch nicht tun. Eren würde das so gerne glauben, aber er kann nicht. Nicht nach den letzten Minuten, die seine Welt ins Schwanken gebracht haben.

 

Die Ärztin ist genauso versteinert wie der Junge vor ihr. Allerdings wusste sie natürlich die meisten Dinge schon. Sie ist Hauptverantwortliche der Experimente, ist die leitende ranghöchste Wissenschaftlerin, die persönliche Ärztin der Turanofamilie, ist eine der wenigen, die noch weiß, dass die beiden keine echten Turanos sind und gehört zum engsten Vertrautenkreis des vermutlich gefährlichsten Mannes der Welt. Das alles macht es nur unerträglicher das Kind so leiden zu sehen, ohne ihm helfen zu können. Zumindest nicht, ohne Gefahr zu laufen aufzufliegen und alles nur noch schlimmer zu machen. Eine stumme Träne kullert ihre Wange hinunter, sie legt die Hände über den Mund, um das aufkeimende Wimmern zu ersticken.

 

„Tja, das kann man nicht wissen“, philosophiert der Mann. „Hast du etwa Bedenken, wegen meiner Entscheidung damals?“

 

Ajax schüttelt den Kopf. Natürlich würde er nie an den Entscheidungen seines Vaters/Bosses zweifeln. „Es sind nur Vermutungen. Wobei … Ich hoffe, ich bilde es mir nur ein, aber seit gestern bin ich mir relativ sicher, dass Eren in einer Phase ist, in der wir ihn für unsere Pläne verlieren könnten. Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, aber ich hab das Gefühl, dass es mit dem Treffen von diesem Max begonnen hat. In Rabed hatte ich wegen diesem Gefühl der Polizei einen anonymen Tipp bezüglich der Lagerhalle zukommen lassen. Wie befürchtet, hat Eren zunächst gezögert und wollte die Zeugen am Leben lassen. Auch wenn er schlussendlich alle getötet hat, er hat für einen Moment Schwäche gezeigt.“

 

Ajax hat die Polizisten informiert? Er hat sie alle umsonst umgebracht? Alles nur als Test? Im Augenblick kann Eren nichts mehr schocken. Mit jedem Satz scheint seine Welt mehr und mehr auseinander zu fallen und ein Netz aus Lügen zu offenbaren, das ihn allmählich zu ersticken droht.

 

Grübelnd tippt der Mann mit den Fingern auf seinen Oberschenkeln herum. „Hm. Meinst du, das legt sich wieder, sobald die Schulmission abgeschlossen ist?“.

 

„Ich hoffe es zumindest.“

 

„Du darfst nicht vergessen, trotz der Kräfte ist und bleibt Eren noch immer ein zwölfjähriger Junge. Wir haben noch Zeit ihn zu formen“, prophezeit Benedikt überzeugt. „Noch dazu ist es jetzt eh zu spät, um über solche Was-wäre-wenn-Fragen nachzudenken. Das ist Zeitverschwendung. Du sagtest ja selbst, er hat dennoch die Mission erfolgreich abgeschlossen. Solange es so bleibt, sehe ich es als Erfolg. Sorge nur dafür, dass es so bleibt.“ Mit einem autoritärem Blick unterstreicht er seine Worte.

 

Ajax nickt sofort einverstanden. „Selbstverständlich. Sobald die Schulmission vorüber ist, werde ich mehr Zeit für Erens Ausbildung einplanen.“

 

Mit Entsetzen muss die Frau dabei zusehen, wie der Junge immer stärkere emotionale Qualen erleidet. Das führt dazu, dass sie dabei zusehen kann, wie sich die Male immer weiter ausbreiten. Die dunkle Seite dabei doppelt so schnell. Zeitgleich bekommen seine Haare unzählige Strähnchen, wobei auch hier das Schwarz dominiert. Wenn das so weitergeht, wird er schon bald die Kontrolle verlieren. Ihr will im Moment nur nichts einfallen, wie sie das verhindern soll.

 

„Tu das“, stimmt sein Vater zu und ergänzt: „Spätestens wenn wir alle Puzzlestücke beisammen haben, brauchen wir sein Blut. Eren ist unsere einzige Quelle, da wir unsere Vorräte ja bedauerlicherweise bei Erens fehlgeschlagenen Vorgängern verbraucht haben.“ Turano spannt verärgert seinen Kiefer für einen Moment an. „Wer hätte gedacht, dass es so schwierig wär einen Körper zu finden, der mit Engel- und Dämonenblut kompatibel ist?“ Kopfschüttelnd verwirft er die Frage. „Wie auch immer, wir machen weiter wie bisher, aber halte mich auf dem Laufenden, sollte Eren tatsächlich anfangen unsere Befehle zu hinterfragen.“ Er nippt erneut an seinem Drink ehe er fortfährt: „Also, gibt es sonst noch etwas zu besprechen?“

 

Okay, jetzt reichts! Lass mich frei, Eren! Ich bring sie dazu, uns alles zu sagen, was sie uns verheimlichen! Gib mir deinen Körper! SOFORT!

 

Gewalt ist nie die Lösung. Wir müssen sie anders dazu bringen uns zu sagen, ob das alles wahr ist.

 

Der Junge nimmt die Stimmen in seinem Kopf gar nicht richtig wahr. Seine eigenen Gedanken sind ausnahmsweise lauter. Adoptiert. Experiment. Quelle. Geheime Pläne. Diese Worte wiederholen sich immer und immer wieder in einer endlosen Dauerschleife. Mit jeder verstreichenden Sekunde wird der ungläubige Kloß in seinem Hals größer, um ihm herum scheint sich alles zu drehen, sein ganzer Körper verkrampft und vor seinen Augen verschwimmen seine zitternden Hände.

 

Erinnerungen durchfluten seinen Verstand, offenbaren Szenen und Details, die er vergessen hat, die er gekonnt ignoriert hat oder denen er einfach keine Beachtung geschenkt hat. Momente und Satzteile, die ihn schon vor Jahren hätten stutzig machen sollen. Hätte er nur mehr darauf geachtet, wäre ihm womöglich aufgefallen, dass er weder seinem Bruder noch seinem Vater ähnlich sieht.

 

Die Bilder überschlagen sich mit den Fragen und Stimmen, sodass er sich auf überhaupt nichts davon konzentrieren kann. Ihm wird schwindlig. Es wird so unerträglich, dass er es schon bald nicht mehr aushält und bereits die Couch umrundet hat, noch bevor er realisiert, dass er sich überhaupt bewegt hat.



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