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Seasons of life.

If it's meant to happen, it will.
von

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Tea & coffee.

Der Regen trommelte leise gegen die Fensterscheibe und erzeugte einen angenehmen Klang. Ein leichter Beschlag bedeckte die Glasfläche, während im Augenwinkel die Umrisse eiliger Passanten vorbeihuschten, begleitet von langsam herabgleitenden Wassertropfen.

Das Café bildete einen einladenden Kontrast zur feuchten und kalten Welt draußen. Die Deckenlampen warfen ein warmes, gedämpftes Licht, das den Raum einladend erfüllte. Das leise Summen der Unterhaltungen und das sanfte Klirren von Geschirr vermischte sich harmonisch mit den verlockenden Aromen von frisch gebrühtem Kaffee und der ausgestellten Kuchen und Gebäckstücke.

Nami führte die dampfende Tasse behutsam an ihren Lippen. Der Duft des schwarzen Tees, der aus den Weiten Afrikas stammte und von den Heidenblüten aus den schottischen Highlands umschmeichelt wurde, stieg angenehm in ihre Nase. Ihre Begleiterin hingegen blieb der klassischen Tasse Kaffee treu.

Dank ihres Guides hatte der Rest des Rundgangs eine faszinierende und ansprechende Wendung genommen. Durch ihr Wissen über die Geschichte und einiger Geheimnisse hatte Nami weit mehr Informationen gesammelt als auf herkömmliche Weise. Sie war wie ein Lexikon, das die Geschichten lebendig werden ließ, und jeder Moment in ihrer Gesellschaft fühlte sich an wie eine Entdeckungsreise, bei der Vergangenheit und Gegenwart verschmolzen. Etwas an ihr war anders und dem fühlte sich Nami ausgeliefert.

Anstatt sich danach voneinander zu trennen, schlug sie vor, einen Kaffee trinken zu gehen. Dabei war die Idee, länger zusammen sein, zweitranging. Vielmehr wollte Nami sich erkenntlich zeigen. Gertrude hätte das nicht tun müssen. Und falls sie zuvor nicht schon gewusst hätte, dass sich diese häufiger in Edinburgh aufhielt, hätte es Nami spätestens beim Vorschlag erfahren. Anstelle des Museumsbistro, das ihrer Meinung nach nicht das Wahre war, hatte sie Nami blind in das Café geführt. Glücklicherweise hatte der Starkregen erst auf den letzten Metern eingesetzt.

Getrude. Neugierig wie Nami war, hatte sie zwischendurch versucht, den wahren Namen ihrer Begleitung herauszufinden, doch im Nachhinein erschien es fast besser, dass ihr dies nicht gelungen war. So blieb die Begegnung kurzweilig und geheimnisvoll, ohne die Notwendigkeit persönliche Details preiszugeben. Umso verschlossener blieb Nami selbst, aber damit schien sich die andere von Anfang an zufrieden zu geben. Nur das es besser war, dachte Nami nicht lange. Nur bis sie hier angekommen waren.

Wieder bemerkte sie den Kellner, der fast geräuschlos zwischen den Tischen hin und her eilte. Heute würde er sich sicher über ein großzügiges Trinkgeld freuen. Als sie das Café betreten hatten, hatte er ihre Begleitung, Robin, mit aufrichtiger Freude begrüßt. Nami konnte nicht sagen warum, aber irgendwie passte der Name. Ihr siegreiches Grinsen darüber, dass sie ihn herausgefunden hatte, wurde von Robin mit einem amüsierten Lächeln quittiert. Später erfuhr Nami, dass der junge Mann an der Universität Geschichte studierte und dass sie ihm bereits das eine oder andere Mal geholfen hatte.

Durch seine herzliche Begrüßung hatte das Café zudem ihre Ankunft bemerkt. Nami konnte in dem Moment förmlich spüren, wie die anderen Gäste verstohlene Blicke auf sie warfen, und selbst jetzt richteten einige ihre Aufmerksamkeit auf sie. Sie war sich bewusst, wie man die Leute auf sich zog, doch in diesem Fall galt das Interesse eindeutig Robin. Wenn sie im Museum bereits auffällig gekleidet war, dann stach sie hier umso deutlicher heraus.

Ein zartes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie bildeten in ihrer eigenen Art einen klaren Gegensatz zueinander. Nami hatte ihre Allwetterjacke über die Stuhllehne geworfen, sie trug eine schlichte Jeans und einen dünnen Pullover. Das Haar war zu einem lockeren Dutt gebunden. Und dann saß ihr Robin gegenüber, perfekt gekleidet und gestylt. Wobei sie selbst ohne all das, eine besondere Schönheit ausstrahlte, die sie überall zum Blickfang machte.
 

»Reist du gerne allein?«, fragte Robin mit einem sanften Unterton, und Nami hob den Blick. Ihre Augen hatten nach wie vor diese magische Anziehungskraft.

Sie stellte ihre Teetasse vorsichtig ab und lehnte das Kinn auf ihren Handrücken.

»Es ist irgendwie zur Gewohnheit geworden«, gestand sie schließlich. »Manchmal unternehme ich Reisen mit Freunden, aber ja, der Großteil meiner Abenteuer besteht darin, allein aufzubrechen.«

Ein Lächeln huschte über Robins Lippen. »Lass mich raten«, begann sie, »dir gefällt die Freiheit, keine Rücksicht nehmen zu müssen, sondern tun und lassen zu können, was du möchtest, wann immer du möchtest.« Ihre Worte trafen ins Schwarze, und Nami starrte sie etwas überrascht an. Es war tatsächlich so einfach, wie sie es ausgedrückt hatte. Punkt. Allein reisen bedeutete für sie, die volle Kontrolle über ihre Reiseroute und ihr Abenteuer zu haben. Spontan zu bleiben. »Das klingt so, als ob das für alle Bereiche deines Lebens gilt«, fügte Robin mit einem schelmischen Lächeln hinzu, während Nami sich in ihrem Stuhl zurücklehnte. Das Grinsen schwach erwidernd zuckte sie die Schulter.

»Das Leben ist einfach zu kurz für übermäßige Verpflichtungen«, antwortete sie. Es war in der Tat recht einfach zu erkennen, dass ihre Lebensphilosophie von Freiheit und Ungebundenheit geprägt war.

Obwohl diese unerwartete Begegnung sie aus der Bahn geworfen hatte und Nami nach wie vor diese Anziehung zu Robin spürte, war ihr bewusst, dass sich an ihrer Einstellung nichts Wesentliches ändern würde. Sie beschloss einfach, den Augenblick auszukosten. Wenn sie sich später voneinander verabschiedeten, würde sie ein oder zwei Tage an die Stunden zurückdenken und dann wieder in ihren gewohnten Trott verfallen, bis sie zu einer fernen Erinnerung verblassten.

Vielleicht könnte man das ein oder andere Wort oder eine Geste als Flirten interpretieren, aber in erster Linie handelte es sich um eine angenehme Unterhaltung. Zwischen ihnen würde heute nichts laufen, besonders weil der Cafébesuch zeitlich begrenzt war. Robin flog noch am selben Abend zurück nach London, wie sie Nami mitgeteilt hatte. Dass Robin aus England kam, war keine Überraschung, dass Robin in der Nähe wohnte, schon.

»Kenne ich«, erwiderte die andere nickend, worauf Nami hellhörig wurde.

»Die Einstellung hat seine Vorzüge-«, begann Nami, doch wurden ihre Worte jäh vom Summen ihres Handys unterbrochen. »Entschuldige.« Ein Seufzen entwich ihr, während sie es aus der Jackentasche fischte. Der Name des Anrufers, das auf dem Display aufleuchtete, ließ das Seufzen in ein frustriertes Stöhnen übergehen. Sie verstaute das Handy zurück in der Tasche, ohne den Anruf entgegenzunehmen.

»Schwierigkeiten?«, fragte Robin mit einem scherzhaften Unterton.

»Ja, so könnte man es ausdrücken.« Ein vielsagender Ausdruck lag in ihren Augen. »Wie ich bereits sagte, ich hege nicht gerade eine innige Freundschaft mit Verpflichtungen. Andere hingegen erwarten sie förmlich von mir.« Hastiger griff sie nach der Tasse und nahm einen weiteren Schluck Tee, während in ihrer Stimme dennoch ein Hauch von Bedauern mitschwang. In den letzten Tagen hatte Nami versäumt, auf die Nachrichten zu antworten. Anfangs hatte sie es vor sich hergeschoben, dann waren die Arbeit und der Ausflug dazwischengekommen, und der Konflikt war in den Hintergrund gerückt. Irgendwann unabsichtlich und dann wieder bewusst.

»Du hast jemanden den Kopf verdreht und jetzt versuchst du, die Notbremse zu ziehen. Aber die andere Person möchte nicht, dass du gehst«, stellte Robin sachlich fest. Es war eine schlichte Beobachtung, die Nami verlegen zur Seite schauen ließ, während sie sich leicht abwandte, um aus dem Fenster zu blicken. Der Regen draußen hatte inzwischen deutlich nachgelassen.

»Punktlandung«, flüsterte sie vor sich hin. Anschließend schüttelte Nami den Kopf und wandte sich wieder ihrer Begleitung zu. Ein kurzer Moment des Nachdenkens verstrich, bevor sie ein verschmitztes Grinsen aufsetzte. »Ich bin nicht auf der Suche nach jemandem Bestimmten. Ich bin hier, um meinen Spaß zu haben, und das verheimliche ich keineswegs. Zu dumm, dass ich oft auf welche stoße, die meinen, mich besser zu kennen und erwarten oder glauben, dass ich für sie meine Einstellung über Bord werfe. Aber hier ist der entscheidende Punkt: ich verliebe mich nicht. Tun sie es, gehe ich.« Das einfachste, aber wichtigste Detail. Selbst Carina verweigerte sich der Erkenntnis, dass Nami keine romantischen Gefühle für sie hegte. Ernstere Emotionen würden sie letztendlich irgendwann aus der Bahn werfen, doch bislang hatte keine Frau auch nur annähernd so weit geschafft. Selbst, wenn der Fall eintrat, bevor sie hatte, was sie wollte, wusste Nami ihre Gefühle zu unterbinden. Davon war sie überzeugt.

In der Zwischenzeit nahm Robin einen Schluck und, nachdem sie die Tasse abgestellt hatte, neigte sie den Kopf leicht zur Seite. »Wie lange hat das zwischen euch beiden gedauert?«, fragte sie.

Nami hatte eigentlich nicht vorgehabt, über Carina zu sprechen, aber es schien passend zum vorigen Verlauf. Ihre Liebe zur Ungebundenheit.

»Ein paar Nächte, verteilt über die letzten Monate«, antwortete Nami und bereute das es nicht bei dem einen Mal geblieben war. »Wir kennen uns seit Jahren, und nach einer durchzechten Nacht … du kannst dir denken, wie schnell die Dinge eine unerwartete Richtung nehmen. Ich dachte, es wäre eine willkommene Abwechslung. Hört sich an, als hätte sie bereits früher mehr gewollt, warum sonst ist es zu dieser Entwicklung gekommen? Was die Freundschaft betrifft, kann ich die wohl abschreiben.« Ihre Verbundenheit zu Carina war jedoch nicht so tiefgreifend wie die zu Zoro oder Vivi. Es gab bestimmte Themen, die sie niemals mit ihr besprochen hätte, dennoch verstanden sie sich und wussten auch auf andere Weise eine gute Zeit zu verbringen. Irgendwie hoffte sie ja, dass es sich irgendwann regelte und Carina vielleicht selbst nicht genau wusste, was sie da sprach. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, auf den sie aber lieber nicht bauen sollte.

»Das ist das Dilemma der Gefühle. Wir haben keine Kontrolle über sie«, war alles, das Robin sagte.

»Du kennst das«, stellte Nami fest, während ihre Augen von Robins geheimnisvollen Lächeln angezogen wurden. Dann wandte Robin ihren Blick ab, strich langsam über den Tassenrand. Es schien, als wäre sie in Gedanken versunken und überlegte, was sie als Nächstes sagen sollte. Schließlich schob sie die leere Tasse beiseite und hob wiederum den Kopf.

»Bis vor zwei Jahren führte ich ein, sagen wir, nomadisches Leben«, begann sie zu erzählen. »Ich reiste von einem Ausgrabungsort zum nächsten. Ein spannendes Leben mit zig Erfahrungen und Erlebnissen, aber irgendwann habe ich das Interesse verloren. Langsam komme ich zur Ruhe. Wenn ich jetzt unterwegs bin, dann nur, um Entwicklungen zu beobachten, bei Ausstellungen zu helfen oder man möchte mich als Beraterin. So wie heute.«

Nami lächelte herausfordernd und bemerkte: »Wenn ich an den Kellner denke, ziehen sie dich häufiger hinzu.«

»Ich bin gefragt«, antworte Robin ohne Scheu. Natürlich war sie sich ihres Wertes bewusst. Nami glaubte ihr auf der Stelle. Es hatte gar nicht erst mit ihrem äußeren Erscheinungsbild zu tun. Während des Rundgangs hatte Nami am eigenen Leib erfahren, dass diese Frau ein tiefes Wissen besaß.

»Die Arbeit hielt dich von der Liebe fern?«, fragte Nami neugierig nach.

Robin lächelte leicht und senkte dann ihren Blick, als würde sie in der Vergangenheit schwelgen. »Ja, in gewisser Weise. Es gab Zeiten, in denen ich mich von allem ein wenig ferngehalten habe. Mein Forschungsdrang war einfach stärker als das Verlangen nach zwischenmenschlichen Beziehungen. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich sie nicht gehabt habe. Nur waren sie nie für die Dauer bestimmt und das Unkomplizierte schont die Nerven.«

Nami konnte nicht umhin, zu bemerken, wie Robin die anderen Gäste im Café beobachtete. Ihr Blick war wie der eines erfahrenen Beobachters, der subtil und einfühlsam auf ihre Umgebung achtete.

Die Augen glitten ruhig über die verschiedenen Tische und Gesichter, als würde sie nach den Geschichten hinter den Fassaden suchen. Sie schien die Gesten, die Mimik und die Interaktionen zu verfolgen, als würde sie versuchen, die verborgenen Nuancen menschlichen Verhaltens zu verstehen.

Die Ehrlichkeit klang in Robins leiser Stimme mit, als sie gestand: »Manche würden meinen, ich sei wählerisch. Ich sage, ich langweile mich. Beobachten bringt bereits die ersten Erkenntnisse, ein kurzes Gespräch reicht und du erkennst rasch, ob es die Person wert ist oder nicht. Selbst, wenn mehr im Spiel ist. Ist der Spaß vorbei, kommt rasch die Ernüchterung.« Ein zartes, fast schelmisches Lächeln umspielte ihre Lippen, sie war sich ihrer Eigenart bewusst. »Kommt das arrogant rüber?« Robin hob ihre Augen zu Nami, suchend nach einer Reaktion.

»Arrogant? Nein … nicht direkt«, lachte Nami. »Wir haben alle unsere Vorlieben, Robin. Und ist die Basis nicht stimmig, ist alles weitere Zeitverschwendung.« Von Langeweile sprach sie weniger, aber Nami kannte sich selbst. Manche strahlten sofort dieses Etwas aus, das man gar nicht näher wollte, andere entpuppten sich nach den ersten Sätzen als Fehleinschätzung. Und ja, daran änderte selbst eine zufriedenstellende Nacht nichts. Das war normal. Während Nami über ihre Antwort nachdachte, begann sich ein Gedanke in ihrem Kopf zu formen. »Sei ehrlich, in welche Kategorie falle ich?« Ihr Tonfall war herausfordernd.

Namis Frage hatte Robin kurzzeitig aus dem Konzept gebracht, und Nami konnte einen überraschten Ausdruck in ihren Augen erkennen. Die Sekunden des Schweigens, die folgten, vermittelten den Eindruck, dass Robin angestrengt über die Frage nachdachte. Dann schüttelte sie leicht ungläubig den Kopf, bevor ihr Blick erneut subtil durch den Raum wanderte und schließlich zu Nami zurückkehrte.

»Das fragst du?«

»Tue ich, ja. Ich meine, du sagst, du langweilst dich rasch. Da frage ich nach.«

»Wir haben die zweite Tasse hinter uns.«

»Muss ein guter Kaffee sein«, sagte Nami breitgrinsend.

Mit einer leisen, raunenden Stimme fragte Robin: »Ist dir aufgefallen, wie du angesehen wirst?«

Nami, die kurz innehielt und leicht eine Braue hob, saß mit dem Rücken zu einem Großteil der anderen Café-Gäste. Während ihres Gesprächs hatte sie sich zwar gelegentlich unauffällig umgesehen, konnte aber mehr die Blicke der anderen Gäste auf Robin wahrnehmen. Dieses faszinierte Lächeln und Intensität, die von Robin ausging, zogen die Aufmerksamkeit förmlich auf sich. So war es auch gewesen, als sie das Café betreten hatten, und daher lächelte sie leicht.

»Du ziehst die Leute auf dich? Ist das deine Antwort?«, fragte sie provokant, während Robins Augen auf ihr ruhten. Sie wirkte abwartend, als ob sie eine andere Reaktion erwartete. Dann seufzte Robin leicht. Nami schüttelte den Kopf. »Ich muss dir nicht erklären, welche Wirkung du erzielst. Du weißt bestens Bescheid. Und wenn ich unsere Outfits vergleiche, fragen sie sich eher, wie wir zusammenpassen.« Dabei warf sie einen Blick auf sich und amüsierte sich über den Kontrast.

Robin lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und musterte Nami absichtlich auffällig. Ihre Worte waren direkt und ihr Lächeln herausfordernd. »Dir würde wirklich alles stehen«, bemerkte sie ohne Umschweife und grinste Nami mit einem Funkeln entgegen.

Sie spürte, wie ihre Wangen leicht erröteten, und sie war überrascht von Robins unverblümtem Kompliment. Eines, dass ihr normalerweise ein seichtes Lächeln abrang, aber bei ihr war es anders. Bevor Nami jedoch etwas erwidern konnte, fuhr Robin fort: »Aber was ich eigentlich meinte, ist, dass ich bei einigen der anderen Gäste eine gewisse Eifersucht zu erkennen glaube.« Nami spürte, wie ihr Herz einen schnelleren Rhythmus einschlug, sobald Robin ein verführerisches Lächeln aufsetzte. »Ich sehe das Interesse an dir, aber ebenso an mir, und ich habe das Gefühl, dass einige von ihnen gerne in deiner Haut stecken würden.« Ein wohliges Prickeln zog durch ihren Körper. »Für mich sind sie alle langweilig – im Gegensatz zu dir. Würdest du dasselbe ausstrahlen, wie sie, hätten sich unsere Wege längst getrennt. Ich hätte mich entschuldigt und wäre gegangen. Du stichst heraus.«

Dieses Mal machte ihr Herz einen spürbaren Sprung. Und da hörte sie es. Ein leises Alarmsignal warnte sie, dass sie sich auf gefährliches Terrain begab. Robin strahlte dieses gewisse Etwas aus, das Nami anzog, und sie konnte spüren, wie sie in Robins Ausstrahlung zu versinken drohte.

Ihr Zwiespalt war offensichtlich. Nami hatte nicht vor, sich zu sehr auf jemanden einzulassen, und sie suchte definitiv keine tiefe Nähe. Aber gleichzeitig fühlte sie eine unbestreitbare Anziehung und eben den Wunsch, sie näher kennenzulernen. Das Versprechen von Abenteuer und Aufregung, das Robin mit sich brachte, war schwer zu widerstehen, und Nami war sich bewusst, dass sie einen Fehler begehen könnte, wenn sie sich zu sehr darauf einließ. Es war ein Moment der Unsicherheit und des Zweifels, als Nami in ihren eigenen Gedanken versank, während sie Robin gegenübersaß und versuchte, die aufkommenden Regungen zu navigieren.

»Du hast nachgefragt.« Robin, die bislang selbstbewusst war, schien in diesem Moment einfühlsamer zu werden. Ihr Ausdruck nahm einen sanften Ton an und doch wirkte Robin, als suchte sie einen Weg in ihre Gedanken. Etwas, das Nami nicht zu ließ.

»Sag die Wahrheit, dass ich die West-Port-Morde kannte, hat mir geholfen«, erwiderte sie ernst, bevor sie in ein leises Lachen ausbrach. Mit einem Hauch von Humor versuchte sie, den Wirrwarr in ihren Gedanken zu vertreiben, der sie schon zuvor aus der Bahn geworfen hatte. Es war, als ob sie versuchte, das Gespräch auf eine leichtere Ebene zu bringen und die Spannung zwischen ihnen zu lösen.

»Oh, das war ein großer Pluspunkt«, erwiderte Robin das Lachen und zwinkerte. »Mach dir aber keine Gedanken, ich genieße einfach unsere Unterhaltung. Erwartungsfrei.« Wie ein Stichwort. Sie bemerkte, wie Robin unauffällig auf ihre Uhr schaute. Es war nur ein flüchtiger Blick, aber Nami erinnerte sich wieder daran, dass Robin noch zum Flughafen musste und die kurze Veränderung in ihrem Ausdruck, sagte Nami, dass die Zeit gekommen war.

Die Frau zog geschickt ihr Smartphone aus der Tasche und entsperrte es. Während sie eine Nachricht verfasste, verspürte Nami den Wunsch, dass Robin bleiben und den Flug nicht nehmen würde. Dass der Abend eine andere Wendung nahm. Ein Teil von ihr wollte die Zeit mit Robin verlängern und genießen. Aber sie wusste, dass es ein gefährlicher Gedanke war. Das leichte Bedauern schluckte Nami, denn ihr wurde klar, dass es Zeit war, Abschied zu nehmen, um ihrem eigentlichen Plan nachzukommen. Zurück ins Hotel und dann den Abend entspannt in einem Pub ausklingen lassen, bevor sie morgen nochmals eine kleine Tour unternahm. Erst am späten Nachmittag reiste sie zurück.

»Zum Glück kenn ich ein paar Fahrer«, bemerkte Robin in einem Tonfall, den Nami nicht einordnen zu vermochte.

»Stress wollte ich dir keinen einbrocken«, erklärte sie aufrichtig. »Was hättest du sonst so gemacht?« Die Neugierde in Nami blitzte auf, als Robin das Handy auf der Tischplatte ablegte.

»Alles gut«, winkte sie ab. »Und um ehrlich zu sein, ich hätte noch eine Weile in geschäftlichen Angelegenheiten festgesteckt, wäre alles nach Plan verlaufen. Man hat mich auf eine zähe Verhandlung vorbereitet. Dabei ist der Gute recht schnell eingeknickt, und ich habe mich höflich verabschiedet.«

»Also verdanken wir unsere Bekanntschaft deinem Verhandlungsgeschick?«

»Ich habe dir gesagt, dass ich gefragt bin, und das aus gutem Grund«, erwiderte Robin mit einer Leichtigkeit.

»Scheint so«, murmelte Nami in sich hinein und schüttelte sacht den Kopf. Das Leben spielte nach eigenen Regeln und eine kleine Veränderung reichte, um eine neue Türe zu öffnen. Ein paar Minuten und alles wäre anderes gekommen.

Einen Augenblick lang verweilten ihre Blicke einfach aufeinander, bevor Nami spürte, dass die Zeit gekommen war. Sie winkte dem Kellner, um die Rechnung zu verlangen, zahlte und ließ ihm ein großzügiges Trinkgeld da. Es war ihr die Geste wert, obwohl sie sich bewusst war, dass das erhaltene Detail eigentlich unwichtig sein sollte.

Kaum verließen die Frauen das Café, schlug ihnen vor der Türe die Realität in form eines kühlen Windstoßes entgegen. Der Himmel war noch immer von dichten Wolken bedeckt, und die graue Decke schien die Welt zu umhüllen. Der Regen hatte aufgehört.

Robin zog einen kleinen Koffer hinter sich her, der leise rollte, während Nami ihren Rucksack fest auf den Schultern trug. Die Straße war ruhig, nur gelegentlich fuhr ein Auto vorbei und erzeugte das leise Rauschen von Reifen auf dem nassen Asphalt.

Beide warfen noch einmal einen letzten Blick auf den gemütlichen Ort, der ihnen für eine Weile Zuflucht geboten hatte, ehe sie sich einander gegenüberstanden. Selbst die Kälte des Windes konnte das Knistern nicht vertreiben.

Robin griff in ihre Manteltasche und zog ein Stück Papier heraus, das sie Nami reichte. Als sie genauer hinsah erkannte sie eine Visitenkarte. Das Papier fühlte sich seidig und warm an, und Nami konnte die sanfte Berührung ihrer Finger spüren, während sie diese entgegennahm.

»Sollte dir nach Unterhaltung sein«, flüsterte Robin, ihre Worte hörten sich eher nach einem Versprechen an. Als wüsste sie, dass es ein Wiedersehen gab. Der Wind trug die Worte davon, während sie sich langsam von ihr löste und auf das wartende Taxi zuging.

Nami schaute dem Fahrzeug nach. In ihrem Inneren wirbelten Gedanken und Emotionen. Die letzten Stunden kamen einem rätselhaften Traum gleich, und was passiert war, begriff sie nicht.

Die Anziehungskraft, die Robin auf sie ausübte, blieb ein Mysterium. Sie hatte nie zuvor jemanden getroffen, der für sie faszinierend und aufregend zugleich war. Die Art und Weise, wie sie sprach, sich bewegte und ihre Blicke einsetzte, hatte Nami in den Bann gezogen.

Ihre Gedanken wanderten zu der Visitenkarte. Robin Nikolaeva. Da war es wieder, das verräterische, warme Kribbeln.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dark777
2024-02-27T19:12:21+00:00 27.02.2024 20:12
Ja holla, da haben sich aber zwei gefunden XD! Gleich mal das erste Date zusammen verbracht und schon liegt so viel Verheißung von etwas Größerem in der Luft. Da kommt es natürlich sehr gelegen, dass Robin in Namis Nähe wohnt :D.
Das Kapitel gefällt mir (wie immer) sehr gut. Der Text ist flüssig und das ganze Gesamtbild passt. Deine Ausführungen waren sehr bildlich, ich habe jedes Wort genossen. Den Tee konnte ich quasi schmecken.......und das Knistern in der Luft regelrecht fühlen. Mein Romantikerherz hat einen kleinen Hüpfer gemacht ;).

V(~_^)
Von:  BurglarCat
2023-10-22T10:54:33+00:00 22.10.2023 12:54
Ja, das Leben schreibt eigene Regeln. So kann man es wohl sagen und hier ganz deutlich. Das Schicksal hat sich eben eingemischt und nun musst sie wohl sehen was sie damit macht. Würde sie es wirklich wollen, dann könnte sie die Visitenkarte einfach loswerden, es bei dem Gefühl belassen und vergessen. Sich lieber anderen Dingen zuwenden und schauen, dass sie sich auf ihren Plan Fokussiert. Wird sie vermutlich eher nicht tun. Spricht aber auch nur dafür, dass Nami trotz ihrer Unabhängigkeit am Ende doch auch etwas ganz anderes in ihrem Leben will. Das eine muss das andere ja nicht zwangsweise ausschließen auch, wenn man andere Erfahrungen gemacht hat und dem dann lieber aus dem Weg geht.
Bin gespannt wie das nächste Treffen läuft und, wie viel Zeit Nami verstreichen lässt, bis es dann endlich wieder dazu kommen mag.


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