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Seasons of life.

If it's meant to happen, it will.
von

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Unexpected.

Einen entspannten Abend. Den hatte sie gewollt.

Stattdessen lag sie in der langsam einkehrenden Dunkelheit ihres Schlafzimmers, aufgelöst im Strudel der Emotionen. Freude und Traurigkeit kämpften in ihr, und die unvermeidliche Veränderung, die bevorstand, brachte sie fast um den Verstand.

Alles worauf sie sich gefreut hatte, stand dem gegenüber das sie aufgab.

Dann, als sie das Geräusch der Wohnungstür vernahm, schnellte ihr Kopf in die Höhe. Schritte folgten, die sich bald schon dem Schlafzimmer näherten.

Nachdem sie die Situation realisiert hatte, hatte sie Vivi eine Nachricht geschrieben. Anrufen hatte sie vermieden. Was hätte sie sagen sollen? In dem aufgelösten Zustand?

Wer in der Wohnung war, lag also auf der Hand. Natürlich kam sie vorbei und mit dem Schlüssel, den sie ihr damals gegeben hatte, war es keine Kunst.

In der vorangeschrittenen Dämmerung erkannte sie dennoch das besorgte Gesicht. Was Nami dann eher überraschte, war die Begleitung.

Zoro stand hinter ihr und sah neugierig rüber, er schien den Ernst zu verstehen, in der Sekunde, in der er Nami erblickte.

»Wasserfest rettet dir gerade den Hintern«, kommentierte er in seiner bekannten, raueren Manier. Die Antwort erhielt er prompt. Nicht von Nami sondern Vivi. Diese boxte ihm grob in den Magen.

»Idiot.« Kopfschüttelnd kam sie auf ihre Freundin zu, wobei sie sich am Bett neben ihr niederließ, und die Arme öffnete. »Es ist eine Sache einem Traum nachzujagen, ihn erfüllt zu bekommen ist eine andere. Ist klar, dass es dich überrollt.« Nami lehnte sich gegen den anderen Körper und schloss instinktiv die Augen.

»Das Leben ist wie eine Achterbahn. Mal geht es hoch, mal geht es runter. Und wenn es nicht so läuft, wie du willst, dann frag den Alkohol um Rat.« Zoro, der sich in der Zwischenzeit am unteren Bettrand niedergelassen hatte, reckte eine Flasche in die Höhe.

Nami sah ihn erst nur aus dem Augenwinkel an, ehe sie den Kopf drehte und tatsächlich lachen musste.

»Wo hast du den Mist aufgeschnappt?«

»Hey, dem Rat folge ich seit Jahren und du siehst, was aus mir geworden ist!«, konterte er grinsend. Die unerwartete Präsenz der beiden allein half für den Moment. Es tat gut sie zu sehen.

»Hast du etwa gedacht, ich lasse mich mit deinen Nachrichten abspeisen?« Fürsorglich strich Vivi über ihren Arm. »Was ihn angeht … langsam bekomme ich Zweifel.«

»Sie hat gelacht.« Dann legte er sich seitlich quer aufs Bett und stützte den Kopf ab. Sein siegreiches Grinsen war unübersehbar.

»Halt lieber den Ball flach. Das Gefühlschaos hast du mir eingebrockt. Mit deinem Gesülze, ich solle für alles offenbleiben.« Die beiden zurücklassen war ein gewaltiger Schritt. Die Erkenntnis traf sie jetzt, wo sie bei ihr waren, umso mehr und davor hatte sie sich all die Zeit über gefürchtet. In Zukunft wäre so ein spontanes Vorbeischauen unmöglich. Es war eben alles, das zusammenkam.

»Hey, das war vor einem Jahr … dass du Robin zu einem der beschissensten Zeitpunkte triffst, ist nicht meine Schuld. Du hast sie in dein Leben gelassen«, entgegnete er entkräftigend. »Ich habe nur nicht gewollt, dass du jede sofort von dir stößt.« Zoro legte sich auf den Rücken.

»Das Problem kann gelöst werden. Hast du daran schon gedacht?«, fügte Vivi an.

»Wäre ich nicht so naiv gewesen, hätte ich das gar nicht.« Hierbei war sie tatsächlich naiv gewesen. Zu denken, dass alles glatt lief, obwohl die Anzeichen schrill waren … was hatte sie sich dabei gedacht? Da löste sie sich von Vivi und setzte sich gerader auf, wobei sie die Beine anzog. »Robin hat sich für London entschieden. Ihr gefällt das derzeitige Leben. Oder was glaubst du, warum man fast zwei Millionen in die Hand nimmt, und eine Wohnung kauft? Sie hat selbst gesagt, das Umherziehen gehört der Vergangenheit an.«

Daraufhin stieß Zoro einen lauten Pfiff aus. »Nette Summe … aber, und da stimmt mir Vivi zu, kein überwindbarer Grund. Wenn ich an deine Erzählungen denke, hat auch sie Gefühle. Warum sonst seid ihr so oft beieinander und sie ist dir nach Schottland nachgereist. Als ob man das für irgendeine Frau macht.«

»Da muss ich ihm zustimmen. Bei euch hört sich alles nach einer Beziehung an. Das ist kein lockeres Stelldichein.«

Vielleicht hatten sich beide dieses Mal übernommen. Dennoch blieb Nami pessimistisch, was die Zukunft betraf. Es war Mitte Juli, sie kannten sich seit Ende Mai. Das allein sprach Bände. Dass die Gefühle sie förmlich überrollt hatten, war offensichtlich, aber das, was jetzt kam, war für diese Bindung eindeutig zu früh. Dabei hatte sie noch immer Probleme damit, sich überhaupt einzugestehen, wie sie zueinanderstanden.

»Ganz ehrlich … für mich hört sich alles so an, als ob ihr beide endlich die Richtige gefunden habt. In dem Fall wird es immer eine Lösung geben, und wenn sie komplizierter wird«, erklärte Vivi aufmunternd, wobei Nami nur halbherzig zu hörte. Lieber war sie gerade mit dem Alkohol beschäftigt, den ihr Zoro mitgebracht hatte. »Nami!«

»Vivienne?«, fragte sie, nachdem sie einen großen Schluck direkt aus der Flasche genommen hatte, und sah diese augenaufschlagend an. Im Hintergrund lachte Zoro, wobei er seine Hand fordernd ausstreckte.
 

»Ich denke, ich behalte die Wohnung«, sprach Nami nach einer Weile. »Wer weiß, ob mir das Leben dort gefällt. Sollte ich merken, dass es ein Fehler war … behalten ist einfacher, oder?« Jetzt, wo ihr größter Wunsch vor der Erfüllung stand, bekam sie bei dem Gedanken tatsächlich kalte Füße. Der Schritt war nicht leicht und sie würde direkt ins Unbekannte gehen. Plötzlich wurde es ihr eben doch schwer ums Herz.

»Schlag dir das aus dem Kopf, verstanden?«, antwortet Vivi tadelnd. »Aller Anfang ist schwer, aber du wirst das Leben genießen. Warum du dir Kanada aussuchst, ist mir zwar bis heute ein Rätsel – ernsthaft, wie setzt man sich freiwillig den Temperaturen aus? – aber das ist dein Traum. Um uns musst du dir keine Sorgen machen. Wir bleiben dir erhalten, auch wenn wir für unser Nerven neue Wege finden müssen.« Nami lächelte schwach, lehnte sich an die Schulter ihrer Freundin, als sie zu Zoro blickte, der sie breit grinsend ansah.

»Und selbst, wenn du scheiterst. Du hast immer einen Platz. Als ob wir dich auf der Straße sitzen lassen. Jetzt habe ich Hunger … du gestattest.« Ohne auf eine Reaktion zu warten, sprang er schwungvoll auf die Beine. Sie sah ihm hinterher, wobei sie nicht aufhören konnte zu lächeln. So war er eben manchmal und dafür liebte sie ihn.

»Siehst du. Manche deiner Sorgen sind unberechtigt. Du hast uns, Nojiko und Genzo und …« Vielsagend grinste Vivi. »Um ein Gespräch kommst du so oder so nicht rum.« Tat sie nicht. Sie konnte dieses Mal schlecht von einen zum anderen Tag wortlos verschwinden. Wobei die Idee sich gar nicht so schlecht anhörte, wenn da halt nicht ihre Gefühle wären. »Wenn sich alles so ergibt, wie ich es mir erhoffe, dann stellst du sie uns gefälligst vor.«

»Sollte sie nicht meine geringste Sorge sein?« Da lachte Vivi. Was daran witzig war, verstand Nami nicht und sie musste genau danach aussehen, denn das Lachen wurde herzlicher. »Was?«

»Süße, du bist verknallt.« Augenrollend blickte Nami geradeaus. Das war die Erklärung? Dann spürte sie ein Stupsen gegen ihren Arm. »Mit uns ist alles geregelt. Du hast lange genug davon gesprochen. Mit ihr … alles ist offen und anscheinend ist sie jemand, mit dem du dir eine Zukunft vorstellen kannst.«

»Flirten, ungebundener Sex, allein bleiben – das ist mein Leben!« Dabei musste Nami über sich selbst lachen. Hierbei hatte sie auf ganzer Linie versagt. »Wegen euch allein sollte ich traurig sein, nicht wegen einer Frau.«

Vivi stimmte ein.

»Das war dein Leben.«
 


 

Bis zum Wochenende, das sie dieses Mal bei Robin verbrachte, hatte Nami das Problem totgeschwiegen. Besser gesagt, sie hatte es nie über die Lippen gebracht. Jedes Mal, wenn sie glaubte, es wäre der passende Moment, hatte die Angst übernommen und sie zum Schweigen verteufelt. Instinktiv war sie zwischendurch in allen Belangen in die Defensive gegangen.

Es musste Robin auffallen. Besonders wenn sie zusammen waren. Seit gestern Abend war sie recht wortkarg.

Diese Frau hatte ihr in aller Manier den Kopf verdreht. Sie war verliebt. Es war kein Schwärmen, es waren echte Gefühle. Sie wollte Robin, während ein anderer Teil nichts sehnlicher wünschte, als ihr niemals begegnet zu sein. Es war ein vergleichbar kleiner Anteil, der so dachte und der in den vergangenen Wochen stetig an Gewicht verlor. Schottland hatte sie endgültig zur Kapitulation bewogen.

Jetzt fühlte sie erneut dieselbe Unentschlossenheit. Seit einer halben Stunde saßen sie auf der großen L-förmigen Couch. Robin seelenruhig in ein Buch vertieft. Sie hingegen malte sich bereits das Schlimmste aus. Dass das der letzte angenehme Moment war.

Vivi fragte täglich nach, ob sie das Gespräch endlich geführt hatten, sogar Zoro zeigte Neugierde, während sie bereits über die nächsten Wochen sprachen. Was sie erledigen musste und wie oft sie Zeit füreinander fanden. Etwas, das ihr half. Denn sollte das hier den Bach hinunter gehen, hatte sie wenigstens Ablenkung. Wobei sie erneut daran erinnert wurde, dass es das Beste war.

Ach verdammt, dachte sie und setzte alles auf eine Karte.

»Robin?«, fragte sie mit hoher Stimme; ganz klar ihrer Nervosität geschuldet. Verdammt … sie war verliebt, sie wollte das hier, aber sie wollte auch diesen Job. Warum musste sie sich vor der Abreise auch gehen lassen? Hätte das nicht später passieren können? Wenn sie dort lebte?

Mittlerweile verfluchte sie das Schicksal. Warum mischte es sich in den unpassendsten Momenten ein!

»Erzählst du mir endlich, was dir am Herzen liegt?«, konterte Robin gelassen, ohne aufzublicken.

Resignierend stieß Nami Luft aus. Was hatte sie erwartet? Dass Robin nichts ahnte? Dieser Frau entging gefühlt nichts. Etwas vormachen schien einem unmöglichen Akt gleichzukommen und Nami hatte die Tage über eine deutlich andere Art angenommen, eine ausweichende, distanziertere.

Noch war ein Entkommen möglich. Noch konnte sie Robin einen Bären aufbinden, irgendetwas, bloß nicht die Wahrheit. Genau das wäre alles andere als fair.

»Es geht um eine Stelle …«, blieb sie wage und konnte nicht zur anderen sehen. Fast hilfesuchend blickte sie zum Bücherregal. Eines von vielen, das in Robins Wohnung war.

»Ich vermute, sie ist nicht in London?«

Ihr Herz schlug bis zum Hals. Anhand ihrer Reaktion keine allzu große Überraschung, dass Robin den Gedanken verfolgte.

»Wie kommst du darauf?«, fragte sie dennoch.

»Du eierst herum und wirkst alles andere als glücklich darüber. Warum sonst würdest du zögern?«

Ertappt.

Sicher, die Freude war vorhanden. Robin war eben das größte Problem und das trübte diese, gab ihr einen erheblichen Dämpfer. Umso mehr haderte sie die letzten Tage. Genau deshalb hatte sie sich geschworen, sich nie zu verlieben. Die nächsten Worte versetzten ihr aber einen enormen Stich.

»Wenn du sie möchtest, nimm sie.« Es war die Nüchternheit, mit der Robin sprach. Als wäre das, was zwischen ihnen entstanden war, nichts Besonderes. Eben nur das, was ausgemacht war: eine Bettgeschichte. Eigentlich die Reaktion, die Nami helfen sollte. Stattdessen zog es ihr schmerzhaft den Magen zusammen. Lange waren sie nicht beieinander, aber hatte sie Gefühle entwickelt, starke Gefühle. Irrte sie sich? Hatte sie Robin falsch eingeschätzt? Ihre Art vollkommen falsch aufgenommen?

Im Augenwinkel vernahm sie eine Regung. Robin schüttelte leicht den Kopf und schloss das Buch. Eine Geste, die sie fragend die Brauen heben ließ.

»Ich glaube, du missverstehst mich«, begann die andere und wartete, bis Nami zu ihr sah. »Wenn es das ist, das du möchtest, dann geh. Als ob ich dagegen sprechen könnte … ich habe dir erzählt, wie mein Leben bis vor einer Weile ausgesehen hat.« Sie lächelte, wenn auch schwach. »Ich stehe dir nicht im Weg, aber biete ich dir verschiedene Routen an.«

Nami blinzelte irritiert. In dem Augenblick wusste sie nicht so recht, was Robin meinte. Natürlich kannte sie den Teil von Robins Vergangenheit. Das Umherziehen. Von einem Land ins nächste. Was sie daher irritierte, war der Schluss.

»Was meinst du?«, musste sie nachfragen.

»Wenn wir wollen, finden wir einen Weg.«

Nami war nicht auf den Mund gefallen, aber die Worte machten sie für einen Augenblick sprachlos. In dieser Sekunde entfachte ein Hoffnungsschimmer, ob gut oder schlecht, er war da und wollte gehört werden.

»Robin … ich rede nicht im Sinne von einer Distanz vergleichbar mit Manchester oder sagen wir Edinburgh«, begann sie zaghaft, noch war das Wichtigste nicht gesagt, »es liegen tausende Kilometer dazwischen. Ich ziehe nach Calgary. Calgary in Kanada.« Ein gewaltiger Unterschied. Die Distanz, die Zeitverschiebung. Das machte einen deutlichen Unterschied, als einfach irgendwo hier auf der Insel.

Robin zog die Brauen zusammen. Sowie sie das Buch ablegte und schweigend auf den Boden starrte, erkannte Nami, wie sie erstmals ernsthaft über das Gesagte nachdachte. Vermutlich erkannte Robin gerade den eigenen Fehler, dass der Gedanke daran, lächerlich war. Als ob das funktionierte. Nicht allein der Entfernung wegen, auch ihrem kurzen Kennen. Das allein sollte genügen, um das Scheitern zu erkennen.

Sollte, aber Robin schien anderer Meinung. Ihr Ausdruck hellte auf und ihre Schultern zuckten, als sie zurück zu Nami blickte und aufmunternd lächelte.

»Lieber scheitere ich, als es gar nicht erst versucht zu haben. Was sagst du?«

»Was?«, stieß Nami atemlos aus. War das ihr voller Ernst? »Willst du damit sagen …« Ungläubig schüttelte sie den Kopf das ihr einen belustigten Ausdruck bescherte.

»Bislang haben wir uns gut geschlagen. Statt ein lockeres Miteinander, haben wir uns still in eine Beziehung gesteuert. Oder findest du unser Verhalten normal?« Irgendwann musste das ausgesprochen werden. Etwas, das sie seit Wochen offen ignoriert hatten. Also hatte sich Nami eben nicht geirrt, und merkwürdigerweise spürte sie dabei ein warmes, wohliges Gefühl in ihrer Brust. »Für dich habe ich meine halben Termine umgeworfen und bin dir nach Schottland nachgereist«, fügte sie lachend hinzu.

»Meinem Charme widerstehen ist eben eine Herausforderung.« Ein kleines Späßchen half ihrer Stimmung. »Bei der Abreise habe ich mir gedacht, ich werde einsehen, dass wir uns zwar verstehen, aber mir die Zeit zeigen wird, dass ich mir die Gefühle bloß einbilde … naiv.«

»Darf ich dich erinnern, dass du diejenige warst, die gerne betont hat, sie würde sich niemals verlieben?« Aufziehen konnte Robin. Wem hatte Nami das nicht gesagt? Mittlerweile wusste sie einfach, dass es die anderen nicht wert gewesen waren ihre Einstellungen über Bord zu werfen. Robin schon. Wenn jemand sie vom ersten Moment an, aus der Fassung brachte, war sie bislang einfach nicht der richtigen Frau begegnet. Umso schwieriger empfand sie die Zukunft. Unsicher sah sie Robin in die Augen.

»Und jetzt?«, war alles, das ihr auf den Lippen lag.

Robin lächelte auf eine Weise, die sie stets zum Schmelzen brachte, die ihr stets das Gefühl gab, das alles möglich war.

»Wann geht’s los?«

»Oktober … angepeilt ist letzte Septemberwoche. Einleben und so.«

Ein vor sich hin nicken, ehe Robin den Abstand überbrückte. Gespannt beobachtete Nami jede ihrer Bewegungen. Als Robin dann neben ihr saß und die Arme einladend aufhielt, wich erstmals seit dem Gespräch sämtliche Anspannung. Wortlos sank sie gegen ihren Körper, spürte sogleich die Arme um sich. Spätestens in Schottland hatte sie das, was sie dabei empfand, endgültig akzeptiert. Die Wärme und ein Gefühl der Vertrautheit, während sie dem Herzschlag lauschte. Lag sie in ihren Armen verschwanden Zweifel und Unsicherheit, stattdessen fand Nami einen ungewohnten Frieden und Geborgenheit.

»Ist noch bisschen hin«, begann Robin dann, wobei ein Seufzer hörbar war. Nami schwieg abwartend. »Wir genießen die Zeit, die uns übrigbleibt – offiziell – und dann gehen wir die Hürde an, sofern du das möchtest.« Schnell schlug ihr Herz und in dieser Sekunde war Nami froh darüber, dass sie ihr Gesicht in Robins Halsbeuge verbergen konnte. Wenn sie wollte. Ihre Entscheidung. »Sei froh, dass ich wenig Schlaf vertrage.«

»Inwiefern?«

»Sieben Stunden … da spielt mein Rhythmus in die Karten.« Das war der Satz, der Nami den Kopf heben ließ. »Ich sage nichts grundlos. Wenn du bei deiner Abreise dafür bist, gehe ich den Weg mit dir und wenn wir dafür eine Fernbeziehung in Kauf nehmen müssen. Entweder überstehen wir sie oder wir scheitern. Hört sich besser an, als dich ganz zu verlieren – was ist? Fällt es dir schwer zu glauben, dass ich das riskiere oder wäre dir wohler, wenn ich dir den Laufpass gebe?« Eigentlich hatte Nami auf das Letzte gewartet. Dass sie sich beide auf das Aus einigten. Getrennte Wege gingen und das Gefühlschaos, das die Distanz mit sich brachte, gar nicht erst in Erwägung zogen. Stattdessen starrte sie einfach in die Augen dieser Frau, die alles, was sie sich bislang ausgemalt hatte, ignorierte und bereit war, den Schritt zu gehen. Mit allen Höhen und Tiefen. Wenn sie nur zustimmte. Sie konnte beides haben – den Job und Robin. »Willst du gehen?«, raunte Robin neckend. Typisch für die Frau, sie selbst in so einer Situation aufzuziehen. Robin lockerte den Griff endgültig und sah kurz Richtung Tür. In ihrer Stimme war ein Scherz hörbar, aber ihre Augen sprachen etwas anderes. Robin würde sie gehen lassen, wenn es für Nami leichter wäre.

Das wäre es allemal und vielleicht sogar die vernünftigere Entscheidung. Stattdessen umfasste sie Robins Gesicht und küsste sie. Nicht mit dieser brennenden Leidenschaft, die gierig auf mehr aus war. Er war gefühlvoller als jeder ihrer bisherigen, der Namis Atmung ins Stocken brachte. Sie empfanden dasselbe und eine Zukunft war möglich.
 

Die Aussicht mochte sie. Der Himmel über der City of London glühte in den warmen Farben des Sonnenuntergangs, und die gläsernen Türme der Stadt spiegelten das Abendlicht. Schon bald würden die Lichter langsam zum Leben erwachen.

Nami kauerte nachdenklich im Hängesessel, der leicht in der Brise schwankte, während sie starr auf die Skyline schaute.

In diesem Moment trat Robin wieder auf den Balkon, die Silhouette von London im Hintergrund. Sie musste ihre nachdenklichen Augen erkennen und setzte sich erst still neben sie. »Über was grübelst du?«

Dankend nahm sie ihr das Weinglas ab.

Vielleicht darüber, dass sie vor ein paar Tagen noch heulend von ihren Freunden getröstet wurde. Oder über das Gespräch mit ihrer Schwester, die genauso Mut zusprach. Hinzu kam ihr Onkel, der ihretwegen übertriebene Gefühlsausbrüche erlitt. Und an Robin. Die ihr vorhin eine ihrer größten Sorgen nahm, was den Umzug anging, obwohl es für ordentliche Probleme sorgen könnte und vermutlich würde.

Ein Kopfschütteln später fuhr sie sich mit der freien Hand durchs Gesicht.

»Was wäre gewesen, wenn der Zufall andere Pläne gehabt hätte?«, fragte sie stattdessen und warf einen Seitenblick auf Robin.

»Oh … ja, der Zufall.«

Sogleich zog sie die Brauen zusammen. Die Art, der Tonfall und das leicht ertappte Lächeln brachten Misstrauen. Irgendetwas passte nicht. Wie ordnete sie das Gesagte ein?

Innerlich ging sie das Kennenlernen durch. Schritt für Schritt. Das Gespräch im Museum, später dann im Café und dann ergab alles einen Sinn. »Du hast dich absichtlich neben mich gestellt! Du hast es herausgefordert«, platzte es überrascht aus ihr heraus und Robins Blick, der sich geradeaus richtete, während sie ausweichend einen langsamen Schluck nahm, bestätigte sie. »Ist das deine Masche? Frauen in Museen abschleppen?« Der Kellner. Wieder musste sie an den Kellner denken, der Robin kannte. Sie war öfter vor Ort. Natürlich kannte sie jedes Ausstellungsstück. Warum hatte sie früher nie daran gedacht? »Robin!«, lachte sie und stieß ihr gegen die Seite.

Wortlos, aber seufzend, lehnte die andere zurück. Das Glas wurde geschwenkt, als wog sie ihre Antwort kalkulierend ab.

»Als Masche bezeichnen, ist übertrieben. Ich lauere nicht auf. Gleichzeitig würde ich lügen, wenn ich dir erzähle, ich habe dadurch noch nie jemanden kennengelernt – Nein, keine Absicht, Nami.«, tadelte sie den gespielt entrüsteten Ausdruck. »Zu meiner Verteidigung … auf einer meiner Stationen, habe ich bei Führungen ausgeholfen. Einzelne und Gruppen. Manchmal hat sich da etwas ergeben, okay?«

»Gertrude in Höchstform«, neckte sie.

»Nein, da habe ich meinen Namen verwendet. Gertrude ist für andere Begegnungen.« Nachdenklich neigte Robin den Kopf. »Eigentlich ist sie nur eine von vielen.«

»Also kennt ein Teil deiner Liebschaften nicht mal deinen Namen?« Robin blinzelte unschuldig, worauf sich eine Antwort erübrigte. »Der Kellner hat dir die Tour vermasselt.«

»Bist du dir sicher?« Wieder trank sie abwartend. Manchmal, das hatte Nami bald festgestellt, schwieg Robin absichtlich. Dann, wenn sie wollte, dass Nami von allein die Antwort fand und das war eine dieser Situationen.

»Du hättest ein anderes Café vorgeschlagen oder einen der Pubs«, gab sie zu bedenken und das Nicken bestätigte erneut ihre Worte.

»Noch seltener gebe ich meine Nummer und wie wir sehen, hast du mir nicht widerstanden«, kehrte ihre selbstbewusste Ader zurück. Schließlich wurden ihre Züge weicher und sie sank leicht gegen Namis Körper. »Du hast meine Neugierde geweckt und nicht enttäuscht. Was danach passiert ist, dass hast du dir zuzuschreiben.«

Hatte sie. Wofür sich Nami in den letzten Wochen oft genug zerfleischt hatte. Jede Chance auf Rückzug ließ sie partout vorbeiziehen. Vorhin dasselbe. Robin hatte ihr sehr wohl den Ausweg angeboten. Stattdessen blieb sie, akzeptierte den Umstand, hörte auf ihre Gefühle.

Als die letzten Sonnenstrahlen verblassten, atmete Nami laut aus. »Ziehen wir das durch, wirst du um eine Sache nicht drumherum kommen.«

»Die wäre?«

Nami lehnte den Kopf an Robins Schulter und grinste vor sich hin. »Es gibt ein paar Leute, die unbedingt wissen wollen, wer das bislang Unmögliche geschafft hat.« Ohne den Kopf zu heben, wusste sie, dass Robin gerade das Gesicht verzog.

»Wie schlimm?«

»West Ham oder Chelsea?«, fragte sie unverblümt.

»Weder noch, Red Devils.« Nun rückte sie tatsächlich ein Stück fort und sah Robin mit gehobener Braue an.

»United? Wirklich?«

»Was? Soll ich mich in einen London-Krieg verwickeln lassen?« Damit hatte sie gerade die beste Antwort gegeben, aber kannte sie ihren Freund.

»Nein, wirst du aber gefragt, nimm bitte nicht Chelsea.« Nickend verkniff sich Robin ein Lachen. »Das ist wichtig, glaub mir. Damit steht und fällt Zoro! Und Korsa, Vivis Ehemann.«

»Okay, Chelsea ist böse. Verstanden.«

»Vertrau mir. Die Frage wird kommen. Ob du dich auskennst oder nicht.« Und sollte ein Treffen stattfinden, wollte sie auf keinen Fall einen seiner stumpfsinnigen Vorträge. Die hatte sie in der Vergangenheit bereits oft genug hören dürfen. Egal, um wen es sich dabei handelte. »Irgendwelche Leichen im Keller? Von denen ich wissen sollte?« Wieder nippte Robin am Wein. Dieses Mal wirkte sie, als wüsste sie nicht, worauf sie sich hierbei einließ. »Zoro und Tasha, seine Frau, sind bei der Polizei. Sie ist besonders genau und sobald sie deinen Namen kennt, kann es vorkommen, dass sie dich durchleuchtet. Das passt genauso zu meinem Onkel Genzo.«

»Genzo?«

»Gentian Zonneveld. Genzo ist beim Militär sein Spitzname. Hat sich irgendwann durchgesetzt. Er wird dich ins Kreuzverhör nehmen. Ich liebe ihn, aber er ist, was das angeht, überfürsorglich.« Sprach Nami darüber, wurde ihr gerade wieder bewusst, warum sie schon früher, als sie noch bewusst gedatet hatte, nie jemanden vorstellen wollte. Eigentlich war ihr Umfeld, was den Teil anbelangte, alles andere als handzahm. »Hey, dafür ist Vivi umgänglich. Nenne sie nie Vivienne und sei charmant.«

»Und deine Schwester?« Richtig. Da war noch jemand. Nami schluckte und spürte ein leichtes Frösteln. »Nami?« Es gab Gründe, warum sie mit ihrer Schwester selten über ihre Liebschaften sprach.

»Gib ihr einfach keinen Grund, dich nicht zu mögen, okay?« Manchmal wirkte sie unscheinbar und allen freundlich gesinnt. Genau das konnte recht schnell umschlagen und ging es um Nami, stellte sie alle anderen recht schnell in den Schatten. Für Nami würde sie durchs Feuer gehen und es mit jedem aufnehmen. »Willst du jetzt einen Rückzieher machen?«, fragte sie Robin mit Unschuldsmine.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dark777
2024-04-14T18:56:00+00:00 14.04.2024 20:56
Endlich hat sich Nami ihre Gefühle eingestanden und dann läuft es auch noch so glatt in dem Kapitel. An Robins Gefühlen habe ich, im Gegensatz zu Nami, nie gezweifelt, aber ein bisschen Sorge habe ich schon, da es bisher wie im Bilderbuch abläuft. Ärger wird kommen und ich bin genauso gespannt wie nervös, zu erfahren was für Ärger das in Zukunft sein wird. Im Übrigen kann ich ebenso nicht nachvollziehen, wie man freiwillig in ein noch kälteres Land ziehen möchte XD! Aber ok, wenn das ihr Gedanke von absoluter Freiheit ist, dann bitte. Robins „Geständnis“ zum Schluss, dass die Begegnung vielleicht nicht ganz so zufällig war wie es schien, war die Kirsche auf dem Sahnehäubchen ;). Ein nettes Feel-Good-Chapter, im nächsten geht es sicher schon wieder turbulenter zur Sache.

V(~_^)
Von:  BurglarCat
2023-12-07T09:03:19+00:00 07.12.2023 10:03
schön zu sehen, dass du mal nicht böse warst und diese Aussprache doch ziemlich entspannt von statten ging. So kann es eben auch sein, wenn man Verständnis für die andere Person hat und eben Gefühle im Spiel sind, die tiefer gehen. Wo ein Wille da ein Weg und dann kann man da sicherlich überwinden. Die Frage die sich nun wohl stellt ist; wie wird das Treffen von Robin und den angehörigen? Und wie wird sich die Beziehung im weiteren Verlauf entwickeln? Wird es weiter so leicht bleiben oder stoßen die beiden doch auf unerwartete Grenzen? Das wird sicher spannend werden und ich freue mich, dass ich gleich weiterlesen kann und nicht warten muss, um mehr zu erfahren.
Antwort von: robin-chan
07.12.2023 10:43
Habe dir doch gesagt, es wird eine ruhigere Geschichte. Vergleichsweise sehr ruhig, aber wie wir wissen, wird nie alles rund laufen. Das kommt schon noch ;)


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