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Festival of Blood

von

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9

Samanthas Körper zitterte heftig, während der Werwolf weiterhin seine Kreise um das Auto herum zog. Hatte Earl ihr vorhin nicht erst erklärt, dass das Lederarmband zu ihrem Schutz dienen und Tommy sie aus diesem Grund nicht angreifen würde?

„Auf keinen Fall werde ich aussteigen, um das jetzt auszuprobieren!“, grummelte sie und versuchte sich weiter zu beruhigen.

Wieso musste es auch unbedingt ein verdammter Werwolf sein? Erneut schaukelte der Wagen heftig und Samantha schrie entsetzt auf, umklammerte verkrampft das Lenkrad und schloss ihre Augen.

„Er wird mir nichts tun. Er wird mir nichts tun. Er wird mir nichts tun!“

Immer wieder wiederholte sie diese Worte wie ein Mantra zu sich selber, und dann war es ganz ruhig um sie herum geworden. Hatte es funktioniert? Oder hatte der Werwolf einfach nur das Interesse an dem Jeep verloren? Vorsichtig öffnete Samantha wieder ihre Augen, linste aus dem Fenster der Fahrertür hinaus und blickte direkt in zwei gelbe Augen, welche genau vor ihr in der Dunkelheit leuchteten. Der Kopf der Bestie war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt, alles was die beiden gerade trennte war die dünne Glasscheibe, welche durch die regelmäßigen Atemzüge des Werwolfes beschlug. Samantha sog die Luft scharf ein, doch ihr Körper verweigerte ihr jeden weiteren Dienst. Sie konnte nicht schreien, sich nicht bewegen, gar nichts. Sie saß einfach nur da, und starrte in die Stecknadelkopf großen Pupillen, welche genau auf sie fixiert waren.

„Ich weiß, dass du irgendwo da drin bist, Tommy…“, flüsterte die junge Frau ehrfürchtig mit zittriger Stimme.

Der Werwolf knurrte sie gefährlich tief an, seine spitzen Zähne blitzten hervor und zähflüssiger Speichel tropfte von ihnen. Samantha zwang sich, das Gesicht von ihm abzuwenden und wieder nach vorne zu sehen, genau in diesem Moment bemerkte sie eine Gestalt vor dem Jeep stehend, ein Gewehr im Anschlag haltend.

Noch während sie Luft holte ertönte ein laut knallendes Geräusch, ein Schuss und ein silbernes Netz breitete sich über die Bestie neben dem Jeep aus. Für einige Sekunden tobte der Werwolf, versuchte sich zu befreien, doch dadurch zog sich das Netz immer enger zusammen, bis schließlich nur noch ein gefährlich knurrend und brüllendes Bündel am Boden lag.

„HUNTER!“, rief Samantha wütend aus, stieg aus dem Jeep aus und stellte sich genau zwischen Tommy und dem Jäger.

„Guten Abend, Fräulein“, grinste der alte Mann gehässig und fasste sich zum Gruß an die Krempe seines Hutes.

„Wie zum Teufel hast du uns gefunden?“

„Ach…“, zuckte er mit seinen Schultern und blickte gierig hinter Samantha auf seine Beute, „einem verletzten Vögelchen zu folgen ist nicht allzu schwer. Außerdem war sein Geheule auch nicht gerade leise…“

„Ich lasse dich nicht zu ihm!“

„Ich weiß“, blieb Hunter völlig ruhig stehen, „deswegen warte ich ja auch auf meine Verstärkung.“

Samantha blickte ihn ungläubig an. Wie jetzt?

Der Jäger grinste bei ihrem verdutzten Anblick umso breiter, sein Kopf nickte seitlich, woraufhin die junge Frau verwirrt nach links blickte. Wilma trat in diesem Moment einen Schritt auf sie zu, zwinkerte ihr keck, streckte Samantha dann ihre flache Hand wie für einen Luftkuss entgegen und pustete ein lilafarbenes Pulver mitten in deren Gesicht. Augenblicklich musste Samantha heftig niesen, und dann wurde ihr bereits schwarz vor Augen.
 

~*~
 

Als Samantha das nächste mal ihre Augen öffnete blickte sie einer Zimmerdecke entgegen, an welcher ein Ventilator gemütlich surrend seine Runden zog. Sie blinzelte zwei, dreimal, setzte sich auf und bemerkte, dass sie in einem relativ gemütlichen Bett lag. In einem atemberaubenden weißen Kleid. Die junge Frau hielt inne, sah an sich herunter und überlegte, wo in ihrem Kleiderschrank sie dieses Prachtstück nur versteckt hatte. Sie schwang ihre nackten Füße über die Bettkante und ertastete kalten Holzboden, welcher unter ihrem Gewicht leicht knarrte.

„Ich habe in meinem Apartment aber keinen Holzboden…“, murmelte Samantha verwirrt und blickte sich weiter in dem Zimmer um.

Es war weiß gestrichen, der Holzboden war relativ dunkel, ein recht schöner Kontrast. Gegenüber des großen Bettes stand eine Kommode im selben Farbton wie der Boden, durch das Fenster gleich darüber wehte eine sanfte Brise die Vorhänge in den Raum. Draußen war es heller Tag, worauf hin Samantha umso mehr stutzte. War es eben nicht noch tiefe Nacht gewesen?

Sie zuckte zusammen. Tommy! Sie musste ihn finden und retten!

Auf nackten Füßen rannte die junge Frau aus dem Zimmer, hetzte die Treppe nach unten, wo ihr herrlicher Duft von Pfannkuchen und Kaffee entgegen drang.

„TOMMY!“, rief Samantha laut, den leckeren Geruch komplett ignorierend.

„Ich bin hier!“

Ihr Kopf schnellte herum und sie erblickte Tommy, ihren Tommy, wie er völlig entspannt im Türrahmen auftauchte und sie verwundert ansah. Er trug lediglich nur eine Jeans, welche locker auf seinen Hüften saß, über seine linke Schulter lag ein Küchentuch.

„Warum schreist du so? Ist etwas passiert?“, fragte er leicht besorgt.

„Bitte? Was zum Teufel ist hier los?! Wo ist Hunter? Er hat dich eben noch gefangen und du warst ein Werwolf!“, sprudelte es nur so aus Samantha heraus, während sie auf ihn zu rannte und ihre Arme um seinen nackten Oberkörper schlang.

„Oh man“, lachte Tommy jetzt herzlich und küsste ihren Scheitel, „du musst geträumt haben, mein Liebling…“

„Wir müssen dich verstecken! Hunter wird dich töten, wenn er dich findet!“

„Wer ist Hunter?“, fragte Tommy argwöhnisch nach.

Samantha starrte ungläubig zu ihm auf.

„Der Jäger…“

„Ein Jäger, der Hunter heißt?“ kicherte Tommy und schüttelte den Kopf, „so was kann auch nur dir einfallen, oder?“

„Was…?“

„Du musst dir gestern tatsächlich heftig den Kopf gestoßen haben...wir sind zu Hause. In Sicherheit. Ich wollte dir gleich einen frischen Kaffee nach oben bringen.“

„Ich habe mir den Kopf gestoßen...?“, wiederholte Samantha und fasste sich an ihre Schläfe und sah sich erneut um.

Erst jetzt erkannte sie das Untergeschoss des Wohngebäudes der Ranch, auf welcher Earl und Tommy lebten. Es war renoviert worden, einige Möbel waren neu und standen auch anders, doch es hatte immer noch seinen rustikalen Charme. Samantha ließ unglaubwürdig die Hand sinken und drehte sich einmal im Kreis. Sie spürte, wie Tommy ihr über den Arm streichelte und sie liebevoll ansah.

„Darf ich dich etwas verrücktes fragen?“, murmelte die junge Frau und blickte ihrem Gegenüber schüchtern in die bernsteinfarbenen Augen.

„Natürlich.“

„Bist du ein Werwolf, oder?“

Jetzt lachte Tommy schallend auf, warf seinen Kopf schwungvoll gen Nacken und hielt sich den Bauch. Nachdem er sie erneut anblickte, immer noch lachend, wischte er sich eine Träne aus dem Augenwinkel, küsste Samantha dann leidenschaftlich auf den Mund und drückte sie feste an sich.

„Ich liebe dich“, kicherte er.

„Beantworte meine Frage!“, zwang sie sich ernst zu bleiben und schob sich von Tommy weg.

„Natürlich bin ich ein Werwolf! Vor knapp einer Woche war erst Vollmond, hast du das schon wieder vergessen?“

Samantha atmete tief durch, es war also wirklich IHR Tommy. Jetzt war sie es, die ihn feste an sich drückte und ebenfalls „ich liebe dich!“ murmelte.

Erneut drückte er ihr einen Kuss auf den Scheitel und ging dann zurück in die Küche, Samantha folgte ihm.

„Das Frühstück ist gleich fertig“, verkündete Tommy und wendete geschickt den Pfannkuchen, welchen er gerade briet, „wärst du so lieb und weckst die Kinder?“

Wie ein heftiger Stromschlag durchzuckte es Samanthas Körper und sie starrte ihn nun völlig ungläubig an.

Kinder?

Mit einem mulmigen Bauchgefühl stieg die junge Frau erneut die Stufen empor, ging allerdings diesmal in das rechte Zimmer, wo sie bereits von einem kleinen freudig hüpfenden Knirps in seinem Gitterbett erwartet wurde. Samantha ging zögernd auf das Kleinkind zu, welches mittlerweile breit grinsend seine Arme nach ihr ausstreckte, hob es auf ihre Hüften und hielt erschrocken inne. Das fühlte sich so gut an, so richtig, so als wäre es nie anders gewesen…

Das Kleinkind kicherte, während Samantha ihm die längeren schwarzen Haarsträhnen aus der Stirn streichelte und in seine bernsteinfarbenen Augen blickte.

„Ganz der Papa, hm?“, schmunzelte die Frau und gab dem Kind einen liebevollen Kuss auf die Wange.

„Das ist nicht der Papa. Das ist Henry!“, ertönte in diesem Moment eine helle Mädchenstimme.

Samantha drehte sich um und blickte auf das zweite Kind, welches sie mit mehreren Zahnlücken angrinste. Das Mädchen war zirka sechs Jahre alt, hatte lange schwarze Haare und ebenfalls bernsteinfarbene Augen.

Die Frau bemerkte, wie ihr heiße Tränen über die Wangen liefen, sie hielt sich augenblicklich die freie Hand vor den zitternden Mund und schniefte laut.

„Aber Mama! Du musst doch nicht weinen!“, rief das kleine Mädchen erschrocken und schlang seine dünnen Ärmchen um Samanthas Oberschenkel.

In diesem Moment ging die Zimmertüre weiter auf und Tommy trat ein, blickte Samantha mit großen Augen an, sagte jedoch nichts.

„Ich bin...so glücklich…“, brachte diese zwischen zwei Schluchzern hervor und streckte eine Hand nach ihm aus.

Sofort schmunzelte Tommy schelmisch, genau dieses spitzbübische Schmunzeln, welches sie so sehr an ihm liebte und nahm sie in den Arm, nachdem er seine Tochter ebenfalls auf seine Hüfte gehoben hatte.

„Rudelknuddeln!“, jauchzte die Kleine erfreut und schlang ihre Ärmchen um den Hals ihres Vaters.

Nach der Umarmung sah Tommy seiner Frau noch einen Moment intensiv in die Augen, bevor Samantha den kleinen Jungen auf dem Boden abstellte und dessen noch wackligen Körper mit einer Hand stabilisierte.

Das Mädchen, welches immer noch von Tommy getragen wurde knurrte diesen spielerisch an, als er sein Gesicht ihr zuwandte rieb sie breit grinsend ihre Nase an der seinen, knurrte und kicherte. Tommy tat es ihr gleich, bevor er verkündete, dass die Pfannkuchen kalt würden, und sie nun endlich frühstückten sollten.
 

~*~
 

Samantha spürte, wie ihr Tränen über die Schläfen rannten, als sie langsam wieder zur Besinnung kam. Sie weigerte sich, ihre Augen zu öffnen, spürte nur, das sie auf etwas kaltem harten lag. Neben sich hörte sie schwer atmende Geräusche, metallisches Rascheln, dann ein erschöpftes Seufzen.

„Ah...sie kommt langsam wieder zu sich…“, ertönte plötzlich eine Frauenstimme.

Sie brauchte einige Sekunden, bis sie diese erkannt hatte und riss ihre Lider auf und blickte Wilma, welche grinsend auf sie herabsah direkt ins Gesicht.

„Guten Morgen, Sonnenschein!“, strahlte die Wicca, nahm Samanthas Hände in die ihren und zog sie mit einer geschmeidigen Bewegung in eine aufrechte Position, „herzlich willkommen, zu unserem eigenen Mondscheinfest!“

Samanthas Blick wanderte benommen zu ihrer linken, woher die klimpernden Geräusche gekommen waren. Tommy stand in seiner menschlichen Form an der Wand, seine Arme waren nach oben an zwei Handschellen gefesselt, mehrere Schnitt und Stichwunden zierten seinen nackten Oberkörper, sein Gesicht sah ebenfalls übel zugerichtet aus. Völlig am Ende seiner Kräfte erwiderte er Samanthas Blick, dann wanderten seine Augen auf die Wand gegenüber, sie tat es ihm gleich.

Erst dann wurde ihr mit Schrecken bewusst, wo sie sich gerade befand…

Die beiden blickten Tommys transformierte Eltern direkt an, Samantha durchflutete ein schuldbewusster Schmerz, sie wandte ihre Augen von Henry und Louise ab, starrte auf ihre Hände, welche immer noch in Wilmas Griff lagen.

„Was machst du hier…?“, fragte die junge Frau an die Wicca gewandt, „hast du ihn so übel zugerichtet?“

„Ich?“, rief die rothaarige empört aus, „nein, meine Liebe. Ich war nur Publikum. Ich bin allein nur wegen dir hier.“

„Wegen mir?“

„Ich habe dir doch versprochen, dass wir beide unser eigenes Mondscheinfest haben werden. Ich muss zugeben, dass Hunters Keller nicht so prachtvoll geschmückt ist, wie es meine Hütte gewesen wäre…“

„Du hast einfach nur zugesehen? Auch wenn du Tommy nicht leiden kannst, so weißt du doch, was er mir bedeutet!“, Samanthas Stimme verwandelte sich in ein heißeres Schluchzen.

„Der Köter interessiert mich nicht die Bohne…“, winkte Wilma gleichgültig ab.

In diesem Moment trat Hunter in den Kellerraum und blickte Samantha mit seinem einen Auge kurz an, bevor er sich erneut Tommy widmete.

„Deine Wunden beginnen wieder zu heilen...wo waren wir stehen geblieben?“, fragte er diesen und grinste gehässig.

Tommy legte seinen Kopf schief, grinste ebenfalls und murmelte: „Du warst gerade dabei mir die Fesseln abzunehmen, damit ich mich für die Klinge aus Silber revanchieren kann.“

„Netter Versuch, Bürschchen! Aber ich muss zugeben, dass du zäher bist, als ich angenommen hatte!“

Tommy verfolgte Hunter mit seinen Augen, als dieser zum Waffenschrank ging, die Türen öffnete und sein Arsenal begutachtete. Der alte Mann warf Wilma einen fragenden Blick über die Schulter zu.

„Wie lange haben wir noch bis Sonnenaufgang?“

„Du hast noch genug Zeit“, winkte sie erneut ab.

„WIESO TUT IHR DAS?!“, schrie Samantha die beiden jetzt an.

Blanke Wut brodelte in ihr, purer Hass war jetzt das einzige, was sie für Hunter und Wilma noch empfinden konnte.

„Ich habe dir doch bereits gesagt, dass ich nur wegen dir hier bin.“

„Was willst du von mir?! Ich habe nichts, dass ich dir geben kann!“

Wilmas Mund verformte sich augenblicklich zu einem süffisanten Lächeln und ihre Augen funkelten listig.

„Ich will dein Herz essen…“, raunte sie schließlich, zog einen langen schwarzen Dolch hervor und leckte einmal genüsslich mit ihrer Zunge an der Klinge entlang, „ich werde es dir aus deiner Brust schneiden und den Köter dabei zusehen lassen, wie ich es genüsslich verspeise!“

Samantha starrte sie ungläubig mit weit aufgerissenen Augen an, während Tommys Fesseln gefährlich raschelten, als er sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen stemmte.

„Das sind Handschellen aus reinem Silber“, meinte Hunter, welcher mittlerweile wieder zu seinem Opfer gekommen war, „dagegen kannst du nicht das Geringste entgegenbringen!“

„Ich muss nur das Fleisch deiner Kehle zwischen meine Zähne bringen“, knurrte der junge Mann tief und schnappte nach dem Jäger, „dafür brauche ich meine Hände nicht!“

„Ja genau...wehr dich noch ein bisschen…“, flehte Hunter ehrfürchtig, „umso länger werden wir beide zusammen Spaß haben!“

„Hunter! Du musst das nicht tun! Tommy und sein Bruder haben mit dem Tod deiner Familie nichts zu tun! Es war ein Unfall!“, rief Samantha aufgebracht und sprang von der Bahre herunter, auf welcher sie noch vor wenigen Minuten bewusstlos gelegen hatte.

„Halt dich da raus, Weib!“, fauchte Hunter sie dermaßen an, das die Speicheltröpfchen nur so flogen, „das macht meine Familie nämlich auch nicht mehr lebendig!“

Der Jäger hielt eine Spritze mit angsteinflößend langer Nadel in die Luft, in ihrer Kammer war eine lila bläuliche Flüssigkeit. Tommy blickte ausdruckslos auf die Spritze, welche Hunter ihm breit grinsend vors Gesicht hielt.

„Wilma hat extra für mich ein Konzentrat aus Wolfswurz zubereitet. Es wird dich zwar nicht umbringen, aber mal sehen, wie lange du dich unter den höllischen Schmerzen winden wirst…“

Der Jäger hob die Spritze noch höher, bis die Nadel kurz vor Tommys Hals schwebte.

„NEIN! DAS LASS ICH NICHT ZU!“

Augenblicklich stürzte sich Samantha auf den alten Mann, schlang von hinten ihre Arme um dessen Hals, wollte ihn so aus dem Gleichgewicht bringen. Doch diese Rechnung hatte sie leider ohne Hunter gemacht…

Der alte Mann griff nach einem ihrer Handgelenke, zog es mit beeindruckender Leichtigkeit von seinem Hals weg, drehte sich zu der jungen Frau um und verpasste ihr eine dermaßen schallende Ohrfeige mit seinem Handrücken, dass es Samantha einmal um die eigene Achse drehte und sie schließlich ungebremst zu Boden ging.

„Ich habe dich gewarnt!“, fauchte der Jäger sie böse an.

Ihre Rippen riefen ihr in diesem Moment schmerzhaft wieder in Erinnerung, dass sie solche Aktionen eigentlich unterlassen sollte. Schwerfällig keuchend setzte sich die junge Frau wieder auf, schmeckte Blut in ihrem Mund und wischte sich über den pochenden Mundwinkel. Als sie dann erneut aufblickte sah sie Tommys hasserfüllte leuchtende Augen, wie sie sich in Hunters Gesicht brannten, ihm den Tot wünschten. Erneut lehnte sich der junge Mann gegen seine Fesseln, was ihm unheimliche Schmerzen zufügen musste.

„Du hättest einfach auf ihn hören sollen…“, sagte Wilma so höhnisch es nur ging, zog Samantha wieder auf die Beine und hielt ihr den Dolch an den Hals, „und jetzt wirst du dich brav wieder auf die Bahre legen…“

„Sonst was…?“, fauchte Samantha gefährlich ruhig und funkelte die Wicca angriffslustig an.

„Jetzt tu nicht so, als würdest du großartig Gegenwehr leisten“, lachte die rothaarige auf und stieß ihr Opfer in Richtung Bahre.

Samantha knallte dagegen, stieß sich jedoch gleich wieder davon ab und nutzte den Schwung, holte aus und schlug Wilma mit voller Wucht die Faust ins Gesicht. Diese taumelte benommen zurück, prallte gegen das hölzerne Regal und wurde unter herunterfallenden Holzbrettern und was darauf gestanden hatte vergraben.

„Meine Frau!“, lachte Tommy stolz, legte seinen Kopf gen Nacken, ließ ihn wieder vorschnellen und verpasste Hunter somit eine heftige Kopfnuss.

Dieser ging ohne einen weiteren Laut ebenfalls zu Boden und blieb regungslos liegen.

„Ist er tot?“, fragte Samantha und eilte zu Tommy rüber, um seine Fesseln zu lösen.

„So einen Dickkopf habe ich nun auch wieder nicht“, beschwerte er sich und drückte ihr einen eiligen Kuss auf die Schläfe.

„Verdammt! Ich kriege diese Scheißdinger einfach nicht auf!“, fluchte die junge Frau und riss ein paar Mal an der Kette, „kannst du dich nicht einfach verwandeln und sie sprengen?“

„Guck mal an die Decke, mein Schatz…“, murmelte Tommy, „im ganzen Raum hängen Sträuße mit Eisenhut. Hier verwandelt sich niemand.“

Plötzlich ertönte ein helles zynisches Lachen den Raum, Bücher und Glasgefäße wirbelten durch die Luft und Wilma erhob sich wieder zu ihrer vollen Große, stemmte die Hände in die Hüften und funkelte Tommy herausfordernd an.

„Sag das noch mal, du dummer Köter!“

Sie zog den Dolch, welcher im Moment noch in ihrem Oberschenkel steckte unter einem schmerzerfüllten Stöhnen heraus, streichelte sich einmal mit ihrer flachen Hand über die Wunde, welche sofort verheilte.

„Verdammte Hexe!“, fauchte Tommy sie wütend an.

Wilma kicherte und hielt Samantha erneut den Dolch entgegen.

„Ich werde dich kein weiteres Mal bitten. Oder soll ich ab jetzt deutlicher werden?“

„Aber ich dachte, dass wir beide uns gut verstehen würden! War das denn alles nur gespielt von dir?“, wollte Samantha wissen.

„Oh ich kann dich schon leiden. Du hast ordentlich Schwung in die ganze Sache gebracht, vor allem jetzt, wo du weißt, wie Hunters Familie ums Leben gekommen ist...das sollte eigentlich unser kleines Geheimnis bleiben, nicht wahr, Tommy?“

Samantha warf ihren Kopf zu dem Mann hinter sich herum und starrte ihn ungläubig an. Zu ihrer Überraschung sah dieser allerdings genauso verblüfft aus wie sie.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest…“, knurrte dieser.

„Ach ja...du warst damals noch sehr klein…“, erwiderte Wilma und tippte sich mit der Klingenspitze gegen den Kopf, „in meinem Alter hat man jegliches Zeitgefühl verloren, sorry.“

„Was heißt hier in deinem Alter?! Du bist kaum älter als zwanzig!“, beschwerte sich Samantha.

„Dankeschön“, strahlte ihr Gegenüber verzückt, „und nachdem ich endlich dein Herz gegessen habe werde ich auch viele weitere Jahre so aussehen!“

Samantha wich einen Schritt zurück, als Wilma lässig in ihre Richtung ging, den Dolch weiterhin auf sie gerichtet.

„Samantha, lauf!“, brummte Tommy und lehnte sich erneut gegen seine Ketten, „bring dich in Sicherheit!“

„Nein! Ich lass dich hier nicht alleine!“

„Oh mein Gott! Ihr beiden seid so süß, ich könnte KOTZEN!“, lachte Wilma und gab würgende Geräusche von sich, „wohin soll sie denn fliehen, Köter? Dein Wagen ist Schrott, schon vergessen?“

Die Wicca ging einen weiteren Schritt auf die beiden zu, Samantha stand mit ihrem Rücken mittlerweile direkt vor Tommy, würde er seinen Kopf nach unten senken…

Ja genau! Das war die Idee!

„Warte!“, rief Samantha eilig und blickte erneut zu Tommy auf, „beiß mich!“

Seine bernsteinfarbenen Augen weiteten sich ungläubig. Er blinzelte zwei, dreimal und verstand immer noch nicht.

„Wenn ich infiziert bin, dann wird sie mein Herz nicht mehr haben wollen!“

„Netter Versuch, aber es interessiert mich kein bisschen, ob du ein Werwolf bist oder nicht.“

Verdammte Scheiße, es hätte ja einmal so einfach sein können! Wilma war mittlerweile so nah gekommen, dass sie Hunters Körper neben sich liegen sehen konnte, sie stieß mit ihrem Stiefel gegen sein Bein, woraufhin der alte Mann angestrengt stöhnte.

„Komm schon, Hunter…reiß dich endlich mal zusammen!“, befahl die Wicca.

„Du sagtest, dass der Tod von seiner Familie unser Geheimnis sei“, brummte Tommy, „was hast du damit gemeint?“

Der alte Mann riss sein Augenlid auf und starrte die rothaarige herausfordernd an. Wilma verdrehte theatralisch die Augen, stöhnte genervt und kickte einen imaginären Stein weg.

„Also gut! Wenn ihr es alle so unbedingt wissen wollt!“, meinte sie und spielte gelangweilt mit ihrem Dolch, „ich kann euch am Ende ja doch alle umbringen!“

Samantha erkannte die junge Frau, welche sonst immer so hilfsbereit gewesen war nicht mehr. Was war in den letzten Stunden nur mit ihr passiert, dass sie sich dermaßen gewandelt hatte? Hunter zog sich ächzend an der Bahre hoch, hielt sich seine schmerzende Stirn.

„Vor mehr als hundertfünfzig Jahren war ich durch mein ständiges verwandeln in Tierwesen ziemlich am Ende meiner Kräfte angelangt, also schlug ich erst einmal hier in der Nähe mein Lager auf. Um meine Magie nicht zu verlieren und meine Jugend beizubehalten brauchte ich, je nach Verwandlung die Herzen junger Frauen. Habt ihr eine Ahnung, wie schwer es ist, an einem abgeschiedenen Ort wie diesem an solche Herzen zu kommen?! Wolfsburrow liegt mitten im Nirgendwo, es geschieht nur selten, dass sich mal jemand fremdes hierher verläuft, auf der anderen Seite allerdings fragt auch niemand großartig nach, sollte alle Jahre mal eine junge Frau verschwinden...es ist Fluch und Segen zugleich! Also musste ich all die Zeit immer ein bisschen nachhelfen.“

„HUNDERTFÜNFZIG?!“, rief Samantha ungläubig aus und schüttelte den Kopf, „sorry, aber das glaube ich dir nicht!“

„Nun ja...wie schon gesagt ich reinkarniere mich durch die Herzen junger Frauen immer selber. Es ist wie eine neue Batterie einzusetzen.“

„Moment mal! Soll das etwa heißen…“

Samantha hielt abrupt inne und schlug voller Entsetzen die Hände vor ihren Mund. Es machte plötzlich alles Sinn. Jedes Mal, wenn Wolfsburrow beinahe am Rande der Ausrottung gestanden hatte...das war alles Wilma gewesen!

„Das heftige Fieber...die Geistlichen…“

Wilma grinste breit und zeigte stolz mit dem Daumen auf sich: „Ganz genau! Das geht alles auf meine Rechnung. Die beiden Ereignisse sind allerdings nur die radikalsten, welche ich damals verursacht habe...die vielen kleinen sind ja nie aufgezeichnet worden.“

„Du MONSTER!“

„Oh bitte!“, erhob Wilma plötzlich verärgert ihre Stimme und fuchtelte wild mit dem Dolch herum, „sei ehrlich, Samantha! Wenn du an meiner Stelle gewesen wärst, hättest du genauso gehandelt! Für solch mächtige Kräfte ist dies nur ein geringes Opfer!“

„Niemals würde ich Menschen töten!“

„Das sagst du jetzt. Stell dir einfach mal vor, eine unbändige Macht fließt durch deinen Körper, mit der du machen kannst, was du willst! Niemand weißt dich in die Grenzen, niemand kann es mit dir aufnehmen!“

„...nur damit ich mich in Mäuse und schwarze Katzen verwandeln kann?!“, fragte Samantha skeptisch.

Hinter ihr klapperten Tommys Ketten, als sie ihm einen Blick zuwarf bemerkte sie, wie seine Kiefer mahlten und seine Augen die Wicca starr anblickten.

„Auf jeden Fall war ich vor zwanzig Jahren erneut ziemlich erschöpft“, fuhr Wilma schließlich fort, so als würden sie sich nicht gerade bei Vollmond in einem stickigen Folterkeller aufhalten, „ich brauchte ein Herz und das dringend.“

Sie warf Hunter einen wissenden Blick zu, der alte Mann erwiderte den ihren , sah dabei noch etwas verwirrt aus. Die rothaarige Frau zog einen theatralischen Schmollmund und beäugte erneut ihren schwarzen Dolch.

„Es kam mir einfach zu gelegen, dass deine Familie an genau diesem Tag ein Picknick im Wald machen wollte. Ich konnte nicht widerstehen! Ich lockte dich mit einem Tierschrei weg und griff dich an. Ja das war ich gewesen. Deine Tochter...es war so köstlich...ihr Herz...es schlug noch, als ich den ersten Bissen nahm. Nur zu dumm, dass ich von Tommys Eltern, den beiden Werwölfen bei meinem Festmahl unterbrochen wurde...“

Hunters Auge trat gewaltig hervor, als er endlich verstand, was Wilma ihm da gerade gestanden hatte. Er zog wortlos seinen Colt, spannte den Hahn und schoss auf sie, Wilma traf die Kugel genau zwischen die Augen, sie wurde nach hinten geschleudert und fiel zu Boden. Hunter blickte ihren leblosen Körper so hasserfüllt an, dass sogar Samantha das Blut in den Andern gefror.

„Samantha!“, flüsterte Tommy plötzlich und holte sie aus ihrer Trance zurück, „schnell, dass ist unsere Chance!“

Eilig machte sich die junge Frau erneut an seinen Handschellen zu schaffen, während Hunters schwerfälliges Atmen an ihre Ohren drang.

„Du Miststück“, spuckte der alte Mann auf Wilmas Leiche, „du hast mich Jagd auf völlig unschuldige machen lassen!“

„Diese Erkenntnis macht meine Eltern jetzt auch nicht mehr lebendig“, sagte Tommy so hart, dass Samantha in ihrem Tun innehielt.

Hunter wandte sich zu den beiden um, Samantha und Tommy erwiderten seinen Blick. Sein Gesicht war nun das eines alten gebrochenen Mannes, er ließ die Schultern hängen und warf den Colt beinahe schon gleichgültig auf die Bahre.

„Es tut...es tut mir so leid…“, schluchzte Hunter, „auch das mit dir, Samantha! Dieses hinterhältige Miststück versprach mir, dass ich meine ersehnte Rache bekommen würde, sobald ich dich nach Wolfsburrow gebracht hätte…“

„Bitte was? Was sagst du da? Es war also gar kein Zufall, dass du mich an jenem Abend gefunden hast?“

„Nein. Wilma klopfte an diesem Morgen an meine Tür und meinte, dass wir uns gegenseitig helfen könnten. Sie erklärte mir, dass sie in einer Vision eine junge Frau auf dem Pfad gesehen hätte, welche der Schlüssel zu meiner Rache sein würde. Und so kam es, dass ich dich gefunden und nach Wolfsburrow gebracht habe. Geduldig solle ich sein, sagte sie mir, dass ich immer ein wachsames Auge auf dich haben solle…“

Hunter ging auf die beiden zu, seine schweren Schritte schlurften über den staubigen Kellerboden. Automatisch stellte sich Samantha vor Tommy und breitete ihre Arme zum Schutz aus, hielt Hunters ausdruckslosen Blick tapfer stand. Doch dieser ignorierte die junge Frau völlig und sah Tommy in die Augen, als er knapp vor den beiden zum stehen gekommen war.

„...sie sagte mir, dass sich meine Beute schon sehr bald zeigen würde, dass Samantha lediglich der Köder sei...natürlich habe ich dich an ihrer Seite wahrgenommen, allerdings sah ich nur, dass ich zwei junge Menschen dabei beobachtete, wie sie sich verliebten. Das war nicht in meinem Interesse, also wollte ich in die Wälder fahren, um dort jagen zu gehen. Ich verteufelte Wilma schon, dass sie mich in die Irre geführt hatte. Doch dann...“

Tommys Kiefer mahlten kräftig aufeinander, seine Gesichtsmuskeln spannten sich an und er schüttelte seinen Kopf.

„Ich saß praktisch schon in meinem Wagen, als ich gestern Nacht deinen Schrei gehört habe. Und in diesem Moment fiel mir wieder ein, dass du deinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten bist…“

Hunter wandte sein Gesicht dem verwandelten Werwolfkopf an seiner Wand zu.

„Wilma versicherte mir, dass wenn ich Samantha ordentlich Angst machen würde, sie mich praktischerweise direkt zu dir führen würde. Also tat ich das auch.“

Hunter presste seine Lippen feste aufeinander, senkte den Kopf und schluchzte laut auf. Er hielt sich eine Hand vor den Mund gepresst, mit der anderen fasste er sich in die Tasche seines Ledermantels. Ohne Samantha richtig anzusehen hielt er plötzlich einen kleinen Schlüssel in die Luft, welchen sie zögernd annahm.

„Ich kann mich nicht oft genug bei euch beiden entschuldigen...macht, dass ihr hier verschwindet…“, murmelte der alte Mann und wandte sich von den beiden ab.
 

~*~
 

Samantha entfuhr ein schriller Schrei, als sie Wilma plötzlich breit grinsend vor Hunter stehen sah. Aus dem Einschuss floss Blut, sie verdrehte ihre Augen nach hinten, so dass nur noch das weiße zu sehen war und kurz darauf presste sich die Kugel aus der Wunde, diese fiel mit einem leisen „Klong“ zu Boden. Sie schloss mit einem entspannten Seufzer die Augen, ließ ihre Nackenmuskulatur knacken und als sie dann wieder ihre Lider öffnete leuchtete ihre Iris in einen kräftigen Rot. Noch bevor Hunter irgendwie reagieren konnte stieß sie ihm den schwarzen Dolch mitten ins Herz, drehte die Klinge mehrmals, bis der alte Mann leblos zu Boden ging.

„SAMANTHA!“, rief Tommy außer sich, „SCHNELL!“

Die junge Frau starrte immer noch völlig regungslos zu der Wicca, welche über Hunters Leiche stieg, ihren Dolch aus dessen Brust zog und sein Blut an ihrem Mantel abwischte. Diese Augen...diese leuchtend roten Augen…

„Du...du...bist…“

„Kannst du dich noch daran erinnern, dass du mich gefragt hast, in welche Tiere ich mich sonst noch so verwandeln könnte?“, fragte die rothaarige, beäugte die schwarze Klinge in ihrer Hand, dann Samanthas kreidebleiches Gesicht, „soll ich dir meinen allerbesten Trick zeigen?“

Hinter ihnen brüllte Tommy und zerrte an seinen Ketten dermaßen laut, dass es Samantha augenblicklich aus ihrer Starre löste. Sie schnellte herum, versuchte mit zittrigen Händen den kleinen Schlüssel in das noch kleinere Schloss der Handschellen zu stecken.

„Komm schon!“, fluchte die junge Frau außer sich.

Mit einem leisen klickenden Geräusch schaffte sie es dann endlich, sie drehte den Schlüssel und die erste Fessel sprang auf und gab Tommys rechten Arm frei. Doch bevor sie es mit dem zweiten Schloss gleichtun konnte wurde sie in eine dichte lilafarbene Wolke gehüllt, ihr Körper wurde von Tommy weggezogen und dann schwebte sie plötzlich knapp über den Kellerboden in der Luft.

„Hier spielt die Musik!“, hörte sie Wilmas Stimme, welche jetzt um einiges tiefer und bedrohlicher klang.

Samantha wurde in ihrer schwebenden Position langsam zu der Wicca herumgedreht, welche mit ihrer freien Hand geschmeidige Bewegungen ausführte. Erst als sich die Frauen erneut gegenseitig in die Augen sehen konnten ließ Wilma sie wieder zu Boden sinken, die lilafarbene Wolke entfernte sich gänzlich von Samanthas Körper und umhüllte nun die rothaarige Frau, welche ihrem Gegenüber ein letztes gehässiges Grinsen zuwarf, bevor ihr Gesicht in dem lilafarbenen Nebel völlig verschwand. Für wenige Sekunden konnte Samantha nur noch die roten Augen aus der Wolke heraus leuchten sehen.

Dann machte es Puff.

Samanthas Knie gaben augenblicklich nach, ihre Augen waren weit aufgerissen auf das gerichtet, was nun langsam aus der lilafarbenen Wolke gelaufen kam.
 

Es war das Tier mit den roten Augen…
 

Erst als die letzten Reste des farbigen Nebels verschwunden waren schüttelte es sein schwarzes Fell einmal kräftig durch, fletschte dann seine langen spitzen Zähne und setzte zum Sprung an. Wie durch ein Wunder reagierte Samanthas Körper völlig automatisch und sie rollte sich schnell zur Seite, stemmte sich wieder auf ihre Füße und suchte vergebens nach Hunters Colt. Das Tier mit den roten Augen rutschte wenige Zentimeter über den staubigen Boden, nachdem es auf diesem gelandet war und setzte erneut zum Angriff an, doch genau in diesem Moment löste sich Tommys zweite Handschelle und er stürzte sich wild knurrend auf Wilmas Tiergestalt. Er presste seine muskulösen Arme um ihre Kehle, versuchte sie durch sein Gewicht zu Boden zu drücken, doch das Tier mit den roten Augen warf ihn nach nur wenigen Versuchen erfolgreich von sich. Tommy rollte sich geschmeidig über den Boden, sprang auf und war mit nur einem Satz bei Samantha, welche immer noch heftig zitterte. Er packte sie wie einen Sack Getreide, warf sich die junge Frau mit Leichtigkeit über die Schulter und riss den Waffenschrank aus deiner Wandhalterung, bevor er ihn auf Wilma fallen ließ, welche in diesem Moment auf die beiden losgehen wollte. Ein lauter Knall, metallisches Klirren gelang an Samanthas Ohr, dann wurde sie durchgeschüttelt, während Tommy mit ihr über der Schulter aus dem Keller rannte.

Draußen war es tiefe Nacht, der kalte Wind drang endlich in ihre Lungen, vertrieb den stickigen Kellergestank. Samantha tätschelte Tommy nach kurzer Zeit auf die Schulter, er verstand und sprang einen letzten gewaltigen Satz, setzte sie nach seiner sicheren Landung vorsichtig auf dem kalten Waldboden ab und blickte ihr fürsorglich ins Gesicht. Sie hielt sich sofort die gepeinigten Rippen, wandte ihren schmerzverzerrten Gesichtsausdruck von ihrem Retter ab und holte tief Luft.

„Samantha…“, murmelte Tommy besorgt, „du musst dich verstecken!“

Behutsam legte er ihr eine Hand auf die Schulter und drückte ihren Körper sanft in das nächst größere Gebüsch. Während dessen durchfuhr es die junge Frau wie ein Stromschlag, sie fuhr herum und schlug seine Hand weg. Tommy blickte sie verwirrt und besorgt zugleich an, hielt jedoch in seiner Position inne, während seine bernsteinfarbenen Augen auf ihr ruhten. Als sie ihn aufgebracht an funkelte bedeutete er ihr mit dem Zeigefinger auf seinen Lippen, dass sie nicht wie sonst gleich losschreien sollte.

„Warum zum Teufel hast du gestern Abend und vorhin Jagd auf mich gemacht?!“, fauchte sie ihn leise an und stieß mit der flachen Hand gegen seine nackte Brust, „ich dachte dieses Lederarmband sei dafür da, dass du mich als eine von euch erkennst!“

„Ich habe dich nicht gejagt…“, erwiderte Tommy gelassen, doch dann schien er sich in ihre Situation zu versetzten, „okay, vielleicht habe ich das ein bisschen. Aber ich wollte dich nur vertreiben, damit du mir nicht im Weg stehen würdest, wenn ich gegen diese beiden Verrückten da kämpfe!“

„Verdammt noch mal, Tommy! Ich hab mir fast in die Hosen geschissen vor Angst!“

„Tut mir leid. Allerdings kann ich in meiner Wolfsform nicht mehr in der menschlichen Sprache kommunizieren.“

„Du hast dich sehr deutlich ausgedrückt, keine Sorge!“

„Tut mir leid!“, wiederholte er sich.

Die blickten sich für einige Sekunden wortlos an, dann machte Samantha einen Satz nach vorne und schlang ihre Arme um seinen nackten Oberkörper. Sie hatte große Mühe, ein Schluchzen zu unterdrücken, ihr Körper zitterte erneut, während Tommy ebenfalls seine Arme um sie schlang.

„Ich dachte schon, ich hätte dich verloren…“, flüsterte sie mit bebender Stimme.

Er presste seine Lippen auf ihren Scheitel und sog ihren Duft tief ein, dann schob er sie ein kleines Stück von sich und betrachtete sie forschend.

„Wie geht es euch?“, erkundigte er sich.

„Meine Rippen haben etwas abbekommen“, gestand sie.

„Ich meinte EUCH!“

Samantha hielt inne. Ach ja…

Sie legte behutsam eine flache Hand gegen ihren Unterleib und horchte in sich hinein.

„Bist du dir auch ganz sicher…?“, fragte sie ihn immer noch ungläubig.

„Samantha! Hast du wirklich immer noch Zweifel, nachdem, was du mittlerweile alles erlebt hast?“, brummte Tommy genervt.

Sie duckte sich unter seinem schroffen Tonfall, schüttelte allerdings mit dem Kopf. Sie hatte nach allem tatsächlich keinen Grund mehr an irgendetwas zu zweifeln.

„Was machen wir jetzt?“

„Zuerst bringe ich euch beide in Sicherheit. Dann kümmer ich mich um dieses Miststück von Hexe!“

„Sie war an allem Schuld...wegen ihr mussten Hunter und du so viel Schmerz ertragen…“

„Ich hatte dich darum gebeten, Abstand zu ihr zu halten“, erinnerte Tommy sie.

„Wahrscheinlich war sie auch daran Schuld, dass mein Leihwagen zum Liegen gekommen ist. Aber warum hat sie mich an jenem Tag im Wald noch nicht getötet? Niemand hätte es mitbekommen!“

„Hunter. Sie wollte mich aus dem Weg räumen. Wären wir beide uns nie begegnet…“

„Aber was hätte sie davon gehabt, wenn du nicht mehr am Leben wärst?“

„Ich bin der Alphawolf meines Rudels. Nur durch mich können neue Werwölfe gezeugt werden.“

„Wusstest du die ganze Zeit, dass sie das Tier mit den roten Augen ist?“

„Nein. Sie hatte zwar einen eigenartigen Geruch an sich, allerdings nie den einer derartigen Bestie.“

„Kannst du es auch wirklich mit ihr aufnehmen?“

„Samantha“, lächelte Tommy jetzt wieder fürsorglich und streichelte ihre Wange, „wenn nicht ich, wer dann?“

„Bitte pass auf dich auf…“

„Selbstverständlich. Schließlich will ich meine Kinder zusammen mit dir aufwachsen sehen!“

Durch Samanthas Körper zog sich ein angenehm süßer Schmerz, als sie an ihren Traum zurückdachte. Sie lächelte und nahm Tommys Hand, mit welcher er sie eben noch so sanft gestreichelt hatte und hielt sie fest in ihrer.

„Ich habe sogar schon Namen, welche dir sicherlich auch gefallen würden…“, flüsterte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihre Lippen zärtlich auf seine.

„Du kannst sie mir morgen früh verraten...zuerst muss ich mich noch um Wilma kümmern.“

Samantha blickte in die tief dunkle Nacht, welche sich vor ihnen erstreckte. Sie presste ihre Lippen aufeinander und schielte verlegen zu Tommy auf.

„Mir ist da gerade eine Idee gekommen, wie wir sie in eine Falle locken könnten, so wie sie es vorhin mit uns gemacht haben…“

„Wir?“, wiederholte Tommy und an seinem Tonfall erkannte sie, dass es ihm definitiv nicht gefallen würde.

Sie nickte und zog dann Hunters Colt aus dem Bund ihrer Hose.



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