Knutschfleck
Unruhig und mit einem undefinierbaren Gefühl in der Magengegend lang ein gewisser Russe im Gasthof "Zum Mondsee" in seinem Bett und versuchte seinen Blick an die karge Decke zu lenken. Er lag dort auf dem Rücken und wagte nicht sich auch nur einen Millimeter von der Stelle zu bewegen, lag doch direkt neben ihm ein ziemlich anziehender und gut aussehender Chinese. Er konnte seinen Blick einfach nicht von dem Schlafenden abwenden - wie so oft in dieser bisher recht schlaflosen Nacht. Da nützte es auch Schafe zählen nichts.
Resignierend seufzend gab Kai dieses unmögliche Vorhaben auf und beobachtete Rei im Schlaf. Dessen Brustkorb senkte und hob sich in regelmäßigen Abständen unter seinem Atem und sein Mund stand leicht offen, was dem ganzen einen verführerischen Touch verlieh... Kai seufzte erneut. So konnte er seinen Schlaf in dieser Nacht vergessen. Ein Glück hatte irgendwer irgendwann mal den Kaffee erfunden, denn sonst würde er wohl Morgen als wandelnde Leiche durch die Gegend rennen. Viel lieber würde er jetzt einfach noch einmal Reis weiche Lippen küssen wollen, als sich hier zu langweilen. Grausame Welt... Da hat man sich gegenseitig endlich die Liebe zu einander eingestanden und dann musste man eine ganze endlose Nacht auf die Fortsetzung der so lang ersehnten Zärtlichkeiten warten.
Aber Kai sollte diese schlaflose Nacht nicht ganz ungenutzt lassen - denn er kam auf eine Idee, die ihn zwar einige Überwindenden kosten, aber Rei sicher glücklich machen würde. Sein männlicher Stolz würde ihm diese Tat sicher übel nehmen, doch der machte doch eh nie viel Sinn, oder? Und so kam es, dass Kai Rei nach morgendlichen Kuschel- und Knutscheinheiten allein zum alltäglichen "rettet-noch-etwas-Essen-vor-Takao-wenn-ihr-nicht-verhungern-wollt-Szenario" schickte - denn dieser hatte etwas Wichtiges zu klären.
Nachdem Rei verwirrt gegangen war, schnappte Kai sich ein Telefon und schloss vorsorglich schon mal die Zimmertür ab, um ungebetene Gäste fernzuhalten. Schließlich sollte dies eine Überraschung werden - wenn es denn klappen sollte. Etwas über eine halbe Stunde später kam denn ein leicht gereizter, aber zufriedener Kai wieder aus dem Zimmer und begab sich zu den Anderen in den Wohnraum. Takao und Mizuhara waren damit beschäftigt eine Kissenschlacht mit dem Sofakissen zu veranstalten und Rei... Ja, wo war Rei? "Takao." Dieser drehte sich zu der Quelle des eisig gezischten Wortes um und bekam sogleich Mizuharas Kissen gegen den Hinterkopf. "Wo ist Rei?" Takao schluckte. Das klang unfreundlich... Ob Rei etwas ausgefressen hatte? Da Angesprochener wohl nicht vor hatte so schnell zu antworten, tat Kyōju das für ihn, der gerade aus der Küche kam. "Er ist im Dorf einkaufen gegangen. Frag mich nicht warum."
Kai seufzte. Dann musste er wohl noch länger auf die ersehnten Minuten Zweisamkeit mit seinem Rei warten. Mit etwas enttäuschtem Gesichtsausdruck machte sich der Russe wieder auf den Weg zurück in sein Zimmer. Ihm folgten drei verwirrte Augenpaare. "Was ist denn mit dem los?" Mizuhara ließ sich erschöpft von der Kissenschlacht auf seinen Allerwertesten fallen. Takao zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Man könnte meinen er ist enttäuscht, dass Rei nicht hier ist."
Derweil ging ein fröhlich vor sich hin pfeifender Chinese die kleine Einkaufspassage des Ortes entlang. Er hatte die Gelegenheit genutzt und suchte nun nach etwas, dass er Kai zu seinem Geburtstag schenken konnte. Vor einem Schaufenster blieb er dann auch abrupt stehen... Ein mehr als zufriedenes Lächeln legte sich auf seine Lippen. "Perfekt..."
Etwa eine halbe Stunde später saß Rei, wie Vortags schon einmal, wieder auf Kais Schoß. Die Tür war vorsichtshalber ein weiteres Mal abgeschlossen worden und das laute Gebrüll, der von Kai gerne als "Kleinkinder" bezeichneten Rest der Bladebreakers, wurde weitestgehend überhört. Kai war dabei jeden Millimeter auf Reis Hals mit Schmetterlingsküssen zu bedecken, während dieser seine Hände in den Haaren des Größeren vergraben hatte. Ein Lächeln schlich sich auf Reis Lippen, als er daran dachte, wie unwirklich diese Situation im Grunde genommen war... Die Wahrscheinlichkeit, dass Kai das gleiche fühlte wie er, war gleich Null gewesen und dennoch saßen sie jetzt hier und genossen, was sie gefunden hatten.
Obgleich sie sich erst tags zuvor ihre Gefühle gestanden hatten, waren sich beide schon sehr vertraut und weder Kai noch Rei konnten sich vorstellen, dass dies jemals anders gewesen war. Während Rei ein wenig seinen Gedanken nach hing, war Kai nicht ganz untätig gewesen, denn seine Hände hatten sich unter Reis Oberteil gestohlen, welcher kurz zusammen zuckte, war er doch recht überrascht. Doch schnell gewöhnte Rei sich an die ungewohnt sanften Berührungen des Russen und gab sich seinen Gefühlen hin. Kai, der seine Augen geschlossen hielt, seufzte und vergrub seinen Kopf in Reis Halsbeuge. Warum hatte er nicht früher gewusst, was er hier bis jetzt verpasst hatte?
Rei lehnte sich erneut nach vorne und gab Kai erst einen Kuss auf die Nasenspitze und danach einen federleichten auf den Mund. Doch das war Kai natürlich nicht genug und so legte er seine linke Hand sanft in Reis Nacken und zog diesen wieder zu sich herunter, um erneut seine Lippen auf die seinen zu legen. Fordernd fuhr er mit seiner Zunge über Reis Lippen, die sich sogleich bereitwillig öffneten. Ein leidenschaftliches Zungenspiel entstand und Kai konnte nicht anders, als sich mit Rei zurück auf sein Bett fallen zu lassen, auf dem er und Rei saßen.
Dieser lag nun auf ihm und genoss das Gefühl dem Russen so nah bei sich zu haben. Er konnte spüren wie Kais Bauch sich leicht hob und senkte und er konnte hören wie Kais Herz etwas schneller als normal klopfte als er seinen Kopf auf dessen Brust legte. In diesem Moment stand die Zeit kurzzeitig still... Eine Welle vollkommener Zufriedenheit durchströmte Reis Körper.
Doch auf einmal spürte er noch etwas, was Reis Kopf schlagartig knallrot anlaufen lies. Unsicher blickte dieser in Kais ebenso rotes Gesicht. Dieser konnte nur ein verschüchtertes "Sorry" von sich geben. Rei grinste ihn noch leicht unsicher entgegen. "Macht...doch...nichts."
Ein klopfen an der Tür lies die Beiden hoch schnellen, wobei Kais Kopf Bekanntschaft mit Reis machte. "Aua..." Rei rieb sich seine schmerzende Stirn, ebenso wie Kai. "Ich gehe mal an die Tür und du solltest im Bad verschwinden." Kai sah verwirrt zu Rei. "Wieso das denn?" Reis Blick wanderte viel sagend an Kai herunter und blieb an einer ganz bestimmten Stelle haften. Kai brachte nur ein beschämtes "Oh..." zustande und verschwand, wie ihm geraten wurde, im Badezimmer.
Als Rei die Tür öffnete standen Takao und Mizuhara dahinter.
"Wir wollten fragen wann es Abendbrot ... Äh, sag mal Rei woher hast du den Knutschfleck? Und warum siehst du so zerzaust aus?"