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SAKU - aijoo ni uete iru kodomo

Ein nach Liebe hungerndes Kind
von

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Lupus

Ein wenig schlurfend setzte Saku Schritt für Schritt seinen Weg zum Wald hinter

dem Haus fort. Die Tüten in seiner Hand raschelten leise vor sich hin. Saku

bahnte sich den Weg durch das lange Gestrüpp, da es keinen Fußweg in den Wald

hinein gab. Abgebrochene morsche Äste zerbrachen unter seinen Füßen und mit

seinem Kopf wich er behütet den begrünten Ästen der dicht gewachsenen Bäume

aus. Die Vögel im Wald fingen bei Saku's Anblick lauter zu zwitschern an.

Es klang zwar aufgeregt, aber nicht wie eine Warnung für die anderen Tiere,

sondern eher freudig und beglückt.

Saku schaute an den großen Bäumen hinauf, zu den Vögeln die auf den Ästen

saßen und lächelte ihnen zu. Etwas weiter entfernt, sah er ein paar kleine

Wildschweine zwischen den Bäumen her huschen, bis er auch ein größeres

entdeckte, was wohl die Mutter zu sein schien. Auch das Wildschwein entdeckte

Saku.

Ruhig blieb Saku stehen und schaute es weiterhin an. Das Wildschwein scheuchte

ihre Jungen zusammen und schaute dann noch einmal zu Saku rüber. Dann schaute

es Saku noch einmal etwas zornig an. Es schien etwas nervös. Doch dann nahm es

eine lockerere Haltung an und gab einen grunzenden Laut von sich. Saku lächelte

zurück.

Darauf verschwand das Wildschwein mit seinen Jungen weiter im Wald.

Saku schritt behutsam weiter, bis er an einen Hügel kam, auf dem sich ein alter

morscher Baum befand, dessen Wurzeln weit aus der Erde ragten und unter dem

Hügel einen Eingang zu einer kleinen Höhle boten.

Ein dumpfes Knurren hallte aus der dunklen Höhle, worauf Saku ein paar Meter

vor ihr stehen blieb.

Langsam und knurrend kam eine Gestalt mit aufgestelltem Fell ins Licht

geschlichen.

"Lupus, ich bin es!", flüsterte Saku bedacht.

Nun kam die erboste Gestalt weiter ins Licht und man konnte erkennen, dass es

ein Wolf war.

Sein Fell war silbergrau und seine gelb blauen Augen stachen hervor. Behutsam

hockte Saku sich hin und streckte dem Wolf langsam seine Hand entgegen.

Der Wolf schlich weiter an Saku heran und schnupperte nur zögerlich an dessen

Hand. Dann legte sich sein Fell wieder und ebenso stellte er sein Knurren ein.

>Dein Geruch ist anders!<, hörte Saku eine Stimme durch seinen Kopf flüstern.

Saku lächelte: "Tut mir Leid Kleiner. Daran hatte ich nicht gedacht. Ich rieche

wohl nach diesem Mädchen."

Während Saku die Tüten auspackte, hörte er wieder die gleiche Stimme, welche

vom Wolf ausging, in seinem Kopf flüstern: >Ein Mädchen?<

Saku legte dem Wolf das blutige Fleisch vor: "Sie ist neu in meiner Klasse und

hat es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, mir ständig nachzulaufen."

Der Wolf, genannt Lupus, legte sich hin und klemmte ein Stück Fleisch zwischen

seine Pfoten und riss mit seinen scharfen Zähnen ein Stück davon ab.

>Und du hast nichts dagegen?<, fragte der Wolf neugierig.

"Natürlich habe ich etwas dagegen! Aber bis jetzt hat nichts geholfen!",

entgegnete Saku dem Wolf. "Sie ist nicht davon abzubringen. Ich habe versucht

sie einfach zu ignorieren, aber es hilft nichts."

Mit einem leicht verzweifelten Blick hockte er sich auf den Boden.

"Kannst du sie nicht einfach auffressen?!", schlug Saku wenig ernst gemeint

vor.

Lupus grinste: >Nein danke, die bekommt mir sicher nicht gut.<

Beide kicherten sie.

Danach saßen sie eine Weile still nebeneinander. Der Wolf Lupus kaute auf dem

nächsten Stück Fleisch herum, während Saku Löcher in die Luft starrte.

Sie genossen beide die Stille der Natur. Die einzigen Laute, welche man hier

hören konnte, waren das Knarren der Äste, das Rascheln der Blätter und das

Gezwitscher der Vögel.

Und nun brach Saku wieder die Stille: "Letztens habe ich ein Rudel Wölfe in der

Nähe wahrnehmen können."

>Die sind doch schon vor Tagen weiter gezogen...<, antwortete Lupus recht

schnippisch.

"Warum bist du nicht mitgegangen?", fragte Saku nach einer längeren

Gedankenpause.

Der Wolf starrte Saku mit seinen bissigen Augen an. >Warum gliederst du dich

nicht endlich in eure Gesellschaft ein?<, entgegnete der Wolf nur.

Saku wich nun dem Blick des Wolfes aus und antwortete nicht.

>Machen wir uns nichts vor, wir sind ausgestoßene und haben uns damit zu

Einzelgängern entwickelt.<, meinte Lupus.

Dann verschlang er den letzten Bissen Fleisch und legte seinen Kopf zwischen

seine Pfoten.

Saku wandte seinen Blick wieder Lupus zu und seufzte daraufhin.

"Was ist nur mit uns beiden los…? Warum kommen wir uns immer so fehl am Platz

vor?"

>Und was wenn nicht wir verkehrt sind, sondern die Welt um uns herum?<,

entgegnete Lupus.

Saku schnaubte etwas erheitert und lies es dann in einem Seufzer ausklingen:

"Ja, klar! Wohl kaum…"

>Aber es scheint, als wolltest du dich doch so langsam in eine Gruppe

eingliedern, oder gehst du nicht mehr zum alten Bahnhof?<

"Ach, diese Idioten interessieren mich einen Scheißdreck!", schnaubte Saku.

>Warum bist du dann so oft dort gewesen? Du hattest kaum noch Zeit für

mich…<

"War wohl nur eine Laune… oder Neugierde… nenn es wie du es willst!"

>Dafür warst du aber sehr oft dort!<, stichelte der Wolf weiter.

Saku schaute verträumt durch die hin und her schwankenden dichten Äste in den

hellblauen Himmel.

Lupus brach die kurzfristige Stille: >Ich hatte das Gefühl, das dir die Leute

dort gut getan haben. Du bist stärker geworden!<

Saku fing an, sich zu erinnern, wie er dort hingelangt war.

"Es waren nicht diese Menschen, die mich gestärkt haben… nein, ganz sicher

nicht…", wisperte er leis'.
 

Plötzlich wurden Lupus und Saku von einem Schuss aufgeschreckt.

Saku stand auf und starrte in die Richtung aus der der Schuss gekommen war.

"Sie haben einen Hirsch erlegt.", stellte er trocken fest. "Noch klammert er

sich an seinem Leben fest, ich kann ihn hören…"

>Ja, ich weiß… Viele Menschen wünschen sich, die Gedanken anderer zu hören,

doch wissen sie gar nicht, was das für ein Fluch sein kann…<

"Hm!", gab Saku lediglich von sich.

"Ich mach mich wieder auf den Weg nach Hause. Ich komme dich bald wieder

besuchen!"

>Ich werde dich mit Freuden erwarten, wenn du wieder wie du selbst riechst!<

Saku lächelte Lupus freundlich an, streichelte ihm noch einmal über den Kopf

und machte sich dann auf den Rückweg.
 

Seine Gedanken schweiften wieder zu dem Tag, als er das erste Mal zum alten

Bahnhof gelangte.

Es musste schon ein oder zwei Jahre her gewesen sein. An dem Tag hatten Jens und Money

sich mal was Neues für ihn ausgedacht. Als Saku in der Pause ein ruhiges,

schattiges Plätzchen für sich auf dem Schulhof suchte, überrumpelte Hake ihn

und schleppte ihn zu Jens und Money. Sie standen vor einem Metallzaun und

hielten ein paar Stücke Draht in ihren Händen. Saku hatte es zu der Zeit

aufgegeben sich zu wehren. Es hatte ja doch keinen Zweck.

Einige Schüler waren schon ganz automatisch gefolgt.

Ohne groß mit Saku zu reden, banden Jens und Money Arme und Beine von Saku mit

den Drähten am Zaun fest, während Hake ihn festhielt, was nicht großartig

nötig war. Saku lies seinen Kopf hängen und schaute leblos auf den Boden.

Doch dann packte Jens ihn am Kinn und riss seinen Kopf hoch, während Money ein

großes Schild mit der Beschriftung "Nur jetzt und hier, einmal den Sohn einer

Hure schlagen!" ihm vor die Nase hielt.

"Na, das wird ein Spaß, oder?", sagte Jens und lies Saku's Kinn wieder los,

worauf Saku seinen Kopf wieder senkte.

Money hielt das Schild hoch und lief präsentierend damit herum. Doch noch ging

keiner der anderen Schüler darauf ein. Ein paar Minuten später ging ein

Schüler aus einer der unteren Klasse auf Saku zu und schlug ihm mit der Flachen

Hand auf den Kopf. Ein schallendes Gelächter folgte darauf.

Saku schaute nun doch hoch, um sich den Schüler zu betrachten, welche ihn

schäbig angrinste. Dann ging sein Blick in die Ferne, wo er einen der Lehrer

erblickte. Der Lehrer schaute kurz herüber, aber anstatt ihm zur Hilfe zu

eilen, schaute er weg und tat so, als hätte er nichts gesehen.

Mittlerweile hatten sich immer mehr Schüler um Saku herum gesammelt. Und einer

nach dem anderen wagte einen Tritt oder einen Schlag. Ein Mädchen packte sogar

eine Schere aus.

Saku sah das, aber er schien nicht großartig beängstigt.

Sie ging mit der Schere auf Saku zu. Die Meute verstummte, während Jens

grinste.

Sie hielt die Schere nah an Saku's Gesicht, doch schnappte sie sich dann eine

Strähne seiner zu der Zeit noch schulterlangen, verschnittenen Haare und

schnitt davon ein paar Zentimeter ab.

Jens schaute sie etwas enttäuscht an. Das Mädchen lies die Haare zu Boden

fallen und gab die Schere an einen anderen Schüler weiter. Dieser schnitt ein

Loch in Saku's Shirt und gab die Schere wiederum weiter. Bis zum Ende der Pause

ging dies so weiter.

Als es schellte, gingen die meisten Schüler auf das Schulgebäude zu, nur ein

paar wenige blieben noch kurz stehen und beschimpften ihn noch einmal.

Jens schlug ihm dann noch einmal kräftig ins Gesicht, worauf Money noch ein

Foto von Saku machte.

Dann machten sich auch diese auf den Weg in ihre Klassenräume und ließen Saku

einfach dort hängen.

Saku seufzte ein wenig erleichtert. Auch wenn er dort noch hang, war er

froh, dass die Erniedrigungen fürs erste vorbei waren. Er starrte auf den

Teerboden, wo immer wieder mal ein Tröpfchen Blut aus seiner Nase landete. Sein

Schädel brummte, doch nicht von den Schlägen, die er einstecken musste. Jedes

Mal, wenn ihn einer der Schüler berührte, indem er ihn Schlug, konnte er ihre

Gedanken hören. Er konnte nicht verstehen, wie solch junge Menschen, schon

solch hasserfüllte Herzen haben konnten.

Gerade hatte sein Nasenbluten aufgehört, nahm er Schritte wahr. Er hob zitternd

seinen Kopf an und erkannte den Lehrer wieder, welcher vorher noch weggeschaut

hatte.

Vorsichtig kam er Saku näher. Nach kurzer Zeit hob er seine Arme und wollte

gerade anfangen den Draht an einem von Saku's Handgelenken zu entfernen.

"NICHT ANFASSEN!", schrie Saku ihn aufzuckend an.

Der Lehrer schreckte beängstigt zurück. Dann atmete er einmal tief ein und

fing dennoch an, die Drähte zu entfernen. Doch dadurch konnte Saku seine

Gedanken ganz deutlich hören:

'Hoffentlich tut dieser Junge mir nichts… Wenn es nicht meine verdammte Pflicht

wäre, ihn hiervon zu befreien, würde ich ihn hier einfach hängen lassen.'

Als er den ersten Draht entfernt hatte, erblickte er die Wunde um Saku's

Handgelenk, die durch den Draht entstanden war, welcher sich in das Fleisch

geschnitten hatte. Doch kurz darauf schloss sich diese Wunde vor seinen Augen

und zurück blieben ein paar wenige getrocknete Blutflecken.

Die Augen des Lehrers weiteten sich. 'Dieser Junge stammt wirklich vom Teufel

ab!', konnte Saku aus den Gedanken des Lehrers wahrnehmen.

Ängstlich machte der Lehrer einen Schritt zurück.

Dann schrie er Saku verängstigt an: "Du hast nun eine Hand frei, befrei dich

gefälligst selbst!", und ging hastig zurück ins Schulgebäude.

Zitternd befreite Saku sich selbst von seinen Fesseln, schnappte sich seine

Tasche und verließ das Schulgelände.
 

In der nächstgelegenen U-Bahn-Station ließ er sich an einer Ecke nieder um zu

verschnaufen.

Die U-Bahn-Station war sehr leer um diese Zeit. Normalerweise stiegen hier nur

Schüler ein und aus.

Ein Schatten machte sich über Saku breit.

Dieser Schatten ging von einem jungen, blonden Mann aus, der Saku musterte.

Saku's Haare waren struppig und nun noch verschnittener als sonst, sein Gesicht

war dreckig mit ein paar getrockneten Blutflecken. Seine Kleidung war völlig

durchlöchert und einer seiner Schnürsenkel fehlte.

Der Mann kniete sich zu ihm herunter: "Meine Güte, was ist mit dir denn

passiert?", und lächelte Saku freundlich an.



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