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Kaibas Herz

Seto x Joey
von

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Unfall

Pairing: Seto Kaiba x Joey Wheeler (immer noch ... *g*)
 

Warnungen für diesen Teil: Kaiba ist fies, Joey, verplant - das übliche. ^^* Und vermutlich OOCness auf Mokubas Part - ich bin sicher ob ich ihn richtig schreiben kann - vermutlich mache ich ihn viel zu lieb. ^^* Ach ja - und das völlige Fehlen jeglicher Handlung! OO
 

Ich hätte es nicht gedacht - aber hier kommt der nächste Teil. ^^ Es werden vermutlich drei zusammenhängende Kapitel. Je nachdem, wie lange ich brauche um zum Punkt zu kommen.

Vielen Dank für eure Kommentare! *___* *freu freu* Ihr habt keine Vorstellung wie sehr das motiviert. ^___^
 


 

~ I'm so cool - too bad I'm a loser

I'm so smart - too bad I can't get anything figured out

I'm so brave - too bad I'm a baby

I'm so fly - that's probably why it

Feels just like I'm falling for the first time ... ~
 

(Barenaked Ladies "Falling for the first time")
 

***
 

Seit mindestens zehn Minuten starre ich finster und unentschlossen auf den kleinen, hellblauen Zettel in meiner Hand. Ich frage mich, wie lange es dauert, bis ich mit meinem intensiven Blick die ersten Löcher hinein gebrannt habe.

Aber so ausdauernd ich ihn auch anfunkle, es hilft alles nichts - ich weiß immer noch nicht, was ich draufschreiben soll. Ich meine, ich könnte es einfach lassen, ihm die blöde Zeitung in seinen quadratkilometergroßen Vorgarten pfeffern und weiterfahren. Dafür werde ich schließlich bezahlt. Und nicht dafür, dass ich kleine, neonfarbene Klebezettelchen voll kritzele.

Aber dann hätte ich das Gefühl, als ob ich vor ihm kneifen würde. Als ob es mir peinlich wäre, dass er mich gestern darauf angesprochen hat. Ist es aber nicht, klar? Denk nur nicht, dass ich Schiss vor dir habe, Kaiba! Hatte ich noch nie - und werde ich auch nie!
 

Außerdem nerve ich ihn einfach gerne mit meiner Anwesenheit. Immerhin ist es nicht normal und sicher nicht gesund, wenn man den ganzen Tag so unbewegt und emotionslos vor sich hinvegetiert, wie er das tut. Soll er sich ruhig schon vor dem Frühstück über mich ärgern, damit er nicht einrostet und mit siebzehn zu einem verbitterten, alten Mann mutiert. Genau. Ich tue das also nur für ihn - um ihn jung und knack ... ähm fit zu halten.
 

Nachdenklich kaue ich auf meinem Kugelschreiber herum. Eigentlich bin ich angepisst. Sogar ziemlich! Weil er sich gestern einfach so schnöde aus dem Staub gemacht hat, der Idiot, und mich ganz allein, inmitten des von uns einträchtig verursachten Chaos, stehen gelassen hat. Und sich für den Rest des Tages nicht mehr hat blicken lassen! Von wegen, er muss ganz dringend weg ... Ich wette, das war nichts als eine billige Ausrede.

Aber ich bin eben nur eigentlich angepisst. Ich sollte es sein und ich versuche es ja auch ... aber jedes Mal muss ich wieder an den Hund auf dem verdammten Kuchen denken.

Oh Gott. Ich werde weich. Aufgrund eines Hundes. Auf einem Kuchen. Auch das noch.
 

Auch wenn ich der Erste bin, der ausrastet, wenn er mich mal wieder mit einem Straßenköter vergleicht ... aus unerfindlichen Gründen bin ich mir fast sicher, dass es diesmal nicht als Beleidigung gemeint war. Kaiba würde sich nicht so eine Mühe machen, nur um jemanden zu beleidigen. Glaubt mir, das kann er effektiver, nachhaltiger und mit wesentlich weniger Aufwand anstellen, wenn ihm danach ist. ICH muss es wissen.

Also, fassen wir zusammen. Ich bin nervös. Ich bin angepisst. Ich bin gefühlsduselig wegen einem Hundekuchen. Ich bin verwirrt und es ist seine Schuld. Aber gestern war es schön - und das ist auch seine Schuld. Also, beginne ich jetzt mit ,Danke' oder mit ,Du Arsch'? Konflikte über Konflikte.
 

> Hi! < Guter Anfang. Ich nicke befriedigt.

> Du hast gestern wirklich eine wahnsinnig fetzige Mathestunde verpasst < schreibe ich schließlich. > Nein, Scherz. Alles war so langweilig wie immer. Außer, dass irgendjemand gefehlt hat, der mich in einer Tour beleidigt. Oh - das warst du. <
 

Na, bitte. Der perfekte Mittelweg zwischen ,Du bist so ein Idiot' und ,Zugegeben, es war irgendwie langweilig ohne dich'. Und da sage noch einer, nur Frauen wären subtil. Nicht einmal Tea hätte das besser hinkriegen können.

Es ist noch nicht einmal gelogen. Es IST irgendwie langweilig ohne ihn. Ich ertappe mich dann ständig dabei, wie ich irgendeinen frechen Spruch loslassen möchte ... aber dann drehe ich mich um und es ist niemand da, für den diese Beleidigung gedacht war.
 

Ich kritzele ein schwungvolles > Joey < darunter, pappe es mitten auf die Börsennachrichten und falte die Zeitung wieder ordentlich zusammen. Er kann es einfach nicht übersehen. Äußerst zufrieden mit mir selbst, stecke ich sie in den seltsamen Apparat, den Kaiba anstatt eines Briefkastens hat. Ein paar Zahlenkolonnen flackern auf, während die Zeitung methodisch durchgescannt wird. Ich steige in der Zeit auf mein Fahrrad, welches an den wuchtigen Gitterstäben seines Eingangstores lehnt und warte geduldig auf die Bestätigung.
 

"Vielen Dank für ihren Einwurf", ertönt eine metallische Stimme. "Es konnten keine gefährlichen Inhaltsstoffe entdeckt werden. Ihre Sendung wird unverzüglich weitergeleitet. Die Kaiba Corporation wünscht ihnen einen schönen Tag."
 

Es lebe die Paranoia. Na gut, wer kann es ihm verdenken, wenn er vorsichtig ist. Vermutlich wäre ich das auch, wenn ich so viele Leute kennen würde, die hinter meiner heiß geliebten Firma her wären. Oder hinter meinem noch inniger geliebten, kleinen Bruder.
 

Auf den Pedalen balancierend, stoße ich mich von den Gitterstäben ab und kurve mit einem Satz über den Bordstein auf die Straße. Die Straßen sind noch weitgehend leer, weil der Berufsverkehr noch nicht angefangen hat, und ich genieße den Luxus ungehindert in der Mitte der Straße fahren zu können. Obwohl es noch so früh ist, verspricht der leuchtendblaue Himmel über Domino jetzt schon, dass die Hitzeperiode der letzten Wochen heute weitergehen wird. Ein Tag, wie geschaffen dafür um die Schule einfach sausen zu lassen und sich faul im Park in die Sonne zu legen.
 

Also, wenn ich Kaiba wäre - soll heißen, stinkreich und mit einem so bösen Blick gesegnet - würde ich die Ausrede mit der Firmenkrise öfter dafür nutzen, um genau das zu tun. Er kann es sich doch leisten zu fehlen - außer gelangweilt ein paar Einser zu sammeln, macht er doch den lieben langen Tag nichts in der Schule.

Aber ich befürchte wirklich, dass er das Wort Freizeit nicht einmal buchstabieren kann. Mal ernsthaft - kann sich irgendjemand Kaiba in kurzen Hosen und einem Eis in der Hand im Freibad vorstellen? Wenn ich so darüber nachdenke, bezweifle ich sogar, dass er so etwas wie T-Shirts oder kurze Hosen besitzt. Ich habe ihn zumindest noch nie anders als hochgeschlossen erlebt. Schon als ich gestern einen ungehinderten Blick auf seine bloßen Handgelenke werfen durfte, kam mir das beinah so intim vor, als würde ich ihn nackt sehen. Kaiba verleiht dem Begriff ,zugeknöpft' eine ganz neue Dimension.
 

Während ich all diesen absurden Gedanken nachhänge, bin ich fortdauernd damit beschäftigt, zusammengerollte Zeitungen in die Vorgärten zu werfen und lässig um die wenigen Passanten herumzukurven, die um die Zeit schon unterwegs sind. Denken, Fahrrad fahren und Zeitungen austragen - alles auf einmal. Hey, ist das nicht toll, wie multitasking-fähig ich bin? Nicht wie Tristan, der es nicht mal schafft im Laufen eine Pizza zu essen. Ich bin gut. Und heute wird ein richtig schöner Tag - das habe ich im Gefühl.
 

Lasst euch eins gesagt sein und merkt es euch für die Zukunft - auf Gefühle ist kein Verlass.
 

Ich schieße um eine Kurve herum, direkt auf eine breite Kreuzung. Die Strassen sind immer noch leer, ich habe nur Sonne und Fahrtwind um mich herum und sekundenlang bin ich high und unaufmerksam von diesem berauschenden Gefühl. Was für ein Tag um zu schwänzen. Ich lege den Kopf zurück und genieße die Sonne auf meinem Gesicht. Bis ich Reifen quietschen höre und mein Herz bleibt stehen. Dramatisch, aber wahr!

Quietschende Reifen sind nie gut. Ganz und gar nicht gut. Scheinwerfer, die auf einen zurasen, sind noch schlechter ... Ich habe gar eine Zeit mehr, um Panik zu schieben. ,Verdammt, wo kommt das Auto her?!' ist das letzte, was ich denke. In einer Sekunde bin ich noch auf dem Fahrrad und in der nächsten ...
 

Es gibt gewisse Sätze, die man einfach nicht hören möchte in seinem Leben.
 

Dazu zählt so etwas wie: ,Ihre Versetzung ist ernsthaft gefährdet.' Höre ich fast jedes Jahr.

Der Klassiker: ,Lass uns doch Freunde bleiben.' Hat Tristan mal zum Weinen gebracht. Kein schöner Anblick.

Oder: ,Deine Mutter und ich lassen uns scheiden.' Seufz.

Nicht zu vergessen: ,Ist er schon drin?' Also, DEN habe ich zum Glück noch nie gehört.
 

Und dazu gehört mit Sicherheit der Satz: "Oh Gott, er ist TOT!"
 

In diesem Fall bezieht sich dieser grässliche Satz auf mich.

Hey, das ist nicht nett! Ich bin nicht tot. Denke ich ... Mir tut nur alles weh und ich habe sekundenlang keine Ahnung, was überhaupt passiert ist. Ich blinzele heftig. Der strahlendblaue Himmel dreht sich über mir wie ein Karussell und ich spüre den harten Asphalt unter meinem Kopf. Was ist los ...? Ich bin durcheinander. Es tut weh klar zu denken.
 

"Oh nein! Oh NEIN!" Etwas Schwarzes, Buschiges schiebt sich in mein Blickfeld. Es klingt definitiv hysterisch. Und ziemlich vertraut, wenn ich so darüber nachdenke. "Es ist JOEY! Es ist Joey und er ist TOT!"
 

Hey!! Ich bin NICHT tot! Ich ertappe mich dabei, wie ich auch schon anfange in Großbuchstaben zu denken. Ich bin vielleicht ein bisschen lädiert und angeschlagen, aber ich bin definitiv nicht tot. Angestrengt versuche ich irgendetwas Dementsprechendes von mir zu geben, aber ich kriege meine Stimmbänder nicht zum funktionieren. Mein ganzer Körper fühlt sich grade an, als ob er nicht wirklich zu gebrauchen wäre. Als ob bei mir alles ein bisschen in Zeitlupe und gedämpft ablaufen würde. Was zum Teufel ist passiert ...?
 

"Seto!" Seine Stimme überschlägt sich fast vor Panik und seine schwarzen Haare streifen über mein Gesicht, während er den Kopf zur Seite dreht und nach seinem großen Bruder brüllt. "SETO!!"
 

Ich versuche immer noch zusammenzupuzzeln, was hier überhaupt los ist, während Mokuba anfängt verzweifelt an meiner Schulter zu rütteln. Bitte Kleiner, lass das ... Das ist nicht hilfreich, um Ordnung in meine chaotischen Gedanken zu bringen. Auch wenn ich es irgendwie süß finde, dass ihm das so zu schaffen macht, dass ich tot bin. Moment, ich bin ja nicht tot.
 

"Mokuba." Ein Kribbeln läuft über meine angespannte Haut wie Ameisen. Diese Stimme kenne ich doch. Sein ruhiger Tonfall ist wie ein Kommando. "Hör auf ihn zu schütteln."
 

"Aber Seto ...", schnieft er. "Ich glaube, er ist ..."
 

"Er ist nicht tot." Und der Fachmann spricht. Zumindest gibt es ja böse Zungen, die behaupten, dass er ein Untoter ist. Vampir, oder so. Sein langer Mantel rauscht, als er neben mir niederkniet. Ich sehe es wie in Zeitlupe. Dunkles Violett - sehr stylish, Seto, wirklich.
 

"Joey?" Eine Hand legt sich um meinen Unterkiefer und zwingt meinen Kopf dazu, sich zu ihm zu drehen. Er geht nicht grade sanft mit mir um, aber es hilft meinen verschwommenen Blick auf ihn zu fokussieren. Ich blinzele ein paar Mal und blicke direkt in unendlich tiefes Blau ... Kaibas Augen. Er wartet freundlicherweise, bis meine Augäpfel endlich aufhören zu rotieren und in der Lage sind, ihn zu fixieren. "Verstehst du mich?"
 

Ich nicke brav.
 

"Was...", seine Stimme ist ein einziges dunkles, tiefes Knurren, " ... fällt dir ein, direkt vor meinen Ferrari zu fahren, du lebensmüder Vollidiot?"
 

Ferrari ...?

Oh ... verdammt! Es macht klick und schlagartig explodiert die verlangsamte Seifenblase, in der ich schwebe. Alles geht wieder in Echtzeit. Kreuzung ... Auto ... quietschende Bremsen ... scheiße! Scheiße! Die Straße war doch leer ... wo ist er auf einmal hergekommen? Hat er mir die Vorfahrt genommen, oder habe ich ihm die Vorfahrt genommen? Wieso lebe ich überhaupt noch? Und wieso bin ich so schnell gefahren ... ich hatte doch Zeit ... ich war doch einmal in meinem Leben pünktlich ... Was heißt hier überhaupt Ferrari?
 

"Mein Fahrrad!" Fassungslos setze ich mich auf. Panisch fliegt mein Kopf in alle Richtungen. Wo ...?
 

"Joey - du lebst!" Mokuba klingt begeistert. Schmale, rührende Kinderarme fliegen um meinen Nacken und er umarmt mich. "Ich dachte, wir hätten dich umgebracht!" Bevor ich ihm über den Rücken streicheln und irgendetwas Beruhigendes sagen kann, wird Mokuba aus meinen Armen entfernt. Unnachgiebige Hände drücken mich bestimmt zurück auf den Asphalt.

"Was machst du denn ...?!" fauche ich und versuche mich zu wehren. Aber gegen

Kaibas festen Griff habe ich nicht die geringste Chance.
 

"Halt still." Er klingt angepisst. "Bist du jetzt vollkommen verblödet? Bringt man kleinen Hunden heutzutage nicht mehr bei, dass sie nach rechts und links sehen müssen, wenn sie eine Straße überqueren?"
 

"Ich bin KEIN Hund!"
 

"Wieso musst du dauernd meinen Weg kreuzen?" Funkelnd sieht er mich an. "Läufst du mir nach? Was hast du überhaupt hier zu suchen?"
 

Hallo? Das darf nicht wahr sein! Der Arsch hat mich mit seinem AUTO angefahren! Und trotzdem führt er sich auf, als wäre das alles MEINE Schuld.

Oh ... das sind die Großbuchstaben wieder.
 

"Entschuldige bitte, ich arbeite hier! Was hast DU hier zu suchen?"
 

"Ich wohne hier!"
 

Ach, stimmt ja ... "Lass mich los!" knurre ich wütend. "Du hast kein Recht ...!"
 

"Oh doch, du Penner - ich habe jedes Recht!"
 

"Hast du nicht! Finger weg!"
 

"BLEIB. GEFÄLLIGST. LIEGEN!"
 

Mehr aus Überraschung als aus Gehorsamkeit halte ich endlich still und blicke zu ihm hoch. Langsam und mit zusammen gebissenen Zähnen atmet er aus. Oh man, klingt der geladen. Er hat mich noch nie so angefahren. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern.

Die Hände, mit denen er mich so unnachgiebig zu Boden drückt ... bilde ich mir das ein, oder zittern die ein wenig ...? Als ob die ganze Wut eben nur aufgesetzt war. Wer weiß - vielleicht war sie das. Nicht einmal Seto Kaiba überfährt jeden Tag jemanden.
 

"Ich liege doch schon. Ich bin total entspannt und liege hier nur rum - sieht man das nicht?" erwidere ich unwillig.
 

"Besser für dich." Er wirft Mokuba einen kurzen Blick zu. "Sieh nach, ob der Idiot irgendwo am Verbluten ist und es nur nicht mitbekommt, in Ordnung?"
 

"Alles klar." Der Kleine nickt eifrig.
 

"Hey! Hältst du mich für so blöde?" frage ich aufgebracht. "Ich würde doch merken ...!"
 

"Vielleicht stehst du unter Schock", erwidert er kurz angebunden. "In diesem Zustand kann man sogar Gliedmaßen verlieren und würde keine Schmerzen spüren."
 

Ich kann spüren, wie ich blass werde. "WAS?!"

Oh Gott ... Sollte mich das etwa entspannen? Wenn ja, ging das voll in die Hose. "MOKUBA! Sieh nach, ob noch alles dran ist! Fehlt da irgendwas?!" Meine Stimme klingt panisch. Kein Wunder. Vielleicht liegt da irgendwo ein Bein von mir auf der Strasse und ich merke es nicht einmal!
 

"Äh ... Seto ...?" Er klingt unsicher.
 

"Ignorier ihn einfach. Keine Sorge", sagt er zu mir. "Wenn du noch so viel Schwachsinn von dir geben kannst, kannst du nicht so schwer verletzt sein ..." Er betrachtet meine Augen mit fachmännischem Interesse. Unbehaglich versuche ich seinem intensiven Blick auszuweichen, aber die Hand unter meinem Kinn verhindert jede Bewegung. "Halt still."
 

"Tut mir ja leid, das sagen zu müssen - aber um mir tief und romantisch in die Augen zu sehen, ist das hier nicht die passende Gelegenheit." Er macht mich nervös. Macht er das mit Absicht?
 

"Idiot." Er verdreht die Augen. "Ich versuche festzustellen, ob du eine Gehirnerschütterung hast. Auch wenn es da nicht viel zu erschüttern gibt." Er hält mir eine Hand vors Gesicht und breitet ein paar seiner langen, schlanken Finger aus. "Wie viele Finger sind das?"
 

" ..." Ist das sein Ernst?
 

"Du kannst doch bis drei zählen, oder?" fragt er herablassend. Oh Gott. Es IST sein Ernst.
 

Wenn Blicke töten könnten, müsste man ihn jetzt wieder beleben - und ich würde es garantiert nicht tun! "Du mieser, fieser, arroganter ...!" Ich zappele unter ihm und mache Anstalten ihm eine reinzuhauen.
 

"Halt still." Seine Hände sind unerbittlich. Der Blick aus blauen Augen nagelt mich förmlich am Boden fest. "Wenn dein ohnehin schon sehr klein geratenes Hundehirn irgendwelche Schäden genommen hat, würde ich das gerne jetzt wissen", sagt er erstaunlich ruhig. "Also, sei jetzt ein braver Köter - und beantworte meine Fragen."
 

Falls er sich Sorgen um mich macht, kann er das wirklich verdammt gut verstecken. Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet, dass seine Hände eben am Zittern waren. Vermutlich hat er nur Bedenken, dass ich ihn auf Schmerzensgeld verklage.

Missmutig verdrehe ich die Augen und beschließe, ihm sämtliche potentielle Fragen vorwegzunehmen. "Du hast drei beschissene Finger hochgehalten. Mein vollständiger Name ist Joseph Jay Wheeler. Die Nummer meines Schließfaches in der Schule ist 1725. Meine Lieblingskarte ist der schwarze Rotaugendrache. Und ich komme grade zu spät zu Englisch. Da - zufrieden?"
 

"Ich bin zutiefst beeindruckt." Er trieft beinah vor Sarkasmus. "Kannst du auch Männchen machen und Stöckchen holen?"
 

Finster sehe ich ihn an. "Sorry, aber erste Hilfe von dir ist echt ... mies!"
 

» "Entspann dich!"

"Oha ... wird das Hündchen etwa dominant?"
 

"Falls ich jemals in einer lebensbedrohlichen Situation stecken sollte - lass es dir ja nicht einfallen mir erste Hilfe zu leisten! Ich überlebe ja viel, aber das garantiert nicht." «
 

Turnhalle. Kaiba. Sein Herzschlag unter meinen Fingern.
 

Das Wort Déjà-vu echot in Großbuchstaben in meinem Kopf herum. Es hat praktisch ein Baströckchen an und tanzt LaBamba, so aufdringlich ist es. Jetzt weiß ich, woher es kommt. Wir waren doch schon einmal in dieser Position ... er über mir und grade dabei, mir Erste Hilfe zu leisten. Nur diesmal ist es keine Übung. Und wir haben keine Lehrerin im Hintergrund, die lauthals Kommentare von sich gibt. Und er leistet mir nur Erste Hilfe, um mich damit zu demütigen. Wie praktisch, dass er das alles in einem Aufwasch erledigen kann.

Ich sehe ihn an. Diesmal ist es mein Herz, das schlägt. Ich kann es spüren. Er ist so nah. Ich habe mich die ganze Zeit so sehr über ihn aufgeregt, dass mir nicht einmal aufgefallen ist, wie nah er ist. Nun ja, wenn man mit dem potentiellen Verlust von ein paar Gliedmaßen konfrontiert wird, rückt alles andere ein wenig in den Hintergrund.
 

"Hättest du nicht korrekterweise meine Beine hochlegen oder meinen Puls fühlen müssen?" frage ich und bin überrascht wie unerwartet leise und verlegen es rauskommt. Ich mag es nicht unten zu liegen.
 

"Hast du mal wieder nicht aufgepasst?" Er sieht beinah amüsiert aus. Scheinbar hat er eben an dasselbe gedacht, denn er weiß sofort, wovon ich rede. "Das macht man nur, wenn jemand das Bewusstsein verloren hat. Aber dafür redest du definitiv zu viel ..." Eine Hand wandert hoch zu meinem Kinn und diesmal ist es beinah sanft, als er meinen Kopf so dreht, dass er mir direkt in die Augen sehen kann. "Sieht so aus, als hättest du Glück gehabt ..." sagt er leise. "Dein mickriges Gehirn hat vermutlich keine weiteren Schäden genommen."
 

"Hey, Doktor - was ist das denn für eine unwissenschaftliche Diagnose?" Ich kann nichts dafür, ich muss lächeln. Er sagt die fiesesten Dinge - und gleichzeitig geht er grade so nett mit mir um ...

Doktorspielchen mit Seto Kaiba - dieser Tag fängt ja gut an.
 

Ich frage mich ... ich frage mich ernsthaft ... wenn ich meine Finger jetzt, in diesem Moment, an seiner Kehle hätte - ob ich seinen Herzschlag wieder spüren könnte. Und ob es schneller schlagen würde als sonst ... ob er vielleicht sekundenlang Angst um mich gehabt hat.

Sein Puls ist vielleicht das einzige, was ihn verrät. Was verrät, ob er wirklich so unberührt von allem ist, wie er immer tut. Aber Seto Kaiba gegen seinen Willen anzufassen, ist ein wenig lebensmüder als ich grade drauf bin.

Wer weiß ... vielleicht haben wir irgendwann ja noch einmal Erste Hilfe im Sportunterricht.
 

"Seto ...?" Mokubas Stimme unterbricht diesen ... Moment. "Er blutet."
 

Er klingt nicht so panisch, als ob mein kompletter Fuß abgerissen wäre, von daher mache ich mir keine Gedanken. Ich habe in meinem Leben schon ziemlich oft geblutet. Das bringt das Leben in einem Ghetto so mit sich. Und das Leben mit meinem Vater.

Was mich viel mehr überrascht ist Kaibas Reaktion auf diese einfachen Worte. Er wird blass. Okay, er hat auch so eine ziemlich helle Haut, aber ich kann es trotzdem sehen. Und seine Hand verkrallt sich wie unbewusst in dem Stoff meines T-Shirts, wie ich überrascht feststellen muss.
 

"Wo?" Er dreht sich nicht um. Sein ganzer Körper ist plötzlich angespannt. "Ist es schlimm?"
 

"Nein", Mokuba klingt beruhigend. "Nur eine Schürfwunde. Am Knie."
 

"Gut." Beinah unmerklich atmet er aus. Ich betrachte ihn interessiert. Die leicht geweiteten Augen. Seine Hand in meinem T-Shirt. Er sieht grade so ... erschrocken aus. Unmaskiert. Beinah menschlich. Es dauert einen Moment, bis er meinen Blick bemerkt. Sofort verwandelt sich sein Gesicht wieder in eine unlesbare Maske, und abrupt lässt er mich los. Was ... war das denn?
 

"Sieh zu, dass du aufstehen kannst", befiehlt er knapp und erhebt sich in einer steifen, eiligen Bewegung. Die Intimität des Augenblicks ist schlagartig vorbei. Er wirkt, als könnte er plötzlich nicht schnell genug von mir wegkommen.
 

"Was ist mit ihm los?" Verwirrt sehe ich Mokuba an. Der Kleine lächelt sonnig und streckt mir eine Hand hin, um mir aufzuhelfen. Angesichts der Tatsache, dass er mir grade mal bis zur Taille reicht, ist das eher kontraproduktiv als hilfreich, aber ich nehme sie trotzdem an.
 

"Seto kann kein Blut sehen."
 

Ich starre ihn an und halte mitten in der Bewegung inne. "Nicht dein Ernst ...?"
 

"Doch." Er nickt. "Ihm wird sofort schlecht und ..."
 

"Genug jetzt!" Ein tiefes, finsteres Grollen unterbricht ihn. Kaiba steht über uns und wirft uns einen eiskalten Blick zu - direkt aus der Tiefkühltruhe der Verdammnis. "Los - steig in den Wagen, Mokuba. Wir haben keine Zeit um hier herumzutrödeln!"
 

Mokuba nickt brav und schenkt ihm einen reumütigen, liebevollen Blick aus überdimensionalen, dunklen Hundeaugen. Es scheint zu wirken, denn Kaiba räuspert sich und blickt errötend zur Seite. Kurz und verlegen fährt er ihm über die Haare, beinah als wollte er sich entschuldigen, dass er ihn grade so angefahren hat. "Steig ein", wiederholt er ein wenig sanfter.
 

Apropos fahren ...! Mein Fahrrad! Hastig drehe ich mich um. Vielleicht habe ich Glück und es ist genauso unbeschadet aus dem Zusammenstoß hervorgegangen wie ich. Vielleicht ... vielleicht ...

Meine Augen weiten sich entsetzt und mir bleibt unwillkürlich die Luft weg. "Oh ... fuck!" hauche ich voller Inbrunst.
 

"Was erwartest du?" Ich höre, wie er die Autotür aufmacht. "Das hättest du sein können."
 

Einzelne Zeitungen, die ich noch nicht ausgetragen habe, liegen verstreut auf der Straße herum. Die Seiten flattern in dem leichten Wind. Ich sehe von dem Haufen Schrott am Rande des Bordsteins hoch zu ihm. Und wieder zurück. Kaiba. Schrotthaufen. Kaiba. Schrotthaufen. Wie in Trance. Oh nein ... oh nein ... oh ... nein ... Also, wenn ich eben einen Schock hatte - will ich nicht wissen, was das jetzt für ein Zustand ist.

Dieser Schrotthaufen ... das ist ... Korrektur, das WAR ... mein Fahrrad ...

Das ist nicht irgendein Fahrrad. Das ist MEIN Fahrrad. Es war ein Geschenk von meinem Vater... zu meinem vierzehnten Geburtstag. Okay, ich habe es bezahlt ... und vor die Haustür gestellt - aber ... es war trotzdem so was wie ein Geschenk. Mein erstes selbst verdientes Geld. Ich habe Monate dafür bei ,Dinos Pizza' geschuftet. Fettige Backöfen geschrubbt bis ich dachte, ich würde nie wieder Pizza essen können. Und wie oft haben Tristan und ich es schon repariert. Erst gestern Abend haben wir gemeinsam die verdammte Kette gewechselt ...
 

Das Geräusch des startenden Motors reißt mich aus meiner Erstarrung. Ich fahre herum.

Das darf nicht wahr sein ...! Dieser Arsch will sich einfach aus dem Staub machen und mich hier stehen lassen. Oh nein! So nicht! Vergiss es, Junge!
 

"STOPP!"

Mit ausgebreiteten Armen werfe ich mich direkt vor seine Kühlerhaube, angepisst bis zum geht nicht mehr. Er wird mich ja wohl nicht zweimal an einem Tag überfahren. Mein Knie schmerzt, als ich es bewege, aber sonst scheint noch alles heil zu sein.

Seine Scheiben sind verspiegelt, so dass ich nicht in das Innere des Wagens sehen kann. Also funkele ich einfach wütend die Stelle an, wo das Steuer sein müsste. "Wag es ja nicht, jetzt einfach abzuhauen, Kaiba!"
 

Es surrt leise, als er das Seitenfenster hinunterfährt. "Aus dem Weg, du Penner. Ich bin spät dran."
 

"VERGISS ES! Das hättest du wohl gerne!" Angepisst deute ich auf den Schrotthaufen neben mir. "Du hast mein Fahrrad verschrottet! Du hättest beinah MICH verschrottet! Denk ja nicht, dass du dich jetzt so einfach aus dem Staub machen kannst!"
 

"Darf ich dich daran erinnern, wessen Schuld das ist? Mach mich nicht dafür verantwortlich, nur weil du blind und taub, und offensichtlich mit einem Spatzenhirn gesegnet bist."
 

Scheiße ... ich kann mich echt nicht mehr erinnern, wer hier wem die Vorfahrt genommen hat - dazu ist das alles viel zu schnell gegangen. Trotzdem - so leicht kommt er mir nicht davon! Ich meine - hey, ich hätte ein paar Beine verlieren können! Mindestens ... zwei!
 

"Los. Geh mir aus dem Weg, wenn du nichts Produktives mehr zu sagen hast."
 

"Oh DOCH, und wie ich etwas zu sagen habe!" Nachdrücklich stemme ich beide Hände auf die silberfarbene Kühlerhaube. "Oh, ich sollte dich dafür verklagen, du Idiot, wegen ... Körperverletzung! Psychoterror! Und totaler, gemeiner ... Fiesheit!"
 

Die Fahrertür wird geöffnet und langsam steigt er aus. Lehnt lässig und arrogant zwischen Tür und Auto und sieht mich finster an. "Da bin ich aber gespannt. Als ob du dir einen Anwalt leisten könntest."
 

"Hey!" Grrrr. Wie ich es hasse, wenn er einen auf sarkastisch, herablassend und "Ich-bin-ja-so-viel-toller-als-du" macht! "Jetzt hör mal zu - du KANNST mich nicht einfach frontal erwischen und beinah platt fahren und dich dann aus dem Staub machen, als ob nichts ...!"
 

"Nein. Jetzt hörst DU mir zu, Kleiner", knurrt er. Seine Augen sind schmal und düster. "Ich habe dich nicht frontal erwischt - sonst wärst du jetzt nicht mehr in der Lage, mir meine kostbare Zeit mit deinem niveaulosen Gelaber zu stehlen! Ich habe dich lediglich gestreift - was du im Übrigen nur meinem überdurchschnittlichen Reaktionsvermögen zu verdanken hast! - und dass dabei nur deine primitive Schrottmühle unter die Räder gekommen ist und nicht DU, solltest du als absolutes Glück betrachten!"
 

"Seto ...!" Die Beifahrertür öffnet sich und Mokuba springt heraus. Nervös blickt er zwischen uns hin und her. Sein bittender Blick landet schließlich auf mir. "Joey, er meint es nicht so. Sei ihm nicht böse. Er wollte dich bestimmt nicht anfahren und das mit dem Fahrrad tut uns sehr leid."
 

"Ja, sicher ..." Kaiba klingt mehr als sarkastisch.
 

Mokuba sieht ihn bittend an, auch wenn die nächsten Worte an mich gerichtet sind. "Wir nehmen dich auch mit zur Schule - nicht wahr, Seto?"
 

"Was?!"
 

"Bitte! Er ist doch verletzt." Und schon wieder werden seine großen, schimmernden Kulleraugen als absolute Geheimwaffe eingesetzt.

Kaiba schafft es ganze 43 Sekunden lang ihnen stand zu halten, aber schließlich seufzt er Schicksalsergeben und nickt. Irgendwann muss ich Mokuba bitten mir diesen Blick beizubringen. Oder Yugi. Der kann auch so gucken, dass es Butter zum Schmelzen bringt.
 

"Hmpf." Abwehrend verschränke ich die Arme. Eigentlich bin ich zu stolz, um mir von ihm etwas schenken zu lassen. Aber auf dieses Angebot sollte ich vielleicht wirklich zurückkommen ... Unser Englischunterricht hat vor zehn Minuten angefangen. Außerdem bin ich noch lange nicht fertig mit dem, was ich ihm noch alles an den Kopf werfen will. Und ich fühle mich wirklich ein bisschen lädiert. Auch wenn ich ihm das nicht unbedingt erzählen würde.
 

"Was ist?" Er wirft mir einen finsteren Blick zu. "Dieses Angebot steht noch genau zehn Sekunden. Wenn du dann nicht im Auto sitzt, sind wir weg."
 

Funkelnd sehe ich ihn an, aber beschließe alle weiteren Argumente zu verschieben, bis wir am Fahren sind. Mokuba blickt abwartend zwischen ihm und mir hin und her. Schließlich lässt er, nach kurzem Überlegen, die Beifahrertür für mich offen und krabbelt freiwillig auf einen Rücksitz. Kaiba betrachtet es mit Missfallen.
 

"Schnall dich an", sagt er zu Mokuba. Und zu mir: "Mach die Polster nicht dreckig. Verlier keine Hundehaare. Und behalt deine Pfoten bei dir." Er wirft mir einen scharfen Blick zu, bevor er den Schlüssel umdreht und den Motor anwirft. Das Auto ist so edel und teuer, dass es beinah lautlos anspringt. Ich ignoriere seine geballte Ladung an Beleidigungen.
 

"Was ist mit meinem Fahrrad?" frage ich stattdessen nachdrücklich und deute nach draußen. "Das kann nicht einfach da liegen bleiben!"
 

"Ach nein?"
 

"Nein!"
 

"Du hörst nicht auf zu winseln, bis das erledigt ist, sehe ich das richtig?"
 

"Ja!"
 

Genervt verdreht er die Augen. Mit einer Hand schaltet er einen Gang höher, mit der anderen greift er nach dem Kragen seines langen, dunkelvioletten Mantels. Es knistert leise, als das Intercom verbindet.
 

"Roland?"
 

"Ja, Sir?" ertönt es.
 

"An der Ecke Dreiundvierzigste und Domino Street liegt ein ... Subjekt auf der Straße. Es könnte eventuell den Verkehr behindern. Sorgen sie dafür, dass es entfernt wird."
 

"Nein!" sofort mische ich mich ein. "Nicht entfernt! Es soll zu mir nachhause! Vielleicht kann man es noch ... reparieren?"
 

Der Blick, den er mir zuwirft, spricht Bände. "Daraus kann man höchstens noch eine avantgardistische Blumenvase machen", zischt er leise. Trotzdem sagt er: "Sorgen sie dafür, dass es in den westlichen Distrikt transportiert wird. Yumimostraße 93. Möglichst schnell."
 

"Jawohl, Sir. Wird sofort erledigt."
 

"Danke."
 

Ich starre ihn an. Sein Blick ist unbewegt auf die Strasse gerichtet.

"Hey, Moment ...! Wieso weißt du, wo ich wohne?!" Sollte mich das beunruhigen? Wieso weiß er das? Wieso weiß ich nicht, dass er es weiß?
 

Ein weiterer Gang wird hoch geschaltet. "Ich bin allwissend."
 

"Denk doch mal nach, Joey", ertönt es von dem Rücksitz. "Wir haben Dateien über jeden Duellanten, der bei dem ,Battle City Turnier' teilgenommen hat. Auch sonst über alle, die schon einmal gegen meinen Bruder angetreten sind."
 

Stimmt ... daran kann ich mich erinnern. An diese dämliche Datei, wo Kaiba meine Punkte soweit nach unten gesetzt hatte, dass ich beinah nicht hätte teilnehmen dürfen. Tz. Der hatte doch nur Angst vor der Herausforderung.

"Aber allein ,Battle City' - das waren doch Hunderte!" Ich werfe Kaiba einen fragenden Seitenblick zu, aber er sieht mich nicht einmal an. Schon wieder ist es Mokuba, der antwortet.
 

"Mag sein." Ich kann an seiner Stimme hören, wie breit er grade grinst. "Aber nur eine einzige Datei hat keinen Zahlencode, sondern heißt ,Hündchen'".
 

"WAS?!" Mein Kopf fliegt nach hinten und ich starre ihn perplex an.
 

"Mokuba." Es klingt scharf und äußerst nachdrücklich.
 

"Entschuldigung. Ich meine - sie heißt ,Köter'", korrigiert Mokuba sich mit einem engelsgleichen Lächeln. Er lehnt sich nach vorne. "Wie geht es deinem Knie, Joey?"
 

Na, was für ein dezenter Themenwechsel. Ich sehe zwischen ihm und seinem unnahbaren, großen Bruder hin und her, aber keiner von beiden scheint bereit zu sein, noch irgendetwas preiszugeben. Seufzend ziehe ich ein Bein an und stütze meinen Turnschuh auf dem edlen Armaturenbrett ab. Die Hose ist am Knie aufgerissen, wie ich zur Kenntnis nehme, als ich sie vorsichtig nach oben rolle. Allgemein sieht meine Schuluniform nicht mehr wirklich einwandfrei aus. Ich spare eigentlich grade für ein paar neue Karten für mein Deck, aber so wie es aussieht, wird mein gesamtes Erspartes für eine neue Uniform draufgehen. Yeah ...
 

"Ist okay", sage ich, nach einem kurzen, prüfenden Blick auf mein lädiertes Knie. Es brennt ein wenig, aber es hat schon auf gehört zu bluten. Ein Pflaster drauf und damit war es das. Vermutlich habe ich echt verdammt viel Glück gehabt ... wenn ich an mein Fahrrad denke ...
 

"Nimm deine Schuhe da runter", befiehlt Kaiba. "Oder ich werfe dich raus und du darfst den Rest zu Fuß gehen!"
 

Dabei fällt mir ein, dass ich ja immer noch mächtig angefressen bin auf ihn - ob die verdammte Datei über mich nun ,Hündchen' heißt, oder nicht!
 

"Hey!" knurre ich und lasse meine Füße genau da, wo sie sind. "Denk nicht, dass die Sache schon erledigt ist! Ich will immer noch ein neues Fahrrad von dir!"
 

"Ach was."
 

"Ja, man! Du hast es immerhin verschrottet!" Das ist nicht das einzig Schlimme an der Sache. Ich werde meinen Job verlieren ohne irgendein Fortbewegungsmittel. Sonst brauche ich ja jedes Mal drei Stunden bis ich alle Zeitungen ausgetragen habe. Ohne Fahrrad, kein Job. Ohne Job, kein Geld. Ohne Geld, kein neues Fahrrad! Seht ihr, in welcher Klemme ich stecke?
 

"Du solltest lieber froh sein, dass ich keinen Schadensersatz von DIR verlange."
 

"Bitte ...?" Ich glaube, mein Schwein pfeift. "Wofür denn?!"
 

"Du hast eine Schramme in meinen neuen Ferrari gemacht."
 

"Habe ich nicht!"
 

"Das entspricht einem Wertverlust von mindestens zehn Prozent", fährt er ungerührt fort. "Willst du, dass ich die 50.000 Dollar von dir einklage?"
 

"WAS?!" Mit großen Augen starre ich ihn an. "Der Schlitten hat 500.000 gekostet?!" Langsam und ehrfürchtig entferne ich meinen Schuh von seinem Armaturenbrett und nehme zum ersten Mal den ganzen High-Tech-Bedienungskram zur Kenntnis. Vermutlich ist das irgendeine Spezialanfertigung mit tausend überflüssigen Extras und Raketenantrieb.
 

Er fährt mit quietschenden Reifen an den Rand und sekundenlang denke ich, dass er die Drohung von eben jetzt doch wahr macht und mich raus wirft. Aber dann sehe ich, dass wir nur angehalten haben, weil wir vor Mokubas Schule stehen.
 

"Danke fürs Fahren, Seto." Mokuba quetscht seinen schmalen Körper am Sitz vorbei und umarmt seinen Bruder liebevoll von hinten. "Arbeite nicht so lange."
 

"Hn." Kaiba wirft mir einen scharfen, warnenden Blick zu, der deutlicher als Worte sagt ,Ein Spruch und du bist tot.' Also bin ich so höflich und gucke dezent zur anderen Seite. Mein Gesicht brennt. Ich weiß nicht genau wieso, aber ich kann es in der Spiegelung der Fensterschreibe sehen.

"Roland wird dich nachher abholen", höre ich seine leise Stimme zu Mokuba gewandt.
 

"Sollen wir mit dem Essen auf dich warten?"
 

"Nein. Es wird spät."
 

"Aber Seto ..."
 

Ich versuche wirklich nicht zu zuhören, aber es ist schwer. Ich fühle mich wie ein ungebetener Eindringling, denn das ist so ein privater ,Kaiba-Moment', der nicht für die Augen anderer Menschen bestimmt ist. Es ist immer wieder seltsam zu sehen, wie liebevoll er mit seinem kleinen Bruder umgehen kann. Als ob er in solchen Augenblicken ein komplett anderer Mensch ist, den ich nicht kenne.

Es ist beinah rührend ... was soll ich sagen, ich bin eben sehr empfänglich für schöne Geschwistermomente. Langsam gelingt es mir, ihre leisen, gemurmelten Stimmen auszublenden.

Und irgendwo ... ganz tief drin ... beneide ich Mokuba vielleicht ein wenig, dass er der Einzige ist, der Kaiba von dieser Seite erleben darf.
 

"Auf Wiedersehen!" Ich höre wie die hintere Autotür zufällt. Mokuba winkt uns von draußen zu. Ich winke zurück. Kaiba wartet, bis sein Bruder hinter den Eingangstoren verschwunden ist, dann startet er den Motor.

Wir sind allein in seinem Wagen. Das plötzliche Schweigen zwischen uns ist beinah erschlagend.

Unbehaglich rutschte ich auf dem teuren Ledersitz hin und her. Ich werfe ihm einen kurzen, scheuen Seitenblick zu, aber er hat mir sein makelloses, abweisendes Profil zugewandt und sieht nach vorne.
 

"Du ... ähm ... gehst heute also gar nicht zur Schule?" frage ich schließlich.
 

"Sehe ich so aus?"
 

"... nein?"

Er arbeitet wirklich viel im Moment. Zumindest nach dem, was ich so mitbekomme. Eigentlich ist er fast nur noch zu den Klausuren da. Ich frage mich, ob er einfach keine Lust auf Schule hat ... oder ob die Kaiba Corp. in irgendwelchen Schwierigkeiten steckt. In der Presse stand nichts - ich weiß es, immerhin sitze ich ja an der Quelle. Aber das heißt natürlich nicht viel. Kaiba kontrolliert so ziemlich sämtliche öffentlichen Medien in Domino.
 

Es sind nur drei Querstraßen zwischen der Grundschule und Domino High, deswegen geht es ziemlich schnell, dass er erneut anhält und rechts an den Rand fährt. Vielleicht zu schnell. Ich habe ihn immer noch nicht dazu gebracht, dass er mir ein neues Fahrrad bezahlt. Ich habe immer noch nicht alles gesagt, was ich sagen wollte ... Was auch immer das war.

Der Schulhof ist natürlich schon wieder komplett leer, weil der Unterricht schon längst begonnen hat.
 

Er wirft einen kurzen Blick darauf und sieht dann wieder nach vorne. "Sieht aus, als wärst du trotzdem zu spät."
 

"Ja." Ich seufze. "Also, dieses Schuljahr habe ich wirklich gar kein Glück ..." Angefahren, in einen Teich gefallen, beinah eine Treppe hinuntergefallen ... wieso passiert so was immer nur mir? Und wieso passiert mir das besonders oft in Kaibas Gegenwart? Er muss mich echt für einen Trottel halten.

Ich greife nach meinem Rucksack und öffne langsam die Autotür. "Ähm ... also ... danke ... fürs Fahren ...", murmele ich unsicher. Ist es angemessen sich bei jemandem zu bedanken, der einen grade angefahren hat?
 

Er wartet, bis ich ausgestiegen bin. "Hey ... Joey?"
 

"Ja?" Abwartend und mit idiotisch klopfendem Herzen stehe ich in der Autotür.
 

"Pass ... nächstens besser auf." Er sieht mich nicht an. "Der nächste, dem du vors Auto fällst, reagiert vielleicht nicht so schnell ..."
 

In dieser Sekunde denke ich, vielleicht ... vielleicht haben seine Hände doch gezittert ...
 

Mein Gesicht glüht, als ich nicke. " ...okay."
 

"Aber ..." Er wendet den Kopf und sieht mich direkt an. Hebt in einer Geste absoluter Überlegenheit und Arroganz die Augenbrauen. "... denk nur nicht, dass ich dir deshalb ein neues Fahrrad finanziere! Es ist vielleicht ungefährlicher, wenn du mit dem Bus fährst."
 

Die Tür schließt automatisch, so dass ich nicht einmal dazu komme, etwas zu erwidern. Mit quietschenden Reifen löst er sich vom Bordstein.
 

"KAIBA ...!" brülle ich ihm hinterher, auch wenn er mich sicher nicht mehr hören kann. "Du Bastard!" Na warte ... ich werde so was von NICHT nachgeben diesmal ...

Das kriegt er zurück. Warte nur, Kaiba ...! Niemand verschrottet ungestraft mein Fahrrad und macht Witze darüber!
 

^to be continued^



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Kommentare zu diesem Kapitel (38)
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Von: abgemeldet
2007-07-08T12:21:25+00:00 08.07.2007 14:21
=D Diese ff ist einfach ZU tollig ;-)
Die beiden sind echt genial XD
Und süüüüüüß *__*
Aber Mokuba ist ja auch echt niedlich xD

WEiter so ;-)
Von: abgemeldet
2007-01-02T21:07:23+00:00 02.01.2007 22:07
Ich finde es total unfair, dass Kaiba sich soein tolles Auto leisten kann! Das muss an dieser Stelle mal gesagt sein. aber ich finde es toll, dass der Ferrari nicht rot sondern silber ist^^
Frag mich jetzt nicht warum ich mich an solchen Sachen aufhalte...
Das Kapi war irgendwie eigenartig...also gut, aber nicht so wie sonst...irgendwie, ach ich weiß auch nicht. sry
Auf zum nächsten
Von:  bebi
2006-12-05T23:37:26+00:00 06.12.2006 00:37
Nicht schon wieder. Es ist mitten in der Nacht, ich bin müde und krank und kann nicht aufhören zu lesen. -_-" Was mischt du unter deine ff's. Irgendwas muss drin sein, irgendwas, was ein starkes Abhängiskeitsverhalten hervorruft.
Wie dem auch sei...eins les ich heute noch^^
LG bebi
Von:  Nayru_Lady
2006-08-05T14:00:48+00:00 05.08.2006 16:00
Hallo ^^! Ich wollte eigentlich erst einen kommi schreiben wenn ich deine FF durch habe...aber da sie ja wirklich...wirklich...wirklich...lang ist habe ich gedacht ich schreibe mal nen kleinen zwischenbericht XD!
erstmal darf ich dir hammer gratulieren ^^! Ich bin eigentlich überhaupt kein Fan von Yugi Oh, aber deine FF hat mich total gefesselt. du frägst dich jetzt sicher "wenn sie kein fan ist...wie kommt sie dann darauf diese FF zu lesen?"
Einfache Antwort: Sie wurde mir von einem (ebenfalls nicht Yugi Oh-Fan (!!!!!)) hammer heiß empfohlen! Das spricht nur für dich wenn du sogar uns in den Bann ziehst ^^! Wirklich toll geschrieben ^^!!!! Ich habe leider nur zeit ein Kapi pro tag zu lesen und komm etwas langsam vorran... Aber sobald ich durch bin schreibe ich dir nochmal ein Kommi ^^!
Man hört von sich!

Bye bye
Von:  ReiRei-chan
2006-05-25T22:15:16+00:00 26.05.2006 00:15
Muss ich eigentlich noch etws dazu sagen?
Ich denke nicht ^-^
War wieder supi!
Von:  Umi
2005-10-15T18:24:29+00:00 15.10.2005 20:24
ich find irgendwie keine worte mehr... toll, hab doch extra beim letzten chap nich so viel geschrieben um noch n paar worte übrig zu haben @@'
egal ^^'
hach, schon sind da worte *platz füll*
ja, ähm.... hat mir natürlich wieder gut gefallen XDD
*aufs nächste stürz >.<*
Von: abgemeldet
2005-09-17T18:05:30+00:00 17.09.2005 20:05
*scroll* *murmel* Mein Gott, so viele Kommis... *weiter scroll* Wo is denn jetzt der SChreibbereich?... *immer noch scroll*
Ah gefunden *Freudentanz aufführ* DU BIST SUPA MEGA SPITZEEEE!!!
Weiter so!
*weglol* *tränenlach* Oh manno, is das sweet von den beiden *weiter lol* *snief*
Kaiba macht sich Sorgen um Joey *los lol*
Joey... *glucks*... ärgert sich wieda... *hicks*...mal über Kaiba *riesen lol*
MAch weiter so^^
*lol* Euer Lolchen
Von:  Annatar
2005-08-26T20:00:51+00:00 26.08.2005 22:00
Boa!Kaiba kommt total süß rüber!Obwohl *überlegt* Joey mag ich in der Ff auch gern!!!^.^Und Mokuba!!!Den Blick muss er MIR dann auch beibringen *nick*!!!Weiter so!.___________.
Von: abgemeldet
2005-08-21T11:59:16+00:00 21.08.2005 13:59
Ich habs geschafft weiter zu lesenXD*lol*
Also, des mti den Zettel is ja total wai! Joey sollte vielleicht sowas mal für glückskekse schreiben oder soXD
Aber...Ah~ Aua!Q___Q Also ich muss sagen ich hatte dann ja voll mtileid mit Joey! Das muss ja wehgetan haben als Seto den umgemäht hat...und dann wurde er auch noch von nem Ferari(O.o Diesem Roten Auto ebenXD)!*Zusammen zuckt*
Uha~! Aber das sich Kaiba sorgen macht...das...das ist irgendwie so..Süß!*__* Ungewohnt für nen Kaiba aber es ist echt süß!*Nodnod*
Also ich muss es nochmal betonenXD~ Du bist genial!^__^
~Katsu-Chan~
Von:  LadyHiwatari
2005-07-21T19:58:11+00:00 21.07.2005 21:58
Oha, armer Joey... Das muss sau weh getan haben..v.v
...
Kaiba....
Hat...
Sich..
Sorgen...
Gemacht!?!?!
...
WIE GEIL!!!! *von Kaibas Blicken erdolcht werde*
Und Mokuba ist echt sweet... Ich liebe diese Bruder-Beziehung und irgendwie ist mit Roland (oder wie auch immer der heißt) sympathisch! ^.~
Aber Joeys Fahrrad...T.T

LadyHiwatari


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