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Mondlicht

von

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*...* wie immer Textstellen, die im ursrünglichen Worddokument kursiv geschrieben waren
 

Mondlicht

Kapitel 7
 

In dieser Nacht schlief wohl niemand mehr. Alle waren in heller Aufregung und selbst nachdem das abstoßende Zeichen Voldemorts vom Himmel verschwunden war, kehrte keine Ruhe ein. Es wurden einige Vermutungen laut, was das wohl zu bedeuten hatte, doch sie waren so fantastisch, dass ich keinen Gedanken an sie verschwendete.
 

Hermine saß grübelnd in Gedanken versunken zwischen mir und Ron und ich wusste, wenn jemand des Rätsels Lösung vor Dumbledore entdeckte, dann sie. Ich hatte zwar auch schon einige Überlegungen angestellt, doch etwas wirklich Schlüssiges war mir nicht eingefallen. Allerdings hatte sich mir ein beängstigender Gedanke aufgedrängt: Plante Voldemort Hogwarts, die einzige Festung, die ihm auf dem Weg an die Macht im Wege stand, anzugreifen und zu vernichten?
 

Professor McGonagall betrat kurz den Gemeinschaftsraum und versuchte uns zu beruhigen. Sie versicherte uns, dass sich alles aufklären würde und bat uns, zu Bett zu gehen. Doch niemand folgte dieser Bitte, nachdem sie eilig wieder verschwunden war. Die Schüler waren einfach zu aufgewühlt, um zu schlafen. Und nicht nur Ron, Hermine und ich brauchten die Gemeinschaft, um uns zu beruhigen und uns ein wenig sicherer zu fühlen. Den anderen ging es nicht anders.
 

Und selbst nachdem Professor McGonagall gegen zwei Uhr- also beinahe zwei Stunden nach dem Vorfall- unseren Gemeinschaftsraum erneut betrat und uns alle in die Betten scheuchte, fand niemand so recht Schlaf. Ich selbst lag mit offenen Augen da und starrte in die Dunkelheit. Von Seamus Bett hörte ich das Tuscheln von ihm und Dean und aus Nevilles Richtung ertönte das leise Kratzen einer Feder über Pergament. Vermutlich schrieb er seiner Großmutter. Und auch aus der Richtung von Rons Bett hörte ich Pergament knistern. Er schrieb wahrscheinlich einen aufgeregten Brief nach Hause.
 

Was nun geschehen? Ich hoffte inständig, dass sie den Verantwortlichen gestellt hatten, doch was, wenn nicht? Was, wenn sich hier immer noch ein potentiell gefährlicher Todesser herumtrieb? Hoffentlich war niemand zu Schaden gekommen. Hogwarts hatte schon einmal kurz vor der Schließung gestanden, damals, als der Basilisk hier sein Unwesen getrieben hatte. Damals war aber niemand getötet worden. Wenn dieses Mal ein Schüler oder Lehrer umgekommen war, dann würden die Konsequenzen andere sein.
 

Ich drehte mich auf die Seite, umfasste meinen Zauberstab unter meinem Kopfkissen locker mit einer Hand und zog mir die Decke bis zum Kinn. Irgendwann musste ich dann doch eingenickt sein, doch das bisschen Schlaf war definitiv nicht ausreichend gewesen. Außerdem hatten mich die Ereignisse der letzten Nacht so stark geprägt, dass ich, als der magische Wecker von Neville anfing, durchdringend zu piepsen, zu Tode erschrocken hochfuhr und praktisch im Bett stand.
 

Doch ich war anscheinend nicht der Einzige. Hinter den Vorhängen von Seamus Bett ertönte ein zweistimmiger, erschrockener Schrei und kurz darauf krabbelten zwei ziemlich missgelaunte Jungs hinter ihnen hervor. Anscheinend waren sie einfach mitten in ihrer kleinen nächtlichen Unterhaltung eingeschlafen.
 

"Das darf doch wohl nicht wahr sein", grummelte Dean. "Da erscheint das Dunkle Mal über Hogwarts und wir bekommen nicht einmal schulfrei."
 

"Darüber macht man keine Scherze", tadelte Ron, der mich für einen irrwitzigen Moment an Hermine erinnert, doch er hatte recht. Im Waschraum war wie immer um diese Uhrzeit Hochbetrieb und als wir fünf müde hineinschlurften, gefror für einen Moment jede Bewegung darin und alle starrten mich an.
 

Die Spannung und die Erwartung, die in der Luft lag, kroch langsam über meine Haut und bereitete mir beinahe körperliche Schmerzen. Was erwarteten sie jetzt von mir? Dass ich stolz verkündete, ich hatte, während sie in den Betten lagen, die Verantwortlichen für das Dunkle Mal über unserer Schule gestellt und sie in einem spannenden Duell zur Strecke gebracht?
 

Ja, wenn ich so Reih um in die Augen der Jungen blickte, wusste ich, genau das wollten sie jetzt von mir hören. Na prima. War ich vielleicht ein Übermensch? Es war verdammt noch mal nicht witzig, dass immer selbstverständlich angenommen wurde, dass ich die Kastanien aus dem Feuer holte. Meine Mitschüler ignorierend putzte ich mir schnell die Zähne und verschwand nach einer Katzenwäsche fluchtartig aus dem Raum. Erst danach kam wieder Leben in die anderen.
 

Was ich jetzt brauchte, um meine Stimmung zu heben, war ein schönes Frühstück und eine verdammt gute Neuigkeit. Hoffentlich konnte Dumbledore mit Letzterem dienen.
 

ooOoOoo
 

Um ehrlich zu sein, das war wohl die furchtbarste Nacht in meinem bisherigen Leben! Nicht nur, dass mir langsam klar wurde, dass ich mich beinahe wie ein zivilisierter Mensch mit Potter unterhalten hatte, dass ich mit ihm auf Tuchfühlung gegangen war und dass er mir aus der Patsche geholfen hatte. Nein, das war zwar außergewöhnlich und erschreckend, aber was mich wirklich aus der Bahn warf, war der schlangenzüngige Totenkopf.
 

Ich zermarterte mir die ganze Zeit den Kopf darüber, was das wohl zu bedeuten hatte. Machte Voldemort jetzt endgültig ernst in seinem Krieg und nahm sich als erstes Hogwarts vor? Wäre ich dann nicht informiert worden?
 

Und zu allem Überfluss, war ganz Slytherin auf den Beinen gewesen, als ich von meinem nächtlichen Ausflug zurückkehrte. Einige Idioten gratulierten mir doch tatsächlich überschwänglich zu diesem tollen Streich und ich musste mich wirklich zusammenreißen, um nicht den schlimmsten der Unverzeihlichen Flüche gegen sie auszusprechen. Das war doch kein verdammtes Spiel!
 

Es dauerte geschlagene zwanzig Minuten, bis auch der Letzte begriffen hatte, dass ich nichts mit dem Dunklen Mal zu tun hatte und dass das nicht nur eine Illusion aus dem Zauberstab eines Schülers war, sondern echt. Und was danach kam schockierte mich beinahe noch mehr.
 

Sie begannen zu feiern. Sie feierten den Dunklen Lord und dass er sich ihnen heute Nacht offenbart hatte. Jetzt, so ihre Meinung, würden endlich all diese Schlammblüter und Muggelfreunde von dieser Schule verschwinden und sie könnten sich ganz den Dunklen Künsten widmen, sobald Voldemort Hogwarts erst eingenommen hatten. Nur auf vereinzelten Gesichtern sah ich, dass sie wirklich realisierten, was das bedeutete.
 

Diese Narren unterschätzen Voldemort ganz gewaltig. Sie hatten keine Vorstellung von seiner Grausamkeit. Sie hatten bisher nur von ihren Eltern gehört, was für ein tolles Gefühl es war, so einem mächtigen Wesen zu dienen. Die, die hier noch so ausgelassen tanzten, hatten keine Ahnung, wozu der Dunkle Lord wirklich fähig war. Wussten nicht, dass er seine Diener kaum besser behandelte als seine Feinde.
 

Als ob Dumbledore diese Schule freiwillig räumen würde, falls es hart auf hart käme! Es würde hier ein wirklicher Krieg ausbrechen, und er würde eine Unmenge an Leben fordern. Die Schüler würden vielleicht nach Hause geschickt werden (vorausgesetzt, es war genügend Zeit dafür), doch Dumbledore und seine Leute würde diese Festung bis zum Letzten verteidigen, denn sie war zu wichtig, um zu fallen. Und an seiner Seite.... würde Harry Potter stehen. Harry Potter, der Junge, der lebt; der Junge, der Voldemort schon vier Mal ein Schnippchen geschlagen hatte.... der Junge, der unerhörtes Glück hatte, aber einfach noch nicht stark genug war, um sich mit einem Magier von der Größe Voldemorts anzulegen und sich ernsthaft Chancen auszurechnen, lebend davon zu kommen.
 

Äußerlich ohne Regung, aber innerlich zutiefst erschüttert über das Verhalten meiner Mitschüler und über die Zukunftsaussichten, sollten sich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten, war ich ins Bett gegangen. Später hörte ich, wie Snape die lärmende Bande ungehalten und unter Androhung schärfster Strafen auseinander jagte und schließlich musste ich wohl in einen leichten Schlummer hinüber geglitten sein.
 

Doch als ich wieder erwachte, war mir, als laste der erdrückende Schatten von Voldemort über der ganzen Schule und mir widerstrebte es, aufzustehen. Denn dann würde ich mich einem Tag stellen müssen, der von vornherein von dem Dunklen Lord geprägt war und das waren ziemlich düstere Aussichten. Ich wäre aber nicht Draco Malfoy, wenn ich mich feige in meinem Bett verkrochen hätte, in der Hoffnung Dumbledore und Potter würden's schon richten. Mit einem lautlosen Seufzer schwang ich meine Beine über die Bettkante. Auf in den Kampf!
 

Wie üblich war ich einer der Ersten, der auf den Beinen war und weil ich noch etwas Zeit bis zum Frühstück hatte, setzte ich mich in einen der Sessel vor dem Kamin und lenkte meine Gedanken bewusst in Bahnen, die nicht unmittelbar etwas mit Voldemort zu tun hatten.
 

So furchtbar die Ereignisse der letzten Nacht auch gewesen waren, sie hatten auch einige interessante Dinge offenbart. So wusste ich jetzt zum Beispiel mit Sicherheit, wie es Potter schaffte, immer wieder unbemerkt in Hogwarts herumzuschleichen. Ich hatte ja schon seit der dritten Klasse vermutet, dass er einen Tarnumhang besaß (seit er mir in Hogsmeade diesen gewaltigen Schrecken eingejagt hatte), aber nun hatte ich den Beweis dafür. Leider durfte ich niemandem davon erzählen. Man konnte ja vieles über mich sagen, aber nicht, dass ich mein Wort brach. Auch nicht einem Potter gegenüber.
 

Worüber ich mich allerdings sehr wunderte, war die Tatsache, dass Potter ganz offensichtlich den Weg zum Slytherin-Gemeinschaftsraum kannte. Woher? Dieser Junge schaffte es immer wieder mich zu verblüffen. Immer wenn ich dachte, jetzt wüsste ich endlich so viel über ihn, dass er mich nicht mehr überraschen konnte, bewies er mir prompt das Gegenteil. Darüber würde ich noch einmal mit ihm reden müssen.
 

Ich stand auf und strich mir meine Roben glatt. Nach der letzten Nacht sollte ich vielleicht pünktlich beim Frühstück sein, denn ich war mir sicher, Professor Dumbledore hatte uns einiges zu sagen. Unbewusst rieb ich mir über meinen linken Unterarm und machte mich auf zum großen Saal, in der irrationalen und unverständlichen Hoffnung, die Übeltäter wären gefasst worden und Hogwarts konnte von nun an wieder ruhig schlafen.
 


 

Es dauerte nicht lange und alle Schüler hatten sich in der großen Halle eingefunden. Die Vertrauensschüler hatten schon dafür gesorgt, dass niemand verschlief... obwohl, wenn ich mir die Gestalten so ansah, konnten wohl nur die wenigsten von sich behaupten, überhaupt geschlafen zu haben. Dasselbe galt für die Lehrer. Besonders Lupin sah erschöpft aus. Kein Wunder, der letzte Vollmond war ja noch nicht lange her und eine ruhige Nacht hätte sicherlich mehr zu der Erholung von den Strapazen der Verwandlung beigetragen, als die vergangene.
 

Das ungewöhnlich gedämpfte Gemurmel in der Halle erstarb sofort, als sich Dumbledore erhob. Die Blicke aller Schüler saugten sich an seiner hochgewachsenen Gestalt fest, und die Angst vor dem, was er gleich sagen würde, lag greifbar in der Luft. Er räusperte sich kurz und ich bemerkte, dass das Funkeln seiner Augen hinter dem Halbmondgläsern seiner Brille heute gedämpft war und ich zog meine eigenen Schlussfolgerungen daraus.
 

"Nun, da ihr wohl alle mitbekommen habt, was in der letzten Nacht geschehen ist, will ich mich nicht lange mit langatmigen Vorreden aufhalten, denn ihr habt das Recht, zu erfahren, was geschehen ist." Er machte eine kurze Pause, kam dann tatsächlich sofort zur Sache und bestätigte meine Vermutung. "Die Verantwortlichen für die Beschwörung des Dunkle Mal sind nicht gefasst worden. Wer immer dahinter steckt, konnte unerkannt entkommen. Schüler sind glücklicherweise nicht zu Schaden gekommen-" (Ich hatte das Gefühl, dass er mich und Potter tadelnd ansah.) "-aber auf dem Gelände der Schule wurde der Leichnam eines Zauberers aus Hogsmeade entdeckt."
 

Diese Nachricht schlug wie eine Bombe. Erst herrschte absolute, betäubende Stille und dann, als die Schwere dieser Neuigkeit in den Verstand der Schüler gesickert war, erhob sich ein entsetztes und ungläubiges Murmeln. Es war nicht schwer zu erraten, was Gegenstand der getuschelten Unterhaltungen war: Was würde jetzt werden? Würde man die Schule schließen? Waren wir in Gefahr?

Mein Blick wanderte zum Gryffindortisch und suchte Potter und seine Freunde. Weasley und Granger hatten die Köpfe zusammengesteckt und schienen in eine heftige Diskussion verstrickt zu sein, während der Goldjunge von Gryffindor einfach nur daneben saß und nachdenklich- oder nervös?- auf seiner Unterlippe kaute.
 

Ich wusste, was ihn beschäftigte. Ich kannte ihn inzwischen lange genug. Er war sich sehr wohl bewusst, dass die anderen Schüler nun ihm ihre Angst und die Verantwortung für ihre Rettung aufbürden würden und erwarteten, dass er sie, falls wirklich etwas geschehen sollte, beschützte. Und anstatt endlich einmal nein zu sagen und ihnen klar zu machen, dass er nicht immer wieder den Helden für sie spielen konnte, überlegte er, wie er dieser Aufgabe gerecht werden sollte.
 

Harry Potter würde sich wohl nie ändern.
 

"Hast du das gehört, Draco? Was meinst, wird nun gesche..."
 

"Shhh", zischte ich Pansy zu, denn auch wenn ich nun wirklich kein Anhänger von Professor Dumbledore war, interessierte mich das, was er zu sagen hatte, weit mehr, als Pansys Worte.
 

"Es wird sich natürlich nicht vermeiden lassen, dass entsprechende Konsequenzen aus der letzten Nacht gezogen werden", fuhr Dumbledore fort und alle im Saal hielten den Atem an. "Keine Angst, Hogwarts wird nicht geschlossen werden...", ein hörbares Aufatmen ging durch die Reihen der Schüler, "... vorerst jedenfalls nicht. Der Unterricht wird in dieser Woche wie gewohnt fortgesetzt werden, aber es wird sich von nun an niemand mehr alleine auf den Gängen bewegen. Eure Lehrer werden euch zu den verschiedenen Unterrichtsräumen geleiten und nach 20 Uhr werden alle Schüler in den Gemeinschaftsräumen bleiben."
 

Mir kam es vor, als hätte ich ein Déja vu. Waren die Sicherheitsvorkehrungen nicht ähnlich gewesen, als die Kammer des Schreckens geöffnet worden war?

"Und es wird leider nicht möglich sein, die Weihnachtsferien in Hogwarts zu verbringen. Nächsten Montag werdet ihr alle mit dem Hogwarts-Express nach Hause fahren müssen." Sein Blick fiel auf Potter, der ihn aus aufgerissenen Augen anstarrte und ziemlich blass geworden war. Seine Lippen formten das Wort "Nein!" und er machte den Eindruck als sei eine Welt für ihn zusammengebrochen. Unwillkürlich rutsche meine Augenbraue in die Höhe. Er wollte nicht zu seinen Muggel-Verwandten? Warum nicht? Was war so entsetzlich an ihnen- ausgenommen der Tatsache, dass sie Muggel waren?
 

Der Rest des Frühstücks war dann beinahe normal verlaufen, abgesehen davon, dass eine dumpfe Angst über allen schwebte und Potter nicht einen einzigen Bissen herunterbrachte. Und auch der Schultag war beinahe wie immer, sah man davon ab, dass die Lehrer ihre Schüler nun nach jeder Stunde wie eine Herde Schäfchen zum nächsten Klassenraum geleiteten.
 

In der letzten Stunde hatten wir Verteidigung gegen die Dunklen Künste und nach dem Schlussläuten verließ ich den Raum zwar, lehnte mich aber neben der Tür an die Wand und wartete auf Potter. Ich hatte mich entschieden, die Dinge, die ich mit ihm zu klären hatte, jetzt zu klären. Später ergab sich vielleicht keine Gelegenheit mehr.
 

"Professor Lupin?", erklang plötzlich Harry Stimme, nachdem der letzte Schüler das Klassenzimmer verlassen hatte.
 

"Ja?"
 

"Wegen diesem Zauberer, der gefunden wurde... was hatte er hier zu suchen?"
 

"Das wissen wir auch noch nicht, Harry. Seine Frau erzählte uns, dass er schon seit einigen Tagen vermisst wurde. Es ist sehr seltsam, dass er ausgerechnet auf dem Schulgelände wieder auftaucht." Ich hörte das leise Rascheln von Papier.
 

"Er war ein Muggelgeborener, stimmt's? Warum sollten die Todesser ihn sonst umbringen? Warum haben sie es überhaupt ausgerechnet hier gemacht?"
 

"Ja, seine Eltern waren Muggel. Vielleicht wollten die Todesser uns einfach nur einschüchtern und uns zeigen, zu was sie fähig sind."
 

"Ja, vielleicht", erwiderte Potter nachdenklich. "Aber Sie glauben nicht daran, oder?" Dann folgte ein langes Schweigen. "Wenn... ich meine, wenn man die Todesser fasst, die das Dunkle Mal beschworen haben, könnte ich dann über die Ferien..."
 

Ich zuckte erschrocken zusammen, als Lupin ihn ungewöhnlich schroff unterbrach. "Denke nicht einmal daran, Harry! Du hast bereits zu oft dein Leben riskiert. Dieses Mal lass andere Leute die Arbeit machen und fahre nach Hause."
 

"Aber ich will nicht zurück zu den Dursleys!", entgegnete er trotzig. "Und Schnuffel würde auch...."
 

"Schnuffel", unterbrach Lupin ihn erneut, dieses Mal sanfter, "wäre genau derselben Meinung wie ich. Diese Sache geht dich nichts an, Harry. Es ist besser, wenn du aus der Schusslinie bleibst."
 

Dann blieb es wieder eine Weile still und schließlich gab Harry nach. Ich konnte sein Nicken nicht sehen, aber dafür beinahe fühlen und schließlich verließ auch er den Klassenraum. Er warf mir einen kurzen Blick zu bevor er an mir vorbei ging, aber ich fragte mich, ob er meine Anwesenheit wirklich registriert hatte. Dafür war es aber nicht schwer zu erraten, was der Ausdruck in seinen Augen zu bedeuten hatte.
 

"Sei kein Esel, Potter", sagte ich und er blieb wie angewurzelt stehen. "Du kannst nicht alleine auf Todesserjagd gehen. Selbst dir müsste klar sein, dass du das nicht überleben würdest."
 

Seltsam steif drehte er sich zu mir um. "Wer sagt, dass ich das vorhabe?"
 

Ich verengte ärgerlich meine Augen. "Versuche nicht, mich für dumm zu verkaufen. Im Prinzip ist es mir egal, was du mit deinem Leben anstellst. Meinetwegen geh doch in den sicheren Tod; dann habe ich ein Ärgernis weniger. Aber hast du schon mal an deine Freunde gedacht? Was das für sie bedeuten würde?"
 

"Seit wann machst du dir Sorgen um Hermine und Ron?"
 

Dummkopf. Die beiden waren mir doch herzlich egal. Aber ich konnte ihm doch nicht ins Gesicht sagen, dass ich mich um ihn sorgte, wo ich eben noch das Gegenteil behauptet hatte. Was würde das für einen Eindruck machen? Überhaupt war es Wahnsinn, was ich hier tat. Ich sollte ihn stehen und in sein Verderben rennen lassen. Warum nur konnte ich diese lästigen Gefühle nicht einfach beiseite schieben, wenn es um ihn ging? "Meinst du nicht, dass du das Opfer deiner Eltern mit Füßen trittst, wenn du dich einfach Hals über Kopf in dieses Abenteuer stürzt?"
 

Potter setzte zu einer Erwiderung an, biss sich dann aber auf die Unterlippe und kaute wieder nachdenklich darauf herum. Seine Eltern waren immer ein gutes Argument. Seine Schwachstelle. Sie waren sein empfindlichster Punkt. Er war manchmal so einfach zu durchschauen.
 

"Aber darüber wollte ich eigentlich gar nicht mit dir reden. Dein Leben musst du immerhin noch selbst bestimmen", sagte ich schulterzuckend.
 

Er sah überrascht auf und runzelte dann die Stirn. "Was willst du dann von mir?"
 

Ich warf einen schnellen Blick den Gang entlang, um sicher zu gehen, dass uns niemand belauschen konnte. "Woher hast du diesen Tarnumhang?"
 

Sein Blick wurde kalt und abweisend. "Das geht dich gar nichts an."
 

Hoppla, den Blick kannte ich. Den bekam er immer, wenn es um seine Eltern ging. Also hatte er diesen Umhang wahrscheinlich von seinem Vater. Wenn ich den Erzählungen meines Vaters trauen konnte, dann war James Potter sogar ein noch größerer Herumtreiber als sein Sohn gewesen. Zu ihm hätte so ein Tarnumhang sicher gut gepasst. Als Antwort zuckte ich jedoch lediglich erneut mit den Schultern. "Schön. Dann kannst du mir vielleicht erklären, woher du den Weg zum Slytherin-Gemeinschaftsraum gekannt hast. Und das geht mich sehr wohl etwas an."
 

"Ich... hatte mich im ersten Schuljahr verlaufen.... und bin einfach einem Mädchen hinterhergelaufen. Nur leider führte sie mich nicht zum nächsten Klassenzimmer, sondern zu eurem Gemeinschaftsraum."
 

Misstrauisch kniff ich die Augen zusammen. Ich war mir nicht sicher, ob er mich belog. Sein Erröten und das Vermeiden des Blickkontaktes sprachen dafür, aber... würde Harry Potter, der Junge, der lebt, mir einfach frech ins Gesicht lügen?
 

"Malfoy?"
 

"Was?" Es kam etwas kälter rüber, als ich es beabsichtigt hatte und schien ihn zu verunsichern.
 

"Nichts."
 

Ich rollte genervt mit den Augen, als er sich abwandte und sich vermutlich auf den Weg zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum machte. Mit wenigen schnellen Schritten war ich bei ihm, ergriff seinen Oberarm und drehte ihn zu mir um. Seine hellgrünen Augen blitzten mich ärgerlich an.
 

"Was?! Sprich endlich aus, was dir auf dem Herzen liegt und renne nicht einfach davon. Das ist erbärmlich und feige."
 

Er schnaubte. "Kann es sein, dass du einfach neugierig bist, Malfoy?"
 

Voll ins Schwarze getroffen. Ich ließ ihn los, als hätte ich mich an ihm verbrannt, und schenkte ihm einen angewiderten Blick. "Potter...."
 

Er hob abwehrend die Hände. "Schon gut! Ich... Malfoy, du hast doch nichts damit zu tun, oder?"
 

"*Womit* habe ich nichts zu tun? Würde es dir etwas ausmachen, in ganzen Sätzen zu sprechen?"
 

"Mit den Dunklen Mal." Seine Augen blickten in meine und ich hatte das Gefühl, als suche er auf dem Grund meiner Seele nach einer Antwort. Eine Antwort, vor der er sich fürchtete. Oh ja, es war tatsächlich Angst, das ich unterschwellig in seinem Blick lesen konnte.
 

"Nein", entgegnete ich sanfter, als ich es eigentlich vorgehabt hatte. "Damit habe ich nichts zu tun. Mein Vater hat mir auch nicht gesagt, dass so etwas geplant wurde. Ich war also völlig ahnungslos und rein zufällig in dieser Nacht unten auf dem Hof, falls du das meinst."
 

Er nickte und sah erleichtert aus. "Die letzte Nacht bedeutet aber nicht, dass wir nun Freunde sind, oder?"
 

Ich schnaubte verächtlich und konnte zu meinem Entsetzen nur um Haaresbreite ein Lächeln unterdrücken. "Als ob wir beide jemals Freunde werden könnten, Potter."
 

"Gut." Er nickte abermals und machte sich dann endgültig auf den Weg. Ich blickte ihm nachdenklich hinterher und dachte an sein Gespräch mit Lupin zurück. Mir drängten sich zwei Fragen auf. Erstens: Wer war Schnuffel? Ich hatte ihn, Granger und Weasley schon öfter von ihm sprechen hören, hatte aber nie herausgefunden, wen sie meinten. Und zweitens: Waren ihm seine Muggel-Verwandten wirklich so verhasst, dass er ohne Zögern sein Leben aufs Spiel setzen würde, nur, um nicht zu ihnen zurück zu müssen?
 

ooOoOoo
 

Es war schwer zu erklären, warum ich mich so erleichtert fühlte. Ich hatte ja eigentlich gesehen, dass Draco mindestens genauso entsetzt über das Dunkle Mal gewesen war wie ich, und deshalb wohl kaum etwas damit zu tun hatte. Aber es aus seinem Mund zu hören, war seltsam beruhigend gewesen und hatte die letzten leisen, nagenden Zweifel beiseite gewischt.
 

Jetzt hatte ich nur noch ein Problem. Wie umging ich die Weihnachtsferien bei den Dursleys? Ich hatte noch genau sechs Tage, um mir darüber Gedanken zu machen. Professor Lupin und Malfoy hatten ja im Grunde genommen Recht. (Warum hatte sich Malfoy da überhaupt eingemischt??) Ich konnte es nicht alleine mit den Todessern aufnehmen und ich sollte es wirklich anderen- nämlich ausgebildeten Auroren- überlassen.
 

Die Zeit bei den Dursleys mochte die Hölle sein, aber durch den Familienschutzzauber war ich dort einigermaßen sicher. Die letzte Nacht bedeutete zwar, dass alle Schüler in Lebensgefahr waren, doch ich insbesondere, weil ich Harry Potter hieß und diese Narbe auf der Stirn trug. Dumbledore ging vermutlich lieber auf Nummer sicher.
 

Als ich den Gemeinschaftsraum der Gryffindors betrat, wurde ich von einem vertrauten Schuhuen begrüßt und Hedwig flatterte auf meine Schulter, um mich liebevoll ins Ohr zu zwicken. "Hallo, Hedwig", begrüßte ich sie und streichelte das weiche Gefieder an ihrem Bauch. Dann schwebte sie auf die Armlehne eines Sessels am Kamin und ich setzte mich, um ihr ihren Brief abzunehmen. Mein Herz machte einen erfreuten Sprung, als ich die Handschrift erkannte.
 

*Harry,

ich weiß, was letzte Nacht geschehen ist und dass Dumbledore alle Schüler über die Weihnachtsferien nach Hause schickt. Remus hat es mir erzählt. Ich weiß auch, dass du nicht heim willst, aber du kannst nichts daran ändern, verstehst du? Versuche bitte nicht den Helden zu spielen. Ich kann es dir nicht erklären, aber ich fürchte, dass das erst der Auftakt war und bei deinen Verwandten bist du bei der momentanen Lage am sichersten.

Sirius*
 

Ich war einen Moment wie versteinert. Professor Lupin hatte es ihm erzählt? Selbst wenn er es nicht persönlich getan hatte, sondern per Eulenpost, bedeutete diese schnelle Reaktion von Sirius, dass er in der Nähe sein musste. Ich war ein wenig verletzt, dass er nicht Bescheid gesagt hatte, so dass wir uns vielleicht einmal in Hogsmeade hätten treffen können, aber sicher hatte er gute Gründe. Seufzend ließ ich den Brief sinken. Okay, ich gab auf. Ich würde zu den Dursleys fahren und die schlimmsten Weihnachtsferien seit fünf Jahren mit ihnen verbringen.
 


 


 

Ich musste wohl nicht erwähnen, dass mein Onkel und meine Tante nicht sehr erbaut darüber waren, sich mit mir in den Weihnachtsferien abgeben zu müssen. Das beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit. Hatte ich das schon erwähnt?

Ich hatte die ganze Fahrt mit dem Hogwarts-Express nach London stumm vor mich hingebrütet und auch Ron und Hermine war es nicht gelungen, mich aufzumuntern. Ich hoffte nur, dass sie die Todesser fassten, die mir das eingebrockt hatten, und dass sie sie wirklich hart bestraften!
 

Irrte ich mich, oder hatte Dudley es in der Zwischenzeit tatsächlich geschafft, das Kampfgewicht eines übergewichtigen Walrosses zu erreichen? Ich bemühte mich auf jeden Fall, eine Begegnung mit ihm und meinen griesgrämigen Onkel zu vermeiden, denn ich hatte wirklich keine Lust auf Strafarbeiten, nur weil ich ihnen zufällig über den Weg lief.
 

Das Thema "Gesunde Ernährung" schien über Weihnachten auch vom Tisch zu sein, denn in beinahe jedem Raum stand ein reich gedeckter Weihnachtsteller. Natürlich waren sie für Dudley bestimmt, doch wenn niemand hinsah, stibitzte ich mir schnell die ein oder andere Süßigkeit und flüchtete mich wieder unauffällig in mein Zimmer.
 

Im großen und ganzen war es eigentlich wie in den Sommerferien. Ich wurde ohne zu fragen zum Mädchen für alles auserkoren, durfte mich im Haushalt abrackern und wurde als Belohnung ignoriert und ging ständig hungrig ins Bett. Das einzig Positives war, dass die schweißtreibende Gartenarbeit entfiel. Dem Winter sei Dank. Leider war die Stimmung hier sogar noch frostiger als sonst. Wie sich später herausstellte, herrschte im Hause Dursley dicke Luft, weil sie eigentlich eine kleines Reise über die Feiertage geplant hatten, die sie nun wegen mir hatten absagen müssen, denn Mrs. Figg hatte sich eine schwere Grippe eingefangen und konnte nicht auf mich aufpassen.
 

Nicht einmal der große, prächtig geschmückte Weihnachtsbaum strahlte Wärme aus, sondern schien mir eher befremdlich, denn ich hatte das Gefühl Tante Petunias Perfektionismus in der Anordnung des Schmuckes wiederzuerkennen. So etwas wäre mir in Hogwarts nie passiert.
 

Dort hatte ich immer das Gefühl willkommen zu sein und selbst wenn der kalte Wind durch die Gänge pfiff, hatte das alte Schloss etwas Gemütliches. Außerdem war ich dort von Freunden umgeben und Weihnachten in Hogwarts war jedes Mal ein echtes Fest gewesen. Die Vorstellung, die die Dursleys von einem Fest hatten war sehr konträr zu der meinen.
 

Warum sollte ich mich auch dafür begeistern, reglos in einer mir zugewiesenen Ecke zu sitzen und meine Ohren zu bedecken, weil Dudley mal wieder unter Beweis stellte, dass er absolut kein Talent zum singen hatte (es dafür aber um so lauter tat), während das gerührte Schluchzen und Murmeln seiner Mutter ("Oh mein Gott, hat mein Duddy-Spatz nicht eine liebliche Stimme? Dass er bei seinem Talent noch nicht entdeckt wurde, wundert mich...") im Hintergrund erklang?
 

Und während Dudley eilig das störende Papier von seinen Geschenken fetzte, saß ich teilnahmslos daneben, als würde ich nicht zu dieser Familie gehören. Was ja eigentlich auch stimmte. Rein von den Genen mochte zwar ein gewisser Verwandtschaftsgrad bestehen, doch waren wir so unterschiedlich, wie es nur sein konnte. Selbst mit Malfoy hatte ich mehr gemeinsam.
 

Es war Heiligabend und das Einzige, woran ich denken konnte, war, dass sich meine Zeit hier endlich dem Ende zuneigte. Onkel Venon hatte mich auf mein Zimmer verbannt und wenn ich ehrlich sein sollte, dann war ich lieber ganz allein hier oben, als unten bei den Dursleys zu sitzen und mir anzuhören, wie missraten ich war.
 

Und doch hatten die Geschehnisse in Hogwarts auch etwas Positives- wenn auch nicht für mich. Ron und Hermine, die aus Loyalität mir gegenüber auch in Hogwarts geblieben wären, konnten Weihnachten jetzt mit ihren Familien feiern und ich gönnte es ihnen wirklich von Herzen.
 

"JUNGE!!", brüllte Onkel Venon plötzlich von unten und ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. Was hatte ich denn nun schon wieder angestellt? Eilig machte ich mich auf den Weg nach unten, um den Zorn meines Onkels nicht noch weiter zu schüren. Doch kaum hatte ich das Wohnzimmer betreten, erstarrte ich mitten im Schritt.
 

Neben Onkel Venon stand ein Mann, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, aber er war offensichtlich ein Zauberer, ein ziemlich vornehm gekleideter dazu. Er trug einen eleganten Nadelstreifenanzug, einen tiefschwarzen Umhang und auf Hochglanz polierte schwarze Schuhe. Was für ein seltsamer Typ. Was wollte er hier?
 

"Ah, das ist also Ihr Neffe, ja?", fragte der Mann meinen Onkel und kam dann auf mich zu. "Hallo, Harry." Misstrauisch ergriff ich die mir dargebotene Hand und erwiderte den Gruß.
 

"Dieser Mann ist gekommen, um dich abzuholen, Junge, also sieh zu, dass du deine Sachen zusammengesammelt bekommst."
 

Verwirrt blinzelnd sah ich meinen Onkel an. "Um mich abzuholen? Wohin soll er mich denn bringen?"
 

Der Fremde lächelte mich an, aber es wirkte so glatt, dass ich augenblicklich Zweifel an seiner Aufrichtigkeit bekam. "Die Sache ist die, Harry, vor kurzem wurde eine Art Herberge für elternlose, schulpflichtige Zauberer eröffnet. Die Schüler können dort ohne Entgeld ihre Ferien verbringen und werden am Ende zum Bahnhof gebracht."
 

"Mister Langston ist der Eigentümer dieser Herberge und kaum hatten wir den Brief aus Hogwarts erhalten, dass du uns über die Ferien.... besuchen würdest, landete auch schon ein Flugblatt dieser Herberge in unserem Briefkasten. Deine Tante und ich haben dort also angerufen und vereinbart, dass dich diese Leute abholen. Dachte schon, das wird doch nichts, weil die sich so lange Zeit gelassen haben", erklärte mir mein Onkel und meine Augen wurde mit jedem Wort größer.
 

Das konnte er nicht wirklich vorhaben! Sie konnten mich doch nicht einfach fortschicken. Was war denn mit dem Familienschutzzauber? Wenn ich in dieser ominösen Herberge war, nützte er mir nichts mehr. Überhaupt war die ganze Sache äußerst seltsam. Kaum war bekannt, dass die Schüler die Hochsicherheitsfestung Hogwarts verlassen würden, tauchte so ein geheimnisvolles Schreiben auf. Und die Dursleys hinterfragten es nicht einmal! Sie waren einfach nur froh, mich so leicht loswerden zu können.
 

"Das geht nicht", erwiderte ich langsam und mein Onkel kniff wütend die Augen zusammen. "Ich weiß nicht, was es mit dieser Ferienherberge auf sich hat, aber ich habe nichts über sie im Tagespropheten gelesen. Außerdem könnt ihr mich nicht einfach fortschicken."
 

"Ach nein?", quiekte Dudley, der die Angewohnheit, seinen Hintern festzuhalten, sobald er in der Nähe eines Zauberers war, immer noch nicht abgelegt hatte. "Warum nicht?" Seine Augen glitzerten bösartig.
 

Für einen Moment war ich versucht ihnen alles zu erzählen. Über Voldemort, dass er mich töten wollte und über den Familienschutzzauber, doch dann verwarf ich diese Idee wieder. Sie würden ja doch nur hysterisch reagieren und mich am Ende vielleicht sogar eigenhändig vor die Tür setzen, weil ich das böse Z-Wort erwähnt hatte. "Ihr könnt mich nicht einfach rausschmeißen. Ich möchte Weihnachten gerne mit euch feiern." Oh Gott, wie sich das anhörte. Mir wurde schlecht, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Das wäre ja noch schöner. Ich und freiwillig bei den Dursleys. Innerlich musste ich heftig den Kopf schütteln. Niemals!
 

Allerdings waren sie mir immer noch lieber als dieser Fremde und seine Ferienherberge, denn bei ihnen wusste ich wenigstens, woran ich war. Die Geschichte, die ich hier zu Ohren bekommen hatte, roch verdammt nach Voldemort und ich musste eine Möglichkeit finden, mich hier herauszuwinden, ohne den Dursleys die Wahrheit zu erzählen, die sie mir mit Sicherheit ohnehin nicht abnehmen würden.
 

Der Familienschutzzauber verhinderte, dass mich Voldemort oder seine Todesser direkt angreifen konnten, doch wenn meine "Familie" mich freiwillig herausgab? Das wäre für Voldemort sicherlich wie Weihnachten und Ostern an einem Tag (auch wenn ich bezweifelte, dass er diese Festtage feierte).

"Er braucht seine Sachen nicht zu packen. Wir werden am Ende der Ferien vorbeikommen und sie holen. Kleidung bekommt er kostenlos gestellt", sagte der Fremde plötzlich. Seine Stimme war immer noch so seidenweich wie vorher, doch in seinen Augen funkelte es bedrohlich und auch sein Lächeln wirkte verzerrt. Bei mir läuteten die Alarmglocken. - Mein Zauberstab! -
 

Ich drehte mich um, um hoch in mein Zimmer zu laufen und ihn zu holen, doch ein harter Griff an meinem Oberarm hinderte mich daran, den ersten Schritt zu tun.
 

"Du wirst sehen, es wird dir bei uns gefallen", sagte der Zauberer und zog mich trotz meines Widerstandes zur Tür.
 

"Das bezweifle ich", zischte ich und trat ihn gegen das Schienenbein, was ihn allerdings überhaupt nicht beeindruckte.
 

"Kannst du dich nicht einmal benehmen?", donnerte mein Onkel, doch ich bekam es kaum mit. Inzwischen war ich überzeugt, dass dieser Mann ein Todesser war und hier um mein Leben kämpfte. Was interessierten mich da Onkel Venons Schimpftiraden? Wenn ich Voldemort ohne meinen Zauberstab gegenüber treten musste, war ich verloren. Nicht, dass ich sonst eine reelle Chance gegen ihn gehabt hätte.....
 

"Keine Sorge, Mister Dursley. So reagieren viele, aber so bald sie sich eingelebt haben...", er verdrehte mir den Arm, um meine Gegenwehr zu ersticken. ",... wollen sie gar nicht mehr fort."
 

Von "fort wollen" konnte in diesem Fall ja wohl keine Rede sein, es war wohl eher so, dass ich dann nicht mehr *fort konnte*. Trotz der Schmerzen in meinem Arm versuchte ich mich immer noch seinem Griff zu entwinden, aber es nützte nichts.
 

Langston führte mich durch die Tür ins Freie und mir klapperten augenblicklich die Zähne. Und nur auf Socken durch Schnee zu waten war nicht besonders angenehm. Gerade in dem Augenblick, als ich ihn erneut gegen sein Schienenbein trat, um mich zu befreien, stieß plötzlich etwas Weißes aus der Dunkelheit auf uns nieder, krallte sich einen Moment in die Haare des Todessers, um sich dann wieder in die Lüfte zu schwingen.
 

Ich nutzte seine Schrecksekunde, um mich loszureißen und zu flüchten. Mir war es jetzt egal, dass ich nur auf Socken und mit einem Pullover bekleidet durch die Straßen rannte. Was zählte war, mein Leben zu retten. Vielleicht, wenn ich es bis zu Mrs. Figg schaffte...
 

Plötzlich riss mich etwas zu Boden, ich prallte hart auf und ein unangenehmes Gewicht lastete auf meinem Rücken. "So nicht, mein Junge", zischte die Stimme von Langston über mir, die jetzt alle Liebenswürdigkeit und falsche Freundlichkeit verloren hatte. Erneut stürzte sich dieses weiße Etwas auf ihn und dieses Mal erkannte ich, dass es meine Schneeeule war.
 

"Hedwig", keuchte ich erleichtert und Langston schlug unwirsch nach ihr, doch Hedwig war geschickt und zerkratze ihm das Gesicht und die Hände ohne von einem einzigen Schlag getroffen zu werden. Zwar drückte er immer noch sein Knie in meinen Rücken, um mich am Boden zu halten, aber mit einer plötzlichen, kraftvollen Bewegung schaffte ich es, mich von ihm zu befreien.
 

Ich rappelte mich hastig auf und stolperte weiter. Aus den Augenwinkeln sah ich wie Langston versuchte, mir zu folgen, von Hedwig aber stark dabei behindert wurde. Schließlich riss ihm der Geduldsfaden und er zog seinen Zauberstab.
 

"Hedwig! Hau ab", rief ich über die Schulter und verlegte mich nun auf einen Zickzacklauf um eventuellen Zaubersprüchen auszuweichen. Einen Moment schwebte meine Eule über meinem Kopf, bevor sie in eine andere Richtung abdrehte. - Gott sei Dank, Hedwig ist in Sicherheit -
 

Die Straße schien ausgestorben und obwohl hinter vielen Fenstern Licht brannte hatte ich das Gefühl ganz alleine auf der Welt zu sein. Mein Herz schlug ängstlich gegen meine Rippen und meine Socken waren bereits völlig durchgeweicht.
 

Hinter mir hörte ich das angestrengte Keuchen und die schweren Schritte meines Verfolgers, doch sie kamen nicht näher, sondern schienen sich im Gegenteil zu entfernen. Merlin sei Dank, allem Anschein nach hatte ich ihn abgehängt. Ich beschleunigte meine Schritte noch einmal und fühlte ein heftiges Stechen in meiner Seite.
 

Es war nicht mehr weit, nur noch eine Straße. Bei Mrs. Figg war ich vielleicht vor meinem Verfolger sicher, immerhin war sie eine vollausgebildete Hexe und nicht so harmlos, wie es den Anschein hatte. Nur noch wenige Meter bis zur Sicherheit....
 

Doch ich freute mich zu früh. Denn schon als ich um die nächste Ecke bog, wusste ich, dass alles umsonst gewesen war. Abrupt blieb ich stehen und starrte die Männer, die vor mir standen, an. Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie ebenfalls Zauberer waren und der Mann ganz vorne war mir unangenehm bekannt. Seinen Hauself hatte ich im zweiten Schuljahr befreit und sein Sohn war in meinem Jahrgang. Lucius Malfoy.
 

Ich schluckte schwer und blickte mich verzweifelt nach einem Ausweg um. Ein eisiger Windstoß ließ mich erzittern und ich biss mir auf die Lippe. Wie sollte ich aus dieser Sache nur lebend herauskommen?
 

"Ja, Potter, Wiedersehen macht Freude", sagte Malfoy gefährlich leise mit eisiger Stimme und kaltem Blick. Sein Gesichtsausdruck war der eines Mannes, der wusste, dass er gewonnen hatte. Ruckartig hob er seinen Zauberstab- es war zu spät für mich, um noch beiseite springen zu können- und schleuderte mir ein "Crucio!" entgegen. Der Schmerz raste durch meinen Körper, lähmte mich und mit einem Schmerzensschrei brach ich in die Knie. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment platzen und das Letzte, was ich sah, war das grausame Funkeln in den Augen des Todessers. Dann wurde mir schwarz vor Augen.



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