Zum Inhalt der Seite

Die Ascotts - Julien

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eine neue Familie

Autor: CatherineMiller

Titel: Die Ascotts - Julien

Fandom: Eigene Serie

Kapitel: Eine neue Familie

Teil: 3/?

Pairings: Gabriel x Leander (NOCH!); GabrielxJulien (verheiratet)

Warnungen: lemon, violence

Danksagung: Vielen Dank an meine Betaleserin Corrychan, von der auch nicht unwesentlich viele Namensgebungen und Ideen stammen ^^" Danke Süße! Auch danke an die Betaleser Cap und Kariri, die meine Tippfehler ausmerzen ^^

Sonstiges: Die Grundidee der Story ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern stammt aus dem ersten Roman der Reihe "Die Ascotts" von Jude Deveraux. Ich hab so gut wie alle Namen geändert, aber die Grundzüge der Charaktere und die Storyline ist erhalten geblieben.

Disclaimer: Alle Figuren, obwohl sie andere Namen haben und die Grundstory gehören Jude Deveraux.

Erinnerung: Raylans sind Männer ohne Bartwuchs, die die 'Frauenrolle' übernehmen ^^
 

Angebot: Bei mindestens zehn Kommentaren gibt's beim nächsten Upload zwei Kapitel auf einmal!
 

Kommentare:
 

@Love-chan: Hat ja leider lange gedauert ^^ Aber es ist fertig! Viel Spaß beim Lesen!
 


 

Julien Revedoune saß in einem sonnendurchfluteten Zimmer, inmitten der schönsten Kleidungsstücke, die man sich vorstellen konnte, eine Schmuckschatulle auf den Oberschenkeln und starrte ins Leere. Trotz der Wärme, die an diesem Sommermorgen herrschte, war ihm eiskalt, seine Finger klamm und zittrig, dass er Angst haben musste, dass ihm das wertvolle Holzkästchen mit noch wertvollerem Inhalt entglitt.
 

Er versuchte, die letzten Minuten in Ruhe und Frieden zu genießen, die letzten Momente in Freiheit, bevor er sein altes Leben hinter sich lassen musste. Heute war es also soweit, heute musste er endgültig Abschied nehmen, musste alles zurücklassen, auch seine Mutter, was ihm am meisten auf der Seele lag. Heath Revedoune hatte ein besseres Leben verdient als das, an der Seite dieses grausamen Mannes, der sich sein Vater schimpfte. Aber er war ja nur ein dummer, kleiner Raylan, ihm waren die Hände gebunden.
 

Seine Finger verkrampften sich um das glatte Holz, hätten sich wohl zu Fäusten geballt, denn schon jetzt traten die Knöchel weiß unter der hellen Haut hervor. Hass wallte in ihm auf, tiefer, abgrundtiefer Hass auf seinen Erzeuger, auf alle Männer, inklusive seines zukünftigen Ehemannes, der es noch nicht einmal für nötig befunden hatte, ihn im letzten halben Jahr auch nur einmal zu besuchen, sich vorzustellen oder irgendetwas dergleichen. Nicht einmal zur offiziellen Verlobung war er anwesend, da hatte er einen Boten mit dem Ring geschickt.
 

Und obwohl sich Julien wirklich bemüht hatte, freundlich zu sein, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, war er vor Wut beinahe geplatzt. Auch wenn er nur ein dummes, minderwertiges Geschöpf war, eine Ware und nichts anderes, sollte man doch zumindest seiner Familie diese Ehre erweisen. Er hatte eigentlich erwartet, dass Robert vor Empörung an die Decke gehen würde, hatte insgeheim sogar gehofft, dass dieser vor Wut die ganze Abmachung rückgängig machen würde, doch sein Vater hatte nur gelacht, sich noch einen Becher Wein eingeschenkt zu dem halben Dutzend, das er bereits hatte und in der Halle rumposaunt, dass das der richtige Mann für seinen Sohn wäre.
 

Julien war kreidebleich am Tisch gesessen, hatte mit versteinerter Miene den Ring entgegengenommen und sich selbst an den Finger gesteckt, war aufgestanden und hatte sich entschuldigt, bevor er erhobenen Hauptes aus der Halle marschiert war, dabei die mitleidigen Blicke der Dienstboten so gut wie möglich ignoriert hatte.
 

Er konnte sich keine Blöße geben, damals nicht und jetzt auch nicht, er durfte keine Schwäche zeigen. Männer wie Robert und dieser Gabriel, den er heiraten sollte, warteten nur darauf, dass man schwach wurde, damit sie es ausnutzen konnten. Er schloss die Augen. Nein, er wollte nicht so werden wie seine bedauernswerte, gutherzige Mutter.
 

Er würde stark sein, solange er es musste, das schwor er sich. Aber jetzt, hier in seinem großen Zimmer, inmitten dieser Pracht, die er nicht haben wollte, kurz vor den Feierlichkeiten, vor denen er am liebsten weggelaufen wäre, sanken seine Schultern resigniert herab und er war kurz davor, einfach aufzugeben.
 

Schritte auf der Treppe ließen ihn aufhorchen und sein schmaler Rücken straffte sich wieder. Er würde den Teufel tun und sich so einfach unterkriegen lassen! Niemals!

Kaum hatte er sich besonnen, als auch schon die Kammertür aufflog und seine beiden Leibdiener Jonas und Marc hereinstürmten, sofort anfingen, wie wild auf ihn einzuplappern.
 

"Herr, Ihr könnt euch wahrhaft glücklich schätzen..." - "So ein Bild von einem Mann..." - "...Ihr werdet sicher ein wundervolles Paar abgeben...." - "... so furchtbar gutaussehend und stattlich..." - "... und seine Brüder...." - "... ganz bestimmt auch andere Qualitäten...."
 

Julien rollte die Augen und brachte die beiden jungen Raylans mit einer harschen Handbewegung zum Schweigen. "SO und nun noch mal langsam... wovon sprecht ihr überhaupt?", fragte er dann ruhig nach.
 

Jonas und Marc wechselten einen stummen Blick. "Na von eurem Ehemann!", antworteten sie dann wie aus einem Mund.

Die Stirn des jungen Herrn kräuselte sich leicht. "Er ist also ganz ansehnlich?" Naja, ein Pluspunkt, auf jeden Fall, er hatte schon befürchtet, dass er mit einer Kröte verheiratet werden würde. Er hatte ja nur gewusst, dass sein Zukünftiger zumindest gesund war, sonst hätte ihn sein Vater nicht ausgesucht, da er ja auf Erben spekulierte.
 

Nun wurde der Blick seiner Zofen entsetzt. "Ansehnlich???" Jonas schien sich kaum noch einzubekommen. "ANSEHNLICH? Herr, so einen Mann habt Ihr noch nicht gesehen! Ich möchte wohl behaupten, das ist einer der Bestaussehendsten von ganz England!"

Nun gut, der kleine Diener mit den feuerroten Haaren neigte ab und zu zur Übertreibung, aber in diesem Fall schien er es sogar ernst zu meinen.
 

"Ach wirklich?" Julien klang nicht unbedingt begeistert. Sicher, es war wohl angenehmer, mit einem gutaussehenden Mann zusammenzuleben als mit einer Gesichtsbarracke, aber das änderte nun mal rein gar nichts am Charakter des Betreffenden. Und der war unbestritten mehr als schlecht!
 

Er bemerkte am Rande, wie Jonas ihn angaffte. "Aber Herr, Ihr müsst doch zugeben, dass es ja wohl angenehmer ist, das Bett mit einem Mann zu teilen, dessen Schwanz noch nicht verfau...." Marc hielt ihm schnell die Hand vor den Mund.

"Lässt du wohl das Geschwätz, dummes Ding, davon will der Herr doch gar nichts wissen!", schalt er böse und warf Julien einen entschuldigenden Blick zu.

"Verzeiht ihm, Herr, nur Dienstbotengeschwätz, nichts weiter..." So etwas gehörte nicht in die Ohren vom jungen Herrn. Jonas grummelte leise, fügte sich aber, obwohl er bei sich dachte, dass es seinem Herrn gar nichts schaden würde, über dererlei Dinge schon Bescheid zu wissen.
 

Julien sah verwirrt von einem zum anderen. Er hatte nicht die geringste Ahnung, um was es gerade ging, vermutete aber, dass es etwas mit dem Geschehen nach der Bettzeremonie zu tun hatte. Nun ja, diesem Problem würde er sich widmen, wenn es an der Zeit war, bis dahin musste er erstmal diesen furchtbaren Tag überleben.
 

Marc trat einen Schritt vor. "Herr, die beiden jüngsten Brüder eures zukünftigen Gemahls, Sir Raphael und Sir Michael bitten um ein kurzes Gespräch mit Euch... soll ich sie hereinbitten, sie warten vor der Tür..."
 

Der junge Erbe runzelte die Stirn noch weiter, ließ es dann aber bleiben, als er sich an eine der letzten Anweisungen seiner Mutter erinnerte. Heath hatte ihm eingeschärft, dass er es lassen sollte, weil sich sonst vorzeitig unschöne Falten bilden würden.
 

Seufzend nickte er. "Sicher, warum nicht, ich sitze hier ohnehin nur herum..." Es gab für ihn im Moment rein gar nichts zu tun, außer zu warten und wenn er ganz ehrlich war, dann plagte ihn schon die Neugierde auf seine neue... Familie. Er traute sich kaum, das Wort überhaupt zu denken, denn bis jetzt hatte seine einzige Familie aus seiner Mutter, seinem Lehrer und vielleicht noch seinen Zofen bestanden, das war es dann aber auch schon... Und jetzt sollte er gleich und sofort einen Ehemann und vier Schwager bekommen. Von der restlichen Ascottsippe mal ganz zu schweigen. Er schätzte, dass gut zwei Drittel der gesamten Hochzeitsgäste unter dem Leopardenbanner ritten, wenn das mal reichte. Der Rest bestand aus nichtsnutzigen, reichen Freunden und Bekannten seines Vaters. Sogar diesen widerwärtigen Chatworth hatte er eingeladen.
 

Julien konnte wirklich froh sein, dass dieses Mastschwein zwar reich, aber nicht besonders potent war, sonst wäre er womöglich noch an den verschachert worden. Gegen diesen Kerl war selbst sein Vater ein unbescholtenes Engelchen! Der arme Raylan, den Edmund Chatworth als nächstes heiraten würde. Vier Ehemänner hatte er ja schon unter die Erde gebracht... Der Junge war zwar recht abgeschieden von allem aufgewachsen, doch er hatte immer darauf geachtet, zu wissen, was draußen in der Welt vor sich ging, wie die politischen Verhältnisse gerade standen, wie Politik gemacht wurde. Und Heath hatte nie etwas dagegen einzuwenden gehabt, dass Julien sich auch damit beschäftigte, für einen Abt waren die politischen Ränke genauso wichtig, wenn er sich behaupten und sein Kloster halten wollte, wie die Verwaltung seiner Güter an sich.
 

Er legte die Schmuckschatulle beiseite, das Collier aus purem Gold, mit den wertvollsten Edelsteinen besetzt, das ihn allerdings immer mehr an ein Halsband, als an irgendetwas anderes erinnerte, würde er noch früh genug tragen müssen.
 

Kaum hatte er seine rostfarbene Tunika etwas zurechtgezupft, führte Marc auch schon die beiden Besucher herein. Julien bemerkte sofort die Sternchen, die in Jonas' Augen erschienen, als er die Männer unverschämt von oben bis unten musterte. Etwas peinlich berührt über das ungehörige Verhalten schickte er seinen Diener aus dem Raum.
 

Vorsichtig sah er die Brüder an, er wusste ja nicht, wie diese auf so etwas reagierten. Geduldig wartete er, bis Marc sie einander vorgestellt hatte, streckte dann elegant seine Rechte aus. Raphael sank zu seiner Überraschung sofort auf ein Knie nieder, griff seine schmalen Finger mit seiner vergleichsweise riesenhaften Hand und hielt sie fest, als wäre sie aus kostbarstem Porzellan, während er mit größter Vorsicht einen Kuss auf den Handrücken hauchte. Julien blinzelte irritiert. Eine solche Ehre hatte ihm noch niemals irgendwer erwiesen.

"Herr, wir heißen Euch in der Familie Ascott willkommen, auch im Namen unseres nichtsnutzigen Bruders, den ihr zu heiraten gedenkt..." Der junge Mann erhob sich wieder und ein Grübchen erschien in seiner Wange, als er Julien freundlich anlächelte.
 

Automatisch erwiderte dieser die Geste, war überrascht, wie sympathisch er seinen Schwager in spe jetzt schon fand. Er nickte leicht. "Ich danke Euch vielmals, Sir Raphael....", meinte er leise, wie es ihm seine Mutter eingeschärft hatte, obwohl ihm sofort tausend Fragen auf der Zunge lagen. Aber ihm gefiel, dass der Mann offensichtlich versuchte, die Situation mit etwas Humor zu entspannen.
 

Schnell wandte er sich Michael zu, sah ihn zum ersten Mal richtig an und verstand nun, warum Jonas so komisch ausgesehen hatte. Raphael war schon ein äußerst gutaussehender Mann, sehr groß und kräftig gebaut mit schwarzen Haaren, die sich im Nacken ganz leicht kringelten und warmen, braunen Augen, einem kantigen Kinn und einem Mund, dem man ansah, dass er gerne lächelte.
 

Michael allerdings übertraf ihn noch um Einiges. Auch er hatte schwarze Haare, die ihm allerdings sehr glatt in die Stirn fielen, dunkelgraue Augen über einer geraden Nase und einem fein geschwungenen Mund. Seine Statur war wesentlich schlanker als die seines Bruders, auch wenn man ihm ansah, dass er vermutlich ein hervorragender Kämpfer war. Doch das Bemerkenswerteste an ihm war seine alles überlagernde Ausstrahlung von Macht und das Wissen um diese. Dieser Mann wusste, dass er gut aussah, welche Wirkung er auf andere hatte, doch er machte nicht den Eindruck, als würde er das ausnutzen wollen.
 

Der Blick aus den stechenden Augen war prüfend, etwas zurückhaltend, aber nicht unfreundlich, so, als wisse er noch nicht recht, was er von Julien halten sollte.

Es animierte den Raylan auf jeden Fall, sein Lächeln noch etwas zu vertiefen, was den Älteren zu entspannen schien. Mit einer vollendeten Verbeugung neigte er sich über die Hand des Kleineren und küsste sie sanft. Doch er sprach bis auf ein paar begrüßende Worte nichts weiter, blickte Julien nur unverwandt und scheinbar sehr fasziniert an, was diesen ein wenig irritierte. Er war es ganz und gar nicht gewöhnt, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen, aber er tolerierte es.
 

Schon bald spann sich zwischen ihm und Raphael ein lebhaftes Gespräch und erst, als sich seine neuen Schwager verabschiedeten, merkte der junge Bräutigam, dass er soeben alle Regeln gebrochen hatte, die ihm seine Mutter noch für den Umgang mit Männern eingeschärft hatte. Er hatte weder den Blick gesenkt, noch die Stimme gedämpft gehalten. Er hatte auch nicht verborgen, dass er durchaus wusste, wovon er sprach und einen Kopf auf den Schultern hatte, den er zu benutzen gedachte.
 

Seufzend schlug er sich die Hand vor die Stirn, rieb dann aber über die schmerzende Stelle, nicht auszudenken, wenn da ein Fleck blieb, Marc und Jonas würden toben. Resigniert ließ er sich zurück auf den Stuhl sinken, auf dem er schon vorher gesessen hatte. Wenigstens war seine neue Verwandtschaft nett und er entschied, das Beste aus dieser ekelhaften Situation zu machen, schon allein, weil ihm gar keine andere Möglichkeit blieb.
 

Er straffte sich wieder. Fähigkeiten hatte er genug und so leicht konnte man ihn nicht unterkriegen, immerhin war er ein Revedoune, auch wenn er nie viel Wert auf seine Abstammung gelegt hatte, wenigstens die Sturheit und den starken Willen hatte ihm sein Vater vererbt, er hoffte nur, dass es auch dabei blieb. Er würde sich beweisen, das nahm er sich fest vor.

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
 

Raphael und Michael schlossen die Tür hinter sich. Einen Moment lang blickten sie sich stumm in die Augen, fingen dann synchron an zu grinsen. Ihr Bruder würde sich noch umsehen, aber gewaltig! Das da drin war kein Püppchen, das sich mit etwas Stoff zufriedengeben würde, das war eine Persönlichkeit, eine kleine zwar nur, aber dennoch...
 

Der Ältere zwinkerte seinem Bruder zu. "Denken wir gerade das Gleiche?", fragte er mit einem unterdrückten Lachen in der Stimme.

Mike sah ihn fragend an. "Was meinst du?" Bezog sich der Andere jetzt nur auf Julien oder noch auf etwas anderes?
 

Raphael streckte sich leicht, kratzte sich am nicht vorhandenen Bart. "Ich denke, wir haben so eben den hässlichsten Raylan gesehen, der uns je begegnet ist, was denkst du? Diese struppigen Haare, dieser unförmige Leib, die spröde Stimme... ein wahrer Hexer, oder?" In seinen Augen tanzte der Schalk. Oh, wie er es genießen würde, seinem rechthaberischen Bruder gewaltig eins auszuwischen.
 

Michael musterte seinen Bruder einen Moment verwirrt, doch dann glomm Verstehen in seinen grauen Augen auf und ein kleines, gemeines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. "Oh ja, wahrhaft furchterregend! Und so riesenhaft, fast ein richtiger Mann....", spann er den Faden weiter.
 

Die beiden nickten sich zu. "Komm, wir werden unserem geliebten Gabriel beichten, was für eine Schreckgestalt er heiraten wird...." Fürsorglich schlang Raphael einen Arm um die Schultern Mikes, als wolle er ihn nach dem durchstandenen 'Schrecken' stützen.
 

Lachend zogen die beiden von dannen, achteten aber darauf, dass Gabriel sie nicht sah, bevor sie sich nicht wieder in der Gewalt hatten, damit ihnen die schöne Scharade nicht verdorben wurde. Das hatte der Halunke wirklich verdient!
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Julien trat wieder ans Fenster, sah durch die bunten Scheiben hinaus auf das emsige Treiben, das auf der Wiese hinter der Burg herrschte. 300 Ochsen, 900 Schweine, 800 Fasane und Rebhühner, 400 Stück Wildbret, dazu zentnerweise Kartoffeln, literweise Soßen, Hunderte von Törtchen, Pudding, die Liste, die er sich gedanklich bei den Hochzeitsvorbereitungen gemacht hatte, ließ sich ewig so weiterführen.
 

Mehrere Tausend Ellen Stoff waren zu riesigen Baldachinen verarbeitet worden, um die Gäste zu schützen, sollte es wider Erwarten regnen. Doch es war ein schöner Tag im Frühsommer, perfekt für eine schöne Hochzeit, die Leute jetzt schon ausgelassen, nur ihn wollte diese Stimmung nicht so recht anstecken.
 

Sicher, sein Vater hatte es sich nicht nehmen lassen, all seinen Reichtum zu präsentieren, damit zu protzen, wo es nur ging, damit es auch ja niemand übersah. Julien schätzte, dass Robert sich augenblicklich mit einem Humpen Bier irgendwo dort unten befand und mit seinen Freunden, vielleicht sogar mit seinem zukünftigen Ehemann prahlte. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken.
 

Er hatte sich gewehrt, dass so viel Geld für seine Hochzeit verschwendet wurde, zumal er ja wusste, was man mit dem ganzen Gold anderes hätte anfangen können. Er war einfach zu sparsam für einen solchen Protz. Viel lieber hätte er die Burg ein wenig erweitert, aber solche Sachen gingen ihn ja nichts an, obwohl er da wirklich gute Ideen hätte....
 

Energisch rief er sich zur Ordnung. Erstens würde sein Vater ihm ohnehin nicht zuhören und zweitens war dieses Anwesen jetzt nicht mehr seine Sache. Er würde heute fortgehen und nicht mehr so schnell zurückkehren. Er befürchtete nur, dass er es aus weniger schönem Anlass müsste. Doch daran wollte er im Moment nicht denken.
 

Er blickte auf sein weißes Hochzeitsgewand, die weiten, weißen Hosen, die fest anliegende Tunika, die seinen schmalen Körper noch besser zur Geltung brachte. Er hasste das Ding jetzt schon. Es was über und über mit feinster Stickerei übersäht, natürlich mit weißem Faden, kaum sichtbar, aber es verlieh dem Stoff einen unschätzbaren Wert. Seine Mutter hatte nächtelang daran gesessen, Heath hatte darauf bestanden, dass ganze Gewand selbst zu nähen, keine der Schneiderinnen daran zu lassen.
 

Und selbst der Schleier wies feine Stickereien auf, oben an dem Blütenkranz aus kleinen, weißen Rosen. Es trieb ihm die Tränen in die Augen, als er sich erinnerte, wie viel Mühe und Schmerzen es seine Mutter gekostet hatte, mit dem gebrochenen Arm zu nähen, doch durch nichts hatte er sich davon abhalten lassen, weiterzumachen.
 

Julien strich vorsichtig über den Saum der Tunika. Seine Mutter war stärker als er selbst zugab und doch schaffte er es nicht, sich wenigstens mental von Robert zu lösen. Der kleine Raylan hatte den Verdacht, dass Heath seinen Vater trotz allem immer noch liebte, immer noch hoffte, wo es keine Hoffnung mehr gab. Und er hasste den Gedanken.
 

Leise öffnete sich die Tür und seine Zofen kamen hereingehuscht. Sie strahlten beide über die ganzen Gesichter. "Es ist Zeit, Herr, Ihr müsst jetzt baden und Euch ankleiden...."
 

Julien sah noch einmal zum Fenster. Wie sehr wünschte er sich, ein Vogel zu sein und einfach davonfliegen zu können. Doch er war keiner und es wäre besser, er würde sich nicht mit nutzlosen Gedanken aufhalten, sondern praktisch denken, wie er es sonst auch tat. Also hob er das Kinn und ließ sich aus den Kleidern helfen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Robert Revedoune schritt mit stolzgeschwellter Brust durch das Spalier der Hochzeitsgäste. Nur noch ein paar Meter bis zur Kirche, dann war er seinen nichtsnutzigen Sohn los und bald würde er sich über einen Erben freuen können. Er musste ja zugeben, dass der Junge wirklich hübsch war, um nicht zu sagen fast schön, aber was brachte das bei seinem neugierigen, vorlauten Wesen? Was sollte diese Wissbegierde bei einem Raylan? Aber das sollte ja nun nicht mehr sein Problem sein. Wenn die Tage der Hochzeit vorbei waren, würde er sich wieder zurücklehnen und der Jagd widmen können.
 

Am Zügel führte er einen prachtvollen, weißen Hengst, der Julien trug. Der zierliche Junge wirkte in den weißen Gewändern noch jünger, seine rotbraunen Haare, die er offen trug, wurden fast vollständig vom Schleier verdeckt, wie auch sein Gesicht.
 

Die Menge jubelte, als er an ihr vorbeigeführt wurde, nicht wenige verneigten sich vor Ross, Reiter und Führer, erwiesen ihnen die Ehre. Nur noch ein paar Meter, dann würde er vom Pferd gehoben werden. Er konnte bereits das Kirchenportal und den wartenden Priester sehen. Und daneben eine große, schlanke Gestalt, sowie die breitere, die er automatisch als Raphael identifizierte. Er hatte noch keinen Mann gesehen, der seinem Schwager auch nur ähnlich war und warum sollte ein Fremder neben dem Bräutigam stehen? Da war sein Bruder als Trauzeuge doch wahrscheinlicher.
 

Gabriel wartete geduldig, bis die Menschen ein wenig beiseite traten und den Blick auf seinen Bräutigam freigaben. Seine Augen weiteten sich. Für einen kleinen Moment fragte er sich, wer die kleine, zierliche Person dort auf dem großen, weißen Pferd wohl sein mochte. Beinahe hätte er sich gegen die Stirn geschlagen, ließ es dann aber aus ästhetischen Gründen sein.
 

Ein schneller Seitenblick zu seinem breit grinsenden Bruder bestätigte seine Vermutung. Die beiden Halunken hatten ihn reingelegt! Ihm war schon angst und bang geworden, als sie seinen Zukünftigen in den leuchtendsten, wenn auch nicht gerade schönsten Farben beschrieben hatten. Fast war ihm der Angstschweiß ausgebrochen. Diese Bastarde! Das würde er ihnen noch heimzahlen!
 

Fasziniert ging sein Blick zurück zu seinem Bräutigam, huschte über die schlanke Gestalt, das vom Schleier verborgene Gesicht, die Spitzen langer, rotbrauner Haare, die darunter hervorlugten. Interessante Farbe.
 

Ohne sein Zutun setzten sich seine Füße in Bewegung, trugen ihn dem kleinen Zug entgegen. Er blieb neben dem Kopf des Tieres stehen, schob seinen Schwiegervater einfach beiseite, der zunächst wütend die Stirn runzelte, aber nichts sagte, er wollte sich vor den Hochzeitsgästen keine Blöße geben. Dunkelrot im Gesicht machte er Platz.
 

Gabriel blickte zu der verschleierten Gestalt auf. Noch immer konnte er Juliens Gesicht nur schemenhaft erkennen und er würde sich gedulden müssen, so war es eben Brauch. Langsam hob er die Arme und die Menge jubelte, als er den Jungen vorsichtig vom Pferd hob. Wie er es sich gedacht hatte, er konnte die Taille des Kleineren, der ihm gerade mal knapp bis zur Schulter reichte, problemlos mit beiden Händen umfassen, so winzig war sie. Am liebsten hätte er den weißen, halb durchsichtigen Stoff zurückgeschlagen und..... doch er beherrschte sich, bot seinem Bräutigam den Arm und führte ihn unter Beifallsbekundungen zum Kirchenportal, wo ihn sein immer noch grinsender Bruder mit dem Pfarrer erwartete.
 

Nebenbei erhaschte er einen Blick auf das zornige Gesicht Robert Revedounes. Recht so, er konnte den widerlichen Kerl einfach nicht ausstehen. Sie hatten sich im Vorfeld der Hochzeit ein paar Mal getroffen und der Mann war ihm auf Anhieb unsympathisch gewesen.
 

Das Brautpaar wurde gesegnet und schritt mit dem Trauzeugen hinter dem Pfarrer den langen Kirchengang entlang. Hinter ihnen strömten die Gäste hinein, denen es gestattet worden war, bei der Messe dabei zu sein und verteilte sich rasch auf die unbequemen Holzbänke.
 

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
 

Leander Chatworth war wütend. Nicht einfach nur ungehalten oder verstimmt, nein, er schäumte vor Wut. Hass wallte in ihm auf, als er die kleine, zierliche Person in weiß da vorne neben seinem Gabriel mit Blicken erdolchte. Was bildete sich dieses mickrige Wesen eigentlich ein? Er hatte sich solche Mühe gegeben, in der Masse von Hochzeitsgästen aufzufallen, hatte leuchtendes Pink für seine Tunika und Hosen gewählt und was tat sein Geliebter?! Übersah ihn einfach!
 

Gabriel hatte nur noch Augen für seinen Bräutigam gehabt und Leander bezweifelte, dass er ihn überhaupt ein einziges Mal wahrgenommen hatte. Flüchtig wandte der blonde Raylan den Kopf zur Seite und bedachte seinen eigenen Ehemann mit einem giftigen Blick. Der fette Ochse war schon wieder halb betrunken und nur seine Konstitution verhinderte, dass er hier auf der Kirchenbank einschlief und zu schnarchen anfing. Jeden anderen Mann hätte das, was Edmund an Alkohol seit dem frühen Morgen in sich hinein geschüttet hatte, schon längst aus den Stiefeln gehauen.
 

Angeekelt wandte sich Leander wieder der Trauungszeremonie zu. Er ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass sich seine Nägel schmerzhaft tief in seine Handballen gruben. Doch es war ein guter Schmerz. Er hinderte ihn daran, nach vorne zu stürmen und dem hässlichen, rothaarigen Flittchen den Schleier herunterzureißen, damit jeder seine Hässlichkeit sehen konnte, die sich gewiss darunter verbarg. Sicher hatte der alte Revedoune seinen Sohn nicht umsonst siebzehn Jahre lang vor der Welt versteckt. Der war bestimmt missgebildet!

Der Gedanke an eine Entstellung des Raylans beruhigte ihn wieder. Wenn der so hässlich war, würde sich Gabriel erst recht nicht von ihm, Leander, abwenden, niemals! Und wenn doch... nun, er würde schon nachzuhelfen wissen.

Langsam entspannte er sich wieder etwas und ließ sich gegen die harte Rückenlehne der Holzbank sinken. Was regte er sich eigentlich auf? Gabriel liebte ihn und nur ihn! Der Mann vergötterte ihn, er würde ihm die Welt zu Füßen legen, wenn er es verlangte, also kein Grund zur Beunruhigung. Da konnte kein noch so dahergelaufenes, karottenhaariges Miststück etwas dagegen tun. Der Gedanke zauberte ein Lächeln auf seine schmalen Lippen. Vielleicht könnte er sich den Bräutigam ja nachher mal entführen, auf ein kleines Stelldichein in den ausgedehnten Gärten des Anwesens. Wäre doch gelacht, wenn er heute nicht noch auf seine Kosten kommen würde.
 

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
 

Julien nutzte seinen Schleier, um seinen zukünftigen Ehemann verstohlen betrachten zu können. Was der Priester auf Latein daherbetete, bekam er nur am Rande mit, er verstand zwar alles, aber es interessierte ihn kaum. Viel mehr faszinierte ihn dagegen Gabriels scharf geschnittenes Profil.

Er musste zugeben, dass Jonas diesmal wirklich nicht übertrieben hatte. Sein Zukünftiger war ein sehr gutaussehender Mann, auch wenn es eine strenge, herbe Schönheit war. Die hohen Wangenknochen, die ausgeprägten Jochbeine, das energische Kinn, die hellgrauen Augen und der ernste Gesichtsausdruck unter glatten, dunkelblonden Haarsträhnen verliehen dem Ascott etwas Besonderes, Einzigartiges, das Julien nicht näher beschreiben konnte. Es faszinierte ihn ungemein und er fragte sich unwillkürlich, wie sich die glatte Haut wohl unter seinen Fingerspitzen anfühlen würde.

Beschämt ob des unzüchtigen Gedankens senkte er errötend den Kopf, sah aber aus dem Augenwinkel, wie Gabriel kurz zu ihm hinüberblickte. Der Blick war irgendwie... seltsam. Wärme kroch von seinem Magen aus bis in die Finger- und Zehenspitzen. So hatte ihn noch nie jemand angesehen, zumindest nicht, dass er sich dessen bewusst gewesen wäre.
 

Auf einmal spürte er, wie der Größere seine Hand drückte und sah verwirrt auf. Er hörte das leise Murmeln hinter sich in der Kirche, konnte er sich aber keinen Reim darauf machen. Erst als er bemerkte, dass der Priester ihn ganz offensichtlich erwartungsvoll anschaute, wurde ihm bewusst, dass er wohl gerade verpasst hatte, sein Ja-Wort zu geben. Er hörte das leise, drängende Räuspern seines Vaters und wurde sich bewusst, wie das gerade wirken musste. Hastig willigte er in die Ehe ein, sprach mit zitternder Stimme, für die er sich selbst hätte ohrfeigen können, das Ehegelübde nach. Er hatte noch nie gelogen, noch NIE. Aber jetzt im Moment befürchtete er es vor Gott und den Anwesenden zu tun. Er schwor Gehorsam und wusste dabei ziemlich gut, dass er lange brauchen würde, um das zu lernen. Er schwor zu dienen und wusste doch nicht, wie.
 

Betrübt senkte er den Blick wieder, bekam kaum mit, wie der Fremde an seiner Seite ebenfalls die heiligen Worte sprach, allerdings ohne zu zögern und mit sehr fester Stimme. Die Eheringe wurden getauscht, seine Finger zitterten dabei unglaublich. Dann rief er sich aber energisch zur Ordnung. Er hatte zwar keine andere Wahl gehabt, als sich seinem Vater zu fügen, aber er würde das Beste aus der verfahrenen Situation machen. Deutlich strafften sich die schmalen Schultern, was ihm einen verwunderten Seitenblick von Gabriel einbrachte.
 

Wesentlich ruhiger empfing er den Segen des Priesters und doch stockte sein Atem kurz, als er sich zu seinem... Ehemann umdrehte und der vorsichtig den Schleier hochschlug. Die hellgrauen Augen musterten sein Gesicht forschend und Julien fragte sich in diesem Moment, ob dem Anderen wohl gefiel, was er sah. Er wusste ja, dass er nicht gerade unansehnlich war, aber...

Das kleine Lächeln, das Gabriels Mundwinkel umspielte, ließ den Jungen sich wieder etwas entspannen. Er schloss die Augen, als sich der Größere langsam zu ihm hinunterbeugte und ihm einen weichen, sanften Kuss auf den Mund hauchte. Nur wenige Sekunden lang, aber alles andere als eine flüchtige Berührung. Das Gefühl der warmen Haut auf seiner, Gabriels Geruch, der ihm unvermutet in die Nase stieg, machten ihn ganz schwindelig, auch wenn er nicht verstand, warum. Es war wohl nur die Aufregung des Tages und die Tatsache, dass er fast noch nichts gegessen hatte. Ja genau, das würde das Flattern in seinem Magen erklären.
 

Trotzdem war er irgendwie enttäuscht, als der kurze Körperkontakt schon so schnell wieder vorbei war. Man musste es ihm irgendwie angesehen haben, denn ein leichtes Grinsen zierte das Gesicht seines frisch Angetrauten, das Julien nicht richtig einordnen konnte und von dem er noch nicht wusste, ob es ihm gefiel oder nicht.

Gabriel legte die Hand des Jungen in seine Armbeuge und führte ihn durch den Kirchengang nach draußen, wo sie von der jubelnden, frenetisch klatschenden Menschenmenge empfangen wurden. Blütenblätter in allen Farben waren auf den Weg gestreut worden und selbst von oben regnete es die bunte, duftende Pracht.
 

Gabriel wurde es zu viel. Er hatte jetzt nicht die geringste Lust, irgendwelche Hände zu schütteln, die nicht enden wollende Reihe an Gratulanten zu empfangen. Kurzerhand schnappte er sich Julien, hob ihn auf den Rücken des Hengstes, auf dem er gekommen war, schwang sich hinter den Jungen in den Sattel und gab dem tänzelnden Tier den Kopf frei, das sofort auf und davon in Richtung Anwesen galoppierte. Hinter sich brandete noch mehr Jubel auf. Anscheinend fanden es die Leute toll, dass der Bräutigam seinen frisch Vermählten einfach entführte. Sollten sie, solange sie nur nicht so schnell nachkamen. Es juckte ihn in den Fingern, Juliens weiches, puppenhaftes Gesicht erneut zu berühren, ihn zu küssen, ihm zu zeigen, wie eingenommen er von ihm war.

Als er den Schleier zurückgeschlagen hatte, war ihm fast der Atem weggeblieben. Er hatte ja schon bemerkt, dass der Kleine ein hübscher Kerl war, aber diese Art von Schönheit hatte er noch niemals gesehen. Sein Ehemann übte unbestrittener maßen schon jetzt eine unglaubliche Faszination auf ihn aus, die er sich nicht erklären konnte noch wollte. Aber es machte ihn ungeduldig auf den Zeitpunkt nach dem elenden Bankett. Am liebsten hätte er sich den Jungen einfach gepackt und wäre ganz auf und davon, aber das ging dann doch nicht. Er konnte seinen Schwiegervater und die Hochzeitsgäste nicht jetzt schon dermaßen brüskieren, sonst riskierte er noch unnötigen Ärger. Später hatte er noch genug Zeit, sich dem zierlichen Leib zu widmen, solange würde er sich eben noch gedulden, auch wenn es ihm schwer fiel.
 

Er lenkte den Hengst auf eine kleine Anhöhe vor dem riesigen Anwesen der Revedounes und zügelte das Tier sanft bis es anhielt. Schnell schwang er sich aus dem Sattel und half Julien dann vom Pferd. Der Kleinere musterte ihn immer noch verwirrt, aber nicht ängstlich. In seinem Blick mischte sich eher Neugierde mit... ja mit was eigentlich? Wenn Gabriel ehrlich war, er hatte so einen Blick noch nie bei einem Raylan gesehen. Den meisten standen die Herzchen praktisch in der Iris, wenn sich ihre Augen auf ihn richteten. Lästig. Aber hier... nun gut, dafür hatte er später noch genügend Zeit, jetzt musste er sich erstmal wieder unter Kontrolle bekommen.
 

Seufzend ließ er sich ins Gras fallen und klopfte neben sich, als sein Ehemann etwas unschlüssig dastand, nicht zu wissen schien, ob er es ihm gleich tun sollte oder nicht. Julien zögerte noch kurz, setzte sich dann aber vorsichtig, achtete sorgsam darauf, dass sein Hochzeitsgewand keine Grasflecken bekam.

Gabriel lächelte sanft um dem Jungen etwas die Scheu zu nehmen. "Tut mir leid, dass ich dich einfach so entführt habe, aber die Gäste... na ja, ich hatte jetzt nicht wirklich Lust, irgendwelche Glückwünsche entgegenzunehmen...", entschuldigte er sich leise. Es konnte ja nicht schaden, wenn er nett war, zumal der Kleine ja noch kein Wort gesagt hatte, seit sie sich kannten. Wahrscheinlich hatte er doch Angst, schließlich hatte Robert ihm ja gesagt, wie zurückgezogen Julien aufgewachsen war, da war es ja kein Wunder, wenn er sich so scheu benahm.
 

Angst hatte der Junge allerdings keine. Vielmehr wusste er im Moment noch nicht, was er mit seinem Ehemann anfangen sollte. Der große Mann war so... anders als er es sich vorgestellt hatte. Er war nicht grob, er war nicht laut oder ungehobelt, wie er es von den Kumpanen seines Vaters und diesem selbst gewöhnt war, ganz im Gegenteil. Seine Stimme klang angenehm, er drückte sich kultiviert aus und man merkte sofort die Bildung, die er genossen haben musste. Auch versuchte er nicht, ihn irgendwie zu bedrängen oder sich über ihn lustig zu machen, wegen der peinlichen Szene in der Kirche. Hatte seine Mutter vielleicht unrecht gehabt und nicht alle Männer waren so wie sein Erzeuger?
 

Vorsichtig erwiderte er das Lächeln. "Ist schon in Ordnung, es war wirklich sehr... laut da..." Noch zögerte er, mehr zu sagen, einerseits waren da die Dinge, die ihm Heath eingeschärft hatte, andererseits sah ihn sein Gatte zu freundlich und wohlwollend an, dass es ihm unter den Nägeln brannte, all seine Fragen zu stellen, die ihm schon sein Monaten auf der Seele lagen. Zum Beispiel, warum Gabriel nie vorher Kontakt mit ihm gesucht hatte. Er entschied, dass diese Fragen auch noch länger warten konnten und dass sie ab jetzt ja genügend Zeit hatten sich gut kennen zu lernen. Er war kein nachtragender Mensch und anscheinend hatte er sich ja wirklich in dem Anderen getäuscht. Wusste er denn, warum sein Gatte verhindert gewesen war? Vielleicht hatte er ja gar nicht im Land geweilt, möglich wäre es ja. Jemand, der ihn so ansah, hätte ihn doch im Vorfeld nicht böswillig ignoriert, oder?
 

Sittsam faltete der junge Mann die Hände im Schoß und wartete einfach ab, ob Gabriel noch einmal das Wort an ihn richtete. Ein passendes Gesprächsthema wollte ihm im Moment nicht einfallen und er wollte auch nicht schon am ersten Tag einen schlechten Eindruck hinterlassen, indem er zu aufdringlich wirkte.

Sein Gatte schien allerdings an keinem Gespräch interessiert zu sein. Für den Augenblick begnügte er sich damit, den Jungen ausgiebig zu mustern, jede Einzelheit der feinen Gesichtszüge mit seinen Augen zu untersuchen. Das Verlangen, den Kleineren erneut zu küssen, diesmal aber richtig, wurde übermächtig. Er wollte die weichen Lippen wieder auf seinen spüren, wollte die Reaktion des schmalen Körpers fühlen.
 

Langsam beugte er sich nach vorne, gab dem Jüngeren genügend Zeit, sich gegebenenfalls zurückziehen zu können, falls er diesen Kontakt nicht wünschte, doch der sah ihn nur aus großen, hellbraunen Augen neugierig an, schien gar nicht recht zu wissen, was sein Ehemann von ihm wollte.

Gabriel musste erneut lächeln über so viel Unschuld, überbrückte dann den letzten Abstand, der sie noch voneinander trennte und senkte seine Lippen auf den Mund des Jungen. Vorsichtig und tastend zuerst, um Julien nicht zu erschrecken, fester aber immer noch sanft, als er merkte, dass der Kleine keine Anzeichen von Furcht oder Ekel zeigte. Er liebkoste die weiche, vollen Lippen ausgiebig, ließ seine Zungespitze flüchtig darüber streichen, zog sich zurück, kam erneut, diesmal für länger. An Juliens Reaktion erkannte er, dass der so etwas noch nie gemacht hatte.
 

Es brauchte eine ganze Weile, bis der Braunhaarige auf den Kuss einging, begann Gabriels Bewegungen schüchtern nachzuahmen, noch etwas ungeschickt, aber trotzdem neugierig. Willig öffnete er die Lippen, als der Ältere etwas mehr drängte, wehrte sich nicht gegen den Eindringling, auch wenn es ein seltsames Gefühl war. Ob Verheiratete das immer so machten? Warum hatte er dann so was nie bei seinen Eltern beobachtet? Lag es daran, dass Robert einfach ein grausamer Mann war und dieser Kuss so ungleich zärtlicher? Wahrscheinlich war sein Erzeuger gar nicht in der Lage solche Dinge zu geben, der konnte nur fordern.
 

Nach und nach wagte sich seine eigene Zunge wieder vor, gelockt und verführt von Gabriels langsamen, geduldigen Bewegungen und Liebkosungen. Es war alles so neu, so ungewohnt, noch nie war ihm jemand zu nahe gewesen. Er konnte den Geruch seines Mannes riechen, seinen herben Geschmack schmecken, in die grauen Augen sehen, die sich etwas verdunkelt hatten. Er konnte das leichte Lächeln auf den weichen Lippen spüren, die sich nun fordernder gegen seine drängten.

In seinem Magen flatterte es wieder aufgeregt, sein ganzer Körper begann, wie wild zu kribbeln. Seltsam, aber nicht unangenehm, wie die ganze Situation. Seine Lider klappten langsam nach unten und als er feststellte, dass er sich so viel besser auf die vielen Empfindungen konzentrieren konnte, die auf ihn einstürmten, schloss er die Augen ganz, widmete sich einfach nur dem süßen, zärtlichen Kuss, der ihm geschenkt wurde.

Als Gabriel sich nach viel zu kurzer Zeit löste, ging Juliens Atem rasch, sein Herz hämmerte wie verrückt in seiner Brust, dass er den Eindruck hatte, der Andere müsste es hören. Mit sich kämpfend drückte er eine Hand gegen den schmalen Oberkörper und öffnete die Augen wieder.
 

Der Blonde schluckte krampfhaft und es kostete ihn ziemlich viel Beherrschung, nicht hier und jetzt einfach über seinen Ehemann herzufallen. Die vollen Lippen leicht gerötet und noch leicht feucht von ihrem Kuss luden zu mehr ein, die hellen Wangen waren etwas dunkler schattiert, die Augen leicht verschleiert. Ob der Junge wusste, wie verführerisch er in diesem Augenblick aussah? Wahrscheinlich nicht.
 

"Ich denke, wir sollten zurückgehen...", meinte er etwas abrupt, denn wenn er sich jetzt nicht erhob, würde er etwas sehr peinliches tun, da war er sich sicher. Er stand auf und reichte Julien seine Hand, um ihm aufzuhelfen.
 

Der Kleinere blinzelte verwirrt und plötzlich aus seinen schönen Gefühlen gerissen. Was sollte denn das auf einmal? Hatte es Gabriel nicht gefallen? War er vielleicht zu ungeschickt gewesen. Rasch schluckte er eine entsprechende Frage hinunter. Es gehörte sich nicht, so etwas zu fragen. Also atmete er einmal tief durch und ließ sich von dem warmen Ausdruck der grauen Augen, die noch immer auf ihm ruhten, beruhigen. Später war genug Zeit.

Er ließ sich aufhelfen und klopfte sich ein paar Grashalme von der weiten Hose. "Du hast recht, gehen wir zurück, die Gäste werden schon warten..." Er fühlte sich leicht, so unglaublich beschwingt wie noch nie in seinem Leben und aus irgendeinem Grund fiel es ihm schwer, seinen Blick von Gabriels hochgewachsener Gestalt zu lösen. Unwillkürlich fragte er sich, ob der Andere ihn wieder küssen würde, wenn sie heute Abend allein waren. Und dann? Tja, das würde er dann wohl erfahren und wenn er ehrlich war, inzwischen plagte ihn deswegen schon die Neugierde. Aber er traute sich nicht, Jonas oder Marc beiseite zu nehmen und sie zu fragen, das gehörte sich nicht für einen jungen Herren von Stand. Und außerdem würde er wohl spätestens morgen früh schlauer sein... hoffte er.
 

Julien war etwas überrascht, dass Gabriel seine Hand nicht wieder losließ, als er zu dem grasenden Pferd hinüberging. Er löste sich erst, als er den Jungen in den Sattel hob und sich wieder hinter ihn schwang. In gemächlichem Trab lenkte er das Tier in Richtung Schloss und umschlang die schmale Taille des Braunhaarigen mit einem Arm, während die andere Hand die Zügel hielt. Julien zögerte wieder einen Moment, lehnte sich dann aber einfach an die breite Brust seines Gatten und da dieser sich nicht versteifte oder protestierte oder sonstwie ablehnend reagierte, blieb er so, bis sie die extra hergerichteten Festanlagen vor dem Schloss erreichten. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich sicher und... beschützt. Er hatte das Gefühl, als könnte ihm nichts und niemand etwas anhaben, er war einfach nur glücklich. Die Zukunft, die ihm heute Morgen noch so grau und trist erschienen war, hatte jetzt einen ganz neuen Glanz bekommen. Vielleicht, ja vielleicht würde doch noch alles gut werden.

Eigentlich war er ja zu realistisch um sich in solchen Tagträumereien zu verlieren, aber in diesem Fall gestattete er es sich. Es war sein Hochzeitstag, also durfte er auch unbeschwert sein Glück genießen, auch wenn er ihm noch nicht so ganz traute.
 

So in seinen Gedanken versunken bemerkte er die Gestalt nicht, die sich aus der Menge von feiernden Gästen löste und auf das frisch vermählte Paar zukam. Und er bemerkte nicht den Gesichtsausdruck, den sein Vater dabei hatte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  chrishe
2009-02-01T17:08:54+00:00 01.02.2009 18:08
Diese Geschichte kann doch hier nicht abbrechen. Das ist nicht fair.
Komm sag schon: Du hast dich mit animexx überworfen und deshalb postest du hier nicht mehr. Die vollständige fanfic finden wir aber......wo?
Wie bei "Miracles" ist der Schreibstil einfach genial und die Story hat noch soviel Potential. Bitte ein neues Kapitel, für deine Fans *bettel, bettel, bettel*
Ich werde warten. LG
Von:  Niedy
2006-09-29T16:17:52+00:00 29.09.2006 18:17
hab die story erst heute entdeckt... und ich muss sagen, was ich bis jetzt gelesen habe, gefällt mir sehr :) *mehr will* es gab leider schon länger kein Update mehr... ist die story eingefroren? ;____;
LG Julia
Von: abgemeldet
2006-07-05T15:49:46+00:00 05.07.2006 17:49
oh man, das ist so eine wunderbare ff und es gibt nur sooo wenig kommis???

Ich hab zwar schon ein kommentar auf ff.de geschrieben, aber weil zu diesem kapitel noch gar keine hier standen, schreib ich jetzt einfach noch mal.

ich liebe diese ff, deswegen ist sie auch bei meinen favos, aber ich würd mir wünschen, dass es etwas schneller mit dem nächsten kapitel weiter geht.. ich warte schon so lange.... -.-

wirklich klasse ff und klasse geschrieben^^

hoffentlich dauerts bis zum nächsten Kommentar meinerseit nicht mehr all zu lange ;-)
*flausch*
Anu


Zurück