Schuld
So, hier sind das erste Kapitel mit einem kleinen Prolog ^^
Wäre um Kommies froh ^^
Wenn ich ein Bild zu diesem Kapi malen müsste, wäre es düster und bedrückend...
Eure Dragon
Disclaimer
Diese Geschichte ist eine Fiktion, es besteht keinerlei Zusammenhang mit real existierenden Personen, Orten oder Ereignissen. Gewisse Methoden bei Gericht und im Krankenhaus sowie die Gesetze zur Toterklärung einer Person sind ebenfalls frei erfunden.
Kopfüber
Prolog
Manchmal sitze ich auf dem Boden, vor dem Telefon. Ich hebe den Hörer ab und wähle deine Nummer, bete, dass du zu Hause bist. Denn ich kann alleine nicht funktionieren.
Heb ab! Geh ran, na los...!
Und dann rinnen Tränen über meine Wangen, kullern auf den Teppich. Der Hörer fällt klackernd aus meiner Hand, das Freizeichen brennt in meinen Ohren.
"Ja?! Hallo?! ... Hallo?!"
Ein leiser Schluchzer dringt aus meiner Kehle. Deine gutmütige Stimme, deine Worte flattern aus der Muschel wie Federn. Sie sind weiss...
Ich spreche deinen Namen. Meine Stimme klingt nun wieder fest. Ich höre dein Schmunzeln. "Hast du mich vermisst...?"
1. Kapitel Schuld
Diese Geschichte nimmt ihren Anfang da, wo sie auch hätte zu Ende sein können, hätte sie ein anderer erzählt. Doch nun bin ich die Erzählerin und ich stelle das Ganze auf meine eigene Weise dar.
Vielleicht wäre die Geschichte heller, freundlicher, hätte ein anderer sie erzählt. Doch nicht immer ist hell und freundlich das, was der düsteren, grausamen Wahrheit entspricht und all die Gefühle, der Schmerz, die Eifersucht und die tiefe Liebe und Verehrung würden im hellen Schein der Freundlichkeit untergehen...
Im flackernden Licht der hin und her schwingenden Kerzen nur schwer zu erkennen, strahlend schwarz die Gewänder und im Kontrast dazu bleich wie der volle Mond die Gesichter aller Anwesenden. Dieser düstere Abend war etwas Besonderes. Nebelschwaden umgriffen die Knöchel wie kalte Hände aus den Gräbern, welche den Kiesweg säumten.
So manchen der schwarz gewandeten Teilnehmer an diesem unheimlichen Zug suchte beim Anblick der mit Efeu überwucherten Grabsteine eine unangenehme Gänsehaut heim. Der sechzehnjährigen Maja Graf erging es nicht anders. Nur zu heftig pochte ihr Herz in diesem Moment, sie fühlte sich allein. Sie fror an den Händen, in denen sie ehrfürchtig eine dicke weisse Kerze trug. Immer wieder biss sie sich auf die schwarz geschminkte Unterlippe, welche mit den ebenfalls schwarz umrandeten grünen Augen deutlich aus dem schneeweissen Gesicht hervorstach.
Ein paar Schritte noch, dann würden wir unser Ziel erreicht haben; die lebensgrosse Skulptur eines gehörnten Engels, weit versteckt und vergessen in den alten Gefilden des städtischen Friedhofes. Vor der Statue: ein weisser Sockel, auf dem sich nun, als sich die vielen schwarzen Kerzenträger langsam sammelten, eine grosse schlanke Gestalt einfand.
Maja stand weit vorne und blickte voller Erwartung auf zu der Gestalt, welche nun ihre Kapuze vom Kopf zog und ihre schwarze Lockenpracht in den lauen Abendwind schüttelte. Unruhiges Geflüster ging durch die Menge, unter welcher auch ich mich befand an jenem schwarzen Abend, dem ein ebenso schwarzer Tag vorausgegangen war.
Ich schaute vor mir auf Majas rote Haare und bemühte mich, an ihr vorbeizuschauen, da sie um einen guten Kopf grösser war als ich und hinter mir drückte jemand meine Hand.
Die junge Schwarzhaarige auf dem Sockel hob feierlich die Hände, die zahlreichen Silberringe blitzten im Kerzenlicht an ihren langen, schmalen Fingern.
"Kinder der Nacht!", sprach sie und die Menge hielt den Atem an. Ihre Stimme war schallend und doch sanft und vertrauenerweckend, die traurigen Töne die sie sprach legten sich nieder auf den finsteren Friedhof. "Dies ist ein trauriger Moment... trauriger als alles, als alles was wir bisher durchgemacht haben, Kinder!" Irgendwo aus den vorderen Reihen war ein leises Schluchzen zu vernehmen. "Wir tragen zu Grabe, den von uns allen verehrten Micha. Es steht geschrieben: ,Der Wille zu leben unterwirft sich die Krankheit. Doch wie willst du mit einem zerbrochenen Willen leben?'... Michas Wille war gebrochen." Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, während vier stattliche Figuren in langen Kapuzenmänteln einen schwarzen Sarg herbeitrugen und das Schluchzen hörbar lauter wurde. Die Luft war erfüllt vom Vollmondschein und von Tränen, und der Stimme der jungen Frau auf dem kleinen Podest. Sie sprach uns allen aus der Seele mit eindringlichen Worten voll Trauer und Mitgefühl.
"Stets bestrebt, ein guter Mensch zu sein hielt unser teurer Freund seine Worte der Weisheit hinter Verschluss, um nicht zu prahlen. Doch liess er sie einmal frei, so waren sie leuchtend und überstrahlten die Dunkelheit... Die Dunkelheit, in welcher Micha schon längst gefangen war, ein Sklave seiner selbst. Kinder, wir konnten ihm nicht helfen!" Ihr ausgestreckter Arm schwenkte über unsere Köpfe hinweg und Maja duckte sich vor mir. Schuldbewusst und voller Ehrfurcht. Meine Hand erfuhr einen etwas stärkeren Druck und so wusste ich, dass auch Justine hinter mir sich angesprochen fühlte. Weiter hinten wurde das Gemurmel plötzlich lauter, bis ein verzweifelter Aufschrei erschallte und die Menge leicht auseinander stob. "Maggie hat recht! Wir sind Schuld, wir sind alle Schuld!!" Die schrille Frauenstimme jagte mir einen gehörigen Schauer über den Rücken. Margaret, genannt Maggie, verengte die tiefen braunen Augen zu kleinen Schlitzen und schnaubte. "Ruhe!", rief sie laut und vernehmlich, ohne dabei ihr gelassenes Gemüt zu verlieren. Die verzweifelte Stimme verstummte und Maggie winkte, die völlig in Tränen aufgelöste Frau solle einige Schritte weiter weg geleitet werden. Dann fuhr sie fort: "Wenn wir uns nun selber verbannen in Selbstmitleid, werden wir Micha auf direktem Wege folgen! In den Tod, den grausamsten. Er hat ihn gewählt, durch seine eigne Hand verendet ist er und wird nun sühnen bei Gericht für diese seine einzige und schlimmste Sünde! Mord an einem redlichen Mann, Mord an jenem, welcher einst ein Engel war, ein König!
Lasset uns trauern, Kinder... Wir betrauern, dass Micha so früh von uns gehen wollte. Doch vergesst niemals: Unser aller Leben geht weiter, und das soll es auch. Blicket bei all eurer Trauer auch in die Zukunft, verliert euren Willen nicht. Auch wenn es ab nun schwerer sein wird als je zuvor... " Ich fand niemals heraus, ob sie sich im Klaren darüber war, wie recht sie hatte.
Der Sarg wurde in der dafür ausgehobenen Grube versenkt und diese dann schliesslich zugeschüttet. Tränen vermischten sich mit der weichen Erde auf dem Grab. Wir würden Micha nie wieder sehen.
Schliesslich verstreute sich der Trauerzug in alle Windrichtungen. Einige unter ihnen fanden sich nur wenig später in einer wohlig warm-düsteren Kellerwohnung im Stadtzentrum ein.
Kapitel 1: Schuld; Ende