Zum Inhalt der Seite

Schwarzer Drache: Silberschwingen

Schwarzer Drache III
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

17. Einhornblut

Der Raum der Felskapelle wurde langsam mit einem bläulichen Lichtschein angefüllt. Auf einmal wirkte alles, als wenn es sich unter Wasser befinden würde. Merle meinte sogar das leise Schlagen der Wellen zu hören. Dann verdichtete sich das Blau einen Augenblick lang und die Herrin vom See erschien vor ihnen in der blauschimmernden Luft.

"Ich sehe, du hast ihn gefunden, Mädchen vom Mond der Illusionen," sagte die Herrin vom See mit ihrer klangvollen Stimme.

"Ja, das haben wir. Wir hatten einen freundlichen Helfer." Hitomi lächelte dem Einhorn zu, das das Erscheinen der Herrin vom See ohne mit der Wimper zu zucken beobachtet hatte. "Aber nun sag mir, was ich tun muss, um den schwarzen Drachen aufzuwecken."

"Nur das Blut der reinsten Seele, freiwillig gegeben, kann ihn aus seinem Schlaf wecken," erwiderte die Nixe und als sie sich einige Meter in der Luft treiben ließ, ging Merle auf, dass sie nur eine Vision der Herrin vom See hatten und sie gar nicht wirklich anwesend war.

"Was heißt das?" fragte Hitomi nach.

"Du brauchst mein Blut," mischte sich das Einhorn ein. Es blickte die beiden Mädchen aus seinen sanften Augen an.

"Ich soll dein Blut opfern?" fragte Hitomi entgeistert. Ihr Blick wanderte von dem Einhorn zur Herrin vom See und wieder zurück. "Aber das kann ich nicht! Ich kann dich doch nicht töten! Ich kann kein Einhorn töten.

"Doch, das wirst du," sagte das Einhorn bestimmt und lächelte nachsichtig.

"Aber du bist das Letzte! Du bist das letzte Einhorn!" mischte sich nun Merle entsetzt ein.

"Ich weiß. Und genau hierfür lebe ich noch. Dies ist meine Bestimmung. Dies ist mein Weg. Ich existiere nur noch, um mein Blut für den schwarzen Drachen zu geben. Das ist mein Schicksal..."

"Aber gegen das Schicksal kann man sich doch wehren! Du musst nicht sterben! Es muss einen anderen Weg geben!" Verzweifelt sah Hitomi die Herrin vom See an. Diese schüttelte nur traurig den Kopf.

"Mädchen vom Mond der Illusionen, Katzenmädchen," sagte das Einhorn sanft, "Die Zeit der Einhörner ist unwiderruflich vorbei. Was soll ich denn noch allein hier? Ich bin einsam. Seit Hunderten von Jahren schon... Es ist Zeit für mich zu gehen. Die letzten Jahrhunderte habe ich auf diesen Moment gewartet. Auf den Moment, an dem der Drache mich braucht. Wo mein Blut ihn aus seinem Schlaf erwecken kann. Auf diesen Moment. Wehrt euch nicht dagegen. Es ist mein Weg. Und ich werde ihn gehen müssen. So war es schon immer bestimmt. Und ich bin froh, dass es endlich zu Ende geht..."

Tränen schimmerten in Hitomis und Merles Augen, als die beiden Mädchen erkannten, dass sie keine Chance hatten, den Tod des letzten Einhorns zu verhindern. Sein Schicksal war unabänderlich.

"Und womit soll ich dein Blut opfern?" fragte Hitomi schluchzend.

Das Einhorn trat bei Seite und deutete mit seinem Horn auf ein silbernes Messer, das zu Füßen des schwarzen Drachen lag. Hitomi ging hinüber und hob es auf. Sie blickte das Einhorn aus tränenverschleierten Augen an.

"Ich kann das nicht..." flüsterte sie.

"Doch du kannst es," sagte das Einhorn sanft und berührte Hitomi oberhalb ihres Herzens sanft mit dem Horn. Ein strahlendes Leuchten ging von ihm aus.

"Mögest du immer deine Güte und deine Liebe bewahren," sagte das Einhorn sanft, während sich Hitomi von einer warmen Woge durchlaufen fühlte. Dann schritt das Einhorn zu Merle und berührte auch das Katzenmädchen sanft mit seinem Horn.

"Und mögest du immer die Kraft deines Herzens spüren und niemals aufgeben."

Auch Merle fühlte sich auf einmal von Wärme erfüllt.

"Wo soll ich es tun?" schluchzte Hitomi.

Das letzte Einhorn führte sie zu einem Altar, der an der rechten Seite der Drachenstatue stand. Von dem Altar aus, führte eine schmale Rinne rund um die Statue und Hitomi begriff, dass durch diese Rinne gleich das Blut des Einhorns fließen würde. Sie blieb neben dem Altar stehen, während sich das Einhorn ruhig auf ihm niederlegte.

"Und jetzt?" Hitomis Stimme zitterte.

"Die Halsschlagader," sagte die Herrin vom See sanft. "Ich werde deine Hand führen..."

Das Einhorn lächelte Hitomi noch einmal an, dann schloss es seine Augen. Merle stand zitternd daneben und sah zu, wie Hitomi nun die Hand mit dem Messer hob und mit einer kurzen, schnellen Bewegung die Halsschlagader des Einhorns durchtrennte. Die beiden Mädchen schluchzten trocken auf und im gleichen Moment tat das Einhorn seinen letzten Atemzug.

In dem Moment, als Hitomi das Messer durch die Schlagader gezogen hatte, hatte sie gespürt, wie die reine Seele des Fabelwesens den Raum mit einer ungeheuren Seele erfüllte. Und im gleichen Augenblick war ihr klar, dass sie einmal für den Tod des Einhorn würde zahlen müssen...

Silbernes Einhornblut floss aus der tiefen Wunde und füllte langsam aber sicher die Rinne an. Der Silberbogen wurde immer weiter und umschloss die Drachenstatue schließlich vollständig. Je mehr Blut das Einhorn verlor, desto durchscheinender wurde es. Der Blutstrom verebbte und augenblicklich löste sich das letzte Einhorn in silbernen Nebel auf.

Die Herrin vom See breitete ihre Arme aus und begann zu sprechen:

"Einhornblut, für dich vergossen.

Die reinste Seele, für dich gegeben.

Silberlicht, das die Nacht durchbricht.

Schwarze Drache!

Wach auf!

Komm zu uns zurück!"

Von dem Einhornblut ging auf einmal ein helles Licht aus. Es hüllte die Drachstatue vollständig ein und glitzerte wie Wasser auf den schwarzen Schuppen. Schließlich ließ das Leuchten nach. Für einen Augenblick geschah nichts, sodass sich Merle schon fragte, ob das Opfer des Einhorns nicht vielleicht vergeblich gewesen war. Doch dann brach die schwarze Oberfläche der Statue auf. Gleißendes Licht fiel hindurch und der Panzer aus Basalt explodierte zu Staub. Der schwarze Drache bewegte mit einem Donnerknall die Flügel. Dann brach er auf dem Sockel zusammen. Er schnappte keuchend nach Luft. Seine gelben Augen öffneten sich und für einen Moment blickten sie verschleiert durch die Kapelle. Allmählich klärte sich sein Blick und ein Lächeln huschte über sein schuppiges Gesicht.

Die Herrin vom See nickte ihm grüßend zu, dann löste sie die Vision auf und verschwand. Hitomi, Merle und der schwarze Drache blieben in der Felskapelle zurück, die immer noch von dem Licht des letzten Einhorns erhellt wurde.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück