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Stirb Nicht Vor Mir

Die wahre Geschichte von Draco Malfoy und Ronald Weasley
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
https://www.youtube.com/watch?v=86D7Jp8JGJw

https://www.youtube.com/watch?v=_RVeDrjnyWY

Dieses Lied hat mich bei der Entstehung der Story begleitet, und obwohl die Geschichte jetzt nicht so düster sein wird,
werde ich trotzdem die Lyrics verwenden, weil ich es einfach nur schön finde.

Hab jetzt zwei Versionen verlinkt, hoffe dass die eine oder andere gefällt. Komplett anzeigen

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Ich weine leise in die Zeit

Rote Locken.

Stumpfheit lag in ihrem nicht vorhandenen Glanz.

Und er fragte sich, ob das die Folgen des Krieges waren.

Helle Sommersprossen.

Verliefen sich in dem nahezu blassgrauen Antlitz.

Und er fragte sich, ob sie den tiefen Schatten unter seinen Augen wichen.
 

Dieses Gesicht, das er über all die Jahre so sorgfältig studiert hatte-

Es schien ihm nun so fremd.

Und auf der anderen Seite so vertraut.

Es hat sich auf ähnliche Weise verändert wie das Gesicht, das ihm jedes Mal im Spiegel entgegenblickte.

Aus leeren Augen.

Blass und starr.

Das Silber seines Haares hatte seine Leuchtkraft verloren.
 

Und er hatte vergessen, wie es sich anfühlte,

wenn die eigenen Emotionen den Ausdruck seines Gesichtes veränderten.
 

Auch in diesem Moment, in dem die verschiedensten Gefühle über ihn hereingebrochen kamen,

schien es ihn äußerlich vollkommen kalt zu lassen.

Er war schon immer ein Meister darin, seine wahren Empfindungen hinter einer Maske zu verstecken,

wenn es sein musste.

Doch bei einigen bestimmten Situationen kam seine persönliche Ader doch immer ein wenig zum Vorschein.

Besonders, wenn es um Potter, Wiesel und das Schlammblut ging.

Da konnte selbst er sich nie zügeln.
 

Das schien sich jetzt geändert zu haben.

Er hatte eigentlich angenommen, dass seine Finger ihn durch ein minimales Zittern verraten könnten,

doch sein Körper schien sich selbst im Griff zu haben.
 

Es machte ihm nichts aus.

Ihn dort stehen zu sehen, nachdem er insgeheim um ein Wiedersehen gebangt hatte.

Wohliger Stolz breitete sich in seiner Brust aus.

Er war stärker als gedacht. Er hatte alles unter Kontrolle.

Er war Malfoy.

Und er war zurück.
 

Die stumpfen Locken blieben in ihrer Starre verharren, als sich der rote Schopf zu ihm drehte.

Völlig unvermittelt traf ihn der Anblick.

Braune Augen, die leblos in den Weiten über den Ländereien etwas zu suchen schienen.

Bis sie dann an Dracos hängen blieben.
 

Warmes Braun, das in eiskaltes Grau tauchte.

Auf einmal wusste er nicht, wie man Luft holte.

Damit hatte er bei Merlin nicht gerechnet.

Er konnte sich nicht losreißen- auch wenn er es gewollt hätte.
 

Starr blickten seine Augen in das Braun.

Doch er konnte nichts finden.

Außer vielleicht…Verunsicherung.

Er wollte nicht zulassen, dass der Moment endete.
 

Und dann passierte es auch schon -

das Schlammblut, das an ihm vorbei gerannt kam und sich Weasley an den Hals warf.

„Ron, du bist doch gekommen!“, hörte er die nervtötende

Schlammblutstimme und wandte sich ab.
 

Er wusste nicht wieso, aber sein Herz war ins Rasen geraten und wollte gar nicht mehr aufhören.

Weasley.

Er hätte ihn ewig weiter so anstarren können.
 


 

-
 

Er wusste eigentlich nicht, was er hier letztendlich zu suchen hatte.

Nun ja, eigentlich wusste er es schon,

aber… hätte er nicht wirklich gedacht, dass er sich dafür noch überreden lassen würde.
 

Ein letztes Jahr in Hogwarts.

Wer war eigentlich auf diese bescheuerte Idee gekommen?

Ach genau, es war Hermine. Innerlich rollte er mit den Augen, als er sich wieder daran erinnerte.

Toll gemacht, Hermine!
 

Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, was genau er fühlen sollte.

Über ein Jahr war es nun her,

als hier die berüchtigte Schlacht gewütet hatte und vieles der geliebten Mauern zerstört hatte.

Nicht nur ihr Zuhause hatte er zerstört, auch ihre unbeschwerte Jugend.

Nicht nur Erinnerungen an das, was hätte sein können, hatte der Krieg ihnen genommen.

Er hatte ihnen ihre Freunde, geliebte Menschen und ihre Familien genommen.

Und bis jetzt wusste Ronald Weasley immer noch nicht, wie er mit dem Geschehenen umgehen sollte.

Und wo sein künftiger Platz in der Zauberergesellschaft sein würde.
 

Sein Zuhause war 7 Jahre lang Hogwarts gewesen.

Und vielleicht war das jetzt auch die Lösung.

Hogwarts.

Er, Ronald Weasley, war heimgekehrt.
 

Gedankenverloren ließ er seinen Blick über die Weiten des Sees schweifen und blieb an Hagrids Hütte hängen.

Ob ihr bärtiger Freund wohl auch da sein würde?

Ohne ein Ziel suchten seine Augen das Weite ab, als sie plötzlich von etwas Kaltem gefesselt wurden.
 

Es waren graue Augen.

Starrend.

Draco Malfoy.

Plötzlich hörte Ron nur noch ein Rauschen in seinen Ohren.

Malfoy.

Das konnte nicht wahr sein.
 

Er suchte nach Worten, nach Gedanken, nach irgendwas.

Wollte wegsehen, oder ihm einen hasserfüllten Blick schenken, so wie früher immer.

Aber zu seinem eigenen Entsetzen ging es nicht.

Er war aus irgendeinem Grund schlichtweg nicht in der Lage dazu.

Er konnte sich selbst nicht erklären, wieso.

Dabei war es doch vorausschaubar, dass er hier auftauchen würde.

Immerhin hatten sie sich seit Jahren das gleiche Zuhause geteilt.
 

Ohne eine Art von Anstalten zu machen, sich zu rühren oder sich abzuwenden,

ließ er sich von dem eisigen Grau gefangen nehmen.
 

Bis er fast umgerannt wurde.

Krauses Haar klebte auf einmal überall in seinem Gesicht

und seine Finger versuchten sanften Halt an Hermines Zauberumhang zu finden,

als er registrierte, dass es seine beste Freundin war, die sich ihm an den Hals geworfen hatte.
 

Merlin, wäre sie nicht, würde er jetzt immer noch in Draco Malfoys Augen starren.

Als würde es kein Morgen mehr geben.

Doch ich weiß, dass es dich gibt

1. September 1999
 

Ein heilloses Durcheinander nahm Einzug in die Große Halle, überall Stimmen und Rufe.

Hexen, die sich überschwänglich an den Hals warfen.

Zauberschüler, die sich Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatten,

schüttelten sich die Hände, klopften sich herzlich auf die Schulter.
 

Auch um Draco hatte sich eine Schar gebildet, besonders auffällig waren die jungen Hexen,

die ihm verstohlen schöne Augen machen wollten.

Nun, es war nichts Verwunderliches daran- bedachte man, dass seine Familie wieder

rehabilitiert wurde und er in ein heiratsfähiges Alter gekommen war.

Doch er setzte sich, ohne die Weiber eines Blickes zu würdigen, an den Tisch.
 

Er hatte sich für seinen früheren Stammplatz entschieden und legte seine Hände flach auf das so vertraute Holz.

Allmählich kehrte Ruhe in die Große Halle ein und die Mädchen, die ihn eben noch umringt hatten,

setzten sich auch an ihre Plätze.

In der kurzen Sekunde schloss er die Augen und ein kaum merkliches Lächeln glitt für einen

verschwindend kurzen Moment über seine Lippen.

Denn er wusste, wenn er jetzt sein Antlitz hob und die Augen öffnete, dann würde er dort sitzen.

Umringt von Potty und dem Schlammblut. Einen Tisch weiter, mit dem Gesicht zu ihm.
 

Und als er die Augen öffnete, war es tatsächlich so wie früher. Dort saß er, der Wieselkönig.
 

Als wäre kein einziger Tag vergangen. Als hätte es keinen Krieg gegeben.

Als hätten sie sich immer schon gehasst. Als würde er nur auf eine herablassende Bemerkung von dem Slytherinprinzen

warten.

Und er wusste, gleich würde er herübersehen. Um sich zu vergewissern, dass alles beim Alten war.

Um sich zu vergewissern, ob Draco dort saß, wo er zu sitzen hatte.

Es war eine unterbewusste Gewohnheit wahrscheinlich.

Und wenn sich wirklich nichts geändert hatte, dann dauerte es noch 3, 2, …

Warmes Braun suchte über die Tische hinweg nach dem ihnen so bekannten Grau.

Und das lauernde Grau wartete schon darauf. Nahmen das Braun kalt in Empfang.
 

Die Zeit war stehengeblieben. Es war als, ob sie im 5. Schuljahr gefangen waren.

Keine Mission, kein Dunkler Lord und keine Schlacht.

Nur der öde Schulalltag, in dem es damals nur ein Ziel gab:

sich die Zeit damit zu versüßen, dem jeweils anderen das Leben zu versauern.

Und dieses Jahr war ihre letzte Chance, das zu vollenden, was im 1. Jahr begonnen hatte.

Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ihre zu Ende geglaubte Geschichte hatte eine Chance bekommen,

das Ende nochmal umzuschreiben. Und genau diese Message legte er in seinen Blick.
 

Es ist noch nicht zu Ende, Weasley. Es fängt jetzt erst richtig an.
 

Schluckend wandte Ron sein Gesicht ab und versuchte irgendeinen unbekannten Punkt am anderen Ende der Halle zu fixieren. Er wusste nicht wieso seine ungehorsamen Augen zum Slytherintisch gewandert waren!

Verflucht sollten sie sein! Es musste die Macht der Gewohnheit sein.

Sechs Jahre lang waren seine Augen so trainiert, um immer zu kontrollieren, was ihr Feind als Nächstes im Schilde führte. Irgendwie ließ sich das nicht mehr so leicht abstellen-

auch wenn schon zwei Jahre vergangen waren, seit er zum letzten Mal an diesem Platz gesessen hatte.

Es war, als hätte jemand die Zeit zurückgedreht und dann angehalten.
 

Unheimlich merkwürdig, dieses Gefühl.

Und noch merkwürdiger war das Gefühl, dass er nicht alleine mit diesen Gedanken war.

Wieso sah Draco Malfoy ihn an? Wieso saß er da, als ob er schon darauf gewartet hatte, dass er rüber sehen würde?

Und wieso sah er nicht weg? Wieso starrte er ihn an? Und was sollten überhaupt dessen Blick bedeuten?

Es lag etwas in den grauen Augen, dass Ron irgendwie mulmig zumute werden ließ.

Es war noch nicht zu Ende. Nein.
 

Für Ron war es das jedoch. Alles war zu Ende.

Und er wusste nicht, was er hier überhaupt noch machte.

Es war lächerlich zu glauben, hier in Hogwarts nochmal neu anfangen zu können.

Da es im Prinzip nur ein Weitermachen war. Und Ron wollte nicht weitermachen.

Er wollte neu anfangen, nur wusste er nicht wie.

Und Malfoy, der auf der anderen Seite der Halle saß und ihn unverhohlen anblickte…

das erleichterte ihm die Sache überhaupt nicht.

Was für eine Dreistigkeit! Hätte er bloß nicht hingesehen!

Doch das Allerschlimmste war, dass seine Hand unentwegt zitterte.

Beschämt legte er sie unter den Tisch auf sein Bein und beschwörte sie innerlich, damit endlich aufzuhören.
 

Seine Hand hatte gezittert. Das war seinen scharfen grauen Augen keineswegs entgangen.

Und Draco intensivierte seinen Blick. Wieso zittert deine Hand? , fragten seine grauen Augen nachforschend,

fast schon drängend.

Den braunen Augen entging die Frage nicht und diesmal reichte es Ron. Prompt drehte er seinen Kopf weg.

Das wars. Nie wieder würde er zum Slytherintisch hinüber sehen. Was sollte dieses ganze Theater?

Dieses Schuljahr fing ja mal gut an. Er würde sich wohl darin üben müssen, eine gewisse Person zu ignorieren.

Sonst würde er noch seine Beherrschung verlieren.

Obwohl er eigentlich sehr gerne seine Beherrschung verlieren würde, bei Draco Malfoy.

Nur zu gern würde er ihm einiges an den Kopf werfen. Was er von ihm und seiner ganzen Sippe hielt.

Wie sehr er ihn hasste. Und dass er ihm gefälligst fern bleiben sollte.
 

Doch bevor er seine ganze Wut in den Ausdruck seiner Augen legen konnte,

wurde die Stille in der Großen Halle unterbrochen und Professor McGonagall stellte sich auf das Podium.
 

„Liebe Schüler, Hogwarts heißt euch dieses Jahr in seinen neu erbauten Wänden wieder willkommen.

Nach der einjährigen Aufbauphase wird es einige Änderungen geben. Wie zuvor werden die Erstklässer vom Sprechenden Hut

in ihre Häuser sortiert. Doch um den Vorurteilen, besonders unter den älteren Schülern, Einhalt zu gebieten, wird es für die Schüler ab dem 6. Jahrgang ein neues Haus mit eigenem Gemeinschaftsraum geben."
 

Ein Tumult brach aus und auf einmal tuschelten alle wild durcheinander.

Auch Harry sah ratlos aus. „Was bedeutet das?", fragte er Hermine und sie beugte sich näher zu uns herüber,

sodass unsere Köpfe zusammen steckten. „Das bedeutet-" sie machte eine bedeutungsschwere Pause,

bis sich die Zwillinge zwischen uns warfen. „Zimmer mit den Slytherins!", keuchten sie dramatisch und ich zuckte zusammen.
 

War das wahr? Hermine nickte und jetzt folgte ich dem Blick von Harry und den Zwillingen.

Sie alle starrten mit verzogenen Gesichtern zu den Slytherins. Und auch die blickten nicht begeistert drein.

Jeder zog eine angeekelte Grimasse- jeder bis auf einen. Draco Malfoy grinste zufrieden vor sich hin.

Rons Blick traf ganz kurz den seinen. Und Draco wunderte sich über dessen Ausdruck.

Keiner der Gryffindors schien begeistert, doch nur in Weasleys Blick hatte sich noch etwas anderes geschlichen.

Draco war sich nicht ganz sicher, aber nach einer Sekunde glaubte er zu wissen was es war.

Aus irgendeinem Grund hatte Ronald Weasley Angst. Doch Angst wovor? Das weckte Dracos Interesse.

Er würde es herausfinden. Ron stockte kurz der Atem bei dem Ausdruck auf Malfoys Gesicht.

Was hatte der durchtriebene Slytherin vor? Jetzt hieß, vor allem eins: ihm und allen Slytherins behutsam

aus dem Weg zu gehen, bis sie das 8. Schuljahr beendet hatten.
 

„Ruhe, ich muss doch wirklich bitten!",

ertönte McGonagalls strenge Stimme und der Rothaarige versuchte seinen Blick vom Slytherintisch weg zu reißen.

„Vertrauensschüler für das neue Haus sind Hermine Granger und Draco Malfoy."

Wenn Ron etwas in der Hand gehalten hätte, jetzt wäre es mit Sicherheit auf den Boden gefallen.

Und auch Malfoy sah verdutzt aus, bevor er sich fing und zustimmend nickte.

Hermine entwich ein aufgeregtes Japsen, spätestens jetzt war klar, dass sie sich über den Titel freute.

Ihr gönnte Ron das ja auch, aber der Schlange aus dem grünen Haus... -

er konnte sich noch zu gut an die Tage aus dem 5. Schuljahr erinnern,

in denen der Slytherin seine Macht als Vertrauensschüler auf das Übelste missbraucht hatte.

Und wie das überhaupt gut gehen sollte, Hermine und Malfoy, das sollte mal dahin gestellt sein.

Ron zumindest würde ihm nie trauen, Vertrauensschüler hin oder her.
 

Als die Schulleiterin ihre Rede fortsetzte, versuchte er seine Wut hinunter zu schlucken

und seine Aufmerksamkeit den Zwillingen zu widmen, die leise irgendwelche Pläne schmiedeten,

den Slytherins das Leben zur Hölle zu machen.

Während er ihnen mit einem Ohr lauschte, versuchte er den inneren Drang zu unterdrücken,

Draco Malfoy einen grimmigen Blick aus zusammen gekniffenen Augen zu schenken.

Oh, wie er es ihm überhaupt nicht gönnte, wieder Vertrauensschüler zu sein.

Doch er musste sich dies Mal wirklich zusammenreißen. Immerhin waren sie erwachsen geworden.

Da durften sie nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit ihre Fäuste spielen lassen.

Ein Gutes hatte es, wenigstens war er selbst kein Vertrauensschüler geworden,

denn darauf hatte er im Moment so überhaupt gar keine Lust.
 

Nach der Rede und der Zeremonie mit dem Sprechenden Hut erschien auch endlich das Essen auf dem Tisch

und Ron versuchte sich damit abzulenken.

Zufrieden schob er sich kleine Kartoffeln in den Mund und ließ seinen Blick über das ganze Essen schweifen.

Es war noch genauso gut wie früher. Hier und da konnte man etwas Neues entdecken -

ein kleiner Käsebrunnen zwischen Fred und George, kleine Spinatröllchen direkt vor Harrys Platz.

Da ließ er es sich nicht nehmen, ein Röllchen zu schnappen und es in den Käsebrunnen zu tauchen.

Da gab es sogar verschiedene Fächer mit geschmolzener Mozarella, Cheddar, Gouda - alles was das Herz begehrte.

Genüsslich biss er in sein Spinat- Käseröllchen, als schon die Geister durch die Halle geschwebt kamen.
 

„Guten Abend Sir Nicholas", grüßte Hermine freundlich und sie begannen eine Konversation über eine Einladung der Kopflosen Reiter. Gerade, als Ron sich ein zweites Spinatröllchen in den Mund schieben wollte, ertönte hinter ihm eine bekannte Stimme.
 

„Hallo Ron. Fred, George."

Ungläubig drehte er sich um und das Spinatröllchen glitt aus seiner Hand und platschte auf den Boden. Fred und George starrten die Person vor ihnen an und zum ersten Mal seit geraumer Zeit blieb ihnen der Scherz in der Kehle stecken.

„Wie geht es Mum und Dad?", fragte Percy - oder besser gesagt der Geist von Percy.

Ginny entwich ein erschrockener Schrei und sie schlug sich die Hände vor den Mund.

Auch Ron hätte am liebsten los geschrien. Unglaublich geschockt stand er von seinem Platz auf und verließ ohne ein Wort die Große Halle. Im Flur angekommen holten ihn hektische Schritte ein und Fred und George zogen ihn in ihre Mitte.
 

Immer noch fassunglos versuchte Ron sich zu fangen und presste sich den Handrücken gegen seine Augen.

„Was…was war das?", krächzte er hilflos und hoffte,

dass er sich schnell unter Kontrolle bekommen konnte, bevor ihn irgendeiner so sehen würde.

„Das war Percy", antwortet Fred sachlich. „In Geisterform", fügte George sachgemäß hinzu.

„Das weiß ich auch!", zischte Ron jetzt der Verzweiflung nahe und biss sich auf die Lippe.

„Aber was macht er…ich meine- hat irgendwer gewusst, dass er hier- wieso hat McGonagall nichts gesagt- und wissen Mum und Dad überhaupt davon?“ Als er spürte, das sein Handrücken doch etwas feucht wurde,

barg er sein Gesicht in der Armbeuge und Fred schob ihn und seinen Zwilling nach hinten in eine Nische im Gang.

George strich Ron beruhigend über den Rücken und Fred versuchte kurz seine Einfälle zu sammeln.

„Nachher gehe ich zu McGonagall und frage, was es damit auf sich hat. Und danach suche ich ein Gespräch mit ihm selbst -"

„Oh nein-du redest nicht mit ihm", Rons Stimme war nur noch ein dünnes Raunen.

„Er hat unsere Familie verraten, es wird Mum und Dad das Herz brechen, wenn-" „wenn sie erfahren, dass ihr toter Sohn in Hogwarts als Geist weiterlebt und wir es ihnen verheimlicht haben", warf jetzt George ein und klopfte seinem kleinen Bruder sanft auf den Rücken, um dessen Gemüt zu beruhigen.

„Komm, Ronnie wir gehen bisschen raus", schlug der Zwilling vor und sie liefen zu dritt zu den Toren.

Dort setzten sich raus in den Hof. Noch mal da rein würde Ron sicher nicht gehen.

Lieber wartete er, bis sie sich alle auf den Weg zum neuen Haus machten und dann würden sie sich der Gruppe unauffällig anschließen.

Mit seinen Händen um meinen Hals

In der Großen Halle hatten fast alle schon aufgegessen und Draco wischte sich mit einer Serviette über den Mund,

bevor er und Granger zu McGonagall gerufen wurden.

Ihnen wurde beide der Weg zu ihrem neuen Haus beschrieben und das Passwort für das Eingangsportal gegeben.

Sie gaben der Schulleiterin nickend zu verstehen, dass sie den Anweisungen folgen würden.

Auf dem Weg aus der Halle winkte Hermine schnell Harry zu sich.

„Hol Ron und die Zwillinge", flüsterte sie ihm zu, bevor Malfoy lautstark die 7. Und 8. Klässer zusammenrief.
 

Sie waren schon fast unten bei den Kerkern angekommen, als auch Harry mit Ron und den Zwillingen zu ihnen stieß.

„Krass, wie weit geht’s denn noch runter", vernahm Malfoy eine motzende Stimme und drehte sein Gesicht mit einem autoritären Blick nach hinten.

Anscheinend ging es Weasley ja schon viel besser, wenn er wieder mit seinem Gemotze loslegen konnte.

Er kommentierte Weasleys Gezeter nicht, sondern führte die Gruppe weiter nach unten zu ihrem Neuen Haus.

Vor dem Eingang machten sie halt. Geschlängelte Linien formten das Wort „Exordium" und Hermine drehte sich zusammen mit Draco zu der Gruppe um.

„Das ist ab jetzt unser Neues Haus. Exordium steht für Anfang", fing sie an.

„Fragt sich nur, Anfang - wovon?", murmelte Ron Harry zu. „Anfang eines Albtraums? Oder Anfang vom Ende?"

Harry sowie die Zwillinge fingen an, leise zu lachen und ernteten einen ermahnenden Blick von Hermine.
 

„Weasley, halt dich mit deinen vorlauten Kommentaren gefälligst zurück oder ich muss dir mit Punktabzug drohen", sagte Malfoy, der aussah, als ob es ihm langsam reichen würde.

„Ach, und wie willst du das anstellen? Mein Haus ist dein Haus, ziehst du mir Punkte ab, ist es auch dein Punkteverlust", zischte Ron nun siegessicher und bohrte seinen Blick stur in die grauen Augen.

Es waren die ersten Sätze, die sie seit über einem Jahr miteinander gewechselt hatten.

Und obwohl Ron sich vorgenommen hatte, die Schlange zu ignorieren- nach der Sache mit Percy waren bei ihm einige Sicherungen durchgebrannt und er hatte auf einmal das Gefühl, seine Wut rauslassen zu müssen.
 

Sein Blick wurde herausfordernder und er funkelte Malfoy böse an. Dieser ging einen Schritt auf Ron zu und flüsterte so leise, dass nur er es hören konnte. „Hm, dann muss ich mir wohl eine andere Art aussuchen, wie ich dich ab jetzt bestrafen werde." Nachdem er diesen Satz vollendet hatte, drehte er sich wieder der Gruppe zu, als sei nichts gewesen und sprach laut weiter.

„Das Passwort lautet: Veritaserum." Hinter ihm erschien ein Torbogen in der rauen Steinmauer und das Portal öffnete sich.

Die Schüler drängten sich an einem fassungslos dreinblickenden Ronald Weasley vorbei zum Portal.

Als Ron immer noch keine Anstalten machte, sich in Bewegung zu setzen, wurde er von Harry durch das Portal gezogen.

„Hast du gehört- hast du gehört was er gesagt hat?", flüsterte er entrüstet, doch Harry schüttelte nur abwesend den Kopf.
 

Alle starrten wie gebannt auf die riesigen Glaswände unter Wasser und die große gläserne Dachkuppel.

„Wow", hörte man Neville begeistert hauchen und auch Ron blieb für einen Moment still.

Ihr Haus war eine Unterwasserkuppel, doch der obere Teil lag an der Wasseroberfläche, sodass sie die Sterne am Nachthimmel erkennen konnten. Unten war der geräumige Gemeinschaftsraum und an den Seiten schlängelten sich mehrere Treppen empor zu den Gemächern. Die Türen zu den Gemächern waren in einem kreisförmigen Korridor angeordnet.

„So toll ist es nun auch wieder nicht", ertönte Malfoys gelangweilte Stimme. „Ganz ähnlich wie unser Slytherinhaus", gab er an. „Wobei- die Glaskuppel mit dem Nachthimmel macht es noch viel bes-„ „Sei still, Blaise", zischte Malfoy leise und verpasste ihm einen Hieb mit seinem Ellbogen. Ron warf ihm nur einen grimmigen Blick zu.

Musste der immer so großspurig prahlen? Da kam ja einem alles hoch!
 

Einige Schüler eilten die Treppen in den zweiten Stock hinauf und suchten sich ihre Zimmer.

„Komm Ron", rief Harry gut gelaunt von oben hinunter und lehnte sich über die Balustrade, um seinen besten Freund hoch zu winken. Das ließ Ron sich nicht zwei Mal sagen und auch er schritt jetzt an jeder Tür vorbei,

um sein und Harrys Zimmer zu suchen.

An jeder Tür waren die Namen der Personen kursiv eingraviert. „Thomas & Finnigan", „Goyle& Longbottom", Ron hielt kurz inne. Goyle und Neville? Aber wie- warum? Sie kamen doch nicht aus dem selben Haus?

Mischten sie also schon Gryffindors und Syltherins? Was, wenn- schnell versuchte Ron diesen Gedanken abzuschütteln.

Nein, das konnten sie nicht tun- dennoch breitete sich ein flaues Gefühl in Rons Magen aus und er hoffte nur, dass er so schnell wie möglich seinen oder Harrys Namen auf einer Tür eingraviert sehen würde.

„Granger & Weasley". Ron stockte und öffnete die Tür. „Hermine", fragte er fassungslos und sie sah von ihrem Schreibtisch auf, an den sie sich gerade gesetzt hatte. „Ronald."

„Wieso schlafen wir-" „Hermine, darf ich deine Zahnpasta benutzen, meine hat wohl Ron geklau- ach Ron, bringst du mir etwa meine Zahnpasta zurück?", fragte Ginny und stemmte sich eine Hand in die Hüfte.

So sah sie aus wie ihre Mutter und Ron zog schnell die Tür zu, um die Flucht zu ergreifen.
 

Merlin, für einen Moment hatte er geglaubt, er und Hermine- in einem Gemach!

Doch seine Bestürzung wurde jäh verschlimmert, als er in das feixende Gesicht von Draco Malfoy blickte, der triumphierend mit seinem langen Finger auf den Namen an der Tür tippte, an der er gerade angelehnt stand.

„Weasley, ich habe dein Zimmer gefunden. Du darfst dich geehrt fühlen."

Sein Grinsen wurde dreckiger, als Ron paar Türen weiter zu Malfoy stürzte und mit geweiteten Augen die Namen las.

„Malfoy &" Eine Welt brach für ihn zusammen. „Nein", hauchte er voller Grauen und blickte Malfoy panisch an, bevor er sich dem zweiten Namen widmete. „Zabini". Fassungslos schlug er seine Faust gegen Malfoys Brust.

„Du!", zischte er aufgebracht und langte nach dessen Kehle, bevor die Zwillinge ihn sanft an seiner Kapuze zurückhielten.

Malfoy kniete nach Luft japsend am Boden und presste sich die Hände gegen die schmerzende Brust.

Trotzdem konnte er sich das Lachen nicht verkneifen, das sich mit dem Japsen vermischte.

„Oh Merlin Weasley, dein Gesicht", lachte er jetzt laut los und Ron lief puterrot an.

„Malfoy, du hast mich zu Tode erschreckt", blaffte Ron ihn an. „Wieso? Wär doch lustig, Weasley- du und ich in einem Zimmer. Oder hältst du es nicht mehr aus ohne deinen geliebten Potter im Bett?"

Jetzt wurde Ron fast schon kreidebleich vor Zorn und zischte nur leise. „Nein, ich fühle mich nur unwohl mit einem Todesser im selben Zimmer, der monatelang sein Bett mit Voldemort geteilt hat."

Der hatte gesessen. Damit spielte Ron nämlich gerade auf die dunkle Zeit in Malfoys Leben an,

die er am liebsten aus seinem Gedächtnis auslöschen würde. Die Zeit, in der der Dunkle Lord auf ihrem Anwesen gelebt hatte und seine Familie mit seinen Plänen tyrannisiert hatte.
 

Die Zwillinge hinter Ron hatten die Luft angehalten und sahen sich bedeutungsschwer an.

Malfoy hatte längst aufgehört zu lachen. „Du wagst es, Weasley", zischte er bedrohlich leise und etwas flackerte in seinen Augen, was Ron vorher noch nie bei ihm bemerkt hatte. War es Hass? Es war irgendwie anders. Enttäuschung? Nein, es war-

Malfoy war verletzt? Überrascht starrte Ron ihn nur an, als er sich langsam wieder aufrichtete und seine Krawatte zurecht zog. „Wie dem auch sei", anscheinend hatte sich Malfoy wieder gefasst und seine Stimme schnitt eiskalt durch die Luft.

„Ich möchte dich nur daran erinnern, jetzt, da du dein Zimmer neben dem des Vertrauensschülers hast -

würde ich die nächtlichen Matratzenübungen mit dem Narbengesicht bei geringster Lautstärke abhalten.

Es gibt noch Leute mit Anstand und Moral in diesem Haus, die nicht von euren schmutzigen Aktivitäten gestört werden möchten." Die Tür knallte vor Rons Nase zu und er blinzelte kurz.

„Anstand und Moral? Damit meinst du doch hoffentlich nicht dich selbst?", schimpfte er durch die Tür und hämmerte mit seinen Fäusten gegen das harte Holz, bevor er von den Zwillingen eine Tür weiter gezogen wurde, wo auch schon Harry auf ihn wartete.
 

Na toll, also hatte das hässliche Frettchen tatsächlich Recht und sie beide waren nun Zimmernachbarn. Ätzend.

Wie er den spitzgesichtigen arroganten Slytherin wieder hasste! Er konnte seine Abneigung gar nicht in treffende Worte fassen. Harry musste irritiert lachen, als er ihn so sah, wie er von den Zwillingen ins Zimmer geschleift wurde.

„Was ist denn mit euch los?", fragte er belustigt, während er seinen Koffer auspackte.

„Malfoy", zischte Ron mit zusammengebissenen Zähnen und Harry schüttelte seinen Kopf. „Nicht schon wieder", seufzte er. „Ron, du kannst dich doch nicht von ihm immer so provozieren lassen", meinte er und Ron kämpfte sich verbissen aus dem Griff der Zwillinge. „Du weißt nicht, was er wieder gesagt hat!", versuchte Ron sich zu verteidigen.

„Er hat uns beide als schwul bezeichnet!" Jetzt musste Harry doch lachen. „Ich hoffe, du hast ihn geschlagen", entgegnete er halb ernst. „Oh ja, das hab ich", verkündete Ron mit ganz stolzer Stimme und Harry schüttelte seinen Kopf.

„Vergiss nicht, dass er Vertrauensschüler ist", meinte er nur. Und wie Ron das nicht vergessen würde.
 

„Wo ist eigentlich euer Zimmer?", fragte Ron an die Zwillinge gewandt. „Gleich links von euch", grinste Fred und Ron rollte mit den Augen. „Na, dann kann ich euch nur das raten, was Malfoy uns nahe gelegt hat: Neben euch wohnen jetzt Leute mit Anstand und Moral. Also haltet euch zurück."

George wollte gerade nach Ron schnappen, doch Fred schleifte ihn amüsiert lachend aus dem Zimmer.

Auch Harry kugelte sich lachend auf dem Bett, was jedoch durch ein lautes Klopfen an der Wand unterbrochen wurde.

Ron und er horchten auf. „Ruhe", hörten sie Malfoys arrogante, wichtigtuerische Stimme gedämpft durch die Wand und entnervt keuchend ließ sich Ron auf sein Bett fallen.

„Ich will nicht, dass er neben uns wohnt, Harry. Mach was", jammerte er und Harry schenkte ihm nur einen hilflosen Blick und zuckte seufzend mit den Schultern. „Ich denke, wir haben schon weitaus Schlimmeres überstanden", meinte er lächelnd und ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.

„Oh ich glaube, ich hab aus Versehen Ginnys Zahnpasta eingesteckt", rief er aus dem Bad. „Ist das dein Ernst? Und ich wurde dafür beschuldigt!", rief Ron gespielt entrüstet mit einem Grinsen, bevor auch er sich bettfertig machte.

In meinen Träumen er existiert

Ich weiß nicht, wer er ist

In meinen Träumen er existiert

Seine Leidenschaft ist ein Kuss

Und ich kann nicht widerstehen

Ich warte hier

Stirb nicht vor mir
 


 

Bills lebloses Gesicht verfolgte ihn und er rannte. Rannte um sein Leben. Weg von seiner Leiche. Weg von Fleurs schmerzerfüllten Schreien. Weg von Percys blutbefleckten Umhang.

Bis er vor einem Haus stand, das er vorher noch nie gesehen hatte, es ihm aber doch so bekannt vorkam. Drinnen war alles anders. So sicher. Geborgen. Es roch nach Pfannkuchen und frisch gepflückten Blumen.

"Ron", hörte er hinter sich eine Stimme, die er vorher noch nie zuvor gehört hatte.

Eine fremde Person trat aus dem Schatten auf ihn zu.

„Ron", rief die Stimme wieder, ganz leise wie aus weiter Entfernung. Erschrocken wachte er auf.

Schweißgebadet. Und rang nach Luft.

Irgendjemand hatte ihn gerufen. „Harry?", seine Stimme zitterte krächzig und er fragte noch einmal. „Harry, bist du wach?" „Ron." Da war es wieder. Doch es war nicht Harrys Stimme. Träumte er noch immer? Verwirrt und etwas ängstlich griff er nach seinem Zauberstab. „Lumos." Und danach nach dem Glas Wasser auf seiner Kommode.
 

„Weasley?" Da war sie wieder. Diese Stimme. Er hatte sie zuvor noch nie gehört, aber trotzdem schien sie irgendwie vertraut. „Wer…wer ist da?", fragte er leise und presste sein Ohr gegen die Wand. „Ich bin es. Weasley-" Dort wo sein Ohr dran gepresst war, wurde der Backstein auf einmal unsichtbar und erschrocken wich Ron zurück.

„Wer ist ich?“, fragte er jetzt deutlich ängstlicher. „Na, ich. Malfoy. Draco Malfoy.“

Irritiert starrte Ron durch den unsichtbaren Backstein in die Dunkelheit, doch er erkannte nichts. Die Stimme klang so überhaupt nicht nach Malfoy. Nicht mal ein bisschen. Deswegen richtete er die leuchtende Spitze durch das Backsteinfenster und hörte darauf ein leises Zischen. „Weasley, es blendet.“ Malfoy presste sich den Handrücken gegen die Augen und jetzt erkannte Ron das weißblonde Haar. „Nox“, flüsterte er schnell und sah weg. Sein Herz raste immer noch heftig gegen seine Brust.
 

„Was soll das Fenster?“, flüsterte er jetzt aufgebracht. „Stalken wir jetzt schon, Malfoy?“

„Keine Sorge, Weasley. Ich hab nur Gekeuche und Gestöhne gehört, da dachte ich Potter bereitet dir beim Eindringen Schmerzen. Deswegen wollte ich mal kurz nachsehen und vielleicht mit einigen Tipps weiterhelfen.“

Rons Augen weiteten sich und er starrte fassungslos in die Dunkelheit, wo Malfoy eine kleine Kerze anzündete,

um so einen Blick auf Weasleys Gesicht erhaschen zu können. Er musste dunkel kichern und Ron schüttelte zornig seine Fäuste gegen das kleine Fenster. „Ich hatte einen Albtraum“, zischte er wutentbrannt.

„Oh ja, das glaube ich. Sex mit Potter klingt nach einem fürchterlichen Albtraum“, kicherte er jetzt böse und Ron wollte schon durch das Loch greifen, um nach Malfoys Gurgel zu packen, bis ihn der unsichtbare Backstein schmerzvoll daran erinnerte,

dass- obwohl er unsichtbar gezaubert wurde- immer noch existierte. Malfoy musste immer mehr lachen, obwohl er sich die Hand auf den Mund presste. „Malfoy, das wirst du mir rächen“, keifte Ron nun lauter und Malfoy versuchte noch leise „Shhh-„ zu zischen, was schwer war, weil er immer noch lachen musste.

„Draco…mit wem…redest du?“, fragte Zabini im Schlaf aus seinem Bett und er antwortet leise. „Mit mir selbst.“

„Dann red…gefälligst leiser“, murmelte Zabini leise und drehte sich auf die andere Seite. Rons Augen leuchteten empört in der Dunkelheit und Malfoy versuchte sein Lachen zu unterdrücken. „Und falls du es wissen willst, Malfoy. Wenn Harry und ich wirklich schwul wären- wäre ich der, der eindringt und nicht umgekehrt!“, zischte Ron und bemühte sich darum, es leise zu tun.
 

„Oh Merlin, Weasley, das wollte ich überhaupt nicht wissen. Aber gut, ich tu dir den Gefallen und überbringe gleich morgen früh deinem geliebten Potter diese frohe Botschaft.“ „Malfoy, wirst du jetzt wohl still sein!“

Wütend presste Ron seine Hände auf den unsichtbaren Backstein, in der Hoffnung, dass er unter seinen Fingern verschwinden würde, und er seine Hände stattdessen auf Malfoys Mund pressen konnte. Er hatte die Sprüche so satt! Nicht nur, dass er angeblich schwul sein sollte, sondern auch noch mit seinem besten Freund und dann auch noch unten!

Das verkraftete sein Stolz nicht. Beleidigt drehte er sich auf die Seite, als er merkte, dass er Malfoys Kichern nicht verstummen lassen konnte. „Mach endlich dieses Fenster zu, du…du Stalker!“, zischte er noch leise und zog sich die Decke über den Kopf. Allmählich verebbte das leise Kichern und Malfoys Stimme wurde wieder leise und ernst.

„Ich hatte auch einen“, flüsterte er leise und Ron drehte sich wieder zu dem kleinen Fenster. „Einen was?“, fragte er verwirrt. „Einen Freund, der in dich eindringt?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue und hörte wie Malfoy sich an seiner eigenen Spucke verschluckte. „Der war gut, Weasley“, keuchte er leise und kam der Wand, die sie beide trennte, näher.

„Einen Albtraum.“ „Oh.“ In Gedanken drehte sich Ron auf den Rücken und blickte hoch an das Glaskuppeldach.

Der Nachthimmel schien dunkel auf sie herab, doch einige Sterne funkelten hell in der weiten Ferne. Für einen Moment wusste er nicht, was er sagen sollte. Denn nur für diesen flüchtigen Moment hörte sich Malfoys Stimme nicht aufgesetzt oder arrogant an, sondern nur ehrlich und ein wenig erschöpft. „Konntet ihr in Slytherin auch den Himmel sehen?“, seine Stimme war fast lautlos. „Nein, wir waren nur unterhalb der Oberfläche, aber dafür haben wir oft Riesenschildkröten am Fenster gesehen. Oder Fische, die ähnlich aussahen wie Rochen.“ „Und hast du auch Sirenen gesehen? Oder andere Wassermenschen?“

Rons Stimme wurde wieder etwas schläfrig. Er konnte sich leider nicht daran erinnern, wie er im See von den Wassermenschen festgehalten wurde, aber Harry hatte ihm alles nach der Aufgabe im Trimagischen Turnier erzählt. „Nein“, hauchte Malfoy müde. „Aber Grindelohs und Seeschlangen.“ Es wurde wieder still um sie herum. Ron hörte durch die Wand Malfoys gleichmäßiges Atmen und seine Augen fielen langsam zu. „Wer weiß, vielleicht sehen wir morgen den Kraken an unseren Fenstern“, hörte Ron Malfoy noch leise nuscheln. „Mh-hm“, gab er leise zur Antwort, bevor er wieder in tiefe Dunkelheit fiel.

Doch diesmal lauerte dort unten kein Albtraum, der auf ihn wartete. Es war nur dunkel und warm.

Ich weiß nicht, wer du bist

2. September 1999
 

Sanfte Lichtstrahlen schienen vom hellen Himmel auf sein Gesicht und ein Schmunzeln umspielte seine Lippen. Es war Sommer, es war im Fuchsbau und war auf einer Wiese eingeschlafen. Zufrieden blinzelte er in das Licht und brauchte einen guten Moment, bis seine Augen endlich offen waren.

Er starrte in klaren Morgenhimmel. Eine Schwalbe zog vorbei. Erst da erkannte er das runde Glasdach. Wo war er? Seine Augen wanderten orientierungslos umher. War das gerade ein Krakenarm, der sich an seinem Fenster vorbei schlängelte? Er lächelte. Er war zu Hause. In Hogwarts.
 

Auch, wenn er nicht im Gryffindorturm war – zumindest teilte er sich das Zimmer mit- mit wem eigentlich?

Seine Augen huschten zu dem anderen Bett und erleichtert atmete er auf. Rabenschwarzes Haar lugte aus der Decke hervor. Und langsam wachte auch endlich sein Kurzzeitgedächtnis wieder auf.
 

Etwas fiel durch seine Tür und kerzengerade saß er im Bett, mit George und Fred auf ihm. „Aufstehen, Bruder“, flötete George, doch sein Zwilling war mehr auf Zack. „Hopp, hopp aus den Federn, die Pflicht ruft.“ „Ist ja gut“, murmelte Ron matt und zog sich bequeme Hosen und sein Chudley Canons Shirt an.

„Oh nein“, Fred zog seine Brauen belustigt in die Höhe und drückte ihm ein etwas unauffälligeres, graues Achselhemd in die Arme. „Du willst doch nicht wie eine Leuchtkugel am Himmel scheinen.“

„Harry, kommst du mit?“, fragte George den schlafenden Schwarzhaarigen, der sich als Antwort das Kissen auf sein Gesicht drückte. Murrend zog Ron sich das graue Shirt über, schulterte seinen neuen Besen und trottete den Zwillingen hinterher.
 

Auf dem Rasen hinter Hagrids Hütte, direkt am Verbotenen Wald, stiegen die drei auf ihre Besen und flogen in die Höhe.

Nach dem Krieg hatte Ron einige Zeit Charlie in Rumänien mit den Drachen geholfen und in der Zeit danach oft bei den Zwillingen im Laden mitgearbeitet, sodass er eine Kleinigkeit gespart hatte.

Mit dem Geld konnte er sich dann – endlich- einen ordentlichen Besen leisten. Keinen Feuerblitz natürlich – sowas würde er sich nicht mal kaufen, wenn er das Geld dafür hätte, denn seiner Meinung nach war er zu überteuert für seine Leistung.

Und da er kein Sucher oder Jäger war, brauchte er auch keinen Besen mit der höchsten Geschwindigkeit.

Nein, er hatte sich für einen Nimbus 1700 entschieden und er war sehr zufrieden mit seiner Wahl. Er war robust, stabil und hatte Kraft.

Vor Freds Mund flog eine verzauberte Trillerpfeife und er blies laut in sie hinein, sodass ein Schrillen zu hören war.

„Zwanzig Glimmzüge!“, donnerte er und seine beiden Brüder ließen sich murrend von ihren Besen herabhängen, sodass sich nur noch ihre Finger am Besenstiel festhielten. Georges und Rons Besen standen sich in der Luft waagrecht gegenüber und Freds Besen war zwischen ihnen an den Enden ihrer Besen platziert, sodass sie ein eckiges U in der Luft bildeten.
 

Schnaufend zog sich Ron an seinem Besen hoch, nach fünfzehn Zügen rutschten seine Hände immer wieder von seinem Besenstiel herunter, weil sie so schwitzig geworden waren. Und auch Georges Oberarme zitterten bedrohlich, doch Fred zeigte kein Erbarmen. Atemlos schwang sich George jetzt auf seinen Besen und wartete, bis Ron mit seinen restlichen zwei Glimmzügen fertig wurde, für die er aber länger brauchte als für die ersten zehn.
 

Fred war höchst unerfreut und donnerte den beiden fünf Sprintflüge auf, bis zum Ende des Verbotenen Waldes. Der Wind rauschte durch Rons Haare und kühlte seine verschwitzten brennenden Wangen. „Schlaffe Kartoffelsäcke“, brüllte Fred hinter ihnen her und Ron hatte das Gefühl, dass sein Bruder gerade Oliver Wood -was das Triezen der Gryffindormannschaft damals anging- ganz schön Konkurrenz machte. Ach was, so schlimm wie Fred war Wood sicher nicht.

Die Sprintflüge waren eine verdiente Abwechslung, Ron verlagerte sein Gewicht, sodass sein Nimbus kraftvoll über die Wipfeln des Verbotenen Waldes rauschte. Fred schoss an ihnen vorbei und als sie ankamen, brüllte er sie an, bevor sie zum nächsten Sprint ansetzten.

Keuchend und nassgeschwitzt kamen sie nach fünf Flügen wieder an ihrem Ausgangspunkt an, doch es gab keine Pause.

„Eure Pause war der gemächliche Flug vom fünften Sprint zurück hierher!“ Alle drei ließen sich jetzt rückwärts nach hinten fallen und - den Stiel ihrer Besen fest zwischen Oberschenkel und Wade geklemmt – zogen sie ihren Oberkörper zu ihren Beinen hoch. Das hasste Ron am meisten – Situps in der Luft. Die waren unheimlich anstrengend.
 

Als der Rotschopf so über Kopf hing, sah er den glitzernden See unter sich. Wie gerne würde er seine Unterschenkel einfach anheben und sich fallenlassen. In die Tiefe. Immer weiter, bis er in das kühle Nass des Sees eintauchen würde. Gerade als seine Beine bedrohlich zitterten und er dem Wunsch nachgeben wollte, erkannte er dort unten in weiter Ferne etwas im Wasser blitzen. Etwas Weißes. Neugierig verengte er seine Augen, um besser sehen zu können. Schwamm da jemand im See? „Ronald Weasley! 10 Strafrunden!“, donnerte die Stimme des Zwillings und Ron bereute sofort seine Abschweifung der Gedanken. Nach einer geschlagenen Stunde hatte er endlich wieder festen Boden unter den Füßen.
 

„Als Belohnung gibt es eine Runde Schwimmen im See!“, lachte Fred jetzt viel gelassener als noch eine Minute zuvor und stürzte sich auf seinen Zwilling, um ihm das Shirt über den Kopf auszuziehen. Lachend jagten sie sich hinterher und Ron schlurfte nur müde und ausgelaugt zum See. Wieso musste Fred jedes Mal so übertreiben? Er wollte ja selbst unbedingt trainieren, ein besserer Flieger werden und auch einen stärkeren Körper haben, aber Fred triezte sie wirklich aufs Äußerste.
 

„Sieh an, sieh an. Das Wiesel“, eine gedehnte Stimme erreichte seine Ohren und hinter einem Busch trat Malfoy auf ihn zu.

Er trug ein graues enges T-shirt, sein Umhang lässig auf einem Arm und einzelne nasse Tropfen lösten sich von seinen blonden Haarspitzen und perlten auf seinen Hals, wo sie dann später in seinem Halsausschnitt verschwanden. Mit einer Hand fuhr er sich durch die noch nassen Haare und sie lagen nun so wie er sie in den ersten Schuljahren trug.

Sofort verengten sich Rons Augen. "Was willst du Malfoy?", spie der Rothaarige verstimmt aus.
 

„Aber, aber Weasley. Wer wird denn hier so unfreundlich sein?", tadelte er Ron und blickte dann interessiert zu dem Besen in seiner Hand. "Was hast du da?“, fragte der Blonde neugierig. „Lass mal sehen.“

„Einen Teufel werd ich dich-“

Doch es reichte nur ein Schnippen von Dracos Fingern und der Besen glitt geschmeidig aus seinen Fingerspitzen in dessen ausgestreckte Hand.

Verräterischer Bodenfeger, warf Ron in seinen Gedanken grimmig seinem Besen vor. Er war schon zwei Schritte auf Malfoy zugehechtet und bereit, seinen Zauberstab zu ziehen.

„Ist das ein Nimbus 1700?“ Prüfend begutachtete Malfoy das gute Stück in seinen Händen und rollte den Besenstiel zwischen seine beringten Finger. „Hmm…“

„Was - hm? Lass raten, willst du wissen, ob sich ein Museum bei mir gemeldet hat, weil ein Ausstellungsstück bei ihnen verschwunden ist?“

Giftig stierte Ron seinen Gegenüber an, und für einen kurzen Moment hatte es Malfoy scheinbar die Sprache verschlagen.

Und dann lachte er. Ron war jetzt rot angelaufen und wollte dem anderen wieder an die Gurgel, doch das Lachen ließ ihn kurz innehalten. Denn irgendwas war anders. Irgendetwas fehlte. Kurz überlegte Ron und dann hörte es. Es fehlte jegliche Spur von Häme. Es war einfach nur ein Lachen. Natürlich und normal.

„Applaus Weasley, du hast dir also einen Spruch von mir aus dem zweiten Schuljahr gemerkt.“ Seine Stimme war arrogant und hämisch wie eh und je. Das Gefühl, welches das Lachen in Ron eben noch ausgelöst hatte, war verschwunden und er war kurz davor zu platzen. Natürlich hatte er sich das gemerkt! Wie konnte man sich so etwas bitte auch nicht merken! Immerhin hatte er die Besen seiner Brüder beleidigt. Sie würden viel daran verdienen, wenn sie ihre Sauberwischs 5 einem Museum verkaufen würden! Und jetzt stand er hier vor Ron und lachte sich tot, weil Ron sich immer noch an den Spruch erinnern konnte.

War das zu fassen. „Ich hab noch nie einen in der Hand gehalten“, meinte Malfoy nun und Ron stierte ihn noch wütender an, weil jetzt gleich bestimmt ein Spruch kommen würde.

„Ist nicht wirklich mein Stil, aber fliegt sich sicher sehr stabil, nicht wahr? Ein kraftvoller Besen. Aber für meinen Geschmack etwas zu schwer.“ Rons Augen waren immer noch verengt und stierend.

„Passt zu dir, Weasley“, meinte er dann und jetzt weiteten sich die braunen Augen ein wenig. Worauf wollte die schleimige Schlange hinaus?

Dass er, Ron Weasley, nicht Draco Malfoys Stil war? Das musste der Blonde nicht in eine Besen- Metapher umformulieren, das war Ron auch so klar!

„Ron wo bleibst du! 10 Strafrunden!“, hörte er Freds ungeduldige Stimme aus dem Wasser. Grinsend gab Malfoy ihm seinen Besen wieder zurück. „Hier, bevor noch irgendjemand auf die Idee kommt, ich würde sowas fliegen.“ Dann trat er an Ron vorbei um hinauf zum Schloss zu laufen. „Malfoy!“, tobte Ron jetzt und schüttelte ihm seine wütenden Fäuste hinterher. Der Blonde warf schallend lachend seinen Kopf in den Nacken und stolzierte davon.
 

Beleidigt entledigte sich Ron jetzt seiner Kleider, bis auf seine Shorts und legte seinen Besen dazu.

Die Abkühlung hatte richtig gut getan, auch wenn er tatsächlich noch zehn Strafrunden abschwimmen musste. Voller Elan lief er mit seinen Brüdern zu ihrem neuen Gemeinschaftshaus.

„Veritaserum“, sangen Fred und George im Chor und Ron verschwand in seinem und Harrys Zimmer. Der Schwarzhaarige schlief immer noch und so stellte Ron sich unter die Dusche und genoss das warme Wasser auf seiner Haut. Alles in allem war das ein sehr erfolgreicher Morgen gewesen.

Bis jetzt verlief sein erster Schultag zurück in Hogwarts besser als gedacht. Obwohl er anfangs wirklich keine Lust darauf hatte- doch er war überrascht wie zufrieden er sich fühlte, seine Brüder ein Zimmer weiter zu haben, wieder mit Harry in einem Zimmer zu schlafen und sich mit Malfoy so zu streiten, als ob der Krieg nie passiert war.

Um ehrlich zu sein war er ziemlich froh, dass die Zwillinge sich dazu entschlossen haben, ihre Schulausbildung hier fertig zu machen. Da sie damals vor ihren Prüfungen wegen Umbridge die Schule verlassen hatten, besaßen sie keinen richtigen Abschluss. Wozu auch? Ihr Laden lief gut, sie planten sogar, einen neuen in Hogsmeade zu eröffnen, dann wäre es eine kleine Kette.

Doch auf Drängen von ihrer Mum hin, überlegten sie es sich und hatten einen persönlichen Antrag bei McGonagall gestellt. Diesem wurde auch sofort zugestimmt. Unter gewissen Bedingungen, verstand sich natürlich. So durften sie keine Produkte aus dem „Weasleys Zauberhafte Zauberscherze“ – Sortiment verkaufen und jegliche Feuerwerks- Spektakel waren ihnen untersagt. Aber man musste hier nicht unbedingt erwähnen, dass sich die Zwillinge sich sowieso nicht daran halten würden.

Um den Laden kümmerte sich jetzt ihr bester Freund Lee Jordan, und am Wochenende und in der Freizeit würden sie sich um neue Bestellungen und Lieferungen kümmern. So war der Plan.
 

Sich die Haare abtrocknend verließ Ron das Bad und setzte sich auf das Bett, bevor er sich seine Hose anzog.

Gut geschlafen hatte er heute auch. Obwohl das eine Seltenheit war. Meistens mussten die Zwillinge oder Harry ihn nachts immer aufwecken, weil er in seinen Träumen immer schrie. Doch diesmal wurde er weder von Harry, noch von irgendjemand anderem geweckt. Sein Blick fiel auf die Wand an seinem Bett. Komisch…ein seltsames Gefühl überkam ihn. Doch er wusste nicht, was es war. Seufzend stand er auf und bemerkte, dass Harry schon ins Bad verschwunden war.
 

Nach dem Krieg hatte er oft das Gefühl, dass sich etwas geändert hatte. Dass ihm etwas fehlte. Abgesehen von seinen beiden Brüdern war da noch etwas anderes. Zum Beispiel konnte er sich nicht mehr so klar an die Zeit erinnern, als er Harry und Hermine damals im Krieg verlassen hatte und alleine unterwegs war.

Und manchmal – in seinen Träumen- da kam er diesem Gefühl, wessen er beraubt worden war- wieder nahe.

Nur wachte er dann morgens auf und konnte sich nicht wirklich daran erinnern, was er geträumt hatte.

Meistens waren es Alpträume. Und noch was anderes. Von der heutigen Nacht hatte er wieder keine Erinnerung. Das waren wahrscheinlich die Folgen des Krieges. Einige Dinge vergaß er, oder hatte sie verdrängt.

Und wiederum andere Dinge kamen ihm vor wie ein Dejavu.
 

Aber irgendwie war ihm so, als ob jemand gestern Nacht mit ihm geredet hatte. Schnell schüttelte er diesen Gedanken ab. Wäre nicht das erste Mal, dass bei ihm die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwammen.

Keine Worte sind noch zu sagen

Am Frühstückstisch herrschte Tumult. Fast jeder Schüler von Gryffindor ignorierte sein Frühstück und saß nun über ein Blatt Pergament gebeugt. „Was ist denn hier los?“, fragte Ron verwirrt und nahm neben Hermine Platz, neben ihm Harry.

Hermine schien ihn komplett zu ignorieren und Ron versuchte einen Blick auf ihr Pergament zu werfen. In diesem Moment erschien vor ihm ebenfalls ein solches Blatt und er zog es interessiert zu sich. Ihr Stundenplan. Wenn es nur das war - er wollte es schon desinteressiert beiseite legen, um sich etwas vom Rührei zu nehmen, doch wie aus dem Nichts tauchten plötzlich Fred und George auf, einer zu seiner Rechten, der andere zu seiner Linken und hatten Harry und Hermine beiseite gedrängt.

„Duellierkunst!“, rief Fred begeistert aus. „Muggeltechnologie!“, schwärmte jetzt George. „Magische Erfindungen!“ Es hörte sich an wie ein wirres Lied, das die beiden da von sich gaben und Ron verstand im ersten Augenblick nur Gleis Neundreiviertel.
 

Noch einmal warf er einen Blick auf seinen Stundenplan. Da standen auf einmal ganz neue Fächer drauf. Natürlich- die alten Fächer blieben noch bestehen. Aber daneben gab es noch eine Reihe anderer Fächer, von denen Ron noch nie etwas gehört hatte.

„Wir dürfen dieses Jahr wieder neu wählen.“ „Dann schmeiß ich wieder Zaubertränke raus“, meinte Ron prompt, auf einmal so glücklich über die neue Nachricht.

„Oh nein, Ronald, das wirst du nicht tun!“, ertönte neben George Hermines Stimme und sie warf unter dessen angewinkeltem Arm Ron einen tödlichen Blick zu.

„Streich von mir aus Wahrsagen oder Astronomie – wenn es sein muss.“ Wieder warf Ron einen Blick auf den Plan, diesmal viel interessierter. Magische Erfindungen. Heilzauberei. Muggeltechnologie. Duellierkunst. Kochmagie. Und neben dem regulären Flugunterricht gab es auch einen wöchentlichen Qidditchkurs.

„Flugstunden und Duellierunterricht gib es auch noch bei Nacht! Ist ja krass!“, riefen die Zwillinge gleichzeitig im Chor.
 

Nach diesen neuen Erkenntnissen waren Astronomie und Wahrsagen sowas von draußen!

„Los, Ronnie- setz dein Kreuzchen hier“, George beugte sich vor und deutete mit einem erpichten Finger auf Quidditch und Duellierkunst, von der anderen Seite her setzte Fred für Ron die Kreuze bei Magische Erfindungen und Muggeltechnologie – ob er nun wollte oder nicht.
 

„Und denk an Flug- und Duellierstunden bei Nacht!“ „Ihr seid ja motiviert“, maulte ihr jüngster Bruder und verrollte die Augen.

„Das ist unser letztes Jahr hier-„ „da gilt es rauszuholen, was es rauszuholen gibt.“

„Dann streich ich aber noch Muggelkunde“, motzte er verstimmt. So viele Fächer, wie sollte er das nur schaffen?

„Streich das, kein Problem. Ist sowieso nur langweiliges, unnötiges Zeug- nichts für ungut, Hermine.“ George wurde mit einem weiteren tödlichen Blick bedacht.

„Muggeltechnologie ist viel interessanter! Nicht so theoretisch und geschichtlich! Hier erklären sie dir das richtige Handwerk. Zeigen dir wie die Maschinen funktionieren.“

„Wow“, Ron sah seine Brüder begeistert an. „Welche Maschinen? Flugzeuge meint ihr? Und Autos?“, fragte er interessiert. Mit Autos kannten er und seine Brüder sich ja bestens aus. Besonders mit fliegenden. Aber ein Flugzeug! Das wäre ja was!

„Also Flugzeuge eher nicht-„ sofort wurde er von Hermines besserwisserischer Stimme unterbrochen. „Meines Wissens geht es um kleine Geräte wie Waschmaschinen, Backöfen, Mikrowellen und Telefone.“

„Woow“, hauchten die drei Weasleys gleichzeitig, denn immerhin interessierten sie sich für Technisches und für Erfindungen, besonders Fred und George. „Also Harry und ich werden nicht dort hingehen, ist doch so oder?“, sie warf ihrem besten Freund einen fragenden Blick zu. Der hob den Kopf und schüttelte ihn nur kurz. Von Muggelsachen hatte er wohl die Schnauze voll, besser gesagt kannte er die ganzen Dinge ja schon.

Aber für die drei Weasleys war es wie ein aufregendes Abenteuer.

„Hey, und was ist Kochmagie?“, Ron hielt seinen Stundenplan hoch und deutete auf das Fach. „Neeee…“ „Ne, ist doch nur was für Weiber“, die Zwillinge verzogen beide gleichzeitig ihr Gesicht und versuchten sich dabei gegenseitig zu überbieten.

Hermine schüttelte genervt ihren buschigen Kopf.

„Also eure Schwester und ich gehen da hin, stimmt’s Ginny?“ Die Angesprochene nickt nur zustimmend, Fred und George schüttelten, an Ron gewandt, mahnend ihre Köpfe.
 

Überlegend blickte Ron auf das Pergament- und dann ohne zu wissen wieso- hob er seinen Kopf und blickte geradewegs zum Slytherintisch hinüber. Dort trafen sich ihre Blicke. Es war fast schon so, als Draco auf diesen Blick gewartet hatte. Die grauen Augen schienen die braunen zu suchen. Sie schienen ihn etwas fragen zu wollen, aber Ron konnte nicht ausmachen was es sein könnte. Schluckend drehte Ron seinen Kopf weg. Verunsichert sah er zurück auf seinen Stundenplan zurück - und als Fred und George sich kurz zu Dean Thomas rüber beugten, um ihm seine Schokofroschkarte von Agrippa zu stibitzen - in dieser kurzen Sekunde setzte er sein Kreuz bei Kochmagie. Obwohl er nicht genau wusste, wieso. Es war Intuition. Ein innerer Drang.
 

Als sie ihre Kreuze fertig gesetzt hatten, verschwanden die Stundenpläne wie von Zauberhand und sie konnten sich endlich dem Essen widmen.
 

In der ersten Stunde hatten sie Zaubertränke bei Professor Slughorn und wurden dafür in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe durfte eine Brandheilsalbe herstellen, die anderen mussten sich an die Herstellung einer Wundheilsalbe machen.

Draco, sowie Ron wurden der ersten Gruppe zugeteilt und arbeiteten mit den anderen ihrer Gruppe – Harry, Hermine, Zabini, Terry Boot und Hannah Abbott an einem Tisch. Jeder braute seinen eigenen Trank.
 

Nach Professor Slughorn würde sich die Flüssigkeit- wenn man den Trank richtig hergestellt und den Flubberschleim als Verdickungsmittel hinzugefügt hatte - zu einer Salbe verfestigen.

Alle an seinem Tisch schienen die Aufgabe besonders ernst zu nehmen, sogar Harry, der vor ihrem sechsten Schuljahr rein gar nichts mit Zaubertränken am Hut hatte.

Doch seit Snapes Zaubertränke- Buch hatte sich das sehr stark geändert.
 

Wehleidig warf Ron einen Blick zur anderen Gruppe. Die schienen richtig Spaß zu haben, Fred und George warfen sich gegenseitig mit Flubberwürmern ab, von welchen sie eigentlich mit einem kleinen stumpfen Messern ihren Schleim abkratzen mussten. Und Seamus lachte sich darüber halbtot, bevor einer der Würmer in seinem Mund landete, was wiederum Neville fast zum Ersticken – vor Lachen- brachte.
 

Der Professor lief an jedem Tisch abwechselnd vorbei und gab immer mal wieder Hilfestellung. Dann erzählte er von der Wirkung der Salbe.

„Die Brandheilsalbe: wirkt natürlich bei jeder Art von Verbrennungen. Besonders sinnvoll, nachdem man von einem Incendio-Fluch getroffen wurde.“
 

Hätte Ron nicht gelangweilt seinen Kopf gehoben, um seine Augen kurz zu entspannen, wäre es ihm wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. Draco Malfoys Blick, der abwesend auf ihm lag.

Als ob er in Gedanken war. Peinlich berührt wollte Ron wegsehen, doch Draco schien ihn immer noch unbewusst anzustarren. Anscheinend war ihm nicht aufgefallen, dass Ron ihn bemerkt hatte. Verschämt räusperte dieser sich leise und Dracos Augen weiteten sich kurz, bevor sie sich abwandten.

„Die Zutat Feuersalamander-Blut, übrigens hochwirksam, wird auch gerne für andere Heil- und Kräftigungs- Tränke verwendet. Eine weitere Zutat: die Diptam- Essenz. Ist auch pur ein sehr wirksames Gegenmittel bei schlimmen Wunden und Verletzungen.“

Ron lächelte. Diese Essenz hatte Hermine benutzt, nach seinem Zersplintern während des Apparierens. Und auch bei Harrys, Hermines und seinen schweren Verbrennungen, die die Schutzzauber auf den Schätzen der Gringottsbank ihnen zugefügt haben.

Er hob den Kopf, um Hermine einen Blick zu schenken. Doch statt Hermines lächelndem Blick empfing ihn Dracos starrender Blick. Etwas schien heute mit ihm nicht zu stimmen! Als ob er etwas in Rons Gesicht suchte. Irgendeine Erkenntnis.

Schluckend bemerkte Ron, dass seine Ohren schon rot angelaufen waren.

Was sollte das? Konnte er bitte mal aufhören zu starren. Das war ein höchst unangenehmes Gefühl! Beschämt trat er unter dem Tisch auf Dracos Fuß. Doch statt wegzusehen, veränderte sich dessen Blick, als er ihm auf den Fuß getreten hatte. Es war fast so, als ob das Füßetreten ein Zeichen war, worauf er insgeheim gewartet hatte.

Ein rosa Hauch legte sich auf die sonst so bleichen Wangen und er wandte sich dann schließlich wieder seinem Trank zu. Was in Merlins Namen war das?
 

Rons Trank war natürlich ein Desaster, wofür er innerlich jedoch die Schuld dem Blonden gab. Hätte er ihn nicht so sehr mit seinem Starren abgelenkt, hätte er ihn sicher besser – wahrlich nicht gut- aber immerhin besser hingekriegt! Statt einer orangefarbenen Paste starrte eine hellgelbe Flüssigkeit Professor Slughorn an, der bei diesem Anblick, welcher sehr stark an Urin erinnerte, seine Nase rümpfte.
 

Die Zwillinge kringelten sich am Boden und Harry musste mühsam sein Lachen schnell unterdrücken, was ihm nur eine jämmerliche Sekunde lang gelungen war, danach schloss er sich den Zwillingen an. Auch auf Malfoys Lippen hatte sich ein leichtes Grinsen gelegt. Was Ron überraschte, denn sonst war der Slytherin immer ganz vorne mit dabei, wenn es eine Gelegenheit gab, sich über Ron lustig zu machen. Aber vielleicht wollte er sich nur nicht anschließen, weil er mit seinem dreckigen Lachen lediglich Rons Brüder bestärken würde.
 

Jeder wusste ja, dass Draco Malfoy am liebsten nur über seine eigenen dreckigen Witze lachte.

Du riechst so gut

Nach Zaubertränke hatten sie Pflege magischer Geschöpfe bei Hagrid. Wie sehr freute er sich ihren Freund wieder zu sehen. Sie mussten ihm versprechen, die nächsten Tage zum Teetrinken vorbei zu kommen. Und nach einem herzhaften Mittagessen ging es weiter mit Geschichte der Zauberei, das fast jeder- außer Hermine natürlich – für ein angenehmes Mittagsschläfchen nutzte.
 

Auf den nächsten Unterricht waren er und seine Brüder besonders gespannt.

Muggeltechnologie.

Diesmal waren sie alleine, denn Harry und Hermine belegten diesen Kurs sinnvollerweise nicht. Dicht gedrängt standen sie zu dritt am vordersten Tisch.
 

„Meine Herren, in diesem Raum ist noch genug Platz. Mister Weasley- nicht wahr?“, vergewisserte sie sich über den richtigen Namen bei Fred.

„Setzen Sie sich doch bitte einen Tisch nach hinten, zu dem netten Herrn mit den blonden Haaren.“

Die neue Lehrerin- Professor Gray- lächelte eindeutig Fred an. Zumindest nach Rons Empfindungen. Nicht nach Freds Ansicht.

„Los, geh“, er schubste seinen jüngeren Bruder unsanft nach hinten. „Vergiss es! Sie hat dich gemeint! Mister Weasley!“, zischte Ron jetzt leise.

War ja so klar, dass sich die Zwillinge immer gegen ihn verschworen.

„Ich seh nur einen Mister Weasley hier am Tisch.“ Überlegen grinste George nun Ron an.

Und Fred, der Georges Witz schon verstanden hatte, ohne ihn überhaupt gehört zu haben, warf ein. „Genau. Wie wir zwei heißen, weiß ja wohl jeder. Ich bin Mister Weas.“ „Und ich bin Mister Ley.“

Augenrollend wandte Ron sich ab, bereit nach hinten zu gehen. Murrend. So einen dummen Spruch hatte er ja noch nie gehört! Mister Weas und Mister Ley.

Da hatten sich die Zwillinge mal wieder gnadenlos selbst untertroffen!

Erst jetzt sah er, wer mit dem „blonden Herren“ gemeint war.

„Malfoy?“, entwich es ihm fassungslos und jetzt drehten sich auch Fred und George und der Rest der Klasse zu dem hinteren Tisch um.

Und tatsächlich – unglaublicher Weise stand Draco Malfoy im Muggeltechnologiekurs an einem Tisch. Der Muggelhasser Nummer 1!

Und ignorierte die entgeistert starrenden Augen und die offenen Münder.

„Hast du dich verlaufen?“, fragte Ron jetzt unwirsch. „Da vorne ist die Tür. Das hier ist Muggeltechnologie!“ Er konnte sich doch nur verlaufen haben, oder? Oder?

Nicht nur Ron fand die Erscheinung des Slytherins mehr als merkwürdig, es ging jedem in der Klasse so. Jeder kannte Malfoy und seine jahrelange Einstellung.
 

Erhaben blieb dieser stehen und rührte sich nicht. Er würdigte Ron noch nicht mal eines Blickes, als er arrogant antwortete. „Ich bin nicht so dumm wie du, Weasley. An den Gerätschaften in diesem Raum fällt doch jedem sofort auf, welcher Unterricht das hier ist.“
 

Und er hatte Recht. Sie standen in einem Raum, der aussah, als sei er gleichzeitig Wohnzimmer und Küche eines Muggelhauses.

„Nun, ich heiße alle Schüler in diesem neuen Unterricht willkommen und freue mich, dass Sie doch so zahlreich erschienen sind. Wir werden uns hauptsächlich mit einfachen Gerätschaften in der Muggelwelt beschäftigen. Falls Sie irgendwann einmal das Glück – oder das Unglück, wie auch immer- haben sollten, in der Muggelwelt zurechtkommen zu müssen, soll dieser Unterricht Sie mit den wichtigsten Anwendungen vertraut machen. Unter anderem sehen wir uns Mikrowellen, Backöfen, Elektroherde und elektrische Mixer an. Alles, was man für das Kochen und Backen braucht.“

„Ätzend“, schnauften die Zwillinge im Chor, doch die Lehrerin fuhr unbeirrt weiter.

„Was die Unterhaltung angeht“, sie lächelte die Zwillinge an „werden wir uns die Funktion von Videorekordern, CD- Spielern und Fernsehgeräten ansehen.“

„Krass“, die Zwillinge schlugen unter dem Tisch ein und – Moment- bildete sich Ron das nur ein oder sah Malfoy wirklich – interessiert aus? Nein, das konnte nicht sein.
 

„Nützliche Maschinen wie die Waschmaschine oder der Trockner, dürfen natürlich auch nicht fehlen. Sowie der Haarföhn, ein sehr wichtiges Utensil für die Damen.“

Die Mädels kicherten, doch Ron fiel das nicht weiter auf.
 

Denn auf einmal hatte sich ein Geruch in seine Nase geschlichen. Kurz war es, als ob ihm schwindelig wurde. Ein Gefühl, das ganz leicht an das Apparieren erinnerte. Und es war ihm, als hätte er ein Dejavu.

Woher kam der Geruch? Es roch irgendwie…nach Holz. Nein, nach Wald. Oder nein- war es Meersalz? Er wollte den Gedanken abschütteln, doch dann mischte sich eine männliche Note dazu. Leicht herb. Aber gleichzeitig so frisch.

Stirnrunzelnd überlegte er. Und dann drehte er leicht seinen Kopf. Was war das? Wo kam dieser verdammte Duft her? Als ob er ihn schon mal gerochen hatte, so kam ihm das vor.

Und seine Nase folgte jetzt der Duftnote. Der Duft wurde immer stärker. Noch etwas näher. Bis er auf Widerstand stieß.
 

Perplex sah er hoch. In das ungerührte Gesicht Draco Malfoys.

Langsam zog sich dessen rechte Augenbraue in die Höhe.

„Weasley, darf ich bitte fragen, was du da tust?“

Seine Stimme war eisig, doch ein rosa Hauch hatte sich auf seine Wangen gelegt.

Merlin. Der Geruch – das war Malfoy?! Das durfte nicht sein!

Und was noch viel schlimmer war- sein Gesicht war dessen Arm verdammt nah gekommen.

So, dass sein Gesicht seinen Ärmel berührte.

Verlegen richtete er sich wieder gerade auf und versuchte so zu tun, als ob nichts gewesen war. Immerhin waren sie beide jetzt nach Zaubertränke - nach diesem peinlichen Starren Malfoys - endlich quitt!

Aber dennoch- furchtbar peinlich war es Ron trotzdem noch.

Merlin, er hatte an Malfoy…gerochen! Er konnte sich selbst nicht erklären wieso.

Er versuchte sich damit zu beruhigen, indem er sich selbst einredete, dass seine Reaktion wohl nur so heftig war,

weil er zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder so nah bei Malfoy stand.

Er konnte sich nämlich nicht erinnern, dass der Slytherin früher auch schon so gerochen hatte. Bestimmt war es ihm einfach nur nicht aufgefallen!

Und es war heute auch das erste Mal in ihrer gesamten Schulzeit, dass sie sich einen Tisch teilten und gezwungen waren, sich so lange auszuhalten.

Kein Wunder also, dass ihm jetzt zum ersten Mal der Geruch des anderen auffiel.
 

Doch das Schlimme war, dieser Duft schien seine Sinne zu betören. Er war so anziehend! Wie konnte ein Geruch nur so anziehend sein?

Wahrscheinlich hatte der reiche Schnösel Unmengen für das Parfum ausgegeben. Und auch, wenn es ihn nicht interessierte, er hatte das Gefühl, wenn er danach fragte, würde es ihm die Sache viel angenehmer machen. Und ihn nicht mehr als komischen Fetischisten dastehen lassen.

Leise räusperte er sich und tat aber gleichzeitig so, als würde er gespannt der Lehrerin lauschen. „Malfoy…wie heißt eigentlich das Parfum, das du trägst?“, fragte er ganz leise, bewegte fast unmerklich seine Lippen.

Eigentlich wollte er zuerst fragen, wie teuer sein Parfum war, doch entschied er sich im letzten Moment dagegen. Er hatte jetzt nämlich keine Lust auf eine Antwort, die ungefähr so lautete. ‚Weasley, schlag es dir sofort aus dem Kopf, der Preis übersteigt bei Weitem das Dreifache des Jahresgehaltes deines Vaters.‘ Genau aus diesem Grund hatte er die Frage noch umformuliert.

Auch Malfoy nahm den Blick nicht von der Lehrerin, die jetzt irgendetwas von „Kommunikation…Telefone und Schreibmaschinen“, faselte, doch er hob mit zwei Fingern seinen Kragen etwas an und legte seine Nase kurz an den Stoff seines Hemdes. Dann grinste er – Ron immer noch nicht ansehend.

„Der Duft heißt Eau de Nature.“

„Mh“, antwortete Ron nur knapp. Eau de Nature also. Musste mal Hermine oder Ginny fragen, ob sie den kannten. Als Draco merkte, dass Weasley es anscheinend nicht geschnallt hatte, schüttelte er grinsend seinen Kopf.

„Weasley…das bedeutet, dass ich heute gar kein Parfum aufgetragen habe.“ Ein Schmunzeln umspielte seine Lippen. Der Blonde musste seinen Kopf gar nicht erst nach links drehen, um Weasleys Reaktion mitanzusehen. Er konnte aus seinen Augenwinkeln schon klar genug erkennen, wie Weasley mit seiner Fassung rang.

Bevor er noch näher darauf eingehen konnte, schaltete Professor Gray eine Maschine an, die entsetzlich zu rumoren anfing und Wasser in sich umherwirbeln ließ. Das sah man, weil in der Maschine ein rundes Fenster eingebaut war.

„Wer kann mir sagen, um was es sich bei dem guten Stück handelt?“

Lisa Turpin meldete sich. „Eine Waschmaschine.“

„Exzellent, fünf Punkte für Ravenclaw.“

Ein verwirrtes Raunen ging durch die Klasse und die Lehrerin ergriff wieder das Wort.

„Gewiss, Sie teilen sich nun alle ein neues Haus. Das dient aber nur als gemeinsamer Gemeinschafts- und Schlafraum. Ihre Punkte verdienen sie immer noch für ihr altes Haus, dort wo sie auch an ihren jeweiligen Tischen immer noch die Mahlzeiten zusammen einnehmen.

Und ja, Mister Ley und Mister Weas, um ihre geflüsterte Frage zu beantworten: Sie können theoretisch auch wieder für Gryffindor als Treiber spielen.“ Ein Johlen ging durch die Klasse.
 

Nur Ron war nicht zum Johlen zumute. Denn er konnte von der Seite das diabolische Grinsen erkennen, das sich auf Malfoys Profil geschlichen hatte. „Ich kann dir also nicht mit Punktabzug drohen, Wiesel?“, flüsterte dieser Unheil versprechend.

Ron wurde ganz flau im Magen. Das hatte ihm ja noch gefehlt.

Es juckte Ron in den Lippen, einen Spruch rauszuhauen. Wieso Malfoy so gebannt auf die Waschmaschine starrte, ob er wohl Angst hätte, sie würde ihn angreifen. Ja, das war gut, er wollte die Lippen schon öffnen, doch Professor Gray fragte nun.

„Wer möchte mal herkommen und versuchen, diesen Lappen zu waschen?“

Das war Rons Stichwort. „Na, Malfoy, trau dich. Oder hast du etwa Angst, dass diese kleine Muggelerfindung dich angreift?“, fragte er ganz laut in die Klasse. Alle mussten lachen.

Ziemlich stolz auf sich und seinen Spruch wartete er auf Malfoys Reaktion.

So, als ob er Ron gar nicht gehört hatte – er ignorierte ihn einfach- hob er souverän seine Hand.

Rons Kinnlade klappte herunter.

„Mister Malfoy. Sehr schön.“

Die ganze Klasse starrte Malfoy ungläubig an, als dieser sich erhob, kurz seinen Umhang straff zog und dann sicheren Schrittes nach vorne stolzierte.
 

Das konnte nur schief gehen! Malfoy würde irgendetwas dummes machen, oder sagen, diese Maschine beleidigen und das Muggelding würde ihn so angreifen wie Seidenschnabel damals in ihrem 3. Jahr.

So musste es passieren, sonst würde Ron seinen Glauben an die Menschheit verlieren.

Doch zum Erstaunen aller legte Malfoy seine Hand sicher auf die Maschine ab und griff danach nach dem Waschpulver. Ein Abmessbecher lag da auch schon bereit. Bei der Menge zögerte er ganz kurz. Aber da er nur einen Lappen waschen musste, entschied er sich für nur wenig Waschpulver. Langsam öffnete er die kleine Schublade für das Waschmittel, füllte es vorsichtig hinein und schloss es wieder. Danach nahm er den Lappen, den ihm die Lehrerin entgegenhielt und legte ihn in die Maschine, bevor er die Waschmaschinentür geräuschvoll zudrückte. Seine rechte Hand lag auf der Abdeckplatte der Waschmaschine und – was tat er da? Tätschelte er sie? Nein, er…streichelte doch nicht etwa eine Waschmaschine? Sogar von seinem Platz aus konnte Ron genau sehen, dass sich Malfoys Blick verändert hatte. Keine Spur mehr von dem falschen Stolz und der Arroganz. Es hatte sich eine gewisse Melancholie in seinen Blick geschlichen. Als ob er in Erinnerungen schwelgen würde. Und Ron verstand es nicht. Er verstand im Moment gar nichts.
 

War das überhaupt noch der Malfoy, den er kannte? Oder hatte jemand mithilfe von Vielsafttrank seinen Platz eingenommen? Stand er womöglich unter dem Imperius- Fluch und musste als Strafe für seine jahrelangen Hänseleien unschuldiger Schüler auf einmal so was über sich ergehen lassen? So tun, als ob er etwas von Muggelsachen verstand? Da steckte doch jemand dahinter. Jemand, der Malfoy demütigen wollte. Und damit seinen heiligen Reinblüter- Stolz beschmutzen wollte.
 

Als Slytherin 10 Punkte bekam und die ganze Klasse Malfoy applaudierte, verstand Ron die Welt nicht mehr. Bis zum Ende der Stunde saß er da, festgefroren auf seinem Platz. Kurz bevor es läutete, hörte er Malfoys amüsierte Stimme. „Na Wieselchen, sag bloß – überrascht?“

Rons Wangen glühten siedend heiß auf. Diese Schmach. Und er hatte ihn vorher noch schön ausgelacht, von wegen Angst vor einer Waschmaschine. Hatte sich ganz schön blamiert.
 

„Tja, in einem Jahr kann sich viel ändern, Weasley.“

Mit diesen Worten erhob sich Malfoy, da es gerade geläutet hatte, stolzierte hoch erhobenen Hauptes an Ron vorbei, doch bevor er diesen völlig verdattert dreinblickend zurückließ, beugte er sich kurz zu ihm hinunter.
 

„Zum Beispiel, dass Ronald Weasley jetzt auf Männergerüche steht.“
 

Und dann schritt er aus dem Raum, einen knallroten Ronald Weasley zurücklassend.

Es ist kalt und regungslos

10. Oktober 1997
 

Ron rannte und rannte. Er war einige Male appariert und wusste nicht, wo er jetzt war. Er hatte komplett seine Orientierung verloren. Er wusste nur, dass er gerade seine besten Freunde verlassen hatte und sich im Moment nicht mehr so sicher war, ob er das überhaupt wollte.

Sollte er umkehren?

„Was ist mit dir? Kommst du oder bleibst du?“ Hermines Zögern und ihr Gesicht dazu bewegten ihn weiter zu rennen. Das war doch eigentlich klar, oder? Was hatte er auch anderes erwartet?
 

Ronald Weasley, Harry Potters dummer Freund. Nach allem, was er je für ihn getan hatte.

Doch Harry führte sie in eine Suche ohne Plan und ohne Aussichten auf irgendetwas.

Der Wald verdunkelte sich, die Bäume standen immer dichter und da fiel Ron Weasley auf, dass auch er keinen Plan hatte. Nach Hogwarts konnte er jetzt nicht. Bei dem, was gerade unter Snape dort herrschte - Chaos.

In den Fuchsbau konnte er auch nicht. Was wenn ihr Haus bewacht wurde? Immerhin suchte man ihn. Unerwünschter Nummer 3.

Das hätte er sich vielleicht mal alles vorher überlegen sollen. Aber er hatte sich so wie immer von seinen Gefühlen leiten lassen. Ohne Kopf und Verstand. Nur noch Verzweiflung und Wut.
 

Ein ziehendes Stechen machte sich in seiner Seite bemerkbar und er lehnte sich kraftlos gegen einen dicken Baumstamm. Die Stirn an die knorrige Rinde gepresst atmete er flach. Seine Lunge brannte schmerzhaft. Er war Stunden gerannt, das fiel ihm jetzt erst richtig auf. Seine Beine waren wackelig und wollten schon willenlos nachgeben. Einfach in das feuchte Laub unter ihm sinken und die Augen schließen.
 

Plötzlich hörte er jedoch etwas in der weiten Stille des Waldes. So leise und so weit weg, dass er dachte, es wäre nur in seiner Einbildung existent. Angestrengt spitzte er seine Ohren um in die drohende Dunkelheit hinein zu horchen. Doch da - wieder. Eindeutig bewegte sich etwas in den Tiefen. Und wenn er sich nicht täuschte, kam dieses Etwas immer näher. Sein Herz begann zu rasen. Waren das Greifer?
 

Nein, nein, nein. Nicht jetzt. Nicht hier.

Schritte. Schnelle Schritte.

Und er begann zu rennen. Schon wieder. Obwohl das stundenlange Rennen vorher eher planlos war, jetzt hatte es ein Ziel: Flucht. Und zwar schnell.

Seine kraftlosen Beine setzten sich schneller in Bewegung. So schnell es ging. Mit aller Kraft die er noch hatte. Schweiß perlte langsam seine Stirn hinab und er biss sich keuchend auf seine Lippen, um den pochenden Schmerz in seinem Körper zu unterdrücken. Innerlich flehte er sich selbst an. Schneller. Schneller!
 

Das durfte nicht sein Ende sein. Das wäre zu ironisch. Jetzt, wo er seine besten Freunde verlassen hatte. Das musste wohl seine verdiente Strafe sein. Sterben, im Streit mit Harry und Hermine. Sterben, ohne sich von seinen Eltern richtig verabschiedet zu haben. Ohne ein letztes Mal über einen gelungenen Streich der Zwillinge gelacht zu haben.
 

Panisch umklammerte er seinen Zauberstab, er stürzte über dicke Äste am Boden, dünne Zweige peitschten ihm ins Gesicht. Und zu allem Übel hörte er wie jetzt wirklich jemand rannte. Voller Panik, das Herz rasend, warf er seinen Kopf immer nach hinten über seine Schulter, um etwas sehen zu können. Seine Verfolger. Oder vielleicht – vielleicht war es auch nur ein wildes Tier. Seinen Kopf nach hinten gedreht, immer weiter rennend, sah er nicht wie etwas vor ihm aus den Büschen stürzen wollte. Auf einmal waren es zu viele Geräusche, auf die er sich konzentrieren musste. Hinter ihm und – vor ihm? Sein Kopf schnellte wieder nach vorne, irgendetwas schien dort aus dem Dickicht brechen wollen.

Die Angst schnürte seine Kehle zu, sollte er weiter rennen, nach vorne?

Er war so weit ins Dickicht gelaufen, dass es an den Seiten keinen Ausweg mehr gab. Dornenranken erhoben sich an den Seiten und machten es unmöglich in diese Richtung zu fliehen. Er rannte weiter. Nach vorne.

Und plötzlich stieß ihn etwas um. Röchelnd ging er zu Boden. Die Wucht hatte ihn von den Beinen gerissen. Seinen Zauberstab riss er nun hoch und hielt ihn drohend vor sich ausgestreckt. Was war das? Mittlerweile war es schon so dunkel, dass er nichts erkennen konnte.

„Wer ist da?“, verlangte eine verschreckte Stimme zu wissen.

Obwohl Ron sie nicht erkannte, kam sie ihm doch irgendwie so merkwürdig bekannt vor.

Aber eins war klar, diese Stimme hatte ihn nicht erwartet. Also kein Greifer.

„Lumos“, flüsterte die fremde Stimme. Als das Licht Rons Gesicht erleuchtete, presste er seine Augen zusammen, weil es blendete und seine Finger umklammerten fester seinen Zauberstab, schon einen Fluch auf seinen Lippen, falls er ihn bräuchte.

„Weasley?“ Die Stimme klang nicht überrascht. Sie klang fassungslos.

Doch schien sie ihre Fassung schnell wieder zu finden. „Sieh an.“ Und dann erkannte er sie.

Die höhnische Stimme. Die ihn sechs Jahre seiner Schulzeit gedemütigt hatte.

„Malfoy?“, zischte er schockiert.
 

Das kam unerwartet. Weasley im Wald neben ihrem Anwesen. Und wenn Weasley hier war, war auch Potter hier irgendwo. Die Pläne in Dracos Kopf rotierten und versuchten sich neu zu koordinieren. Zu kalkulieren.

„Expelliarmus“, zischte seine Stimme jetzt eisig. Egal, was er jetzt vorhatte, es war sicherer Weasleys Zauberstab erstmal einzukassieren. Er hörte noch den verzweifelten Aufschrei des anderen und mit zwei Schritten war er bei ihm. Drückte ihm den eigenen Zauberstab an die Kehle. In seinem Kopf hatte sich so etwas wie ein Plan geformt. Von weitem hörte er rennende Schritte.

Potter.

Der Plan nahm immer klarere Konturen an. Wenn er Weasley als Geisel hatte, kam er an Potter. Und den würde er dem Dunklen Lord ausliefern. Dann hatte sich seine heute geplante Flucht erübrigt. Er war nämlich in den Wald gerannt, um dem wahr gewordenen Albtraum in seinem Haus zu entfliehen. Keinen einzigen Tag könnte er den wahnsinnigen Zauberer in seiner Nähe noch länger ertragen. Und den Druck, der auf seinen Schultern lastete.

Flucht war da der einzige Ausweg. Doch jetzt erhellten sich seine düsteren Gedanken.

Mit Potter als Tribut wäre er frei. Seine Familie unter dem Dunklen Lord rehabilitiert. Und dann würde er auch sicher endlich ihr Haus verlassen. Und seine Familie in Frieden lassen.

Ja, das war gut. Der Plan war brilliant.

Weasley würde er nichts Ernsthaftes antun. Er hatte in seinen eigenen vier Wänden, in denen er aufgewachsen und eine glückliche Kindheit verbracht hatte, schon genug Leid und Gewalt miterleben müssen. Er brauchte nur Potter. Das war alles.

Und den rennenden Schritten nach zu urteilen, wäre er gleich zum Greifen nah.

Er packte Ron an seiner Kapuze, hielt ihn eisern fest, zusammen mit dessen Zauberstab und hob seinen eigenen angriffsbereit vor sich.

„Expelliarmus!“, schrie er erneut mit fester, endgültiger Stimme und ein zweiter Zauberstab kam ihm in die Hand geflogen.

Jedoch nicht von Harry.

Ron zog scharf die Luft ein. Ein Greifer starrte ihnen entgegen. Und Ron hatte jetzt nicht mal einen Zauberstab, um sich zu wehren!

Auch Malfoy ist vor Schock zu einer Salzsäule erstarrt.

„Du schützt einen Unerwünschten? Einen Blutsverräter!“, donnerte die Stimme Scabiors und jetzt brach noch eine andere Gestalt hinter ihm aus dem Dickicht. Eine viel massivere Gestalt. Gier und Fleischeslust in den Augen blitzen. Fenrir Greyback.

Er sah zu Draco und zu Ron und zählte eins zu eins zusammen. „Er ist ein Verräter!“, zischte Scabior gefährlich und Draco stand immer noch wie versteinert da. Auch Ron rührte sich nicht am Boden.

Er könnte den Greifern Rons Zauberstab zeigen, erklären, dass er ihn gefangen hatte. Doch dann würden sie Weasley an den Lord ausliefern. Und dann würde dieser bis zum Tode gefoltert werden – bis er Potters Versteck ausplauderte.
 

Das konnte er nicht. Aber er musste etwas tun. Sofort. Denn sonst hätte er keine Wahl mehr und keine Zeit Pläne zu durchdenken und Entscheidungen zu treffen.

Und dann tat er das, was ihm als erstes in den Sinn platzte. Angreifen.
 

„Stupor!“ Der Fluch schleuderte Scabior gegen den Baum, da dieser auf ihn zu gerannt kam und es Draco mit der Panik zu tun bekam. Rons Augen weiteten sich schreckerfüllt.

„Incendio“, zischte Greyback bösartig und auf einmal stand Malfoys linker Schuh in Flammen.
 

„Scheiße“, fluchte dieser panisch, aber da der Werwolf schon bereit war, den nächsten Fluch auf ihn abzufeuern, konnte er sich nicht um seinen Schuh kümmern. Sein Zauberstab wurde woanders gebraucht. Immer wieder feuerte er Flüche auf seinen Angreifer ab, während er seinen Griff um Rons Kapuze verfestigte und gleichzeitig versuchte, sich den brennenden Schuh abzustreifen.

Jeder Fluch von ihm ging daneben und die Flüche Greybacks verfehlten die beiden immer nur knapp. Am Ende seiner Nerven - die Flammen hatten seinen Schuh zerfressen und züngelten jetzt an seiner Hose hoch- schrie er jetzt voller Kraft „Crucio!“.

Der Werwolf krümmte sich vor Schmerz und stieß ein bestialisches Grollen aus.

Draco sackte auf den Boden, zog Ron mit sich und löschte die Flammen mit Aquamenti.

Sofort, als das Wasser aus seiner Zauberstabspitze schoss, richtete er sie wieder auf Weasleys Kehle.

Er musste atmen. Er musste denken. Er war ein toter Mann.
 

Das hier war ein Unfall. Aber wer würde ihm schon glauben?

Seine Gedanken rasten, sein Herz noch viel mehr. Keinen klaren Gedanken konnte er fassen.

Da war nur noch blanke Furcht.

Er wusste nur eins: Weg hier.

Er wollte sich aufrichten, stürzte aber zu Boden auf seine Knie.

Sein Fuß! Er spürte seinen Fuß nicht mehr. Die Angst legte sich jetzt wie ein enges Korsett um sein Herz und zog immer fester zu.

Keine Zeit mehr, um sich das angerichtete Unheil näher zu beschauen.

Er musste weg. Aber alleine konnte er sich kaum bewegen. Alleine wusste er nicht einmal, wohin. Jetzt, wo sie ihn suchen würden. Jetzt, wo ihm niemand glauben würde.

Grob bohrte er seinen Zauberstab in Rons Seite und zog ihn hoch. „Du! Weasley!“ Am liebsten hätte er den Jungen vor sich an Ort und Stelle gefoltert, obwohl er nach seinen eigenen Erfahrungen damit, eigentlich etwas gegen die Anwendung des Cruciatus- Fluches hatte.

Doch das alles war nur Weasleys Schuld.

Der Rothaarige versuchte sich aus der Gewalt des anderen zu befreien. „Mein Zauberstab!“, fauchte er voller Wut, als ob er gerade wieder zum Leben erwacht war.

Das ganze Szenario hatte ihn zu einer Salzsäule erstarren lassen.

Doch jetzt, da zwei Angreifer von seinem dritten erfolgreich ausgeschaltet worden sind, musste er nur noch den Dritten abschütteln.

Was sich aber nicht als so einfach erwies, da Malfoys Rons Zauberstab hatte und sein Griff an dessen Kleidung erstaunlich eisern war. Vom Boden kamen würgende Geräusche und Scabior schien sich von dem wuchtigen Aufprall gegen einen massigen Baumstamm erholt zu haben.
 

Blitzschnell zog Draco den anderen Körper an sich, schloss seine Arme fest um ihn. Zwei erbeutete Zauberstäbe in der linken Hand, den eigenen fest umklammert in der Rechten.

Am liebsten wollte er ganz weit weg. Ans Ende der Welt. Und noch weiter.

Doch das war unmöglich.

Frankreich. Aber auch das würde schwierig werden, weil ein Meer sie trennte.
 

In dem Moment, als Scabior wieder auf sie los stürzte und auch Greyback Lebenszeichen von sich gab,

presste er Ron noch fester an sich und disapparierte mit ihm an Ort und Stelle.

Die Nacht öffnet ihren Schoß

Damit hatte Ron irgendwie nicht gerechnet, als er plötzlich so eng an Malfoy gepresst wurde - obwohl es dennoch die einzige sinnvolle Möglichkeit war, die Malfoy hatte. Zu verschwinden.

Denn auch dem Rothaarigen war spätestens, als dessen Schuh in Flammen stand, bewusst wie heikel die Situation geworden war.

Für Malfoy und für ihn.

Er wusste jedoch nicht, wessen Situation die tragischere war. Malfoy, jetzt von den Greifern für einen Verräter gehalten. Oder er, der jetzt ein Gefangener des Blonden war.
 

Der Geruch von Holz und modrigem Laub vernebelte ihm die Sinne, vermischt mit einem teuren herben Duft, der wohl von dem Körper ausging, der ihn eng an sich hielt, während sie beide durch einen viel zu engen Schlauch gepresst wurden. Der Waldgeruch verschwand. Was blieb war nur der Geruch des anderen jungen Mannes. Bis sich eine Prise Meersalz in die Luft mischte.
 

Rons Kopf schwirrte, seine Hände krallten sich in die Schultern des anderen. Alles zog sich zusammen und er bekam bald keine Luft mehr. Und endlich fiel er aus der Umarmung des anderen heraus, auf den Boden.

Röchelnd nach Luft klammerte er sich an einen Felsbrocken vor ihm fest. Auch Malfoy hinter ihm, hatte kurz mit Luftmangel zu kämpfen. Als Ron die Augen schließlich öffnete, blickte er hinaus auf tosende Wellen.

Wo waren sie? Er musste seine Gedanken sammeln, an seinen Zauberstab kommen und dann abhauen. Disapparieren.

Zurück zu Harry und Hermine. Irgendwie.

Malfoy jedoch schien ganz andere Pläne zu haben.
 

„So Weasley, beweg dich.“ Er spürte wie sich etwas, was sich anfühlte wie eine zu dick geratene Zauberstabspitze, in seinen Rücken bohrte. Nein, nicht eine Zauberstabspitze. Gleich drei.
 

„Wo sind wir hier?“, blaffte Ron den Blonden jetzt an und drehte sich so zu ihm um, dass sich die drei Zauberstäbe in seine Brust bohrten.

„Keine Ahnung“, schrie der andere jetzt, einem Nervenzusammenbruch verdammt nahe.

In diesem Moment merkte Ron, dass mit Malfoy im Moment nicht zu spaßen war. Er schien seine Fassung zu verlieren. Und wer wusste schon genau, zu was der frisch getaufte Todesser dann noch in der Lage war.
 

Aber er würde nicht Ronald Weasley heißen, wenn er nicht einfach drauf los ging und sich von seiner Wut leiten ließ. Grob packte er die Zauberstäbe und versuchte sie dem anderen zu entreißen. Eigentlich wollte er nur seinen eigenen, aber er steckte in der Mitte zwischen den beiden anderen, da wusste er nicht wie er mit seinen Fingern da so schnell rankommen sollte, also packte er gleich alle drei. Ein Fehler.

Denn irgendetwas, ein merkwürdiger Schwall aus drei verschiedenen Blitzen, explodierte und warf Ron rücklings über die Klippe.

Ein markerschütternder Schrei brach aus seiner Kehle.

Felsbrocken lösten sich von der Klippe und stürzten mit ihm in die Tiefe. Steine prasselten auf ihn herab und er fiel immer schneller. Kalter Wind peitschte ihm ins Gesicht. Das wars. Sein Ende. Getötet von Draco Malfoy. Erniedrigender hätte sein Schicksal ihn nicht bestrafen können.
 

Mum und Dad. Harry und Hermine. Fred und George zogen an seinem inneren Auge vorbei.

Doch der Aufprall kam nicht. Keine tosenden Wellen, die ihn verschluckten und mit in die Tiefe zerrten. Nein. Er schwebte in der Luft. Sah von hier aus, als er die Augen wieder öffnete, wie die Felsbrocken ins Meer stürzten und von den gefährlichen Wellen verschluckt wurden. Dann bewegte er sich auf einmal wieder aufwärts.
 

Ein bedrohlich wirkender Malfoy starrte ihn, auf der Klippe stehend, zornig an.

„Ich hoffe, du hast jetzt gesehen, dass mit mir nicht zu spaßen ist, Weasley!“, schrie er durch das Pfeifen des nächtlichen Windes.

„Du tust genau, was ich dir sage, wenn du weiterleben möchtest. Verstanden?“ Dominant donnerte seine Stimme durch die Nacht.

Eingeschüchtert und ängstlich nickte Ron. Welche Wahl hatte er denn schon?

Er schwebte gerade über dem Abgrund! Ein falsches Wort und er würde seine Familie und Freunde nie mehr wiedersehen. Geschweige denn irgendetwas anderes sehen als den Tod!
 

„Gut!“, zischte Malfoy nun gebieterisch und ließ Ron unsanft auf den steinigen Boden fallen.

„Aufstehen!“ Sein rechter Fuß trat heftig in die Seite des Weasleys, um diesen zum Aufstehen zu zwingen. Als er endlich stand, mit wütend zusammengekniffenen Augen - rammte der Blondhaarige ihm wieder die drei Zauberstäbe in den Rücken. „Bewegung!“, zischte er jetzt.

Murrend folgte Ron seinen Anweisungen. Es war so demütigend. Er war eine Geisel, oder ein Gefangener- was auch immer- von Malfoy! Von diesem schleimigen Sack!

Aber immerhin besser, als jetzt zu sterben. Irgendwie würde er schon aus der Misere herauskommen. Erstmal das tun, was der Wahnsinnige ihm befahl. Und ihn dann irgendwann in einem unachtsamen Moment überraschen, überwältigen und abhauen!

Ja, so sah sein Plan jetzt aus.

Nachdem sein Herz so langsam den Schock verwunden hatte, von der Klippe gestürzt zu sein, wagte er sich missmutig und leise das Wort an Malfoy zu richten.

„Wo sind wir eigentlich?“ Egal, mit welchen harmlosen Hintergedanken er die Frage auch gestellt hatte – anscheinend gefiel sie Malfoy überhaupt nicht.

„Wie ich schon sagte, keine Ahnung!“ Seine Stimme zitterte hörbar und wieder wurden die Zauberstäbe in Rons Rücken gerammt. Schmerzvoll keuchte dieser auf. Merlin! Er hatte doch nur gefragt!

„Und außerdem ist es mir ganz egal, wo wir sind!“, schrie der Blonde jetzt manisch. „Das hier ist allein nur deine Schuld, du dreckiger, wertloser Blutsverräter!“
 

Die ganze Zeit gingen ihm die verschiedensten Bilder durch den Kopf, Szenarien spielten sich in seinen Gedanken ab, was der Dunkle Lord wohl mit ihm anstellen würde.

Er hatte nicht nur den Unerwünschten Nummer 3 „beschützt“, sondern auch in „Sicherheit“ gebracht, war selbst auch noch geflohen und hatte so schlussendlich verhindert, dass der Lord an Potter herankam.

Er würde Draco quälen. Bestrafen. Foltern.

Die Bilder stiegen ihm zu Kopf und sein Fuß brannte wie Hölle. Stechender Schmerz hinderte ihn am Laufen, er konnte seinen linken Fuß nur kümmerlich hinter sich herziehen.

Stöhnend vor Schmerzen setzte er sich auf einen Felsbrocken am Wegesrand. Die Zauberstäbe immer noch drohend auf Weasley gerichtet, zog er mit der anderen Hand seinen verbrannten Schuh aus. Doch es war schwieriger als gedacht. Das Leder war versengt und hatte sich in seine Haut gefressen. Heiße Tränen des Schmerzes sammelten sich in seinen Augen. Es tat höllisch weh. Und er wusste nicht, ob sein Fuß je wieder heil werden würde.
 

Bevor er sich seinen Gefühlen jedoch ergeben konnte, zischte er drohend. „Du gehst jetzt in das Dorf! Und suchst ein passendes Versteck für uns. Groß genug, dass ich dir da aus dem Weg gehen kann! Verstanden!“ Jedes Wort troff nur so vor Bösartigkeit.

Mit Weasley ein Versteck teilen – das war im Moment so ziemlich das Letzte was er wollte.

Aber auf der anderen Seite fielen ihm ungefähr hunderte Dinge ein, die er noch weniger wollte. Das war die einzige Option, die sie hatten. Und Draco war zumindest in der besseren Position, hatte er doch gleich drei Zauberstäbe in seiner Macht.

Und in ihrem Versteck würde er einige Banne und Schutzzauber sprechen, dass Weasley ihn nachts nicht angreifen konnte und er – den Umständen entsprechend- beruhigt einschlafen könnte.

„Und denk dran, Weasley -“, er hielt den Zauberstab des Rothaarigen hoch. „Was ich habe. Also würde ich mich an deiner Stelle beeilen und mich nicht so lange warten lassen, bevor ich es mir anders überlege und disappariere.“

Denn dann wäre Weasley komplett verloren. Ohne Zauberstab. Schutzlos. Ohne Geld. Ohne Plan, wo sie waren und wohin er gehen konnte. Das wäre sein Ende.
 

Und das war wohl auch Ron bewusst. Leise Verwünschungen vor sich hin murmelnd, setzte er sich in Bewegung. Ohne den Blonden noch eines Blickes zu würdigen. Er hasste seinen Peiniger. Doch wusste er genau, dass er wirklich keine andere Wahl hatte.

Er konnte sein Unglück kaum fassen. Gefangen gehalten. Abhängig. Von der Gnade Draco Malfoys.

Ich warte hier

Obwohl Ron den Slytherin jede Sekunde verwünschte, so gab es im Moment – auch wenn er sich weigerte es sich einzugestehen- viel schlimmere Möglichkeiten.

Früher war in seinen Augen immer Draco Malfoy der Bösewicht.

Jetzt jedoch gab es weitaus grausamere Gestalten. Untiere. Bestien.

So wie Greyback. Oder den Schwarzen Lord höchstpersönlich.

Deswegen konnte man fast schon behaupten, dass Ron wohl Glück im Unglück gehabt hatte.
 

Sich elend fühlend lief er durch die verlassenen Straßen. An den Seiten nichts als Unkraut und Gebüsch, bevor sich dahinter ein dunkler Wald erhob. Vor ihm in der Ferne leuchteten ihm Lichter entgegen. So wie diese in der Dunkelheit verteilt waren, mussten das Straßenlaternen sein. Zu dieser Uhrzeit schliefen wohl bereits alle.

Na toll, wie sollte er denn jetzt nach einem geeigneten Versteck suchen? Wie stellte sich der kaltblütige Todesser das vor?

Ganz ohne Zauberstab? Da konnte er noch nicht einmal den Zauber Homenum revelio anwenden, um zu sehen, ob irgendwelche Menschen in den Häusern waren.

Wie sollte er so ein verlassenes Haus finden? Zum Glück hatte er ja noch seinen Deluminator, obwohl dieser ihm jetzt nur wenig von Nutzen sein konnte.

Gut, durchatmen. Er würde es einfach mit Logik versuchen. So wie Hermine.
 

Hermine.

Sein Herz zog sich krampfartig zusammen. Wäre er nicht so stur und hitzköpfig gewesen, wäre er jetzt immer noch bei ihr. Und Harry. Das alles war sein eigener dummer Fehler!

Sein eigenes Verschulden.

Er musste sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Also einen kühlen Kopf bewahren.

Sie waren in irgendeiner Ortschaft am Meer. Noch konnte er nicht sagen, ob es England war oder Schottland. Nein, so wie das Meer lag – nach Süden - musste es wohl im südlichen Teil Englands sein. Oder hatte es Malfoy geschafft in ein anderes Land zu apparieren?

Schluckend beeilte er sich, weil ihm wieder die Worte des Slytherins ins Gedächtnis brachen. Nicht, dass der andere wirklich noch disapparieren und ihn hier ganz alleine lassen würde.

Mitten im Nirgendwo! Vielleicht sogar Frankreich! Oder Deutschland! Schweden!

Dort, wo er noch nicht mal die Sprache konnte!
 

Merlin! Er flehte seine Beine stumm an, sich schneller zu bewegen. Wenn sie also am Meer waren, hieß es, dass es hier Ferienwohnungen geben müsste.

Da es mitten im Herbst war, Ende Oktober, mussten diese freistehen. Immerhin war es schon kalt geworden. Und viele Familien verbrachten die kalten Tage lieber zu Hause oder in gemütlichen Hütten in den Bergen.
 

Die ersten Häuser kamen endlich in Sicht und das ließ Ron erstmal erleichtert aufatmen.

Denn sie wirkten typisch englisch. Wie aus einer Muggelpostkarte von einem Dörfchen am Meer entsprungen. So einer Postkarte, die Hermine ihm mal im dritten Schuljahr geschickt hatte.

Häuser, aus hellen Sandsteinen mit schwarzen Ziegeldächern. Schwach beleuchtet von den Straßenlaternen. Auch die Gärten waren mit Backsteinen abgegrenzt, sowie er das in dem schwachen orangefarbenen Schein des Laternenlichtes erkennen konnte.

Jetzt hieß es, nach einem verlassen wirkenden Haus zu suchen. Homenum revelio wäre ihm zwar lieber -und schneller- gewesen, doch er achtete genau darauf, ob Autos vor den Häusern standen. Ein Paar schlammbedeckter Stiefel standen vor einer Haustür- dieses Haus also nicht.

Immer weiterlaufend und suchend war er schon ein gutes Stück in die Ortschaft hineingekommen. Und dann sah er es. Ein kleines Häuschen. Mit großem Garten. Etwas abseits. Kein Auto. Keine Stiefel vor der Tür. Er musste sein Glück versuchen.
 

Den Deluminator gezückt, rief er nun die Lichter sämtlicher Straßenlaternen zu sich, bis die leere Straße nur in Dunkelheit lag. Dann näherte er sich leise der Tür.

Innerlich gratulierte er sich selbst dafür, dass er der Bruder von Fred und George war und somit immer eine Büroklammer oder Haarnadel bei sich hatte. Verschwindend klein, leicht und ein treuer Begleiter in unerwünschten Situationen. Wären die beiden nicht, würde er wahrscheinlich bis heute nicht wissen, wie man Schlösser knackte. Mal wieder empfand er es als Segen, mit den Zwillingen aufgewachsen zu sein. Und siehe da- es brauchte nicht mal drei, vier Versuche und die Tür ging auf. Mit aufgeregt pochendem Herzen trat er in das Haus und versuchte die Tür lautlos hinter sich zu ziehen.

Was, wenn er sich geirrt hatte und das Haus gar nicht leer stand? Sondern bewohnt war?

Er hatte keinen Zauberstab, was machte er dann? Die Muggel würden sicher die sogenannte Polizei auf ihn hetzen. Oder einen Hund.

Bei dem Gedanken fuhr es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Er würde dann wohl einfach rennen müssen. Zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag. Doch wenigstens besaßen die Muggel keine Zauberstäbe, mit denen sie ihm Flüche an den Hals jagen konnten. Das war ja schon mal etwas.

Auf Zehenspitzen schlich er durch das Haus. Immer innehaltend und in die Dunkelheit nach irgendwelchen Geräuschen lauschend. Nichts. Kein Schnarchen. Kein Atmen. Er wagte es dennoch nicht, das Licht im Deluminator hier in die Lampen einzusetzen, damit er besser sehen konnte. Am Ende wäre das sein Verhängnis.

Er stand jetzt wahrscheinlich im Wohnzimmer. Eine einladende Couch mitten im Raum. Zumindest hier keine Muggelseele.

Auch in der Küche und im Bad alles leer.

Jetzt fehlte noch das Obergeschoss.

Sein Herz raste. Dort oben waren sicher die Schlafzimmer. Stumm betete er vor sich hin. Bitte, lass niemanden da sein. Er stieg die Treppe hoch. Die zweite Etage erstreckte sich über die Küche und das Bad. Oben konnte man über eine hölzerne Brüstung das Wohnzimmer unter sich überblicken. Er stand jetzt vor einer Tür. Die Sekunde der Wahrheit hatte geschlagen.

Seine Lunge schmerzte, weil er vor lauter Spannung die Luft angehalten hatte. Die Türklinke quietschte leise und Ron verfluchte sie innerlich. Angestrengt lauschte er ins Nichts. Kein Laut.

Seine Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit.

Das Bett war leer.

Er hätte vor Freude in die Luft springen können. Die Lichter aus seinem Deluminator ließ er jetzt frei und sie suchten sich ihre Plätze in den Muggellampen.

Leer! Das Haus war leer!

Noch einmal lief er schnell das gesamte Haus ab. Sah in jede Ecke, auch in der Besenkammer. Leer!

Er war frei! Das Gefühl berauschte ihn und er wollte sich schon in das große weiche Bett werfen, doch dann verzogen sich seine Mundwinkel unwillig.

Frei! Er hatte wohl geträumt.

Das Glücksgefühl hatte ihn so gepackt, dass er den Haken daran vergessen hatte. Malfoy.

Verdammt.

Leise zog er die Lichter wieder in seinen Ausmacher und lief aus dem Haus.

Obwohl er sich jetzt überhaupt nicht auf Malfoy freute, lief er trotzdem immer schneller durch die verlassenen Straßen. Aus Angst, der andere hätte ihn alleine gelassen. Obwohl Ron sich nämlich mit der Zeit bemüht hatte – „schnell“ konnte man das nicht nennen.

Vom Erfolgsgefühl beflügelte Schritte trugen ihn immer näher zu seinem Entführer.

Denn wenn man es genau betrachtete, war Malfoy das auch. Hatte ihn einfach gegen seinen Willen an einen fremden Ort gebracht, wo er selbst noch – unverschämter Weise- nach einem passenden Unterschlupf suchen musste. Überlegte er es sich recht - wo gab es eigentlich so etwas? Der Entführer lässt die Geisel das Versteck für sich suchen?

Daran sah man, dass nichts an ihrer Situation geplant oder durchdacht war. Weder von Ron, noch von Malfoy.

Nach einer kurzen Weile erreichte er die Stelle, an die er Malfoy zurückgelassen hatte.

Dunkelheit. Der Wald erhob sich zu beiden Seiten der Straße bedrohlich und verschmolz mit der Nacht.

Er war nicht da.

Eine unsichtbare Umklammerung legte sich kalt auf seine Kehle.

Angst.

Oh nein. Nein, das durfte nicht passieren. Das konnte nicht sein! Hatte ihn diese hinterlistige Schlange wirklich allein gelassen? Hier? Ohne seinen Zauberstab. So grausam war selbst Malfoy nicht. Oder doch? Immerhin war er jetzt ein Todesser.

Das passte zu ihm. Sein Opfer erst in Sicherheit und Hoffnung zu wiegen, nur um das alles im nächsten Moment grausam zersplittern zu lassen.
 

„Malfoy?“ Seine Stimme schwebte dünn im Wind. Zittrig. Er konnte die Angst einfach nicht aus ihr bannen. Zu endgültig war der Albtraum, in dem er jetzt gefangen war.

Keine Antwort, nichts.
 

„Malfoy? Bist du da?“ Hoffnung. Verzweifelte Hoffnung. Vielleicht war er hinter den nächsten Baum getreten, um zu pinkeln. Jedenfalls hoffte er es.

Nichts.
 

„Malfoy, wo bist du?“ Fordernd. Fast schon ungeduldig werdende, leise aufkeimende Wut mischte sich in seine beklemmende Angst. Das war kein Scherz mehr!

Merlin, er war alleine! Und müsste alleine in diesem Muggelhaus leben?! Ohne Geld! Ohne Magie!

Panisch lief er jetzt weiter, sah hinter den Büschen am Wegesrand nach. Kein Malfoy. Brauchte man ihn - einmal in seinem verdammten, verfluchten Leben- gerade dann war er nicht da!

Wie oft in seiner Schulzeit hätte er auf ihn verzichten können? Aber nicht jetzt!

Hilflos ließ er sich auf den Boden sinken.

Malfoy hatte ihn allein gelassen. Das wars.
 

Heiße Tränen sammelten sich in seinen Augen, bevor er kalten Atem in seinem Nacken spürte. „Na, na Wiesel. Du wirst doch wohl nicht weinen, oder?“
 

Höhnisches Lachen zerriss die Stille und Ron drehte sich zu dem grausamen Slytherin um, langte rasend vor Wut nach dessen Kehle. Doch im selben Moment bohrten sich wieder drei Zauberstäbe in seinen eigenen Hals.

Eisiger Atem auf seinem Gesicht.

„Köstlich Wiesel, meinen Namen…so herzzerreißend aus deinem Mund zu hören. Wer hätte jemals gedacht, dass ich eines Tages zu dieser Ehre kommen würde?“

Tränen des Hasses leuchteten in Rons Augen, und der kaltblütige Slytherin schien sich an seinem Leid auch noch zu ergötzen.

„Mein Herz wäre mir fast zerrissen“, seine Stimme troff vor Häme. „Wenn ich eins hätte.“

Kaltes Lachen drang an sein Ohr, brandete gegen seine erhitzte Haut, wie eine Ohrfeige.

In dem Moment, als er gerade das Gefühl hatte, Malfoys Stimme könnte nicht noch eisiger werden, wurde er eines Besseren belehrt.

„Und jetzt, steh auf!“, forderte dieser mit einer Unerbittlichkeit in der grausamen Stimme. Die Zauberstäbe rammten sich wieder in Rons Rücken. Er würde morgen bestimmt mit Blutergüssen übersät sein!

Heißer Hass legte sich schwer auf die Brust des Rothaarigen, pochte in seinen Adern.

Er wollte Malfoy umbringen.

Statt seinem inneren Drang Folge zu leisten, setzte er sich jedoch in Bewegung. Und erst jetzt fiel ihm auf, dass Malfoy humpelte. Auf einen dicken Ast gestützt. Er witterte seine Chance, den Blonden einfach anzugreifen und seinen Zauberstab zu schnappen, doch die Zauberstäbe in seinem Rücken erinnerten ihn an die tödliche Warnung, die klar und schwer in der Luft lag.
 

Als sie in der unbeleuchteten Straße ankamen, öffnete Ron die Tür und trat, mit Malfoy hinter sich, in das Häuschen.

„Lumos Maxima“, zischte dieser leise, nachdem er die Tür hinter ihnen geschlossen und magisch verriegelt hatte. Schweigend stand er in der Mitte des Raumes. Eines sehr merkwürdigen Raumes. Zumindest gab es hier einen Kamin. Aber der Rest?

Was sollten diese komischen Geräte? Ein Kasten stand dort auf einem niedrigen Tisch. Es sah aus wie ein schwarzes Fenster. Was sollte das sein? Und dann war da noch etwas, das aussah wie ein Instrument. Eine Ziehharmonika, die aus seltsamen Rohren bestand. Was war das?

Dieses Zimmer verunsicherte ihn. Was wenn diese Dinge, während er schlief, zum Leben erwachten?

Er hatte in Hogwarts nie das Fach Muggelkunde besucht. Aus offensichtlichen Gründen.

Nun, er hätte ja auch nie erahnen können, irgendwann in so einem Schlamassel zu landen, oder? Merlin, hoffentlich überlebte er diese Nacht!
 

Er bemerkte den Blick des anderen auf sich. Ihm war wohl seine Unsicherheit aufgefallen, die kurz über sein Gesicht geflackert sein musste. Sofort setzte er sich wieder seine eisige Maske auf. „Wie viele Schlafzimmer gibt es?“, verlangte er gebieterisch zu wissen. „Nur eins“, antwortete Ron und deutete mit dem Finger auf das Stockwerk über ihnen. Von hier aus konnte man die Balustrade sehen und dahinter eine Zimmertür.

„Ich werde das Schlafzimmer nehmen.“ Auf seinen dicken Stock gestützt humpelte Malfoy die Treppe hinauf, die drei Zauberstäbe immer achtsam umklammert. An der Zimmertür angekommen, warf er einen Blick über seine Schulter unter ihm ins Wohnzimmer.

„Und du kannst ruhig…“, sein Blick fiel auf die Couch und Ron konnte sich schon denken, was er sagen würde. Und du kannst ruhig die Couch nehmen. Innerlich verrollte er seine Augen. Natürlich würde er die Couch nehmen, als ob er auf den Gedanken kam, sich mit dem ein Bett zu teilen. Nie im Leben!
 

„…in deinem eigenen Dreck verrotten!“, spie der Blonde voller Abscheu aus und knallte seine Zimmertür heftig zu.

Er kommt zu mir jede Nacht

Ich bin immer noch allein

Und wieder lieg ich wach

Niemand schläft mit mir ein

Wie jede Nacht seh ich aufs Dach

Ich weiß nicht wo du bist

Doch ich weiß, dass es dich gibt
 


 

Draco wachte mitten in der Nacht auf. Wie automatisch griff seine Hand auf das Kissen neben sich.

Ins Leere.

Verdammt.

Ist er wieder abgehauen? Hatte ihn hier alleine gelassen?

Sollte er ihm hinterher? Ihn suchen?

Was, wenn ihm etwas zustoßen würde? So tollpatschig, wie er immer war.

Was, wenn die Greifer ihn wieder gefunden hatten?

Angst brach über ihn herein und der Schweiß rann kalt seinen Rücken hinab.
 

„Ron“, keuchte er heiser.

Vielleicht…war er auch nur ins Bad gegangen?

„Ron.“

Ängstlich und suchend.

Ächzend setzte er sich im Bett auf und griff nach seinem Wasserglas.

Und da brach die Realität über ihn herein wie eine Welle bitterer Erkenntnis.
 

Er hatte geträumt. Das war nicht mehr die Realität.

Leidend keuchte er auf und stürzte das Glas Wasser hinunter.

Obwohl er jetzt etwas ganz Anderes als Wasser vertragen könnte.
 

Langsam kamen die Erinnerungen des gestrigen Tages zurück.

Verdammter Weasley.

Ihr erster gemeinsamer Unterrichtstag war eigentlich besser gelaufen als gedacht.

Doch für ihn war es schmerzhaft gewesen.

Schmerzhaft, diese Maske des Vergessens aufsetzen zu müssen.

Und immer in die unwissenden Augen von Weasley zu blicken.

Jedes Mal, wenn er hoffte, irgendeinen Erinnerungsfetzen darin aufglimmen zu sehen,

wurde er bitter enttäuscht.

Das erste Mal, als er seinen Blick gesucht hatte, war bei der Stundenplanvergabe.

Da wollte er sehen, ob sich etwas in Rons Gedächtnis rührte.

Nichts.

Obwohl er das auch nicht erwartet hatte.

Jedoch – als Slughorn dann die Diptam- Essenz erwähnt hatte und den Incendio- Fluch ,

da gab es endlich eine Reaktion.

Und zwar hatte das Wiesel ihm auf den Fuß getreten. Und dann auch noch auf den linken! Verrückt!

In dem Moment hatte Draco das als eindeutiges Zeichen aufgefasst.

So, wie als ob Ron wusste, dass dieser Fuß damals mit dem Incendio- Fluch in Berührung gekommen war.

Alles andere wäre auch ein merkwürdiger Zufall gewesen.

Aber- mal wieder - hatte Draco sich getäuscht.

Ron wusste nicht im Geringsten auch nur irgendetwas.

Das hatte er spätestens dann bemerkt, als der dreiste Rotschopf ihn einfach aus Muggeltechnologie rauswerfen wollte!

Obwohl das eigentlich auch eine indirekte Anspielung sein konnte-

aber Draco bezweifelte es sehr.

Denn danach schien Weasley es sichtlich nicht zu fassen, dass Draco eine Waschmaschine anschmeißen konnte.
 

Was eine bittere Ironie.

War Weasley es doch damals gewesen, der ihm die Anwendung dieser Maschine erklärt und gezeigt hatte.
 

Bitter.

Das war das treffendste Wort, mit dem er diese ausweglose Lage beschreiben konnte.

Und leider konnte er niemand anderen dafür verantwortlich machen als seine eigene Familie.

Dafür, dass er als einziger diese Bürde der Erinnerung tragen musste

und ganz alleine mit diesen ungeteilten Eindrücken und Empfindungen war.

Hatte sie doch damals immerhin selbst dafür Sorge getragen.

Und Draco dem beraubt, was ihm so heilig war.
 

Bereute er das damals Geschehene?

Mit jedem Atemzug.

Obwohl er wusste – jetzt im Nachhinein - dass es zu der Zeit wahrscheinlich das einzig Richtige gewesen war.

Dennoch- hätte er noch einmal die Wahl, er würde sich für das Falsche entscheiden.

Seiner Selbstsucht und seinem Egoismus nachgeben.

Sich gleichzeitig seiner Angst stellen und seinen Mann stehen.

Und dann alles in seiner Macht Erdenkliche tun, um den Lauf der Dinge zu verhindern.

Aber er hatte keine Wahl mehr.
 

„Malfoy?“, hörte er ganz leise durch die Wand und im ersten Moment glaubte er,

es war seine eigene Hoffnung, die ihn leise rief.

Aber es war eindeutig Weasley. Anscheinend hatte er ihn mit seinen leisen Rufen wach gemacht.

Schweigend legte er seine Hand auf den Backstein,

den er eine Nacht zuvor unsichtbar werden ließ.

Aber heute nicht.

Heute konnte er diese Unwissenheit des anderen nicht noch weiter ertragen.
 

„Malfoy, bist du das?“

„Nein.“
 

Verdammter Weasley – hatte heute an ihm gerochen.

Und ihn somit in eine äußerst zwiespältige Lage gebracht.

In dem einen Moment hatte er sich für die Reaktion entschieden,

wonach ihm überhaupt nicht gewesen war:

die Fassung zu bewahren und seine kalte Maske aufzusetzen.
 

Jetzt schlich ihm trotzdem noch ein Lächeln auf die Lippen.

Wenigstens schien Rons Geruchsinn noch auf seinen Duft zu reagieren.

Die Magie der Gerüche durfte man nicht unterschätzen,

bargen sie doch die Erinnerungen und konservierten sie für eine lange Zeit.

Sein Duft musste für Weasley also immer noch unheimlich anziehend wirken.
 

Den Geruch des Rotschopfes hatte er schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen gestern wahrgenommen.

Als Weasley sich wütend auf ihn gestürzt hatte, nachdem er ihn mit den Zimmern ausgetrickst hatte.

Da hatte er ihn gerochen.

Und dieser Duft hatte ihn bis in seine Träume gestern verfolgt und ihm die realsten Rückblenden beschert.

Diesen Duft würde er wohl nie vergessen. Unter Tausenden wiedererkennen.

Er war schwer zu beschreiben – roch er irgendwie nach brennendem Holz

oder kochendem Wasser. Und Zimt?

Nein, das war es alles nicht.

Egal was es war - für diese Weasley- Mischung musste erst noch ein passender Name erfunden werden.

Hochexplosiv, würzig. Und dennoch mild.

Warm war vielleicht das beste Gefühl dafür. Und geborgen.

Trotzdem mit einem Hauch des Unberechenbaren.

Konnte man einen Duft mit diesen Worten beschreiben?

Draco war sich nicht sicher.
 

„Hast du wieder geträumt?“

„Nein.“
 

Es war kein Albtraum. Nicht wirklich.

Zum Albtraum wurde es erst, als er bemerkte, dass der Traum nicht real war.

Wenn man es so sah, war die Realität sein bitterer Albtraum, der er jede Nacht entfliehen wollte.

Vergeblich.
 

„Ich auch“, hörte er die Stimme des Jungen.

Dracos Blick wurde weicher in der Dunkelheit und nun drehte er sein Gesicht dem Backstein zu.

Weasley hatte so viel verloren im Krieg. Seine beiden Brüder. Und seine Unbeschwertheit.

Doch wie viel Draco verloren hatte, dass wusste keiner.

Außer er selbst.

Und seiner Mutter. Vielleicht.
 

„Willst du wissen, was ich geträumt habe?“, fragte der Blonde jetzt leise in die Dunkelheit.

Seine Stimme war etwas rau, seine Kehle trocken.

Er konnte Weasley jetzt nicht alleine lassen.

„Ja?“ Die Stimme des Rothaarigen hörte sich neugierig an.

Draco grinste.

„Ich wurde von einer sogenannten ‚Waschmaschine‘ angegriffen.“
 

Von der anderen Seite der Wand kam kein Ton.

Und dann Lachen. Leise und erstickt.

Draco musste selbst ein Lachen unterdrücken und schüttelte seinen Kopf.

Weasley war manchmal einfach nur…Weasley.

Seine Finger strichen gedankenverloren über den rauen Backstein,

ein körniges, steiniges Gefühl unter seiner Haut.

Das Lachen ließ ihn wieder entspannter und ruhiger werden.

Und auch dem anderen musste es so gehen.

Denn als Rons leises Lachen langsam verebbte,

hörte sich sein Atem durch die Wand wieder gleichmäßiger und tiefer an.

Ein ruhiges Gefühl machte sich in Draco breit

und mit einem Lächeln auf den Lippen ließ er sich vom Schlaf übermannen.

Ich bin immer noch allein

3. September 1999
 

Als Draco aufwachte, war sein Entschluss bereits gefasst. Er würde etwas unternehmen, um das Gedächtnis des Wiesels wieder aufzufrischen. Lange würde er diese Unwissenheit des anderen nämlich nicht mehr dulden können.

Auch wenn es keinesfalls Rons eigenes Verschulden war, aber Draco hatte schon zu lange gewartet. Und gehofft. Auf ein Wunder. Welches ohne Hilfe von seiner Seite wahrscheinlich nie eintreten würde.

Also hieß es zu handeln.

Sie waren beide erwachsen und Weasley schien trotz allem -ihrer langjährigen Feindschaft und Dracos kurzem Todesser- Dasein - nicht gänzlich abgeneigt zu sein. Sonst hätte der andere ja wohl kaum seinem inneren Trieb nachgegeben und an ihm gerochen. Oder?

Auch wenn Ron sich nicht mehr an ihn erinnern konnte - sein Körper erinnerte sich. Da war Draco sich sicher. Nun, es war auch nicht verwunderlich, beachtete man, was damals zwischen ihnen passiert war.

Eine Mischung aus Melancholie und erneut angefachter Hoffnung begleitete ihn bei seinem Morgenschwimmen. Er brauchte das, die Zeit früh morgens, alleine, um seinen Kopf frei zu bekommen und seinen Körper abzukühlen. Die Lebendigkeit, die ihm das Schwimmen für den anstehenden Tag jedes Mal schenkte, war hierbei auch nicht zu verachten. Und vielleicht würde er wieder einen gewissen Rotschopf bei seinem morgendlichen Training mit seinen Geschwistern beobachten können.

Und tatsächlich- auch heute waren die Zwillinge und Weasley draußen bei ihrem Morgensport. Schmunzelnd schwamm er gemächlich seine Runden und schüttelte innerlich seinen Kopf. Einer der Zwillinge, Fred vermutete er, hielt die anderen beiden ganz schön auf Trab, sowie einen Tag zuvor auch. Nun, ein wenig Training würde dem Wiesel nicht schaden, das konnte er nicht leugnen. Allerdings schien es Draco so, als ob die drei nicht für die Quidditchauswahlspiele trainierten. Da war mehr dabei, das wusste er. Wahrscheinlich wollten sie sich vorbereiten, wofür auch immer. Stärker sein, um sich gegenseitig zu beschützen - falls es dazu kommen sollte.

Draco konnte sie verstehen, bedachte man was sie verloren hatten.
 

Aber der Dunkle Lord war tot. Keiner wusste es besser als er. Sein Dunkles Mal schien zwar immer noch tiefschwarz auf seiner Haut, aber jede Magie darin war abgestorben. Auch, wenn es ihn für immer brandmarken würde, es band ihn an nichts mehr. Er war frei. Deswegen würde er sich auch nicht auf irgendetwas vorbereiten, was nie eintreffen würde. Wenn er sich auf etwas vorbereiten würde, dann auf seine Zukunft, die direkt vor ihm lag.
 

Die nächsten paar Runden schwamm er auf seinem Rücken und kam nicht umhin, zu bemerken, dass die drei Weasleys etwas tiefer flogen als gestern. Mit ihren Glimmzügen und Strafrunden waren sie bereits fertig – Draco konnte bis hierher die kommandierend brüllende Stimme des Zwillings hören - jetzt waren sie dabei, kopfüber vom Besen zu hängen und ihre Oberkörper hochzuziehen. Dabei fiel ihm auf, wie Weasleys Shirt hochrutschte und so den Blick freigab, auf seinen Bauch und seine Brust. Sie waren zwar immer noch weit oben, aber die Andeutung von nackter Haut war schon genug für ihn. Genug, um untertauchen zu müssen und das heiße Blut abzukühlen, das ihm zu Kopfe gestiegen war. Die kalten Wassermassen brachen über ihn ein, als er tief unterging. Nichts als Dunkelheit um ihn herum. Es pochte dumpf in seinen Ohren und der Luftmangel schnürte ihm die Lunge zu. Sein Herz und sein Blut mussten sich erst mal beruhigen.
 

Merlin, wie lange war es her gewesen? Er musste nicht überlegen, an das Datum würde er sich immer erinnern, war es doch in sein Gedächtnis eingebrannt, wie sonst kein anderer Tag.

24. Dezember 1997.

Heute war der 3. September 1999.

Etwas mehr als zwanzig Monate. Fast zwei Jahre schon. Wie sollte das ein gesunder Mann so lange aushalten!

Er war jetzt 19, zu einem jungen Mann herangewachsen. Der Druck, der auf ihm gelastet hatte, die Angst vor der ungewissen Zukunft seiner Familie und die Furcht vor dem Dunklen Lord – all das war nach der Schlacht in Hogwarts von ihm abgefallen und ließ ihn seit einiger Zeit wieder seiner körperlichen Bedürfnisse bewusst werden.

Und wenn das Wiesel es noch einmal wagen sollte, so dreist an ihm zu riechen und ihm so nahe zu kommen, dann könnte er wirklich für nichts mehr garantieren.

Seit ihrem Wiedersehen sehnte sich nicht nur seine Erinnerung nach ihm und ihrer gemeinsamen Zeit. Sondern auch sein Körper.

Die letzten Monate waren ein ständiges Auf und Ab seiner Gefühle gewesen. Wie oft hatte er sich einzureden versucht, alles einfach zu vergessen und weiterzumachen. Alleine. Ohne Weasley. Immerhin konnte Ron sich nicht mehr an ihre gemeinsame Zeit erinnern. Er selbst hatte es damals noch versucht, es zu ändern. Aber seine Zauberkünste damals waren noch nicht so ausgereift. Zerstören war einfach. Aber wiederherstellen um einiges schwieriger. Das hatte Draco damals selbst schmerzlich erfahren müssen. Wie oft hatte er diesen einen Tag verflucht? Der Tag, der alles verändert hatte. Irgendwann nach dem Krieg war er abgestumpft, die unerfüllte Hoffnung hatte ihn zermürbt und müde gemacht. Deswegen hatte er England für eine Zeit verlassen. War in Frankreich gewesen, in Skandinavien, Island und Alaska.

In England war er sowieso nicht glücklich geworden. Die Erinnerungen an den Krieg verfolgten ihn überall, sei es in ihrem Anwesen, in der Winkelgasse oder in Hogsmeade. Es gab so viel, das er mit der Schreckensherrschaft des Dunkeln Lords verband. Die Trümmer, die gealterten Gesichter der Zauberer. Narben, Wunden. Überall.

Er war in Reykjavik, als ihn der Brief mit dem Hogwarts-Siegel erreichte. Obwohl er dachte, mit der Vergangenheit abgeschlossen zu haben, zögerte er nicht auf die Einladung zu einem Wiederholungsjahr zum 1. September 1999 zu antworten. Er würde hingehen. Er hatte es schon gewusst, als er das Siegel erkannte. Auch, wenn er dort von seinen Sünden verfolgt werden würde. Er musste nach Hogwarts zurück. Denn er wusste, dass Weasley auch hingehen würde. Er musste! Und Draco hatte Recht behalten. Ron war hier.

Das war ihre neue Chance.

Draco war es gewohnt, das zu bekommen was er wollte. Zumindest war das früher mal so. Diesmal jedoch würde er darum kämpfen. Er wusste ja, wofür er kämpfte. Trotzdem spürte er nach drei Tagen eine gewisse Ungeduld in sich aufkeimen.
 

Je früher sich Weasley wieder erinnerte, desto besser. Er erwartete zwar nicht gleich, dass er ihm sofort in die Arme fallen würde. Aber es wäre schon um einiges leichter, wenn er nicht mehr der Einzige wäre mit diesen Gefühlen und Erinnerungen. Und dann würde er sich auch nicht mehr so zurückhalten müssen, aus Rücksicht Ron gegenüber. Denn gestern musste er schon hart mit sich kämpfen.

Triefend nass stieg er aus dem Wasser und lief zu seiner Kleidung. Es wäre besser, er beeilte sich mit dem Anziehen, nicht dass ihn irgendwer hier so unbekleidet sehen würde. Das Dunkle Mal auf seiner Haut verhieß bei den meisten Hexen und Zauberern nämlich nichts Gutes. Es ließ das Hässliche in ihnen zum Vorschein kommen; Rachsucht, Durst nach Vergeltung und blanken Hass.
 

Nachdem er mit einem flüchtigen Wärmezauber die Wassertropfen auf seinem mit Gänsehaut überzogenen Oberkörper verdunsten ließ und sich fertig angezogen hatte, machte er sich auf den Weg zum Schloss.

Heute würde ein guter Tag werden. Er spürte so etwas. Zumindest besser als die letzten zwanzig Monate. Aber das war keine sonderlich große Leistung. Wenigstens war er wieder in Hogwarts, obwohl es eine Zeit gab, in der er das Schloss am liebsten verwünscht hätte.

Aber das hier, diese zweite Chance, diesen Neuanfang in Hogwarts hatten sie sich beide damals im Krieg gewünscht. Er und Weasley. In Gedanken nahm er die Schritte vor sich nur am Rande wahr.
 

„He, Malfoy!“ Er hob seinen Blick und wäre fast mit dem Rothaarigen zusammengestoßen.
 

„Fast könnte man meinen, du verfolgst mich. Stalkst du mich etwa, Malfoy?“
 

Die Worte trafen Draco unvermittelt. Er war so in Gedanken vertieft gewesen, dass er das Wiesel gar nicht gehört hatte. Deswegen ließ es sich nicht vermeiden, dass sich ein zart rosa Schatten auf seine Wangen legte, bevor ihm ein passender Konter einfiel.
 

„Ach, Weasley kannst du dir solch erhabene Träume etwa leisten? Ist das nicht etwas übermütig?“, fragte er mit einer trocken hochgezogenen Augenbraue.

Das schelmisch freche Grinsen auf Rons Sommersprossengesicht erlosch und erschien dafür nun umso dreckiger auf Dracos Lippen. Grummelnd schob sich der Rothaarige an Draco vorbei. Doch dieser wollte ihn nicht so schnell gehen lassen.
 

„He, Wiesel. Wir haben den gleichen Weg. Oder erträgst du es nicht, deinen Weg mit personifizierter Perfektion zu teilen?“

Sein Grinsen wurde hämisch herausfordernd und Rons Miene wurde trotzig.
 

„Dass ich nicht lache! Ich fürchte nur, du kannst dir meine Begleitung auf Dauer nicht leisten!“
 

„Ach, ist das so? Sag bloß, du hast beim Begleitservice für wohlhabende Zauberer angeheuert, um den Wiederaufbau eures sogenannten Hauses zu finanzieren?“
 

Kurz musste Draco die Luft anhalten. Fast dachte er, diesmal zu weit gegangen zu sein. Rons Blick hätte töten können.

„Ich bring dich um!“, rief er wütend und stürzte sich auf den Blonden.
 

Geschockt verlor Draco das Gleichgewicht und sie gingen gemeinsam zu Boden. Er konnte sich unter dem Gewicht des wütenden Wiesels nicht rühren. Zu erstarrt war er, zu überrascht. Doch eigentlich hätte ihm die Reaktion klar sein müssen. Er kannte Weasleys Wutausbrüche nur zu gut.

Ihm entwich ein japsendes Keuchen, als Rons Gewicht ihn zu erdrücken schien. Jedoch war das nicht der Grund für seine Befangenheit. Rons Geruch stieg ihm in die Nase und vernebelte Dracos Sinne. Sein Herz raste im Angesicht der bedrohlichen Situation. Mit Ron auf ihm.

Mit seinem letzten Fünkchen Verstand versuchte er seine leicht zitternden Hände auf Rons Brust zu legen, um ihn von sich zu schieben. Bevor Weasley etwas erahnen könnte. Verdammt. Ihm war jetzt überhaupt nicht danach, Weasley von sich zu schieben. Doch es musste sein. Der Rothaarige durfte unter keinen Umständen entdecken, wie gut er sich in dieser Position fühlte. Doch anscheinend wollte auch Ron nicht fortgeschoben werden.
 

„Malfoy!“, spie er verbittert aus und griff grob nach Dracos Händen auf seiner Brust. Jedoch nur um sie auf den feuchten Wiesenboden zu drücken, jeweils links und rechts von dessen Kopf.

Oh verdammter….
 

“Nimm das zurück!“, fauchte Ron.

Draco entwich ein irres Lachen. Zu surreal war die Situation. Und doch so normal, wenn man an ihre frühere unbeschwerte Zeit in Hogwarts dachte.
 

„Einen Teufel werde ich tun!“

„Malfoy, ich warne dich!“ Zornig presste Ron seine Hände fester auf den Boden und Draco biss sich unweigerlich auf die Lippe, um ein leichtes Aufkeuchen zu unterdrücken. Oh Merlin, das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Sein Körper stand in Flammen und seine Augen schielten immer wieder auf Weasleys Lippen hinunter. Sein Körper geriet in Wallung. Er spürte ihn. Auf sich. Jeden Zentimeter seines Körpers.

Und sein Gesicht war so nah. Merlin, wieso war sein Gesicht so nah? Er konnte jede Kleinigkeit in Rons Gesicht erkennen. Die sonst so warmen Augen, die ihn nun zornig anfunkelten. Die feinen Sommersprossen, die seine helle Haut zierten. Und diese Lippen. Bebend vor Zorn. So verführerisch. Alles in Draco lechzte danach, ihn zu küssen. Oder von ihm geküsst zu werden. Es war egal. Wichtig war nur, dass er diese unverkennbaren Lippen auf den seinen spüren wollte.

Wütend. Leidenschaftlich. Heiß und innig. Diese unverhoffte Nähe zu dem Rotschopf bescherte ihm eine Gänsehaut, die langsam seine Arme hinaufkroch.

Er merkte, wie Weasley wütender wurde, ihn dominieren wollte. Doch Draco wehrte sich nicht. Wie könnte er? Nach dem hier hatte er sich schon so lange gesehnt.

Außer dass er seine Fingernägel in Rons Handrücken bohrte, rührte er sich nicht. Aus Angst enttarnt zu werden. Wenn er sich nur ein Stückchen bewegte, sich Ron entgegen bewegte, würde alles auffliegen. Er würde nicht mehr an sich halten können. Er würde sich nicht bremsen können. Und doch sehnte er sich danach. Er wollte ihn spüren. Er brauchte ihn.

Oh heiliger Merlin, womit hatte er diese süße Bestrafung bloß verdient?

Erstickt keuchend lag er rührungslos unter Ron und blickte ihn aus halboffenem Blick an.

Es schien Ron die Sprache verschlagen zu haben. Denn auch er hielt nun inne.

Dracos Herz machte einen Aussetzer. Es war wie ein Deja-vu. Sie beide erhitzt von ihrem Streit, wütend und verwirrt. Und doch wollten sie das gleiche. Einander. Er kannte dieses Gefühl. Das letzte Mal, als ihr Streit so eskaliert war, hatten sie sich geküsst. Und auch diesmal hoffte er darauf. Weasley müsste sich nur noch ein Stückchen zu ihm hinab beugen. Er war ohnehin bereits so nah, dass Draco seinen erhitzten Atem auf seinen erwartungsvollen Lippen spüren konnte.

Doch etwas stimmte nicht. Auf einmal ließ Ron abrupt seine Hände los und irritiert blickte Draco in seine braunen Augen. Der Ausdruck in ihnen wechselte von Entsetzen zu Abneigung. Vielleicht sogar Ekel.

Oh nein. Er hat es gemerkt. Hatte er? Schluckend suchte er Rons Blick, doch dieser schien ihm nun auszuweichen. Verdammt.

Weasley schien an ihm hinab zu blicken. Jedoch nicht auf eine verräterische Stelle, sondern dahin, wo Draco es am wenigsten geahnt hätte. Rons Blick bliebt entsetzt auf seinem linken Arm hängen. Sein Hemdärmel muss während ihrer Rauferei hochgerutscht sein. Und nun leuchtete das Dunkel Mal unheilvoll auf seiner hellen Haut.

Draco wusste nicht, was er sagen sollte. Weasley war wie paralysiert. So tat er das einzig Sinnvolle in der Situation und zog mit einer bestimmten Bewegung seinen Ärmel über seinen Unterarm. Doch es war schon zu spät. Die Situation ließ sich nicht mehr retten - nach Rons Gesichtsausdruck zu schließen. Hastig erhob sich dieser und verschwand aus Dracos Blickfeld, ohne dass dieser noch irgendwie reagieren könnte.
 

Na toll. Das war ja wunderbar gelaufen. Seufzend legte sich Draco seinen Arm über das Gesicht und blieb im vom Morgentau feuchten Gras liegen. Nun ja, zumindest hatte die höchst unangenehme Situation Dracos kleines Problem behoben. Er war nun alles andere als erregt.

Nach Rons Blick war ihm die Lust vergangen. Wer wollte auch so von seinem - was auch immer Weasley damals für ihn war - angesehen werden? Da verging es einem ja glatt.
 

Der Rotschopf hatte aber auch ein verflucht schlechtes Timing. Das hatte sich wohl nicht geändert.

Draco versuchte den nagenden Schmerz in seinem Innern zu verdrängen. Doch je länger er über das eben Geschehene nachdachte, desto mehr fühlte er sich verletzt. Natürlich, Ron konnte sich nicht erinnern. Aber war das eine Entschuldigung dafür, ihn so anzusehen?

Wieder brach die Hoffnungslosigkeit über ihn herein wie eine harte eiskalte Welle. Der Entschluss, an Weasleys Gedächtnis zu arbeiten löste sich in traurige Luft auf.

Im Gegensatz zu Weasley erinnerte Draco sich noch sehr gut. An Momente, in welchen Ron ihn berührt hatte. An Momente, in denen es ihm nichts ausgemacht hatte ihn dort zu berühren. Es hatte ihm irgendwann keine Angst mehr bereitet. Draco konnte sich nur zu gut an eine Zeit erinnern, in der Ron ihn so genommen hatte, wie er war. Alles an ihm akzeptiert hatte.

Er sehnte sich nach diesem Weasley. Nach seinem Weasley. Doch der war wohl nur noch ein Schatten der Vergangenheit, welcher mit dem jetzigen Ron nichts mehr gemein zu haben schien.

Doch meine Tränen sieht man nicht

11. Oktober 1997
 

Es war irgendwann am späten Nachmittag, als Draco das ständige an die Decke starren satt hatte. Er hatte furchtbar schlecht geschlafen. Sein schmerzender Fuß hatte ihn nicht zur Ruhe kommen lassen, sowie die Furcht vor Greifern oder dem Dunklen Lord selbst. Zwar hatte er die Eingangstür unten mit einigen Schutzzaubern belegt und auch seine eigene Schlafzimmertür – dennoch… Wenn wirklich jemand in das Haus einbrechen wollte, dann würde das denjenigen bestimmt nicht daran hindern. Er hatte sich die ganze Nacht Gedanken darüber gemacht. Gestern war er mit Weasley absichtlich länger appariert. Hatte im Verlauf seine Spuren verwischt. Er wusste zwar nicht genau, wo sie nun waren, aber wenn man sie finden wollte, wäre das sicherlich schon gestern passiert. Sie mussten einfach sicher sein. Sie mussten.

Denn sein Fuß würde nochmaliges Apparieren oder eine wilde Flucht nicht durchstehen. Er musste ihn verarzten, jedoch wusste er nicht wie. Es waren noch einige Stücke Leder und Stoff in seine Haut eingebrannt und an anderen Stellen fehlte die Haut oder war schwarz verbrannt. Es war grauenvoll. Er wollte sich seinen Fuß nicht noch einmal ansehen. Aber er musste.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen setzte er sich auf und beugte sich zu seinem Fuß. Er schob die Decke beiseite und hielt abrupt die Luft an. Schmerzerfüllt wandte er sein Gesicht ab. Es war schrecklich.

Er wagte einen weiteren Blick und Tränen des Schmerzes trieben ihm in die Augen. Es tat schon alleine beim Hinsehen höllisch weh. Und bereitete ihm Panik. Was, wenn man ihm den Fuß abnehmen müsste? Nicht auszudenken…

Und wer würde ihm überhaupt helfen? Hier gab es keine Krankenstation, keine Heiler.

Nur Weasley.

Weasley.

Lieber würde er sterben als die Hilfe dieses Blutsverräters zu erbitten.

Aber mit Befehlen hatte er kein Problem. Er hatte immer noch Weasleys Zauberstab, das dürfte also ein Leichtes werden. Denn wenn er es zugeben müsste – seine Schmerzverträglichkeitsgrenze lag nicht sehr hoch. Seine zittrigen Finger legten sich an seine Schläfen. Er musste das Problem mit seinem Fuß schnellstmöglich angehen, bevor er sich noch weiter entzünden würde.

Außerdem brauchte er eine Dusche. Dringend. Er fühlte sich schmutzig und unrein. Hunger hatte er auch. Dass er durstig war, musste man erst gar nicht erwähnen.

In Hogwarts und zu Hause auf ihrem Anwesen stand immer ein Krug mit einem Becher auf seinem Nachttisch, welcher sich wie von Zauberhand immer wieder neu füllte. Das war der Vorteil daran, wenn man Hauselfen besaß.

Doch hier – von einem Krug weit und breit keine Spur. Wie tranken denn die Muggel? Und was tranken sie?

So viele Fragen, die ihm Kopfzerbrechen verursachten. Er war einfach unheimlich unsicher in dieser neuen Umgebung. Wenn er wenigstens nicht verletzt wäre und sich uneingeschränkt bewegen könnte! Es half alles nichts. Keuchend stützte er sich auf seinen dicken Ast und hievte sich irgendwie aus seinem neuen Bett. So humpelte er zur Tür und murmelte leise Beschwörungszauber, um die Schutzbanne auf seiner Tür los zu werden. Die eine Hand öffnete vorsichtig seine Tür, die andere hielt seinen Zauberstab fest umklammert. Die anderen beiden Zauberstäbe hatte er zuvor in seinem Zimmer gut versteckt. Es war schlichtweg lästig, drei Zauberstäbe zu halten. Lästig und gefährlich.

An der hellen Holzbalustrade stützte er sich ab und blickte hinunter in das Zimmer, wo Weasley schlief. Und das faule Wiesel schlief tatsächlich noch! Unfassbar!

Wenigstens musste er wohl die ganze Nacht gefroren haben, stellte Draco zu seiner vollen Zufriedenheit fest. Er war nämlich nur mit einer dünnen, braunen Tagesdecke zugedeckt und es sah sehr ungemütlich aus. Ganz ohne Feuer im Kamin. Da war Dracos Schlafplatz diese Nacht um einiges gemütlicher gewesen. Er hatte zwei Decken mit einem hellen Blättermuster und zwei dazu gehörige Kissen. Es war warm und angenehm gewesen im Gegensatz zu Weasleys Schlafsituation. Das erhellte sein Gemüt. Ihm ging es immer besser, sobald er wusste, dass es anderen schlechter ging als ihm.

Mit einem kurzen Schlenker seines Zauberstabs flog auf einmal Rons braune Decke in die Höhe und der Rotschopf saß schlagartig kerzengerade auf der Couch. Anscheinend war er wohl wacher, als Draco angenommen hatte.
 

„Mein Zauberstab! Wo ist er!“, verlangte Ron ungestüm zu wissen und Draco schüttelte warnend seinen Kopf.

„Du bekommst ihn. Wenn ich dir vertrauen kann.“

Zugegeben, hierbei handelte es sich um eine Notlüge. Als ob er in Salazars Namen vorhatte Weasley jemals seinen Zauberstab zurück zu geben. Nein. So dumm war er nicht. Dennoch musste er das Vertrauen des anderen irgendwie erschleichen. Er war es nicht wirklich gewohnt, alleine zu sein oder für sich selbst zu sorgen. Immer war er umgeben von Handlangern oder Bediensteten. Crabbe und Goyle, Zabini, Hauselfen.

Ganz auf sich allein gestellt zu sein behagte ihm nicht.

Ron jedoch schien nicht überzeugt von seinen Worten. Als ob er seine Worte durchschauen würde, verengte er seine Augen.
 

„Gerade du sprichst von Vertrauen?“, spottete er und verschränkte trotzig seine Arme vor der Brust.

Bei dieser Geste spürte Draco die Ungeduld in sich aufkeimen. Diese Unverschämtheit wollte er sich nicht bieten lassen. Doch jetzt hieß es diplomatisch vorzugehen. Er brauchte Weasley. Er wusste nicht wie lange, und in welchem Ausmaß. Aber er musste es geschickt anstellen.

„Ohne Vertrauen funktioniert das hier nicht, Weasley. Du hasst mich, ich hasse dich. Aber denkst du nicht, dass wir über diese kleine Unstimmigkeit hinwegsehen könnten? Du brauchst mich. Ich bin der einzige mit einem Zauberstab. Und ich brauche dich. Ich bin im Moment etwas…eingeschränkt.“
 

Demonstrativ deutete er mit seinem Zauberstab auf seinen Fuß, der alles andere als gesund aussah. Halb schwarz, verkohlt und blutig mit offenen Wunden war dies kein angenehmer Anblick.

Seine Worte hatte Draco mit Absicht etwas vertrauenserweckender gewählt, in Wahrheit ging es ihm hierbei aber alleine nur um seinen Vorteil. Er musste dem anderen vertrauen können. Aber wenn er Weasley nicht mehr bräuchte, würde er sich gegen ihn wenden oder ihn alleine lassen. Er hatte sich noch nicht entschieden. Die letzte Nacht hatte er genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Am vorteilhaftesten wäre es natürlich, wenn er über Weasley an Potter herankommen könnte. Aber in seinem Zustand war das undenkbar. Er konnte nicht noch einmal apparieren. Und alleine würde er es sicher nicht gegen Weasley, Potter und das Schlammblut aufnehmen können. Also hieß es Füße stillhalten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bis sein linker Fuß endlich verheilt wäre und er sich einen weiteren Plan zurecht geschmiedet hatte. Aber fürs erste wären sie hier wohl sicher.

Und für diese Sicherheit würde er Weasley das Blaue vom Himmel herunter lügen. Er wollte ihm nicht zwingend das Gefühl geben, er wäre hier gefangen. Denn dann könnte er vergeblich auf dessen Kooperation warten und müsste selbst um seine Sicherheit fürchten. Weasley war nämlich nicht leicht gefangen zu halten. Er würde ihn irgendwann im Schlaf überfallen, seinen Zauberstab schnappen und disapparieren. Und das wollte er nicht. Der Grund, wieso er mit dem Zauberstab nicht herausrückte, war in erster Linie natürlich seine Sicherheit, und in zweiter Linie wäre Ron schneller weg als er blinzeln könnte.

Er musste ihm also das Gefühl geben, sie beide wären hier sicher.
 

Doch dieser ließ sich von seinen schlichtenden Worten keineswegs beeindrucken.

„Zuerst her mit meinem Zauberstab, danach lässt sich weiter reden!“, blaffte der Rothaarige ihn unfreundlich an und Draco schickte einen ungeduldigen Luftstoß herunter ins Wohnzimmer, der ihm die schmutzig roten, verfilzten Haare zu Berge pustete.

„Vergiss nicht, wer hier in der vorteilhafteren Position ist, Weasley!“, warnte er ihn ungeduldig.

„Ich gebe dir die Chance, dich zu beweisen. Also nutze sie!“

Wieder stützte er sich auf seinen urigen Gehstock und humpelte so gebieterisch wie es nur ging die Treppen hinunter.

„Du musst mir mit meinem Fuß helfen. Wenn du dich weigerst, mache ich es alleine. Aber glaub mir“, sein kalter Blick wurde eindringlich. „Wenn ich damit fertig bin, bin ich alles andere als gewillt ihn dir zurück zu geben.“

Ron hatte seine Arme immer noch verschränkt.

„Und zwing mich nicht dir weh zu tun, Weasley. Ich möchte unsere neue Vereinbarung nicht auf irgendwelche verbotenen Flüche aufbauen.“

„Drohst du mir mit dem Cruciatus?“, fragte er aufgebracht. Draco war schon die Treppe hinunter gehumpelt und stand nun Auge in Auge mit dem Rothaarigen.

„Oh, Weasley. Du glaubst doch nicht wirklich, dass der Cruciatus-Fluch der einzige ist, den ich von den dreien beherrsche, oder?“

Sein kaltes Grinsen wirkte gefährlich und Ron lief ein unangenehmer Schauer über den Rücken.

„Ich bin kein Mann von roher Gewalt. Ich nutze lieber andere Mittel und Wege, um an mein Ziel zu gelangen. Und welcher Fluch eignet sich da besser als der Imperio?“
 

Ron wusste nicht, was er von den plötzlich so strahlend grauen Augen und dem faszinierten Leuchten in ihnen halten sollte.

Instinktiv wich er einen vorsichtigen Schritt zurück, doch sein Blick bohrte sich stur und fest in Malfoys. Er wollte seinen Zauberstab zurück! Und dann würde er sofort wieder zu Harry und Hermine apparieren. Er hoffte, dass sie sich immer noch im Wald befanden, in dem früher die Quidditch Weltmeisterschaft stattgefunden hatte.

„Weasley, wenn du mir hilfst und dich an meine Anweisungen hältst, verspreche ich dir, dass ich keinen dieser Flüche bei dir anwenden werde. Wir sind beide nur dann in Sicherheit, wenn wir Hand in Hand arbeiten.“

Sein Ton war ruhiger geworden, seine grauen Augen waren jedoch immer noch kalt. Ron wusste, dass er ihm nicht trauen konnte. Er war ein Todesser!

Außerdem wollte er gar nicht hierbleiben!

Er wollte zurück! Und das am besten so schnell wie möglich, bevor Harry und Hermine wieder ihren Standort wechseln würden. Aber er wusste auch, dass Malfoy gefährlich sein konnte. Er hatte letztes Jahr die Todesser ins Schloss gelassen und hatte mit allen Mitteln versucht Dumbledore umzubringen! Und bei einem dieser Versuche wäre sogar er selbst fast umgekommen. Er wusste, dass er Vorsicht bei Malfoy walten lassen müsste. Große Vorsicht sogar. Deswegen hieß es mitspielen. Erst einmal. Auch wenn er eher der direkte Typ war und immer versuchte mit dem Kopf gegen die Wand zu gehen, musste er sich diesmal anpassen.

Und irgendwann den richtigen Moment abpassen. Dann wäre er hier schneller wieder raus, als dass Malfoy überhaupt noch ‚Imperio‘ aussprechen könnte.
 

„Von mir aus“, antwortete er mürrisch und beäugte Malfoy misstrauisch. Diesem fiel innerlich ein großer Stein vom Herzen und er musste ein erleichtertes Aufseufzen unterdrücken. Das war doch leichter gelaufen als gedacht. Doch der Schmerz in seinem Fuß, der schon bis zu seinem Knie pochte, schwächte ihn körperlich und geistig. Deswegen musste es schnell erledigt werden.

Erschöpft ließ er sich auf das senfgelbe Sofa, auf welchem der rothaarige Gryffindor heute geschlafen hatte, sinken und hielt seinen Zauberstab fest umklammert. Ron dagegen blickte eher ratlos drein.

„Und was willst du jetzt von mir?“

„Ist das nicht offensichtlich?“, gab Draco von sich und Ron bewegte seine Hände in einer hilflosen, genervten Geste.

„Ja, aber was soll ich machen? Ich bin kein Heiler und wir haben hier nichts, was uns helfen könnte.“

„Dann such, Weasley“, seufzte Draco entnervt. „Die Muggel müssen hier doch irgendetwas haben, oder? Erstmal muss die Wunde gesäubert werden, die Stoffreste müssen entfernt werden.“

Ron schluckte bei einem Blick auf Malfoys Fuß. Es sah so aus als ob der halbe Schuh sich in seinen Fuß gebrannt hätte. Ehrlich gesagt war er sehr dankbar dafür, nicht in Malfoys Schuhen zu stecken.

Draco überlegte kurz. Er hatte gestern hier im Erdgeschoss eine Küche und ein Badezimmer ausmachen können. „Such vielleicht in der Küche oder im Badezimmer hier unten.“
 

Alles andere als begeistert schlurfte Ron in die Küche und sah sich dort um. Jetzt, da die trüben Sonnenstrahlen des goldenen Herbstwetters durch das Fenster schienen, sah die Küche ganz schön aus. Sehr gemütlich und ordentlich. Das helle Holz war nicht alt und ließ den gesamten Raum hell und freundlich erscheinen. Es sah ganz anders aus als das Zimmer, in welchem er geschlafen hatte. Jede einzelne Schranktür öffnete und durchsuchte er. Auch einen weißen, brummenden Schrank, der innen sogar beleuchtet war. Und zu seiner großen Freude öffnete er schließlich einen, der mit Vorräten gefüllt war.

Sein Gesicht erhellte sich, als er sich die Dosen und Beutel alle ansah. Haferflocken, Nudeln, Reis, Bohnen, Mais, Dosenfrüchte und sogar Thunfisch gab es hier. Sein Tag war eindeutig gerettet. Denn die letzten Wochen fielen die Mahlzeiten recht karg aus. Es war schwer, Essen zu besorgen. Fische und Kaninchen zu fangen. Und am Ende des Tages, wenn sie irgendeine Beute erzielt hatten, schmeckte es dann auch nur bescheiden. Auch wenn Hermine sich alle Mühe gab.

Dass sie hier zumindest nicht verhungern müssten, erleichterte ihn ungemein. Er fühlte sich nämlich halb verhungert.
 

„Weasley! Wird’s bald? Wenn du dir weiter so viel Zeit lässt, muss mein armer Fuß amputiert werden!“

Ron zog eine Grimasse und freute sich heimlich über den Gedanken, wie Malfoy der Fuß abgenommen werden musste.

Als ob der andere seine Gedanken erraten könnte, kam aus dem Wohnzimmer ein genervtes Schnauben. Grinsend schüttelte Ron seinen Kopf und nahm in aller Seelenruhe eine Dose gebackener Bohnen in die Hand, um sie inständig zu bewundern. Wie lange hatte er keine gebackenen Bohnen mehr gehabt? Ein kitzelndes Gefühl an seinem Fuß ließ ihn innehalten und an sich hinabblicken. Das was er sah, beförderte einen hohen Schreckensschrei aus seiner Kehle. Eine kleine Armee von Hausspinnen marschierte gerade in die Küche, auf ihn zu! Und eine von ihnen hatte es sogar auf seinen Fuß geschafft.

„Aaaaaaahhhhh!“

Sofort ließ er die Dose fallen und stürzte aus der Küche, mit sehr großen Schritten über die Spinnen hinweg. Er hatte es ins Bad geschafft und wollte dort die Tür hinter sich verbarrikadieren, als ihm ein verräterisches Gelächter an seine Ohren drang. Malfoy!

Der kugelte sich auf dem Sofa und freute sich darüber, dass sein Plan Weasley Beine zu machen, seine Wirkung nicht verfehlt hatte.

Ron dagegen war gar nicht zum Lachen zumute. Leise Verwünschungen vor sich hinmurmelnd durchsuchte er die Schränke im Bad. Die Fliesen hatten einen exotisch türkisen Anstrich, die Dusche erinnerte ihn sehr an die aus Hermines Haus. Mit Glastüren zum Schieben.

Aus der Küche hatte er schon ein scharfes Messer, eine Schere und etwas, das aussah wie eine Salatzange, mitgenommen. Als er sich sämtliche Mullbinden und ein Wunddesinifizierungsspray – so stand es zumindest auf dem kleinen Plastikfläschchen – einsteckte, da fiel ihm eine Idee ein. Wenn er so tat, als ob er hier nichts gefunden hätte, könnte er unter diesem Vorwand noch in das Bad in Dracos Zimmer gehen. Dort könnte er nach seinem Zauberstab suchen!

Stolz auf sich und seinen glorreichen Plan setzte er ein ratloses Gesicht auf, bevor er zu Malfoy in das Wohnzimmer schlurfte.
 

„Malfoy, ich hab leider außer einer Schere und einer Zange nichts Brauchbares gefunden.“

Draco, der bis eben immer noch ein dreckiges Grinsen auf den Lippen gehabt hatte, weil er an Rons panischen Mädchenschrei denken musste, sah auf einmal alles andere als glücklich aus.

„Dann geh nach oben!“, herrschte er ihn unwirsch an. „Ich kann es nicht glauben, dass du dir gefühlte Stunden Zeit lässt und dann nur mit einer Schere zurück kommst!“, beschwerte er sich wütend, als Ron die Treppen hinauf lief und bei jedem von Dracos Worten eine nachäffende Grimasse zog.

„Wenn du nicht willst, dass ich heute eine Riesenspinne beschwöre, bringst du dieses Mal gefälligst etwas Brauchbares mit!“, rief er Ron herrisch hinterher.
 

Dieser lachte sich heimlich ins Fäustchen, als er die Tür des Schlafzimmers zuzog, aber nur anlehnte, damit Malfoy nicht misstrauisch werden würde und ihn mit irgendwelchen Flüchen überraschte. Tief Luft holend ließ er seinen Blick schnell durch das Zimmer schweifen. Dabei blieben seine Augen an dem großen Bett hängen. Schönes Blättermuster zierte die Decken…Moment…Das durfte doch nicht wahr sein. Hatte der Prinz heute tatsächlich mit zwei Decken und zwei Kissen geschlafen, während er sich heute Nacht seine armen Zehen abfrieren lassen musste! Hastig griff er unter beide Kissen. Ins Leere. Bückte sich, um unter das Bett zu sehen. Ins Nichts. Er versuchte so leise wie möglich die Matratzen anzuheben, um im Bettkasten nachzusehen. Wieder keine Spur.

Verdammt! Wo sollte er denn noch suchen? In der Kommode! Er war gerade bei der fünften Schublade angekommen, als er die schleppende Stimme hörte.

„Falls du deinen Zauberstab suchst, spar dir die Mühe! Hast du jetzt etwas gefunden, oder darf meine hübsche Acromantula endlich zu dir hinauf?“

„Ja,ja ich hab was!“, rief Ron hastig, um Malfoy zu beschwichtigen, bevor dieser auf dumme Gedanken kommen würde und hechtete eilig die Treppen hinunter. Stolz präsentierte er ihm die Mullbinden und das Desinfektionsspray, worauf dieser nur die Nase rümpfte.

„Und du denkst, das Muggelzeug hilft?“, fragte er skeptisch und Ron zuckte mit den Schultern, als er sich neben Malfoy auf das Sofa setzte.

„Es muss! Etwas anderes haben wir nicht.“

Das war eine Lüge. In seinem Rucksack, den er gestern bei seinem überstürzten Aufbruch mitgenommen hatte, lag noch ein kleines Fläschchen Diptam, das Hermine ihm vor einiger Zeit für Notfälle abgefüllt hatte. Doch als ob er seine kostbare Essenz an Malfoy verschwenden würde! Erstens brauchte er sie selbst für seine noch nicht ganz verheilte Wunde an der Schulter und zweitens – er wollte nur seine Pflicht tun, seinen Zauberstab erlangen und dann abhauen.

Prompt legte Malfoy seinen Fuß in Rons Schoß, der etwas hilflos dreinblickte. Er hatte die Mullbinden, die Schere, das Messer und die Zange bereit gelegt, worauf Draco etwas ängstlich dreinblickte.

Ron wusste nicht genau was er tun sollte, schaute hilflos zu Malfoy und dieser nickte bestätigend. Es musste getan werden. Auch wenn es bestialische Schmerzen bedeuten würde.

Tief Luft holend griff Ron erst mal nach der Zange und versuchte das größte Stück Leder von der verbrannten Haut zu ziehen.

Ein schmerzverzerrter Aufschrei ließ ihn erschrocken zusammen zucken, fast hätte er diese Stimme nicht Malfoy zuordnen können. Dieser krümmte sich vor Schmerz und seine Augen hatten sich mit heißen Tränen gefüllt. Zögerlich blickte Ron ihn an.

„Soll ich aufhören?“, fragte er vorsichtig und obwohl er am liebsten bejaht hätte, schüttelte Draco angestrengt den Kopf.

„Mach weiter“, zischte er gepresst durch seine Zähne, doch Ron war sich unschlüssig. Er griff nach einem Kissen mit buntem Blumenmuster und gab es Draco.

Dieser presste seine Augen zusammen und krallte seine Finger aus Furcht vor den kommenden Schmerzen in das Kissen.

„Mach schon!“, wies er ihn gepresst an. Ron setzte wieder an und zog an dem eingesengten Leder.

„Zieh!“, schrie Draco ihn nun ungeduldig an und Ron hatte sich so erschrocken, weil er so konzentriert war, dass er mit einem Mal das ganze Lederstück herausriss. Draco brüllte vor Schmerz, seine Augen vor Schock geweitet.

Der Magen drehte sich Ron um, als er sah, dass an dem Stück Leder noch Haut klebte. Doch er wusste, er musste da durch. Sie beide. Von Nahem betrachtet sah der Fuß wirklich um einiges schlimmer aus als gedacht. Zum ersten Mal hatte Malfoy wohl nicht übertrieben. Und Ron dachte schon, er spielte mal wieder Dramaqueen, als er von amputieren geklagt hatte.

„Press…press dir das Kissen aufs Gesicht“, wies er Draco an. „Ich kann mich bei dem Geschreie nicht konzentrieren.“
 

Es war schrecklich. Jemandem so weh tun zu müssen. Auch wenn es Malfoy war. Er hatte zwar gedacht, dass es ihm Spaß machen würde. Aber dem war nicht so. Die Wunde war jetzt wieder aufgerissen und blutete. Ohne ein Widerwort presste Draco sich das Kissen auf das Gesicht. Ron bemerkte, wie dessen Schultern bedrohlich zuckten. Weinte…Malfoy etwa? Nun, bei diesem Schmerz mehr als verständlich. Noch einmal versuchte Ron sich zusammen zu reißen, Luft zu holen und mit der Salatzange nach weiteren Stücken zu greifen. Im Hintergrund hörte er Malfoys gedämpftes Schreien und er spürte, wie dessen gesamter Körper von Schmerzimpulsen durchzuckt wurde.

Nach einer halben Stunde waren alle Stücke sauber entfernt, Malfoy neben ihm war ein Wrack und brachte nur noch ein gedämpftes Zischen zustande, als Ron den gesamten Fuß reinigte und desinfizierte. Die Wunde war so groß, dass keine Stelle seines Fußes unversehrt geblieben war. Es sah schrecklich aus. Rons Hose war blutverschmiert und die Stoff- und Lederfetzen, an denen Blut und Haut klebte, sahen alles andere als appetitlich aus.

Der Hunger, den Ron bis eben noch verspürt hatte, war der Erschöpfung gewichen. Ein Blick auf Malfoy versicherte ihm, dass dieser noch lebte, aber er schien der Ohnmacht nicht ganz fern zu sein. Jedenfalls schien er nicht wirklich mehr mit zu bekommen, was Ron da noch tat. Seine Augen waren geschlossen und er atmetet flach, wie ein verwundetes Tier. Dieser Anblick und der schreckliche Zustand seines Fußes regten Rons Mitgefühl an. Heimlich griff er in seinen Rucksack, der am Boden gegen das Sofa lehnte und fischte das Fläschchen Diptam heraus.

Er gab einige Tropfen davon auf die blutig klaffenden Wunden und ließ es dann wieder heimlich in seinem Rucksack verschwinden. Vor seinen Augen schlossen sich die offenen Wunden und Malfoy gab zum ersten Mal ein leises Seufzen von sich. Vorsichtig bandagierte Ron seinen Fuß. Als er fertig war, rührte er sich nicht, sondern gab Malfoy die Zeit, um sich zu erholen.
 

„Malfoy…schläfst du ein?“, fragte er nach einer Zeit, als Malfoys Atem immer stetiger und gleichmäßiger wurde.

„Nein“, murmelte dieser nur.

„Soll ich dich ins Bett bringen?“, fragte Ron zögerlich. Malfoy konnte doch nicht hier schlafen! Wo sollte dann er schlafen? Oben im Zimmer? Das wäre eine Idee…Dann könnte er auch in Ruhe nach seinem Zauberstab suchen.

„Du träumst wohl“, kam die langsame und schläfrige Antwort des Malfoy-Erben. Ron ließ ein Schnauben vernehmen. Als ob er sich darum riss, Malfoy mehr als nötig anzufassen! Auch er spürte, wie die Trägheit ihn übermannte. Es war schon Abend, draußen wurde es immer dunkler und der kurze Tag heute war ungeahnt anstrengend gewesen.

„Na gut…aber kein Wort zu niemandem“, hörte er Malfoys genuschelte leise Stimme und innerlich schüttelte Ron seinen Kopf. Er versuchte seine Arme um den schmalen Oberkörper zu legen und Malfoy auf sich zu ziehen. Dieser schlang entkräftet seine Arme um Rons Hals.

Er hoffte wirklich, dass Malfoy sich am nächsten Tag nicht an diese höchst peinliche Situation erinnern könnte. Aber er hatte nun mal ein zu großes Herz. Der Blonde wirkte auf einmal so zerbrechlich, wie konnte er ihn einfach so sitzend auf der Couch einschlafen lassen? Er war verletzt...

Egal wie er es sich auch schön redete, er hasste sich dafür, als er Malfoy die Treppen hoch trug. Hoffentlich würde sich dieser nicht daran gewöhnen. Das wäre das erste und letzte Mal in seinem Leben, dass er Malfoy auf seinen Armen irgendwo hintrug!

Im Schlafzimmer bettete er ihn vorsichtig auf das Ehebett und deckte ihn zu, da Malfoy keine Anstalten machte, dies selbst zu tun. Ron fürchtete schon, dass er ohnmächtig war. Doch er musste auch an sich und seinen Zauberstab denken. Er machte zwei Schritte zur Kommode und wollte gerade die sechste Schublade öffnen, bei welcher er vorhin noch nicht angekommen war, als er ein warnendes. „Wag es dir nicht“, hörte. Murrend drehte er sich um und sah wie Malfoy halb ohnmächtig im Bett lag, den Zauberstab hoch erhoben.

„Da ist er sowieso nicht“, flüsterte er schwächlich. „Und jetzt raus hier.“
 

Das war also die berühmt berüchtigte Malfoy- Dankbarkeit von der jeder sprach! Bevor Ron sich jedoch zum Gehen wandte, griff er nach der zweiten Decke auf dem Bett und stahl sich schnell durch die Tür, bevor Malfoy ihn beim Stibitzen erwischte. Unten im Wohnzimmer räumte er noch die blutigen Fetzen weg, warf sie in der Küche in den Müll. Dann zog er sich die blutige Hose aus und schob das kleine scharfe Messer, mit welchem er einige Stofffetzen heraus geschnitten hatte, gesäubert und desinfiziert unter sein Kissen. Falls ein Einbrecher oder Malfoy ihm zu nahe kommen würden, diente das als Zauberstabersatz. Erstmal.

Obwohl seine Kehle ausgetrocknet war, und er halb ausgehungert war, nahm er davon nicht wirklich etwas wahr. Zu intensiv war die Müdigkeit, die ihn überfiel, als er sich in die gemütliche Decke mit dem Blättermuster kuschelte und sich einem erholsamen Schlaf hingab.

Ich schaffe dir ein Heim

12. Oktober 1997
 

Sanfte Sonnenstrahlen legten sich auf das Sommersprossengesicht. Schmutz und leichte Dreckspuren zierten die fahle Haut. Das Haar, stumpf und leicht verfilzt , ließ nur schwer die ursprüngliche Haarfarbe erahnen. Doch sanftes Rot leuchtete träge im dem goldenen Oktoberlicht, das aus einem meterhohen Fenster in das Muggelwohnzimmer schien. Trotz der Mitgenommenheit strahlte das Gesicht auf dem bunten Blumenkissen etwas Erholtes aus. Und als die Sonnenstrahlen ihn vorsichtig wach kitzelten, begrüßte das Gesicht den neuen Tag mit einem verschlafenen Lächeln.

Der Schlaf hatte unsagbar gut getan. Die Decken hatten ihn warm gehalten. Gähnend streckte Ronald Weasley sich auf dem weichen, senfgelben Sofa und richtete sich allmählich auf.

Seine Kehle war ausgedörrt, er könnte wahrscheinlich keinen Ton herauspressen, so kratzig fühlte sie sich an.

Leise schlurfte er in die Küche und holte sich ein Glas aus einem der Ahornholzschränke. Seit der Suchaktion gestern kannte er sich zumindest in der Küche und im Badezimmer ein wenig aus. Er füllte das Glas mit kaltem Wasser aus dem Wasserhahn. Als es endlich seine Kehle hinabrann, fühlte er sich zunehmend lebendig. Nachdem er es gierig ausgetrunken hatte, füllte er es erneut und lief zurück ins Wohnzimmer zu seinem Bett. Dort stellte er es auf den dunklen Holztisch und legte sich wieder unter seine Decken.

Das hatte gut getan! Er hatte zwar noch Hunger, doch im Moment fühlte er sich zu schläfrig, als dass er sich darum kümmern könnte. Aber es ging ihm schon so viel besser. Alleine die Tatsache, dass er heute in einem warmen, gemütlichen Bett in einem sicheren Haus geschlafen hatte, trug viel zu seinem positiven Gemüt bei. Und der Fakt, dass er es endlich los war.

Das Medaillon.

Es war eine Qual gewesen, es tragen zu müssen. Ohne es zu merken hatte dieser verfluchte Horkrux seine Gedanken vergiftet und nach und nach immer mehr von ihm eingenommen.

Nun war sein Kopf viel geklärter als noch vor zwei Tagen. Als er so auf Harry los gegangen war.
 

Harry. Und Hermine.

Er musste zurück. Aber im Moment fühlte es sich hier so gut an. So sicher.

Wenn er an die Vorräte dachte, die er gestern in den Schränken entdeckt hatte, machte sich Vorfreude in ihm breit.

Hier gab es das, was es in ihrem Zelt im Wald nicht gab. Essen, fließendes Wasser, Sicherheit.

Und auch wenn er hier keinen Zauberstab hatte, fühlte er sich nicht so nutzlos wie damals bei Harry und Hermine-

Sein Zauberstab! Er musste ihn zurück erobern!
 

Aber dafür war noch Zeit. Er würde erst mal noch eine Runde weiterschlafen - die warmen Decken hatten eine merkwürdig magische Wirkung auf ihn. Danach würde er sich mit Vorräten eindecken, seinen Zauberstab finden und dann wieder zurück apparieren.

Dieser Plan hörte sich gut an und langsam löste er sich im Nebel des Schlafes auf.

Bis er von einer unwillkommenen Stimme gestört wurde.
 

„Weasley.“

Sofort schreckte Ron aus seinem Halbschlaf auf, nur um Malfoy vor seinem Sofa stehen zu sehen. Auf seinen urigen Holzstab gestützt, die Arme verschränkt.

„Ich habe Durst!“

Genervt aufstöhnend richtete Ron seinen Oberkörper langsam auf.

„Dann bedien dich!“, meinte er und schüttelte genervt den Kopf. Malfoy hatte er fast vergessen. Deswegen hatte so ein friedliches Gefühl seinen Morgen begleitet. Das Gefühl war nun verpufft, wenn er in Malfoys arrogant herabblickendes Gesicht sah.

Ohne ein weiteres Wort schnappte sich Malfoy sein Wasserglas und trank daraus.

„He, stopp! Mit 'Bedien dich' meinte ich nicht mein Glas damit! Sondern geh in die Küche, hol dir dort ein Glas und füll es am Wasserhahn auf.“

Sofort spuckte Malfoy in hohem Bogen das Wasser aus. Wie ein begossener Pudel blickte Ron ihn an. Fassungslos. Er versuchte die Wassertropfen aus seinen Augen weg zu blinzeln. Sein Gesicht war klatschnass! Mit Malfoyspucke!

„Spinnst du?“, fuhr er den Blonden an. Was war nur in den gefahren? Trank erst genüsslich aus seinem Glas und spuckte es ihm dann ins Gesicht!?

„Nein! Spinnst DU! Wie kannst du mir verseuchtes Muggelwasser andrehen!“

„Wasser ist Wasser!“

„Es schmeckt grauenvoll!“

„Tja, tut mir leid, dass es den Malfoyansprüchen nicht genügt! Und jetzt, wenn du die Güte hättest zu verschwinden, ich will weiterschlafen!“

„Du hast genug geschlafen! Wir brauchen Wasser! Sonst verdurste ich noch. Mach was, Weasley!“

Ron entwich ein wütendes Schnauben, als er sich zurück in seine Decken kuschelte und ein Kissen über seinen Kopf legte, damit er von Malfoys Stimme nicht mehr belästigt würde.

„Ich glaube du verwechselst mich mit deinen Dienern Crabbe und Goyle. Und jetzt geh!“
 

Er wurde mit jeder Sekunde wirklich wütender. Am liebsten hätte er sich auf den Verwundeten gestürzt und ihm seinen Zauberstab abgenommen. Damit er endlich zurück konnte. Aber er fühlte sich zu faul dafür.

„Weasley“, sein Ton hörte sich diesmal quengelnd an und er erinnerte Ron an einen kleinen, verzogenen Prinzen. Erneut verrollte er seine Augen und schüttelte entnervt seinen Kopf, bevor er sich wieder aufgebracht aufrichtete.

„Du besitzt doch einen Zauberstab! Im Gegensatz zu mir! Prahlst du nicht immer damit, ein Reinblut zu sein? Wie wäre es mit einem Zauberspruch? Aquamenti zum Beispiel?“
 

Das war doch nicht zu glauben! War Malfoy etwa zu verwöhnt, dass er die einfachsten Zauber nicht beherrschte?

Malfoy schien wohl zu erraten, was Ron gerade dachte, denn seine Wangen glühten rosa auf. Vor Scham.

Doch statt kleinlaut zu werden, herrschte er Ron lieber an.
 

„Dann hol mir ein Glas! Und zwar plötzlich!“

„Hol dir selbst eins!“, fauchte Ron und ballte seine Fäuste.

Malfoy zog auf einmal ein Mitleid erregendes Gesicht. „Mein Fuß“, hauchte er aufgesetzt schwächlich und Ron wollte ihm am liebsten an die Kehle.

„Ich glaub ich steh im Verbotenen Wald! Accio! Accio heißt der Zauberspruch!“
 

Heiße Scham pochte auf Malfoys Gesicht. Natürlich wusste er, dass der Zauberspruch Accio hieß! Er war vorher jedoch nie in die Situation gekommen, sich um Dinge zu kümmern, die sonst die Hauselfen für ihn taten. Wenn er etwas zu trinken oder zu essen wollte, musste er nur auf seinen Tisch klopfen und sagen, was er wollte.

Sofort kam ein Glas aus der Küche mit einer Wucht angeflogen, dass er kurz befürchtete es würde in seiner Hand zerbersten. Er hasste es so sehr von Weasley bloß gestellt zu werden. Purer Hass leuchtete in seinen grauen Augen, als er sein Glas mit Aquamenti füllte. Doch er konnte es nicht trinken. Wer wusste, ob das Glas sauber war? Bestimmt klebte noch unsichtbarer Muggeldreck daran. Und Weasley fragen, wie man etwas reinigt…lieber würde er sterben! Deswegen schwenkte er sein Glas etliche Male und kippte das angeblich schmutzige Wasser mitten auf den Teppich aus.
 

„Merlin! Was tust du da?!“

„Das Glas war nicht sauber!“

„Dann benutzt man Ratzeputz! Oder kippt das Wasser zu den Pflanzen in die Blumentöpfe!“

Ein aufgebrachter Finger deutete zuerst in die rechte und dann in die linke Ecke, wo jeweils lebenshohe Pflanzen standen.

Weasley schaffte es an diesem Morgen aber auch echt, dass man sich dumm fühlte! Zumindest hatte er ihm unbewusst einen niederen Zauberspruch verraten. Ratzeputz. Den würde er gleich oben in seinem gesamten Zimmer anwenden, um es von unsichtbarem Muggelschmutz zu befreien.

Erneut füllte er sein Glas, diesmal jedoch um daraus zu trinken. Endlich. Er stürzte es begierig hinunter, bevor Ron ihn mit einem vernehmlichen Räuspern störte. Mit erwartungsvoll hochgezogenen Augenbrauen deutete er auf sein Muggelglas.

„Wie wäre es auch mit meinem?“, fragte er.

„Vergiss es! Dir reicht doch schon verseuchtes Muggelwasser! Ich muss meine Magie für wichtigeres aufsparen!“, sprach er arrogant. „So, ich gehe jetzt duschen! Das Gleiche solltest du auch machen! Du siehst nämlich schrecklich aus“, zeterte er, als er die Treppen hinauf humpelte und sein leeres Glas neben sich her schweben ließ.

„Sicher, dass du das alleine schaffst? Soll ich dir nicht noch erklären, wie man den Wasserhahn aufdreht?“, spottete Ron, worauf Draco sich umdrehte und ein Gesicht zog, mit dem nicht zu spaßen war.
 

So, jetzt reichte es! Weasleys Überheblichkeit ging ihm gehörig auf den Geist! Mit einem wütenden Schlenker seines Zauberstabs ließ er etwa zwei Dutzend kleiner Spinnen erscheinen und auf Ron zu krabbeln.

Das Grauen erfüllte Schreien erhellte sein grausames Gemüt. Und als Ron hektisch aufsprang und ins Badezimmer rannte, hatte der Zauber seinen Zweck erfüllt. Erstens: Weasley hielt endlich seine vorlaute Blutsverräter Klappe und zweitens er war endlich im Badezimmer zum Duschen.

Wenn sie sich hier einnisten wollten, wollte Draco es sauber haben.

Er fühlte sich dreckig und Weasley sah noch viel schlimmer aus. Keine Ahnung wo dieser vorher gehaust hatte, wahrscheinlich irgendwo im Wald. Es waren nämlich Blätter und Moos in seinen Haaren eingefangen. Egal wo er vorher war, eine Dusche schien es dort anscheinend nicht gegeben zu haben.
 

Dies wurde Ron selbst am eigenen Leib bewusst, als er endlich das warme Wasser auf seiner verdreckten Haut spürte. Es war eine unheimliche Erleichterung. Und tat so gut. Er benutzte eine wohlriechende Honigseife, die er im grauen Hängeschrank gefunden hatte und massierte damit seinen ganzen Körper ein. Sogar eine Glasflasche mit Shampoo hatte er gefunden. „Heilerde“ stand darauf geschrieben und es roch gut. Am Boden der Dusche sah Ron den Dreck, der sich über Tage in seinen Haaren gesammelt hatte. Blätter, Moos und sogar kleine Ästchen. Wohlig seufzend lehnte er seine Stirn an das beschlagene Gas, beobachtete seinen dampfenden Atem in der Luft und genoss das heiße Wasser auf seiner Haut. Es war so entspannend. Und so wohlriechend. Nach Tagen des elenden umher Streunens, Wartens und Flüchtens fühlte er nun endlich so etwas wie einen kurzen Moment des Friedens.

Dass Malfoy in wenigen Momenten alles wieder zerstören könnte, daran wollte er im Moment gar nicht denken.

Nass und sauber stieg er aus der Dusche und schnappte sich ein weiches, graues Handtuch. Als er sich fertig abgetrocknet hatte, kam ihm der Gedanke, dass er seine Kleidung nicht anziehen konnte. Sie stank und war dreckig. Nicht zu vergessen Malfoys Blut, das an seiner Hose klebte.

Er suchte nach irgendetwas in dem türkisen Badezimmer und fand einen grauen Bademantel. Er hüllte sich darin ein und suchte danach eine Zahnbürste. Er hatte sogar Glück und fand eine unbenutzte. Nachdem er sich ordentlich die Zähne sauber geputzt hatte, trat er aus dem Bad. So, nur mit einem Bademantel bekleidet, konnte er unmöglich herumlaufen.

Die Klamotten mussten dringen gewaschen werden. Aber wie? Zum Trocknen würden sie noch Ewigkeiten brauchen. Es musste doch irgendetwas zum Anziehen in dem Haus geben. Oder? Im Wohnzimmer, wo er schlief, gab es nichts. Dann Malfoys Zimmer? Da stand doch ein weißer riesiger Schrank. Da musste es etwas geben! Zumindest hoffte er das.

So stand er in dem grauen Bademantel gekleidet vor Malfoys Tür und trat einfach ein. Zu seinem Glück war sie weder abgeschlossen noch mit irgendwelchen Bannen belegt. Im Schlafzimmer stand Malfoy, mit nur einem weißen Handtuch bekleidet und durchstöberte den riesigen Kleiderschrank nach etwas zum Ankleiden. Als er Schritte hörte, fuhr er erschrocken herum und blickte Ron mit geweiteten Augen an. In dem Moment fiel Rons Blick auf dessen nackte Brust. Die mit hässlichen Narben übersät war. Ihm stockte kurz der Atem, doch dann erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit.

Eine schwarze Tätowierung auf Dracos Arm. Das Dunkle Mal, nichts Gutes verheißend. Rons Pupillen weiteten sich erschrocken.

Draco fiel der Blick auf und er schleuderte Ron mit einem geschickten Zauberspruch aus seinem Zimmer heraus. Dieser knallte hart gegen die Balustrade und die Tür fiel laut krachend vor ihm zu. Ron hatte keine Kraft sich darüber aufzuregen, weil er zuerst den schrecklichen Anblick des Dunklen Mals verkraften musste. Es sah so bizarr aus. Dieses schwarze Mal auf der sonst so hellen, reinen Haut. Es erinnerte Ron nur daran, mit wem er es hier zu tun hatte.

Und dann die vielen Narben auf der Brust. Woher kamen die? Moment, war das nicht sogar Harrys Verdienst gewesen? Er schluckte. Doch lange durfte er sich mit solchen Gedanken nicht aufhalten.

Ächzend rappelte er sich wieder auf.
 

„Ich brauche was zum Anziehen!“, fluchte er laut und hämmerte gegen die Tür.

„Das was du anhast, steht dir doch!“

„Mach dich nicht lächerlich! Ich kann doch nicht in einem Bademantel herumlaufen!“

„Ach, ein Bademantel soll das sein? Ich dachte, du hättest dir aus Waschlumpen ein Kleid gezaubert.“

„Wie soll das gehen ohne Zauberstab?“, donnerte Ron jetzt wütend und hämmerte weiter gegen die Tür.

„Meinetwegen. Ich hab was für dich gefunden.“ Die Tür schwang auf, Malfoy stand mitten im Raum, gekleidet in einer dunkelblauen Hose und einem blaugrünen Holzfällerhemd. Nicht sein typischer Stil, aber es stand ihm. Betonte seine grauen Augen. Sein Haar fiel ihm geschmeidig ins Gesicht, war ordentlich gekämmt. Das boshafte Grinsen auf seinen Lippen irritierte Ron. Außerdem fühlte er sich unwohl in nur einem Bademantel vor ihm zu stehen.

„Also?“, fragte er fordernd und verengte die Augen. Wenn Malfoy etwas Frisches zum Anziehen hatte, stand ihm ja wohl das Gleiche zu.
 

„Bitteschön, das hier wird dir stehen“, säuselte Malfoy aufgesetzt einschmeichelnd, als aus dem Kleiderschrank ein rotes Kleid heraus geschwebt kam.

„Passt zu deinem schönen roten Haar, Wieselbee.“ Rons Gesichtsfarbe nahm den gleichen Farbton wie das Kleid an und Draco musste sich das gehässige Lachen verkneifen. Oh, wie er das genoss!

Das war die Rache für die Demütigung am Morgen, als er sich an alle einfachen Zauber nicht mehr erinnern konnte. Er konnte zaubern! Sehr gut sogar! Nur hatte ihn die Anstrengung der letzten Tage so mitgenommen, dass er neben sich stand.

Als Ron Anstalten machte, sich auf Draco zu stürzen, beschwor dieser schnell einen Schutzwall zwischen sie beide.
 

„Vergiss es, Wiesel! Ich mache dir einen Vorschlag. Ich gebe dir anständige Kleidung und du besorgst dafür was zu Essen.“

Ron schien nicht begeistert zu sein, jetzt durch eine durchsichtige Wand von Draco getrennt zu sein, da er diesem so nicht an die Gurgel gehen konnte. Aber da er von den Vorräten wusste, nickte er langsam. Das klang fair. Vielleicht konnte er es schaffen die Baked Beans aufzuwärmen. Das zählte zu Essen. Und zwar zu besonders leckerem, wenn man bedachte was er in letzter Zeit Essen schimpfen durfte.

„Na schön“, murrte er.

Zufrieden trat Malfoy an den Schrank und konnte sich aber trotzdem einen weiteren Spruch nicht verkneifen.

„Ich weiß wirklich nicht, was du gegen das Kleid hast. Du würdest sicher ganz reizend darin aussehen.“

Ron lief wieder rot an und trat näher an die Schutzwand heran.

„Wenn hier einer von uns beiden das Mädchen ist, dann wohl du. Wer hat sich denn gestern wie eine Braut ins Schlafzimmer tragen lassen?“
 

Malfoys Ohren liefen rosa an, doch er stand mit dem Rücken zu der Schutzwand, sodass Ron sein Gesicht nicht sehen konnte.

„Ich weiß nicht, was du meinst“, nuschelte er nur und Ron wollte weiter in der Wunde herumstochern, doch da wurde er schon von einem Wind aus dem Zimmer geweht. Bevor er sich über die fehlende Kleidung beklagen wollte, kam ihm eine braune Hose und ein braunrotes Holzfällerhemd entgegen geflogen.

„Bitte! Sieht so aus wie die Lumpen, die du sonst immer trägst. Und wehe das Essen schmeckt nicht, dann bist du die Kleider wieder los, verlass dich darauf!“

„Was ist mit einer Unterhose?“

„Ach, sowas brauchst du auch noch? Hier!“

Eine schwarze Shorts flog ihm mitten ins Gesicht.
 

Die Tür fiel mit einem lauten Knall zu und Ron lief motzend hinunter in die Küche. Dort zog er sich erst mal um. Zum Glück hatte die braune Hose einen Gürtel, sonst würde sie ihm wahrscheinlich viel zu locker sitzen. Die Wäsche war sauber und roch gut. Er fühlte sich wohl darin.

Er brauchte eine Zeit, um zu verstehen wie er den Herd heiß machte, aber er musste eigentlich nur an einem Schalter drehen. Mit einem Messer öffnete er die Dosen und füllte sie in einen Topf. Er war nicht gut im Kochen, aber er rührte stetig um, so wie seine Mutter es immer tat und als es gut roch, nach gebackenen Bohnen, stellte er den Herd wieder aus. Es war ungewohnt, aber die letzte Zeit musste er Komplizierteres fertig bringen. Gegen Fisch fangen und Kaninchen schlachten war das hier gar nichts.

Er füllte die gebackenen Bohnen in zwei Teller und brachte sie ins Wohnzimmer. Den einen stellte er auf den Couchtisch, den anderen brachte er die Treppen hoch. Bevor er klopfen konnte, wurde die Tür aufgerissen und ihm der Teller abgenommen. Und schon stand er wieder vor verschlossener Türe. Guten Appetit auch.

Diese Undankbarkeit würde ihn noch die letzten Nerven kosten!

Aber zumindest musste er Malfoys nervige Stimme beim Essen nicht ertragen. Also setzte er sich nach unten auf die Couch vor den kleinen Tisch und begann zu essen.

Merlin, köstlich.

Es war zwar nur ganz einfaches Dosenessen, aber es war warm und es erinnerte ihn an die Baked Beans aus Hogwarts. Er hätte gern ein weiches Stück Brot dazu gehabt, aber es war besser als alles was er in den letzten Wochen essen durfte.

Hier auf seiner senfgelben Couch, mit einer warmen Mahlzeit, eingehüllt in eine kuschelige Decke, mit einem Ausblick aus dem meterhohen Fenster auf das goldene Herbstwetter fühlte er sich geborgen. Fast wie Zuhause.

Ohne dich zähl' ich die Stunden

5. September 1999
 

Es war bereits zwei Tage her, nach diesem…Vorfall. Ron saß an diesem Sonntagmittag in der Großen Halle und stocherte gedankenverloren in seinem Lachsauflauf herum. Draußen schien die milde Septembersonne und die Lichtstrahlen tauchten die gesamte Halle in ein angenehmes Licht.

Harry bereitete alles für die Quidditchauswahlspiele vor und Hermine hatte schon gegessen. Die Zwillinge waren am Wochenende in ihrem Laden, um ihn zu verwalten und Lee unter die Arme zu greifen. Viele Gleichaltrige aßen sonntags in Hogsmeade entweder im Eberkopf, im Drei Besen oder bei Madame Puddifoots. Dementsprechend war die Große Halle etwas leerer.

Auch ein spezieller blonder Slytherin saß nicht an seinem Platz. Ron hatte Malfoy seit diesem…Ereignis nicht mehr gesehen. Zumindest nicht richtig. Er schien ihn seither wohl zu meiden. Oder er selbst war es, der versuchte Malfoy aus dem Weg zu gehen. Wie auch immer es war, jedes Mal, wenn sie sich über den Weg liefen, wichen sie gegenseitig ihren Blicken aus oder Ron bog sogar in versteckte Korridore ein.

Wieso genau, wusste er selbst nicht. Etwas in ihm hatte Angst. Angst wovor fragte sich jedoch. Vor Malfoy? Vor dem Dunklen Mal? Wieso stellte er sich eigentlich so an? Er wusste doch, dass Malfoy gebrandmarkt war. Zugegeben, er hatte das Dunkle Mal noch nie auf Malfoys Arm gesehen, aber bei dessen Vater oder Bellatrix Lestrange schon. Und es hatte ihm nicht so viel ausgemacht wie bei Malfoy. Vielleicht, weil er Lucius und Bellatrix als abgrundtief böse betrachtete und Draco… nicht so sehr?

Ach verflucht, er wusste es nicht. Wenn er die Situation noch einmal Revue passieren ließ, was er die letzten Tage mehr als nur einmal getan hatte, so machte sich ein eigenartige Gefühle in ihm breit.

Zum einen wäre da Malfoys merkwürdiges Verhalten. Er schien so…anders gewesen. Wenn er tief in sich ging, sah er ihn wieder vor sich. Beziehungsweise unter sich. Das spitze Gesicht hatte sich komplett verändert. Kein hämischer Ausdruck war darauf zu finden. Er war so merkwürdig gewesen. Fast kam es Ron so vor, als ob der Slytherin das so wollte. Etwas an seinem Gesicht, an seiner Körpersprache hatte ihn damals so irritiert. Obwohl Malfoy ihn fortschieben wollte, war es nur ein halbherziger Versuch gewesen. So kam es Ron zumindest vor.

Und dann war da noch etwas. Dieser halboffene Blick. Es erinnerte Ron an etwas, das Hermine bei anderen Mädchen einen „Schlafzimmerblick“ nannte. Alleine bei diesem Wort schoss Ron die pure Schamesröte bis in die Haarwurzel. Doch so hatte es bei Malfoy ausgesehen! Irgendwie verführerisch und willig! Als ob er ihn wollte! Ron konnte sich das Ganze nicht erklären.

Doch trotzdem bekam er jedes Mal bei der Erinnerung daran eine hartnäckige Gänsehaut. Und das Beunruhigendste daran war, mittlerweile war er sich ziemlich sicher, dass sein eigener Körper reagiert hätte, wenn ihm etwas mehr Zeit gegeben würde und er nicht schon gleich mit dem hässlichen Dunklen Mal konfrontiert worden wäre.

In ihm rangen die widersprüchlichsten Gefühle miteinander. Auf der einen Seite war da Entsetzen und Abscheu. Das Dunkle Mal auf Malfoys Haut rief sogar so etwas wie Enttäuschung in ihm hervor. Und es holte ihn wieder zurück in die grausame Realität des Krieges. Doch auf der obskuren anderen Seite waren da diese verwirrenden Gefühle, die er noch nicht einordnen konnte.

Machte sich Malfoy etwa lustig über ihn? Spielte er ihm etwas vor? Aber wieso sollte er? Was würde ihm das bringen? Er schien ja genauso überrascht gewesen zu sein wie Ron, als sie auf dem Boden landeten und sich so extrem nah waren. Ron bekam dieses erschrockene Gesicht nicht aus seinem Kopf. Es sah so echt aus, so natürlich. Er erinnerte sich noch an die weit aufgerissenen grauen Augen, an die schwarzen, geweiteten Pupillen.

Das aller Verwirrendste daran war jedoch seine eigene Reaktion im Nachhinein darauf. Diese Bilder ließen ihn nicht mehr los. Er konnte nur noch daran denken. Und kurz bevor Ron sich erhoben hatte, um zu flüchten, da war dieser verletzte Ausdruck auf Dracos Gesicht. So etwas konnte man doch nicht schauspielern? Oder doch? Naja, schließlich handelte es sich hier um Malfoy. Der hinterlistigen Schlange. Doch irgendetwas in Ron sträubte sich Malfoy nur so zu sehen. Als Slytherin. Und Todesser. Etwas in ihm wünschte sich, dass er sich irrte. Dass es noch mehr von Malfoy gab als nur diese oberflächlichen Attribute.

Wenn er an die letzten Tage in Hogwarts zurückdachte, bestätigte sich das nur. Malfoy war zwar immer noch arrogant und eingebildet, aber er besuchte den Muggeltechnologiekurs. Versuchte annähernd normale Konversationen mit Ron zu führen und….sogar nachts hatte Ron mit ihm geredet. Zumindest kam es Ron so vor. Er hatte Malfoys Stimme schon zwei Nächte hintereinander nicht mehr gehört. Deswegen zweifelte er daran, ob er sie sich vorher nicht einfach eingebildet hatte. Seufzend ließ er seinen roten Schopf neben seinem Teller auf den Tisch fallen.

Was sollte er nur mit seinen wirren Gedanken anfangen! Schon vor dem Vorfall hatte er so eigenartige Gedanken gehabt. Jedes Mal, wenn Malfoy ihn ansah, spürte er das im Rücken oder von der Seite. Und ihre Blicke trafen sich öfter als gewollt. Doch nach dem Vorfall konnte Ron gar nicht mehr aufhören daran zu denken! Es wurmte ihn, dass sie sich aus dem Weg gingen. Nach ihrem morgendlichen Weasley-Training traf er ihn nicht mehr an. Anscheinend verzichtete er auf sein Morgenschwimmen oder hatte sich eine andere Zeit dafür ausgesucht. Im Unterricht saßen sie nie nebeneinander. Außer in Muggeltechnologie, und das wäre erst wieder am Mittwoch. Fast schon könnte man meinen, dass Malfoy ihm fehlte...er langweilte sich ohne den anderen...es waren bestimmt schon über fünfzig Stunden, in denen sie sich ignorierten...Verdammt, wieso zerbrach er sich überhaupt weiter den Kopf über ihn?
 

„Ronald, was ist los mit dir? Lass dich bitte nicht so hängen! Du gibst ein jämmerliches Bid ab!“

Unbegeistert hob Ron seine Augen, nur um in Hermines mahnendes Gesicht zu blicken. Hermine. Natürlich. Wer denn sonst. Er gab ein unwilliges Geräusch von sich und rutschte etwas zur Seite, damit ihre zwanzig Bücher auch noch Platz neben ihr auf der Bank fanden.

„Und wieso bist du so motiviert?“, fragte er sie lustlos.

„Ich treffe mich gleich mit Draco in der Bibliothek.“ Sofort wurde Rons träges Gemüt hellhörig und er richtete sich etwas auf. Um nach außen jedoch seine betonte Gelassenheit zu wahren, ließ er doch noch seine Schultern sacken. Er wollte jetzt bloß nicht zu neugierig aussehen.

„Achso?“, fragte er betont gelangweilt. „Zum Lernen?“ Zumindest hoffte er das. Etwas anderes wollte er sich nicht vorstellen. Immerhin war sie seine beste Freundin. Und er…ein ehemaliger Todesser.

„Nicht ganz. Wir treffen uns zu einer Besprechung für unseren Wochenplan.“

„Wochenplan?“ Was sollte das werden? Hörte sich so an, als ob sie sich öfter treffen würden…

„Genau. Wir müssen die Abendpatrouillen einteilen und außerdem haben wir uns einige freiwillige Aktivitäten ausgedacht.“

„Aktivitäten?“ Hermine warf ihm einen strengen Blick zu, weil seine dämliche Fragerei sie die Nase rümpfen ließ.

„Gemeinsame Spielabende, Ausflüge oder Wettbewerbe,“ war ihre schnippische Antwort.

Ron runzelte die Stirn.

„Du willst mit dem Spielabende veranstalten? Bist du dir sicher?“

Leise Eifersucht schlich sich in seine Magengrube.

„Ronald, jetzt stell dich bitte nicht so kindisch an. Wir leben jetzt alle in einem Haus. Und um aus uns eine Gemeinschaft zu machen, haben wir uns eben etwas ausgedacht. Vieles davon war übrigens Dracos Idee.“

Irrte Ron sich oder war das etwa ein schwärmender Unterton in Hermines Stimme?

„Dracos Idee?“ Ron klang sehr skeptisch.

„Ja, Dracos Idee!“, nahm Hermine den Blonden in Schutz. „Ist es etwa so merkwürdig seine Aufgabe als Vetrauensschüler ernst zu nehmen? Im Gegensatz zu dir bemüht er sich mehr in dieser Rolle. Das hätte dir in unserem 5. Schuljahr auch gut getan.“ Ron rollte seine Augen.

„Redet ihr über Malfoy?“ Ginny schaltete sich in das Gespräch ein und Ron musste näher zu Hermine rutschten, weil seine Schwetser sich einfach dazu drängte.

„Er hat sich verändert oder? Das ist mir auch schon aufgefallen!“, meinte sie interessiert und Rons Laune konnte nicht weiter tiefer in den Keller sinken.

„Gibt es einen Grund, wieso ihr den arroganten Schönling so hoch in den Himmel lobt?“, motzte er verdrießlich.

„Er hat mir letztens die Tür aufgehalten“, flüsterte Ginny geheimnistuerisch und beugte sich weiter zu ihnen.

„Ja“, hauchte Hermine nun zurück. „Das macht er bei mir auch jedes Mal, wenn wir gemeinsam in die Bibliothek gehen.“

Etwas zog sich in Ron zusammen. Malfoy hielt Hermine die Tür auf? Wenn sie in die Bibliothek gingen? Wie oft gingen die beiden denn bitte in die Bibliothek?

„Na und? Ich verstehe eure Begeisterung nicht. Dann hat der Schleimbeutel in den letzten zwei Jahre eben einige Benimmkurse absolviert. Und weiter? Ist ja das Mindeste bei diesem adeligen Gehabe!“

„Bist du eifersüchtig Ron?“, stichelte nun Ginny und Ron schenkte ihr einen finsteren Blick.

„Im Gegensatz zu euch vergesse ich nicht, was er damals getan hat. Ihr mögt vielleicht heile Welt spielen, aber es ist immer noch Malfoy. Wer weiß, was er für ein abgekartetes Spiel treibt!“

Verstimmt erhob er sich und verließ die Große Halle.
 

Seine Gedanken verfinsterten sich. Also war das wirklich ein Spiel von ihm! Er schien nicht nur so nett zu ihm zu sein, nein er wollte sich wohl überall seinen Weg reinschleimen.

Missmutig vergrub Ron seine Hände in seinen Umhangtaschen. Auch wenn Hermine ihn tierisch nervte, sie war immer noch seine beste Freundin. Und er musste sie unter allen Umständen schützen. Wer wusste, was Malfoy wirklich trieb.

Also fasste Ron einen Entschluss. Er würde ihnen in der Bibliothek nachstellen. Ganz heimlich. Sicher war sicher. Außerdem wollte er wissen, wie der durchtriebene Malfoy bei Hermine vorging. Benutzte er die gleichen Maschen wie bei ihm? Flirtete er mit ihr? Brachte er komische Sprüche? Legte er mit Absicht ein wohlriechendes Parfum auf wie bei ihm?

Er musste es wissen.
 

In der Bibliothek hatte er sich gut hinter einem Stapel dicker, schwerer Bücher versteckt. Vorsichtig lugte er durch die Lücke zwischen dem Bücherberg und einem vollgepressten Regal hindurch. Malfoy und Hermine hatte er schnell ausfindig gemacht. Und der Anblick gefiel ihm überhaupt nicht. Inmitten der dunklen, vollgestopften Regale saßen sie an einem der hinteren Tische am großen Fenster. Nah beieinander. Und wirkten so vertraut. Das Licht von draußen tauchte ihre Gesichter in ein sanftes Licht. Es sah fast schon romantisch aus. Rons Eingeweide zogen sich zusammen. Er wurde tagelang von Malfoy ignoriert. Doch seine beste Freundin war ihm gut genug! Was für ein Spiel war das? Er wurde das Gefühl nicht los, dass Malfoy sauer auf ihn war. Aber wieso bloß? Er war nur aufgestanden und hatte die Flucht ergriffen. Außerdem hatten sie schon heftigere Auseinandersetzungen gehabt!

Rons Miene verfinsterte sich wieder, als er sah wie köstlich sich Hermine zu amüsieren schien. Sie war so eifrig bei der Sache, ab und zu schien Malfoy sogar einen Witz zu reißen. Denn dann hielt sich die braunhaarige Hexe eine Hand vor den Mund und versuchte ihr Lachen zu unterdrücken.

Was sagte der schleimhaarige Bastard? Ron wollte es wissen! Musste ja eine tolle Charmeur-Nummer sein, die er da bei seiner besten Freundin anwandte. Neugierig beugte er sich ein Stück vor und spitzte seine Ohren. Es war sehr schwer, doch so langsam schienen seine Ohren die schleppende Stimme zu vernehmen.

„Potty….“ Das war ja klar. Und Hermine lachte darüber? „Und das Wiesel…“ In seinen Bemühungen, mehr lauschen zu können, verlor Ron das Gleichgewicht und der Bücherstapel, der ihm Deckung gewährte, rutschte langsam weg. Die oberen Bücher verabschiedeten sich und segelten langsam zu Boden. Verzweifelt versuchte Ron sich zu strecken, seine Finger streiften das Buch “Im Spiegel der Zeit: Zeitumkehrer und Manipulation“, doch dann fiel auch das zu Boden.

Oh nein! Geräuschvoll landeten nun nacheinander alle Bücher auf den Boden, mit einem lauten Klatschen oder Poltern. Das erste verärgerte “SSShhh!“, war schon zu hören und auch Hermine drehte sich zu der Geräuschquelle um. Eilig versuchte Ron sich zu ducken. Doch leider war von seiner einstigen Deckung nicht mehr viel übrig geblieben.
 

„Ronald?“ Oh nein! Bloß nicht. Mit knallroten Ohren versuchte Ron sich davon zu stehlen, doch da hatte er die Rechnung ohne Hermine gemacht.

„Ronald Weasley!“, tönte ihre schrille Stimme und für eine Sekunde hätte er sie mit der Stimme seiner Mutter verwechseln können.

„Stellst du mir etwa nach?“

„Na-natürlich nicht!“, stotterte er unbeholfen und versuchte ihrem eindringlich stechenden Blick auszuweichen. Seine Augen waren auf ihre braunen Riemchenschuhe geheftet. Ein weiteres Paar gesellte sich dazu. Polierte Drachenlederschuhe. Unwillkürlich hob er den Blick.

Malfoy grinste ihn dreckig an.

„Was wird das Weasley? Du wirst doch wohl nicht eifersüchtig sein, oder?“

„Wer könnte je auf dich eifersüchtig sein!“, spie er unfreundlich aus. Jetzt, wo er endlich wieder Auge in Auge mit ihm stand, kochte seine angestaute Wut erst recht hoch.

„Na na, nicht so hitzig Weasley. Ich meinte doch nicht auf mich.“ Das kühle Grinsen nahm einen lauernden Zug an. Es dauerte, bis es Ron dämmerte.

„Auf Hermine?! Wieso, weil sie hier mit DIR sitzt?“ Fassungslosigkeit troff aus seiner Stimme.

„Genau, du hast es erfasst.“ Die unverschämte Antwort wurde mit einem provozierenden Blitzen aus den grauen Augen garniert. Purer Schock breitete sich auf Rons Gesicht aus. Bevor er rot werden würde, musste er sich etwas einfallen lassen! Niemand durfte einen falschen Eindruck bekommen, erst recht nicht Malfoy!

„Wie kommst du nur auf SOWAS! Unterstellst du mir hier etwa, ich würde auf dich stehen?“, zischte er explosiv und ballte seine wütend zitternden Hände zu Fäusten.

„Reg dich ab, Wieselchen. Natürlich war das nur ein Witz. Ganz im Ernst, sieh dich doch an. Ich traue dir ja einiges zu, aber nicht dass du Geschmack hast.“

Abschätzig ließ er seinen Blick über Rons verschlissenen Zauberumhang gleiten.Fauchend stürzte sich dieser auf ihn. Überlegte es sich jedoch anders, im Anbetracht der Umstände wie ihr letzter Streit geendet ist.

„Hm. Sagt genau der richtige“, konterte er dagegen kalkuliert. „Deine hübsche Tätowierung auf deinem Arm zeugt auch nicht gerade von einem Hang zur Ästethik!“

Dracos Gesichtszüge versteinerten sich und er wurde etwas bleich um die Nase.

Hermine, die ihr Wortgefecht kopfschüttelnd mitverfolgt hatte, stieß einen spitzen, erschrockenen Ton aus.

„Ron, wie kannst du nur!“ Der Rothaarige verschränkte stur seine Arme vor der Brust und Draco wandte sich ab.

„Vergiss es, Granger. Anscheinend gibt es Menschen, die sich verbohrt an die Vergangenheit krallen. Da kann man nichts machen.“ Ein heißes Stechen breitete sich in Rons Magengegend aus. War das etwa ein Schuldgefühl?

„Entschudige dich sofort bei ihm!“, zischte Hermine leise, doch Ron schüttelte trotzig den Kopf.

„Du weißt nicht, was er vorhat, Hermine!“, verteidigte er sich hitzig.

Als Draco das noch hörte, ließ er ihn eiskalt stehen und lief zurück zu seinem Platz.

Mit einem unangenehmen Gefühl wandte Ron sich von einer wütenden Hermine ab und stapfte aus der Bibliothek. Wieso wurde jetzt eigentlich er als Bösewicht dargestellt? Er hat nie versucht Dumbledore umzubringen oder irgendwelche Todesser ins Schloss zu lassen!

Sie konnten ihm gestohlen bleiben! Alle beide.

Trotzdem spürte er ein nagendes Schuldgefühl. Jedoch nicht, wenn er an Hermines empörtes Gesicht dachte. Sondern an das Gesicht daneben. Verärgert und fast schon verletzt.

Irgendetwas an dem Gesicht ließ ihn nicht los. Waren es die grauen Augen, die sonst so kalt dreinblickten, jetzt aber irgendwie enttäuscht wirkten?

Es blieb ihm ein Rätsel, und gerade das machte ihn an der ganzen Sache so verrückt.

Und du sollst Teil des Ganzen sein

14. Oktober 1997
 

Heißer Dampf erfüllte das weiße Badezimmer, zog wie ein leichter Nebel durch die Luft. Wohlig seufzend betrachtete Draco seine Zehen des rechten Fußes, die aus dem heißen Badewasser lugten. Sein verletzter linker Fuß thronte auf dem Wannenrand, weißer Schaum reichte ihm bis zum Kinn. Noch traute er dem Muggelzeug nicht ganz, aber unter den vielen Flaschen mit Shampoos und Badezusätzen fand er etwas, dessen Geruch ihn an Hogwarts erinnerte. Ein Badeschaum aus den unzähligen Schaumspendern im Vertrauensschülerbad roch in etwa wie der Inhalt dieser Flasche. Etwas Bekanntes schwächte sein Misstrauen. Deswegen hatte er gestern ein wenig von dem Badeschaum benutzt und da er immer noch lebte und seine Haut nicht von Anti-Muggelausschlag befallen war, hatte er heute die doppelte Menge genommen.
 

Auf dem Wannenrand stand ein sauberes Glas, das er nach Belieben mit Aquamenti auffüllen konnte. Die Hitze war ihm zu Kopfe gestiegen, seine sonst eher fahlen Wangen glühten rot und auf seinem Gesicht hatte sich ein sanfter Schweißfilm gebildet. Ja, er fühlte sich wohl. Seit drei Tagen war dieses heiße Bad nun sein Ritual geworden. Das Highlight seines Tages. Nur er und angenehme Stille.

Keine Greifer, keine Todesser, kein betrunkener Vater oder eine verrückte Tante.

Er fühlte sich wie ein König in seinem kleinen Reich.

Schöner wäre es natürlich, wenn das Wasserglas mit Elfenwein oder Butterbier gefüllt wäre, aber man wollte ja nicht klagen.

Nun, wenn er schon beim Beklagen war, der Koch des Hauses war auch nicht gerade der Talentierteste. Jeden Tag nur gebackene Bohnen. Es hing ihm schon zum Halse heraus.

Aber nun, besser als nichts. Er war zwar eigentlich Wildhasenroulade und Steinpilzsuppe gewöhnt, aber was sollte es.

Zumindest hatte Weasley seit letztem Mal auf Dracos Kritik hin etwas mehr Pfeffer und Salz benutzt. Perfekt wäre das Mahl natürlich mit einem schönen weichen Stück Brot, aber so etwas hatten sie nun mal nicht.

Sie hatten kein Gold und haben ihr Versteck bisher auch noch nicht verlassen. Seinem Fuß ging es immer noch nicht gut, er hatte zwar noch nicht nachgesehen wie es der Wunde ging, aber es tat noch sehr weh.

In den Wäldern von Schottland, dort wo er und Weasley sich über den Weg gelaufen waren, hatte er ein Geheimversteck, wo er etwas Gold, einige Tränke und Zutaten versteckt hatte.

Die letzten Wochen hatte er damit zugebracht, heimlich an diesen geheimen Ort zu apparieren und nach und nach Vorräte hinzubringen. Für den Fall der Fälle. Falls er irgendwann abhauen müsste oder enterbt werden würde. Sodass er dann direkt ohne Gepäck flüchten könnte. Es war zwar nicht viel, aber es war immerhin etwas. Solange es seinem Fuß aber nicht besser ginge, traute er sich nicht dorthin zu apparieren. Das schob er erstmal auf.

Was Weasley anging, so war er sich nicht sicher, was seine nächsten Schritte wären. Am vorteilhaftesten wäre es natürlich, wenn er dessen Vertrauen gewinnen und dieser ihn zu Potter führen könnte. Somit könnte er sich praktisch freikaufen. Seine Familie wäre von jeder Schuld befreit und er würde als Held gefeiert werden.

Aber wollte er das überhaupt? Nein, eigentlich wollte er weg vom Dunklen Lord und weg von seinem fanatischen Vater.

Er wollte frei sein.

Und hier, in seiner Badewanne, mit seinem Wasserglas in seiner Hand, fühlte er sich so frei wie schon lange nicht mehr.

Keine Mission wie im 6. Schuljahr, kein Dunkler Lord in seinem Anwesen. Nur der öde Alltag, in dem es wie damals in Hogwarts nur ein Ziel gab: sich die Zeit damit zu versüßen, dem jeweils anderen das Leben zu versauern.

Natürlich wusste er, dass Weasley sein Feind war. Und auf der feindlichen Seite stand. Außerdem war es Weasleys Fehler, wieso sie hier so unüberlegt gelandet waren und Draco vorher keine Zeit gehabt hatte, seine Vorräte zu holen. Er war nämlich gerade auf dem Weg zu ihnen, als er über Weasley stolperte und sie angegriffen wurden. Sie mussten fliehen, noch bevor er zu seinen Vorräten gekommen war. Und sein Fuß - das war auch Weasleys Schuld. Seine alleinige!

Diese Gründe reichten eigentlich schon aus, um ihn mit Crucio tot zu quälen. Aber so war er nicht.

Auch wenn er ein Todesser war. Er hatte seine Grenzen.

Und ehrlich gesagt, auch wenn sie auf unterschiedlichen Seiten standen, so traute er ihm trotzdem immer noch mehr als dem ganzen Todesser-Clan in seinem Anwesen.

Weasley gehörte zu den Guten. Er würde niemals das fertig bringen können, was Draco in seinem Anwesen alles mitansehen musste.

Und außerdem war auch Weasley auf der Flucht. Gut, er wollte wahrscheinlich zu Potter und seinem Schlammblut zurück, aber die letzten zwei Tage hatte er kein Wort über die beiden verloren. Vielleicht war er jetzt auch alleine unterwegs.

Fakt war, Draco hatte ihn lieber hier bei sich, wo er ihn kontrollieren konnte, als irgendwo bei Potter, wo er ihm gefährlich werden konnte. Und hier war er Draco sogar nützlich.

Wenn hier irgendwelche Greifer, Todesser oder Muggel einfallen würden – Weasley schlief unten, ihn würde es also zuerst erwischen. Und da dieser sicher nicht lautlos sterben würde, wäre das ein Warnschrei für ihn und er könnte noch schnell genug apparieren. Obendrein brauchte er Weasley als Koch- und Putzkraft.

Nun, sein eigenes Zimmer und das angrenzende Bad musste er selbst putzen -mit verletztem Fuß noch dazu!- weil Weasley sich partout weigerte „feindliches Gebiet zu reinigen“. Und da Draco solch einfache Zauber wie den Ratzeputz nur sehr schwerfällig beherrschte, musste er auf Knien sein gesamtes Reich schrubben! Merlin sei Dank war Weasley nicht inmitten der Putzorgie auf Muggelart hereingeplatzt! Er konnte sich dessen Gelächter nur zu gut vorstellen! Zumindest war sein Zimmer jetzt mit reinem Zauberwasser gereinigt. Er würde in nächster Zeit also nicht von irgendwelchen Muggelkrankheiten heimgesucht werden, die seine Zauberei schwächten. Was Weasley, den Faulpelz anging, so hielt er es nicht für nötig das Wohnzimmer, das Bad unten und die Küche zu putzen. Was die ersten beiden Räume anging, so konnte ihm das egal sein, doch in der Küche wurde sein Essen zubereitet! Das hieß, er nahm diese Muggelkeime direkt zu sich!

Sogar hier in der Badewanne, die seine Ruheoase geworden war, regte das Wiesel ihn auf!

Plötzlich riss ein lautes Gepoltere ihn aus seinen friedlichen Gedanken und er tauchte vor Schreck unter. Ein Schwall heißen Wassers drang ihm in die Nase und hustend und keuchend tauchte er wieder auf. Was war das? Von unten waren laute Stimmen zu hören! Von mehren Personen! Frauen und Männer!

Sie lachten und amüsierten sich. Also wohl keine Todesser.

Hatte Weasley Freunde eingeladen? Wohl kaum.

Waren das dann Muggel? Oh Merlin, bitte bloß nicht. Waren die Muggelbesitzer des Hauses etwa zurück? Merlin.

Weasley! Er hatte keinen Zauberstab! Starr vor Schreck hielt er die Luft an, bevor er schnell aus der Badewanne sprang. Triefend nass schnappte er sich den weißen Bademantel und stürmte humpelnd aus dem Zimmer.

„Weasley!“, rief er scharf, einen Arm mit seinem Zauberstab ausgestreckt. Mit Muggeln würde er leicht fertig werden! Immerhin besaßen die keinen Zauberstab.

Unten im Wohnzimmer jedoch lag nur das Wiesel auf dem Sofa und amüsierte sich köstlich.

Wo waren die Muggel?

„Sieh dir den mal an. Wie er aussieht! Da würde ich lieber einen Frosch küssen!“

Erschrocken zuckte Draco zusammen. Da hatte eine Frau gesprochen! Wo war sie?

„Kommen Sie raus! Sie Muggelfrau! Oder ich verwandele SIE in einen Frosch!“, drohte er warnend. Und oh, er würde es tun!

„Also ich finde ihn ganz süß. Die blonden Haare und seine besserwisserische Art-“

„Raus aus Ihrem Versteck!“, kommandierte Draco und wirkte von Sekunde zu Sekunde unsicherer. Wieso redeten diese Muggelfrauen so unverschämt über ihn? Und wo versteckten sie sich? Unter der Couch?

„Malfoy?“, regte sich endlich das faule Wiesel auf der Couch und Draco fuhr ihn ungehalten an.

„Wir werden hier belagert und dir fällt nichts Besseres ein als faul im Bett rumzuliegen! Steh gefälligst auf und verteidige unser Heim!“

Ron sah perplex auf den triefnassen Malfoy, der nur in einen Bademantel gehüllt mitten im Raum stand und seinen Zauberstab kampfbereit hielt. Und war das etwa Badeschaum, das auf seinem Kopf thronte?

„Ganz unter uns gesagt, ich glaube er ist schon in jemanden verliebt. In einen Jungen", flüsterte eine von ihnen geheimnistuerisch.

Schock traf den Malfoy-Erben und er drehte sich einmal um seine Achse, um seine Angreiferinnen ausfindig zu machen.

„Mein Liebesleben geht euch gar nichts an! Und jetzt zeigt euch, ihr Feiglinge!“

Ron lag immer noch auf dem Sofa, sah ihn mit großen Augen an, war sich nicht sicher, ob das skurille Schauspiel seiner Fantasie entsprang oder Realität war.

Immer unsicherer und ungeduldiger sprach Draco nun den „Homenum revelio“ Zauberspruch, um die Eindringlinge zu enttarnen. Doch merkwürdigerweise funktionierte der Zauber nicht. Hier drinnen war niemand! Was war das für ein Zauber! Hatten Hexen etwa einen Fluch auf das Haus gelegt? Waren hier irgendwo sprechende Porträts aufgehängt, die er zuvor noch nicht bemerkt hatte?

„Malfoy…“, meldete sich wieder Weasley zu Wort und deutete mit seinem Finger auf einen schwarzen Kasten auf einem niedrigen Tisch. Irritiert folgte Dracos Blick seinem Finger, bis – „AAAH!“ Erschrocken zielte er mit seinem Zauberstab auf den Fernseher, doch Ron stürzte sich auf ihn. „Nicht!“, rief er aus Angst, Malfoy könnte seine neue Unterhaltungsquelle in die Luft jagen.

„Was - was ist das?“, stammelte Draco erschrocken. Waren das etwa echte Menschen in einem Kasten gefangen? Wieso hatten die Muggel auch bewegende Bilder? Auf dem Boden liegend schielte er auf den schwarzen Kasten, wo ihm zwei Frauen fröhlich entgegen lachten.

„Das ist ein Fernseher. Da zeigt man Filme! Die Menschen da drin sind nicht echt! Also beruhig dich wieder!“, erklärte Ron ihm und brach dann auf einmal in schallendes Gelächter aus. Dracos Körper wurde von Rons Lachanfällen durchgeschüttelt. Wieder stellte ihn das hässliche Wiesel bloß!

„Runter von mir!“, herrschte Draco ihn wütend an und schob Ron grob von sich.

„Es reicht mir! Du liegst den ganzen Tag nur faul auf deiner Couch! Du hast noch nicht einmal angefangen zu kochen! Und wehe dir, es gibt heute wieder nur gebackene Bohnen! Geputzt hat das werte Wiesel auch noch nicht! Obwohl ich dich seit Tagen darum gebeten habe! Wenn die Muggelbakterien nicht aus der Küche beseitigt werden, wird unsere Magie blockiert! Wie verteidigen wir uns dann gegen Angreifer? Das Haus muss muggelkeimfrei gemacht werden!“, wütete er mit einer Tirade los.

„Dann mach es doch selbst!“, fauchte Ron zurück. „Du hast immerhin einen Zauberstab!“

„Mein Gebiet habe ich schon steril gemacht. Jetzt bist du dran! Arbeitsteilung nennt man das!“

„Arbeitsteilung? Dass ich nicht lache! Du liegst doch den halben Tag nur in deiner geliebten Badewanne herum und kommst nur herunter, wenn du mich wieder herum scheuchen willst! Oder wenn du Hunger hast!“

„Du bist doch der Koch hier! An wen soll ich mich sonst wenden, wenn ich verhungere!“

„Ich bin nicht der Koch!“

„So, Wiesel, es reicht! Steh auf! Geh sofort in die Küche und putze sie! Und mach vorher diese komische Kiste aus!“

„Bring mich doch dazu!“, brüllte Ron nun trotzig und das ließ sich Draco nicht zweimal sagen.

„Serpensortia!“, rief er und aus seinem Zauberstab kam eine gefährliche lebendige Schlange geschossen. Wie von der Tarantel gebissen sprang Ron mit einem Satz zum Fernseher, schaltete ihn aus und flog schon fast zur Küche. Den ganzen Nachmittag stand Draco in der Küchentür mit seinem erhobenen Zauberstab und wies Ron an, wie er die Küche zu putzen hatte.

„Da hinten im Eck!“ „Schrubben, Weaselbee! Nicht streicheln!“ Großzügigerweise beschwor er mit Auquamenti Zauberwasser für ihn. Dafür musste er die gesamte Zeit Weasleys nervtötendes Schnauben und Motzen ertragen. Ron war wirklich geladen. Nur weil er keinen Zauberstab besaß, musste er diese Demütigung über sich ergehen und sich von Malfoy ausbeuten lassen!

Als er endlich fertig war, nickte Draco anerkennend.

„So, jetzt darfst du mir was zu essen kochen!“

Ron, der aussah, als ob er ihm an die Gurgel wollte, rührte sich für paar Sekunden nicht. Dracos Zauberstab an seiner Kehle flößte ihm jedoch langsam wieder Bewegung ein.

„Ich bleibe die gesamte Zeit hinter dir, Weasley. Also wenn du uns beide von dieser Tortur uns gegenseitig aushalten zu müssen, erlösen willst, beeilst du dich besser. Ach, und wenn du in mein Essen spucken solltest, verwandele ich dich in eine kleine Küchenschabe!“
 

Am Abend saß Draco höchst zufrieden auf seinem Bett mit einem Teller Nudeln auf seinem Schoß. Diesmal war Ron auf seinen Befehl hin etwas kreativer geworden. Es gab Nudeln mit Thunfischsoße. Weasley hatte noch Dosen mit Tomaten gefunden. Diesmal hatte er auch ordentlich gewürzt und Draco musste wirklich zugeben, es schmeckte – den Umständen entsprechend - relativ gut. Zumindest schien sein Magen die willkommene Abwechslung zu begrüßen. Gerade als er wieder eine Gabel von den köstlichen Nudeln zu sich nehmen wollte – „Aaaah nein, tu mir nichts! Ich flehe dich an!“ Seine Gabel fiel mit einem lauten Poltern zu Boden.

Was in Salazars Namen?

„Wir waren doch Freunde! Ich bitte dich, denk an unsere schönen Momente!“

Verflucht, Weasley hatte wohl diesen Fernseher wieder angemacht!

Egal, Draco stand heute nicht mehr der Sinn nach einem Streit. Er hatte den sturen Rotschopf heute schon gefühlte Stunden kontrolliert und observiert, jetzt wollte er nur noch seine Ruhe. Also legte er einen Geräuschblocker auf sein Zimmer, sodass er die nervtötenden Stimmen nicht mehr ertragen musste und sprach einige Schutzzauber aus. Weasley war heute doch schon etwas wütend geworden. Er wollte ihm keine Gelegenheit bieten, ihn in der Nacht zu überfallen.

Als das erledigt war, schlief Draco zufrieden und beruhigt auf seinem gemütlichen Ehebett ein.

Ich habe Pläne, große Pläne

16. Oktober 1997
 

Sanfte Sonnenstrahlen drangen durch das hohe Fenster in das Wohnzimmer und verkündeten dem Rotschopf auf dem senfgelben Sofa einen neuen Tag. Gähnend drehte sich Ronald Weasley auf die andere Seite und zog die warme Blumendecke über seinen Kopf. Er wollte weiterschlafen, es war zu warm und zu gemütlich.

Außerdem war gestern ganz und gar kein guter Tag gewesen. Malfoy war mal wieder von einer Stimmungsschwankung besessen gewesen und hatte ihn den ganzen Tag damit belästigt, die Wäsche zu waschen. Da Ron aber nicht wusste, wie diese Muggelwaschmaschine im Badezimmer funktionierte und sich partout weigerte, den Berg voll Wäsche, der sich in Dracos Zimmer angesammelt hatte, per Hand zu waschen, war dieser komplett ausgerastet. Ganz ehrlich, war es etwa Rons Problem, dass der verwöhnte Prinz nicht sparsam mit seiner Wäsche umging und sich nach jedem Bad komplett neu ankleiden musste?
 

Als er das genau so dem Blonden vorgehalten hatte, lag dieser auf einmal auf Ron auf dem Boden. Er konnte immer noch die gefährlich heiße Stimme an seinem Ohr spüren.

„Weasley, vergiss nicht was ich bin.“ Ehe er es sich versah, hatte Malfoy ihm auch schon seinen entblößten linken Arm warnend vor die Augen gehalten. So nah, dass es fast schon schmerzte. „Und wozu Leute wie ich im Stande sind.“
 

Ron wollte gar nicht mehr weiter daran denken. Es war schrecklich gewesen. Kurz hatte er es sogar mit der Angst zu tun bekommen. Als Resultat saß er gestern den gesamten Tag vor der Muggelmaschine und rätselte, wie das Ding anging. Und wie die Wäsche dann sauber wurde. Ergebnisse gab es leider keine.

Das war auch der Grund, wieso er nur mäßig begeistert dem neuen Tag entgegenblickte. Zusätzlich wollte Malfoy ab sofort jeden Abend von ihm verarztet werden. Dabei wunderte er sich immer lautstark, wieso das Muggelzeug am ersten Tag scheinbar geholfen hatte. Seine Wunden hatten sich wohl sofort geschlossen. Doch jetzt waren sie wieder aufgegangen. Er verstand nicht, wieso das Desinfizierungsspray jetzt nicht mehr wirkte. Ron wusste, dass Malfoy etwas witterte. Er glaubte ihm nicht, dass er am ersten Abend nur das Muggelzeug benutzt hatte. Dafür war er einfach zu scharfsinnig. Echt lästig! Er durfte ihm auf gar keinen Fall auf die Schliche kommen und das Diptam bei ihm vermuten!

Seine Lage hier wurde immer ernster. Und es schien so, als ob es kein Entkommen geben würde. Malfoy hatte immer mehr Ansprüche, brummte ihm immer mehr Aufgaben auf. Und seinen Zauberstab hatte er bisher immer noch nicht gesehen! Er fühlte sich verarscht. So konnte es auf gar keinen Fall weiter gehen. Doch er beschwerte sich nicht und spielte Malfoys durchtriebenes Spiel einfach mit. Hatte er denn eine Wahl, wenn er hier heil rauskommen wollte? Seufzend erhob er sich und schlurfte in die Küche. Malfoy hatte ihn dazu verdonnert, ihnen jeden Morgen Haferbrei zu kochen. Den Abwasch durfte er danach auch noch erledigen. Wer denn auch sonst? Obwohl Malfoy einen Zauberstab besaß, war er sich wohl zu fein, ihm mit einem einfachen Ratzeputz entgegen zu kommen. Das war doch nicht auszuhalten.!
 

Was die Sache aber erträglicher machte, war eine gute Tasse heißen Tees. Und Schokolade. Er hatte nämlich letztens beim Durchstöbern welche entdeckt. Auch wie ein Wasserkocher funktioniert, hatte er herausgefunden. Es war nicht schwer, das dicke Ende mit den drei länglichen Stäben gehörte in eine Buchse in der Wand mit drei Löchern. Dann nur noch einen Schalter an dem Kocher herunter drücken, ein Teeei mit Teeblättern füllen, aufgießen und genießen. Er saß nun auf der Couch mit seiner Tasse Tee und einer Tafel zartschmelzender Schokolade. Er musste nicht mal mehr aufstehen und den Fernseher anmachen. Er hatte nämlich die Verwendung eines länglichen Gerätes herausgefunden. Man nahm es in die Hand, drückte einige Tasten und schon konnte man den Fernseher lauter oder leise stellen, an oder ausmachen. Es war fast wie ein Zauberstab. Das Leben in seinem kleinen Reich gefiel ihm sehr gut.

Wenn Malfoy nicht wäre.

Der sich auf einmal vor ihm aufbaute und auf seine Teetasse hinunterblickte.

„Aha! Der Herr gönnt sich also Tee!“

Ron hatte diesmal keine Lust zu diskutieren und ignorierte den Blonden einfach.

„Aha! Und Schokolade versteckst du auch vor mir! Konfisziert!“, rief er triumphierend aus und ehe Ron es sich versah, war seine geliebte Schokolade schon in die langfingrigen Hände des Slytherin geraten.

„Wie viele Tafeln hast du schon verzehrt und mir meinen Anteil vorenthalten?“

Ron hatte wirklich keine Worte für dieses Theater. Außer: „Ich hätte nicht gedacht, dass du dich nach gestern überhaupt noch wagst irgendwelche Ansprüche zu stellen.“

Nach gestern hatte Ron nämlich wirklich keine Lust sich mehr mit Malfoy zu beschäftigen als nötig. Er war so extrem ausgerastet, hätte Ron nicht gewusst, dass das gestern der blonde, spitzgesichtige Junge aus Hogwarts war, hätte er sofort die Flucht ergriffen.

Er hatte ihm fast schon brutal seinen entblößten Arm vor die Augen gehalten. Und um seine Warnung zu unterstreichen, ließ er mit einem Crucio eine Vase auf dem Fensterbrett zerbersten. „Wenn der Fluch dich getroffen hätte, würde dein Körper vor Schmerzen genauso bersten wie diese Vase.“ Das würde Ron wohl nie vergessen können.
 

Draco sah nach Rons Worten, die ihn an seine unrühmliche Tat gestern erinnerten, betreten zur Seite und kurz glaubte Ron so etwas wie ein Schuldgefühl über Malfoys Gesicht huschen zu sehen. Aber das hatte er sich sicher nur eingebildet. So ein Monster hatte kein Gewissen! Entschlossen stand Ron auf und ließ einen perplexen Malfoy mitten im Wohnzimmer stehen. „Was glaubst du wo du hin willst, Weasley!“, verlangte dieser zu wissen.

„Wolltest du nicht, dass ich meine gesamte Zeit deiner heißgeliebten Waschmaschine widme?“ Bei diesen Worten war Malfoy etwas erleichtert, obwohl es sich hierbei um eine Lüge des Rothaarigen handelte.

Er dachte schon Weasley wollte einfach gehen. Nicht auszuschließen. Nach der Sache gestern.

Als Ron die Tür verbarrikadierte, schüttelte er nur fassungslos seinen Kopf. Als ob er je vorhatte, diese Maschine zu reparieren. Stattdessen würde er sich eine heiße Dusche gönnen. Ein letztes Mal noch diesen köstlichen Honigduft genießen und sich vom warmen Wasser berieseln lassen. In der Dusche lehnte er seine Stirn an die türkisfarbenen Fliesen und ließ sich von purer Entspannung friedlich stimmen. Er würde das hier vermissen. Sein Reich. Das so viel besser und sicherer wäre ohne einen gewissen blonden Teufel.
 

Erholt und zufrieden stieg er nach einer Weile aus der Dusche. Seine Haut noch rot vom heißen Wasser, einzelne Wassertropfen lösten sich von seinen nassen roten Locken und liefen seine nackte Brust hinunter. Nachdem er sich abgetrocknet und sich ein Handtuch um die Hüften geschlungen hatte, nahm er sein kleines Fläschchen Diptam und träufelte sich zwei, drei Tröpfchen auf seine große Wunde an der Schulter und massierte sie sanft ein. Bevor auf einmal Malfoy mit einem lauten Knall direkt vor ihm im Bad stand.

„AHA! Hab ich's doch gewusst! Du hast Diptam! Und versteckst es vor mir!“

Das Fläschchen aus Rons Hand flog prompt in Malfoys Finger und er besah sich fasziniert den Inhalt.

„Ich wusste, dass du es am ersten Tag benutzt hast. Und dann nie wieder. Du kannst mich nicht hinters Licht-“ Sein Blick fiel von Rons ertapptem, trotzigem Gesicht auf die hässliche Wunde an der Schulter und er verstummte abrupt.

„Du bist verletzt“, sprach er nun etwas ruhiger und Ron zog sich hastig sein Hemd an.

„Wie ist das passiert?“, fragte er neugierig.

„Was geht es dich an!“, blaffte der Rothaarige und sie lieferten sich ein böses Blickduell.

„Ich mache dir ein Angebot, Weasley. Wenn du mir jeden Abend hilfst, meinen Fuß zu verarzten, dann überlasse ich das Fläschchen deiner Obhut.“

„Ich muss schon sagen, ich bin ganz gerührt von deiner Großherzigkeit, Malfoy.“

Dracos Brust schwoll voller Stolz an. „Mir etwas zu überlassen, das ohnehin schon mir gehört. Das ist so…“ Ron fiel kein treffendes Wort für diese Dreistigkeit ein. „nobel.“

Trotz des triefenden Sarkasmus‘ in Rons Stimme schien Draco sich zu freuen. Ja, so war er.

Nobel, gut gesittet und von edler Abstammung. Da ihm aber bewusst war, dass Ron sich weigerte dies einzugestehen, fragte er scharf nach. „Also haben wir nun eine Abmachung oder nicht?“ Ron zuckte nur desinteressiert mit den Schultern. „Meinetwegen.“

Innerlich freute sich Draco. Scheinbar hatte sein gestriger Wutausbruch Wunder bewirkt. Das Wiesel fügte sich ohne zu viele Wiederworte!

„Gut, ich warte in deinem Zimmer auf dich.“

Ron war wenig begeistert, doch versuchte er seine wahren Motive zu verschleiern. Er ging zuerst in die Küche, um sich einen neuen Tee zu machen. „Malfoy, möchtest du auch Tee?“, rief er in das Wohnzimmer. Zuerst überlegte der Blonde kurz, als er sich dann aber erinnerte, dass Ron alle Gerätschaften der Küche blitzblank geputzt hatte, auch den Wasserkocher, rief er zurück:

„Earl Grey mit Wildblütenhonig und einem Schuss sahniger Milch.“

Fast wäre Ron in Gelächter ausgebrochen. Da es aber um Malfoy ging und ihm bei dem seit gestern nicht mehr zum Lachen war, entgegnete er trocken.

„Darf ich den Prinzen daran erinnern, dass wir keine Milch haben? Und erst recht keinen Wildblütenhonig. Earl Grey und normaler Honig ist alles, was ich anbieten kann.“

„Dann eben das“, meinte Draco mürrisch. Seine Züge erhellten sich aber sofort, als sein Diener ihm die Tasse brachte und er daran roch. Das erste Mal seit etwa 6 Tagen würde er nun etwas anderes trinken als einfaches Wasser. Der erste Schluck wärmte seine Kehle und seinen Magen. Es war köstlich. Wie selbstverständlich legte er seinen Fuß auf Rons Schoß und wartete darauf von diesem bedient zu werden. Vorsichtig nahm dieser die Mullbinden ab und verzog kurz das Gesicht. Malfoy hatte recht. Die Wunde war wieder etwas schlechter geworden, weil er kein Diptam benutzt hatte. Alle Leder- und Stofffetzen waren tatsächlich sauber entfernt worden, doch die Haut war an vielen Stellen noch verbrannt und blutig.

„Okay, stell mal bitte kurz die Tasse ab“, warnte Ron ihn, als er nach seinem Diptam Fläschchen, das Draco ihm großzügigerweise ausgehändigt hatte, griff. Draco gehorchte ohne Wiederworte und verzog nur ganz kurz schmerzerfüllt das Gesicht, als Ron die Tropfen darauf gab und sie vorsichtig verrieb. Er presste ein schmerzerfülltes Zischen aus, doch dann breitete sich ein wohltuendes Gefühl in seinem Fuß aus.

„Ja, das ist besser“, flüsterte er erleichtert und griff wieder nach seiner Tasse, als Ron seinen Fuß mit frischen Mullbinden verband.
 

Der Tee hatte eine ungewöhnlich beruhigende Wirkung auf ihn und er ließ sich von Weasleys Geruch benebeln. Immer wenn dieser duschen war, roch er so angenehm nach Honig. Und vielleicht sogar Zimt. Es war auf jeden Fall ein sehr angenehm warmer Geruch. Und auch seine Haare fielen wieder weicher und glänzender. Das Rot strahlte in der goldenen Herbstsonne, die durch das große Fenster fiel. Gedankenverloren fiel sein Blick auf den Holzofen im Wohnzimmer und er fragte sich, wieso zur Hölle Weasley ihn nicht anmachte. Bis es ihm dämmerte. Er hatte ja immer noch dessen Zauberstab. Mit einer beiläufigen Bewegung entzündete er darin ein warmes, prasselndes Feuer. In diesem Licht leuchteten Weasleys Haare noch schöner. Auf dessen Gesicht hatte sich Verwunderung wegen des Feuers ausgebreitet, jedoch kommentierte er dies nicht, sondern konzentrierte sich weiter auf Dracos Fuß.

„Weasley“, fing er langsam an, als er Ron dabei beobachtete wie er seinen Fuß verband. „Wenn wir uns beide zusammen reißen, kann das hier ein sicherer und schöner Ort werden.“

Er musste das von gestern irgendwie wieder gut machen.

„Mh-hm“, gab Ron nur konzentriert von sich und als er mit dem Fuß fertig war, versuchte Draco noch einen Anlauf.

„Soll ich deine Wunde versorgen?“ „Nein, danke.“ Rons Antwort kam so knapp und kalt, dass Draco sich nicht sicher war, ob er sich in Zukunft auf ihn verlassen könnte. Deswegen griff er nach Rons Arm.

„Weasley, ich meine es ernst. Wenn du dich hierfür anstrengst tue ich es auch.“ Er meinte es wirklich ernst. Hatten sie denn eine andere Wahl? Rons starrer Blick ließ ihn in Ungewissheit. Er konnte nicht erraten, was der andere dachte. Und ob er ihm trauen würde.

„Das hoffe ich“, sprach Ron und sah Draco dann direkt an. In seinem Blick lag ein stummer Vorwurf. Seiner Meinung nach verrichtete er hier die ganze Arbeit und Malfoy kommandierte ihn nur herum. Oder bedrohte ihn mit dem Cruciatus-Fluch.

„Gut, dann wäre das abgemacht“, bestätigte Draco und erwiderte Rons Blick fest. Weasley war zwar ein Blutsverräter, und ein armer noch dazu. Aber er hatte sich jahrelang als Potters bester Freund und Gehilfe bewährt. Wieso dann nicht auch als seiner? Zumindest das mit dem Gehilfen, nicht das mit dem Freund. Das würde viel zu weit gehen. Alleine seine Herkunft und seine Überzeugungen würden dies nicht zulassen.

Ron nickte nur und schnappte sich dann das Ding, mit dem er den Fernseher anmachte. Draco wollte lautstark protestieren, doch langsam überfiel ihn eine Müdigkeit. Er sah bunte Farben aufflimmern, Frauenstimmen, die sich unterhielten. Die eine hieß wohl „Buffy“ wie er heraushören konnte. Der sanfte Geruch von Honig und die angenehme Wärme des prasselnden Feuers begleiteten ihn in die Müdigkeit und irgendwann konnte er seine Augen nicht mehr offen halten.
 

Als er aus seinem Dämmerschlaf erwachte, fand er sich auf der senfgelben Couch wieder. War er etwa hier eingeschlafen? Es schien so. Draußen dämmerte es allmählich. Im Kamin glühte die Asche träge vor sich hin. Und wo war Weasley? In der Küche? Am Kochen?

„Weasley!“, rief er und erschrak darüber, wie rau seine Stimme klang. Er nahm einen Schluck von seinem Tee. Eiskalt. Also musste er tatsächlich eine ganze Weile geschlafen haben. Keine Antwort. „Weasley?“

Auf dem Tisch stand ein leeres Einmachglas. Nein, es war nicht leer. Darin war eine klare Flüssigkeit. Draco öffnete es und roch daran. Diptam.

Er brauchte nicht lange, bis es ihm dämmerte.

Weasley war weg.

„Weasley!“, brüllte er laut und stolperte hastig die Treppen zu seinem Schlafzimmer hinauf und ließ sich dort auf den Boden fallen. Nichts Gutes ahnend blickte er unter das Bett.

Oh nein. Seine Befürchtungen hatten sich bewahrheitet!

Weasley hatte den Zauberstab gefunden. Eine Holzlatte war aus dem Boden herausgerissen. Gerade die, unter der Draco die beiden Zauberstäbe gebunkert hatte. Und er hatte nicht nur den seinen entwendet, nein. Den des Greifers hatte er auch gestohlen! Er war vor Schock gelähmt.

Aber Moment, nur weil Weasley seinen Zauberstab zurück hatte, hieß das doch wohl lange nicht, dass er auch getürmt war. Vielleicht stand er siegessicher grinsend in der Küche, mit den beiden Zauberstäben in der Hand, darauf wartend bis Draco zu ihm stieß, damit er ihm seine Überlegenheit demonstrieren konnte. Als er sich wieder rührte und aufrichtete, hielt er inne. Nichts aus dem Zimmer sonst war angerührt worden. Keine Schubladen aufgerissen. Und wieso war nur die eine Latte herausgebrochen? Woher konnte Weasley wissen, dass der Zauberstab direkt dort versteckt war? Er hatte einen Zauber verwendet! Er musste! Sonst wäre das Finden unmöglich geworden. Das konnte nur bedeuten…sein Zauberstab! Hastig griff er in seinen Gürtel, wo er seinen Zauberstab immer hinein schob. Wo war sein Zauberstab?

Weasley, dieser dreckige Blutsverräter! Mit hastigen Schritten flog er fast schon die Treppe hinunter und stürzte zum Sofa.

Da war er nicht! Also hatte Weasley ihn nicht wieder heimlich zurück gebracht, sondern mitgenommen!

Seine Welt begann gerade zu zerbrechen und eine kalte Welle bitterer Erkenntnis und Verzweiflung stürzte über ihn herein.

„Mein Zauberstab“, murmelte er manisch und sank auf den Boden. Er war ein toter Mann. Ein Zauberer ohne Zauberstab. Wie sollte er apparieren? Wie sollte er an einen neuen kommen? Wie sollte er sich verteidigen? Er war tot!

Gerade als seine ersten Tränen ausbrechen wollten, sah er etwas unter dem Sofa.

Sein Zauberstab! Das Herz blieb ihm vor Glück stehen, als er nach ihm griff und ihn eng an seine Brust presste. Bei Salazar. Das war der schlimmste Schreck seines Lebens gewesen. Kaum auszudenken wie Weasley sechs Tage ohne Zauberstab überlebt hatte. Wütend und verletzt schob er den Gedanken beiseite. Doch noch war es nicht sicher, ob das alles nicht nur ein Scherz von Weasley gewesen sein könnte. Deswegen lief er schnell in die Küche und wieder blieb ihm das Herz stehen. Hier waren die Schränke geöffnet! Und größtenteils ausgeräumt! Er war weg! Das war der Beweis. Dieser Verräter! Hatte die meisten Dosen Thunfisch und gebackenen Bohnen mitgenommen, sowie die Nudeln. Und die Schokolade! Nur eine Tafel hatte er ihm übrig gelassen. Eine!

Er war weg! Das war eine unumstrittene Tatsache. Weasley hatte ihn alleine gelassen.

Eine Schachtel auf der Anrichte kam ihm suspekt vor und er nahm sie in die Hand. „Medi Nox“. Was war das? Er drehte die Packung und las die Beschreibung.

„Bei schlaflosen Nächten nach Empfehlung des Hausarztes einnehmen. Nicht mehr als 2 Tabletten am Tag.“

Dracos Augen weiteten sich. Der Tee! Er musste ihm die Tabletten in den Tee gemischt haben! Weasley hatte ihn vergiftet! Mit Muggelschlaftrunk!

Zerstörerische Wut überkam ihn. Mit einem fürchterlichen Knall zersplitterten sämtliche Gläser im Schrank und bei dem Anblick der vielen zerbrochenen Scherben spürte er eine minimale Genugtuung. Wenn er sich vorstellte, dass es sich bei den Scherben um Weasley handelte, so steigerte sich die Genugtuung jedoch immens. Sie konnte aber trotzdem nicht die grausame Wahrheit verdrängen.

Weasley hatte ihn verlassen. Und er würde nicht wieder kommen.

Ich will, dass du mir glaubst

6. September 1999
 

Die neue Schulwoche fing bei Ron sehr gut an. Seine erste Doppelstunde war eine Freistunde und nach seinem morgendlichen Training und dem Frühstück saß er im Gemeinschaftssaal seines neuen Hauses. Am riesigen Panoramafenster schwamm eine große Schildkröte vorbei und fasziniert betrachtete er sie durch die Glasscheibe. War ja abgefahren! Er saß hier schon etwa eine Stunde und die faszinierendsten Dinge tauchten vor dem Fenster auf. Wie gebannt erhob er sich von der gemütlichen blauen Samtcouch und lief am Fenster entlang, um die Schildkröte ein Stück zu begleiten.

Hermine hatte heute in der ersten Stunde Arithmantik, Harry arbeitete zusammen mit Ginny an den Plänen für die Quidditchauswahlspiele – zumindest behaupteten sie das, wer wusste schon was die beiden in Wahrheit trieben und Ron wollte es auch gar nicht wissen! Die Zwillinge hatten sich in ihrem Zimmer eingesperrt und tüftelten an neuen Produkten.

Er genoss die friedliche Einsamkeit. Keiner, der ihm befahl etwas zu tun oder ihm die ganze Zeit nörgelnd in den Ohren lag. Hier hatte er auch mal Zeit seinen eigenen Gedanken nachzugehen und zu sich selbst zu finden. Jetzt, da seine besten Freunde und seine Brüder sich mehr um ihr eigenes Leben kümmerten, könnte er das eigentlich auch machen. Gestern, als er so übereilt aus der Bibliothek geflüchtet war, kam ihm der Gedanke, dass er dort eigentlich nach passender Lektüre für sein Problem, das keiner ernst nahm außer er selbst, suchen könnte.

Also war er am Abend, als Hermine und Malfoy schon wieder im Gemeinschaftsraum angekommen waren, zurück in die Bibliothek geschlichen. Er hatte den ganzen Abend gebraucht, bis er wenigstens ein brauchbares Buch gefunden hatte.
 

„Mysteriös verschwundene Erinnerungen“, hieß das dünne Buch in dem ockerfarbenen Einband. Er hatte es hier in den Gemeinschaftsraum mitgenommen und sogar zwei , drei Seiten darin gelesen, bevor er sich von den Wesen im Großen See hinter dem Fenster ablenken lassen hatte. Vielleicht sollte er zurück auf die samtblaue Couch und mit Seite vier im Buch weitermachen. Sonst würde er nie erfahren, was mit ihm damals vor zwei Jahren passiert war und wie er an seine verlorene Erinnerung gelangen konnte. Doch als er sich widerwillig von dem großen Fenster abwandte, erstarrte er kurz.
 

Auf seiner Couch saß schon jemand! Mit seinem Buch in der Hand! Kein geringerer als Malfoy! Hellblondes Haar lugte hinter dem Buch hervor. Ron stand der Mund offen, als Malfoy hinter dem Buch hervorblickte. Ihre Blicke trafen sich und zum ersten Mal wusste Ron nicht was er sagen sollte. Er schwankte zwischen. „Her mit meinem Buch!“ und „Es tut mir leid wegen gestern.“ Er konnte Malfoys verletzten Gesichtsausdruck gestern nach seinem Spruch einfach nicht vergessen. Er rang so sehr mit sich, dass er keinen vernünftigen Satz zustande bringen konnte.
 

„Her mit meinem Gestern!“, forderte er deswegen motzig. Dracos in die Höhe gezogene, fragende Augenbraue ließ ihn stottern.

„Äh..ich meine tut mir leid wegen meinem Buch!“
 

Jetzt grinste Malfoy belustigt und Ron lief vor Scham rot an. Was redete er da für einen Humbug! Langsam stand der ehemalige Prinz aus Slytherin auf und drückte Ron behutsam das Buch in die Hand.
 

„Entschuldigung akzeptiert“, meinte er galant und schenkte Ron ein schelmisches Zwinkern, bevor er ihn komplett verdattert mitten im Gemeinschaftsraum stehen ließ. Was in Merlins Namen war das? Erst als die Schulglocke das Ende der Stunde verkündete, konnte Ron sich erst wieder rühren.

Malfoys Zwinkern hatte sich so sehr in sein Gedächtnis geprägt, dass er an nichts anderes mehr denken konnte. So sehr, dass er sogar die Aufregung vor der nächsten Stunde vergessen hatte.
 

Kochmagie.
 

Es musste wieder eine neue Lehrkraft sein, so vermutete er. Außerdem fragte er sich, wer alles den Kurs besuchen würde. Mit Sicherheit wäre er einer der wenigen Jungen. Grauen erfüllte ihn, wenn er daran dachte, vielleicht der einzige Junge dort zu sein! Aber zumindest wären Hermine und Ginny auch dort. Notfalls konnte er sich zu ihnen setzen. Vorsichtig und etwas scheu betrat er den Raum. Er war wohl einer der ersten. Das Klassenzimmer erinnerte ihn merkwürdig an eine größere Version ihrer Küche im Fuchsbau. Statt Schultischen gab es einige Arbeitsplatten aus massivem Holz, ausgestattet mit je zwei Herdplatten und einem Ofen unter der Arbeitsplatte. Daneben befand sich eine kleine Schranktür mit Pfannen und Töpfen. Neben dem Herd stand ein Topf mit Kochlöffeln aus Holz, Suppenkellen, die ursprünglich halbierte, ausgehöhlte Zierkürbisse waren und Holzpfannenwender.

Nach und nach trudelten kichernde Hexen in den Raum und Ron war so verlegen, dass er nicht wusste, wo er hinschauen sollte. Denn die Mädchen warfen ihm neugierige Blicke zu. Am liebsten hätte er es sich noch anders überlegt. Zu allem Übel hatte Lavender ihn schon entdeckt und warf ihm einige interessierte Blicke zu. Oh Merlin, bitte nicht sie! Um Himmels Willen, sie steuerte doch nicht wirklich auf ihn zu?

Unter allen Mädchen, die den Klassenraum füllten, hätte Ron fast die blonden, zurückgekämmten Haare nicht erkannt.
 

Malfoy? Was tat er hier?

Er durfte ihn hier nicht sehen! In diesem Mädchenkurs!

Geschockt starrte er von Malfoy zu Lavender und hoffte, er könnte sich in Luft auflösen. Auch Malfoy steuerte seine Arbeitsplatte an und Ron hoffte ausnahmsweise, dass Malfoy schneller wäre als Lavender.

Doch da hörte er sie schon. Ihre melodisch hauchende Stimme. „Hallo, Ron.“

Sie lächelte ihn an und er fragte sich, womit er das verdient hatte. Über zweieinhalb Jahre hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen und auf einmal kam sie jetzt wieder an? Vorsichtig lächelte er sie an, bevor eine teure Ledertasche prompt auf die Arbeitsplatte abgestellt wurde.
 

„Verzieh dich, Brown. Der Platz ist schon besetzt“, meinte Malfoy arrogant und Ron fiel ein Stein vom Herzen. Eingeschnappt stellte sich Lavender zu Parvati und Ron wagte es nicht mal Malfoy anzusehen.
 

„Du schuldest mir ein Dankeschön, Weasley“, sprach er überheblich.
 

„Oder wolltest du etwa das restliche Schuljahr wieder Won-Won genannt werden?“
 

Er musste ein hämisches Lachen unterdrücken und Ron fixierte ihn mit einem erzürnten Blick. In dem Moment traten Hermine und Ginny ein und blickten verwundert zu Ron und Draco. Sie setzten sich an die Arbeitsplatte schräg gegenüber von den beiden. Ron wusste zwar nicht, wie er diese Peinlichkeit aushalten würde. Aber auch, wenn er Malfoy hasste, besser der blonde Teufel saß hier bei ihm statt bei Hermine oder Ginny, wo Ron nicht kontrollieren konnte, was er bei ihnen im Schilde führte.

Einige kichernde Mädchen drehten sich immer wieder nach hinten zu ihm und Malfoy. Darunter die Greengrass-Schwestern aus Slytherin. Und sogar Morag MacDougal aus Ravenclaw schien sich angeregt mit ihrer Sitzpartnerin im Flüsterton über Malfoy zu unterhalten.

Ron, dem das nicht entgangen war, beugte sich zu Malfoy hinüber und flüsterte ihm leise ins Ohr.

„Sicher, dass du hier sitzen willst? Morag sieht so aus, als ob sie dich liebend gerne zum Partner haben würde“, stichelte er leise, worauf Draco ihn kühl ansah.
 

„Oder du tauschst mit Hermine den Platz“, schlug er stattdessen vor und Ron wollte an die Decke gehen. Das hatte er ja fast vergessen, dass Hermine in letzter Zeit so angetan von ihrem Vertrauensschülerpartner war!
 

„Spaß beiseite, Weasley. Ich sitze hier gut. Im Gegensatz zu dir habe ich keine Lust mit einer Hexe „Zaubererfamilie“ zu spielen.“
 

„Ich hab auch keine Lust darauf!“, schimpfte Ron ihn leise. Er war nicht auf der Suche! Er hatte dieses Jahr wohl ganz andere Probleme.
 

„Sicher? Das sah im sechsten Schuljahr aber noch ganz anders aus.“
 

Ron, bei dem die Gesichtsfarbe in die Haarfarbe überging, packte Draco am Ärmel und zischte mit gesenkter Stimme.
 

„Das war mal! Ich habe kein Interesse mehr an Mädchen!“ Er wollte hier nicht als Schwerenöter dargestellt werden.
 

„Du hast kein Interesse an Mädchen?“, fragte Draco leise und beugte sich näher zu Ron. „Heißt das, ich habe ein Chance?“, raunte er in dessen Ohr.
 

Schockiert starrte Ron ihn an. Der Schalk blitzte aus Dracos kalten Augen und Ron versuchte ein gepresstes Lachen, um von seiner Fassungslosigkeit abzulenken. Flirtete Malfoy mit ihm? Provozierte er ihn? Er machte sich wohl seinen Spaß daraus!
 

„Hör jetzt auf mit dem Unsinn, Malfoy“, motzte er lachend und auch Draco musste grinsen. Ginny und Hermine, die auf die beiden aufmerksam geworden sind, beobachteten sie total verwundert. Als eine rundliche Frau in das Klassenzimmer herein gewuselt kam, wurde es plötzlich still.

Ron, der auf einmal wieder von dem gleichen Geruch wie damals in Muggeltechnologie abgelenkt war, beachtete die Lehrerin erst mal gar nicht.
 

„Guten Morgen, Klasse!“, begrüßte die rundliche Hexe mit den kupferfarbenen Locken die Schüler und Ron schrak bei der Stimme hoch. Im Augenwinkel konnte er Ginnys knallrot angelaufenes Gesicht erkennen und er wusste auch sofort warum.
 

„Ronald, mein Lieber! Ich bin ja so froh, dass du dich für meinen Kurs entschieden hast!“

Ron war so erschrocken, dass er es gar nicht glauben konnte. Halluzinierte er? Wurden seine Gedanken verhext?
 

„Mum?“, stammelte er ungläubig. Was machte seine Mutter in Hogwarts? Als Lehrerin?
 

„Deine Rühreier sind zwar schon ganz gut, aber du weißt immer noch nicht, wie man anständige Kuchen macht!“
 

„Mum!“, rief er empört aus.

Es war peinlicher als damals im zweiten Jahr, als Ron diesen verdammten Heuler von ihr erhalten hatte.
 

„Und Ginny, ich bin ja so glücklich, dass du dich dafür entschieden hast Harry eine anständige Köchin zu werden.“

Seine Schwester sah aus, als ob sie am liebsten gar nicht hier wäre und es war schwer zu sagen, wer von beiden roter angelaufen war. Die Mädchen in der Klasse giggelten angeheitert und warfen Ron und Ginny immer belustigte Blicke zu.
 

„Oh und Hermine, meine Liebe. Endlich traust du dich mal weg von deinen Büchern hinter den Herd.“

Hermine lächelte gequält und spätestens jetzt entwich Draco ein gehässiges Lachen.
 

„Draco, mein Lieber was gibt es da zu lachen? Es gibt nichts Verwerfliches daran, auf eigenen Beinen stehen zu wollen. Ein Mädchen lässt sich nicht von einem Jüngling beeindrucken, der sich rund um die Uhr von Hauselfen bedienen lässt.“

Pures Entsetzen leuchtete auf Dracos Gesicht und jetzt war es an Ronald, spöttisch aufzulachen.
 

„Denn darum geht es in diesem Kurs. Ich habe mich von meinen Kindern dazu inspirieren lassen. Sie lassen sich nämlich bis heute noch von ihrer armen Mutter bekochen – wo sind überhaupt Fred und George, na warte wenn ich die beiden erwische! Schwänzen einfach die wichtigste Stunde in der Woche!- aber wenn ihr Kinder mal ausgezogen oder auf euch alleine gestellt seid, müsst ihr wissen, wie man ein einfaches Spiegelei zubereitet, wie man Kartoffeln schält und kocht. Ohne dieses Wissen würden wir nicht überleben. Da hilft uns auch ein gut ausgeführter Protego nicht, wenn man am Verhungern ist. Also lasst uns zusammen den Kochlöffel schwingen und uns etwas Köstliches zaubern!“
 

Molly Weasley war mit Leib und Seele bei der Sache, während Ron und Ginny das Gefühl hatten, sie wären in einem Alptraum gefangen.
 

„So, heute beginnen wir mit etwas Einfachem. Pfannkuchen. Meine Kinder lieben sie! Perfekt als Frühstück mit Ahornsirpup oder Früchten. Ron isst sie auch gerne zwischendurch.“

Verlegen wandte er sein Gesicht ab und hoffte, dass seine Mutter endlich damit aufhören würde, immer seinen Namen zu erwähnen! Es war mehr als ätzend und peinlich!

Auf jeder Arbeitsplatte erschien wie von Zauberhand eine Packung Mehl, Zucker, Eier und Milch, sowie Salz und Zimt.

Mrs. Weasley erklärte ihnen ausführlich, wie sie den Teig anzurühren hatten. Dabei erwähnte sie herkömmliche Tricks ohne Zauberstab und die einfachsten Zaubersprüche, mit welchen man ein Ei in die Schüssel schlug.

Als Draco mithilfe eines Zaubers ein Ei in die Holzschüssel schlagen wollte, rutschte es ihm jedoch aus den Fingern und zerbrach mit einem Platschen auf dem Boden.

Ron brach in Gelächter aus, sehr zu Dracos Missfallen. Mit einem einfachen Ratzeputz entfernte der Rotschopf die Sauerei und Draco erntete ein tadelndes Kopfschütteln von Mrs. Weasley.

Als jede Gruppe mit ihrem Teig fertig war, wurde ihnen erklärt, wie sie die Pfannkuchen in der Pfanne zu backen hatten. Gleichzeitig griffen Ron und Draco nach der selben Pfanne und unwillkürlich berührten sich ihre Finger. Es fühlte sich wie ein elektrischer Stromschlag an, verwundert sah Ron zu Draco, der seinen Blick ebenso verwundert erwiderte.

Sie nahmen ihre Hände nicht von der Pfanne und blickten sich benommen an, bevor Hermine sich schnippisch einmischte.
 

„Was macht ihr da? Streitet ihr jetzt schon um eine Pfanne?“

Erst da fiel beiden auf, dass sie die Hand des anderen nicht loslassen wollten und sie ließen die Pfanne abrupt los. In diesem Moment wäre die Pfanne beinahe zu Boden geglitten, wenn Mrs. Weasley sie nicht mit einem Schwebezauber aufgefangen hätte.
 

„Auch, wenn ihr euch nicht sehr geschickt anstellt, bin ich stolz auf euch Jungs. Wer hätte gedacht, dass ein Weasley jemals mit einem Malfoy zusammen Pfannkuchen backen würde!“

Draco, sowie Ron wollten nur im Erdboden versinken, während Mrs. Weasley glücklich in die Hände klatschte.

Als Ron versuchte den Pfannkuchen zu wenden und ihn in die Höhe warf, war er nicht schnell genug beim Auffangen und der heiße Pfannkuchen landetet mitten auf Dracos Gesicht, weil dieser dem Pfannkuchen mit seinem Blick gefolgt war.
 

„Weasley...das wird Konsequenzen haben!“, stänkerte er unter dem Pfannkuchen nach einem gedämpften Aufschrei. Doch die anderen Gruppen waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie es bemerkt hatten. In der großen Klassenküche herrschte laute, aufgeregte Stimmung. Hermine klebten Eierschalen in ihren buschigen Haaren und Ginny hatte Mehl im Gesicht.
 

„Hast du schonmal Pfannkuchen gemacht?“, fragte Ron Draco interessiert, während er ihm dabei zusah, wie er die Pfannkuchen wendetet.

„Mh-hm. Ein Mal.“

„Wirklich?“ Ron war sehr überrascht.

„Und du?“

„Jaaah...nicht so wirklich, ich hab öfter meiner Mutter zugesehen. Aber mir gelingen sie nicht so.“ Draco hob den Blick von seinem Pfannkuchen und sah Ron direkt an.

„Das glaube ich nicht.“
 

Es hörte sich aufrichtig, ja fast sogar nett an. Verlegen drehte Ron sein Gesicht zur Seite. Schon die ganze Schulstunde über betörte Malfoys Geruch seine Sinne. Dieser frische, minzige, salzige Geruch nach Meer und Wald.
 

„Wieso belegst du eigentlich den Kurs?“, fragte Ron nun vorsichtig.

„Ihr habt doch genug Hauselfen, die hervorragend kochen.“

Seit diesem Schuljahr war Draco Malfoy ein Rätsel für ihn geworden. Ein Mysterium. Und er wollte der Sache auf den Grund gehen. Wieso verhielt er sich in manchen Dingen so untypisch? Draco rang innerlich mit sich, er wusste nicht inwieweit er Ron die Wahrheit sagen sollte. Der neugierige Gryffindor erwiderte seinen Blick und wartete gespannt auf eine Antwort.
 

„Ich wohne nicht mehr zu Hause. Und Hauselfen besitze ich auch keine.“

Die Antwort erschütterte Ron in seinen Grundfesten.
 

„Natüüürlich!“, lachte er sarkastisch. Fast hatte er Malfoy geglaubt. Doch Malfoys Blick war ganz ernst.
 

„Ich lüge nicht Weasley. Du kannst dich gerne selbst davon überzeugen und mich besuchen kommen.“
 

Ron blinzelte verwundert. Sollte das ein Witz sein? Hatte Draco Malfoy ihn gerade zu sich nach Hause eingeladen?
 

„Vorsicht, unser Pfannkuchen verbrennt!“, warnte Draco ihn und half Ron mit einem Zauber den Pfannkuchen aus der Pfanne schweben zu lassen.

Am Ende der Stunde hatten sie ihre Pfannkuchen auf einem hübschen, antiken Porzellanteller angerichtet und Mrs. Weasley machte eine Runde.
 

„Zuerst bewerte ich die Pfannkuchen nach Aussehen, anschließend nach Geschmack und danach dürft ihr euch durchprobieren und für einen Sieger abstimmen.“

Die Lehrmethode seiner Mutter erinnerte Ron ein wenig an Hagrid bei „Pflege magischer Geschöpfe“. Sie wirkte sehr begeistert, manchmal etwas übermotiviert und ließ die Schüler viel selbst machen. Es war keine trockene Theorie, sondern viel spielerischer. Das war es, was Ron am meisten Spaß machte.
 

„Der Sieger erhält von mir einen Goldenen Kochlöffel.“

Sie hielt ebendiesen hoch, damit jeder Schüler einen Blick darauf erhaschen konnte.
 

„Jede Schulstunde wird ein neuer Sieger bestimmt, das heißt der Kochlöffel wechselt seine Besitzer. Die Gruppe, welche ihn am Ende am öftesten besessen hat, darf ihn als Trophäe behalten.“

Die Mädchen freuten sich und sofort brach ein kleiner Tumult aus. Ron und Draco betrachteten skeptisch ihre etwas missgebildeten Pfannkuchen und auch Hermine rümpfte bei diesem Anblick die Nase.
 

„Die sehen ja nicht besonders appetitlich aus, nicht?“

Draco warf Hermine einen herablassenden Blick zu und klopfte tröstend auf Rons Arm, der ziemlich geknickt dreinblickte.
 

„Mach dir nichts draus, Wealsey. Wir sind Zauberer, keine Hexen. Da muss es nicht gut aussehen. Hauptsache es schmeckt“, flüsterte er ihm aufbauend zu und Ron nickte nur, fast schon traurig. Er wollte gerne auf das Gesicht seiner Mutter verzichten, die gleich vor ihm stehen würde. Doch da war es auch schon so weit. Seine Mutter baute sich vor ihrer Anrichte auf und die beiden Zauberer schrumpften vor ihren Augen zusammen.
 

„Das ist schon so traurig, dass ich es kaum kommentieren möchte. Ich weiß noch nicht einmal, welche Form die Pfannkuchen darstellen sollen. Dreieckig oder ist es ein Achteck?“

Auch Draco war der Vergleich unangenehm und Ron fragte sich, seit wann seine Mutter so gemein sein konnte.
 

„Hast du denn gar nichts bei mir gelernt Ronald? Ich schäme mich für deine Pfannkuchen.“

Sämtliche Mädchen kicherten hinter vorgehaltener Hand. Und Mrs. Weasley verkündete ihr Urteil.
 

„Die schönsten Pfannkuchen haben Ms. Patil und Ms. Brown gezaubert.“

Tosender Applaus ertönte. Nur halbherzig klatschte Ron mit, doch Draco hatte stur seine Arme vor der Brust verschränkt. Der Schreck von Mrs. Weasleys Kritik saß ihnen noch schwer in den Knochen.

Die zweite Runde begann und Ron sah ängstlich zu Draco. Dieser lächelte ihn beruhigend an.
 

„Keine Sorge Weasley, die schmecken besser als du denkst.“

Nach einem Blick auf ihre Pfannkuchen verzog Ron mitleidig das Gesicht.

„Glaubst du? Ich bin mir da nicht so sicher...“

„Glaub mir Weasley, ich weiß es.“

Selbstbewusst stellte er sich vor die Pfannkuchen, als Molly Weasley bei ihnen angekommen war.
 

„Ich wage mich noch nicht einmal einen Bissen davon zu nehmen“, verkündete sie und die ganze Klasse lachte.

Ron, zu der Größe einer kleinen Maus geschrumpft, wagte sich nicht mal mehr sich zu verteidigen, doch Draco reichte Mrs. Weasley selbstbewusst lächelnd einen kleinen Teller mit einem hässlichen Pfannkuchen.
 

„Hier bitte, Mrs. Weasley“, sprach er vornehm höflich. „Überzeugen Sie sich selbst.“

Ihr Blick sprach Bände und Ginny rutschte bei Malfoys überheblicher Dreistigkeit ein glucksender Laut heraus.

Nichts Gutes ahnend presste Ron sich die Hände auf die Augen, gleich würde seine Mutter ihn vernichten. Doch der alles vernichtende Kommentar ließ auf sich warten. In der ganzen Klasse war es still geworden und auf Molly Weasleys Gesicht hatte sich pures Erstaunen abgezeichnet. Immer noch auf Kritik wartend und verwundert, warum sie so lange auf sich warten ließ, lugte Ron scheu zwischen seine Finger hindurch.
 

„Unglaublich“, murmelte seine Mutter überrascht und nahm noch einen Bissen.
 

„Sie schmecken ja genauso wie meine“, murmelte sie ergriffen und strahlte ihren Sohn an.

„Ich bin ja so stolz auf dich, Ronnie Spätzchen.“
 

Draco kicherte leise bei dem Spitznamen, woraufhin er einen Stoß von Rons Ellbogen in seine Seite kassierte.
 

„Mein klarer Favorit sind die hässlichen Pfannkuchen von Draco und Ron. Aber probiert euch selbst durch!“

Johlen und Klatschen ertönte, bevor sich die Mädchen erhoben und zu den anderen Arbeitsplatten stürmten. Bei Draco und Ron war ein besonders großer Andrang zu finden. Doch Draco wollte die Mädchen nicht so viel probieren lassen. Auch, wenn sie von dem Geschmack schwärmten, schnitt er einen Pfannkuchen in kleine Stückchen und reichte sie zum Probieren. Zwar wollten die Hexen mehr davon, doch er zeigte sich geizig.

Ron dagegen ging zu jeder Gruppe und staubte von jedem einen ganzen Pfannkuchen ab. Lavenders und Parvatis war sein klarer Favorit.

Hermine war eingeschnappt, weil niemand ihre Pfannkuchen lobte, obwohl sie auch sehr hübsch aussahen.

Rons Komentar dazu war nur:

„Das Auge isst zwar mit, aber wenn zu wenig Salz und Zucker drin sind, kann das Aussehen den faden Geschmack auch nicht retten.“

Der Spruch hatte gesessen und Hermine zog den Rest der Stunde eine beleidigte Miene.
 

„So, bereit zum Abstimmen!“, rief Mrs. Weasley fröhlich und fast jeder stimmte für Ron und Dracos Pfannkuchen. Hermine

und Ginny hatten aus Trotz noch nicht einmal von ihren Pfannkochen probiert und stimmten für Lunas Pfannkuchen, die Ron auch sehr gefallen hatten.
 

„Die Sieger stehen fest! Draco und Ron. Euer Goldener Kochlöffel.“

Ron war so überrascht und glücklich, dass er Draco fast um den Hals gefallen wäre. Er konnte sich gerade noch bremsen und schlug ihm stattdessen freundschaftlich auf die Schulter.
 

„Die restlichen Pfannkuchen dürft ihr euch einpacken und aufessen.“

Es erschienen Tücher auf den Arbeitsplatten, um die Pfannkuchen einzupacken und am Ende der Stunde kam Lavender mit einem Pfannkuchen.
 

„Ron, tauscht ihr mit mir? Pfannkuchen gegen Pfannkuchen?“

Er wollte ihr einen geben, da er ihre wirklich gerne mochte, doch Draco hielt seinen Arm fest.
 

„Wir tauschen nicht, Brown“, sagte er unfreundlich und packte die restlichen Pfannkuchen ein, ohne einen weiteren abzugeben. Er musste schon viel zu viel mit den Weibern teilen.

Es waren nur noch vier Pfannkuchen übrig! Er würde einen Teufel tun und noch einen abgeben! In dieser Hinsicht war er viel zu geizig. Wie lange hatte er schon Weasleys Essen nicht mehr gegessen?! Außerdem war Weasleys Essen nur für ihn bestimmt. Er ertrug es nicht, wenn jemand anderes sich an diesem hässlichen Essen ergötzen durfte.
 

„Wieso stellst du dich so an?“, fuhr Ron ihn leise an, bevor ihm einfiel, dass er noch gar nicht selbst von ihren Pfannkuchen gekostet hatte. Der Saal leerte sich und bevor seine Mutter verschwinden konnte, musste er ein ernsthaftes Gespräch mit ihr führen. Er lief zu ihrem Lehrertisch, als sie laut verkündete.
 

„Nächste Woche machen wir Strudel. Das ist Rons Lieblingsgericht. Und Merkt euch, Mädels. Liebe geht durch den Magen.“

Giggelnde Hexen verabschiedeten sich von seiner Mutter und Ron verrollte seine Augen. Seine Mutter war so peinlich!
 

„Bis gleich, Wiesel“, rief Draco ihm hämisch zu. „Falls es in der Großen Halle Strudel gibt, heb ich dir was davon auf.“

Seinen sarkastischen Spruch garnierte er mit einem frechen Zwinkern, bevor er den Saal verließ.
 

„Draco ist ja so aufmerksam. Ich habe nicht gewusst, dass ihr euch so gut versteht!“ , schwärmte seine Mutter prompt.
 

„Mum, er verarscht dich doch nur, wir verstehen uns überhaupt nicht gut!“, regte Ron sich auf.

„Und wieso sitzt ihr dann nebeneinander?“

„Wieso wohl, Mum! Weil wir die einzigen Jungen in diesem Kurs sind!“

„Achso“, seine Mutter schien diesen Umstand erst jetzt so richtig zu realisieren.

„Aber nichts desto trotz, er ist zu einem ansehnlichen anständigen jungen Mann herangewachsen.“
 

Jaja...anständig...dachte Ron nur bei sich und folgte seiner Mutter durch die Tür, die auf den Flur hinaus wuselte.

„Nicht so schnell Mum!“, hielt Ron sie auf. „Wieso hast du nicht erzählt, dass du nach Hogwarts kommst? Als Lehrerin!“

Er konnte es immer noch nicht fassen. Der erste Schreck und die unangenehme Scham hatte er zwar verarbeitet, aber dennoch war es so surreal.

„Minerva hat mich schon in den Sommerferien angefragt. Zuerst war ich etwas skeptisch aber auf ihr ununterbrochenes Bitten hin habe ich es mir doch überlegt.“

„Und wieso hast du uns nichts gesagt?“ , fragte er erneut.

„Ach Ronald“, seine Mutter griff nach seiner Krawatte und richtete sie ordentlich.

„Hätte ich etwas gesagt, hättet ihr doch versucht es mir auszureden.“

„Natürlich!“ , rief Ron erhitzt aus.

„Siehst du! So habe ich uns doch jede Menge Ärger erspart!“, meinte sie lächelnd und gab ihm einen liebevollen Klaps auf die Wange.

„Und außerdem hättest du dich sicher nicht in diesen Kurs eingetragen, wenn du es gewusst hättest, oder?“

Bei seinem verdrießlichem Gesichtsausdruck drückte sie ihm einen schnellen Kuss auf die Wange und hob tadelnd den Finger.

„Und sag Fred und George, dass sie das nächste Mal gefälligst in den Unterricht kommen sollen oder ich lasse den Ghul in ihrem Zimmer leben.“

Ron grinste erheitert von der Vorstellung und seine Mutter setzte unbeirrt ihren Weg fort.
 

„Isst du etwa mit uns?“, fragte er und versuchte das Grauen in seiner Stimme zu verstecken.

„Keine Sorge, Ronald. ich werde schon nicht am Lehrertisch sitzen und kontrollieren, was du dort am Esstisch alles treibst.“

Das erleichterte Ron ungemein.

„Obwohl ich das wirklich machen sollte“, überlegte sie während sie kurz stehen blieb.

„Nicht nötig Mum, wirklich nicht. Dad wird doch sicher auf sein Mittagessen warten, wenn er heimkommt.“, beeilte Ron sich zu sagen.

Sie lachte und wollte weiterlaufen, bevor ihm jedoch noch etwas ganz Wichtiges einfiel.
 

„Mum, warte. Es gibt da noch etwas.“

Sie blickte ihn an, aber er wusste nicht, wie sie es ihr sagen sollte. Als er in ihre gütigen braunen Augen sah, traute er sich nicht, es anzusprechen.
 

„Mutter“, ließ ihn eine bekannte Stimme zusammen zucken und er wagte sich nicht, sich umzudrehen.

Molly Weasley ließ vor Schreck ihre Tasche fallen und drehte sich abrupt um. Erschrocken schlug sie die Hände über ihren Mund, um einen spitzen Schrei zu verhindern. Ron betrachtete sie besorgt von der Seite, doch auf einmal stürzte sie paar Schritte vor und streckte die Arme nach dem Geist aus.
 

„Percy! Mein Junge!“, klagte sie wehmütig und griff durch ihn hindurch. Ganz perplex von der extremen Reaktion seiner Mutter und auch glücklich, schlang Percy seine unsichtbaren Arme um sie.
 

„Mum“, flüsterte er glücklich, während Mrs. Weasley in Tränen ausbrach.

„Mein Junge, mein armer Junge“, klagte sie, doch in ihre Wehmut hatte sich auch Freude gemischt.

„Ich bin so glücklich dich zu sehen! Gehst es dir gut, Percy?“ Er strahlte sie an, bevor sie ihre Finger an seine Wange drückte und sie eigentlich kneifen wollte.

„Isst du auch genug, Junge?“ Percy schenkte ihr einen durchdringenden Blick.

„Ach richtig, tut mir leid. Ich bin so zerstreut. Mein Junge. Du lebst!“

„Mum. Ich bin tot.“

„Aber du lebst als Geist weiter! Komm uns besuchen, ja? Oder du kannst auch einfach nach Hause kommen, Percy. Wieder bei uns leben. Dein Vater und ich freuen uns über Gesellschaft. Es ist so still ohne euch Kinder. Das machst du doch, oder Percy?“

Hoffnungsvoll sah sie ihren dritten Sohn an und klammerte sich an diese dünne Hoffung. Gerührt lächelte er sie an und nickte. „Ja, Mum ich komme bald nach Hause.“

„Mein braver Junge! Du hast uns so gefehlt.“
 

Auch noch Minuten später hörte Ron sie neben sich schniefen.

„Wir wollten es dir schon vorher sagen, Mum“, meinte Ron vorsichtig.

„Aber wir wussten nicht wie.“

„Mach dir keine Sorgen, Ronald. Jetzt wird alles gut. Percy kommt nach Hause, bald sind wir wieder eine richtige Familie!“

Mit roten Augen und roter Nase strahlte sie ihn hoffnungsvoll an, bevor sie ihn fest an sich drückte und sich auf den Weg nach Hogsmeade machte.
 

Gedankenverloren blickte Ron ihr nach.

So glücklich wie heute beim Unterrichten und bei dem Zusammentreffen mit Percy hatte er seine Mutter schon lange nicht mehr gesehen. Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus und er schlug den Weg zum Gemeinschaftsraum ein.

Seine Leidenschaft ist ein Kuss

Auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum dachte Ron an die Reaktion seiner Mutter.

Auch wenn er gegenüber Percy noch skeptisch war, ihre Mutter war glücklich das war alles was zählte. Glücklich lief er zum Gemeinschaftsraum. Er wollte im Moment nicht in die Große Halle, er brauchte Zeit für sich. Um diese neuen Empfindungen erstmal alle verarbeiten zu können. Wie in einem Traumzustand blieb er vor der grauen Steinwand stehen und sprach laut und deutlich das Passwort. „Veritaserum.“ Vor ihm erschien ein Torbogen in der rauen Steinmauer und das Portal öffnete sich. Er betrat ihren Gemeinschaftsraum und ließ sich auf die blaue Samtcouch am Panoramafesnter fallen. War das gerade ein Grindeloh, der am Fenster vorbeizog? Woah, sahen die Viecher biestig aus.
 

Die Couch knarzte leise und gab ein Stück nach, als sich eine zweite Person dazu setzte und Ron drehte seinen Kopf zu der Person, die ihn störte.

„Malfoy.“ sagte er verwundert. „Bist du nicht am Esstisch?"

„Doch Weasley, ich habe kürzlich herausgefunden, wie man zur gleichen Zeit an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig sein kann.“

„Haha“, machte Ron nur und sofort stieg ihm wieder dieser benebelnde Geruch in die Nase, der ihm eine sanfte Gänsehaut auf seinen Armen bescherte. Dieser Geruch hatte ihn die gesamte Stunde verfolgt und vom Kochen abgelenkt.

„Wusstest du davon?“, fragte Draco ihn grinsend von der Seite und Ron musste nicht einmal Frage, wovon er etwas wusste.

„Natürlich nicht!“, beklagte sich der Rothaarige sofort. „Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dann noch dieses Fach gewählt hätte, oder? Sie hat es uns einfach verschwiegen, überlistet hat sie uns.“

Draco brach in lautes, schallendes Gelächter aus.

Die Kochmagie-Stunde war wirklich herrlich unterhaltsam gewesen. Besonders über die Gesichter des Wiesels und seiner Schwester hatte er sich köstlich amüsiert. Bis zu dem Punkt, an dem auch er sein Fett weg bekommen hatte.

„Aber immerhin“, lenkte Draco ein. „Wir haben gewonnen.“

Ja, das war wahr. Es hatte auch irgendwie Spaß gemacht, mit Draco in einem Team zu sein und mit ihm zu kochen.

Ron strahlte ihn an, bis ihm von Draco die Pfannkuchen unter die Nase gehalten wurden und glücklich griff er nach einem.

„Danke.“ Als er einen Bissen nahm, hörte sich die Welt auf einmal auf zu drehen. Er war gefangen in einer Art Traum. Er, neben Malfoy zusammen auf der senfgelben Couch. Mit einem Teller Pfannkuchen zwischen ihnen. Wie durch einen Schleier betrachtete er Malfoy. Er trug ein blaugrünes Holzfällerhemd, das sehr ungewöhnlich an ihm aussah, ihm aber außergewöhnlich gut stand.

„Diesmal schmecken sie schon viel besser als das letzte Mal Weasley. Du machst Fortschritte.“
 

Der Nebel klärte sich etwas und Ron schüttelte verwirrt seinen Kopf.

„Was hast du gerade gesagt?“, fragte er, fast schon flüsternd.

„Ich sagte, das ist das Beste was ich seit langem gegessen habe“, wiederholte Malfoy, der auf einmal seine schwarze edle Robe anhatte. Spielten seine Gedanken ihm einen Streich? Hatte Malfoy gerade nicht etwas anderes angehabt? Und wieso saßen sie auf einmal auf einer blauen Couch? War diese nicht senfgelb gewesen?
 

„Alles in Ordnung?“, fragte Malfoy ihn leicht besorgt und Ron schüttelte die merkwürdigen Gedanken von sich. Stattdessen konzentrierte er sich auf den köstlichen Geschmack in seinem Mund. Es schmeckte nach Zuhause. Aber nicht nach dem Fuchsbau. Irgendwie anders. Es weckte ein Gefühl in ihm, das er nicht einordnen konnte. Es war wie ein mysteriöses Dejavu.

„Ja, ich bin nur so überrascht wie gut es schmeckt.“

Als er Draco wieder ansah, bemerkte er dessen verklärten Blick. Er schien mit seinen Gedanken gerade irgendwo ganz anders zu sein.

„Ich habe dir doch gesagt, du sollst mir vertrauen, sie schmecken himmlisch“, schwärmte er und musste seine melancholischen Gefühle zurück halten. Wie sehr hatte er sich danach gesehnt!

Er und Weasley zusammen auf der Couch, mit Weasleys gekochtem Essen. Es war wie im Traum. Aus dem er nie wieder erwachen wollte.

Wie automatisch streiften seine Finger ganz unauffällig die von Ron, dem bei diesem Gefühl ganz anders zumute wurde. Was war das? Dieses Gefühl? Sein Bauch kribbelte und er konnte Malfoys eindringlichem Blick nicht standhalten. Und zu allem Überfluss raste sein Herz auf einmal so unangenehm in seiner Brust. Hatte Malfoy ihn verhext?
 

„Weasley“, flüsterte dieser geheimnisvoll und rückte ein Stück näher zu Ron. Ausnahmslos alle Nackenhärchen stellten sich der Reihe nach bei Ron auf und er versuchte ganz an den Rand der Couch zu rutschen. Er musste hart schlucken. Seine Gedanken waren noch etwas verklärt, etwas vernebelt und er fühlte sich nicht ganz wie er selbst. Dracos Verhalten war da keine Hilfe.

Seit ihrer Auseinandersetzung am Großen See hatte ihn dieser Schlafzimmerblick verfolgt und auch jetzt schaute Draco ihn so merkwürdig an.

Die Luft zwischen ihnen war merkwürdig aufgeladen und er legte seine Hände auf Dracos Brust, falls er ihn wegschieben müsste. Malfoys Ausdruck in den Augen hatte sich vollkommen verändert. Er sah Ron so betrachtend an, mit einem weichen Blick und er verlor sich in diesen grauen Augen.

So tief, so undurchdringlich. Etwas an ihm faszinierte Ron, er wusste nicht was, aber er wollte es herausfinden. Etwas an Malfoy war so anders und er wollte tiefer gehen, mehr von ihm sehen.

In diesem Moment wollte er den wahren Malfoy sehen, in seine Seele blicken. Dieses Gefühl war ihm so komplett neu. Es überraschte ihn selbst. Sein Herz pochte unglaublich fest gegen seine Rippen, als wollte es ihm herausspringen und seine Haut kribbelte erwartungsvoll. Malfoy war ihm wieder so nah, dass er dessen warmen Atem auf seiner Haut spüren konnte.
 

„Malfoy“, flüsterte er mit einer Spur Angst.
 

„Weasley“, war die leise Antwort. Die Stimme so rau, der verzehrende Blick aus Dracos Augen so sehnsüchtig, dass es Ron die Sprache verschlug. Er versuchte etwas in diesen grauen Augen zu finden, während Malfoy ihm immer näher kam und Ron seine Hände auf dessen Arme gelegt hatte, um ihn von etwas abzuhalten, was nicht passieren sollte.

Er hatte das Gefühl,wenn er nur lange genug in diese fürchterlich schönen grauen Augen blickte, würde er dort etwas finden, wonach er so lange suchte. Dracos Atem geisterte über seine Haut und es wurde auf einmal sehr warm, als sich das helle, makellose Gesicht weiter zu ihm beugte. Ron konnte nun jede einzelne Wimper erkennen und jeden eisigen Sprenkel in den grauen Augen, während ihm das Blut in den Ohren rauschte.
 

„Ron“, flüsterte diese sehnsüchtige Stimme, als sich eine Hand zärtlich an seinen Kopf legte und ihn näher zu sich zog. Die braunen Augen weiteten sich langsam, sein Herz hatte ausgesetzt, als er Dracos Atem auf seinen Lippen spürte. Der Blick aus den grauen Augen wurde nun genauso sehnsüchtig wie seine Stimme klang und seine Augenlider senkten sich langsam herab, immer diese wundervollen Lippen von Ron im Blick behaltend.
 

„Ron, wo bleibst du? Das Essen ist gleich vorbei!“, rief Harry laut in den Raum und beide zuckten erschrocken zusammen. Draco saß auf einmal auf der gegenüberliegenden Couch und schnappte sich ein herumliegendes Buch um so zu tun, als ob er lesen würde.

„J-ja“, stammelte Ron überrumpelt. Er war noch vollkommen ergriffen von dem Zauber und er brachte kein vernünftiges Wort zustande.

„Alles kar?“, fragte der Schwarzhaarige skeptisch, während er seinen Blick von Ron zu Malfoy wandern ließ. „Alles-alles klar“, stammelte Ron und erhob sich langsam, ohne Malfoy noch einmal anzusehen. Sein Herz schlug immer noch wie verrückt und seine Ohren glühten rot.
 

„Dann komm, vielleicht kriegen wir noch etwas von den Bratkartoffeln ab.“ Harry betrachtete seinen besten Freund skeptisch, als sie gemeinsam aus dem Raum traten und einen melancholischen Malfoy am Panoramafenster auf der Couch zurückließen.
 

Seufzend legte dieser das Buch beiseite und vergrub sein Gesicht in seine zitternden Hände. Sie hatten sich fast geküsst! Und Ron hatte ihn nicht fort geschoben!

Fast wäre es passiert. Fast hätte er sein Wiesel wieder geküsst. Nach so langer Zeit!

Sein sehnsüchtiges Herz konnte es immer noch nicht glauben, als er von dem letzten Pfannkuchen abbiss. Merlin, heute war sein Glückstag. Sie hatten gemeinsam gekocht, gemeinsam gegessen und sich fast geküsst. So wie in guten alten Zeiten.

Ein warmes Gefühl erfüllte seinen Magen und er musste Tränen des Glücks zurück halten, als der altbekannte Geschmack seinen Gaumen erfreute.
 

Oh Weasley. Wie sehr vermisste er ihn! Wie sehr musste er sich immer zurückhalten. Diesmal wäre es fast zu spät gewesen, aber Draco wollte nicht mehr warten. Er wollte ihn endlich wieder zu seinem machen. Bevor das Schlammblut oder diese lästige Lavender sich wieder an ihn heranmachen würden. Er gehörte ihm. Ihm allein.
 

„Ist mir doch egal, wenn sie es wieder versuchen würde. Wie könnte ich jetzt je jemand anderes wollen als dich!“

Das war damals Weasleys Antwort darauf gewesen, wie er reagieren würde, wenn Lavender Brown sich ihm wieder anbiedern würde. Er hoffte, dass Weasley standhaft bleiben würde. Bis er sich wieder an ihn und ihre gemeinsame Vergangenheit erinnern könnte.
 

Nach dem Essen hatten sie alle gemeinsam Heilmagie. Und das fand diesmal im Gewächshaus Zwei statt. Als er im hinteren Eck, neben einer Fangzähnigen Geranie rotes Haar aufleuchten sah, flatterte es in seiner Magengrube zaghaft. Er war ihm so nah gewesen. So unglaublich nah. Beinahe wäre es endlich passiert! Wäre bloß Potter nicht herein geplatzt!
 

Seit dem Moment konnte Draco an nichts anderes mehr denken, als Ron an die kalte Steinwand des Schlosses zu drücken und ihn so leidenschaftlich zu küssen, bis dem anderen die Knie nachgeben würden und er atemlos nach Atem schnappen müsste. Alles in ihm kribbelte, wenn er an ihren Beinah- Kuss vor etwa einer halben Stunde dachte.

Weasley jedoch schien ihm in der hinteren Ecke wohl aus dem Weg gehen zu wollen. Jedes Mal, wenn er einen Blick in die Ecke warf, war dieser immer konzentriert darauf bedacht, der Heilerin zu folgen. Doch Draco konnte erkennen, dass sich seine Wangen immer noch ein Stück dunkler färbten, wenn Draco ihn beobachtete. Es war so erfrischend, wie schüchtern sein Wiesel doch war.

Diese Anziehung, die sie beide auf der Couch gespürt hatten, konnte selbst Ron nicht leugnen. Es kam Draco fast vor wie in einem Dejavu. Sie beide auf der Couch, Pfannkuchen essend. Wie konnten da die ganzen Gefühle nicht über ihn hereinbrechen? Auch Ron musste etwas gespürt haben, diese Magie zwischen ihnen. Der Rotschopf war komplett eingenommen von dem Gefühl gewesen und er wusste, dass er in dem Moment das Gleiche gefühlt hatte wie Draco. Diese Anziehung, diese Macht, die sie zu dem anderen trieb. Auch jetzt konnte er nur schwer der Heilerin folgen, sondern musste immer in die hintere Ecke zu seinem Wiesel starren.

Obwohl das, was Mrs. Pearce erzählte ziemlich interessant war. Sie war eine Heilerin aus dem St. Mungos und war gerade dabei, ihnen zu erklären, wie sie stark blutende Wunden verschließen konnte.
 

„Der Zauberspruch dazu heißt: Vulnera Sanentum. Bitte spricht mir alle nach. Vulnera Sanentum.“

Der Zauberspruch war Draco nur allzu bekannt. Hatte Snape ihm damals im Sechsten Schuljahr doch damit das Leben gerettet. Und auch während er untergetaucht war, hatte er Gebrauch davon machen müssen. Auch Weasley musste der Zauber bekannt sein, doch leider würde sich dieser nicht mehr daran erinnern können.
 

„Leider können wir die Zauber unmöglich an Menschen oder Tieren üben, deswegen hat uns Professor Sprout

freundlicherweise einige verletzte Pflanzen anvertraut. Natürlich ist es nicht dasselbe. Aber die Risse in den Blättern müssten sich auf die gleiche Weise wie bei menschlichen Wunden schließen.“

Hinter sich spürte Draco, wie eine Venemosa Tentacula ihre Fühler nach ihm ausstreckte. Beiläufig gab er ihr einen Klaps, sodass sie sich zurückzog und er stellte sich dann mit den anderen um die Tische, wo die verwundeten Pflanzen lagen. Mrs. Pearce ging einmal an jedem Schüler vorbei und besah sich sein Können. Bei Draco schlossen sich die Risse in den Blättern einer Babyalraune sofort und er bekam 10 Punkte für Slytherin. Auch Hermine hatte es geschafft. Jedoch nicht so schnell und perfekt wie Draco, weshalb sie nur 5 Punkte nach Gryffindor holen durfte. Und so wie Draco es erkennen konnte, hatte Ron es zur Hälfte geschafft. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Er wusste, wenn es darauf ankam, dann wuchs Ron über sich hinaus. Dass er es im Unterricht nicht ganz hinbekam, macht dabei gar nichts.

Nach der Stunde folgte er Ron und wollte ihn abpassen.
 

„Weasley, kann ich kurz mit dir reden?“

Ron murmelte kleinlaut irgendeine Ausrede und flüchtete über die Ländereien zum Schloss.

Grinsend schüttelte Draco seinen Kopf und wartete auf Zabini, der versuchte ihn einzuholen. Er würde Ron schon noch irgendwann kriegen, da war er sich sicher.
 

Einige Stunden später beim Abendessen konnte Draco es wieder nicht verhindern, Weasley zu beobachten. Potter war es wohl aufgefallen, denn er flüsterte etwas in Rons Ohr, worauf dieser wieder rot anlief und Draco einen heimlichen Blick zuwarf. Draco setzte ein selbstbewusstes Grinsen aufsetzte. Flüchtig schaute Ron wieder weg und starrte peinlich berührt in seinen Teller.

Dracos Herz raste bei diesem Anblick schneller in seiner Brust und er hoffte, dass er wenigstens vor dem Zubettgehen noch kurz mit Weasley reden könnte.

Nachdem er für paar Stunden in der Bibliothek war, kam er müde in den Gemeinschaftsraum zurück. Plaudernd saßen einige Schüler in ihren Ravenclaw und Gryffindor Roben vor dem Kamin und wärmten sich die Füße. Die Zwillinge spielten Snape explodiert und Granger saß mit einem Buch an einem Tisch in der Nähe des Fensters. Potter und das Wieselmädchen knutschten sicher irgendwo in einer geheimen Ecke rum. Und von Weasley jede Spur. Dann würde er wohl schon in sein Zimmer gehen. Kurz bevor er sein Zimmer erreichte, sah er noch wie rotes Haar in seiner Nachbartür verschwand.
 

„Weasley! Warte mal!“ Doch schon knallte ihm die Tür vor der Nase zu.

Nun gut, begeistert war Draco nicht, so nach ihrem Beinahe-Kuss abserviert zu werden. Aber er konnte Ron verstehen. Für ihn war alles so neu. Draco hingegen hatte die Phase der Verwirrung und Verleugnung schon längst hinter sich gelassen. Er konnte sich ja auch an das erinnern, was Weasley nicht mehr wusste. Deswegen durfte er ihm keinen Vorwurf machen.

Nachdem er heiß geduscht hatte und im Bett lag, wollte er mal liebsten durch die Wand mit Weasley reden. Aber er riss sich zusammen. Er nahm sich vor, Ron die Zeit zu geben, die er brauchte. Auch wenn es ihm noch so schwer fiel. Bevor ihn der Schlaf holte, sah er wieder Weasleys Sommersprossengesicht vor sich, so verunsichert und ängstlich, mit einem verklärten und sehnsüchtigen Blick. Wer hätte gedacht, dass das Wiesel ihn je wieder so ansehen würde.

Er gehörte ihm. Obwohl Ron es noch nicht bewusst war, unterbewusst spürte dieser, dass er zu Draco gehörte. Mit diesem überaus beruhigenden und wohltuendem Gedanken schlief Draco ein.

Und der Wald, er steht so schwarz und leer

17. Oktober 1997
 

Ron rannte und rannte. Er war einige Male appariert und wusste nicht, wo er jetzt war. Er hatte komplett seine Orientierung verloren. Er wusste nur, dass er seine besten Freunde wieder finden wollte und im Moment total im Unklaren war, wo er überhaupt noch suchen sollte.

Sollte er umkehren? Zurück zu Malfoy?
 

„Vergiss nicht, wer oder was ich bin Weasley“, hauchte er ihm kalt ins Ohr. Mit einem gefährlichen Ausdruck in seinen grauen Augen zog er seinen Ärmel des dunkelgrünen Hemdes hoch.Warnend hielt er ihm sein Dunkles Mal vor die Augen. So nah, dass es fast schon schmerzte. „Und vergiss nicht, wozu Leute wie ich fähig sind.“

Rons Gesicht wurde kreidebleich.

„Denk daran, dass du ohne einen Zauberstab immer noch in meiner Gunst stehst.“

Obwohl Ron es mit der Angst zu tun bekam, beherbergten seine warmen braunen Augen immer noch seine typische Sturheit, welche Malfoy in diesem Moment wohl ein Dorn im Auge war. Er duldete keine Widerworte, auch wenn sie stumm unausgesprochen blieben. Er hatte seinen Zauberstab die ganze Zeit über in Rons Kehle gebohrt. Doch dann zielte er seine Zauberstabsspitze auf das Fenster. So, dass Ron genau sehen konnte, was da gleich passieren würde. Mit einem laut und kalt ausgesprochenen „ Crucio“ ließ er eine Vase auf dem Fensterbrett zerbersten.

„Wenn der Fluch dich getroffen hätte, würde dein Körper vor Schmerzen genauso bersten wie diese Vase“, flüsterte er direkt ins Rons Ohrmuschel. Sein Körper verkrampfte sich, als Malfoys schlanke Finger warnend über seine Kehle strichen.
 

Malfoys bedrohliche Stimme in seinem Ohr und sein hartes Gesicht vor seinem inneren Auge bewegten Ron dazu, weiter zu rennen. Er konnte die Szene vor einigen Tagen immer noch nicht vergessen, geschweige denn verzeihen.

Aber eigentlich war das doch klar, oder? Was hatte er auch anderes erwartet?

Draco Malfoy, berüchtigter Todesser.

Als ob der sich je ändern würde! Auch in einer Notlage wie sie es waren, nicht!

Er war immerhin immer noch Malfoy, die hinterhältige Schlange!
 

Der Wald verdunkelte sich, die Bäume standen immer dichter und da wurde Ron bewusst, dass er mal wieder keinen Plan hatte.

Diesmal hatte er sich seine Flucht schon vorher überlegt und sich nicht nur von seinen Gefühlen leiten lassen - ohne Kopf und Verstand. Sonst wäre er schon viel früher abgehauen. Doch diesmal hatte er abgewartet, Malfoys Machtspielchen über sich ergehen lassen, nur um den richtigen Moment zu erwischen. Und er war erfolgreich gewesen. Malfoy hatte ihm vertraut und keinen Funken Verdacht bei seinem Tee geschöpft. Ha! Wenigstens ein kleiner Triumph für ihn!
 

Ein ziehendes Stechen machte sich in seiner Seite bemerkbar und er lehnte sich kraftlos gegen einen dicken Baumstamm. Die Stirn an die knorrige Rinde gepresst atmete er flach. Seine Lunge brannte schmerzhaft. Er war Stunden gerannt, das fiel ihm jetzt erst richtig auf. Seine Beine waren wackelig und wollten schon willenlos nachgeben.

Einfach in das feuchte Laub unter ihm sinken und die Augen schließen.

Er hatte den gesamten Wald, in dem damals die Quidditch Weltmeisterschaft stattfand, abgesucht. Er wusste nicht, wo er sonst noch suchen sollte.

Vor allem in seiner normalen Gestalt. Das war viel zu gefährlich. Und er und Malfoy besaßen leider keinen Vielsafttrank, also konnte er nicht überall suchen. Vor allem nicht in Hogsmeade oder der Winkelgasse. Obwohl die zwei dort garantiert nicht wären.
 

Ganz weit vorne erregte ein Fetzen Stoff seine Aufmerksamkeit. Zuerst erstarrte er. Und dann begann er zu rennen.

„Harry! Hermine!“, rief er immer wieder in die Tiefen des Waldes. Zum gefühlten unendlichsten Male. Und rannte immer weiter.

An dem Baum angekommen, erkannte er es sofort. Hermines Schal.

"Hermine! HERMINE!"
 

Doch keine Antwort. Stundenlang suchte er die nähere Umgebung ab. Nichts.
 

Keine versteckte Falltür im Erdboden, kein getarntes Baumhaus hoch oben in den Wipfeln. Nichts.
 

Er hatte irgendwie noch die abstruse Hoffnung, dass sie hier waren. Irgendwo. Unsichtbar. Hermine hatte ihr Versteck immer geschützt. Vielleicht konnte Ron es als Außenstehender nun nicht sehen. Deswegen versuchte er sich auf seinen Geruchssinn zu verlassen. Vielleicht konnte er sie riechen. Hermines und Harry Geruch würde er nie vergessen. Sie rochen für ihn nach zu Hause. Nach Hogwarts. Nach Glück und Freude. Doch außer dem Geruch von altem Laub und beißender Kälte roch er nichts.

Kraftlos sank er auf den Boden, Hermines Schal zwischen den Fingern. Müde und kraftlos verbarg er sein Gesicht in dem Stoff und saugte ihren Duft ein.

Hermine...
 

Plötzlich hörte er etwas in der weiten Stille des Waldes. So leise und so weit weg, dass er dachte, es wäre nur in seiner Einbildung existent. Angestrengt spitzte er seine Ohren um in die drohende Dunkelheit hinein zu horchen. Doch da – wieder. Eindeutig bewegte sich etwas in den Tiefen. Und wenn er sich nicht täuschte, kam dieses Etwas immer näher.

"Harry?", rief er ängstlich.

Sein Herz begann zu rasen. Waren das Greifer?

Nein, nein, nein. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht schon wieder. Er war viel zu schwach, viel zu kraftlos.

Schritte. Schnelle Schritte.

Statt zu rennen, disapparierte er an Ort und Stelle. Mit der letzten Kraft, die er noch hatte.

Alles, bloß nicht rennen.

Das hatte ihm das letzte Mal nämlich auch nichts gebracht.

Schweiß perlte langsam seine Stirn hinab und er biss sich keuchend auf seine Lippen, um den pochenden Schmerz in seinem Körper zu unterdrücken. Er hasste es so viel zu apparieren. Nach seinem Unfall, bei welchem er zersplintert war, bekam er vor jedem Apparieren immer extrem unangenehmes Herzrasen. Er wusste jetzt nämlich was passieren konnte. Und wie weh es dann tat.

Er war nicht weit appariert, nur einige Kilometer, bis an das andere Ende des Waldes.

Aber er musste den Wald verlassen. Endgültig.

Er hatte Stunden lang gesucht. Und nichts gefunden.

Außer Hermines Tuch.

Aber was sollte ihm das sagen? Ein Hinweis? Ein letztes Auf Wiedersehen?

„Danke, Ronald Weasley dass du so ein Riesen-Arsch warst. Machs gut.“

So in etwa?

Er hatte verloren. Alles verloren.
 

Aber er konnte noch nicht aufgeben. Noch nicht.

Er konnte nicht zurück zu Malfoy. Das konnte nicht seine Zukunft sein. Das durfte sie nicht sein!

Er wollte seine Freunde zurück!

Und jetzt, nachdem er eine sechstägige Auszeit gehabt hatte, in welcher er gut gegessen hatte, sich mit Fernsehen ablenken und jeden Tag duschen konnte, da sah er die Dinge wieder klarer. Und entspannter.

Er hatte wieder Kraft getankt, um mit Harry und Hermine weiter zu suchen.

Das waren seine Freunde. Malfoy dagegen war sein Erzfeind!
 

Nach einem weiteren Mal apparieren landete er in einem düsteren Wald. Hier war er vor vielen Jahren mit seinem Vater und seinen Brüdern zelten gewesen, irgendwo in Wales.

So düster und dunkel hatte er den Wald damals jedoch nicht in Erinnerung gehabt...

er wusste noch von einer kleinen, steinigen Höhle...nach gefühlten Stunden fand er sie auch endlich. Es war bereits mitten in der Nacht und das Rufen eines Uhus bescherte ihm jedes Mal eine kalte Gänsehaut.

Die eisige Kälte durchdrang seine Kleidung und legte sich wie ein klammer Nebel auf seine Haut.

Die Blätter der Bäume schienen im Wind geheimnisvoll zu flüstern und Ron verkroch sich kraftlos und frierend in der kleinen Höhle.

Unheimlich. Einfach alles. Die Geräusche, die Kälte, die Bäume, die Höhle.
 

Er entzündete ein kleines Feuer, um sich daran wenigstens ein wenig wärmen zu können.

Wie es wohl Harry und Hermine ging? Sie schliefen wahrscheinlich in ihrem sicheren Zelt in einem warmen Bett.

Und Malfoy? Der schlief wohl seelenruhig in seinem gemütlichen Ehebett.

Und er? Gebettet auf kalten Steinen, kraftlos in sein trauriges Flämmchen starrend, das ihm wenigstens ein Fünkchen Wärme und Trost spendete.

Da wünschte er sich lieber wieder auf seine geliebtes senfgelbe Couch zurück. Wieso hatte er sie nochmal verlassen?

Ach ja...Malfoy...fast hätte er es vergessen.

Wütend biss er seine Zähne zusammen, weil sie ständig vor Kälte klapperten.
 

Wie gemütlich und warm doch seine Couch war! Und seine Blumendecke! Oder das warme Wasser beim Duschen.

Da brachten ihm die Vorräte auch nichts, die er mitgehen lassen hatte. Er hatte zwar auch einen kleinen Topf mitgenommen und könnte so am kleinen Feuer seine Gebackenen Bohnen essen und seine Schokolade genießen. Doch es war kalt und ungemütlich. Und unsicher. Er war einfach viel zu erledigt um irgendetwas zu essen.

Je länger er an sein Versteck mit Malfoy dachte, so flammte etwas in ihm auf. Sehnsucht.
 

Doch wenn er zurück an Malfoy dachte- war er dort in ihrem Versteck auch nicht sicher. Gut, jetzt hatte er zumindest seinen Zauberstab wieder zurück. Das änderte einiges! Wenn nicht sogar alles. So musste er sich nicht mehr von Malfoy herumkommandieren lassen.

Unter anderen Umständen hätte er das nie zugelassen. Auch ohne Zauberstab nicht. Da er ihn aber unbedingt zurück wollte, musste er die letzten Tage bei Malfoys Spiel mitspielen. Nie wieder!

Er hatte ihm sogar paar Tropfen Diptam dagelassen, aus Mitleid!

Nein, jetzt im Nachhinein gesehen, hatte Malfoy das gar nicht verdient. Lieber erfror er hier als zurück zu dem Wahnsinnigen zu gehen. Er hasste ihn! Über alles!
 

Doch je länger er in das schwache Feuer in seiner kleinen Höhle starrte, erinnerte er sich an das prasselnde Feuer im Holzofen, das Draco entzündet hatte.

Ron war damals gerade dabei gewesen seinen Fuß zu bandagieren und Draco schien sich wirklich Mühe gegeben zu haben.
 

„Weasley, wenn wir uns beide zusammen reißen, kann das hier ein sicherer und schöner Ort werden.“
 

Er erinnerte sich noch an die friedliche Stille in diesem Moment. Und an den sanften Schein, den das Feuer auf Dracos Gesicht geworfen hatte. Es war das erste Mal, dass Malfoy schlichten wollte. Doch Ron hatte sich schon so seinem Plan verschrieben, dass Dracos Annäherungsversuche keine Wirkung bei ihm erzielt hatten. Und außerdem fragte Ron sich, wie viel Aufrichtigkeit in den Worten des Slytherins gesteckt hatte. Vielleicht wollte er ihn nur hinters Licht führen und für seine eigenen Vorteile ausnutzen. Das passte zu Malfoy.

Doch in dem kurzen Moment damals war es tatsächlich irgendwie fast schon friedlich gewesen.

Könnte er mit Malfoy wirklich einen Kompromiss schließen? Könnte er mit ihm zusammen leben?

Sie fühlten sich beide in dem Haus wohl. Auch Malfoy, der jeden Tag ein etwa zweistündiges Bad nahm. Vielleicht könnte das tatsächlich noch ihre sichere Festung werden, wenn sie sich beide wirklich anstrengten.
 

Denn ehrlich gesagt, wusste Ron nicht wo er sonst noch nach Harry und Hermine suchen sollte. Oder was er noch tun könnte. Niemand außer Harry und Hermine wussten, wo sie selbst waren. Es war unmöglich sie noch aufzufinden, Ron wusste das. Er musste den Tatsachen ins Auge blicken.

Entweder er führte ein Leben, alleine auf der Flucht oder als zurückgezogener Eremit.

Oder er ging zu Malfoy zurück.

Es graute ihm aber vor dessen Reaktion. Doch wahrscheinlich war das die beste Lösung. Immerhin hatte er jetzt einen Zauberstab, mit dem er sich wehren könnte.

Aber immer wieder blitzte das Dunkle Mal vor seinen Augen auf und verfolgte ihn bis in die unruhige Nacht. Er konnte noch nicht ganz akzeptieren, dass er seine besten Freunde verloren hatte.

Und dass Malfoy seine einzige Wahl war, die ihm noch blieb.

Ich tu dir weh

18. Oktober 1997
 

Draußen war es sehr ungemütlich geworden und ein kalter Wind pfiff am großen Fenster im Wohnzimmer vorbei. Aus der warmen Blumendecke lugten einige Strähnen blonden Haares heraus. Murrend zog sich Draco die Decke weiter über den Kopf. Nein, er wollte nicht aufstehen. Er wollte liegen bleiben. Eingehüllt in seiner dunklen Wolke. Wollte nichts sehen. Und nichts hören. Keinen Wind am Fenster. Und vor allem keinen Weasley, der reumütig wieder angekrochen kam.
 

Weasley! Wie sehr er ihn verabscheute. Und verwünschte.
 

Doch zu allem Übel roch er ihn überall. Honig und Zimt. Er wollte brechen. Überall dieser Geruch. Wäre er nicht über alle Maßen sauer und verletzt gewesen, hätte der Geruch ihm nichts ausgemacht. Und ja, er war verletzt. Enttäuscht.

Vom Leben. Von der ganzen Welt. Und besonders von diesem Blutsverräter.

Nie hätte er gedacht, dass auch er ihm in den Rücken fallen würde. Und ihn einfach mit Schlaftrunk betäuben würde.

Ein wütendes Schnauben verließ die Blumendecke.

Es gab nur einen Grund, wieso er jetzt in Weasleys Bett schlafen musste. Er hatte Angst vor Einbrechern. Das Haus hatte er zwar geschützt, man konnte aber nie wissen. Und da die Einbrecher oder Greifer zuerst ins Erdgeschoss eindringen würden, so dachte er sich zumindest, wäre es schlauer hier auf der Lauer zu liegen. Er hatte seit zwei Tagen nichts gegessen, außer die Schokolade, die Weasley ihm gnädigerweise übrig gelassen hatte.

Er wusste ja nicht, wie man kochte. Sein Leben war elendig und einsam.
 

Nach einem Tag war er schon so unendlich tief gesunken, dass er versuchte den schwarzen Kasten anzukriegen. Er wollte nicht alleine sein. Als Weasley noch hier war, konnte er diesem auf den Geist gehen, ihn provozieren und ärgern. Es war nie langweilig geworden. Dessen aufgebrachten, wütenden Reaktionen hatten ihn immer belustigt. Besonders seine hohen Mädchenschreie, wenn er mal wieder seine kleine Spinnenarmee auf ihn gehetzt hatte. Auch jetzt schlich sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen, das er jedoch sofort wieder verbannen wollte, als er es selbst bemerkte.

Weasley hatte ihn verlassen. Er musste ihn hassen! Und vergessen.

Doch es fiel ihm so schwer. Die Enttäuschung zu verkraften.
 

Letztes Jahr, im sechsten Schuljahr hatte sich sein Leben schlagartig verändert, als sein Vater nach Askaban kam. Sein Einfluss in Hogwarts hatte auf einmal abgenommen. Crabbe und Goyle, besonders Crabbe, sahen ihn mit anderen Augen und ließen sich nicht mehr von ihm herumkommandieren. Sie hatten jeglichen Respekt vor ihm verloren. Es war erschreckend gewesen. Nur weil sein Vater die Prophezeiung nicht bekommen hatte und nicht mehr in der Gunst des Dunklen Lords stand.

Das waren also seine Freunde. Elende Mitläufer.

Und als sein Vater zurückkam, hatte auch er sich verändert. Er sah Draco nur noch als Mittel zum Zweck- er sollte die Familienehre wieder herstellen. Und als er sich weigerte, Mr. Ollivander mit dem Cruciatus-Fluch zu quälen, um an die vom Dunklen Lord gewollten Informationen zu gelangen, wandte Lucius Malfoy den Fluch kurzerhand an seinem eigenen Sohn an.

Draco würde niemals diese Schmerzen vergessen können.

Und danach war er abgehauen.

Wenn er diesem Schmerz nur entgehen konnte, indem er anderen das gleiche Schreckliche antun müsste, dann war er gezwungen zu gehen. Er konnte es nicht bei anderen tun. Sein Körper brannte immer vor Schmerz, wenn er daran dachte. Merlin sei Dank, hatte sein Vater den Fluch nur ganz kurz ausgeführt, doch diese Kostprobe war genug. Um ihn und sein Elternhaus zu verlassen.

Er hasste ihn. Seinen Vater.

Und noch mehr hasste er den Dunklen Lord. Er hatte das aus seinem Vater gemacht. Eine niedere Kreatur.
 

Es war richtig zu gehen. Auch wenn er jetzt alleine war. Zurück konnte er nicht. Und wollte er nicht.

Es sei denn, er hätte Potter. So könnte er dem ganzen Spuk vielleicht ein Ende setzen. Jedoch war es nur ein Vielleicht.

Und lohnte es sich für ein Vielleicht, so viel zu riskieren und noch mehr Leid zu verursachen?

Außerdem hatte sich diese Möglichkeit sowieso erledigt, da Weasley nun weg war.
 

Weasley...
 

Seitdem er hier alleine in ihrem Versteck war, spürte Draco ununterbrochen ein schmerzhaftes Ziehen in seinem Magen.

Ein klaffendes Loch.

Auch wenn er es die ganze Zeit auf den Hunger schob - er wusste, dass dieses schmerzende Gefühl von Weasley verursacht wurde.

Von diesem dreckigen Blutsverräter!

Er fühlte sich fast wie ein verlassener Junggeselle, dessen Frau einfach abgehauen war, ohne vorher die Wäsche zu machen oder ihm noch ein anständiges Mahl zu kochen! Es war so demütigend!

Er fühlte sich sitzengelassen. Nein, betrogen und hintergangen fühlte er sich!
 

Irgendwie hatte er geglaubt, dass einer von den Guten nie so etwas Hinterhältiges tun würde, wie ihm Schlaftrunk einzuflößen.

Aber andererseits - er war Potters bester Freund. Wie hatten die beiden und Granger es sonst geschafft, die Bösen immer zu enttarnen und auszuschalten? Natürlich verwendeten sie auch ihre Tricks.

Weasley durfte man nicht unterschätzen, das war ihm spätestens jetzt klar.

Harry Potters dummer Freund. Dass er nicht lachte. So dumm war der Rotschopf gar nicht.
 

„Malfoy, möchtest du einen Tee?“
 

Und er war auch noch so blauäugig darauf reingefallen! Weasley konnte ohne seinen Zauberstab mehr bewirken, als Draco es ohne je fertig bringen würde.

Verflucht sollte dieses Wiesel ein. Dank ihm war Dracos Glaube an die Menschheit zerstört. Wenn er sogar nicht mal den Guten trauen könnte, wem konnte er dann noch trauen?
 

Seine Familie war für ihn erst mal gestorben. Weasley hatte ihn verlassen. Er war alleine.
 

Und das war seine Schuld. Wieso hatte er auch einen Cruciatus-Fluch haarscharf an Weasley vorbei gefeuert, um ihm zu drohen?

Ihm war nach Weinen zumute. Doch weil er sich so einer niederen Eigenschaft nicht ergeben wollte, presste er seinen Handrücken fest auf seine Augenlider. Er hatte die Szene noch bildlich vor seinem inneren Auge.
 

Er lag auf ihm. Hatte das Sommersprossengesicht direkt vor sich. Nachdem Weasley sich das erste Mal hier geduscht hatte, wirkte er viel sauberer und gepflegter. Das Wort hübsch würde Draco zwar nie in Verbindung mit diesem sturen Rotschopf bringen, aber durch die leuchtend roten Locken und der hellen Haut kam es dem Begriff schon seltsam nahe.

Doch nachdem das Wiesel es wieder mit seinen Widerworten übertrieben hatte, wollte Draco ihm seine Sturheit austreiben.

Er wollte ihn kontrollieren. Besitzen. Er konnte einfach keine Wiederworte von dem Wiesel ertragen.

Er war es, der den Zauberstab besaß, nicht Weasley! Und dieser weigerte sich einfach, die Wäsche zu machen.

Doch die Rollenverteilung in ihrer Festung war doch klar. Weasley war für alle Hausarbeiten zuständig - putzen, waschen, kochen. Während er für die Sicherheit sorgen durfte. Wieso wollte Ron das nicht einsehen? Eine heiße Wut überkam ihn, als er an die Male denken musste, als er sich ihm mal wieder widersetzt hatte.

Das musste aufhören! Er gehörte jetzt zu ihm. In dieses Haus! Aso gab es auch Regeln. Nur weil er bisher zu gutmütig gewesen war, hieß es nicht, dass er sich auf der Nase herumtanzen lassen würde.

„Vergiss nicht, wer oder was ich bin Weasley.“, hauchte er ihm kalt ins Ohr. Im Moment wollte er die Sturheit des Rotschopfes brechen. Er hatte sich ihm zu unterordnen. Mit einem gefährlichen Ausdruck in seinen grauen Augen zog er seinen Ärmel des dunkelgrünen Hemdes hoch. Warnend hielt er ihm sein Dunkles Mal vor die Augen. So nah, dass es fast schon schmerzte.
 

„Und vergiss nicht, wozu Leute wie ich fähig sind.“

Er genoss das hier. Die Macht. Die Überlegenheit. Besonders als er merkte, wie Rons Gesicht bleich wurde. Sogar die süßen Sommersprossen verloren an Farbe. So war es richtig. Ihm musste endlich Respekt eingeflößt werden.
 

„Denk dran, dass du ohne einen Zauberstab immer noch in meiner Gunst stehst.“

Weasley musste es klar werden! Dass er auch anders konnte. Und dass er von Draco abhängig war. Doch obwohl Ron etwas bleicher wurde, beherbergten seine warmen braunen Augen immer noch diese typische Weasley- Sturheit, die Draco in diesem Moment ein Dorn im Auge war. Er duldete keine Widerworte, auch wenn sie stumm unausgesprochen blieben. Er hatte seinen Zauberstab die ganze Zeit über in Rons Kehle gebohrt. Doch nun fiel ihm etwas anderes ein. Etwas, das effektiver wirken würde. Er zielte seine Zauberstabsspitze auf das Fenster. So, dass der andere genau sehen würde, was da gleich passieren würde.

Mit einem laut und kalt ausgesprochenen „ Crucio“ ließ er eine Vase auf dem Fensterbrett zerbersten.

„Wenn der Fluch dich getroffen hätte, würde dein Körper vor Schmerzen genauso bersten wie diese Vase“, flüsterte er direkt in Rons Ohrmuschel.

Der Körper unter ihm hatte sich leicht verkrampft, er war auf jede kleinste Bewegung von Ron fixiert. Seine schlanken Finger strichen warnend über Rons Kehle. Dieser schluckte. Doch in seinen Augen leuchtete blanker Hass. Und in diesem Moment wollte Draco am liebsten das ganze Haus mit Bombarda in die Luft sprengen. Wie konnte man nur so stur sein! Er verschonte hier Weasleys Leben und dieser dankte es ihm nicht einmal!
 

„Bist du fertig mit deiner kleinen Demonstration? Kannst du dann endlich von mir runtergehen? Mir behagt der enge Körperkontakt mit dir nicht.“ Die trotzige Stimme des Wiesels ließ ungeahnte Wut in ihm aufsteigen.

„Crucio.“ Es kam automatisch über seine Lippen. Ohne, dass er es kontrollieren konnte. Der Körper unter ihm wand sich plötzlich vor ungeahnten Schmerzen. Weasleys Augen waren vor Schock aufgerissen, seine Lippen zu einem stummen Schrei geöffnet. Die Schmerzen waren wohl so groß, dass er keinen Schrei zustande brachte. Erschrocken sprang Draco auf und beendete augenblicklich den Fluch.

Was hatte er getan! Merlin. Was hatte er bloß getan!

Weasley am Boden, rang nach Luft und keuchte voller Schmerzen. Und der Blick, den er ihm schenkte, traf Malfoy mitten in die Magengrube.

„Du bist ein Monster“, keuchte er mit gebrochener Stimme. „Nicht besser als die Todesser oder Du-weißt-schon-wer. Du hast dein Versprechen gebrochen.“

Diese Worte hingen schwer in der Luft. Viel zu schwer, als dass Draco sie ertragen könnte.

„Obliviate.“ Auch dieser Zauber verließ automatisch seine Lippen. Und löschte die letzten Sekunden in Rons Gedächtnis.

Doch wie er alsbald feststellen musste, war nicht der gesamte Streit gelöscht.

Er hatte in Rons Erinnerung immer noch den Crucio verwendet. Das konnte er an Weasleys vorwurfsvollem Blick erkennen. Jedoch nur an der Vase. An den Schmerz konnte er sich nicht mehr erinnern. Obwohl Draco erkennen konnte, dass sein Körper immer noch geschwächt war. Und vor Anstrengung zitterte. Aber sein Blick hatte sich verändert. Er sah ihn nicht mehr als Monster. Zumindest als nicht so großes wie den Lord höchstpersönlich.

Am liebsten wollte er den gesamten Streit herauslöschen, aber bei Gedächtniszaubern war er sehr, sehr vorsichtig. Er durfte es nicht noch ein weiteres Mal riskieren. Mit diesem Streit und dem Crucio, angewendet auf die Vase, konnte er leben.

Und der Rest würde sein dunkles Geheimnis bleiben.

Die nächsten Stunden ging er Weasley aus dem Weg, hatte fast schon Angst vor ihm. Außerdem hatte er Angst, dass sein schlechtes Gewissen ihn verraten würde. Er stand total neben sich, diese schwere Schuld erinnerte ihn an das Gefühl damals auf dem Astronomieturm mit Dumbledore.
 

Und jetzt, Tage später auf der senfgelben Couch fragte er sich erneut, wieso er das getan hatte.

Er war nicht besser als sein Vater. Er war ein Monster! Weasley hatte Recht.

Er würde wohl nie vergessen, wie er sich unter ihm gekrümmt hatte. In dem Moment hatte ihn so eine große Angst befallen. Angst, dass er etwas zerstörte. Ein Lebewesen. Einen Menschen.

Ein Gefühl. Vertrauen.

Und auch wenn er es aus Weasleys Gedächtnis gelöscht hatte, es hatte sich letzten Endes gerächt.

Er war gegangen. Das war die gerechte Strafe.

Er hatte sich am nächsten Tag ehrlich gesagt gewundert, wieso Weasley noch da war. Und nicht schon längst abgehauen war. Aber jetzt wusste er es. Der andere hatte nur mitgespielt. Und dann auf den geeigneten Moment gewartet. Um abzuhauen.

Die Erkenntnis wog schwer und schmeckte bitter.
 

Jetzt fielen doch die ersten Tränen. Der Selbsthass und die Enttäuschung konnten seine Tränen nicht aufhalten. Er biss sich fest auf die Lippe, um ja keinen erbärmlichen Ton über sie kommen zu lassen, da ließ ihn ein Geräusch an der Tür auf einmal zusammen zucken.

Ein Einbrecher, schoss es ihm sofort durch den Kopf. Der zweite Gedanke, war: Weasley.

Doch er versuchte die aufkeimende Hoffnung zu ersticken. Mit gezücktem Zauberstab schlich er leise zur Tür und machte sich kampfbereit. Sein Herz blieb ihm fast stehen, als er draußen Gepoltere hörte. Anscheinend kam der Einbrecher nicht durch die Banne, stellte er erleichtert fest. Mit gespitzten Ohren blieb er an der Tür stehen, bis die Fensterscheibe in der Küche zerklirrte. Verdammt.

Panisch stürzte er in die Küche und sah die Scherben auf dem Boden. Hatte er etwa vergessen das Küchenzimmer zu schützen? Zielsicher schleuderte Draco einen Fluch nach draußen durch das zerbrochene Fenster und er hörte, wie etwas ächzend zu Boden ging. Gerade, als er den zweiten Fluch abfeuern wollte, hörte er eine röchelnde Stimme.

„Malfoy, warte!“
 

„...“ Sprachlos zog sich Draco am Fensterbrett hoch und blickte hinaus auf den Garten.

Tatsächlich! Der Blutsverräter kam also angekrochen! Erleichterung mischte sich mit Trotz und bevor Draco wusste was er tun sollte, feuerte er einen harmlosen Luftstoß in Rons Richtung. Wie konnte das Wiesel es wagen zurück zu kehren!

„Was machst du hier!“, rief er wütend durch das Fenster. „Müsstest du nicht bei dem Narbengesicht und dem Schlammblut sein?“

Gekränkt. So hörte sich Dracos Frage an.

„Malfoy, mach nichts Dummes und lass mich rein!“, rief Ron beschwichtigend und wich schnell dem nächsten Fluch aus, der aus dem zerbrochenen Fenster auf ihn zugeschossen kam.

„Was Dummes? Zum Beispiel abhauen? Und mich hier komplett alleine lassen?“

Draco feuerte nacheinander gleich drei Flüche ab, wovon einer Ron direkt im Gesicht traf. Es war der Furunkulus- Fluch.

„Aaaah“, vor Schmerz schreiend sank Ron zu Boden und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Es brannte! Und trieb ihm Tränen in die Augen, sodass er nichts sehen konnte. Auf seiner Haut wucherten Pusteln und schmerzten wie Hölle.

„Malfoy, hör auf!“

„Wieso sollte ich! Wieso bist du überhaupt zurück gekommen? Wollten Potty und Granger dich nicht zurück?“, höhnte Malfoy kalt.

Normalerweise müsste er erleichtert sein, dass der Verräter zurück gekehrt war. Doch der Verrat und die Enttäuschung darüber überwogen.

„Und jetzt wo du nichts mehr hast, bin ich und unser Zuhause dir gut genug?“ Er war so sauer!

„Malfoy, lass mich rein und wir reden in Ruhe darüber!“, bat Ron nun eindringlich, doch der Blonde dachte gar nicht daran.

„Geh dorthin zurück wo die Alraunen wachsen, Ronald Weasley!“, schimpfte er laut und wollte gerade erneut seinen Zauberstab schwingen. Doch Ron war schneller.

Gekonnt wehrte er den Fluch ab und perplex starrte Draco ihn aus dem Fenster an.

Er wagte es, seine Bestrafung abzuwehren?

„Malfoy, beruhig dich erst mal!“, versuchte er ihn noch einmal zu beschwichtigen. Doch es war vergeblich. Bei dem nächsten Fluch reichte es Ron und kurzerhand entwaffnete er Draco. Sein Zauberstab kam ihm direkt in die Finger geflogen.

Draco, der nun aussah als ob keineswegs mit ihm zu spaßen war, stand am zerbrochenen Glasfenster und war bereit, sich durch das klaffende Loch auf den Verräter zu stürzen.

„Egal, was du tun willst. Lass mich erst mal rein und wir reden in Ruhe darüber. In Ordnung?“ Rons Stimme hatte einen vertrauenserweckenden Ton und er hob beschwichtigend die Hände. Die Straße entlang waren schon einige Nachbarn auf sie aufmerksam geworden. Es war nicht nur höchst unangenehm, es war auch gefährlich. Sie durften hier nicht wild in der Muggelgegend herum zaubern. Was, wenn man sie als Zauberer enttarnte? Das war auch der Grund, wieso er Draco schließlich entwaffnet hatte.

Doch auch ohne Zauberstab wusste der Slytherin sich zu helfen. Als Ron dachte die Luft wäre rein, weil der andere vom Fenster verschwand und Ron sich vorsichtig dem Fenster näherte, kam ihm ein Glas entgegen geflogen, das hinter ihm auf dem Bordstein zerklirrte.

Ein älterer Herrr, vom Haus gegenüber, der gerade zu seinem Auto lief, schüttelte belustigt seinen Kopf und murmelte. „Noch einmal jung sein.“

Ron wusste wirklich nicht, wie er Malfoy beschwichtigen sollte, bevor das hier eskalieren würde. Sie durften keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen! Als das zweite Glas hinter ihm am Boden zerschellte, lachte der alte Herr.

„Junger Mann, beherzigen Sie meinen Rat. Verärgern Sie keine Frau, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.“
 

Ron versuchte hilflos ein entschuldigendes Lächeln. Frau, jaja schön wäre es.

„Ich will dich nie wieder sehen, Weasley. Du hast hier nichts mehr verloren!“

Bei der Männerstimme leuchtete eine Erkenntnis auf dem Gesicht des älteren Herren auf und er zog wissend seine Augenbrauen in die Höhe. Knallrot wandte Ron sein Gesicht ab und wartete bis der Herr in seinen roten Wagen stieg und fort fuhr.

„Malfoy, das ist kein Witz mehr. Hör auf, bevor die Nachbarn noch denken, wir wären ein streitendes Pärchen.“

Ganz Ohr streckte Malfoy seinen Kopf aus dem Fenster.

„Ist mir doch egal, was die Muggel denken. Sollen sie denken, was sie wollen! Und jetzt runter von meinem Grundstück!“

„Hör jetzt sofort auf und lass mich rein“, zischte Ron leise und duckte sich, als das nächste Glas angeflogen kam.

„Wenn wir hier länger bleiben wollen, dürfen wir die Nachbarn nicht verärgern!“

Endlich hielt Malfoy inne. Es waren die einfachen Worte. „Wir“ und „länger bleiben“, die ihn überlegen ließen. Hörte es sich so an, als ob Weasley länger bleiben wollte? Mit ihm zusammen? Unter diesen Umständen sollten sie wirklich die Nachbarn nicht verärgern. Es wäre zu mühsam, jeden einzelnen zu obliviieren. Noch unentschlossen, ob er überhaupt bereit war, dem Verräter gegenüber zu treten, lief er zur Tür und öffnete sie langsam.

Erleichtert, mit noch hochrotem Kopf und einem mit Pusteln übersätem Gesicht trat Ron in ihr Haus.

Herrisch streckte Draco seine Hand aus und erwartete, dass Ron ihm seinen Zauberstab aushändigte. Was dieser auch tat. Ohne Widerworte.

Als Ron die Tür hinter sich geschlossen hatte, standen sie sich misstrauisch gegenüber. Blickten sich direkt an.

Beide erhitzt und wütend von ihrem Streit. Doch Draco hatte seinem Ärger noch lange nicht Luft gemacht. Jetzt, wo er dem Verräter Aug in Aug gegenüberstand, schmerzte ihn der Verrat noch mehr.

„Du hast mich mit Muggelschlafrtunk vergiftet!“, spie er nun wütend aus und warf sich auf Ron. Sie gingen rangelnd zu Boden.

„Und du hast mir meinen Zauberstab nicht zurück gegeben, obwohl du es versprochen hast!“, schrie Ron ihm nun wütend ins Gesicht. Ihre Zauberstäbe waren ihnen aus den Händen gefallen und rollten ihnen aus dem Weg.

„Du hast ihn dann ja geklaut! Zusammen mit dem Greiferzauberstab! Hast mich beklaut!“

Ein wütender Faustschlag traf Ron mitten ins Gesicht. Kurz sah er vor Schmerzen nur noch schwarz.

„Du hast mich hier als Sklaven gehalten!“ Auch sein Faustschlag landete gezielt in Dracos Gesicht.

„Ach ja? Du solltest die Wäsche machen und hast es bis jetzt nicht getan!“, schrie dieser nun schmerzerfüllt und spuckte ihm ins Gesicht.

„Ich bin nicht deine Putzfrau!“

Es war unmöglich, Draco Schlägen zu entgehen, während sie sich wild auf dem Boden rollten. Jetzt hatte Draco die Kontrolle, war oben und drückte Rons Hände mit einer Hand fest auf den Boden, während er zum nächsten Schlag ausholte.

„Du hast mich verlassen, obwohl du genau weißt, dass ich nicht kochen kann!“

Dieser Schlag hatte besonders gesessen und Ron spuckte Blut auf den Boden. Und einen Zahn. Schockiert starrte er auf seinen verlorenen Zahn und rollte sie beide mit einem Mal herum, sodass nun er auf Draco lag.

„Du hast einen Cruciatus-Fluch auf eine Vase abgefeuert!“ Gnadenlos war der Schlag, der nun Dracos Nase mit einem hässlichen Knacken brach. „Und hättest du dich nicht wie ein mieses Arschloch verhalten, hätte ich dir noch gezeigt wie man kocht!“

Hasserfüllt blickte Draco ihn an. Seine Nase schmerzte und der Schmerz trieb ihm heiße Tränen in die Augen.

„Du bist ein Verräter, Weasley! Nichts weiter!“

Sie kämpften weiter, auch wenn sie kaum mehr atmen konnten und irgendwann, erschöpft vom Schreien und Schlagen, lagen sie nebeneinander auf dem Boden. Schnaufend und erledigt. Jeder Muskel, den sie angestrengt haben, zitterte vor Erschöpfung und das Atmen brannte in ihren Lungen. Dennoch, sie fühlten sich seltsam befreit und losgelöst.

Nach einer Weile fragte Ron kraftlos. „Besser?“

Wütend, dass Weasley es überhaupt wagte, so eine unverschämte Frage zu stellen – seine Nase war gebrochen, wie sollte es dann besser sein? - richtete er sich auf und schleppte sich ins Wohnzimmer, wo er die Treppe zu seinem Zimmer hinauf humpelte.

Zum Glück hatte sein armer Fuß bei der Rauferei nichts abbekommen. Als er die Tür geräuschvoll hinter sich zufallen ließ und sich auf sein Bett warf, versuchte er zur Ruhe zur kommen.

Jetzt, da er seine Wut an Weasley herausgelassen hatte, machte sich ein merkwürdig zufriedenes Gefühl in ihm breit. Das schmerzhafte Ziehen in seinem Magen, dieses klaffende Loch war verschwunden.

Und er dachte wieder an Weasleys Frage. Besser?

Er schnaufte erschöpft. Obwohl er nachher seine Nase richten müsste und bestimmt noch zwei Tage deswegen sauer sein würde - Weasley war wieder zurück.
 

Ja. Es war besser.

Und du ziehst nie wieder aus

 

20. Oktober 1997
 

Malfoy war Ron die letzten beiden Tage größtenteils aus dem Weg gegangen. Normalerweise wäre das früher ein Grund, weswegen er Luftsprünge gemacht hätte. Aber Malfoys Verhalten machte ihn unsicher. Er war wahrscheinlich immer noch sauer wegen der gebrochenen Nase. Aber Ron hatte einen Zahn verloren! Es war zwar einer der hinteren, aber er wusste beim besten Willen nicht, wie man Zähne nachwachsen ließ!
 

Um Draco etwas zu besänftigen, hatte er sich beim Kochen besonders viel Mühe gegeben. Gestern gab es sogar eine Reispfanne mit Bohnen und Mais!

Doch - so 'dankbar' wie immer- hatte Malfoy sich nicht einmal bedankt, sondern ihm sofort wieder die Tür vor der Nase zugeschlagen, nachdem er den Teller aus Rons Händen zu sich ins Zimmer schweben lassen hatte.

 

Ron stellte den Fernseher sogar immer etwas leiser, damit es den ach so verwöhnten Prinzen nicht störte. Wenn er von oben nicht ab und zu eine Klospülung oder laufendes Wasser gehört hätte, das ihm als Lebenszeichen diente, hätte er sich wohl wirklich Sorgen gemacht.

Seinen liebevoll zubereiteten Tee hatte Draco seither jedes Mal verschmäht. Die gestrige Tasse köstlichen Earl Greys mit einem Löffel Honig stand immer noch unangerührt vor dessen Tür.
 

'Bist du verrückt, Weasley? Denkst du etwa, ich würde jemals wieder deinen Tee probieren? Vergiss das mal schön', das hätte er ihm früher wohl an den Kopf geworfen.

Doch jetzt erntete Ron nichts mehr, außer paar tödliche Blicke.

Es war langweilig, sich selbst Malfoys Sprüche ausdenken zu müssen. Und Ron gab sich diesmal wirklich Mühe, sich mit dem eingeschnappten Slytherin zu versöhnen.

Genervt saß er mal wieder vor der Waschmaschine und versuchte sie endlich zum Laufen zu bringen. Wenn es heute nichts werden würde, müsste er wohl per Hand ran. Und davor graute es ihm besonders - Wäsche zu waschen wie ein altes Waschweib!

Und da sich bestimmt einiges in Dracos Zimmer angesammelt hatte, würde es eine sehr lange Nacht werden. Gestern hatte er eine Bedienungsanleitung gefunden. Genauer gesagt zwei. Auf beiden war eine Waschmaschine abgebildet, doch auf der einen Anleitung stand das Wort „Trockner“. Als nach elendigen Versuchen immer noch kein Wasser durch die Maschine gepumpt wurde, sondern sie sich einfach so drehte, kam Ron die Erleuchtung.

Die Maschine in diesem Bad hier unten war nicht die Waschmaschine, sondern der gewisse Trockner! Deswegen war das schmutzige Handtuch, das Ron immer zur Probe hereingelegt hatte, nach dem „Waschgang“ auch nie sauber und nass, sondern staubtrocken und warm!

 

Mit neuer Hoffnung erfüllt rannte Ron schnell die Treppen hinauf. In Dracos Bad stand auch eine Maschine. Das musste dann die Waschmaschine sein! Eilig klopfte er an die Tür, doch nichts regte sich.
 

„Malfoy, mach bitte die Tür auf, es gibt Neuigkeiten mit der Waschmaschine!“
 

„Sprich!“, war der kommandierende Befehl und Ron versuchte sich nicht die positive Einstellung nehmen zu lassen.
 

„Malfoy, stell dich bitte nicht so an, es ist dringend!“
 

Da sich die Tür immer noch nicht öffnete, ließ Ron sich einfach selbst hinein und war froh, dass sie sich mit einem einfachen Alohomora öffnen ließ.

Er wollte gerade davon anfangen, dass er eine Lösung gefunden hatte, doch der Anblick von Malfoy, gekleidet in einer rosa Blumenbluse, ließ ihn fast laut losprusten vor Lachen.

 

„Wag es dir, Weasley!“, warnte er ihn eindringlich, als er sein Buch beiseite legte und langsam, bedrohlich vom Bett aufstand.

Erwartungsvoll verschränkte er die Hände vor der Brust, während Ron mit sich rang und hoffte, dass das Lachen nicht aus ihm herausplatzte. Es blieb ihm jedoch jäh in der Kehle stecken, als er den Riesenhaufen Wäsche auf dem Boden erblickte. Ron schluckte.

 

„Wieviel Wäsche hast du benutzt!“, entfuhr es ihm lautstark, doch er verstummte wieder, als er Dracos gefährlichen Blick sah. Dieser war heute wohl nicht zu Späßen aufgelegt. Seine Nase schien zumindest wieder gerichtet, wie Ron feststellen konnte.

Nun, vielleicht konnte seine neueste Entdeckung den Slytherin-Prinzen etwas milder stimmen.
 

„Also...ich glaube ich hab die Lösung!“, setzte er endlich an. Aufgeregt lief Rons ins Bad und besah sich die dortige Waschmaschine. Ja, das musste es sein. Zuerst steckte er das Ende des Kabels in die dazugehörige Buchse, ließ dann eine 'dreckige' Hose (so dreckig war sie nicht mal, der Blonde hatte sie höchstens ein Mal angehabt, und das sogar nur im Haus ) zu sich fliegen und legte sie in die Maschine. Es war nur zur Probe. Daraufhin schloss er das runde Fenster und drückte paar Tasten, die er auch an dem Trockner gedrückt hatte. Es war ein Kreis mit einem senkrechten Strich in der Mitte. Das stand wohl für 'an' oder 'aus'. Die gleiche Rune war auch am Fernseher, an der 'Fernseherbedienung'

und am Wasserkocher zu finden.

Kurz nachdem er den Knopf gedrückt hatte, ertönte ein bedrohliches Rumoren und Malfoy war fast wie eine verschreckte Katze an die Decke gegangen. Mit einem Satz war er bei Ron und krallte sich an dessen Hemd fest.
 

„Wa-was ist das!“, fauchte er ängstlich und Ron blickte verwundert von den Händen an seiner Seite zu Malfoys verschrecktem Gesicht.
 

„Keine Sorge, der Trockner unten im Bad macht auch komische Geräusche. Leiser und wirbelnder. Aber das Rauschen liegt wohl am Wasser. Ich hab mir die Bedienungsanleitungen durchgelesen. Es muss Wasser in die Maschine gepumpt werden, deswegen macht sie solche Geräusche.“

Gebannt starrte Draco auf die Waschmaschine und zuckte kurz zusammen, als Wasser gegen das Fenster in der Maschine spritzte. Ron entkam ein gepresster lachender Laut. Und dann fing das Innere der Maschine an, sich zu drehen. Draco wurde alleine beim Hinsehen schon schlecht und zufrieden stoppte Ron die Maschine.
 

„Los, gib mir deine Wäsche“, kommandierte er und nacheinander kam Dracos schmutzige Kleidung in das Bad geschwebt. Ron öffnete die Maschine wieder, in der sich nun etwas Wasser gesammelt hatte und legte die Schmutzwäsche hinein.
 

„So, die Maschine ist jetzt voll.“
 

„Was?! Aber das war gerade mal die Hälfte meiner Sachen!“, beschwerte Malfoy sich klagend und Ron schüttelte fassungslos den Kopf.
 

„Wie kann man in nur einer Woche so unsagbar viel Schmutzwäsche machen?“

Es war ihm ein Rätsel! Wirklich unfassbar, aber andererseits ging es hier um Malfoy...eigentlich dürfte ihn so etwas gar nicht wundern.

In der Bedienungsanleitung hatte er gelesen, dass er noch Waschpulver in die Maschine füllen musste. Aber wo fand er - ah dort hinter der Maschine stand eine Kartonpackung! Er nahm sie in die Hand und las die Beschriftung hinten. Es lag eine Dosierkappe in der Packung und er sollte eine davon nehmen. Er füllte das körnige Pulver in eine Klappe oben an der Maschine, schloss die Tür und drückte den Start-Knopf.

Draco, der sich eigentlich vorgenommen hatte, Ron nach dessen letztem Vorwurf eiskalt zu ignorieren, verschränkte trotzig seine Arme vor der Brust.
 

„Ich weiß, das passt nicht in dein schloddriges Weltbild, Weasley - aber es gibt Leute, die mögen es sauber!“, patzte er arrogant, um sich zu verteidigen. Wo gab es denn so etwas? Bisher wurde er noch nie zurecht gewiesen, weil er sich pflegte und auf Hygiene achtete. So eine Kritik konnte auch nur von Weasley kommen!

Sie setzten sich beide auf den Boden und beobachteten, wie die Maschine sich mit Wasser füllte, rotierte und sich Schaum bildete. Es war faszinierend. Auch Malfoy war gespannt von dem Schauspiel.

Weil ihnen nach einer halben Stunde der Hintern schmerzte, ließ Ron paar Kissen von seiner Couch unten hinauf schweben und sie setzten sich darauf. Keiner sagte etwas. Zu interessant war das, was vor ihnen passierte. Noch nie hatten sie so eine Zauberei gesehen.

Es verging einige Zeit und beide wurden etwas schläfrig. Sie hatten wahrscheinlich noch nie so lange schweigend, fast schon friedlich nebeneinander gesessen.

Nach insgesamt eineinhalb Stunden ertönte ein lautes Piepen und beide schreckten aus ihrem dösenden Zustand auf. Malfoy hatte sofort seinen Zauberstab gezückt, bereit sich gegen Eindringlinge zu wehren.
 

„Beruhig dich, es ist nur die Maschine“, lachte Ron leise und öffnete sie. Die Wäsche war noch sehr feucht, fast noch nass.
 

„Jetzt in den Trockner“, murmelte er zu sich selbst und ließ die feuchten Sachen ihm die Treppe hinunter in das Bad folgen. Draco packte sich die beiden Kissen, folgte der schwebenden Schlange aus Kleidern und beobachtete, wie sie in den Trockner flogen. Ron überlegte, was er einstellen sollte und entschied sich für 'Schranktrocken'. Schweigend reichte Draco ein Kissen an Ron und sie setzten sich erneut auf den Boden.

 

Etwa eine Stunde später ertönte wieder ein ähnliches Piepen und diesmal erschrak Draco nicht mehr so sehr wie das erste Mal. Ein Leuchten schlich sich in seine grauen Augen, als Ron die Tür öffnete und ein sauberes , wohl riechendes trockenes Hemd heraus zog. Das war ja wie Zauberei. Es dauerte zwar fast drei Stunden, aber seine Wäsche war sauber. Sein glückliches Strahlen verblasste jedoch sofort bei Rons nächstem Satz.
 

„So, du hast gesehen wie das funktioniert. Da oben wartet eine weitere Ladung Wäsche auf dich. Und meine paar Teile kannst du gleich mit waschen.“
 

„Und wieso sollte ich das tun, Weasley?“, fauchte er unbegeistert und verengte seine Augen zu Schlitzen.
 

„Weil“, Ron trat einen Schritt auf Draco zu „es schon Abend ist und ich die einzige Person hier in diesem Haushalt bin, die kochen kann.“
 

Draco schnaubte. „Kochen kann man das nun wirklich nicht nennen!“

Ron schenkte ihm einen eingeschnappten Blick und baute sich drohend vor Malfoy auf. Sie lieferten sich ein Blickduell, das von Dracos Magenknurren unterbrochen wurde. Ein siegessicheres Grinsen erschien nun auf Rons Lippen und der andere zischte nur drohend.
 

„Schick mir deine dreckige Wäsche nach oben! Wenn sie in fünf Minuten nicht bei mir im Badezimmer ist, wasche ich sie nicht mit!“

Ohne ein weiteres Wort rauschte er gebieterisch an Ron vorbei und grinsend ließ dieser seine schmutzigen Sachen, an welchen zum Teil immer noch das Blut von Dracos Fuß klebte, in dessen Schlafzimmer fliegen.

Nach etwa zwanzig Minuten war Ron mit dem Kochen fertig und brachte Draco einen Teller mit Nudeln und Thunfischsoße hinauf ins Zimmer.
 

„Danke“, murmelte dieser nur konzentriert, während er seine Augen kaum von der Waschmaschine nehmen konnte. Ron glaubte er hatte sich verhört und setzte sich in sein Zimmer vor den Fernseher. Auf seine senfgelbe Couch. Das Essen tat gut und im Fernseher lief wieder diese Serie, die „Buffy , die Dämonenjägerin“ hieß.

Jetzt, wo er mit Malfoy endlich paar Sätze gewechselt hatte, fühlte er sich hier wieder wohler. Er war wieder zu Hause.

Zu Hause.

War das wirklich sein Zuhause?

Es schien so...

 

Am Abend kam ein Zettel zu ihm ins Wohnzimmer geflogen.

„Du machst den Trockner!“, hieß die Anweisung darauf und dann kam die feuchte Wäsche auch nach und nach ins untere Bad geflogen. Ron folgte ihr, öffnete die Tür des Trockners und schaltete ihn ein. Danach setzte er sich wieder vor seinen geliebten schwarzen Kasten und wartete darauf, dass es piepte und er die Kleidung heraus holen konnte. Zurück vor den Fernseher versuchte er die Kleidung so zusammen zu legen, wie er es von seiner Mutter kannte. Anschließend trug er den Riesenstapel Wäsche zu Malfoy hinauf und klopfte. Sofort wurde ihm aufgemacht und der Stapel abgenommen.
 

„Danke.“

Das zweite Danke heute schon. Ron traute seinen Ohren kaum. Doch bevor er das Zimmer verlassen konnte, wurde ihm ein ellenlanger Zettel entgegen gehalten.

„Regeln und Pflichten“ stand darauf und bevor Ron irgendetwas dazu erwidern konnte, wurde ihm schon die Tür vor der Nase zugeschlagen. Perplex blinzelte er die weiße Tür an und lief herunter zu seiner Couch. Dort mache er es sich bequem und las sich den Zettel interessiert durch.

 

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Regeln für ein friedliches Zusammenleben

 

1. Frühstück um 10; Mittag um 2; Abendessen um 7.

2. Bettruhe ab 22 Uhr , schwarzen Kasten aus oder auf minimalste Geräuschstufe stellen!

3. Raumteilung:

            → Oberes Zimmer plus Bad gehört Malfoy.

            → Unteres Wohnzimmer plus Bad ist Weasley gestattet.

4. Arbeitsteilung:

            → Weasley: ° Kochen ° Putzen ° Wäsche in den Trockner geben und zusammenlegen

            → Malfoy: ° Wäsche in die Waschmaschine ° Schutzzauber

 

Spezielle Regeln für Weasley:

 

5. Alle Vorräte und Ressourcen werden geteilt, Bunkern und Verstecken ist verboten.

6. Verlassen des Verstecks, Zielort und Zeitpunkt der Rückkehr müssen mitgeteilt werden.

7. Kein Gift in Essen oder Tee mischen!!!!

8. Verletzen der anderen Person ist nicht gestattet.

9. Die Sicherheit des Verstecks darf unter keinen Umständen gefährdet werden.

10. Nicht gestattet, in Malfoys Privatreich zu platzen!

 

 

Datum: 20.10.1997 Unterschrift:

 

 

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Ron schüttelte teils belustigt, teils entrüstet seinen Kopf und schrieb dazu:

 

 

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Regeln für ein friedliches Zusammenleben

 

1. Frühstück um 12; Mittag um 2 (gestrichen, ich werde mich bestimmt nicht dreimal am Tag in die Küche stellen), Abendessen um 6 (dafür etwas üppiger).

2. Bettruhe ab 22 Uhr, schwarzen Kasten aus oder auf minimalste Geräuschstufe stellen (benutz doch einen Geräuscheblocker, damit du nichts hörst!)

3. Raumteilung:

               → Oberes Zimmer plus Bad gehört Malfoy. (von mir aus)

               → Unteres Wohnzimmer plus Bad ist Weasley gestattet (sehr großzügig)

4. Arbeitsteilung:

              → Weasley: °Kochen °Putzen (putz dein „Reich“ gefälligst selber) °Wäsche in den Trockner geben ° Wäsche zusammenlegen

             → Malfoy: °Wäsche in die Waschmaschine ° Schutzzauber (plus °Abwasch → der eine kocht, der andere macht den Abwasch!)

 

Spezielle Regeln für Weasley (UND Malfoy!)

5. Alle Vorräte und Ressourcen werden geteilt, Bunkern und Verstecken ist verboten.

6. Verlassen des Verstecks, Zielort und Zeitpunkt der Rückkehr müssen mitgeteilt werden.

7. Kein Gift in Essen oder Tee mischen!!!!

8. Verletzen der anderen Person ist nicht gestattet (der CRUCIATUS und alle Verbotenen Flüche bleiben verboten!!!!)

9. Die Sicherheit des Verstecks darf unter keinen Umständen gefährdet werden.

10. Nicht gestattet in Malfoys Privatreich zu platzen (und umgekehrt!!! wer ist einfach in mein Badezimmer appariert als ich halbnackt war?)

(11. Pro Woche nur eine Waschmaschine → weniger Wäsche beschmutzen!!!)
 

 

Datum: 20.10.1997 Unterschrift:

 

 

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Als er fertig mit seinen Ergänzungen war, schickte er das Blatt Papier hinauf, es schwebte zwischen den Pfosten der Balustrade hindurch und flog dann unter der Tür in Malfoys Zimmer.

Es dauerte nicht lange , da kam der Zettel auch schon wieder zurück.
 

 

1. Frühstück um 12, Mittag um 2 (gestrichen, ich werde mich bestimmt nicht dreimal am Tag in die Küche stellen), Abendessen um 6 (dafür etwas üppiger).

[Wenn es sein muss.]

 

Ron lächelte zufrieden. Punkt 1 war also entschieden.

 

 

2. Bettruhe ab 22 Uhr → schwarzen Kasten aus oder auf minimalste Geräuschstufe stellen (benutz doch einen Geräuscheblocker, damit du nichts hörst)

[Ich muss Eindringlinge hören können, um unser Haus zu beschützen, also wäre es vorteilhaft, wenn du abends den Kasten leiser stellst. Keine weiteren Diskussionen erwünscht.]

 

Gut, der Grund war plausibel. Deswegen schrieb Ron ein „In Ordnung“ darunter.

Auch der dritte Punkt, bezüglich der Raumverteilung war klar vereinbart. Was man über Punkt vier nicht gerade behaupten konnte.

 

4. Arbeitsteilung:

→ Weasley: °Kochen °Putzen (putz dein „Reich“ gefälligst selber) [werde ich, deiner sogenannten Sauberkeit ist sowieso nicht zu trauen] °Wäsche in den Trockner geben ° Wäsche zusammenlegen

→ Malfoy: °Wäsche in die Waschmaschine ° Schutzzauber (plus °Abwasch → der eine kocht, der andere macht den Abwasch!) [Du kannst vergessen, dass ich je den Abwasch mache. Ich bin nicht für niedere Hauselfenarbeit geschaffen. Dieser Punkt bedarf keiner weiteren Diskussion.]
 

 

Ron war wirklich wütend. Bei seinen Aufgaben stand mehr als bei Malfoys, doch da jeder sein eigenes Reich selbst putzen würde und er sich sowieso fast immer in der Küche aufhielt, konnte er da auch auf Malfoys Gesellschaft verzichten. Dann würde er eben den Abwasch machen. Auch wenn er sich so langsam wie Malfoys Hauselfe fühlte.
 

Spezielle Regeln für Weasley (UND Malfoy!)

5. Alle Vorräte und Ressourcen werden geteilt, Bunkern und Verstecken ist verboten

[ICH habe keine Schokolade versteckt und dann fast die kompletten Vorräte entführt und nur die Hälfte wieder mitgebracht!!]

„Trotzdem wirst auch du dich an diese Regel halten“, schrieb Ron darunter und überlegte gleichzeitig, ob er sich wegen der gestohlenen Schokolade schuldig fühlte. Die Antwort lautete nein. Doch für den Frieden würde er ab sofort versuchen, alles zu teilen. Na, das würde spannend werden. Brüderlich teilen - mit Malfoy! Doch bevor er sich in den abstrusen Gedanken hineinsteigern konnte, las er weiter.
 

6. Verlassen des Verstecks, Zielort und Zeitpunkt der Rückkehr müssen mitgeteilt werden.

[Diese Gleichberechtigung kann bei diesem Punkt geduldet werden.]

 

Oh, und schon wieder ein Punkt, wo Malfoy seine Änderung duldete. Das war ja interessant.

 

7. Kein Gift in Essen oder Tee mischen!!!!

[Dieser Punkt betrifft mich nicht, da ich nicht vorhabe, je einen Tee zu kochen. Oder generell zu kochen. Und dir erst recht nicht. Außerdem würde mir so etwas Hinterlistiges nie in den Sinn kommen, das ist deine Spezialität, Wieselbee!]

 

„Falls du aber je kochen solltest...“ ergänzte Ron. „Und das eine Mal mit dem Tee war eine Ausnahme! In einer Notsituation!“ Er musste sich einfach verteidigen! Er war niemand, der wahllos Essen oder Getränke vergiftete! Noch nicht einmal Malfoys. "Außerdem ist vergiften hier etwas übertrieben, findest du nicht?" Immerhin handelte es sich bei seiner Aktion damals um Muggelschlaftrunk und um kein tödliches Elixier! Doch ein ganz kleiner Teil in ihm konnte Malfoys Entrüstung vielleicht nachempfinden.

 

8. Verletzen der anderen Person ist nicht gestattet (der CRUCIATUS und alle Verbotenen Flüche bleiben verboten!)

[Fair ist fair.]

 

Er konnte ja kaum glauben, dass Malfoy ihm in einigen Punkten wirklich zustimmte.

 

9. Die Sicherheit des Verstecks darf unter keinen Umständen gefährdet werden.

 

Punkt 9 war wohl beiden zu wichtig, als dass sie ihn mit Widerworten infrage stellen wollten. Denn insbesondere für Ron war Sicherheit nach wochenlanger Flucht zu einer höchsten Priorität geworden (neben dem Essen, verstand sich natürlich). Denn die Welt dort draußen war mittlerweile zu verrückt und gefährlich geworden. Also hieß es, diese Sicherheit, die ihnen noch geblieben war, keinesfalls zu riskieren.

 

10. Nicht gestattet, in Malfoys Privatreich zu platzen ( und umgekehrt!!! wer ist einfach in mein Badezimmer appariert als ich halbnackt war?)

[Leider handelt es sich bei deinem „Reich“ um einen offenen Raum, wie soll ich da nicht reinplatzen?]

 

„Gut“, kommentierte Ron und schrieb dann weiter. „Die Achtung der Privatsphäre sollte jedoch bewahrt werden. Also kein Apparieren in mein Badezimmer bitte. Danke.“

 

Zu genau konnte er sich noch daran erinnern, wie Malfoy auf einmal so plötzlich in seinem Badezimmer stand und ihn zu Tode erschrocken hatte. Kaum auszudenken, wenn er zu diesem Zeitpunkt nackt gewesen wäre!

 

(11. Pro Woche nur eine Waschmaschine → weniger Wäsche beschmutzen!!!)

[Ich werde es versuchen.]

 

„Danke“, schrieb Ron dazu und schickte das Papier wieder hoch in Malfoys Zimmer. Diesmal hatte er es zu einer kleinen Maus verwandelt, die die Treppen hinauf huschte und unter Malfoys Tür verschwand.
 

 

Endlich konnte er sich wieder seinem warmen Zimttee und seiner heiß geliebten Tafel Schokolade mit schmelzendem Karamell widmen. Da hörte er oben die Türe und sah Malfoy erhaben die Treppe hinunter schreiten, mit ihrem Abkommen in der Hand.

 

„Weasley“, sprach er nickend und setzte sich zu dem anderen auf die Couch.

Ron richtete sich etwas auf und blickte ihn an, während dieser das Papier auf den Tisch ausbreitete.

„Lies es dir durch“, wies er Ron an und dieser gehorchte.

 

Als Punkt 12 hatte der Malfoy-Erbe noch etwas hinzugefügt.

„Gegenseitiges Versorgen der Wunden und generelles Helfen werden begrüßt.“

 

 

Ron mussste ein Lächeln unterdrücken. Es schien tatsächlich, als ob sie ohne viel Motzen und Widerworte ein Abkommen zustande gebracht haben.

Draco reichte ihm mit den Worten „Wir müssen bald unbedingt Feder und Tinte auftreiben, dieses komische Muggelschreibutensil liegt fürchterlich in der Hand“, den Stift und Ron setzte seine Unterschrift darunter.

Jetzt lächelte sogar Draco und auch er unterschrieb ihre Regeln. Dann sah er zu Ron und betrachtete ihn eingehend.

 

„Wieso bist du wieder zurück gekommen, Weasley?“, fragte er ihn ruhig, doch das Grau seiner Augen wirkte auf einmal so stechend, so fordernd. Ron schluckte. Sollte er die Wahrheit sagen? Seine Frage wurde ihm beantwortet, als ob Draco Gedanken lesen konnte.

„Die Wahrheit“, verlangte er. Jedoch nicht so herrisch wie sonst immer.

 

„Ich wollte Harry und Hermine finden. Ich habe sie an diesem einen Tag damals, als wir uns begegnet sind, verlassen. Aber sie sind bereits weg. Ich habe zwei Tage und zwei Nächte überall gesucht. Ich habe sie verloren.“

Gegen Ende wurde seine Stimme immer leiser und Draco betrachtete ihn weiter eingehend.

 

„Und wieso hast du sie damals verlassen? Sag bloß, das Schlammblut hat sich für Potter entschieden und dein Weasley-Stolz konnte das nicht verkraften.“

Ein wenig Spott begleitete die Worte, jedoch nur unterschwellig. Zumindest würde er es Weasley wünschen, dass das Schlammblut sich von ihm abgewandt hatte. Seiner Meinung nach hatte Weasley etwas Besseres verdient. Etwas Reineres. Immerhin war er selbst ein Reinblüter. Und sogar einer der Unantastbaren, wobei er sich nicht sicher war, ob Ron das überhaupt wusste. Seine Worte nahm der Rothaarige jedoch nicht so toll auf wie erwartet.

 

„Nenn sie nie wieder so“, fauchte er ihn gefährlich an und wandte sein Gesicht kurz ab. „Und falls du es unbedingt wissen musst, nein es war nicht so. Ich hatte nur...die Schnauze voll.“

 

Die scharfen grauen Augen beobachteten Weasley intensiv, wollten mehr erfahren. Jede Kleinigkeit seiner Mimik analysieren, um seine Worte auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Er wollte mehr wissen, doch bevor er seine nächste Frage stellen konnte, drehte Ron sich wieder zu ihm und sah ihm direkt in die kalten Augen.

 

„Und was ist mit dir? Wieso warst du damals in dem Wald?“ Soweit er wusste, lag der Wald ganz und gar nicht in der Nähe des Malfoy- Anwesens. War er damals zusammen mit den Greifern? Oder war er ihnen entwischt? Nein, das konnte nicht sein. Oder...?

Draco wollte seinem Blick ausweichen, doch Ron sprach ruhig und erwartend.

 

„Nur die Wahrheit, Malfoy.“

Dieser seufzte leise.
 

„In diesem Wald habe ich meine Vorräte gebunkert, falls ich irgendwann mal flüchten müsste. Und an diesem besagten Tag sollte es so weit sein. Aber dank eines Wiesels, kam ich nicht bis zu meinen Vorräten.“

Ein klarer Vorwurf lag in seiner Stimme, doch seine Augen waren nicht mehr so kalt wie vorher.

 

„Und wieso wolltest du flüchten?“, fragte Ron, den Vorwurf bewusst ignoriend. Etwas vorsichtiger als zuvor. Draco entgegnete dem neugierigen Blick standhaft und fest.

 

„Fallen dir keine Gründe ein, warum man aus einem Haus, in welchem der Dunkle Lord sein Unwesen treibt, flüchten will?“

Er zog seine Augenbrauen rhetorisch fragend in die Höhe und Ron schwieg. Eigentlich hatte er noch Fragen. Mehr als genug.

Und auch Malfoy schien es so zu gehen. Er dachte daran, dass Weasley Potter verloren hatte. Also war Potter keine Option mehr. Sein Plan B mit Potter als Tribut heimzukehren, war nun gestorben.

 

„Also gibt es im Moment nur uns beide“, meinte Draco nachdenklich und Ron nickte.

„Scheint so“, murmelte dieser. Er wusste selbst nicht, was er davon halten sollte, dass das hier nun ihre einzige Möglichkeit war.

„Du weißt, dass gegenseitiges Vertrauen unabdingbar ist, nicht?“, fragte er.

Ron nickte.

„Nun, dann würde ich vorschlagen: Frieden.“

 

Er streckte seinem langjährigen Schulfeind seine schmale Hand entgegen und dieser betrachtete sie eingehend. Als Draco dachte, er müsste vergeblich auf Rons Hand warten, wurde die seine schon ergriffen und von dem Rotschopf festgehalten. Braune Augen blickten tief in die grauen.

 

„Ich hätte das hier zwar nicht für möglich gehalten, aber ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen.“

 

Das offene, aber doch etwas vorsichtige Lächeln machte Draco für einen Moment sprachlos. Weasleys braune Augen leuchteten auf einmal so vertrauensvoll und für einen Augenblick konnte er verstehen, wieso Potter sich jahrelang auf diesen armen Blutsverräter verlassen hatte.

Und ein tief versteckter Teil in ihm hoffte darauf, dass ihm irgendwann einmal die gleiche Loyalität zuteil werden würde, die Potter so lange Zeit vor ihm genießen durfte.

Ich riech Dich nur, ich spüre Dich

7. September 1999
 

Als Ron aufwachte, war dieses unangenehme Gefühl immer noch da. Es war nicht verschwunden, so wie er es sich vor dem Schlafengehen noch versucht hatte einzureden. Es war immer noch da. Dieses Herzrasen. Und diese Gedanken.

An Malfoy.

Schneller atmend legte er sich seine Hände über das Gesicht. Was in Merlins Namen...?

Er fühlte sich nervös und zittrig. Und das nicht nur seit gestern. Eigentlich schon seit dem 1. Schultag. Als sich ihre Blicke getroffen hatten.

Schon da hatte etwas in der Luft gelegen. Und schon da hatte Ron das ungute Gefühl beschlichen, dass etwas anders war.

Aber SO anders? So anders, dass er Herzrasen bekam, wenn Draco ihn nur ansah?

Das hatte er da noch nicht ahnen können. Dass seine Gefühle auf einmal verrückt spielen würden... Wegen DEM? Wegen Draco? Malfoy?

Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er wusste nur, dass es zum Leugnen schon zu spät war. So etwas konnte man nicht leugnen. Nicht mal er, Ron Weasley. Auch wenn sein Gefühlsvermögen sonst so klein war, dass es auf einen Teelöffel passte... Das hier konnte sogar selbst er nicht übersehen. Zuerst die Sache am See, als sie sich fast geprügelt hatten und Draco ihn mit einem sehr zweideutigen Blick angesehen hatte. Und dann gestern.
 

Gestern.

Ein verzweifeltes Schnauben verließ Rons Kehle. Was zur Hölle war gestern passiert? Sie hatten sich fast geküsst!?

Geküsst!

Sein Atem beschleunigte sich und sein Herz raste noch bedrohlicher in seiner Brust.

Er konnte es nicht überspielen.

Etwas stimmte nicht mit ihm. Und es war nicht so wie damals bei Romilda Wayne, nein, diesmal fühlte sich der Zauber ganz, ganz anders an.

So, als ob er seine gesamten Gedanken außer Gefecht setzen konnte. Manchmal drehte sich alles bei ihm, er bekam Halluzinationen von Erlebnissen, die er nie gehabt hatte.

Der Zauber, oder Trank - oder was auch immer es war, das der durchtriebene Slytherin gegen ihn verwendete - es musste etwas mit schwarzer Magie zu tun haben.

Das war die einzige Möglichkeit. Sonst wäre das alles wohl kaum möglich!

Jedes Mal, wenn er an ihn dachte, konnte er nicht mehr damit aufhören. Er sah diese eisgrauen Augen so deutlich vor sich. So undurchdringlich, und doch so hilflos. Die blonden Strähnen, die ihm sanft ins Gesicht fielen...und der Duft. Der Duft, der ihm schon öfter in der ersten Schulwoche den Verstand vernebelt hatte...

Moment...der ihm den Verstand vernebelt hatte? Ja...das musste es sein! Dieser Duft! Etwas stimmte nicht mit diesem Duft! Vielleicht war es ein dunkelmagisches Elixier, das einen nach und nach willenlos machte. Zum Spielzeug des anderen.

Das musste es sein! Malfoys Plan! Immer, wenn sie sich begegneten, verwendete er diesen Geruch um Rons Verstand zu verwirren.
 

Das war es! Mit ihm war alles in Ordnung! Es war Malfoy, der seine Spielchen mit ihm trieb. Aus welchem Grund auch immer. Doch heute würde er dem ganzen ein Ende bereiten. Entschlossen hob er sich aus seinem Bett. Harry schlief noch, das hieß es war noch früh. Die Zwillinge waren auch noch nicht in sein Zimmer gestürmt, um ihn für ihr Training zu wecken.
 

Leise zog er sich an, wusch sich eilig das Gesicht und huschte aus dem Zimmer und aus dem Gemeinschaftshaus. Den Atem immer anhaltend, weil er Angst hatte auf jemanden zu stoßen, der etwas mit ihm im Schilde führte. Er musste um jeden Preis vermeiden, ihm zu begegnen. Vielleicht wäre es bei ihrem nächsten Zusammentreffen schon zu spät. Wer wusste schon, wie lange Malfoy den hinterlistigen Plan durchführte, und wie lange er dieses Elixier verwendete. Ron wusste nur, dass es das letzte Mal schon fast zu spät war. Um ein Haar hatten sich ihre Lippen berührt. Wer wusste, was das nächste Mal passieren würde. Und ehrlich gesagt wollte Ron es gar nicht wissen. Nicht, dass er die letzten Tage nicht heimlich davon fantasiert hatte. Gerade das war ja das Schlimme! Die schleimige Made hatte erfolgreich einen Weg in seine Gedanken gefunden! Und sie stetig manipuliert. So dass er gestern fast schon darauf gehofft hatte, sie würden sich küssen.
 

Unglaublich! Und nicht nur das, auch jetzt hoffte noch ein kleiner Teil von ihm, dass Malfoy hinter dem Eingang zu ihrem Gemeinschaftshaus stand und ihn wissend angrinste. Ron fühlte sich nicht mehr wie er selbst. Wenn er immer noch Ron Weasley wäre, würde er dann daran denken, Malfoy an die Steinmauer zu drücken und ihn zu küssen?
 

Nein.
 

Seine Schritte beschleunigten sich und hallten von den nackten Steinwänden der verlassenen Korridore wider.

Seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen huschte Ron wie ein Schatten durchs Schloss, bis ihn schließlich die frische Morgenluft begrüßte. Endlich draußen angekommen, stolperte er hastig über die Ländereien. Er wusste nicht genau, was sein Plan war, aber als er den See erreichte, wusste er es.
 

Dort schwamm er. Draco.
 

Er sah den schmalen Körper. Das blonde Haar über der Wasseroberfläche.
 

Und wieder raste sein Herz. Unnormal. Schnell.

Ron schluckte. Sein Körper war wie gelähmt und seine Füße gehorchten ihm nicht mehr. Er sollte sich verstecken. Aber er konnte nicht. Alles in ihm schrie danach, auf das Ufer zuzulaufen. Sich seiner Kleidung zu entledigen. Und ins Wasser zu gleiten. Auf ihn zu.

Um schließlich das zu tun, woran er die letzten Tage unaufhörlich denken konnte.
 

Er wollte ihn zu sich ziehen.

Seine Arme um ihn schlingen und ihn festhalten. So als ob er ihm gehörte.

Er wollte ihn küssen. Vorsichtig. Fordernd. Gefühlvoll. Leidenschaftlich.
 

Seine Schritte brachten ihn automatisch in Richtung See, bis er abrupt kehrt machte und auf die Büsche zusteuerte.
 

Nein.

Das war nicht normal. Nicht Malfoy.

NICHT Malfoy.

Aus so vielen Gründen nicht.

Ron wusste nicht einmal, wo er da anfangen sollte.

Dass Draco ein Arsch war, ein Slytherin, sein jahrelanger Erzfeind oder ein Ex-Todesser? Oder ein Junge?

Ein Grund schlimmer als der andere. Im Dickicht versuchte Ron seinen Atem zu stabilisieren. Um ihn herum Büsche, Sträucher und Blätter, die ihm eine Art Schutz spendeten. Aber wovor? Die wahre Gefahr lauerte in ihm. Er traute sich selbst nicht mehr.

Was zur Hölle machte er hier?

Und dann sah er ihn. Nicht sehr weit von ihm. Ordentlich zusammengefaltet. Und auf einen flachen Stein platziert. Malfoys Zauberumhang.

Rons Gedanken rasten. Ohne, dass es ihm wirklich bewusst war, hatte er die Kleidung mit einem Accio schon zu sich fliegen lassen. Und ohne es merken, war sein Gesicht in dem schwarzgrünen Stoff vergraben.
 

Oh Himmel.
 

Dieser Geruch. Ein leises Seufzen entkam seinen zitternden Lippen.

Oh Merlin...seine Gedanken drehten sich. Es fühlte sich an wie Apparieren. Alles drehte sich, alles verschwamm vor seinen Augen. Und dieser Geruch... verwandelte seine ganze Welt in Nebel. Die Wirklichkeit löste sich in Rauch auf. Was blieb, war ein Gefühl, eine Ungewissheit.

Wo war er? Er hatte das Gefühl, irgendwo anders zu sein. Im Wald. Am Meer. Oder in einer Hütte. Er roch Moos und Blätter. Salzige Meerluft. Und dann diesen unverkennbaren Geruch.

Draco.
 

„Weasley?“

Starre. Sein Atem hielt sich wie von selbst an und seine Augen weiteten sich.

„Weasley, was machst du da?“

Er hörte einen ungläubigen Laut, ähnlich wie ein Lachen. Oh nein. Seine Augen huschten verschreckt durch die Büsche an das Ufer, wo ein halbnackter Malfoy stand, die Arme vor seiner Brust verschränkt und neugierig in die Büsche linsend.

Er sah nicht viel, nur eine schwarze Shorts, einen definierten Oberkörper. Definierte Oberarme.

Ron schluckte. Seine Gedanken waren wie weg geblasen.
 

„Sag bloß, du machst dich über meine Robe her?“ Jetzt lachte Malfoy wirklich und Rons Augen huschten panisch zu seinen Händen, die Malfoys Zauberumhang fest umklammert hielten. Die Erkenntnis schoss wie ein kalter Schock durch seine Adern.

Wieso hatte er Malfoys Zauberumhang in den Händen? Und wieso um Merlins willen war er in den Büschen versteckt?

Neinneinnein...Oh nein...das durfte jetzt bloß keine Wirklichkeit sein. Wie redete er sich da heraus? Konnte man sich da überhaupt herausreden? Er wollte verschwinden...sterben...!
 

“Weasley, ich mache dir keinen Vorwurf, wir wissen doch beide, dass du insgeheim ein Auge auf mich geworfen hast. Aber ich steh nun mal nicht gerne halb entblößt in der Gegend herum.“
 

Ron fühlte sich in einer halben Ohnmacht, unfähig sich zu rühren. Doch da hörte er von weitem Schritte. Die Zwillinge? Auch Draco schien die Schritte gehört zu haben, denn sein Ton wurde etwas unruhiger und schärfer.

„Komm da raus, Weasley! Ich weiß, dass du meine Sachen hast! Ich meine es ernst!“

Und erst da bemerkte Ron es erst. Das Dunkle Mal, das sich unheilvoll auf der hellen Haut abzeichnete. Gefährlich und drohend. Unbewusst biss er sich auf die Lippe und dann hörte er unfreundliches Rufen.
 

„Ey Malfoy, immer noch stolz darauf ein Todesser zu sein?“

Die Stimme dröhnte laut über den See und erschrocken zuckte Ron zusammen.

Oh du heilige...
 

Auch Draco schien sich etwas erschrocken zu haben, doch merkte man es ihm kaum an. Kühl wie eh und je drehte er sich zu dem anderen.
 

„Du kennst mich, Finnigan“, antwortet er arrogant wie gewöhnlich. „Es gibt nichts in meinem Leben, worauf ich nicht stolz bin.“

Ron glaubte, eine Spur Sarkasmus heraus zu hören, doch Seamus anscheinend nicht.
 

Aus Angst in den Büschen entdeckt zu werden und dann seine überaus peinliche Situation erklären zu müssen, hielt Ron die Luft an und hoffte, dass die Situation sich so schnell wie möglich auflösen würde. Damit er endlich verschwinden und so tun konnte, als wäre nichts passiert.

Doch dann ging es auf einmal ganz schnell.

Ein gezückter Zauberstab, ein gepresster Schrei.

Ein geschockter Seamus, und ein zu Boden gehender Malfoy.
 

Ron riss seine Augen weit auf. Unfähig, etwas zu tun. Seamus stand nur da und starrte im Schock auf Malfoy, der sich am Boden keuchend den Arm hielt. Erst als Malfoy ein gepeinigtes Geräusch von sich gab, konnte Ron schließlich aus den Büschen stürzen.

Direkt auf die beiden zu.

„Seamus!“, schrie er, doch der andere Gryffindor starrte nur auf das Blut am Boden.

Woher kam das ganze Blut?

Ron stürzte zu Draco und ließ sich neben ihm auf die Knie fallen.
 

„Ron“, keuchte der Blonde schmerzerfüllt und wieder drehte sich alles bei Ron.

Es war so viel Blut, dass er nicht richtig sehen konnte, woher es kam. Doch dann bemerkte er den Arm. Draco presste seine rechte Hand auf den linken Arm.

„Seamus, was hast du getan?“, schrie er jetzt und riss sich geistesgegenwärtig einen Fetzen seines Zauberumhangs ab.

Draco war ungewöhnlich still für seine Verhältnisse, seine Augen waren zugekniffen und er biss sich fest auf die Lippe, um bloß keinen Laut über sie dringen zu lassen.

Doch als Ron ihm den Stofffetzen umbinden wollte, schüttelte er nur den Kopf.

„Vulnera“, keuchte er schwer atmend und Ron hatte Mühe ihn richtig zu verstehen.

„Vulnera Sanentum?“, fragte er hektisch.

Draco nickte kraftlos.

Wie...aber er hatte den Zauber doch erst gestern zum ersten Mal geübt!

„Ron“, drängte er schwach und ohne weiter nachzudenken, zückte der Gryffindor seinen Zauberstab und sprach den Zauber. Es dauerte kurz, doch dann schloss sich die tiefe klaffende Wunde zum Teil. Zumindest schoss das Blut nicht mehr nur so aus ihr heraus. Seamus hatte Draco den ganzen Unterarm senkrecht aufgeschlitzt.

Stöhnend sackte der Verwundete in sich zusammen und griff in seinem letzten Instinkt noch nach Rons Kragen.
 

"Ich sterbe", keuchte er leicht panisch und in diesem Moment brach eine kalte Welle der Panik auch über Ron herein.

"Nein, nein du stirbst nicht", versuchte er den anderen zu beruhigen.
 

Entschlossen rief er seinen Besen mit Accio zu sich. "Du stirbst nicht", wiederholte er. Jedoch hörte es sich fast wie eine Bitte an, wie ein Hoffen. Denn bei dieser unheimlich großen Menge an Blut war er sich damit nicht sicher.

"Stirb nicht", murmelte er wie im Wahn. "Nicht vor mir."
 

Keine halbe Minute musste er warten, da kam sein Besen endlich an. Vorsichtig hob er Dracos schwachen Körper vom Boden und hievte ihn auf den Besen. Er konnte noch daran denken, seinen Umhang über den unbedeckten Körper zu legen, bevor er sich mit einer stabilen Wucht vom Boden abstieß. Der Wind zog scharf an ihnen vorbei, bei Ron drehte sich alles, es fühlte sich wie in einem Traum an. Einem Alptraum. Er dachte nicht, sondern handelte.

Beschützend hatte er den verwundeten Körper an sich gepresst. Nahm den Geruch wahr, der ihm schon lange den Verstand vernebelte. Hörte das rasselnde Keuchen im rauschenden Wind und spürte das unaufhörliche Zittern unter seinem Zauberumhang. Er wusste selbst nicht genau, wie er das Fenster des Krankenflügels geöffnet hatte, jedenfalls stand er schließlich mit einem eingehüllten Malfoy auf den Armen im Krankenflügel.
 

Blut tropfte in dünnen Rinnsälen auf den Boden. Eine Phiole zersplitterte auf dem Boden und eine herbei eilende Madame Pomfrey stieß einen erschrockenen Laut aus, als sie die halb verschlossenen Riesenwunde sah. In Sekundenschnelle war ein Bett frei gemacht und Ron wollte den Körper vorsichtig auf die Matratze legen.
 

„Lass ...mich nicht ...los“, bat Draco mit rasselndem Atem und in diesem Moment schrie in Ron alles danach, dieser Bitte nachzukommen.

Instinktiv drückte er Draco fester an sich, doch Madame Pomfreys ungeduldiges Zungenschnalzen brachte ihn wieder in die Realität zurück.
 

„Mister Weasley, warten Sie draußen“, befahl sie ihm in Eile, doch Malfoy schüttelte den Kopf, wollte Rons Kragen unter keinen Umständen los lassen.
 

„Mister Malfoy, nun seien Sie vernünftig!“, bat sie ungeduldig und trennte die beiden mit einem schnellen Zauber. Ehe Ron es sich versah, wurden die Vorhänge zu gezogen. Doch durch den Stoff hörte er immer noch ein wehleidiges Rufen seines Namens.

Das entfachte Panik in ihm und er zerrte an den Vorhängen, um zu Malfoy gelangen.
 

„Ron?“ Eine sanfte Hand auf seiner Schulter ließ ihn innehalten.
 

„Miss Granger, bringen Sie Mister Weasley sofort hier raus, er behindert mich bei der Arbeit!“, tönte Miss Pomfreys Stimme streng hinter den Vorhängen und Hermine wollte der Aufforderung sogleich nachkommen.
 

„Ron, lass mich nicht alleine“, keuchte Malfoy leicht ängstlich. Trotz des Vorhangs, der sie beide trennte, konnte Ron die Stimme noch gut hören. Sie schrillte in seinen Ohren und hinderte ihn daran, sich von der Stelle zu rühren.

„Mister Malfoy, halten Sie endlich still, oder Ihnen fehlt gleich der halbe Arm!“, drohte Madame Pomfrey und Ron zerrte wieder an den Vorhängen. Der Stimme folgend, die immer und immer kläglich nach ihm verlangte.
 

„Ron“, diesmal erkannte er Hermines Stimme , obwohl sich alles wieder bei ihm drehte und er das Gefühl hatte zu fallen. In eine Ungewissheit.

Am liebsten würde er die Vorhänge entzwei reißen, um zu Draco zu gelangen, aber Hermines Zug an seinem Arm war fester, als man es ihr zutrauen würde.
 

„Komm jetzt“, zischte sie und zog ihn vor die Krankenflügeltür. Schwindelig lehnte Ron seine Stirn gegen die kühle Wand und versuchte so irgendeine Art von Halt zu bekommen.
 

Neben sich hörte er ein erschrockenes Zischen. „Ron! Woher kommt das ganze Blut?“ Erst jetzt schien sie das ganze Blut an seiner Kleidung bemerkt zu haben. Benommen blickte er seitlich auf seine beste Freundin, die sich die Hände vor den Mund hielt. Er sah durch eine Art Nebel, dass ihre Augen aufgerissen waren.
 

„Keine Ahung“, keuchte er etwas angestrengt. „Er...hat geschrien...wie aus dem Nichts...sein Arm riss immer wieder auf...das Dunkle Mal...Blut überall...“ Hermine packte ihn besorgt am Arm, weil sie fast kein Wort aus seinem Mund verstand.

„Was ist passiert?“, drängte sie ihn. „Ich weiß nicht“, stammelte er jetzt neben der Spur.
 

„Das Dunkle Mal...Du-weißt-schon-wer...er muss ihn gefunden haben...als Bestrafung...aufgerissen...“

Um ihn herum wurde es ganz still. Totenstill. Er hörte nichts außer seinem eigenen Blutrauschen in seinen Ohren. Und Dracos Rufe in seinem Kopf.
 

„Was hast du gesagt, Ron?“, flüsterte sie unheimlich leise. „Er...Du-weißt- schon-wer hat das getan“, flüsterte er ebenso leise und dann sah Hermine ihren besten Freund an. Tief in die Augen. Verwirrt und verständnislos.

„Ron“, flüsterte sie vorsichtig. „Voldemort ist tot.“
 

Blanke Unverständnis in den braunen Augen ihres jahrelangen besten Freundes.
 

„Nein...“, entgegnete er leise, aber so fest, dass es Hermine innerlich erschütterte. Doch bevor sie noch etwas entgegnen konnte, hallten schnelle Schritte von den Wänden und Harry kam auf sie zugerannt.
 

„Ich...habe es gerade gehört“, schnaufte er außer Atem. „Seamus...ist zu McGonagall gegangen. Ich hab sie noch nie so wütend gesehen“, keuchte er und holte dann kurz Luft.

„Wie geht es Malfoy?“

Hermine hob die Schultern. „Ich...keine Ahnung“, sprach sie leise. „Da war Blut...viel Blut“, flüsterte sie besorgt und dann sah auch Harry das Blut an Rons Kapuzenpulli und an seinen Händen.
 

„Ron“, stieß er erschrocken aus. „Alles klar?“, fragte er besorgt. Der Rothaarige schüttelte benommen seinen Kopf, seine Augen waren glasig und er sah sehr blass aus.

„Draco“, flüsterte er verzweifelt. „Ich muss zu ihm...Du-weißt-schon-wer bringt ihn um..“, keuchte er panisch und zittrig.

Bestürzung spiegelte sich im Gesicht von Harry wider und ratlos blickte er zu Hermine, die eine hilflose Geste machte.

„Ron“, meinte Harry sanft und berührte ihn vorsichtig an der Schulter. „Geht's dir gut?“, fragte er und so, als ob diese Berührung ihn wach gerüttelt hatte, warf der Rothaarige sich gegen die Krankenflügeltür und hämmerte mit den Fäusten dagegen.

„Draco!“, schrie er verzweifelt und sofort schlangen sich Arme um ihn, die ihn von der Tür weg zogen.

„Du kannst da jetzt nicht rein“, versuchte Hermine ihn energisch zu beruhigen, während Harry ihn entschlossen von dem Krankenflügeltor wegzog.
 

„Madame Pomfrey kriegt ihn schon wieder hin, du darfst sie jetzt nicht stören!“

Doch irgendwie kamen die Beruhigungsversuche bei Ron nicht an, das laute Rauschen in seinen Ohren wurde immer bedrohlicher. Seine Gedanken überschlugen sich. Ihm war schlecht. Und er hatte Angst. Er wusste, dass er jetzt bei ihm sein musste.

Irgendwie hatte Harry es aber geschafft, ihn den gesamten Korridor entlang zu schleifen. Und obwohl Ron zurück zu Draco wollte, stolperte er neben Harry her, der ihn mit eisernem Griff festhielt. Alles drehte sich, sein Leben war in einem Karussel gefangen, das nicht aufhören wollte sich im Kreis zu drehen.
 

„Seamus“, rief Hermine plötzlich. „Was ist passiert, bist du nicht bei McGonagall?“

„Doch ...ich...Ron...wie geht es Malfoy?“
 

Das Karussel stoppte und warf Rons Gedanken abrupt aus der Bahn. Er sah wieder klar.

Er sah Seamus vor sich stehen.

Er sah dessen Zauberstab. Und er sah Draco. Auf dem Boden. Blut.
 

Er sah rot.

Mit einer starken Bewegung riss er sich von Harry los und stürzte sich auf Seamus.

„Rühr ihn noch einmal an und ich bringe dich um!“, brüllte er voller Hass und schlug zu.

Einmal. Zweimal. Dreimal.
 

Und dann sah er nur noch schwarz.

Denn du bist, was du isst

25. Oktober
 

Einige Tage waren nach ihrem gemeinsamen Abkommen friedlich verlaufen. Ron kochte zweimal am Tag, machte den Abwasch und stellte abends den schwarzen Kasten etwas leiser, sodass es Draco nicht beim Einschlafen störte und dieser immer noch potentielle Einbrecher hören könnte.
 

Draco ging etwas sparsamer mit seiner sauberen Wäsche um. Er gönnte sich zwar immer noch jeden Tag ein zweistündiges heißes Bad- wenn das Wasser allmählich kalt wurde, erhitzte er es wieder mit einem einfachen Wärmezauber- doch er zog sich danach immer nur frische Shorts und frische Socken an. Hemden und Hosen wechselte er nur alle zwei Tage. Jetzt, nachdem er gesehen hatte, wie lange das Waschen auf Muggelart dauerte, zeigte er schließlich doch etwas Einsicht.

Das würde er Weasley jedoch nie auf die Nase binden. Und außerdem wollte er nie wieder mit so einem peinlichen Frauenfummel vor Weasley stehen. Das war pure Demütigung gewesen!
 

Jeden Abend versorgte Ron Dracos Fuß mit Diptam und verband ihn neu. Auf Dracos Angebot, seine Wunde an der Schulter zu versorgen, ging er jedoch nie ein.
 

Es war gut so wie es war.

Sie redeten nicht allzu viel miteinander, sondern genossen erst einmal den ruhigen Frieden. Wer wusste schon, wie lange dieser anhalten würde? Sie mussten nach den letzten paar Tagen seit ihrer ungeplanten gemeinsamen Flucht erst zu sich finden. Für beide war im Moment klar, dass sie nicht zurück gehen würden. Zunächst. Deswegen wollten sie den Frieden auch unbedingt erhalten.

Natürlich, Reibereien gab es immer. Draco beklagte sich zum Beispiel immer noch über das Essen und bei jeder von Ron angebotenen Tasse Tee erntete der andere tatsächlich ein „Du spinnst wohl, Weasley! Glaubst du etwa wirklich, ich würde jemals wieder deinen Tee probieren? Vergiss das mal schön!“ - fast genauso wie Ron sich das vor einigen Tagen noch ausgemalt hatte.
 

So wie die Tage zuvor hatte Ron es sich mal wieder auf seiner gemütlichen Couch zurecht gemacht, mit einer heißen Tasse Tee und einer Tafel Schokolade. Von dem anderen hatte er den ganzen Nachmittag nichts gehört, das hieß dass Draco mal wieder seiner Leidenschaft frönte und zwei Stunden in seiner Wanne herumplanschte.

Nach seinem täglichen heißen Bad bemühte sich der werte Herr dann endlich hinunter und baute sich vor Ron auf. Als er die Schokolade auf dem Tisch sah, schnappte er sie sich sofort und setzte sich auf das andere Ende des Sofas.
 

„Hey meine Schokolade!“, beklagte Ron sich motzend.

„Ah ah, Weasley schon vergessen? Punkt 5: Es wird brüderlich geteilt! Außerdem hast du schon fast unsere ganze Schokolade im Alleingang verputzt. Und ich habe Hunger. Hättest du schon gekocht, müsste ich nicht auf Schokolade zurückgreifen!“

„Es ist aber erst fünf Uhr!“, entgegnete Ron vehement.

„Na und? Ich habe Hunger!“

„Im Abkommen steht 6 Uhr!“

„Willst du mich etwa verhungern lassen?“

„Na schön, na schön“, Ron erhob sich und lief in die Küche.

„Hey, ist das wieder Buffy die Dämonenjägerin?“ rief Malfoy ihm fragend hinterher.

Ron schüttelte ungläubig seinen Kopf, als er hörte wie Draco den Fernseher lauter stellte und sich auf seinem Schlafplatz ausbreitete. Da ging es jemandem wohl viel zu gut!
 

Als Ron sich mürrisch ihren Vorräten widmete, sah er sich erneut mit einer unabdingbaren Wahrheit konfrontiert, die er Malfoy bisher vorenthalten hatte: Ihre Vorräte neigten sich dem Ende zu.

Er mixte irgendetwas zusammen, Nudeln mit Bohnen und Mais. Der Thunfisch war ihnen schon ausgegangen, sowie die Haferflocken. Gerade benutzte er die letzte Dose Tomaten und es war nur noch eine einzige Tafel Schokolade übrig.
 

Er lief zurück ins Wohnzimmer und reichte Draco einen Teller. Dieser bedankte sich gesittet, bevor er das Gesicht verzog.

„Hoffentlich schmeckt es besser als es aussieht“, beschwerte er sich und Ron überhörte den Kommentar geflissentlich.

„Guten Appetit“, sprach er nur und stellte den Fernseher noch einen Stück lauter, damit er Malfoys Gezetere nicht ertragen musste.

Sie saßen schweigend nebeneinander und aßen. Malfoy füllte sein Wasserglas mit einem Zauber auf und Ron trank nebenbei seinen Tee. Am Ende des Mahls richtete Draco seinen Blick auf Ron.

„Entgegen meiner Erwartung hat es diesmal wieder gut geschmeckt." Ron wollte sich gerade insgeheim über das Lob freuen, da fügte Draco hinzu: "Den Umständen entsprechend.“

Der Rothaarige verrollte seine Augen und Draco grinste. Das war wohl die Art des Malfoys Danke zu sagen. Draco blieb noch weiter auf dem Sofa sitzen und schaute mit Ron zusammen 'ihre' Serie. Sie lief mehrmals am Tag. Und sie gefiel ihnen ganz gut, da es um Vampire, Hexen und Vampirjäger ging. Es war interessant, wie absurd einige Dinge dargestellt wurden, aber auch unterhaltsam.

Außerdem regte sie auch immer zu erhitzten Diskussionen an.

"Die Muggel haben auch echt keine Ahnung! Wie soll eine Hexe ohne Zauberstab zaubern können? Völlig absurd."

"Wieso? Es gibt durchaus Zauberer, die fähig sind, Magie ohne Zauberstab anzuwenden."

"Ja, die Magie der leeren Hand. Aber wie du vielleicht weißt, Weasley, sind die wenigstens dazu in der Lage. Sogar Dumbledore hat meistens seinen Zauberstab benutzt. Außerdem ist es total lächerlich, wie die Muggel denken, dass man die schwierigsten Zauber einfach aus einem Buch lesen kann. Diese Zauber erfordern Übung, einen Zauberstab und Magie."

"Es ist nur eine Muggelfernsehserie, Malfoy."

"Die falsche Tatsachen vermittelt!"

So ähnlich verliefen ihre meisten Diskussionen und Ron konnte nicht immer verneinen, dass Malfoy nicht immer Unrecht hatte.
 

Nach einer Weile räusperte Ron sich vernehmlich und überlegte, wie er ihre Vorratsnot am besten ansprechen sollte.
 

„Nur raus mit der Sprache, Wiesel. Was passt dir nicht?“

Der Blonde wandte noch nicht mal seinen Blick vom Fernseher, so wenig schien ihn zu interessieren, was der andere zu sagen hatte. Statt sich über diese Attitüde aufzuregen, seufzte Ron nur, bevor er es einfach sagte.

„Unsere Vorräte gehen zu Ende.“

Ganz langsam drehte Draco ihm sein unerfreutes Gesicht zu.

„Wie meinst du das?“

Ron schwieg.

Draco brauste auf.

„Du bist für das Essen zuständig! Denk dir etwas aus!“

„Wieso ich! Davon steht nichts in dem Abkommen! Da steht nur etwas von Kochen aber nicht von Vorräten besorgen!“

Draco fuhr sich mit der linken Hand durch sein blondes Haar und seufzte. Weasley hatte wohl recht.

„Dann...keine Ahnung“, er bewegte seine Hände in einer hilflosen Geste nach oben und Ron ergriff wieder das Wort.

„Also...hier im Dorf muss es doch bestimmt einen Markt geben.“

„Schlau, Weasley. Und wie bezahlen wir die Sachen? Wir haben weder Gold geschweige denn Muggelgeld.“

Ron schwieg. Bevor er weiterüberlegte.

„Und was, wenn wir bei irgendwelchen Nachbarn einbrechen und uns Vorräte besorgen?“

Draco zog verwundert seine Augenbrauen hoch bei dem Vorschlag. Das hörte sich ja gar nicht nach einem noblen Gryffindor an. Aber in Anbetracht der Umstände hatten sie wohl nicht sonderlich viele Alternativen.
 

„Nein, Weasley. Das ist zwar eine Überlegung wert, aber es ist zu gefährlich. Wir dürfen die Nachbarn nicht misstrauisch machen. Wenn etwas vermisst wird, wer wird zuerst verdächtigt? Die neuen Nachbarn. Wir."
 

Draco hatte recht. Sie durften keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Immerhin lebte hier schon jemand anderes. Hier im Haus gab es zwar keine Bilder oder Gemälde der hier lebenden Personen, aber der Kleidung nach zu urteilen mussten es eine Frau und ein breiter, großer Mann sein. Wahrscheinlich war dies ihr Ferienhaus und alles was er und Draco im Moment tun konnten, war zu hoffen, dass diese Muggel nicht auf die irrsinnige Idee kämen, im Herbst in die Ferien zu fahren und hierher zu kommen.
 

„Dann können wir auch genauso gut ein Geschäft ausrauben“, fuhr Draco fort und Ron schluckte, bevor ihm auf einmal wieder etwas einfiel.

„Hast du nicht gesagt, du hast Vorräte im Wald gebunkert?“

„Ja, aber dabei handelt es sich nicht um Essensvorräte, Wiesel. Sondern um Tränke, Trankzutaten, einen Kessel und Zauberergold.“

Rons Gesicht erhellte sich bei dem Wort "Gold". Draco warf ihm einen eindeutigen Blick zu.

„Damit können wir uns auch keine Muggelvorräte kaufen. Und in die Winkelgasse können wir im Moment sowieso nicht. Außerdem weiß ich nicht, wo man dort herkömmliche Lebensmittel kauft.“

Malfoy hatte recht. Mal wieder. Leider.
 

„Aber wenn mein Fuß komplett gesund ist, will ich wieder dorthin apparieren. Und die Sachen holen. Ich brauche dabei aber deine Hilfe. Und wir müssen vorsichtig sein. Falls Greifer in dem Wald patrouillieren.“

Das klang nicht abwegig, immerhin waren den Greifern dort gleich zwei Leute durch die Lappen gegangen. Verständlich, dass sie das Gebiet vielleicht bewachten, falls jemand von ihnen zurück kommen würden.
 

„Dann also doch das Muggelgeschäft?“ Der Blonde nickte auf die Frage.

„Gut, dann...gehen wir jetzt los?“, fragte Ron und Draco erhob sich. Er brauchte nicht mehr zwingend seinen Gehstock, weil es seinem Fuß dank Weasleys Diptam schon besser ging.

Beide fühlten sich etwas aufgeregt. Sie würden nun zum ersten Mal gemeinsam das Haus verlassen und das Dorf erkunden. Was, wenn die Muggel hier misstrauisch werden würden?
 

Gerade, als Draco sich seinen frisch gewaschenen Zaubererumhang umlegen wollte, schüttelte Ron demonstrativ seinen Kopf.

„Was ist jetzt schon wieder los?“, fragte Draco genervt.

„Keinen Verdacht erwecken! Zieh dir eine Muggeljacke an!“

Draco rollte mit den Augen und lief hoch in sein Zimmer, um dort nach einer passenden Jacke zu suchen. Er kam in einem stilvollen schwarzen Wollmantel herunter und Ron nickte zufrieden. Ihm lag schon die Frage auf der Zunge, ob das ein Frauenmantel war, bevor ihm auch eine andere Jacke in die Hand gedrückt wurde.

„Und du ziehst die hier an. Ich möchte nicht mit einem armen Bettler zusammen gesehen werden.“

Ungläubig blinzelte Ron ihn an.

„Was ist denn mit meiner eigenen Jacke? Sie ist frisch gewaschen!“

„Sie ist zerschlissen und außerdem kotzgrün. Das geht gar nicht!“
 

Jetzt war es an Ron die Augen zu rollen. Aber er zog sich brav die schwarze, mit Fell gefütterte Jacke an und sie verließen gemeinsam das Haus. Sie wurden von grauem Nebel begrüßt und zogen gleichzeitig ihre Krägen etwas höher.

„Und wo sollen wir jetzt hin?“, fragte Draco.

„Einfach laufen“, schlug Ron vor. Draco schien nicht begeistert. Sie irrten durch die Straßen, blieben dicht beisammen und sahen sich die kleinen Backsteinhäuser mit ihren gepflegten Vorgärten an. Die meisten Häuschen waren aus hellem Sandstein, verziert mit einem dunklen Ziegeldach. Die Gärten waren größtenteils von niedrigen Backsteinmauern abgegrenzt. Es wirkte fast schon idyllisch. Ein kleines Dorf im Nebel. Man hörte die Wellen, die laut und stürmisch gegen die Felsen brandeten.

Doch weit und breit leider kein Markt oder Laden, wo man irgendwelche Lebensmittel kaufen konnte.

Am Wegesrand führte eine etwas ältere Dame ihren Hund aus und Ron warf Draco einen kurzen Blick zu, bevor er diese Frau ansteuerte.

„Weasley“, hörte er warnend hinter sich zischen. „Wiesel, was soll das?“
 

Doch da stand Ron schon direkt vor der Frau und wollte sie ansprechen. Bevor er jedoch nur einen Ton herausbringen konnte, deutete die Dame schon in die entgegengesetzte Richtung.
 

„Ihr müsst ungefähr einen Kilometer in diese Richtung, und bei dem runden Park müsst ihr links abbiegen", erklärte sie den beiden Jungen freundlich. Verwundert warf Ron Draco, der neben ihm stand, einen Seitenblick zu und merkte, wie sich dessen Lippen bewegten. Spinnte er? Tat er gerade das, was Ron dachte, das er tat?
 

„Dann ist es nicht mehr weit. Ein kleiner Laden, aber nicht zu übersehen.“

Schnell bedankte Ron sich und zog Malfoy an seinem Ärmel von der netten Frau weg.

„Sag mal, hast du sie noch alle!“, zischte er aufgebracht in Dracos Ohr. „Du hast wirklich Imperio verwendet, oder?“

Draco grinste nur, und Ron wurde noch wütender. „Es geht hier um unsere Tarnung, du kannst uns nicht auffliegen lassen!“

„Weasley, jetzt stell dich mal nicht so an! Ich habe uns gerettet. Zumindest wissen wir jetzt, wo wir hin müssen.“

„Das hätte ich auch rausbekommen!“

„Mit Imperio ist es aber viel sicherer, außerdem wird so ausgeschlossen, dass sie uns belügt.“

„Wieso sollte sie uns belügen? Das war gerade eine harmlose Frau mit einem Hund!“, regte Ron sich auf und Malfoy zog seine geformten Augenbrauen in die Höhe.

„Sie war ein Muggel!“ Ron blickte ihn nur fassungslos an und wollte sich schon die Haare raufen, doch Draco lief unbeirrt in die Richtung, in die sie geschickt wurden. Den ganzen Weg über war Ron mit Kopfschütteln beschäftigt und Draco mit Grinsen. Als sie endlich vor einem kleinen Laden standen, wollte Draco schon unbeirrt eintreten doch Ron hielt ihn an seinem Wollärmel zurück.

„Warte mal“, flüsterte er leise . „Müssen wir uns nicht absprechen?“

„Absprechen?Wozu?“

„Wozu?! Zum Beispiel wie wir vorgehen oder was wir einkaufen!“

„Überlass das Vorgehen mir“, grinste Draco überlegen und Ron fuhr sofort wieder hoch.

„Oh nein! Vergiss es! Kein Imperio! Malfoy, hörst du mir überhaupt zu? Kein Imperio! Das steht sogar im Abkommen! Und du hast es unterzeichnet!“, erinnerte er ihn vehement daran.

„Oh nein, Weasley. Ich habe unterzeichnet, dass ich den Imperio nicht an DIR ausübe. Bezüglich Muggelgesindel habe ich kein einziges Wort verloren, und jetzt beweg dich!“
 

Er drehte sich um und betrat einfach den Laden. Ron dagegen war ziemlich nervös. Am Eingang standen Einkaufskörbe und er überlegte, ob sie wohl einen brauchen würden. Immerhin wollten sie ja die Sachen stehlen. Trotzdem...Malfoy war schon vorgelaufen, er schnappte sich deswegen schnell einen Korb und eilte ihm hinterher. Gebannt blieb der Malfoy-Erbe vor einem Regal stehen und betrachtete das gesamte Sortiment an Süßigkeiten.

„Woaaah“, entkam es Ron und am liebsten hätte er seinen ganzen Korb damit gefüllt. Schokolierte Früchte, Kekse, Nüsse, Schokowaffeln, Weingummi. Ron schmolz das Wasser im Mund zusammen und auch Draco ging es ähnlich. Doch bevor Ron nicht wusste, wie ihr Plan war, traute er sich nicht, irgendetwas in den Korb zu legen. Deswegen trat er näher an Draco heran und fragte ihn flüsternd.

„Wie siehst dein Plan jetzt aus?“

„Wir füllen einfach den Korb. Den Rest überlässt du mir.“ Er schenkte ihm ein eindeutiges Zwinkern und Ron stöhnte leise auf.

„Nicht den Imperio!“

„Wie sollen wir es sonst machen? Die Sachen unter unsere Jacken aus dem Laden schmuggeln?“, fragte Draco nun und Ron seufzte. Ja, es musste wohl der Imperio sein. Solange nicht er ihn an einer unschuldigen Verkäuferin ausüben musste, sondern Draco die Drecksarbeit überließ. ..Aber begeistert war er immer noch nicht.

„Und was nehmen wir mit? Schokolade?“, war seine hoffnungsvolle Frage.

„Nein.“ Seine Hoffnung löste sich in trauriges Nichts auf.

„Erstmal die wichtigen Sachen und wenn wir noch Platz haben, dann Schokolade.“
 

Rons Gesichtszüge hellten sich wieder auf und Draco steuerte das Kühlregal an. Zuerst zögerte er, weil alles in komisches durchsichtiges Material eingepackt war.

„Ist das gesund?“, fragte er misstrauisch und der Rothaarige zuckte mit den Schultern.

„Wenn die Muggel das kaufen, kann es ja nicht lebensbedrohlich sein“, mutmaßte er.

„Wir sind aber keine Muggel! Und vergiss nicht, unsere Magie ist Muggelsachen gegenüber sehr empfindlich!“

Noch traute Draco sich nicht, etwas so derart Verpacktes anzurühren. Als er jedoch die Glasflaschen mit frischer Bauernmilch entdeckte, ließ er sie kurzerhand in ihren Korb schweben.
 

„Was tust du!“, herrschte Ron ihn fassungslos an und trat ihm fest auf den Fuß. Merlin sei Dank war es der rechte. Draco, sich sofort über seinen Fehler bewusst, verzog entschuldigend seine Miene.

„Vergessen“, zischte er leise. Er war ein Zauberer, um Merlins willen, da war es natürlich, dass er sich an ein getarntes Muggel-Dasein erst gewöhnen musste!

Im Kühlregal fanden sie auch Pappkartons mit Eiern und beide strahlten sich glücklich an.

„Eier“, jubelten sich gleichzeitig und bevor Draco etwas Falsches tun konnte wie zum Beispiel in einem Muggelsupermarkt leichtsinnig Magie anwenden, griff Ron nach einer Packung und legte sie behutsam in den Korb. Auch Bacon entdeckten sie, aber da es in diesem komischen Muggelmaterial eingepackt war, traute Draco der Sache nicht. Wehleidig blickte Ron die ganze Zeit zu seinem Bacon zurück, als Draco ihn hinter sich herzog.

„Wir kaufen nur das, was wir auch kennen. Diese durchsichtige Verpackung gefällt mir nicht! Ich traue nur Glas, Papier und Kartons!“

Geknickt schlurfte Ron Draco hinterher. Wie lange hatte er schon keinen Bacon mehr gehabt?! Und wie viele Würstchen es dort gab! Doch leider waren alle so eigenartig verpackt. Als Ron einen Kasten mit Netzen entdeckte, lief er aufgeregt dorthin. Das in den Netzen, waren das etwa...Kartoffeln? Freudig griff er nach einem Netz, doch Draco stoppte streng kopfschüttelnd seinen Arm.

„Dieses eigenartige Netz behagt mir nicht. Wahrscheinlich hat es die Kartoffeln schon längst verseucht!“

„Malfoy!“, jammerte Ron . „Es sind Kartoffeln! Wie lange hast du schon keine Kartoffeln gegessen?“, versuchte er ihn zu locken und Malfoy überlegte es sich nochmal. Weasley war schon beim Bacon so überaus enttäuscht gewesen.

„Na gut. Aber das Netz wird zu Hause sofort entfernt und entsorgt! Sofort!“

Überglücklich griff Ron nach den Kartoffeln.

„Ja, sofort.“ Dracos Stimmung erhellte sich. Auch wenn er Muggel hasste und ihren Sachen nicht traute, sie würden die nächsten Tage nicht verhungern müssen. Und Rons Essen würde besser schmecken als zuvor. Hier und da wunderte er sich über einige Sachen. Was es alles so gab! Eingerollten Hering in der Dose, Muschelsalat. Bei einigen Fischsorten war er sich nicht sicher, worum es sich hierbei handelte. Also fragte er Ron, der ihm dann erklären musste, dass Lachsfilet unzubereitet eine dunklere Farbe hatte als fertig serviert. Draco schämte sich manchmal über seine Unwissenheit, aber er musste vorher noch nie in seinem Leben Lebensmittel einkaufen. Er sah immer nur das Endprodukt.

Paar Regale weiter fiel ihm schließlich etwas ins Auge, das er kannte.

„Toastbrot“, rief er glücklich aus, doch leider war auch das Toastbrot seltsam verpackt und Draco befand sich in einem Dilemma. Er konnte im Moment nur noch an eine Scheibe Toast mit Butter, Eiern und Speck denken. Ron beäugte ihn abwartend und Draco war sich immer noch unsicher.

„Komm schon“, flüsterte Ron ihm zu und bestärkte Draco darin, das Brot zu holen.

„Gut, aber du fasst es an und zuhause wird das-", missbilligend deutete er auf den Plastikbeutel "sofort entsorgt!“

„Okay“, flötete Ron glücklich und ein wenig weiter kamen sie an eine Fleischtheke. Beide blieben fasziniert stehen und starrten die Würstchen fasziniert an. Als Draco sah, dass sie in Papier verpackt wurden, konnte er nicht mehr an sich halten. Mit Imperio wies er den Fleischer an, ihnen fünf Würste von den weißen und fünf von den roten einzupacken. Ron dachte, er befände sich im Schlaraffenland und wollte Draco am liebsten um den Hals fallen, so glücklich war er.
 

Doch je näher sie zur Kasse kamen, desto höher schlug ihm das Herz in der Brust. Er war aufgeregt. Was, wenn etwas schief gehen würde? Es lag alles in Dracos Hand! Trotzdem fiel ihm noch etwas ein. Er zupfte an Malfoys Mantelärmel und dieser wandte sich ihm zu.

„Schokolade“, hauchte er leise und fast schon beschämt. Draco warf kurz einen Blick auf ihren Einkaufskorb.

„Na schön. Aber höchstens zwei Tafeln!“ „In Ordnung!“ Überglücklich flitzte Ron zu den Regalen ganz am Anfang, aber dort konnte er sich nicht entscheiden. Er griff nach zwei Tafeln Schokolade, eine mit Nüssen und die andere mit Milchcreme. Und noch eine Packung Pecannuss-Cookies.

Zurück bei Malfoy liefen sie zusammen zur Kasse und auf Rons Stirn bildeten sich schon die ersten Schweißperlen. Sein Herz rutschte ihm glatt in die Hose. Er legte alles auf das Band, Malfoy stand nur daneben und schaute ihm zu, was ihn verärgerte. Aber als er dann an die Würste und die Schokolade dachte, war sein Ärger sofort wieder verraucht. Zu den unerlaubten Pecannuss-Cookies, die Draco nicht abgesegnet hatte, sagte dieser nichts sondern schenkte Ron nur einen kurzen tadelnden Blick, der entschuldigend grinsend erwidert wurde.

Aus den Augenwinkeln beobachtete Ron, wie Draco zusammenzuckte, immer wenn die Kassierern die Ware abscannte und ein Piepen ertönte. Eilig legte Ron wieder alles zurück in den Korb und durfte auch dabei vergeblich auf Malfoys Hilfe warten.
 

„16 Pfund 87“, verlangte die Kassiererin. Rons Herz blieb stehen. Sie hatten kein Geld! Der Plan würde schiefgehen! Angestrengt sah er auf seine Schuhe und hoffte, dass sie einfach gehen konnten.

„Vielen Dank für Ihren Einkauf, schönen Tag noch!“ Er sah aus den Augenwinkeln, wie Draco nur knapp nickte und danach Ron vor sich her zum Ausgang schob.

„Warte!“, protestierte er. „Wir können den Korb nicht mitnehmen!“ Sie hatten auch keine Tüte gekauft, deswegen mussten sie sich so beladen. Voll beladen traten sie aus dem Laden und Ron musste sich den ganzen Weg über anhören, wie sehr Malfoy die Sachen einfach vor sich herschweben lassen wollte und dass sie das nächste Mal auf keinen Fall die Tüte vergessen durften. Zuhause angekommen, dachten beide ihnen würden die Arme abfallen. Sie legten ihre Beute auf den Küchentisch und strahlten sich an.

„Heute gibt es Kartoffelpürree mit Würstchen, oder?“ hoffte Draco und Ron lächelte. „Mal sehen.“

„Was heißt hier mal sehen, Weasley? Dank meiner Skrupellosigkeit und Durchtriebenheit haben wir jetzt neues Essen. Da ist es wohl das Mindeste, dass ich das heutige Mahl bestimmen darf, nicht wahr?“ Er schenkte ihm sein übliches siegessicheres Grinsen.

Ron schien unglücklich bei der Erwähnung seiner Skrupellosigkeit. „Erinner mich bloß nicht daran. Das ist unehrenhaft verdientes Essen.“

„Gut, dann musst du es auch nicht essen. Geh los und stiehl es. Auf ehrenhafte Weise.“

Murrend wandte Ron sein Gesicht ab, er wusste dass es nicht anders ging. Und Draco jubilierte. „Kartoffelpüree mit Würstchen, es steht also fest!“ Es war zwar schon sieben Uhr und sie hatten schon gegessen, aber heute war eine Ausnahme. Ihre Beute musste mit einem Festessen gefeiert werden. Morgen zum Frühstück hätten sie schon frische Milch, Eier und Würstchen. Nicht zu vergessen Toast!

Das Kochen dauerte ungefähr eine Stunde, weil es Ron Mühe kostete, die Kartoffeln auf herkömmliche Muggelart zu schälen, da er schlichtweg keinen Schälzauber kannte. Hätte er doch damals seiner Mutter öfter beim Kochen zugesehen!
 

Doch als das Essen dann um acht Uhr fertig war, hatte Draco im Wohnzimmer schon den Fernseher angeschaltet und die Kekse bereit gelegt. Ron brachte das Essen und sie setzten sich auf die Couch. Ein warmes Feuer brannte im Holzofen.

Beim ersten Bissen schon schloss Draco genießerisch seine Augen und seufzte verzückt auf.

„Merlin, Weasley ist das gut.“ Bei dem Geschmack von Fleisch konnte er fast nicht an sich halten. Und Ron überkam das gleiche Gefühl. Es schmeckte nach Heimat, nach Hogwarts. Es war wundervoll. Und nach Dracos Lob schmeckte es gleich doppelt so gut. Nach dem Mahl lehnten sich beide zurück und strichen sich über die vollen Bäuche. Es war unglaublich, wie gutes Essen so zufrieden machen konnte. Ron erhob sich und brachte das Geschirr in die Küche. Aus der Küche rief er ins Wohnzimmer.

„Tee?“

„Du träumst wohl!“

Belustigt, weil Malfoy sich immer noch so anstellte, bereitete er sich köstlichen Earl Grey Tee mit einem Löffel Honig und zwei Schlücken Milch zu. Im Fernseher jagte die hübsche Buffy wieder ihre Dämonen und Draco war ganz gebannt davon. Als Ron sich jedoch wieder setzte und einen Schluck von seinem Tee nahm, beäugte Draco ihn von der Seite. Er wartete nur, bis Ron seine Tasse abstellte und griff sofort nach ihr.

„Hey! Du wolltest keinen Tee!“

„Oh doch, ich wollte nur nicht, dass du MIR einen zubereitest. Wenn du dir einen machst, ist das in Ordnung. Du wirst dich ja wohl nicht selbst vergiften!“

Nach diesen Worten nahm er einen Schluck und dachte, er wäre im Himmel. Ron grinste bei dem Anblick: Draco mit geschlossenen Augen, der von seiner Tasse trank. Er griff nach einem Cookie mit Pekannüssen und reichte ihn dem anderen. Dieser biss hinein und plötzlich funkelten seine Augen. So glücklich und zufrieden hatte Ron ihn wohl noch nie gesehen. Als Ron seine Tasse zurückhaben wollte, weigerte er sich jedoch und so musste Ron aufstehen und in der Küche neuen zubereiten.

Im Wohnzimmer genossen sie ihren Tee mit den Cookies und redeten über die heutige haarsträubende Aktion.

„Mir wäre fast das Herz in die Hose gerutscht“, beklagte Ron sich lachend.

„Oh ja, ich habe es gemerkt“, lachte Draco und musste an Rons ängstliches Gesicht zurück denken.

„Hattest du denn keine Angst?“

„Schon. Aber irgendwie auch nicht.“

„Wieso nicht?“

„Es waren Muggel, Weasel. Sie können nicht zaubern und sie können uns nichts anhaben. Wir sind eine höhere Rasse, sie sind uns unterlegen. Keine Bedrohung.“

Ron war alles andere als zufrieden mit der Antwort, doch er beließ es dabei. Sie zankten sich bei jeder Gelegenheit über diese Meinungsverschiedenheit und Ron war es allmählich müde, weil er Malfoys Meinung darüber wohl nie ändern würde. Außerdem war es Dracos Skrupellosigkeit zu verdanken, dass sie endlich ein ordentliches Mahl genießen konnten. Das wollte er mit ihren Zankereien nicht zerstören.

„Aber ich finde, wir müssen uns eine andere Methode ausdenken. Ich fühle mich unwohl dabei.“

Draco verrollte seine Augen.

„Was wenn ein Zauberer unsere Magie orten kann? Besonders so etwas wie einen Unverzeihlichen?“

Draco schien kurz nachzudenken, die Muggel waren ihm egal aber ihr sicheres Versteck hatte oberste Priorität..

„Wie wäre es wir belegen unsere Taschen das nächste Mal mit Ausdehnungszauber und stopfen sie dann mit Lebensmitteln voll?“

Draco schien die Idee zu gefallen. „Ja, aber das ist zu auffällig Weasley. Wenn wir mit leeren Händen hinausgehen, ist das zu durchschaubar. Außerdem kann man uns erwischen, wie wir die Sachen verschwinden lassen. Ich hab etwas Besseres, wie wäre es wenn wir das nächste Mal die Sachen einfach bezahlen?“

Sein Grinsen wurde heimtückisch und Ron runzelte verwirrt die Stirn. Bis Draco einen dünnen Stapel mit Scheinen aus seiner Hosentasche herauszog und diesen auf den Tisch legte. Ron klappte die Kinnlade herunter.
 

„Was...wie..?“, stammelte er verwundert und Draco ließ triumphierend seine Augenbrauen in die Höhe schnellen.

„Unterschätze nie die Vorzüge eines Slytherins“, sagte er arrogant und grinste.

„Nein, im Ernst, wann?“

Geheimnistuerisch beugte Malfoy sich zu ihm herüber und grinste ihn verschwörerisch an.

„Kannst du dich erinnern, als du die Schokolade holen gegangen bist?“

Rons Augen weiteten sich vor Erkenntnis und leise hauchte er.

„Nein, du hast doch nicht-“

„Oh doch, Weasley. Es war ganz einfach. Mit Accio musste ich nur einen Geldbeutel zu mir rufen, ihn entleeren und dann wieder zurück zu ihrem Besitzer schicken. Leichter geht’s gar nicht.“

Er zwinkerte Ron verschwörerisch zu, während dieser voller Grauen an die arme Frau oder den armen Mann denken musste, der an der Kasse stand und auf einmal nicht bezahlen konnte, weil sein Geldbeutel leer war. Doch Draco schien sich köstlich zu amüsieren.

„Ach, Weasley nimm es mit Humor. Außerdem musst du zugeben, dass ich genial bin. Das nächste Mal bezahlen wir ganz legal. Wie viel Muggelgeld ist das überhaupt?“

Entgegen seines Willens begann Ron jedoch zu zählen, er war trotz allem dennoch neugierig.

„45 Pfund“, teilte er mit.

„Und der Einkauf heute hat fast 17 Pfund gekostet. Also können wir das nächste Mal ohne schlechten Gewissens das Doppelte einkaufen. Du kriegst auch wieder deine Schokolade und wir holen uns Lachsfilet!“

„Warte“, warf Ron ein, weil ihm eine bessere Idee eingefallen war.

„Wir benutzen das Geld nicht.“ Draco sah ihn skeptisch an und verengte seine Augen.

„Wir fertigen Kopien davon an!“, verkündete Ron seine glorreiche Idee und Draco verstand.

„Wir nehmen einfach leeres Papier und verwandeln es in unsere Vorlagen.“

Beide überlegten kurz und dann schüttelte Draco seinen Kopf.

„Der Verwandlungszauber hält nicht lange an. Irgendwann würde sich das Papier wieder zurückverwandeln.“

Sie sahen sich an und mussten sich beide vorstellen, wie überrascht die rundliche Kassiererin wohl aus der Wäsche gucken musste, wenn ihre Kasse voll mit leerem Papier gefüllt war.

Dann prusteten sie laut los. Bis Draco einen neuen Einfall hatte.
 

„Nein, Weasley das ist gut! Aber wir machen es anders. Wir verwenden den Verdopplungszauber! Der verpufft auch irgendwann, aber die Scheine würden einfach verschwinden, also nichts was man uns nachweisen könnte.“

Ron sowie Draco waren begeistert von der Idee.

„Komm schon, Wealey gib es zu, dass es auch Vorteile hat mit einem Slytherin zusammen zu leben.“

Lachend schüttelte Ron seinen Kopf.

„Nichts gebe ich zu!“

Draco war insgeheim jedoch sehr stolz auf sich, denn zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass auch er mal etwas Nützliches beigetragen hatte. Obwohl er es niemals zugeben würde, war ihm doch bewusst, dass Weasley bisher die ganze Drecksarbeit machen musste. Doch heute hatte Draco endlich seinen Teil dazu beigesteuert. Das ausgelassene Lachen mit Weasley befreite ihn, doch war der heutige Tag etwas anstrengend gewesen und die Müdigkeit brach bald über sie beide herein.
 

„Wie geht es eigentlich deinem Fuß?“, fragte Ron in die friedliche Stille.

„Hm? Ach, dem geht es eigentlich ganz gut. Das lange Laufen war bisschen anstrengend. Aber ich glaube, er ist bald geheilt.“ Er gähnte erschöpft.

„Bald können wir auch meine Vorräte im Wald holen.“

„Mh-hm.“

Nach einer Weile flüsterte Ron leise. „Malfoy?“

„Hm?“

„Du schläfst ein.“

„Oh...ja“, verschlafen rieb er sich über die Augen und erhob sich.

„Ich geh ins Bett“, murmelte er leise und ihm Vorbeigehen streiften seine Finger Rons Schulter.

„Gute Nacht. Weasley.“

„Gute Nacht.“

Auch Ron war so müde, dass er sich nur noch auf der Couch ausstreckte, sich ordentlich zudeckte und sofort einschlief. Er kuschelte sich in sein Bett und das Letzte, was er wahrnahm, war Malfoys wohlriechender Duft an seiner Decke.



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Kommentare zu dieser Fanfic (40)
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Von:  itsmebishes
2019-11-07T17:39:10+00:00 07.11.2019 18:39
ist die Fanfiction schon zu Ende?
Von:  aesthetiquarius
2019-05-01T16:40:38+00:00 01.05.2019 18:40
Nachdem mir die Fanfiction "Ein Blick in die Zukunft" bereits so gut gefallen hat, habe ich angefangen "Stirb nicht nach mir" zu lesen und bin hin und weg. Die Charaktere sind wirklich originalgetreu dargestellt und ein Kapitel ist spannender als das andere. Ich kann es gar nicht erwarten zu erfahren, wie es weitergeht. Ob Ron die Fragmente seiner Erinnerung irgendwann als diese erkennt und wie das Zusammenleben der Beiden letztendlich dazu geführt hat, dass sie sich so nahe gekommen sind :3
Antwort von:  YouLi
14.05.2019 13:21
Das freut mich aber, dass dir die Geschichte gefällt :3
Hab mein ganzes Herzblut reingesteckt und sollte auch eine lange Story werden. Vieles ist sogar schon vorgeschrieben, aber dauert immer mit dem letzten Feinschliff.
Kann im Moment leider nicht versprechen, ob und wann überhaupt noch etwas kommt :'D
Aber Danke auf jeden Fall für das liebe Kommentar, ist immer schön, wenn sich jemand hier verirrt. <3
Von:  MamaGlitzer
2018-11-07T08:56:02+00:00 07.11.2018 09:56
Uiiii soo toll ich will mehr lesen aus dem Jahr 1997 total toll geschrieben <3
Antwort von:  YouLi
07.11.2018 16:14
Vielen Dank <3
Von:  Hermine_Weasley
2018-09-17T04:29:07+00:00 17.09.2018 06:29
Du wirst noch viel mehr genießen dürfen draco! Ha ha ha
Antwort von:  YouLi
17.09.2018 07:34
Hahaha xD hoffen wir es ;)
Von:  MISI
2018-07-17T20:58:04+00:00 17.07.2018 22:58
Aktion :D
Also diese Streitereien zwischen den beiden finde ich wirklich super und bringt viel Feuer in die Beziehung der beiden. Ich bin mal gespannt wie es weiter gehen wird ;)
Von:  Hermine_Weasley
2018-06-24T10:28:43+00:00 24.06.2018 12:28
Jungs! Wieso sollte man reden, wenn m sich prügeln kann!? Aber heftig, direkt einen Zahn ausschlagen... Hoffentlich gibt's da einen Spruch für, das zu reparieren
Von:  Hermine_Weasley
2018-05-27T18:30:02+00:00 27.05.2018 20:30
Immer harry dieser cock-block! Diesmal sogar im doppelten Sinn!
Antwort von:  YouLi
27.05.2018 20:57
Lol!
Ich fall vom Stuhl xD
Von:  MISI
2018-05-27T15:14:24+00:00 27.05.2018 17:14
Eine Reizüberflutung für das Fan-Girl-Herz *-*
Tolles Kapitel!
Hoffentlich sehen wir im nächsten Kapitel ober Ron wieder zurück kommt und wie die Szene mit dem Pfannkuchen entsteht.
Auch bin ich schon auf Malfoys inneren Konflikt gespannt.
Weiter so :> !!
Antwort von:  YouLi
27.05.2018 21:01
Es freut mich sehr, dass ich dein Fangirl-Herz glücklich machen konnte
<3
Von:  Hermine_Weasley
2018-05-25T21:24:39+00:00 25.05.2018 23:24
Oh je! Molly als Lehrerin? Da wär ich auch noch allzu glücklich an Ron's Stelle... Ich finde die Kinder sollten mal mit ihr reden, dass sie sich in der Schule zumindest professionell verhalten sollte... Geht ja gar nicht. Vielleicht ein ernstes Gespräch mit Minerva?
Zumal ron ja so kaum die Chance hat mit draco zu flirten ;)

Ich hab mich sehr über das neue Kapitel gefreut und freue mich jetzt schon aufs nächste (schlimm sowas)
Antwort von:  YouLi
26.05.2018 00:16
Jahaha, Molly XD Ich glaube sie wird sich von ihren Kindern aber nichts sagen lassen :'D
Das war mal was anderes für die Story und es freut mich, dass es dir gefallen hat <3

Vielen Dank für deine lieben Kommentare <3
Von:  MISI
2018-05-25T21:16:07+00:00 25.05.2018 23:16
OMG *_*
Endlich geht es weiter!
Ich habe jeden Tag reingeschaut ob ein neues Kapitel hochgeladen wurde.
Und mein sehnsüchtiger Wunsch wurde erfüllt *q* <3

Nun zum Kapitel:

Ich finde es wirklich super, dass Molly als Lehrerin arbeitet. Besonders hat mir gefallen, wie sehr sie ihre Kinder aufgezogen hat. Und auch die Interaktionen mit Malfoy waren wunderbar eingebaut.
Ich bin wirklich gespannt ob Ron wirklich zu Draco nachhause kommt.
Besonders interessiert mich wo Draco nun lebt und ob er das Geld seiner Eltern nutzt.
Fragen über Fragen.
Ich hoffe ich bekommen bald auf alles eine Antwort.
Man werde ich mich auf die Boys-Love-Szenen freuen <3


LG Honey
Antwort von:  YouLi
26.05.2018 00:13
Was ein süßer Kommentar <3
Auch wenn ich ziemlich auf Ron und Draco fixiert bin, mag ich noch Rons Familie, besonders die Zwillinge.
Und mit Molly wollte ich ein wenig Pep reinbringen xDD
Ich bin eigentlich schon bei seichteren BL-Szenen angelangt, aber das dauert leider noch ein klein wenig, bis wir dahin kommen ;p
Und die richtigen Adult-Szenen spuken mir schon seit Monaten im Kopf herum :'D



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