Zum Inhalt der Seite



Das letzte Einhorn Buchvorstellung, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Ein Geschöpf von ursprünglicher Anmut verlässt seinen in ewigem Frühling blühenden Fliederwald, begibt sich auf die Landstraße, dringt in die Zeit, um das Schicksal seiner entschwundenen Artgenossen zu erkunden. Auf der abenteuerlichen Expedition wird es begleitet von Schmendrick, einem drittklassigen Zauberer, und von Molly Grue, der ehemaligen Lagergefährtin eines verhinderten Edelräubers. Das seltsame Trio muss bald erkennen, dass die Erkundungsfahrt nicht ohne Kampf und äußerste Gefahr beendet werden kann. Es gilt, dem Roten Stier zu begegnen, der unter König Haggards verfluchtem Schloss haust.

Peter S. Beagle
Das letzte Einhorn

Die Handlung dieser Geschichte werde ich kaum jemals vergessen, da ich den Trickfilm dazu oft genug in meiner Kindheit sah. Doch das Buch hat einiges mehr zu bieten. Das ist nichts Ungewöhnliches, möchte man meinen. Bei Harry Potter etwa ist es allein die Masse an Informationen, die man nicht alle in den Filmen unterbringen könnte. Dazu gibt es noch kleine Veränderungen wie die Augenfarbe von Harry, die Augenfarbe seiner Mutter, die je nach Schauspielerin wechselt, oder andere Kleinigkeiten wie die unsinnige Reihenfolge beim Aufruf des Sprechenden Hutes im ersten Teil. Dennoch kann man zusammenfassen, dass es hier an Handlung und Darstellung mangelt, nicht am Stil, denn der Stil von Rowling ist eher einfach; sie glänzt vielmehr durch ihre Ideen, insofern sie sich nicht in ihnen verstrickt. Hier hat die Filmreihe nahezu alles richtig gemacht. Es gibt andere Beispiele, bei denen ein Film noch viel mehr aus der Vorlage herausholt, wie etwa bei Twilight: Grenzt die Geschichte zwar häufig an Lächerlichkeit, so muss man der Filmumsetzung dennoch Respekt zollen, kennt man die unfassbar schlechte Vorlage.
Zurück zu Das letzte Einhorn: Während des Lesens schwebten mir unentwegt die Bilder des Trickfilmes vor, das stimmt. Vor allem hatte ich die Synchronisation bei nahezu jeder Aussage im Ohr. Die Dialoge gleichen einander sehr, sind oftmals identisch, wovon ich wirklich angetan bin. Mit einer gewissen Wehmut hinterließen diese innerlich gehörten Stimmen bei mir sogar eine stärkere melancholische Wirkung beim Lesen als damals beim Sehen. Ein Unterschied im Film besteht in einer Vereinfachung der Handlung, also wiederum darin, dass nicht alle Informationen vermittelt werden. Zum Zweiten allerdings, was viel wichtiger ist und dem Film einige Minuspunkte einbringt: Man erahnt nicht den sehr lyrischen Stil und die starke Metaphorik der Buchvorlage.

Dass die Ereignisse im Film vereinfacht wurden, stellt für mich kein Problem dar. Schmendrick wird dort beispielsweise von Banditen entführt, als man ihn in seinem Versteck entdeckt; er führt nicht die Bürger eines Dorfes an der Nase herum wie im Buch, sodass seine Entführung ein Resultat seiner Handlung ist. Aber ich hätte mir gewünscht zu erfahren, dass er durch einen Bann seines Meisters gar nicht altern kann, bis er seine wahre Kraft gefunden hat. Das ist ein wichtiger Teil seiner Charakterisierung. Im Film will er einfach nur ein echter Zauberer werden. Das Buch hat sich hier für ihn viel mehr ausgedacht.
Das merkt man auch an einer seiner ersten Aussagen zum Einhorn, als dieses noch bei Mommy Fortuna gefangen gehalten wird und sich abfällig über ihn äußert; da entgegnet er:

"Selten der Mann, den man für das hält, was er wirklich ist. Die Welt steckt voller Fehlurteile. Ich aber habe auf den ersten Blick erkannt, dass du ein Einhorn bist, und ich bin mir gewiss, dein Freund zu sein. Und dennoch hältst du mich für einen Clown, einen Hanswurst, einen Verräter, und wenn du mich so siehst, muss ich auch einer sein. Der Bann, der auf dir liegt, ist nur ein Truggespinst und wird sich in Nichts auflösen, sobald du wieder frei bist, die Larve aber, die du mir aus Vorurteil aufgesetzt hast, die muss ich in deinen Augen für alle Zeiten tragen. Wir sind nicht immer, was wir scheinen, und selten nur, was wir erträumen. Aber irgendwo habe ich gehört und gelesen, dass vor langer, langer Zeit Einhörner wohl zu unterscheiden wussten zwischen lachendem Mund und Herzeleid, Hirngespinst und Wirklichkeit."

In filmischen Umsetzungen begegnet es mir immer wieder, dass auf sämtliche Metaphorik fast gänzlich verzichtet wird, als handelte es sich nur um nutzlosen Anhang; Ballast, den man abwerfen darf. Behindert es die Handlung denn zu sehr, eine solche längere Aussage einzubinden? Für mich jedenfalls ist gerade so etwas ein kleines Highlight.
Später im Wald lässt Schmendrick seiner Magie zum ersten Mal freien Lauf und beschwört eine Illusion von Robin Hood und seinen Gefährten herauf, die den Räubern den Kopf verdreht. Captain Cully spricht zu Molly Grue:

"Robin Hood ist eine Mythe, ein klassisches Beispiel der Heldengestalt im Volkslied, die sich aus zwingenden Gründen gebildet hat. Die Menschen brauchen Helden, die sie aus ihren Nöten befreien oder sie diese vergessen lassen. Um ein Korn von Wahrheit herum bildet sich eine Legende, wie bei einer Perle."

Sie antwortet ihm:

"Nein, du siehst alles verkehrt. Du, ich, wir alle, uns gibt es gar nicht. Robin und Marian sind Wirklichkeit, und wir sind die Legende!"

Meine liebste Aussage stammt gegen Ende von dem Schädel, der auf Haggards Befehl den Eingang zur Höhle des Roten Stiers bewacht. Um dorthin zu gelangen, muss man durch die kaputte Uhr gehen, sobald sie die richtige Zeit anzeigt. Allerdings gibt es diese richtige Zeit nicht, die Uhr schlägt die Stunden, wie sie will. Der Schädel erklärt dem Zauberer hierzu:

"Ruf dir ins Gedächtnis, was ich über Zeit gesagt habe. Als ich noch lebte, glaube ich - so wie du jetzt -, Zeit sei zumindest so fest und real wie ich selbst, womöglich noch mehr. Ich sagte 'ein Uhr', als ob ich es sehen, und 'Montag', als ob ich es auf einer Landkarte finden könnte. Ich ließ mich jagen, von Minute zu Minute, von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr ließ ich mich jagen, so als bewegte ich mich von einem Ort an einen anderen. Wie alle Menschen lebte ich in einem Haus, das aus Sekunden und Minuten, aus Wochenenden und Neujahrstagen erbaut war, und ich traute mich nie hinaus, bis ich starb; denn eine andere Tür gab es für mich nicht. Heute weiß ich, dass ich durch die Mauern hätte gehen können. [...]
Die Uhr wird nie die richtige Stunde schlagen. Haggard hat ihr Werk vor langer Zeit ruiniert, als er eines Tages versuchte, die Zeit festzuhalten, als sie vorüberschwang. Doch das Wichtigste, was es zu verstehen gilt, ist: Es kommt nicht darauf an, ob die Uhr demnächst zehnmal schlägt, oder sieben, oder fünfzehn Uhr. Man kann seine eigene Zeit schlagen und mit dem Zählen anfangen, wo man will. Wenn man das verstanden hat, dann ist jede Stunde für dich die richtige."

Moderne Märchen und Fantasy sind nicht unbedingt mein Wunschthema, wenn sie auf dieser Ebene bleiben. Das letzte Einhorn reiht sich für mich jedoch bei Lindgrens Mio, mein Mio ein oder Michael Endes Momo, da es von einer ähnlichen Atmosphäre geprägt ist und nicht auf dieser oberen Ebene der bloßen Fantasieerzählung bleibt. Wenn der Stil selbst einen tieferen Sinn vermittelt und jede Handlung, jede Figur von einer Metaphorik begleitet ist, dann wird es für mich zu einem kleinen literarischen Kunstwerk.

Avatar
Datum: 18.04.2019 20:09
Kuhl, ich wusste gar nicht, dass es ein Buch dazu gibt! :D
Ich hab jetzt nicht alles gelesen, weil ich mich nicht spoilern will, aber das Buch landet nun auf meiner Buch-Wunschliste! :D

Schöner Eintrag!
~[Zitat von Shishio Makoto; Rurouni Kenshin]
"Der Mensch ist von Natur aus teuflisch und die Welt ist eine Hölle." ♥
[Zitat Ende]~
Avatar
Datum: 18.04.2019 21:16
Bin mit dem Film aufgewachsen, aber das Buch war besser.
Ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, weil ich es vor langer Zeit einmal geliehen hatte, aber ich weiß noch, es wurde viel mehr erklärt, was im Film einfach so passiert ist.
Beste Freunde sorgen sich um dich wie Eltern,
verstehen dich wie Geschwister
und verhalten sich mit dir wie Gestörte.
Avatar
Datum: 19.04.2019 00:23
ElCidIV

Den Film mochte ich als Kind sehr. Er stach irgendwie heraus, dabei wusste ich damals noch gar nicht, dass er nicht zur Riege der Disneyfilme gehört und sich ganz klar von diesen unterscheidet. Aber das Buch ist wirklich besser und erklärt die Geschehnisse viel mehr, das stimmt.


Zum Weblog