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Shin no yuri

Todeslilie
von

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Truth

„Du lebst noch.“, war das erste das er sagte, als er den weissen Raum wieder betrat.

Ich sagte nichts. Was hätte es schon genutzt? Ich wusste jetzt, dass er mich zumindest im Punkte Unsterblichkeit nicht angelogen hatte. Und er wusste das genau.

„Willst du es jetzt zu Ende hören?“, fragte er. Seine Stimme klang freundlich, aber sein abschätziges Lächeln lag noch immer auf seinen Lippen.

„Erzähl.“, sagte ich. Ich wusste nicht, was er mit mir vor hatte. Aber ich war mir sicher, dass er nicht log. Ich wollte es wissen. Alles.

„Endlich hast du begriffen, wer hier wem zu zu hören hat.“

Er beugte sich zu mir hinab, legte mir seinen Zeigefinger unter das Kinn, so dass ich ihn anschauen musste.

„Aber mein Wunsch wäre es jetzt noch, dass du mich anschauen würdest.“

Ich spuckte ihm ins Gesicht.

Er nahm es gelassen, wischte sich die Spucke von der Wange, grinste und strich mit zwei Fingern über meinen Bauch.

„Es scheint wieder alles geheilt zu sein.“ Mehr musste er nicht sagen. Sofort stieg in mir die Panik auf. Panik vor diesen Schmerzen, die das Sterben gewesen waren. Ich sah ihm in die Augen.

„Ja ja, nur ein paar Worte und sogar ein kleiner Dickschädel wie du ist überzeugt.“ Und schon wieder machte er sich über mich lustig.

„Wo waren wir? Ach ja, genau, wir haben dir bewiesen, dass du nicht sein tot kannst. Es hat schon seine Vorteile, wenn man nicht tot sein kann, nicht wahr? Du kannst alles tun, was du willst, ohne an Konsequenzen denken zu müssen. Aber das ist nicht das einzige, was Phönixe auszeichnet. Sie haben noch etwas ganz anderes. Sie besitzen Magie.“

„Magie, so wie Zauberkraft?“, fragte ich. Ich wollte nicht fragen, nicht neugierig wirken, aber ich konnte nicht anders. Ich musste es wissen.

„Nicht ganz. Magie ist eine, für ungeübte Augen unsichtbare, Kugel um den Menschen der sie besitzt. Die Magie hat bei jedem eine andere Farbe. Meine ist schwarz.“

Das passt, dachte ich. Seine Magie war so schwarz wie die tiefsten Abgründe seiner hässlichen Seele.

„Diese Magie kann man dann einsetzen wie man will, weiss man, wie man es anstellen muss. Willst du wissen, welche Farbe deine Magie hat?“ Er wusste, dass ich es wissen wollte. Und er grinste mich wieder arrogant an.

„Sag es mir.“, sagte ich mit leiser Stimme. Ich hasste es, mich ihm so unter zu ordnen.

„Sie hat noch keine Farbe. Weil du noch nicht ausgebildet bist. Aber du solltest dich ausbilden lassen. Denn weisst du, Magie kann gefährlich sein, hat man sie nicht unter Kontrolle. Gefährlich für dich und für dein Umfeld.“

„Wo?“, fragte ich.

„Bei anderen Phönixen. Einige von ihnen sind sogar noch jünger als du und einzelne älter als 400 Jahre.“

Er wartete einen Moment, als wollte er mir Zeit lassen, nachzudenken. Dann fuhr er fort: „Deine kleine Freundin, die weisse Lilie. Weisst du, was die Phönixe früher mit Wesen wie sie eines ist, getan haben? Nein? Sie haben sie gefangen. Eingesperrt und nur frei gelassen, wenn sie gegen eine andere Spezies oder ein anderes Land Krieg führten. Die weissen Lilien, oder die 'Lichter des Herzens', wie man sie auch nannte, hatten damals immer solche Angst und Wut, dass sich das einfach gegen jeden richtete. So konnten die Phönixe einfach nur zusehen, wie die Lilien jeden einzelnen gegnerischen Soldaten hin streckten. So haben sie viele Schlachten gewonnen, denn sie waren die einzigen, die nicht tot waren nach der Berührung einer weissen Lilie. Doch auch die Lilien verloren zu grosser Zahl ihre Leben, da sie, im Gegensatz zu uns Phönixen, nicht unsterblich waren. Deswegen stellten die Phönixe künstlich neue Kriegswaffen her, in Form von Menschen.

Was, denkst du, wird Sayuri tun, fände sie heraus, dass auch du eine der von ihr so verhassten Phönixe bist?“

Mir wurde schlecht, stellte ich mir ihre Reaktion vor. Sie war schon jetzt distanziert zu mir gewesen, wüsste sie das, würde sie mich vermutlich hassen.

„Du weinst. Ich habe dieses menschliche Gefühl nie verstanden. Das, welches einen veranlasst zu weinen. Es ist sinnlos. Nur nervig.“

„Das ist es nicht.“, entgegnete ich leise, „Es ist nicht sinnlos. Es zeigt, dass dir ein Mensch wichtig ist. Dass es dich verletzt, wenn er weg ist, dass du ihn vermisst. Du kannst es nicht als nervig abstempeln, nur weil du es nicht verstehst. Es ist ganz und gar unmöglich dass du es verstehst, denn du hast genauso eine schwarze Seele wie deine Magie schwarz ist und lässt niemanden auch nur annähernd an dich heran. Keiner kann dir wichtig sein, weil du keinem wichtig bist. Und deshalb kannst du das Gefühl, das Bedürfnis zu weinen, zu schreien, nicht verstehen. Das wirst du nie, wenn-“

Seine Hand schnellte vor, klatschte in mein Gesicht. Mein Kopf flog zur Seite und einen Moment lang sah ich schwarz. Er pochte, als der Schmerz begann, sich in ihm auszubreiten.

„Ich warne dich! Glaub nicht, nur weil du ein Phönix bist wie ich, dir so was heraus nehmen zu können. Vergiss nicht, dass du noch immer an diesem Stuhl hier gefesselt bist.“

Und damit verliess er den Raum ein drittes Mal. Und während er draussen war, fielen mir vor Müdigkeit, Verwirrung und der Erinnerung an den Schmerz die Augen zu.

Ich träumte wild, farbig vor allem. Ich hatte, als ich aufwachte, keine Ahnung mehr, von wem ich geträumt hatte. Ich konnte mich lediglich an die stechenden Farben erinnern überall rund um mich herum. Und ich musste mich noch nicht mal fragen, was das zu bedeuten hatte, ich wusste es einfach. Die Farben stellten die Magie einzelner Leute dar.

„Dein Bruder. Shin. Er hat dir nie etwas erzählt, obwohl es seine Pflicht gewesen wäre.“

Ich hatte nicht bemerkt, dass er im Raum gewesen war, als ich aufwachte, aber jetzt lief er um mich herum und blieb vor mir stehen.

„Was meinst du damit?“ Ich ahnte schon, was kommen würde, aber ich hoffte noch immer, dass es nicht so war.

„Er ist ein Phönix. Früher war er in unserer Organisation. Er lernte, wie er seine Magie kontrollieren und einsetzen konnte. Aber er war schon immer unzufrieden damit. Er meinte, er wolle ein richtiger Mensch sein. Ohne diese Fähigkeiten der Phönixe. Trotzdem, er war immer einer der Besten, schon mit vier Jahren, als er beitrat. Und als dann seine kleine Schwester geboren wurde, trat er aus. Er wollte sicher gehen dass es dir gut geht. Er hat seit dem Tag deiner Geburt nicht einmal Magie benutzt. Nur um dich nicht zu verraten. Er war bei deiner Geburt dabei, sah sofort deine Magie um dich herum. Wir alle spürten auch, dass ein neuer Phönix geboren worden war und suchten ihn. Doch wir fanden nichts, was bedeuten, dass jemand ihn beschützte, dich beschützte. In den ganzen 17 Jahren haben wir dich nicht gefunden und jetzt, per Zufall, stolpere ich über dich und eine Krähe, während ich die Lilie verfolge!“

Ich wollte fragen, was er mit der Krähe meinte, aber diesmal konnte ich schweigen. Zumindest das bisschen Würde wollte ich mir bewahren.

„Aber Shin hat einen Fehler gemacht. Er hat dir nie etwas gesagt. Hätte er dir alles erzählt, wäre es für dich so viel einfacher gewesen. Du würdest jetzt nicht hier sitzen, könntest dir aussuchen, was du mit deiner Magie anstellen willst und dieses ganze Theater wäre gar nicht erst entstanden.“

„Sind meine Eltern...?“ Das war etwas, was ich wissen musste.

„Nein. Das Phönix Gen ist nicht erblich. Es wird per Zufall entschieden, wer als Phönix geboren wird. Und dann wirst du deine Fähigkeiten dein ganzes, zugegeben, ziemlich langes Leben nicht mehr los. Ein Geschwisterpaar Phönixe ist beim Phönixgeschlecht etwa so selten wie Drillinge bei Menschen.“

Es gab mir zu denken, das, was er alles erzählt hatte. Aber überrascht hatte mich nichts mehr. Ich hatte mich auf das Schlimmste eingestellt und das Schlimmste war eingetreten.

Später kam er dann erneut in den weissen Raum.

„Du kannst jetzt gehen.“, sagte er und ich hatte einen Moment ehe ich begriff, was er damit meinte.

„Was?“ Ich konnte nicht glauben, dass er das wirklich tun wollte.

„Ja. Es wird langsam langweilig, mit dir. Du bist überhaupt nicht mehr überrascht oder geschockt. Und ich kann dich schlecht jeden Tag töten um dein schmerzverzerrtes Gesicht zu sehen...“

Ich spürte förmlich, wie die Farbe aus meinem Gesicht wich, als er das sagte.

„Ausserdem war es nur meine Pflicht, dir alles zu erzählen. Jetzt kannst du gehen.“ Mit diesen Worten ging er wieder aus dem Raum und im nächsten Moment stand ich vor unserem Haus. Ich verlor beinahe das Gleichgewicht; meine Fussgelenke schmerzten von den Fesseln.

Mit zitternden Beinen ging ich zur Haustür, drückte die Türklinke mit ebenfalls schmerzenden Händen hinunter und betrat das Haus.

Plötzlich wurde mir schwindlig.

„Hisa!“ Yukio rief nach mir. Es machte mich glücklich, seine Stimme zu hören. Ich war wieder zurück.



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