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Vertrauen und Verrat

von

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Wahrheit

Mein Vater sank weinend auf die Knie. „Alec, bitte. Ich habe das alles nur für dich getan.“

Auch mir liefen inzwischen Tränen über das Gesicht. „Verschwinde! Ich will dich nie wieder sehen!“ Einige Sekunden war es still, während ich meinem Vater weiterhin unnachgiebig in die Augen sah. Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und für ihn kaum zu hören. „Lügner! Du suchst doch nur nach Rechtfertigungen!“

„Alec, bitte... Es tut mir Leid.“ Er flehte fast schon.

Doch ich würde nicht nachgeben. Nicht jetzt und auch nicht in absehbarer Zukunft, weshalb ich schwach meinen Kopf schüttelte. „Es ist zu spät. Du bist zu weit gegangen. Ich kann und will dir nicht mehr glauben! Fünf Jahre lang hast du deine Wut nach Lust und Laune an mir ausgelassen. Nicht einmal hast du dich entschuldigt oder gesagt, dass es dir Leid täte. Die ganze Zeit habe ich gewartet und gehofft, es würde wieder besser. Doch dem war nicht so. Wenn ich das damals gewusst hätte, wäre ich schon viel eher ausgezogen! Nicht einmal das hat dich interessiert. Du hast dich nie blicken lassen!“

Mein Vater schlug mit der Faust auf den Boden. „Alec, das-“

„Was?!“, unterbrach ich ihn, „Deine blöden Rechtfertigungen kannst du dir sparen! Ich glaube dir kein Wort!“

„Du hast deinen Vater auch angelogen!“, mischte Ryans Vater sich ein, „Du hattest nie dein Gedächtnis verloren! Du kannst dich noch an alles erinnern!“

„Das geht sie einen Scheißdreck an!“, trotzig schaute ich den Mann an, bevor ich mich wieder an meinen Vater wandte, „Außerdem habe ich längst erklärt, warum ich die ganze Zeit gelogen habe! Es tut mir ja schon Leid, wenn mir mein Leben wichtiger war als eure bescheuerten Theorien und Forschungen!“

Ryans Vater schnappte erschrocken nach Luft, während meiner nur mit deutlich sichtbarer Schuldgefühlen auf den Boden starrte.

„Und was ist mit den anderen Sachen, die du verschweigst?“, fragte Ryan und ich wusste, diese Frage war nicht an mich gerichtet, sondern galt einem der beiden Männer, damit sie diesbezüglich nachfragten. Zum Glück schien ihnen das nicht aufzufallen, denn mir wurden keine weiteren Fragen gestellt.

Mein Vater richtete sich langsam auf, bevor er vor mir in die Hocke ging und auf meinen blutverschmierten Arm deutete. „Zieh deinen Pullover aus, Alec, damit wir die Bisswunde behandeln können.“ Mir entging nicht der hasserfüllte Blick, den er dabei auf Kian warf.

Gerade wollte ich tun, was er von mir verlangte, als mir einfiel, dass das vielleicht keine so gute Idee sei. Ich wusste nicht, wie sie beim Anblick der Kette und der Narbe reagieren würden und außerdem hatte ich Kian etwas versprochen. Ich schüttelte meinen Kopf, „Darum kümmere ich mich später.“

„Alec?“, mein bester Freund löste sich vorsichtig aus meiner Umarmung, bevor er sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht wischte und leicht beschämt zu Boden sah. „Dein Vater hat Recht. Du solltest es behandeln lassen, jetzt.“

„A- aber!“, widersprach ich und senkte meine Stimme, „Die Kette! Und was ist mit der Narbe? Ich kann doch nicht einfach...“

Kian schüttelte schwach seinen Kopf. „Schon okay. Ich weiß, du hast mir damals versprochen, es vor allen geheim zu halten, aber... Sie wissen eh schon davon... Und außerdem geht deine Gesundheit vor!“

Ich wusste, er sprach von der Kette. Und als Kian auf die Narbe nicht weiter einging, sondern mich nur fordernd anblickte, zog ich meinen Pullover aus, ohne weiter zu protestieren. Es brannte, als ich mit dem Stoff die Verletzung berührte und ich musste kurz die Zähne zusammenbeißen. Doch als ich das entschuldigende Gesicht meines besten Freundes sah, bemühte ich mich, mir nichts anmerken zu lassen. Er litt schon genug darunter. Achtlos warf ich das Kleidungsstück auf den Boden.

Kurze Zeit war es still. Mein Vater holte einen Erste-Hilfe-Kasten und sah sich meinen Arm genauer an. „Es scheint wirklich nicht so schlimm zu sein.“

„Sage ich doch!“, wehrte ich ab und schaute trotzig. Mir gefiel meine momentane Situation überhaupt nicht. Am liebsten hätte ich Kian gepackt und wäre weggerannt.

Der Blick meines Vaters fiel auf meine linke Schulter, besser gesagt die Stelle an der mich Scar vor reichlich zwei Monaten gebissen hatte. Langsam hob er seinen Kopf und sah mir in die Augen. „Woher hast du diese Narbe?“

Ich wusste, Lügen brachte nichts. Aber die Wahrheit wollte ich auch nicht sagen, weshalb ich mich für einen Zwischenweg entschied. „Ich habe unüberlegt gehandelt. Das ist alles.“

Doch damit schien es sich nicht zufrieden zu geben. „Die Form... Das ist doch- Du wurdest von einem Mannaro gebissen?!“

Zur Antwort zuckte ich nur mit meinen Schultern. „Ich sagte doch, ich hätte nicht nachgedacht. Das war die Folge...“

„Du scheinst öfters nicht nachzudenken.“, hörte ich plötzlich Scars Stimme. Nur einen Augenblick später landete er in seiner menschlichen Gestalt direkt neben mir auf dem Boden. Wo er hergekommen war und wie er das gemacht hatte, wusste ich nicht. Vielleicht war er von einer der an der Wand stehenden Kisten gesprungen. Aber das war mir auch egal.

Ryan gab einen Erschrockenen Laut von sich und wich sofort einige Schritte zurück.

Über Scars Gesicht schlich ein schwaches Grinsen, bevor er betont langsam auf den verschüchterten Jungen zuging. „Ich bin noch nicht fertig mit dir! Was hältst du davon, wenn wir an der Stelle fortfahren, wo wir vorhin unterbrochen worden sind?“

Ein leises Wimmern verließ den Mund meines Klassenkameraden, als Scar ihn unsanft am Arm packte und gegen die Wand stieß. „Du hast doch nicht etwa geglaubt, ich würde dich ernsthaft gehen lassen... Jetzt wo wir Kian wiederhaben, habe ich keine Verwendung mehr für dich. Vielleicht hätte ich die leben lassen, wenn du deine Taten bereut hättest, aber so...“ Er packte Ryan mit der anderen Hand am Hals und war kurz davor, ihm die Luft abzudrücken.

Die beiden Männer starrten den Mannaro geschockt an, doch keiner rührte sich von seiner Stelle. Es schien fast als seien sie gelähmt vor Angst.

„Warte!“, rief ich und mein Vater zuckte zusammen. Vorsichtig stand ich auf und ging auf Scar und Ryan zu, bevor ich den Mann mit der Narbe im Gesicht direkt in die leuchtend gelben Augen sah. „Lass ihn los!“

Auf dem Gesicht des Mannaro erschien ein triumphierendes Grinsen, bevor er seinen Griff um Ryans Hals leicht verstärkte, woraufhin der Junge erschrocken seine Augen aufriss. Aber das schien Scar nicht einmal zu bemerken. Er hatte seinen Blick auf mich gerichtet und beobachtete jede einzelne Bewegung von mir genau, zu genau. Es schien fast als warte er auf etwas. Nur leider wusste ich nicht worauf.

Eine Weile lang passierte nichts. Die beiden Väter starrten mich fassungslos an, während Scars Blick von Sekunde zu Sekunde ungeduldiger wurde und er seinen Griff um Ryans Hals noch weiter verstärkte. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Klar, ich war mehr als nur wütend, dass mich mein ehemaliger Freund so hintergangen hatte. Aber deswegen würde ich noch lange nicht tatenlos zusehen, wie jemand versuchte, ihn umzubringen. „Lass ihn los!“, wiederholte ich meine Forderung, diesmal ein wenig lauter.

Doch Scar grinste mich einfach nur überlegen an, seinen Griff weiter verstärkend.

„Bist du taub?!“, hörte ich auf einmal Kians wütende Stimme, „Wenn Alec sagt, du sollst ihn loslassen, dann hast du das gefälligst auch zu tun! Und zwar sofort!“

Augenblicklich löste sich die Hand um Ryans Hals und er fiel auf den Boden, nach Luft röchelnd und sich die verletzte Stelle haltend. Scar bedachte ihn kurz mit einem angewiderten Blick, bevor seine ganze Aufmerksamkeit wieder mir galt. Betont langsam kam er auf mich zu. „Mir gefällt das nicht, wie du Kian kontrollierst!“

„Scar!“ Die Stimme meines besten Freundes war so leise, dass ich sie fast nicht hörte, gleichzeitig aber auch so kalt und herrschend, dass sie eine Ausstrahlung verbreitete, die jeglichen Widerspruch verbat. So hatte ich Kian noch nie reden hören... „Du kennst deine Position! Solltest du Alec auch nur noch ein Haar krümmen, bring ich dich um!“

Stille. Alle hielten geschockt über diese Worte ihren Atem an, auch ich. Kian stand langsam auf, bevor er wie in Zeitlupe einen Fuß vor den anderen setzte und sich Scar immer weiter näherte. „Was glaubst du, wer würde gewinnen?“ Die Stimme meines besten Freundes klang bedrohlich. Seine Körperhaltung hatte etwas majestätisches an sich. Wie aus Reflex wichen die anderen vor ihm zurück und machten ihm den Weg frei. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Eine unglaubliche Macht ging auf einmal von Kian aus. Der mir unbekannte Mannaro verbeugte sich und ging vor ihm auf die Knie.

Die einzigen, dich sich nicht von der Stelle gerührt hatten, waren Scar und ich.

Auf Kians Gesicht bildete sich ein triumphierendes Grinsen, als er mich vorsichtig an der Schulter packte und hinter sich zog, bevor er sich wieder an Scar wandte. Die Augen meines besten Freundes funkelten bedrohlich, aber auf seinem Gesicht konnte ich keine Emotionen mehr erkennen. Kians Grinsen wurde noch breiter. „Willst du es testen? Hier? Gleich jetzt?“

Scars Gesicht war gezeichnet von Angst als er vor meinem besten Freund zurückwich und genau wie der andere Mannaro vor ihm auf die Knie fiel. Sein Gesicht fixierte den Boden. Ich kannte diese Haltung. So hatte Kian vorhin vor mir gekniet.

Mein besten Freund ging ohne zu zögern auf Scar zu. Direkt vor ihm blieb er stehen. „Du wirst die Handlungen meines Großvaters aus einiger Entfernung beobachten und darauf achten, dass keiner aus dem Rudel sich in die Nähe meiner Freunde wagt. Außerdem wirst du dafür sorgen, dass keiner von ihnen auch nur daran denkt, einen Menschen anzufallen! Du darfst nach Belieben eingreifen, so lange nicht noch mehr von unserer Existenz erfahren.“

Stumm nickte Scar. Es schien als würde er es nicht wagen, zu widersprechen.

Kian wandte sich an den anderen Mannaro. „Richte meinem Großvater folgendes aus: Er soll seine letzten Tage als Anführer genießen. Ich werde kommen und fordern, was mir zusteht. Er kann mich nicht mehr daran hindern. Jetzt habe ich Beweise.“

In diesem Augenblick geriet Kian stark ins Schwanken und brach einige Sekunden später zusammen. Erschrocken ging ich einen Schritt nach vorn und fing meinen besten Freund auf. „Kian!“, rief ich besorgt.

Er lächelte nur schwach. Seine ganze Ausstrahlung, die er vorhin noch gehabt hatte, war verschwunden. Er wirkte einfach nur noch schwach und verletzbar. Doch trotzdem lächelte er. „Ich glaube, ich habe mich ein wenig überanstrengt...“

„Idiot!“ Alles, was ich noch tun konnte, war den Kopf schütteln, über seine Worte.

„Es tut mir Leid.“, flüsterte Kian schwach, „Ich mache dir schon wieder Schwierigkeiten.“ Dann schloss Kian seine Augen. Wenig später hörte ich ihn gleichmäßig atmen. Ich konnte es nicht fassen. Er war tatsächlich eingeschlafen!

Als ich meinen besten Freund nach einer Weile vorsichtig auf den Boden legte und wieder aufschaute, bemerkte ich, dass die beiden Mannaro verschwunden waren. Die Lage hatte sich etwas entspannt. Zwar saß Ryan immer noch völlig verängstigt an der Wand, aber sein Vater hatte sich vor ihm gekniet und versuchte, ihn zu trösten. Doch bis jetzt schienen seine beruhigenden Worte keine Wirkung zu zeigen. Mein Vater kam langsam auf mich zu, bevor er den Erste-Hilfe-Kasten öffnete und begann, die Bisswunde an meinem Arm zu desinfizieren. Ich zuckte kurz zusammen. Es brannte. Doch bemühte ich mich, mir nichts anmerken zu lassen.

Immer wieder warf mein Vater einen zornigen Blick zu Kian. Nach einer Weile wurde es mir zu bunt. „Was hat er dir getan?“, fragte ich betont sachlich.

Zuerst bekam ich keine Antwort. Dann schnaubte er. „Wirf mal einen Blick auf deinen Arm. Vielleicht fällt es dir dann wieder ein!“

„Das was keine Absicht.“, murmelte ich leise, „Und das weißt du auch.“

Mein Vater schüttelte seinen Kopf. „Du darfst ihnen nicht vertrauen. Früher oder später werden sie dich hintergehen und dir alles nehmen.“

„Kian ist nicht so.“, flüsterte ich, „Er würde nie...“

Die Augen meines Vaters weiteten sich und er deutete auf die Kette, die immer noch um meinen Hals hing. „Das ist doch... Aus der Legende... Wo hast du das her?“

„Von Kian...“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

„D- das... Aber dann-“ Mein Vater starrte mich fassungslos an, „Wie lange hast du es schon? Welchen Status hat er?“

„Er hat sie mir vor zehn Jahren gegeben.“, ich seufzte, „Nicht einmal das kannst du sagen... Rechtlich gesehen ist er seit sechs Jahren der Anführer des Rudels. Weißt du denn gar nichts? Sein Großvater war es, der dir die Drohbriefe geschrieben hat. Er wollte, dass du Kians Familie aus dem Weg räumst, damit er wieder an die Macht kommt.“ Ich schluckte, bevor ich meinem Vater direkt in die Augen sah. „Was ist vor sechs Jahren wirklich passiert?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chrono87
2010-07-29T09:30:36+00:00 29.07.2010 11:30
geil, einfach nur geil.
das kapitel ist der hammer.
das lange warten - auch wenn du nichts dafür kannst - hat sich gelohnt.
ich mag alecs vater immer weniger. schon am anfang der ff habe ich ihn gehasst, dass es steigert sich immer weiter und nun kommt auch noch hasse gegenüber ryans vater und ryan selbst dazu.
der arme kian. als wenn er nicht schon genug um die ohren hätte.
aber zum glück setzt er sich für alec ein und macht deutlich, dass niemand alec etwas tun wird.
ich bin gespannt, wie es jetzt weiter geht und was genau vor sechs jahren passiert ist.
lg chrono


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