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Ehre und Stärke IV: Thors Hammer

Gundam Wing goes ancient Rome
von

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Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte.
 

Kapitel XIV
 

Langsam aber sicher hatte Zechs kein Vertrauen mehr in die Götter. Nicht, dass je ein Sterblicher den Plan der Götter verstehen würde, aber was war ihm alles schon angetan worden? Welche Entbehrungen hatte er nicht alles schon über sich ergehen lassen müssen? Jetzt lebte er noch immer, weilte noch immer in diesen unsäglichen, irdischen Gefilden.

Irritiert blinzelte Zechs und starrte auf eine weißgetünchte Decke. Er lag auf einem wunderbar weichen, gepolsterten Bett und für die Zeitdauer einiger Herzschläge glaubte er sich wieder im Bordell und nur mit Mühe gelang es ihm seine Panik niederzukämpfen, die wie bittere Galle in ihm hochstieg. Nein, das war keines der Zimmer, die er kannte... Oder, doch...
 

Zechs hatte auf einmal das merkwürdige Gefühl diese Situation schon einmal durchlebt zu haben und als er sich das Bett näher betrachtete. Die kunstvoll geschnitzten Vögel wiedererkannte, die die Bettpfosten zierten. Die Malereien in den Ecken des Zimmers und der Mosaikboden, da wusste Zechs, er hatte in der Tat schon einmal einen ganz ähnlichen Moment erlebt.

Damals war er nach seinem Fieberdelirium, lange nach der Schlacht in Germanien in genau jenem Zimmer aufgewacht. Und auch damals hatte er mit den Göttern gehadert, dass sie ihn am Leben gelassen hatten. Jetzt war er wieder hier und wieder wusste er nicht, wie es für ihn weitergehen sollte.

Zechs schloss die Augen, selbst die Augen offenzuhalten strengte ihn unheimlich an. An was konnte er sich noch erinnern?

Zuerst sah er Treizes Gesicht vor sich, die Fassungslosigkeit und unendliche Enttäuschung, die in die Züge des Konsuls gemeißelt waren. Zechs war nicht klar bei Sinnen gewesen, er war nur noch vom Gedanken der Rache beseelt gewesen. Und ja, immerhin hatte er jetzt seine Lucrezia und das Kind gerächt. Doch er hatte es bitter bezahlen müssen. Marcus, dieser Bastard, hatte ihn in ein Bordell verschleppt und von da an... Zechs schnürte es buchstäblich die Kehle zu und seine Hände verkrallten sich in das Bettlaken. Es war eine körperliche Reaktion auf all die Misshandlungen, die noch immer in seinem Gedächtnis verhaftet waren, wenn er auch nicht genau wusste...
 

Langsam setzte sich Zechs auf und rieb sich die Schläfen, als ob ihm das helfen würde den Nebel, der seine Erinnerungen überschattete, zu lichten. Zechs konnte sich – leider – ziemlich genau vorstellen, was mit ihm wohl alles in diesem Bordell geschehen war. Er konnte sich auch an einen Besuch von Marcus erinnern. Höhnisch hatte ihm dieser davon erzählt, dass er doch zu gerne Treizes Gesichtsausdruck sehen würde, sollte der Konsul Zechs so beschmutzt und dreckig vorfinden.

Aber wie war er nun aus dem Bordell entkommen? Zechs glaubte kaum, dass er selbst die nötige Kraft hätte aufbringen können, zumal er ja stets in einer finsteren Zelle eingesperrt gewesen war. Wer hatte ihn also gefunden? Hoffentlich nicht Treize!
 

Ein weiterer schrecklicher Gedanken. Lebte Treize überhaupt noch? Zechs‘ Angriff auf Treize hätte allzu leicht zum Tod des Konsuls führen können. Aber während seiner Gefangenschaft im Bordell hatte Zechs geglaubt den Konsul zu spüren. Diese uralten, unerklärlichen Kräfte der Druiden, die sie beide verbanden. Er hatte Treizes Schmerz in sich gespürt, den Kummer und die Enttäuschung.

Bewusst atmete Zechs tief ein und aus, versuchte jegliche störenden Gedanken und Ängste aus seinem Kopf zu bannen. Ja, er lebte noch! Treize lebte und nichts spürte Zechs mehr von jenem Schmerz.

Es war geradezu pervers, dass er sich über diese Erkenntnis freute. Echte Freude! Dabei stand nun so viel zwischen ihnen. Ein unüberwindlicher Graben. Treize hatte seine Gefährtin getötet, Treize wusste mit Sicherheit was mit Zechs in jenen Tagen in Rom geschehen war. Es konnte für sie keine Zukunft mehr geben und doch war er hier auf dem Landsitz der Khushrenadas. Schlief in jenem Zimmer, das ihm zu seiner zweiten Heimat hier in Rom geworden war. Nur zwei Räume weiter befand sich Treizes Gemach und in diesem Zimmer hatten sie ihre erste und einzige Nacht zusammen verbracht.

Wie bitter-süß doch diese Erinnerung nun war.
 

War Treize etwa hier? Zechs war sich da nicht so sicher, glaubte jedoch, dass er Treizes Präsenz nicht in unmittelbarer Umgebung wahrnahm. Wollte er den Konsul überhaupt sehen? Eine schwierige und schmerzvolle Frage. Wollte Treize ihn überhaupt sehen?
 

Treize hatte selbst gesagt, dass er nichts so sehr verabscheute und nicht verzeihen konnte wie Verrat und missbrauchtes Vertrauen. Zechs hatte sich all das zu schulden kommen lassen. Dabei wusste Treize noch nicht einmal, warum Zechs an diesem Tag zum Schwert gegriffen hatte. Er...
 

„Du bist erwacht!“
 

Zechs zuckte erschrocken zusammen, so vertieft war er in seine Gedanken gewesen, dass er die öffnende Tür überhört hatte.
 

„Sally!“ Wie damals. Sally und Quatre hatten ihn wieder unter den Lebenden begrüßt und ihm erzählt, wie er nach Rom gelangt war.

Es tat seltsam gut die Heilerin zu sehen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr ihm Rom, oder besser gesagt die Menschen um Treize, zu Freunden geworden waren. Ein weiterer schmerzvoller Gedanke, er konnte hier in der Fremde, im Feindesland mehr Menschen seine Freunde nennen als in Germanien. Dort kannte ihn wohl niemand mehr. Seine Männer waren alle bei der letzten Schlacht gefallen.
 

„Wie geht es dir?“ Sie musterte ihn skeptisch und setzte sich dann an das Bett, doch nicht ohne seinen Kopf und Schulter zu betasten.
 

„War sie ausgerenkt?“, fragte Zechs als sie ihn bat die Schulter zu bewegen. Er kannte diesen Schmerz, denn als Kind hatte er sich einmal die Schulter beim Klettern ausgekugelt.
 

Sally biss sich auf die Lippen. „Ja... ich wusste nicht, ob ich sie wieder richten kann. Irgendein Quacksalber hat sie dir nicht richtig eingerenkt. Hast du Schwierigkeiten beim Atmen?“
 

Zechs probierte einige weitere tiefe Atemzüge. „Nein, wieso?“
 

„Gebrochene Rippen“, war ihre knappe Antwort.
 

„Ah.“ Zechs runzelte die Stirn. Daran konnte er sich nicht mehr erinnern.
 

„Weißt du, was mit dir geschehen ist?“, erkundigte sich Sally vorsichtig und beugte sich nach vorn als ob sie Zechs in die Augen blicken wollte. Vielleicht glaubte sie, er hätte irgendwelche Schäden davongetragen.
 

„Wie bin ich hierher gekommen?“, fragte stattdessen Zechs nach. „Ich war in Rom.“
 

Sally antwortete nicht, vielleicht wollte sie nicht antworten, wollte feststellen, an wie viel er sich noch selbst aktiv erinnern konnte.
 

„Ich war in diesem Bordell...“, begann Zechs und seine Stimme hatte sich zu einem leisen Raunen gesenkt.
 

„Treize hat dich gefunden.“ In Sallys Stimme schwang eine gewisse Traurigkeit mit.
 

‚Oh nein, oh ihr Götter!‘, flehte Zechs und blickte schnell zur Seite. Weder wollte er, dass Sally ihn jetzt so sah, noch wollte er das Mitleid in Sallys Augen sehen.
 

„Du warst... ziemlich übel zugerichtet...“ Auch ihre Stimme war belegt, es fiel ihr ebenso schwer es über die Lippen zu bringen. „Wir wussten nicht, ob du es überlebst... Du hattest Fieber.“
 

Doch bevor sie beide diesen schmerzhaften Prozess fortführen konnten, wurde abermals die Tür geöffnet und Zechs glaubte seinen Augen kaum zu trauen.

„Wufei!“, rief er. Das konnte doch nicht sein. War er etwa doch gestorben? Wufei war doch in sein Heimatland zurückgekehrt und niemand, nicht einmal Wufei selbst, hatte je damit gerechnet, dass er einmal wieder nach Rom reisen würde.
 

Wufei grinste und umarmte Zechs vorsichtig. „Es ist schön dich endlich wohlauf zu sehen.“
 

Wie von selbst schloss Zechs die Arme um die Schultern des jungen Mannes. Wufei war ihm der erste Freund in Rom gewesen, hatte ihm geholfen sich mit den fremden Gebräuchen und der Sprache zu arrangieren. Wufei hatte ihm sogar das Lesen und Schreiben beigebracht!
 

„Wieso...?“, stotterte Zechs und konnte nicht umhin zu bemerkten, dass Wufeis Gesichtszüge härter und strenger geworden waren. Er war zu einem Mann geworden.
 

„Der Kaiser hat mich wieder nach Rom gesandt. In Seres hätte ich wohl nur Unruhe gestiftet und schlimmstenfalls wäre es zu einem Krieg innerhalb meines alten Clans gekommen. So haben jetzt alle ihr Gesicht wahren können. Meine Cousin ist Anführer des Clans; ich bin der Botschafter von Seres in Rom.“
 

„Aha“, machte Zechs. „Aber in Rom bist du jetzt nicht.“
 

„Nun, so zeitraubend ist mein Amt ja nicht“, grinste Wufei und wurde dann sofort wieder ernst. „Treize bat mich hier auf dem Land zu bleiben damit du etwas Gesellschaft hast.“
 

„Also lebt er?“, fragte Zechs zur Sicherheit noch einmal nach.
 

„Ja.“
 

„Hat er...“ Zechs seufzte, wie sollte er das formulieren. „Ich habe doch...“
 

„Die Wunde war schwerwiegend und er war neun Tage lang dem Tode näher als dem Leben. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte“, erklärte Sally. „Dann ist er plötzlich aufgewacht und hat uns alle damit einen gehörigen Schrecken eingejagt.“
 

Wufei lachte. „Sally hat er zu Tode erschreckt, sie hatte ihm den Rücken zugekehrt und Treize hat nur gemeint ‚Sally, deine Tunica ist dreckig‘.“
 

„Das ist wohl typisch Treize“, murmelte Zechs.
 

„Mittlerweile ist die Wunde gut verheilt.“
 

„Das freut mich zu hören.“ Wieder unternahm Zechs einen Anlauf etwas mehr über seine Zeit im Bordell zu erfahren, oder besser gesagt, über seine Rettung durch Treize. „Wie hat er mich gefunden?“
 

Dieses Mal war es an Wufei zu antworten. „Wir wissen es auch nicht genau. Es war wohl Zufall, dass er dich gefunden hat.“
 

„Marcus hat es darauf angelegt“, rutschte es aus Zechs heraus.
 

Sally und Wufei tauschten einen bedeutungsvollen Blick, sie waren wohl überrascht darüber, dass Zechs so heftig reagierte. „Wir glaubten, dass Treize die Beherrschung verlieren und an jenem Abend in Marcus‘ Palast stürmen würde. Trowa berichtete uns, dass Treize wohl nur mit Mühe an sich halten konnte. Später hat mir Treize erzählt, dass er nur zu gerne Marcus noch in der gleichen Nacht getötet hätte.“
 

Empfand Treize etwa noch so viel für ihn, dass er Marcus‘ frevelhafte Taten rächen wollte? Zechs blickte auf die Bettdecke und dann gähnte er. Ihm war gar nicht aufgefallen, wie müde er geworden war.

Sally und Wufei erhoben sich. „Ich lasse dir noch etwas Brühe bringen, versuch noch eine Kleinigkeit zu dir zu nehmen bevor du wieder schläfst“, wies ihn Sally an.
 

Dabei hatte er noch so viele Fragen, man es ihm wohl an und Sally beeilte sich ihn zu beschwichtigen. „Morgen ist auch noch ein Tag, dann reden wir weiter. Du bist hier in Sicherheit.“
 

Warum sie nun diesen letzten Satz noch gesagt hatte, erschloss sich Zechs nicht, aber als dann wenig später Wufei mit einer Schale heißer Suppe zu ihm kam und Zechs gehorsamst davon trank, hatte er es schon wieder vergessen danach zu fragen.
 

Sobald sich Sally davon überzeugt gehabt hatte, dass Zechs außer Gefahr war, hatte sie einen Boten nach Rom geschickt. Seine körperlichen Blessuren waren beinahe allesamt verheilt, jedoch über die Schäden, die sein Geist und seine Seele genommen hatten, konnte sich Sally noch kein abschließendes Urteil erlauben. Anscheinend hatte Zechs so manches vergessen, was ihm in jenem Bordell widerfahren war und Sally glaubte, dass dies wohl auch am besten so für den Germanen wäre.

Es war keine Seltenheit, dass Kranke nach heftigen Fieberschüben wieder erwachten und dann keinerlei Erinnerung mehr an ihr vorheriges Leben besaßen oder sich zumindest nicht mehr an ihre jüngste Vergangenheit erinnern konnten. Um Zechs‘ Willen hoffte Sally, dass er diese schrecklichen Erinnerungen schlicht und einfach verloren hatte. Wufei indes nahm sich in den folgenden Tagen Zechs an. Er saß mehrere Stunden am Bett des Germanen redete mit ihm und beschäftigte Zechs. Körperlich ging es Zechs mit jedem Tag besser. Doch auch Wufeis Fürsorge konnte es nicht verhindern, dass seine Laune von Tag zu Tag sank.
 

„Ich will jetzt nichts essen“, Zechs drehte sich auf seinem Bett auf die andere Seite und kehrte Hilde damit den Rücken zu.

Die Sklavin seufzte nur und ließ das Tablett auf dem Tisch neben dem Bett stehen. Zechs schloss die Augen und zog sich die Leinendecke über den Kopf. Er wollte nichts sehen, nichts hören. Er wollte einfach seine Ruhe!

Konzentriert hörte er in sein Innerstes und spürte der Präsenz von Treize nach. Es war ein merkwürdiges Gefühl und Zechs war sich nicht sicher, wie er es je umschreiben sollte. Er spürte Treize gerade am Rande seiner Wahrnehmung. Genug, dass er sich sicher sein konnte: Der Konsul lebte. Aber seine Sinne waren nicht mehr geschärft genug, als dass er Treizes Gemütszustand oder starke Empfindungen vernehmen konnte. Vielleicht war es nur das Fieber und sein noch etwas geschwächter körperlicher Zustand, dass er aus diesen Gründen seine Gabe nicht völlig ausschöpfen konnte. Aber vielleicht verlor er auch seine Gabe? Er wusste nicht, ob dies gut oder schlecht wäre. Immerhin würde es eine große Bürde von seinen Schultern nehmen, aber auf der anderen Seite, war es ihm bis jetzt immer tröstlich gewesen zu wissen, dass Treize wohlauf war. Sollte er diese Verbindung auch noch verlieren, dann wusste Zechs nicht mehr, was er tun sollte.

Treize war nicht zu ihm auf das Anwesen gekommen. Insgeheim hatte Zechs damit gerechnet, dass Treize gleich nachdem er die Nachricht von Zechs‘ Erwachen erhalten hatte sich auf sein bestes Pferd schwingen und in die Albaner Berge reiten würde. Aber nein.

Zechs tröstete sich mit dem Gedanken, dass es vielleicht dringende Dienstgeschäfte waren, die Treize davon abhielten auf die Landvilla zu kommen. Doch auch Zechs musste der Wahrheit ins Auge sehen, dass ihn Treize wohl nicht mehr wiedersehen wollte.

Mit verkrampften Fingern umklammerte Zechs das Amulett, dass ihm einst seine Mutter übergeben hatte und den Raben Odins gezeigt hatte, bevor dieser Mantel aus Lehm in Ägypten zerschellt war. Bei den fünf Waisen hatte er erfahren, dass es ein magisches Stück von ungleich mystischerem Ursprung war. Treize besaß das Gegenstück dazu und die uralten, ägyptischen Medaillons hatten die Geschichte von Horus und Seth erzählt. Wie sie sich im Kampf gegenüberstanden. Treize hatte dem nie großen Wert beigemessen, auch nicht, nachdem er an die Macht des Medaillons fast sein Leben verloren hätte.

Doch jetzt war es wohl so gekommen wie es die Prophezeiung vorsah: Treize und Zechs waren sich als Feinde gegenübergestanden. Zechs war es beinahe gelungen Treize zu töten.

Natürlich musste Treize davon ausgehen, dass Zechs ihm noch immer feindselig gegenüberstand. Wufei hatte dem Konsul davon erzählt, dass er es gewesen war, der in der Schlacht Lucrezia getötet hatte. Aber Treize war es gewesen, der in aufs Land hatte schaffen lassen. Zum einen, damit Zechs geschützt war vor weiteren Übergriffen Marcus‘, zum anderen, dass Zechs nachdem er wieder bei Kräften war Rom in Richtung Germanien verlassen konnte.
 

Heute Nachmittag hatte ihm Wufei dieses großzügige Angebot unterbreitet und wäre es ihm vielleicht vor zwei Jahren unterbreitet worden hätte er sofort zugeschlagen. Nichts hätte ihn hier in Rom, in diesem Vipernnest, gehalten. Mittlerweile lagen die Dinge anders und Zechs hatte sich bitterlichst eingestehen müssen, dass er nicht nach Germanien gehen konnte, wenn er nicht wenigstens ein letztes Mal Treize gegenüber stand.

Aber dies war ein Wunsch, der sich wohl nicht in die Tat umsetzen ließ. Treize war nicht gewillt ihm noch einmal in die Augen zu blicken und Zechs konnte es sehr gut verstehen. Aber das hieß nicht, dass es weniger schmerzte.
 

Es waren solche widersprüchlichen Signale. Auf der einen Seite war Treize außer sich und hätte Marcus gerne auf der Stelle persönlich hingerichtet nachdem er davon erfahren hatte, dass er Zechs in das Bordell Xenophons verschleppt hatte. Aber dann wieder, verhielt er sich so kühl und abweisend und würde Zechs am liebsten eher früher als später nach Germanien abschieben.
 

Zechs wusste, dass ihm diese gesamte Grübeleien nicht weiterbringen würden und so stand er dann in der Nacht auf und ging in Treizes Zimmer. Dort setzte er sich an den Schreibtisch und zog eine der Wachstafeln hervor, die von den Römern für schnelle Notizen und weniger wichtige Botschaften benutzt wurden. Mit einem Griffel ritzte er nur ein Wort in das Wachs: ‚Komm‘.

Er besah sich das Wort und setzte dann noch ein ‚bitte‘ hinzu. Noch in der gleichen Nacht übergab er die Tafel einem der Männer von der Leibwache.
 

Danach legte er sich mit klopfendem Herzen wieder nieder. Endlich konnte er schlafen.
 

Es war ein merkwürdiger Traum, der ihn danach ereilte. Zechs befand sich in einem Wald, jedoch war es kein römischer Wald, sondern der Wald seiner Kindheit und Jugend. Germanien. Es roch so köstlich und frisch wie er es noch in Erinnerung hatte. Gierig sog er die Luft ein und hielt inne. Wie ein seltsamer Nachgeschmack lag noch etwas anderes in der Luft und dann erkannte Zechs den charakteristischen Geruch von Blut, Tod und Verderben. Mit einem Schlag erkannte auch den Wald wieder. Es war der Wald der letzten Schlacht gegen die Römer und hier lagen die Leiber seiner germanischen Brüder. Hier lag Lucrezias Körper. Es schnürte ihm die Kehle zu und blind vor Tränen stolperte er durch das Unterholz. Dabei wusste er ganz nicht, wohin er sich überhaupt wenden sollte.

Er fiel der Länge nach hin und zunächst dachte er, es wäre eine Wurzel, die ihn behinderte, doch dann sah er, dass es die Beine eines Mannes waren. Die Stiefel dick verkrustet von Erde und Blut. Das Leder seiner Rüstung fast schwarz vom vielen Blut, das aus einer Wunde unter dem Arm stammte.

Es war er selbst, der da lag. Zechs setzte sich auf seine Fersen zurück und mit seltsamer Faszination beobachtete er seinen leblosen Körper. Leblos, ja, das beschrieb es ganz gut, sein Gesicht war so fahl, eingefallen und blass, dass man ihn für tot halten könnte.

Eine Stimme rief ihn und Zechs sah auf. Wann war es denn dunkel geworden? Es war stockfinster um ihn herum, doch noch immer befanden sie sich in jenem Wald. Das Licht einer Fackel kämpfte sich stetig, aber schwankend näher und Zechs konnte bald zwei Gestalten ausmachen. Doch erst als die kleinere der Beiden Gestalten neben Zechs Körper niederkniete und weinte, erkannte Zechs sie wieder.

„Lucrezia!“, rief er und wollte sie berühren. Doch als es ihn gar nicht geben würde, strichen seine Finger nur durch Luft. Lucrezia sagte irgendetwas zu ihrem Begleiter und der schüttelte nur den Kopf und zog sie wieder in die Höhe.

Lucrezia selbst konnte sich kaum auf den Beinen halten, doch wie stets kämpfte sie wie eine Wölfin. Wollte ihren Geliebten nicht verlassen, auch wenn es ihren sicheren Tod bedeuten würde.. Auch sie war besudelt von Blut. Ihr Hals, ihre Schulter...

Ihr Hals! Zechs hatte doch gesehen, wie sich Treizes Schwert in ihren Hals gebohrt hatte. Jetzt sah es Zechs genau, das Schwert war an ihrem Lederkragen steckengeblieben und hatte sich stattdessen in die Schulter gegraben. Auch diese Wunde war lebensbedrohlich, das wusste Zechs.

Ihm wurde bewusst, dass es vielleicht gar kein Traum war, den er hier durchlebte, sondern eine Vision, die ihm die Götter geschenkt hatte.
 

Als er das nächste Mal die Augen öffnete, saß er aufrecht und in kaltem Schweiß gebadet in seinem Bett. Eine Vision, keine Frage, solch eine heftige körperliche Reaktion hatte er bei keinem noch so schlimmen Albtraum.

Also hatte Lucrezia die Schlacht überlebt? Anscheinend zumindest die unmittelbare Zeit nach der Schlacht. Vielleicht war sie dann an den Folgen der Verletzung gestorben? Vielleicht lebte sie noch.
 

Von großer Unruhe angetrieben, stand Zechs auf und riss den Vorhang zur Seite, der das Fenster bedeckte. Er sah hinauf zu den Sternen und atmete tief ein. Nein, nein, sie lebte nicht mehr. Er hatte sich damit abgefunden, dass sie gestorben war. Denn wäre ja alles sinnlos gewesen, sein wilder Durst nach Rache. Diese gesamten Verletzungen, das missbrauchte Vertrauen, alles umsonst?
 

Er musste die Wahrheit herausfinden, jetzt. Taumelnd ging er abermals in Treizes Gemächer. Dort setzte er sich auf den Boden und stellte eine Kerze vor sich hin, nachdem er sie entzündet hatte, holte er sich ein Messer und schnitt sie in den Finger. Er benötigte etwas Blut. Mit der entsprechenden Beschwörung ließ er das Blut in die Flamme tröpfeln.
 

Nicht lange und seine Augen schlossen sich und wieder erfuhr er jenes ekelhafte, und doch so charakteristische Gefühl: Eine zugeschnürte Brust, Panik, Herzklopfen, seine Muskeln verkrampften sich...
 

Dort war sie! Dort stand Lucrezia, er sah sie ganz deutlich vor sich. Sie stand im Licht der gleißenden Sonne und Zechs konnte deutlich ihren gerundeten, schwangeren Bauch ausmachen. Also hatte sie ihr Kind noch austragen können? War es das, was ihm diese Vision sagen wollte?

Lucrezia wandte den Kopf zu ihm und lächelte. Und in diesem Lächeln lag so vieles: Vergebung, Verständnis, Stolz und Liebe.

‚Kümmere dich um sie!‘, sagte sie. Er hörte ihre Stimme ganz deutlich in seinem Kopf.

Dann sah er noch mehr: Seine Schwester als kleines Kind, als junge Frau wie sie sich in seine Arme warf. Aber Relena war doch wie seine Eltern gestorben?

Dann sah er Treize! Treize, warum er?, dachte sich Zechs. Warum wieder das? Diese Vision hatte er doch schon einmal gemacht. Treize mit rot beschmierten Gesicht.

Dann sah er zwei Kinder, sie hielten einander an den Händen und rannten über eine grüne Wiese. Es hätten er und seine Schwester sein können, aber etwas in ihm gab ihm die Gewissheit, dass es so nicht war. Dass ihn seine Augen täuschten, dass er...
 

Zechs riss die Hand über der Kerzenflamme zurück und krümmte sich. Beinahe hätte er die Kontrolle über die Vision verloren und sein Geist wäre in ihren Tiefen verblieben.

Zusammengekauert saß er vor der Kerze und versuchte Ordnung in dieses Chaos von Bildern zu bringen. Er war zutiefst verwirrt. Doch eines wusste er: Lucrezia hatte die Schlacht überlebt und sie war dann bei der Geburt ihres Kindes gestorben.

Er war Vater geworden, er hatte ein Kind!



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