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Ziras unerzählte Geschichte

von

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Nuka und Kwanza

In den darauffolgenden Monaten zeigte sich wie schlimm die Folgen des ausbleibenden Regens im Geweihten Land wirklich waren: Das Flussbett ging zurück und die Tiere wurden merklich weniger. Sogar das Gras verdorrte. Ja, all das Gras was noch vor ein paar Monaten Zira teilweise an der Nase gekitzelt hatte, all das schöne, fette, satte Gras verschwand einfach.

Doch so zäh wie Zira nun mal war, hatte sie sogar schon eine Lösung zum effektiveren Jagen gefunden. Natürlich hatte sie immerhin war sie Königin, sie musste so was können. Und es war sogar ganz einfach, warum sie dafür irgendeine Ausbildung von einem König gebraucht hätte verstand sie nicht. Zira hatte einfach aus der großen jagdgruppe zwei kleinere gemacht: In der einen waren Sarabi und die Löwinnen des Königsfelsens, in der anderen waren Zira und die Wüstenlöwinnen.

Tatsächlich war das Jagen dadurch effektiver und die Beute reichte immer, um grade um die Runden zu kommen. Na ja, aber wirklich nur gerade so.

Doch in letzter Zeit ging Zira sowieso kaum noch jagen. Die Trächtigkeit zeichnete sich immer stärker an ihr ab.
 

„Und wie geht’s dir?“

Scar schmiegte den Kopf zur Begrüßung an ihrem, legte ihr das zerfledderte Vorderbein eines Zebras vor die Pfoten und legte sich neben sie, wobei er ihr einige Male über den Rücken leckte. Sowohl Zira als auch Scar gaben es ja nur ungern zu, aber sie waren vorsichtiger geworden.

Der Tag als ihre ersten Jungen verstarben war in Ziras Unterbewusstsein verankert und sie hatte es seit dem ständig mit der Angst um ihr Ungeborenes zu tun, auch wenn sie es nie zugegeben hätte. Sie war um einiges vorsichtiger als bei ihrer ersten Trächtigkeit und hatte von allein mit dem jagen aufgehört, nicht erst auf Scars Drängen.

Und diesem war das nur recht. Er war stets besorgt um Zira. Na ja, nicht direkt um sie, eher um das Junge welches sie mit sich trug. Er konnte es sich nicht erklären, aber er war so auf dieses Junge aus, dass er den Tag der Geburt kaum mehr abwarten konnte. Er erhoffte sich von diesem Jungen so viel, denn er würde ein Erbe brauchen.

Nur machte ihm diese verdammte Trockenheit Sorgen. Er wusste dass es Probleme bei der Futterbeschaffung gab und auch wenn Zira nicht unbedingt hungerte, so nahm sie auch nicht wirklich genug zu. Jedenfalls nicht genug, dass Scar gesagt hätte, sie würde ein gesundes Junge gebären. Er drängte sie so oft es ging dazu etwas zu fressen, doch sie war dann meistens schon satt und er konnte sie zu nichts zwingen.

„Und was machen die Hyänen? Ich hab gehört es gab einen Zwischenfall mit fremden Löwen an der Nordgrenze, bei der Schlucht.“, meinte Zira und fraß an ihrem Zebra weiter.

„Ach, nicht der Rede wert“, murrte Scar und versuchte es alles etwas herunter zu spielen „Ein paar tote Hyänen, die Löwen haben Reißaus genommen. Aber es kann mir nur recht sein, je weniger Hyänen, umso besser. Wobei ich ja sagen muss das sie wunderbare Kämpfer, ich muss so nicht die Löwinnen zum Kämpfen schicken.“

Zira wollte schon etwas erwidern, aber dann ließ sie es doch. Es gefiel ihr zwar nicht mal ansatzweise wie er über die Hyänen sprach und dachte, aber was konnte sie da ändern? Sie und er hatten völlig verschiedene Beziehungen zu den Hyänen, das war eben eine Tatsache.

„Aber Shenzi, Banzai oder Ed hat es doch nicht erwischt, oder?“, hakte Zira besorgt nach.

„Nein, denen geht es gut.“, versicherte Scar ihr.

„Ach so, dann ist ja gut. Ich hab übrigens darüber nachgedacht, dass, wenn-“

Zira stockte.

„Was ist?“, hakte Scar nach und sah sich irritiert um.

„Es hat sich schon wieder bewegt.“, erklärte Zira ihm mit einem breiten, gewissermaßen stolzen Grinsen im Gesicht und rollte sich zur Seite.

„Schon wieder? Ist aber ziemlich aktiv dieses mal…“

„Das… Das ist doch gut, oder? Ich meine… wenn es sich jetzt schon so viel bewegt… oder?“, hakte Zira unsicher nach und sah nervös auf ihre Pfoten. Ach was, sie klang nicht nur unsicher, sie hatte Angst.

„Hey…“ Scar legte seinen Kopf auf ihre Schultern „Vor was fürchtest du dich?“

„Ach, vor gar nichts.“, versicherte sie ihm.

„Mach mir nichts vor“ Scar setzte sich auf und rieb den Kopf an Ziras Hals „Ich kann deine Angst doch beinahe schon riechen.“

„Ach, es ist nur…“ Sie seufzte langezogen „Du redest immer davon dass du dir so was wie den perfekten Thronerben wünschst. Aber… unsere Gene sind nicht die allertollsten, man kann also nicht erwarten dass da so ein Simba-ähnliches, starkes Junge hervorkommt, ich meine selbst wenn wir es hundert mal versuchen würden, so kannst du nie erwarten dass es übermäßig-“

Doch Scar unterbrach sie eilig, indem er ihr über die Schnauze leckte und den Kopf an ihrem rieb.

„Zira“, begann er beruhigend „Ich WILL keinen kleinen Simba bei mir haben, ich will meinen eigenen Sohn. Verstehst du? Mir ist klar dass du bedenken hast, aber-“

„Nein“, unterbrach sie ihn bestimmt „Das meine ich auch: Sohn. Immer nur höre ich ‚Sohn‘! Was wenn ich eben keinen Sohn bekomme, was wenn es eine Tochter wird? Wäre das… wäre das ein Problem für dich? Würdest du sie aus der Thronfolge herausnehmen und es lieber noch so lange mit mir probieren bis du endlich deinen Sohn bekommst? Ich meine ich kenne den Ablauf in Königshäusern doch gut genug um zu wissen dass Söhne immer bevorzugt werden, auch du redest von nichts anderem und ich will dich nicht enttäuschen.“ Fast schon weinerlich klangen ihre Worte und man hätte fast sagen können dass sie kurz davor stand zu weinen, aber dazu passte ihr wütender Blick nicht.

„Aber du wirst mich nicht enttäuschen, du bist meine Löwin. Und egal was es wird, noch will ich keine Entscheidungen über seine Zukunft treffen. Und du solltest jetzt wirklich schlafen, dir tun diese langen Tage nicht gut.“

„Aber-“

„Zira, schlaf.“ Diesmal klang er um einiges drängender und Zira gehorchte.

Warum auch nicht, er war doch ihr König.
 

Ein paar Wochen später, die Sonne war beinahe völlig verschwunden und ließ nur einen kleinen, rosa Streifen am Horizont zurück, war es schließlich so weit, auch wenn Zira versuchte es alles zu verstecken. Aber sie war aufgekratzter als sonst, jedoch schien keine der Löwinnen und auch nicht Scar, Verdacht zu schöpfen.

Als Zira schließlich sicher war, dass alle schliefen, schlich sie leichtfüßig aus der Höhle und als sie den ersten Atemzug der Nachtluft einatmete, schien es als ob eine riesige Last von ihr fallen würde.

Sie war nicht die Art von Löwin die wollte dass ihr irgendwer, egal wer, bei der Geburt zusah oder gar half. So war es bei ihrem ersten Wurf gewesen, so würde es jetzt sein.

Sie brauchte überhaupt niemanden und wenn ihr jemand dabei zugesehen hätte, hätte sie nichts als Scham empfunden. Wer wollte denn schon bei irgendeiner Geburt dabei sein? Zira mochte Geburten noch nicht einmal. Sie waren schmerzhafter als alles was sie bisher durchmachen musste, ihr Becken schien dabei jeden Moment zu explodieren und wenn man sich mal ansah was da noch alles, neben den Jungen, hinten rauskam, ekelte es sie einfach nur. Zudem war sie nach Tage nach der Geburt unbrauchbar für irgendwas und ‚hübsch‘ war sie auch ganz sicher nicht mehr. Die überdehnte Haut um ihren Bauch hing wie bei einem fetten Flusspferd, zumindest war es das letzte mal so gewesen und generell war alles was Bauch abwärts gelegen war im Eimer. Und nach der Geburt war sie schwach und verletzlich, etwas was sie nie seien wollte.

Während Zira so darüber nachdachte, fiel ihr ein dass sie ein gutes Versteck brauchen würde.

Aha, hier, genau das Richtige.

Sie legte sich zwischen einige dornige Büsche, jedoch nur um wieder aufzustehen, sich ein paar Mal im Kreis zu drehen und das spärliche Gras platt zu treten und sich dann wieder hinzulegen.

Und nun hieß es warten.

Auf irgendwas.
 

Sie wusste nicht genau wie lange sie mit dieser Geburt zu kämpfen gehabt hatte und sie hatte auch keine Ahnung wie viele Äste sie zerbissen hatte, aber sie musste zugeben, dass es ihr dieses Mal leichter erschien als damals. Ach was redete sie da, damals hatte sie ja auch drei Junge zur Welt bringen müssen und diesmal nur eines.

Ein einziges.

Sie hätte heulen können. Wenn dieses Junge nun eine Löwin war, war sie geliefert. Scars Erwartungen wären alle über den Haufen geworfen.

„Na du? Komm mal her.“ Nur sehr schwer und auf zittrigen Beinen, konnte Zira aufstehen. Als sie das kleine Jungtier zwischen ihre Pfoten nahm und eilig begann es trocken zu lecken, fiel ihr jedoch ein Stein vom Herzen. Es war ein Löwe.

Ein männlicher Thronerbe, das was Scar immer gewollt hatte.

Und all der Druck der letzten Monate fiel mit einem Mal endgültig von ihr ab.

„Da du Süßer? Hey mein Schatz, du wirst mal König hörst du?“ Na toll, jetzt weinte sie auch noch.

Aber als sie im fahlen Mondlicht über das Gesicht des Junges fuhr um es vom Schleim zu reinigen, hatte Zira für eine Sekunde das Gefühl ihr Herz würde aussetzten.

Denn wenn man sich nur die Augenpartie des Jungen ansah, dann hätte man geglaubt es sei Kwanza. Diese Herzförmige Augenzeichnung war dieselbe die auch Kwanza hatte. Ach, ihr süßer Kwanza… Und seine Schwestern.

Und mit einem Mal wurde aus all ihrer Freude Trauer. Sie hatte immer versucht die drei zu verdrängen und sich auf ihr neues Junges zu freuen, aber jetzt, wo er da war, war die Erinnerung an sie auch zurück. Und Zweifel erfüllten sie. Was wenn sie es mit diesem Jungen wieder vermasseln würde?

Doch Zira schluckte die schmerzhafte Erinnerungen und all ihre Bedenken herunter, zumindest versuchte sie es. Ihre Aufmerksamkeit galt nun wieder ihrem kleinen Baby.

Sein Fell war, soweit Zira das im Mondlicht erkenne konnte, eine undefinierbare Mischung aus rotbraun und grau, die Pfoten und die Schnauze waren weiß, der Bauch auch, jedoch nur bis zur Brust. Und… na ja, er war so schrecklich dünn. Dünner als Kwanza es damals war. Wenn Zira ehrlich sein sollte, hatte sie Angst…

Angst dass es nicht überleben würde.

Das Futter war knapp, als Zira trächtig war, so was zeigte sich nun mal an dem Jungen wieder. Aber es war doch nicht so knapp gewesen dass sie hungern musste. Sie hatte doch immer genug bekommen, warum das also?

„Hey Kleiner…“, schnurrte Zira und rieb ganz sanft ihre Nase an dem Kopf des Jungen. Er war nun trocken, weshalb sie ihn an ihre Seite legte und er gierig begann Milch zu trinken.

Wenn sie ehrlich sein sollte, hatte sie doch so ihre Bedenken. Ja, natürlich, das Junge war neugeboren, man konnte kaum was über sein späteres Aussehen sagen, aber Zira hatte da so ein mieses Gefühl, dass Scar in dem Jungen nicht seinen Erben sehen würde. Wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre es ihr völlig egal wer es wurde, ihr ging es einzig und allein um das Wohl ihr Junges und nicht um Scars Machtspiele.

Aber nun gut. Es musste jetzt anfangs die ersten Stunden in Sicherheit bleiben, der Rest war Zira noch egal.
 

Einige Stunden später zog ein heftiger Wind auf und die Temperaturen fielen bedenklich. Zira, welche bereits zu frösteln begann nahm ihr zitterndes Junges beschützend zwischen die Pfoten und legte besorgt den Kopf über ihn. Wenn er jetzt eine Erkältung bekäme könnte sie ihn gleich umbringen.

Sie hörte ihn manchmal unter sich aufmauzen, sich im Schlaf drehen, aber ansonsten schien der Platz zwischen den Pfoten seiner Mutter der schönste überhaupt für ihn zu sein.

Zumindest einer der nicht fror.

Zira war eiskalt. Sie fror so sehr, dass sie glaubte ihre Schwanzspitze nicht mehr zu spüren und auch wenn sie sich zusammenrollte und so klein wie möglich machte, so wurde es nicht wärmer um sie herum.

Aber irgendwann konnte sie nicht anders und schlief ein.
 

Doch das hielt nicht lang, denn einige Zeit später wurde Zira von einem flehenden Maunzen wach. Das Junge versuchte sich zwischen ihren Pfoten hindurch zu ihrem Bauch zu kämpfen.

„Hey, was machst du denn da? Bist du nicht noch ein bisschen zu jung zum Kämpfen?“, fragte sie es und packte es vorsichtig am Genick und legte es neben sich.

Eine Zeit lang lag sie einfach stillschweigend da, die Ohren immer aufgestellt. Sie wäre jederzeit bereit gewesen für ihr Junges zu kämpfen, aber da die Morgendämmerung inzwischen einsetzte, entschloss Zira zurück zum Königsfelsen zu gehen.
 

Als Zira mit dem Jungen im Maul ankam, sah sie eine angefressene Giraffe in der Nähe des Königsfelsens liegen.

Aha… Die Löwinnen hatten also was Größeres gefangen. Sie hatte Hunger, also lief sie schnell zu der Giraffe und schlang einige zähe Brocken in sich rein. Es war ihr egal ob sie nur die Reste bekam, aber sie war so ausgelaugt dass sie über alles fressbare glücklich war.

Plötzlich jedoch wurde das Junge, das sie zwischen ihre Pfoten gelegt hatte wach und begann flehend nach Futter zu rufen.

„Pssssst! Pssst Baby, keine Panik.“, meinte Zira beruhigend, lies sofort von ihrem Futter ab und schmiegte den Kopf einige Male beruhigend an dem Kleinen. Als er sich wieder beruhigt hatte, was erstaunlich schnell ging, nahm sie ihn wieder ins Maul, schlich zum Königsfelsen und lief mit großen Schritten an den schlafenden Löwinnen vorbei, in den separaten Teil der Höhle, in dem sie und Scar schliefen… und ab jetzt wohl auch das Junge.

Und als sie da so stand, Scar direkt vor ihren Pfoten, da wusste die um ehrlich zu sein nicht was sie tun sollte.

Ihr erster Impuls war es, Scar zu wecken und ihm seinen neuen Sohn zu präsentieren, doch dann ließ sie es doch sein und ließ sich nur stillschweigend neben ihn sinken, das Junge fest zwischen die Pfoten geklemmt.

Es schlief tief und fest und machte selbst dann keinen Mucks, als Zira den Kopf über das kleine Wesen legte und noch versuchte zumindest noch ein bisschen Schlaf zu bekommen.
 

Doch schon einige Minuten später war Zira, aufgrund eines strampeligen ‚Dings‘ wieder wach. Müde sah sie zu ihrem Jungen, das sie aus seinen großen Knopfaugen ansah und ein Lächeln huschte über

ihr Gesicht.

Es hatte ihre Augen.

„Na mein Süßer?“, schnurrte Zira liebevoll und schleckte ihm über den Kopf.

Scar, der wohl gerade in den Halbschlaf verfallen war, gähnte verschlafen und streckte sich ausgiebig.

„Was denn?“, fragte er. Er dachte wohl er war mit dem „Süßer“ gemeint.

„Nicht du.“, kicherte Zira und konnte sich ein verschlagenes Grinsen einfach nicht verkneifen.

Scar war noch immer etwas verschlafen und sah verwirrt zu ihr. „Was?“

Zira rollte mit den Augen und einen Moment lang hätte die ihn fast schon auf das Junge aufmerksam gemacht, doch dann änderte sie ihre Meinung.

„Scar, schau dich bitte mal hier um, fällt dir vielleicht irgendeine, winzig kleine Veränderung auf?“, fragte sie vielsagend.

Anscheinend nicht vielsagend genug.

Denn Scar brauchte ein paar Sekunden bis er begriff dass sie da etwas zwischen Ziras Pfoten befand, was für ihn von gewisser Bedeutung war.

„Du… warum hast du nichts gesagt?“, rief Scar überrumpelt aus und sprang mit einem mal überraschend schnell auf.

„Ach, das mach ich doch nie. Und? Na, gefällt er dir?“, fragte Zira hoffnungsvoll.

Scar war einen Moment lang völlig neben der Spur, dann jedoch musste er grinsen. Er musste einfach, allein schon weil sie sich so freute.

„Und das ist er?“, hakte Scar nochmals nach, so als wolle er sicher gehen dass das auch tatsächlich sein Sohn war.

„Nein Scar“, meinte Zira „Weißt du, ich bin es!“ Oooh, Sarkasmus. Aber dass Scar immer so dumme Fragen stellen musste! NATÜRLICH war das Junge es, wer denn sonst?

„Er ist süß“, meinte Scar schließlich und legte sich neben sie „Aber ein bisschen klein, findest du nicht?“, stellte er fest und beugte sich zu dem Jungen herunter um es besser betrachten zu können.

„Weißt du Scar, DAS ist das Gute an Kindern: Sie wachsen.“, entgegnete Zira und hoffte nicht zu abweisend geklungen zu haben. Aber was verlangte er denn? Sie hatte wirklich ein bisschen mehr Begeisterung erwartet… Nur ein bisschen. Immerhin hatte er jetzt seinen Erben und dazu noch einen männlichen, was verlangte Scar denn noch? Und dafür dass der Kleine ein wenig schwächlich war… Da konnte sie doch nichts dafür, das würde doch noch werden. Sie hatte doch keine Freudensprünge erwartet, nur ein bisschen mehr… Zufriedenheit. Stattdessen hatte sie, trotz allem, das Gefühl Scar einfach nur enttäuscht zu haben.

Und… Nun ja, Scar hatte sich das Junge ein bisschen anders vorgestellt. Doch so musste man dem kleinen Kerl eines lassen: Er war wirklich süß. Doch Niedlichkeit machte keinen König. Und so wie es jetzt war… Scar konnte sich kaum vorstellen, dass hieraus mal ein König werden sollte. Wirklich nicht.

Er seufzte leise auf und ließ den Blick noch immer Sekundenlang auf dem Jungen ruhen. Dass er sein Sohn war, war nicht zu bestreiten. Die Ähnlichkeit war vorhanden… Wenn Uru jetzt noch leben würde, wäre sie wahrscheinlich ganz in ihrem Element gewesen und hätte lauter Geschichten über Scars Kindheit erzählt.

Uru.

Egal was Scar auch widerfuhr, irgendwo in seinem Unterbewusstsein war sie noch immer Vorhanden und wollte ihn einfach nicht loslassen, auch wo er nun selber Vater war. Vater eines Sohnes.

Und dann waren da noch diese Augen. Diese Augen die Kwanzas so verdammt ähnlich sahen.

Einen Moment lang musste Scar schlucken um sich beherrschen zu können. Irgendwo von Ziras Seite musste diese Augenzeichnung kommen, Scar kannte niemanden aus seiner Linie, der solche Augen hatte.

„Und wie wollen wir ihn nennen?“, fragte Scar schließlich und stupste seine Sohn vorsichtig mit der Pfote an.

„Ich dachte an Nuka.“, schlug Zira vor. Sie wusste zwar was der Name bedeutete, aber irgendwie… ihr gefiel der Name einfach. Der Klang. Es war ein hübscher Name. Nuka… das klang süß. So wie… wie… Nukato. Das hieß Parfum. Nur klang Nukato etwa eine halbe Millionen Mal schlechter als Nuka. Nuka war viel niedlicher.

„Nuka“, hakte Scar nach „Ernsthaft? Du weißt doch was das heißt, oder?“

„Schon…“, gab Zira zu „Aber es klingt doch hübsch, oder? Ich mag den Klang dieses Namens einfach“ Sie stockte kurz „Oder sollen wir ihn etwa Taka nennen?“, fragte sie neckisch.

„Nein, natürlich nicht“, wand Scar ab „Aber gut… Okay. Nuka also.“ Scar fiel sowieso nichts Besseres ein und bevor Zira die Idee mit Taka ernst meinte, stimmte er einfach dem erstbesten Namen ein.

Scar begann nun Nuka zu beschnuppern, welcher in diesem Moment ein Kichern von sich gab, völlig unverhofft nach den Schnurrhaaren seines Vaters griff und so fest er nur konnte daran zog. Er schien sogar noch Freude daran zu haben und dafür dass er im Grunde so gut wie blind war, hatte er eine unglaubliche Zielgenauigkeit, wenn es darum ging nach Schnurrhaaren zu greifen.

„Au“, rief Scar aus und rieb sich die Schnauze „Na wenigstens kann er das. Vielleicht steckt ja wirklich Potenzial in ihm.“

Zira grinste breit und leckte Scar zärtlich über die Stelle, an der Nuka seinem Vater ein paar Schnurrhaare ausgerissen hatte. Diese paar Worte von ihm hatten ihr einen gewaltigen Stein vom Herzen fallen lassen.

„Hey, wird schon wieder… Das blutet nicht mal, sei mal keine Löwin.“, zog sie ihn auf und rieb liebevoll ihren Kopf an seinem Kinn. Sie war einfach erleichtert. So verdammt erleichtert.

Scar fuhr ihr und Nuka sanft über die Stirn und stand auf. „Na dann zeig ihn mal den anderen.“

„Wohin gehst du?“, fragte Zira.

„Ach, die Hyänen erzählten mir gestern von irgendwelchen Problemen an der Südgrenze. Ich werde kurz nachschauen.“
 

„Ooooh, er ist so süß… Irgendwie flauschig.“, meinten Sarabi und Sarafina, als sie gegen Mittag mit Zira im Schatten lagen und Nuka beim Schlafen zusahen.

„Aber an irgendwen erinnert er mich…“, meinte Sarabi schließlich und sah sich Nuka genauer an.

Zira spürte einen Stich im Herzen und schluckte. „Kwanza… Die Augenzeichnung ist dieselbe wie bei Kwanza.“, brachte sie hervor.

„Oh… Ja, stimmt.“ Sarabi wusste dass dieses Thema eine Tabunummer war und wollte es einfach bei sich belassen.

Zira musste jedoch lächeln, als sie sah, wie Nuka sich im Schlaf wälzte und mit den Pfoten zuckte.

Ja… Ihr süßer, kleiner Nuka. Egal was Scar auch tun würde, egal ob er in Nuka nun seinen Thronfolger sah, für sie würde er immer ihr kleiner Löwe bleiben… Auch wenn er das Loch in ihrem Herzen, was Kwanza, Samangi und Tofauti hinterlassen hatten, nie ganz füllen könnte…
 

„Hey Nala… Was schaust du denn?“

Sarafina setzte sich zu ihrer Tochter und folgte ihrem Blick in den unendlichen Sternenhimmel.

„Ach Mutter“, begann Nala „Ich mach mir solche Sorgen um Mheetu… Er… er ist jetzt schon fast drei Monate allein da draußen… Was wenn er verhungert ist… Oder getötet wurde? Er ist noch nicht mal erwachsen…“

Sarafina seufzte und rieb tröstend den Kopf an ihrer Tochter. „Nala… Wir haben ihm alles beigebracht… Ich bin mir sicher dass er was Besseres finden wird. Er hat uns versprochen zurückzukommen. Und glaub mir: Mheetu hält seine Versprechen. Das weißt du.“

„Ich weiß Mutter… Nur: Ich… Ich hab solche Angst, das ihm was passiert ist! Was wenn er in Vergessenheit geraten wird“, weinte Nala „Ich will ihn nicht vergessen! Er ist doch mein kleiner Bruder!“

„Siehst du die Sterne“, fragte Sarafina plötzlich „Zira hat ja etwas andere Ansichten, was unseren Tod angeht… Ich finde ihre Vorstellung im Übrigen um einiges Tröstender…“

„Was denn Mama?“

„Sie sagte mal, dass wenn wir sterben, wir an einen besseren Ort kommen und die Sterne nur leuchten, um uns an die zu erinnern, die von uns gegangen sind. Immer wenn jemand stirbt, erleuchtet Irgendwo ein neuer Stern.“, erklärte Sarafina.

„Das… das ist eine schöne Vorstellung… Ich mag das.“, schluchzte Nala und beruhigte sich allmählich.

„Nala… Niemand weiß was hinter dem großen Hauptfluss ist, weil bis jetzt es niemand für Notwendig hielt, soweit weg zugehen. Wer weiß, vielleicht erwartet Mheetu dort der Himmel auf Erden.“, tröstete Sarafina ihre Tochter und liebkoste sie. Oder der Vorhof zur Hölle, ergänzte sie in Gedanken, sprach es jedoch nie aus.

„Du hast recht… Vielleicht geht es Mheetu doch gut…“
 

„Ey, du scheiß Penner, gib mir meinen Anteil der Beute wieder!“, brüllte Mheetu wütend und rannte hinter einem anderen Junglöwen her.

Kwanza hatte ein großes Stück Fleisch um Maul und konnte sich ein fieses Grinsen nicht verkneifen.

„Nur weil ich der jüngste bin, müsst ihr mich nicht immer so ärgern!“, knurrte Mheetu erschöpft, als er es endlich schaffte sich auf Kwanza zu stürzen.

„Du übertreibst gnadenlos! Erstens: WIR ärgern dich NIE und zweitens kann ich mir meine Verwandtschaft wohl nicht aussuchen!“, wand Tofauti ein, die mit ihrer Schwester und Tumaini unter einem Baum lag und in die Sterne starrte.

Samangi seufzte genervt. „Oh Gott, ich dachte immer mit einem Männchen hat man genug zu kämpfen, aber NEIN! Schickt der Himmel uns gleich noch Nummer zwei!“

„Ach Süße, tu nicht so gequält.“, meinte Tumaini und schmiegte den Kopf an ihrer, wenn man es so nennen wollte, ‚Tochter‘.

Drei Monate waren seit Mheetu Ankunft vergangen und sie alle verstanden sich bestens! Okay, Mheetu konnte noch immer nicht so recht glauben in was für eine verrückte Gruppe er hier gekommen war, aber es war cool!

Die anderen waren alle in seinem Alter, mit ein paar Monaten unterschied, und waren genauso ausgeflippt, pubertär und von jugendlicher Energie erfüllt wie er. Na gut, Samangi war doch etwas reifer, aber sie verstand noch immer Spaß. Und Tumaini? Mheetu hatte daran gezweifelt das er einen Schakal als Alphatier akzeptieren könnte, doch es klappte.

Tumaini war ein Engel und wenn man es so sagen wollte, war sie… cool. Sie machte jeden Blödsinn mit und es schien kaum Regeln zu geben. Was wollte Mheetu mehr?

„Jetzt hör mal auf zu heulen. Wir müssen sowieso wieder jagen. Also, wer kommt mit?“, fragte Tofauti

„Immer das Ferkel das grunzt!“, lachte Samangi.

Tofauti seufzte genervt, dann sah sie zu Mheetu. „Kommst du auch mit? Bitte!“, flehte die weiße hoffnungsvoll.

Mheetu nickte augenblicklich und lief mit einem kribbeligen Gefühl hinter Tofauti her. Eigentlich konnte er es kaum glauben, dass diese süße Löwin wirklich mit Kwanza und Samangi verwandt war. Sie war völlig anders! Ihr Körper war kräftiger, sie war kleiner. Kwanza und Samangi waren sehr dünn und groß, doch Tofauti erinnerte Mheetu immer sehr an die Löwinnen aus dem Geweihten Land… Ja, so konnte man Tofauti am ehesten beschreiben. Nur war sie eben… kleiner. Aber sobald man wusste was für einen Humor Tofauti hatte, wusste man, dass sie zumindest mit Kwanza verwandt war.

„Hey, Mheetu, was sagst du zu der Antilope da?“, fragte Tofauti und sah Mheetu aufgeregt in die Augen. Für einen Moment wusste der junge Löwe nicht was er sagen sollte. Er starrte nur völlig bewegungslos zu Tofauti.

Sie hatte tolle Augen. Anders als die von normalen Löwen, aber das war es was er an ihr mochte: Das anders sein. Er hatte es noch nie ausgesprochen, aber er hatte sich in den letzten Monaten in diese Löwin verliebt.

Sie war so unglaublich süß und witzig, sie brachte ihm zum Lachen und wann immer er in ihrer Nähe war, war er einfach glücklich. Nur hatte er noch nie den Mut gehabt ihr das zu sagen, auch wenn er sie sich mehr als alles andere wünschte.

„Hey, sag was.“, meinte sie plötzlich und schmiegte ihren Kopf unter seinem Kinn. Nur kurz, nur einen ganz kurzen Augenblick, in dem Mheetu glaubte im falschen Film zu sein, doch sie tat es. Und das löste sofort dieses flatterige Gefühl in Mheetus Bauch aus. Wie sehr er solche Momente liebte…

„MHEEEEEETU! Was d ist jetzt?“, hakte sie etwas genervter als zuvor nach.

„Hä?! Äh, was? Sorry, ich war grade irgendwie weg!“, erklärte er und spürte wie ihn die Hitze in den Kopf stieg.

„Ich fragte dich was du von der Antilope da hältst.“, sagte Tofauti.

„Oh… äh, klar, machen wir das. Du scheuchst sie in meine Richtung, ich töte sie.“, entscheid er. Er war in töten besser als Tofauti, was aber auch nicht schwer war, denn Tofauti war von ihnen allen die schlechteste Jägerin.

Na ja, sie war nicht direkt schlecht, aber die anderen waren besser.

Tofauti nickte und rannte los. Und schon starrte Mheetu wieder nur dumm rum. Tofauti sah im Mondlicht einfach nur wunderschön aus. Ihr weißes Fell, die schnellen, eleganten Bewegungen… Okay, Samangi war auch eine ausgezeichnete Jägerin, eine bessere sogar, und sie war mindestens genau so elegant, aber bei Tofauti… Da war irgendwas anders.

Sie hatte etwas an sich was keine andere Löwin sonst hatte. Er konnte es nicht erklären, aber sie war einfach besonders und das bezog sich nicht nur auf ihr Fell.



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