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Crossing Borders

Whitebeards Söhne
von

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to meet


 

I

Das Diner war gut besucht. Musik plärrte aus den Lautsprechern an der Decke und die Klimaanlage blies kühlschrankartige Luft aus den Schächten zu Marcos Füßen. Seine Zehen, die in luftigen Sandalen steckten, hatten längst jedes Gefühl eingebüßt. Selbst der Rest seines Hamburgers war kalt und ungenießbar, so dass Marco den Teller ein Stück von sich schob. Dabei wanderte sein desinteressierter Blick aus der breiten Fensterfront des Diners und sein Kinn fand den Platz auf seiner Handfläche. Der Parkplatz und der Highway dahinter waren von Sonnenlicht geflutet und flimmerten in der Ferne, während Marco regelrecht Frostbeulen bekam. Wahrscheinlich war es so kalt hier drinnen, dass sich nicht einmal Keime bilden konnten. Vielleicht war das sogar der Grund, weshalb-

Ein Kreischen unterbrach Marcos Gedanken, seine Augen zuckten unwillkürlich zu seinem Ursprung herüber, während seine Finger bereits in die Richtung seiner Pistole zuckten. Es war ein Reflex, der sich nicht daran störte, dass er seine Bodyguard38 im Auto gelassen hatte.

Der schrille Schrei stammte von der Kellnerin, die hinter dem Tresen kauerte und einen jungen Mann anstarrte. Einen, der mit dem Gesicht auf seinem Teller lag.

Marcos Augenbraue zuckte in die Höhe, als er sich das Bild einprägte. Was ging da vor? Ein gelbes T-Shirt hing dem Fremden um die Schultern und ein roter Cowboyhut lag auf dem Barhocker direkt neben ihm, zudem lehnte ein grüner Seesack am Stuhlbein.

„Er ist tot!“, entfuhr es der Kellnerin mit einem Mal. Sie hielt ein Tablett schützend vor sich, als könnte das, was den Kerl umgebracht hatte, auch sie anfallen.

Ein alter Mann schob schabend den Stuhl über den Boden, als er sich von einem der nahegelegenen Tische erhob. „Er könnte an seinem Essen erstickt sein.“ Sein Blick glitt über die restliche Kundschaft, die inzwischen verstummt war. „Ruf doch einer den Notarzt!“ Mit diesen Worten trat er an den vermeintlich Toten heran.

Marco beobachtete ihn dabei genau. Wirklich vorstellen konnte er sich diese Annahme jedoch nicht. Würde ein Erstickender nicht auf sich aufmerksam machen, anstatt unzeremoniell in sich zusammenzuklappen?

Derweil war der Alte an den schwarzhaarigen Kerl herangetreten, den er nun vergebens an der Schulter rüttelte. Von Erster Hilfe oder wenigsten dem Puls fühlen hatte er scheinbar noch nie etwas gehört, wie Marco schien.

Allerdings verweilte er auch weiterhin auf seinem Platz. Er war nicht hier, um unnötig Aufmerksamkeit zu erregen. Viel eher war es in dem Sinne aller, wenn er nur ein weiterer gesichtsloser Kunde auf der Durchfahrt blieb.

In dem Moment, in dem der alte Mann den Knaben unter den Achseln packen wollte, um das Heimlich-Manöver anwenden zu können, kehrte wieder Leben in den Körper vor ihm zurück.

Mit einem Mal saß er kerzengerade auf dem Stuhl, die Gabel festumklammert, die ihm während des Zwischenfalls beinahe gänzlich aus den Fingern gerutscht war. Das fassungslose Lufteinziehen einiger Gäste übertönte die Musik für einen Moment und selbst Marco starrte mit geweiteten Augen zu ihm herüber.

Dieser blinzelte ein, zweimal, ehe er bemerkte, dass der Alte noch immer an ihm festhielt. „Was geht denn hier vor?“ Er klang ehrlich erstaunt, als er sich umsah und sich dabei eine Fritte von seinem Teller in den Mund steckte. Dabei glitt sein Blick auch über Marco, an dem er kurzzeitig hängen zu bleiben schien.

„Wir dachten, du bist tot!“, stieß die Kellnerin aus und deutete mit dem Finger auf den jungen Mann. Jetzt, wo Marco ihn von seinem Tisch in der hinteren Ecke erkennen konnte, fiel ihm auf, dass der Bengel recht jung war. Anfang Zwanzig vielleicht.

Dieser runzelte derweil die Stirn. „Hä? Ich bin doch nur eingepennt.“

Daraufhin herrschte abermals Schweigen, während Marco nur den Kopf schütteln wollte. Stattdessen fischte er jedoch seine Brieftasche aus seiner Jeans und legte einige Scheine auf den Tisch. Es war der optimale Zeitpunkt, um ungesehen aus dem Diner zu schlüpfen, wo die gesamte Aufmerksamkeit auf diesem Schwachkopf lag.
 


 

II

„Was für ein Spinner...“, murmelte Marco halb irritiert, halb amüsiert. Es rannten schon ein paar seltsame Menschen in der Welt herum, das musste man ihnen lassen.

Die Luft brannte und wärmte Marcos Haut, ehe er auch nur den halben Weg zu seinem Wagen hinter sich gebracht hatte. Sein silberner Camry stand im Schatten eines Baumes geparkt, damit sich das Interieur nicht allzu sehr aufheizte. Ganz seines Erwartens nach war es stickig im Wagen, woraufhin er alle vier Fenster herunterließ, als er sich hineinsetzte. Nirgendwo fand man im Sommer ein gutes Mittelmaß zwischen Wärme und Kälte.

Sein erster Blick galt jedoch dem Handschuhfach, das er sogleich öffnete, um sicherzugehen, dass seine Pistole sich noch an Ort und Stelle befand. Im nächsten Moment startete er bereits den Motor und parkte aus, um über den Platz in die Richtung der Route 90 rollen zu können.

Er hatte längst die Staatsgrenze nach Texas hinter sich gelassen, bis nach Austin war es demnach nicht mehr als ein Katzensprung. Morgen würde er Bellamy dann in aller Ruhe einen kleinen Besuch abstatten und das Geld zurückholen, das dieser bei seiner Flucht aus Key West mitgenommen hatte. Niemand stahl von Whitebeard und seinen Söhnen. Das war ein unausgesprochenes Gesetz, doch Marco war nicht hier, um es Bellamy noch einmal unter die Nase zu reiben. Nein, dafür stand zu viel auf dem Spiel, obwohl er nichts lieber getan hätte, als diesem armseligen Kerl zu zeigen, wo der Hammer hing. Doch Texas war weit entfernt von Whitebeards Territorium.

Abermals wurde er an diesem Tag unsanft aus seinen Gedanken gerissen, erneut in der Form eines Schreies. „Hey du! Du hast vergessen zu zahlen! Komm sofort zurück!“, drang es ihm ans Ohr, als er an dem Eingang des Diners vorbeifuhr. Im selben Augenblick nahm ihm eine Gestalt die Sicht auf die Kellnerin, die noch immer das Tablett in der Hand trug und gerade aus der Tür gestürzt kam.

Trotz seiner zwanzig Meilen per Stunde kletterte der Bengel von eben kopfüber durch das offene Fenster auf seinen Beifahrersitz. „Ich würde fahren, wenn ich du wäre“, entwich es Marcos blindem Passagier. Ein Schmunzeln lag auf seinen Lippen, als er sich im Sitz aufrappelte und den Cowboyhut auf seinem Kopf richtete.

Doch Marco starrte ihn auch weiterhin irritiert an. Er rechnete mit vielem, doch diese Aktion hatte ihm buchstäblich den Wind aus den Segeln genommen. Was bildete sich dieser Kerl ein?

Im Rückspiegel hob die Kellnerin empört die Arme. Für eine Sekunde wirkte es, als wollte sie ihr Tablett nach dem Camry werfen, entschied sich jedoch um. „Ich ruf die Polizei, verlass dich drauf!“

Als wäre es das Stichwort gewesen, drückte Marco das Gaspedal durch und bretterte auf den leeren Highway. Im selben Augenblick öffnete er mit der rechten Hand das Handschuhfach und zog seine Bodyguard mit einer raschen Bewegung hervor. Sie sprach von jahrelanger Erfahrung, ebenso sein Blick, der automatisch zwischen der verlassenen Straße und dem schwarzhaarigen Fremden hin und her wechselte. Ein Klicken verriet die Entsicherung seiner Pistole, was auch der andere zu verstehen schien, da dieser abwehrend die Hände hob. Das Grinsen konnte es jedoch nicht aus seinem Gesicht wischen.

„Wer bist du? Und was zum Teufel sollte das eben?“, fragte Marco, seine Stimme kalt und unnahbar.

„Immer mit der Ruhe...“

Doch Marco ließ den Pistolenlauf auch weiterhin auf die fremde Stirn zielen. Er war nicht aus Spaß in Texas und ein solcher Zwischenfall, der die Polizei involvierte, hatte ihm alles andere als gefehlt. Der Deal, den Whitebeard mit der Polizei ausgearbeitet hatte, galt lediglich für Florida, was bedeutete, dass Marco hier alleine auf sich gestellt war. Wenn die Polizei ihn schnappte, dann war es das für ihn, so viel stand fest. „Rück’ schon raus mit der Sprache oder die Bullen können dein Gehirn vom Sitz kratzen.“ In dem Ton, in dem Marco das sagte, war es viel mehr ein Versprechen anstatt einer simplen Drohung.

Doch sein Gegenüber hatte die Ruhe weg, davon sprach zumindest die stumme Belustigung in seinen dunklen Augen.

„Mein Name ist Ace“, sagte er. „Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du ein Mitglied von Whitebeards Söhnen bist.“

Auf diese Aussage hin versagte selbst Marcos sonst so undurchdringliches Pokerface. Seine Gesichtszüge entgleisten augenblicklich und der Camry wabbelte kurzzeitig auf die andere Spur, während die Pistole keinen Zentimeter von ihrem Ziel wich.
 

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Beta: Arianrhod-



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Peacer
2012-12-24T22:58:50+00:00 24.12.2012 23:58
Frohe Weihnachten! :D
Ich habe mich jetzt endlich an dein AU herangetraut, und bereue es nun, das nicht schon früher getan zu haben. Es gefällt mir jetzt schon. :D
Natürlich ist es etwas gewöhnunsbedürftig, sich Marco mit einer Pistole vorzustellen, als in seiner üblichen Phönixform, aber trotzdem ist er so IC, dass es mich nicht wirklich stört. Und Ace war auch genial, Hauptsache er pennt zuerst in seinem Essen und flüchtet nacher typischerweise, ohne zu zahlen. Dass er dabei Marcos Wagen als Fluchtmittel benutzt, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. xD
Ich bin auch schon neugierig, was genau Whitebeard ist, hört sich irgendwie nach Mafia oder so an. Und ich freue mich schon drauf, wie er Bellamy auseinandernehmen wird, den konnte ich noch nie leiden. xD
Dass ich deinen Schreibstil mag, muss ich mittlerweile nicht mehr erwähnen, oder? ;)
LG,
Peacer
Von:  Puma_Ace
2012-08-29T12:27:04+00:00 29.08.2012 14:27
Nummer zwei beim Kommi XDD

Also ich muss sagen du hast das mit dem einpennen echt gut herüber gebracht
ich habe mic gekullert vor lachen
ic liebe es wenn es dann noch wie ein kleines Kino in meinem Kopf herum geistert XDD
*daumen hoch halte*

LG Ace
Von: abgemeldet
2012-07-09T12:08:13+00:00 09.07.2012 14:08
Gar nicht schlecht :D Die gleiche Stimmung wie in den anderen, die mir so gut gefällt <3 Die gleiche ICness, aber gut, von dir erwarte ich auch nichts anderes. Diese Art von Treffen passt einfach auch mal so herrlich gut zu den beiden! Wirklich großartig!
Was mich noch interessieren würde: wie kam es eigentlich, dass du die Serie von Kurzgeschichten nicht im eigentlichen Ablauf geschrieben hast? Ich mein', es fällt ja schon auf, dass es irgendwie kreuz und quer ging. Dabei hast du's aber auch echt gut gemacht, man kann die Oneshots in der Tat auch einzelnd lesen. Aber wie kam's? Hast du einfach noch keine Lust gehabt diesen ersten Oneshot zu schreiben oder wie war das?
Ein paar Wiederholungen gab's, die teils ein bisschen steif klangen. Zum Beispiel das mit dem "Bengel" oder dem "Alten". Da hätt' ich auch mal ein anderes Synonym genommen oder wäre genauer auf die einzelnen Leute eingegangen. Der Übergang zu den "actionhaltigen" Szenen war ein bisschen unsanft. Aber vielleicht war das ja auch gewollt, um die Abruptheit des ganzen deutlich zu machen.

Schön, dass du das noch geschrieben hast :) Freu' mich schon auf's Nächste. <3

Liebe Grüße, zuckerwuerfelchen


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