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Ein zweites Leben

von

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Scheideweg

„Was sagt Ihr?! Ihr wollt Euren Dienst quittieren?!“ Marie Antoinette dachte, sie höre nicht richtig. Entsetzen breitete sich in ihr aus. Wie gestochen sprang sie von ihrem gepolsterten Thronstuhl hoch. Außer ihr, dem Grafen von Fersen und Oscar, befand sich keine Menschenseele mehr im Saal.
 

Oscar beugte vor ihr ordnungsgemäß das Knie und sah fest entschlossen zu ihr hinauf. „Ich bitte Euch, Majestät, versetzt mich nach Paris in eine Söldnertruppe. Ich versichere Euch meine Treue weiterhin, aber ich kann nicht mehr in Versailles bleiben, fernab von...“ Weiter sprach sie nicht. Hier hatten bekanntlich die Wände Ohren.
 

Von Fersen trat an die Seite der Königin und flüsterte ihr eine lange Rede ins Ohr. Bestimmt über die Beweggründe Oscars und was sie ihm erzählt hatte. Die Augen von Marie Antoinette weiteten sich, sie schlug ihre Hand vor den Mund und hörte gebannt zu. Sie war überrascht, dass von Fersen in das streng gehütete Geheimnis eingeweiht war, aber verstand auch Oscars Wunsch umso mehr. Von Fersen beendete seine Rede mit dem Satz, dass er selbst alles erst erfahren hatte.
 

Die Königin dankte ihm mit einem Nicken, entfernte die Hand von ihrem Mund und schritt auf Oscar huldvoll zu. „Erhebt Euch“, sprach sie zuversichtlich und wartete, bis Oscar in ganzer Größe vor ihr stand. „Ich verstehe nun, weshalb Ihr den Dienst quittieren wollt. In diesem Fall, werde ich Euch euren Wunsch erfüllen. Morgen lasse ich Euch eine schriftliche Erlassung aushändigen. Und damit Euer Gefährte auch weiterhin an Eurer Seite bleibt, mache ich aus ihm einen Soldaten. Er kann zusammen mit Euch in einer Woche den neuen Dienst in der Kaserne antreten.“
 

„Ich danke Euch vielmals, Majestät.“ Oscars Augen glitzerten freudig, wobei ihr Gesicht ausdruckslos blieb. „Ihr macht mich sehr glücklich.“ Sie wollte sich verbeugen, wurde aber von Marie Antoinette unerwartet zu beiden Seiten an den Armen gefasst und aufgerichtet. „Lasst es sein, Oscar. Wir sind doch Freunde.“ Marie Antoinette kam Oscar sehr nahe und sprach zu ihr sehr leise: „Für meine Kinder würde ich auch alles aufgeben. Aber Ihr wisst selbst, was meine hohe Position und die Pflichten abverlangen. In dieser Hinsicht sind wir gleich. Zwei Frauen, denen nicht gestattet ist, einen Mann nach Wahl zu lieben und das Mutterglück mit den eigenen Kindern zu genießen. Ach, Oscar...“ Die Augen der Königin begannen glasig zu schimmern. „Ich möchte, dass wenigstens eine von uns ihr Glück erreicht und aus einem schönen Traum, Wahrheit macht...“
 

Dieser Satz geisterte Oscar noch lange durch den Kopf. Sie hatte aus dem Alptraum eine bessere Realität für sich erschaffen. Sie hatte die Größte aller Sünden umgangen, ihre Liebe zu Andre noch rechtzeitig bemerkt und ihm alles gegeben, was sie in ihrem früheren Leben viel zu spät getan hatte. Für sich selbst beanspruchte sie nichts. Sie wollte nur ihren Mann und ihr Kind versorgt, behütet und vor allen Gefahren in Sicherheit wissen. Das war ihr größter Wunsch und ihr gesetztes Ziel, bevor sie anfangen würde, Blut zu husten. Wann war das noch mal? Ach ja, nachdem die Dreiständekammer eröffnet wurde und Robespierre mit anderen Vertreten des Volkes seine Reden im Parlament hielt. Es hatte viel geregnet in dem Frühjahr und auch im Sommer. Aus der Armee ausscheiden, aufs Land ziehen und sich viel Ruhe gönnen, hatte ihr Doktor Lasonne empfohlen, sonst würden ihr nur noch sechs Monate zum Leben bleiben. Oscar schüttelte sich. Sie musste einen Ausweg finden, auch die Tuberkulose umgehen zu können! Noch ein Jahr und ein paar Monate bis dahin!
 

Oscar schaute in den bewölkten Himmel empor, als sie aus dem mächtigen Schlossgewölbe trat. Die gelben und rötlichen Streifen am Horizont deuteten die ersten Anzeichen des nahenden Abends. Als nächstens würde die Sonne untergehen und der Nacht Platz machen. Eine Windböe wehte ihr von der Seite entgegen und sie hörte das leise Hufklappern von zwei Pferden. Sie schaute hin. Andre kam auf sie zu und reichte ihr wortlos die Zügel ihres Schimmels. Sie verständigten sich mit Blicken und als sie Versailles ein gutes Stück hinter sich gelassen hatten, begann Oscar zu erzählen: „Ihre Majestät wird mir Morgen ihre schriftliche Zustimmung geben. Und da du in der Kaserne nicht zivil herumlaufen darfst, hatte sie dich sogleich als Soldaten an meiner Seite mit eingetragen.“
 

„Im Ernst?“ Andre war etwas überrascht, aber es erfreute ihn gleichzeitig. „Also brauche ich mich nicht selbst darum zu kümmern, wie ich der Söldnertruppe beitrete...“
 

„So sieht es aus“, bestätigte ihm Oscar und schielte zu ihm hinüber: „Ich werde morgen die Kaserne aufsuchen und mich den Söldnern vorstellen.“
 

„Alain werden bestimmt die Augen herausfallen, wenn er dich als neuen Kommandanten dort sieht!“ Andre lachte sich kurz ins Fäustchen. „Und was passiert dann? Was hast du danach vor?“
 

„Bis unser neuer Dienst beginnt ist noch eine Woche Zeit und ich möchte sie auf meinem Gut in der Normandie verbringen. Diesmal aber nicht alleine, sondern mit dir und... und unserem Oscar.“
 

„Du willst ihn auch mitnehmen?!“ Die Vorstellung zu dritt und ganz alleine unter sich in der Normandie zu sein, wie eine kleine Familie, gefiel Andre sehr.
 

„Ja, mein Geliebter“, meinte Oscar überzeugt und trieb ihr Pferd schneller an, in Richtung Paris.
 


 


 

„Mama!“ Der kleine Oscar rannte glückselig auf seine Eltern zu. Seinen Vater hatte er heute schon gesehen und deshalb galt seine Aufmerksamkeit vorerst seiner Mutter. So überstürzt wie er durch die Wohnung von Bernard und Rosalie rannte, so abrupt blieb er vor seiner Mutter stehen und salutierte frech grinsend: „Habe ich die Erlaubnis, Euch umarmen zu dürfen?“
 

Es war sein Lieblingssatz: Habe ich die Erlaubnis... Niemand hatte es ihm beigebracht, niemand hatte es von ihm verlangt oder gefordert. Er hatte das irgendwann und irgendwo aufgeschnappt und beliebte damit seine Mutter zu konfrontieren. Sie war für ihn etwas Besonderes: Alle Frauen und Mädchen trugen Kleider, sie aber eine Uniform. Alle Frauen führten den Haushalt, sie aber durfte Soldaten befehligen. Sogar sein Vater widersprach ihr kaum, soweit er das von ihren gemeinsamen Besuchen mitbekommen hatte. Das war interessant und machte seine Mutter umso einzigartiger für ihn.
 

Oscar schmunzelte gerührt, versuchte aber ernst zu bleiben und beugte das Knie, um mit ihrem Sohn auf gleicher Augenhöhe zu sein. „Erlaubnis erteilt. Eigentlich brauchst du das gar nicht fragen.“
 

Der kleine Oscar zuckte mit seinen Schultern, seine grünen Augen leuchteten spitzbübisch und im nächsten Moment lagen seine Arme um den Hals seiner Mutter. „Ich habe dich vermisst.“
 

„Ich dich auch...“ Oscar drückte seinen kleinen Körper sachte an sich, genoss die kurze Umarmung und dann ließen sie beide wieder einander los, bemüht emotionslos zu bleiben. Oscar erhob sich. „Wir haben etwas für dich.“ Sie drehte sich zu ihrem Mann um, nahm ihm die kleine Holzkiste ab und reichte sie ihrem Sohn. Der Kleine rümpfte vorerst mit seiner Nase. Die Kiste sah uralt und modrig aus, aber er nahm sie trotzdem an sich.
 

„Das ist unser Schatz“, erklärte ihm sein Vater verschmitzt: „Deine Mutter und ich haben ihn unter einer alten Eiche vergraben, als wir etwas älter waren als du.“
 

„Und ihn für dich heute wieder ausgegraben“, fügte Oscar hinzu.
 

„Ein Schatz!“ Das gefiel dem Kleinen schon wesentlich besser. Er führte die Holzkiste an sein Ohr und schüttelte sie. Daraus erklangen dumpfe und aufschlagende Geräusche. „Was ist darin?“
 

„Warum siehst du nicht selber nach?“, empfahl ihm seine Mutter.
 

Wie auf Befehl setzte sich der Junge sofort auf den Boden, stellte die Schatzkiste zwischen seine Knie und öffnete den Deckel. Seine Stirn legte sich in Falten und seine Hände kramten die Gegenstände ans Licht. „Ein Zinnsoldat!“, jauchzte er vergnügt, ließ das rote Messer und den Kreisel aus Blei zurück in die Kiste fallen und sprang auf seine Beine. „Danke!“, hauchte er strahlend zu seinen Eltern und sauste in seine Kammer, um den neuen Soldaten zu seiner Armeesammlung hinzuzufügen.
 

„Der Rest scheint ihm nicht gefallen zu haben“, murmelte Andre, während Oscar die Kiste vom Boden auflas und mit ihm dann zu den anderen an den Tisch ging. Rosalie und Diane deckten ihn gerade mit Tee und Gebäck.
 

Bernard begleitete Andre und Oscar die letzten Schritte und setzte sich mit ihnen hin. „Macht euch keinen Kopf“, sagte er den beiden in Bezug auf die anderen Sachen in der Kiste: „Er mag halt Soldaten und Pferde mehr als andere Spielzeuge.“
 

„Was hast du denn erwartet?!“, wand Rosalie ein. Sie goss gerade Tee in die Tassen ein und Diane verteilte sie. „Der Junge ist ganz wie seine Eltern“, redete Rosalie dabei weiter: „Und das ist als Kompliment gemeint, Lady Oscar.“
 

„Ich konnte mir das schon denken, Rosalie“, meinte Oscar sanft darauf und stellte die kleine Kiste neben sich auf dem Tisch ab.
 

Rosalie setzte sich zu ihrem Mann und Diane nahm neben ihr Platz. Alains Schwester gehörte hier schon beinahe zur Familie. Während Bernard und Rosalie ihrer Arbeit nachgingen, passte sie tagtäglich auf den Jungen auf. Ihr Bruder weilte ohnehin als Söldner in der Kaserne und außer seine Wäsche zu waschen und ihn einmal in der Woche zu besuchen, hatte sie keine sonderlichen Aufgaben.
 

„Wir haben euch etwas mitzuteilen“, verkündete Oscar in die Runde, sobald alle sich am Tisch eingefunden hatten und mit dem Teetrinken begannen.
 

„Erwartet ihr zwei etwa wieder Nachwuchs?“, fragte Bernard und setzte seine Tasse an die Lippen.
 

Andre schaute zu Oscar. Das wollte er von ihr auch wissen. Seine Frau wurde bei der Frage nicht einmal rot. Sie schüttelte nur verneinend mit dem Kopf und verkündete ganz kühl allen Anwesenden: „Nein, diesmal erwarten wir keinen Nachwuchs. Ich habe meinen Dienst im königlichen Garderegiment quittiert und mich nach Paris versetzen lassen.“
 

Bernard, Rosalie und Diane starrten baff und mit offenen Mündern drein. „Was heißt quittiert?“, ertönte ein piepsiges Stimmchen in die kurze Stille hinein.
 

„Das heißt: Verlassen, nicht mehr in Diensten zu stehen“, erklärte Andre beiläufig und der Besitzer des Stimmchen kroch ihm hartnäckig auf den Schoß, mitsamt des Zinnsoldaten in seiner kleinen Hand. „Ach, so“, quiekte er und machte es sich bei seinem Vater bequem.
 

Die anderen am Tisch erwachten aus ihrer Verblüffung und Bernard räusperte sich in die Faust. „Ein kluger Schritt, Lady Oscar. Das hättet Ihr schon längst machen sollen. Menschen wie Ihr seid einfach zu schade für den Hofadel.“
 

„Ich kann dir deine Meinung nicht nehmen, Bernard, aber ich habe das aus einem anderen Grund getan.“ Oscar warf einen Blick zur Seite - auf ihren kleinen Sohn und musste bei dessen Betrachtung schmunzeln. Er spielte gerade selig mit dem Zinnsoldaten und mit der großen Hand seines Vaters. Das war ein ergreifendes Bild.
 

„Ich verstehe...“, hörte sie Bernard nachvollziehend sagen und schenkte ihm wieder ihre ernste Aufmerksamkeit.
 

„Ihr sagtet, Ihr habt Euch nach Paris versetzen lassen, Lady Oscar?“, knöpfte Rosalie wieder an das ursprüngliche Gespräch an: „Bedeutet das, dass Ihr eine andere Truppe befehligen werdet?“
 

„Ganz recht, Rosalie. Ich beginne in einer Woche meinen neuen Dienst in der Kaserne, in der Alain als Söldner tätig ist. Und Andre tritt an meiner Seite auch als Soldat bei.“
 

„Wie schön!“ Rosalie faltete gerührt ihre Hände vor sich: „Euch beide kann man sich einfach nicht getrennt vorstellen...“
 

„Das stimmt“, fügte gleich Diane hinzu: „Und ich finde, dass Alain einen Kommandanten wie Euch, Madame Oscar, bitter nötig hat. Er verwildert mir sonst noch in dem Haufen, den er als seine Kameraden bezeichnet.“
 

„Nichts gegen deinen Bruder, Diane, aber was hast du denn sonst von ihm erwartet?!“, unterbrach Bernard sie neckend: „Er behauptete doch selbst, dass solch wilde Gesellen ganz nach seinem Geschmack sind.“
 

„Habe ich die Erlaubnis, euch besuchen zu dürfen?“, mischte sich unverblümt der kleine Oscar ein. Er wusste ungefähr, dass Alains Kaserne irgendwo hier in der Stadt war und Versailles, ganz weit weg außerhalb von Paris. Ein ungeheuerlicher Ort für ihn, der seine Eltern von ihm fernhielt. Also wenn seine Eltern nun in die Kaserne zu Alain versetzt wurden, dann konnte er sie ja öfter sehen als bisher! Er unterbrach das Spiel mit dem Zinnsoldaten und der Hand seines Vaters und blickte mit seinen unwiderstehlichen Kinderaugen von einem zum anderen. „Papa? Mama? Bitte!“
 

„Tut mir leid, mein Junge, aber das ist unmöglich“, meinte Andre bedauernd und sein Sohn neigte traurig das Köpfchen. Das war eine bittere Enttäuschung für ihn. Er hätte gerne die Kaserne gesehen; Alain, die Soldaten und natürlich auch seine Eltern. Ganz besonders seine Mutter, wie sie hoch auf ihrem weißen Pferd saß und allen Männern laute Befehle erteilte. „Ich habe mir das so sehr gewünscht...“, schniefte er kleinlaut vor sich hin.
 

„Also gut...“, hörte er den entrüsteten Ton seiner Mutter und hob schlagartig seinen Hoffnung schöpfenden Blick zu ihr.
 

„Ich weiß nicht, ob das gut ist, Oscar...“, ermahnte sein Vater mit Bedacht, aber sie winkte nur mit ihrer Hand ab. „Wenn er gewisse Regeln beachtet, dann kann nichts schiefgehen, Andre.“
 

„Er kann diese Regeln aber schon vergessen haben!“, versuchte Andre sie umzustimmen und bekam einen leichten Stoß von dem Ellbogen seines Sohnes zu spüren. „Ich habe nichts vergessen!“
 

„Da hörst du es!“, wies ihm Oscar mit einer hochgezogenen Augenbraue hin.
 

„Und wie lauten die Spielregeln?“ Andre fragte nicht seine Frau, sondern seinen Sohn.
 

Der kleine Oscar grübelte angestrengt und schnell nach. Es gab nicht viele Spielregeln, die ihm seine Eltern in gewissen Situationen stellten. Und sie waren alle nicht schwer zu beachten. Man musste nur die Richtige aussuchen und zu dem passenden Ort hinzufügen. Die Kaserne befand sich irgendwo da draußen. Da war etwas mit „draußen“ gewesen! Ach, ja! Sein noch pausbäckiges Gesichtchen erhellte sich. „Ich weiß!“ Er schaute triumphierend und naseweis zu seinem Vater hinauf: „Draußen niemals „Papa“ und „Mama“ sagen!“
 

„Ich gebe auf...“, seufzte Andre und strich durch die weichen, blonden Locken seines Sohnes. Dabei betrachtete er seine Frau von der Seite und schmunzelte ihr schelmisch zu. „Ihr zwei habt gewonnen. Aber das hat seinen Preis und ein Nachspiel für dich.“
 

„Ich verhandle nicht, Andre.“ Oscar bemühte sich, nicht zu lachen.
 

„Ich auch nicht!“, quiekte der Kleine und entblößte frech seine weiße Milchzähne.
 

„Eigentlich heißt es: Wie der Vater so der Sohn. Aber bei euch ist es eher umgekehrt: Wie die Mutter so der Sohn“, amüsierte sich Bernard von Gegenüber und brachte alle drei in die Wirklichkeit zurück.
 

Mutter und Sohn bezogen sogleich eine aufrechte Haltung und straften ihn mit einem ernsten Blick. Doch Andre grinste ihm zustimmend zu. Die beide waren aus demselben Holz geschnitzt und er liebte sie über alles. Deswegen war er vielleicht manchmal zu nachgiebig. Aber Oscar? Eigentlich dachte er, sie würde sich durchsetzen und ihr gemeinsames Kind ermahnen, aber es passierte immer wieder das Gegenteil. Sie war darauf bedacht, ihm so gut wie Möglich alle Wünsche zu erfüllen - als wolle sie damit etwas ausgleichen, etwas korrigieren. Etwas, dass ihr mütterliches Herz plagte und ihr Innerstes zerfraß.
 


 


 

„Das hättest du nicht tun sollen“, sprach er seine Frau auf dem Heimweg darauf an: „Ich meine, ihm zu erlauben, uns in der Kaserne zu besuchen.“
 

„Ich weiß“, sagte Oscar betrübt in die mondlose Dunkelheit des späten Abends: „Ich fühle mich nur schuldig.“
 

Das war es also! Sie fühlte sich schuldig, weil sie ihren gemeinsamen Sohn bei anderen Menschen aufwachsen ließ! „Aber sprechen wir lieber nicht darüber“, wechselte sie prompt das Thema: „Hast du gesehen? Er hat die Kiste, das rote Messer und den Kreisel aus Blei doch noch angenommen!“
 

„Ja“, stimmte Andre ihr heiter zu: „Er meinte: Ein Schatz muss immer zusammen bleiben. Das ist nobel von ihm, Oscar. Diese Eigenschaft hat er von dir.“
 

Oscar zog ihre Mundwinkel verschmilzt nach oben. „Und trotzdem ließ er den Zinnsoldaten nicht los. Er ist mit ihm sogar ins Bett gegangen und auch im Schlaf hielt er ihn fest in der Hand. Das hat er von dir, Andre. Ich erinnere mich noch genau, wie du dich ständig an diesen Zinnsoldaten geklammert hast und nicht einmal im Schlaf ihn loslassen wolltest!“
 

„Ich wollte ihn vor dir schützen und dir damit beweisen, dass du doch ein Mädchen bist und lieber mit Puppen spielen sollst. Ein Zinnsoldat ist etwas für Jungen, habe ich mir ständig gesagt und geschworen, dass du ihn niemals in die Finger bekommst.“
 

„Warum hast du ihn dann trotzdem in die Kiste zu meinen Sachen gelegt und ihn vergraben lassen?“
 

„Ich dachte mir damals, er ist unter der Erde am Sichersten vor dir verwahrt.“
 

„Und jetzt verwahrt ihn unser Sohn.“ Oscar versank für einen Augenblick in diese warmen und angenehmen Erinnerungen aus ihrer gemeinsamen Kindheit. „Andre...“, hauchte sie nach einigen Momenten der Schweigsamkeit: „...ab morgen Abend ist er eine ganze Woche mit uns zusammen in der Normandie. Hast du gemerkt, wie sehr er sich gefreut hat?“
 

„Aber natürlich, Oscar.“ Andre sah immer noch die leuchtenden Augen seines Sohnes vor sich. Am liebsten wäre der Kleine schon heute mit ihnen losgefahren. Man hatte ihn nur mit Mühe überreden können, bis morgen zu warten. Diane versprach auch mitzukommen, um auf ihn aufzupassen und seinen Eltern auf dem Gut in der Normandie im Haushalt behilflich zu sein. Bernard und Rosalie würden dagegen in Paris bleiben und weiter im Untergrund für Robespierre arbeiten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Madame_Malou
2015-03-09T00:34:57+00:00 09.03.2015 01:34
Ich hab den kleinen schon mit großen funkelnden Kinderaugen auf dem Hof der Kaserne gesehen wie Diane in an der Hand hält und Oscar seine Mama auf ihrem weißen Pferd bewundert. Ein Bild zum Träumen! *.* Der kleine ist dir wirklich goldig geraten. :) ♡
Antwort von:  Saph_ira
09.03.2015 20:08
Oh, ein liebes Dankeschön. ;-) Der Kleine wird bis zum Schluss noch eine gewisse Rolle spielen. :-)
Von:  hunny123
2014-08-05T15:44:46+00:00 05.08.2014 17:44
herrlich ich finde den Charakter des kleinen Oscars göttlich! Die Schatzkiste genau hier miteinzubeziehen ist genial und die Story zum Zinnsoldaten sehr rührend! Super.
Die kleine Familie ist super gut authentisch dargestellt. Mal sehen was sie in der Normandie erleben...
Antwort von:  Saph_ira
05.08.2014 19:38
Ja, der kleine Oscar hat von beiden etwas. Aber ob er mehr nach seiner Mutter oder seinem Vater charakterlich geht, wird sich noch zeigen. Ein herzliches Dankeschön für deine Worte. ;-)
Von:  FeelLikeParadise
2014-06-28T19:19:04+00:00 28.06.2014 21:19
Ich freue mich so für die zwei, dass sie endlich mal Zeit mit ihrem Sohn in der Normandie verbringen können:) Wie du die Bindungen der drei zueinander beschreibst ist dir wirklich sehr gelungen. Ich kann es mir bildhaft vorstellen!:)
Ich mache mir nur Sorgen wegen Oscars Tuberkulose, aber bis dahin ist ja erst mal noch Zeit :)
Mach weiter so!
LG:)
Antwort von:  Saph_ira
28.06.2014 22:18
Ja, bis dahin ist noch Zeit und es wird sich so fast am Ende der Story geklärt. Aber wie die Sache ausgeht, lasse ich erstmal offen. Dankeschön herzlich für dein Kommentar. ;-)
Liebe Grüße :-)
Von: abgemeldet
2014-06-24T19:09:22+00:00 24.06.2014 21:09
Ich freue mich immer so, von ihrer Zeit als Familie zu lesen. Auch schaffst du immer wieder ergreifende und herzliche Momente für die drei. Und trotz allem erhältst du Oscars typischen Charakter - so wie sie eben ist. Du steckst sie in kein Kleid, lässt sie nicht den Haushalt führen - all das würde nicht zu ihr passen. Du lässt sie sein wie sie ist und so erscheint sie auch in ihrer Rolle als Mutter authentisch und stark. Das gefällt mir bei deiner Fanfic wirklich sehr!
Antwort von:  Saph_ira
24.06.2014 21:18
Ich muss zugeben, auch ich kann mir Oscar schwer in einem Kleid und als eine typische oder gewöhnliche Hausfrau vorstellen. Höchstens vielleicht in einem Umstandskleid. Vielen, lieben Dank für dein Kommi. ;-)
Von:  alandatorb
2014-06-24T11:13:41+00:00 24.06.2014 13:13
wie schön *seufst* Endlich hat die Familie etwas Zeit für sich. Ich lass mich überraschen, wie der kleine Oscar seine Eltern in der Kaserne besuchen kann und was er dabei so alles anstellt *lach*
LG
Alanda
Antwort von:  Saph_ira
24.06.2014 20:23
Ich kann nur sagen, dass mit ihm wird es seinen Eltern nie langweilig werden. XD
Dankeschön für deine Worte. ;-)
Liebe Grüße :-)


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