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Ein zweites Leben

von

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Eine Distel, keine Rose

Oscar erschien am Nachmittag zu Hause.
 

Sophie kam ihr aus der Küche entgegen und überbrachte ihr den Wunsch ihres Vaters. Dabei musste sie unwillkürlich wieder an den blondgelockten Jungen mit den grünen Augen und dem bemalten Spielzeugschwert in der Hand denken. Wie eigenartig! Bei ihrem Enkel musste sie auch schon an dieses Kind denken, und jetzt auch noch bei ihrem Schützling! Was das wohl zu bedeuten hatte?
 

„Ich hole noch schnell etwas aus meinem Zimmer und dann komme ich zu ihm“, meinte Oscar nur darauf und stob auch schon nach oben. Sophie wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Impuls heraus folgte sie ihr.
 

Ihr Schützling befand sich in ihrem Bettzimmer und suchte kniend nach etwas in der untersten Schublade ihrer Kommode. Dieses Fach war nur für sie zugänglich und sie trug den Schlüssel dafür immer bei sich. Jetzt bekam Sophie eine Ahnung davon, warum. Oscar zog eine Schatulle hervor und strich einmal über die Oberfläche. Dann öffnete sie den Deckel und holte daraus ein gerolltes Dokument hervor. „Was ist das, Lady Oscar?“ entfuhr es Sophie verwundert. Und aus einem unerklärlichen Grund, bekam sie ein mulmiges Gefühl.
 

Oscar stellte die Schatulle auf dem Boden ab und erhob sich mit dem Dokument in der Hand. Weich und eindringlich sah sie ihr einstiges Kindermädchen an. Das war ganz und gar nicht ihre Art. „Das ist eine Eheurkunde, Sophie.“
 

„Eine Eheurkunde?“ Sophie versuchte zu begreifen und bekam gleichzeitig Angst davor.
 

Oscar verzog ein mattes Lächeln, ging langsam auf sie zu und legte sachte ihre Hand auf die knochige Schulter der alten Frau. „Ja, Sophie, eine Eheurkunde. Meine Eheurkunde. Ich habe vor sechs Jahren Andre heimlich geheiratet und deswegen kann ich nicht noch einmal heiraten.“
 

Sophie war wie versteinert. Unglaube und unzählige Fragen standen ihr ins Gesicht geschrieben.
 

Oscar beugte sich leicht nach vorn und drückte zart die wesentlich kleinere Sophie an sich. Leise und beinahe verstockt offenbarte sie ihr das größte Geheimnis, das sie je gehört hatte: „Vergib uns, wenn du kannst, Sophie. Aber Andre und ich sind füreinander bestimmt. Schon von klein auf sind wir zusammen und so soll es auch weiterhin bleiben. Wir haben einen gemeinsamen Sohn, der in dem Jahr meiner Verbannung das Licht der Welt erblickt hat. Er hat mein blondes Haar und seine grüne Augen.“
 

Sophie zitterte am ganzen Körper! Tränen sammelten sich in ihren Augen und das Bild des kleinen Jungen geisterte ihr noch einmal durch den Kopf. Sie konnte nichts sagen, ihre Stimme hatte ihr den Dienst versagt und sie schluchzte nur heftig.
 

Oscar schob sie behutsam von sich und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Weine nicht, Sophie... Wir lieben uns und auf eine Art, sind wir miteinander glücklich...“ Dann ließ sie ihre alte Kinderfrau los und ging fort. Auf dem Weg in das Arbeitszimmer ihres Vaters fuhr sie sich mit ihrem Ärmel über die feuchten Wimpern, gewann ihre ganze Fassung zurück, straffte ihr Rückgrat und trat selbstsicher über die Türschwelle. Ihr Vater saß bequem an seinem runden Tisch und rauchte eine Pfeife.
 

„Ich bitte Euch, den Antrag abzulehnen, Vater“, sagte Oscar auf dem Weg zu ihm und umschloss die Dokumentrolle noch fester mit ihrer Hand. Sie verzichtete bewusst auf eine formelle Begrüßung. Sachlich und direkt führte sie ihr Vorhaben durch.
 

„Rege dich nicht auf, meine Tochter.“ Reynier de Jarjayes zeigte nicht, ob er davon beeindruckt war oder nicht. Er schien die Ruhe selbst und bedeutete ihr, auf dem Stuhl gegenüber Platz zu nehmen. „Setze dich lieber. Wir können über alles reden.“
 

„Verzeiht, Vater, aber ich bevorzuge zu Stehen.“ Oscar verspürte kein Verlangen, sich hinzusetzen und den Moment aus ihrem früheren Leben zu wiederholen. Auf dem Tisch stand eine Vase mit weißen Rosen. Sie sah jetzt schon kommen, wie sie eine von ihnen an sich nahm und die weißen, zarten Blütenblätter einzeln auf ihre Handfläche zupfte.
 

„Wie du willst“, meinte Reynier etwas strenger und legte seine Pfeife neben sich auf den Tisch ab. Ihm passte ihr Widerspruch nicht und er erhob sich von seinem Platz, um mit ihr auf gleicher Augenhöhe zu sein.
 

Oscar wusste, dass er ihr jetzt eine lange Rede halten würde und verhinderte das, indem sie ihn erst recht nicht zu Wort kommen ließ: „Ich bitte Euch noch einmal inständig, Vater, den Antrag abzulehnen! Ich kann Graf de Girodel nicht heiraten! Ich kann im Allgemeinen keinen Mann heiraten – da ich schon verheiratet bin!“
 

„Was sagst du?“ Reynier runzelte die Stirn. Seine Haltung versteifte sich und eine eisige Schärfe zeichnete sich in seinem Gesicht ab. Das konnte er ihr keineswegs glauben! Nein. Nein! Nicht seine Tochter, die er wie einen Mann erzogen hatte! „Das nehme ich dir nicht ab, Oscar! Ohne meine und des Königs Einwilligung, darfst du, wie du weißt, nicht heiraten! Das ist nur eine Ausrede!“
 

„Das ist keine Ausrede, Vater!“ Über den Tisch hinweg reichte Oscar ihm die Rolle. „Lest selbst, wenn Ihr mir nicht glaubt!“
 

Der General zögerte. Er war unschlüssig und wollte am liebsten die Schriftrolle ignorieren, aber das war unmöglich. Seine Tochter hielt sie ihm praktisch unter die Nase. Nun würde sich zeigen, was sie ihm da vorhielt – er musste das Dokument nur lesen. Bemüht, ausdruckslos zu sein, entriss er ihren Händen das Dokument. In Hast rollte er es auf und las mit Entsetzen, was darin geschrieben stand. „Andre?“, spie er fassungslos aus und sah mit vernichtenden Blick zu seiner Tochter. „Sag mir, dass das nicht wahr ist!“
 

„Doch, Vater, es ist wahr. Ich habe Andre geheiratet. Wir lieben uns.“ Äußerlich bewahrte sich Oscar eine unheimliche Ruhe. Sie wirkte wie immer aufrecht und gefasst, aber innerlich zerbrach sie. Das leichte Zittern in ihrer Stimme verriet sie: „Ich bitte Euch, entlasst mich in das Leben einer Frau an seiner Seite...“
 

„Du hast mich hintergangen!“ schnaufte Reynier wütend. Zornesröte überzog sein Gesicht, er war aufgebracht. Nur mit Mühe konnte er seine Rage noch zügeln, während er die Eheurkunde in kleine Stücke zerriss. „Ich erkläre diese Ehe für nichtig, Oscar! Jetzt bist du wieder ledig!“
 

„Nein, Ihr täuscht Euch, Vater!“ Oscar zuckte innerlich zusammen. „Es existieren noch zwei weitere Urkunden!“ Allerdings befanden sie sich bei Bernard und Rosalie in sicheren Händen und gut versteckt. So, wie ihr kleiner Sohn. Oscar hatte mit der Wut ihres Vaters gerechnet, aber dennoch hoffte sie auf sein Verständnis. Ohne dass sie es wollte, wurden ihre Augen glasig. Doch ihre aufrechte Haltung und würdevolle Erscheinung brach noch nicht zusammen. Nicht vor ihrem Vater! Sie würde vor ihm durchhalten, koste es, was es wolle! „Und wir haben einen Sohn... Er ist fünf Jahre alt...“
 

„Schweig!“, donnerte Reynier dazwischen. Völlig außer sich warf er ihr die zerrissene Eheurkunde mitten ins Gesicht. Oscar reagierte nicht. Weder duckte sie sich, noch wich sie aus. Die Dokumentfetzen fielen an ihr herab wie Wassertropfen und landeten zu ihren Füßen. Auch da rührte sich Oscar nicht von der Stelle.
 

Was hatte er nur getan?! Er hätte sie niemals wie einen Knaben erziehen sollen! Sie wurde zu eigenwillig! Das war ein großer Fehler! Er sah sie anklagend an. Spannung lag zwischen ihnen, wie bei einem Gewitter. Es war die Ruhe vor dem Sturm, die ein Unheil in sich verbarg.
 

Reynier musterte seine Tochter und versuchte zu begreifen, was aus ihr geworden war: Eine junge, hübsche Frau und doch so unnahbar, abgehärtet und ohne jegliche Gefühlsregungen! So, wie er sie erschaffen hatte! Wie konnte dann ein einfacher Bediensteter wie Andre, ohne nennenswerte Verdienste, ohne Rang und Titel, zu ihr durchdringen?! Er hatte ihn in ihre Dienste gestellt, damit er auf sie aufpasste und nicht, dass er sie zu seiner Frau machte! Vielleicht war Andre der Grund, warum sie diese beispiellose Schwäche zum dritten Stand hatte? Er hätte schon viel früher handeln sollen! Jetzt war es zu spät! Seine Tochter war verdorben - unverkennbar! Bitter enttäuscht wand Reynier seinen Blick von ihr ab und ballte eine Hand zur Faust. Sein Körper war über alle Maßen angespannt, seine Haltung unverändert konsequent und seine Stimme wie ein Donnergrollen: „Du hast die Ehre unserer Familie beschmutzt! Du hast unseren Namen befleckt. Du bist eine Schande für das ganz Frankreich!“
 

„Aber, Vater... Ich...“
 

„Schweig, hab ich gesagt! Ich will dich nicht mehr hören!“ Reynier bewegte zielstrebig seine Füße und umrundete den Tisch mit großen Schritten. An der Wand angelehnt stand sein Schwert. Seine Füße trugen ihn dorthin und seine Hände nahmen die Waffe an sich. Beinahe geräuschlos zog er die Klinge aus dem Schafft und baute sich turmhoch direkt vor seiner Tochter auf. „Um unseren guten Ruf wiederherzustellen gibt es nur eines! Fürchte dich nicht, es ist mit nur einem Hieb vorbei!“
 

„Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, Vater! Ich weiß wie es ist...“ Oscars Muskeln spannten sich an, die feine Härchen ihrer Haut sträubten sich und ihre Hand legte sich beschützend auf den Bauch. „Ich bin bereit zu sterben, aber nicht wenn ein neues Leben unter meinem Herzen wächst, Vater...“
 

„So darfst du mich nicht mehr nennen!“, schnitt der General ihr aufbrausend das Wort ab und hob sein Schwert in die Höhe. „Knie nieder und empfange deine Strafe!“
 

„Nicht bevor ihr für die Sicherheit meines Mannes und meines Sohnes garantiert!“ Oscar blieb standhaft und beharrlich. Sie sah fest in das Gesicht ihres Vaters und gab nicht nach, obwohl sie innerlich am Zusammenbrechen war. „Mein Leben ist mir nicht von Wert. Aber wollt Ihr das Leben eines ungeborenen Kindes auf Euer Gewissen laden, Vater? Euren Enkelkindes?“
 

„Halte deinen Mund!“ Reynier schäumte vor Zorn und Wut wie noch nie in seinem Leben. „Ich bin nicht mehr dein Vater und du bist nicht mehr meine Tochter!“ Er wartete vergebens, dass sie seiner Anweisung Folge leistete. Der Moment schien sich in die Länge zu ziehen. Sein Schwertarm erzitterte, als wäre ihm die Waffe schwer geworden. Er fasste sie stärker am Griff, aber es half nicht. Solange Oscar ihn mit ihrem unbeugsamen Blick ansah, der weder Reue, noch Schuldgefühle zeigte, konnte er die Hinrichtung nicht durchführen. Zum ersten Mal in seinem Leben entdeckte Reynier ein Stück von sich selbst in ihr. Und etwas sagte in ihm, dass er gerade dabei war, einen großen Fehler zu begehen. Sein Arm senkte sich langsam ganz von allein nach unten. Das Schwert fiel ihm aus der Hand und schlug klirrend auf den Boden. Deswegen war sein Zorn aber noch lange nicht verflogen. Er hob erneut die Hand und verpasste Oscar eine schallende Ohrfeige. „Verschwinde aus meinem Haus! Ich will dich nie wieder sehen!“
 

Oscar taumelte zurück, ihre Wange brannte wie Höllenfeuer, aber sie blieb standhaft und zu ganzer Größe aufgerichtet. Voller Würde schaute sie ein letztes Mal ihren Vater an. Ihre Augen schimmerten dabei feucht. „So sei es“, murmelte sie bitter und ging aus seinem Arbeitszimmer.
 

Mitten auf dem Gang entdeckte sie Sophie. Die alte Frau zitterte, konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und schluchzte heftig. „Oh, Lady Oscar...“
 

„Ist schon gut.“ Oscar griff ihr unter den Armen und bot ihr sicheren Halt. Sie spürte, wie der rundliche und knochige Körper mehrfach in ihren Armen erbebte. Ihr tat es leid, Andres Großmutter diesen Zustand verursacht zu haben, aber sie hatte doch nur die Wahrheit ausgesprochen. Sie entfernte sie vorsichtig von sich und sah ihr milde in das verweinte Gesicht. „Du bist schuldlos. Ich werde mit Andre und unserem Sohn Frankreich verlassen. Keine Sorge, wir kommen schon durch. Bitte packe meine und Andres Sachen ein. Ich schicke Rosalie in den nächsten Tagen vorbei, um sie abzuholen. Und kümmere dich bitte um meine Mutter. Erkläre ihr alles.“ Oscar umarmte sie noch einmal zum Abschied und flüsterte ihr sanft zu: „Dein Urenkel heißt Übrigens Oscar. Andre hat ihm den Namen ausgesucht.“
 

„Sophie!“, donnerte die tiefe Stimme des Generals aus dem Arbeitszimmer. „Komme sofort her!“
 

Die alte Frau zuckte erschrocken zusammen. Oscar nahm sie bei den kleinen Schultern und schob sie sanft von sich. Sie beruhigte sie mit einem matten Lächeln. „Habe keine Angst. Gehe zu ihm. Er wird dir nichts antun. Sein ganzer Groll gilt ganz alleine mir.“ Oscar ließ von ihr ab und sah mit zerrissenem Herzen zu, wie Sophie sich schleppend und widerwillig in das Zimmer ihres Vaters begab.
 

„Ihr habt nach mir gerufen?“ Sophie meldete sich achtsam und beinahe weinerlich.
 

Reynier de Jarjayes stand am großen Fenster, mit dem Rücken zu ihr und faltete seine Hände hinter sich aufeinander. „Bringe mir das Familienbuch!“, befahl er heiser und rau, ohne sich von dem Fenster abzuwenden: „Ich muss Oscar daraus streichen! Und wenn jemand nach ihr fragt, sagst du, sie sei gestorben! Wie du zu deinem Enkel stehst, ist mir gleich!“ Er hörte deutlich, wie Sophie vor Schrecken aufstöhnte, wie ihre Röcke auf dem Boden raschelten und sie aus dem Zimmer davon rauschte. Das tat ihm leid, die alte Frau so anzufahren. Sophie war eine treue Seele und diente schon seit einer langen Ewigkeit im Hause de Jarjayes. Noch vor Oscars Geburt war sie hier und führte den Haushalt. Auf sie war schon immer Verlass. Ihr konnte er vertrauen. Sie würde ihren Hausherren niemals verraten oder ihn hintergehen. Im Gegensatz zu ihrem Schützling und ihrem Enkel. Wie konnte es nur dazu kommen?! Warum war es so geschehen?!
 

Der General hatte sich kein einziges Mal umgedreht. Auf seinen Wangen rannen die Tränen haltlos hinab. Das konnte er doch Sophie keineswegs zeigen! Er sah aus dem Fenster nach draußen, wie angewurzelt.
 

Oscar stieg gerade auf ihr weißes Pferd und drehte sich im Sattel um, als hätte sie seine Blicke auf sich gespürt. Auch in ihren Augen standen Tränen und glitzerten im Sonnenlicht des zur Neige gehenden Tages.
 

„Warum hast du das getan, Oscar, mein geliebtes Kind? Warum hast du deine Familie, dein eigen Blut verraten?“, sauste es Reynier dabei ununterbrochen durch den Kopf: „Ich habe nichts gegen Andre. Nein. Er ist der richtige Mann für dich und er wird dich glücklich machen. Aber er gehört nicht dem Adel an! Lebe wohl, meine Tochter... Passe gut auf dich auf...“
 


 


 

Oscar ritt geschwind vom Anwesen, das nicht länger das Ihre war. Sie wurde aus dem sicheren Heim verstoßen, vor die Tür gesetzt. Es würde keine Vergebung und keinen Weg zurück mehr für sie geben. Das hatte sie sich selbst zuzuschreiben! Sie hatte sich so entschieden, hatte ihr Schicksal geändert und ihr früheres Leben hinter sich gelassen! Aber für welchen Preis? Vor ihr lag ein neues Leben, ein neuer Anfang und eine neue Zeit. Zusammen mit Andre, ihrem Sohn und dem noch ungeborenen Kind würde sie das schon schaffen!
 

Aber wozu dann die Tränen? Warum freute sie sich nicht? Sie hatte ihren Vater am Fenster gesehen – er hatte geweint. Sein Blick, stumm und traurig auf sie gerichtet, teilte ihr eine Botschaft mit. Es lag kein Groll, keine Verachtung und kein Vorwurf darin. Er zeigte ihr Vaterliebe, die sie noch nie bei ihm gesehen hatte. Er war zwar schon immer stolz auf sie, aber das war nicht das Gleiche.
 

Oscar trieb ihr Pferd noch schneller an und der Gegenwind trocknete ihr die Tränen im Gesicht. Sie musste sofort mit Andre die Kaserne verlassen! Sie besaß keinen Rang und keinen Titel mehr. Das würde sie gleich ihren Soldaten mitteilen und die Rangabzeichen an ihrer Uniformjacke abreißen. Von da an würde sie eine gewöhnliche Frau sein – eine Distel, und keine Rose mehr. Aber sie würde trotzdem weiterhin die Männerkleider tragen. Das würde sie niemals ablegen können.
 

Im schnellen Galopp erreichte sie die Kaserne und überholte dabei ein junges Mädchen. Sie hatte es nicht beachtet, aber dann zügelte sie abrupt ihr Pferd und trieb es zurück. Sie hatte sich nicht getäuscht: Es war Alains jüngere Schwester! „Schön dich zu sehen, Diane! Du gehst sicherlich deinen Bruder besuchen?!“ Sie hielt das Pferd direkt neben dem Mädchen an. „Wenn du möchtest nehme ich dich die restliche Strecke mit. Ich habe sowieso allen etwas Wichtiges mitzuteilen.“
 

Diane schüttelte trübsinnig den Kopf. „Ich habe Alain schon besucht...“
 

Erst jetzt bemerkte Oscar die hängenden Schultern, den verlorenen Anblick und die gesenkte Haltung. Diane drückte sich noch zusätzlich mit beiden Händen etwas an ihre Brust, was auf den ersten Blick verborgen blieb. Oscar bekam dabei ein ungutes Gefühl. „Was ist passiert, Diane? Sag schon!“
 

„Vergebt mir...“ Diane hob ihren tränennassen Blick. Verzweiflung und unsagbare Angst standen darin. Dabei enthüllte sie das bemalte Holzschwert in ihren Händen. „Ich schwöre Euch, ich hätte ihn mit meinem Leben verteidigt... aber der Söldner hat uns mit einer Pistole bedroht und mich bewusstlos geschlagen... Als ich erwachte, waren alle beide verschwunden...“
 

Die Bilder des Geschehenen geisterten wie eine endlose Ödnis in ihrem Kopf herum: Der kleine Oscar, so tapfer und unerschrocken... Er hatte versucht sie mit seinem kleinen Holzschwert zu beschützen, als sich in einer menschenleeren Seitengasse ein Bärenmann von Söldner wie aus dem Nichts vor ihnen aufbaute und eine Pistole auf sie richtete. Diane versuchte den Jungen hinter sich zu verbergen, aber dieser hatte sich nicht von der Stelle gerührt und richtete seine Spielzeugwaffe gegen den Söldner. Ob er die Situation für ein Spiel gehalten hatte, wusste Diane nicht zu sagen, aber auf jeden Fall war ihm die Gefahr nicht bewusst. Der Söldner hatte den Jungen grimmig ausgelacht und ihm mit nur einem Hieb das Holzschwert aus der Hand geschlagen. Danach geschah alles ganz schnell: Der Mann schlug den Kleinen gleich darauf zu Boden. Diane stürzte sich mit ihrem Beschützerinstinkt auf ihn, doch der übermächtige Bärenmann beförderte sie mit einem einzelnen Schlag in den Nacken in eine schwarze Ohnmacht...
 

„Nein, bitte nicht...“ Entsetzen und Bange überkam Oscar, wie in dem Alptraum letzte Nacht. Ihre Gefühle überschlugen sich. Sie konnte nicht mehr klar denken. Was ist mit ihrem Jungen? Wo war er? Sie würde diesen Söldner umbringen! Das stand schon mal fest! Aber vorerst durfte sie nicht die Nerven verlieren! Das tat Diane schon genug für sie! Das arme Mädchen plagten bestimmt schlimmste Schuldgefühle! Sie durfte nicht auch noch wehklagend zusammenbrechen! Sie musste handeln! „Steig auf, Diane! Und erzähle mir in der Kaserne alles ganz genau!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Madame_Malou
2015-03-11T00:33:45+00:00 11.03.2015 01:33
Ich hab die ganze Zeit irgendwie damit gerechnet das Andrè in das Zimmer gestürzt kommt und Reynier versucht, wie im Anime aufzuhalten. Stattdessen hast du eine ebenso Authentische Version der Geschichte geschaffen. Ich denke das auch diese Reaktion von ihm hätte stammen können, wirklich gut! :)

Zu der Entführung des kleinen Oscar: Wenn ich den Typ in die Finger bekomme dann Gnade ihm Gott! xD Ich mochte den Kerl noch nie, der war mir selbst im Anime schon immer ein Dorn im Auge. Ò.Ó
Antwort von:  Saph_ira
12.03.2015 17:58
Ehrlich gesagt, wollte ich beim Schreiben schon den lieben Andre ins Zimmer stürmen lassen, aber dann wäre es wie im Anime und ich wollte aber einen etwas anderen Ausgang. ^^
Ja, den Narbigen mochte ich im Anime auch nicht. ^^
Vielen lieben Dank für deinen Kommi. ;-)
Von:  FeelLikeParadise
2014-08-16T10:59:33+00:00 16.08.2014 12:59
Trotz das Reynier die Wahrheit erfahren hat, liebt er seine Tochter dennoch und nennt sie "meine Tochter", obwohl er gesagt hatte, dass er sie nie wieder sehen will. Finde ich sehr schön und gibt dem ganzen nochmal eine Spur mehr Traurigkeit, sehr toll :)
Ich hoffe dem kleinen Oscar geht es gut! Nach allem was Andre und Oscar durchgestanden haben, hätten sie nochmal was schlimmes nicht verdient, andersrum würde es der Geschichte noch mehr Drama geben :).
Aber trotzdem hoffe ich sehr, dass ihm nichts passiert ist und seine Eltern ihn bald wieder in die Arme schließen können.:)
LG:)
Antwort von:  Saph_ira
16.08.2014 19:40
Du hast es mit Reynier und seine wahren Gefühle zu seiner Tochter sehr gut erkannt. Ich bemühe mich ihm etwas Herzlichkeit zu geben und ihn nicht immer so eisern und streng darzustellen.^^
Ob dem kleinen Oscar gut geht und ob seine Eltern ihn wieder in die Arme schließen können, wird schon im nächsten Kapitel bekannt. Um ehrlich zu sein, tut es mir schon selbst leid Oscar und Andre so viel leiden zu lassen... Aber ich gelobe besserung. Zumindest zum Schluss. ;-)
Dankeschön für deinen Kommi und liebe Grüße :-)
Von:  hunny123
2014-08-16T07:38:38+00:00 16.08.2014 09:38
und wieder ist es ein tolles Kapitel geworden. Man merkt, dass du dir viele Gedanken zu Reyniers Reaktion gemacht hast. Wirkt sehr authentisch.

Was für eine schlagartige Wendung, ein neues Problemmit der Entführung ihres Sohnes, womit unsere Oscar fertig werden muss. Ein sehr spannendes Kapitel und mal wieder super Cliffhanger, ich will mehr von dem kleinen Oscar, yeah!
Antwort von:  Saph_ira
16.08.2014 19:31
Dankeschön, ich verspreche dir, von dem kleinen Oscar bekommst du noch genug, hoffe ich zunmindest.^^
Von:  alandatorb
2014-08-15T23:57:10+00:00 16.08.2014 01:57
oh das hört sich nicht gut an
und für Lady Oscar sind diese Schrecken und das ständige schnelle Reiten gar nicht gut
ich hoffe sie findet ihren Sohn bald wieder
LG
Alanda
Antwort von:  Saph_ira
16.08.2014 19:28
Da hast du vollkommen recht, aber das bleibt abzuwarten, bis zum nächsten Kapitel. Dankeschön für deinen Kommi. ;-)
Liebe Grüße :-)


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