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Yajuu 2

-beyond redemption-
von

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Shinigamis Warnung

Zu meiner Überraschung kam ich bei der alten Brücke raus… wieso nur zog es mich immer wieder dorthin? Erst war mir nicht ganz klar, was nun die Quelle der seltsamen Aura war, aber dann erspähte ich in einiger Entfernung eine Gestalt. In weiße Umhänge gehüllt, erschien sie mir fast wie ein Geist. Viel mehr erschreckte mich jedoch die Tatsache, dass sie auf dem Geländer der Brücke hockte, nur wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt.

Vorsichtig näherte ich mich ihr. Ihre Hände ruhten auf ihrem Schoss und ich erkannte, dass sie in Bandagen gehüllt war. Was anderes schien sie gar nicht zu tragen, von den Umhängen natürlich abgesehen. Die Tatsache, dass selbst ihre Haut nahezu weiß war, machte sie noch geistähnlicher. Aber irgendwie war es unheimlich. Ihre Haut schien fast wie Pergament, so als könnte man durch sie hindurchschauen. Schließlich entschloss ich mich die seltsame Gestalt anzusprechen.
 

„Wer bist du?“, fragte ich vorsichtig. Da schien die Gestalt aus ihrer Art Trance zu erwachen und sie drehte den Kopf zu mir. Trotzdem sah ich ihr Gesicht nicht, da sie ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte und außerdem ihre Haare zusätzlich einen Großteil verdeckten. Diese mussten schwarz sein, was einen wirklich akuten Gegensatz zum Rest ihrer Erscheinung darstellte.
 

„Wer bist du?“, wiederholte ich meine Frage leise.

Doch sie antwortete nicht. Stattdessen begann sie traurig zu lächeln und ich spürte, wie die Luft um mich herum schlagartig mehrere Grad abkühlte. Es wurde so kalt, dass ich sogar meinen Atem sehen konnte und der Niesel gefror augenblicklich.

Noch im selben Moment erhob sich die Gestalt und ließ sich vornüber vom Geländer fallen. So schnell konnte ich gar nicht blinzeln, wie sie gefallen war. Entsetzt stürmte ich zum Geländer und starrte nach unten, aber ich erkannte nichts. War das womöglich wirklich ein Geist gewesen? Jedenfalls erwärmte sich die Luft langsam wieder, so als wäre nichts geschehen. Kurz überlegte ich, ob ich hinterher springen sollte, um nach dem Rechten zu sehen. Sterben würde ich davon schließlich nicht mehr, doch gerade als ich im Begriff war über das Geländer zu steigen, ertönte neben mir eine Stimme.

„Wow, ich dachte die Phase hätten wir schon hinter uns gelassen.“

Erschrocken zuckte ich zusammen. „Mensch, Kyria, du hast mich erschreckt!“, fauchte ich sie an.

Sie lachte nur amüsiert. „Und nein, ich wollte mich nicht umbringen, aber hast du eben auch diese Gestalt hier gesehen?“, fragte ich sie nun ruhiger.

„Nein, ich habe nichts gesehen, aber ich habe etwas gespürt. Vielleicht meinst du ja das.“, gab sie mir zur Antwort. Da erinnerte mich mein Gedächtnis an Luca und sofort kam die Sorge zurück.

„Kyria!“, rief ich nun aus. Sie zuckte verwirrt zurück. „Ja?“, fragte sie.

„Ein Glück das du wieder da bist. Du musst ganz schnell mitkommen. Ich brauche gerade echt deine Hilfe.“, erzählte ich ihr und zerrte sie schon mit zum Friedhof.
 

Nachdem das mit Luca alles passiert war, hatte sie uns zweimal besucht und in der Zeit hatte ich sie immer auf dem Laufenden gehalten. Pik hatte sie noch nicht getroffen, aber sie hatte schon von ihm gehört. In wenigen Worten schilderte ich ihr die Lage.

„Jedenfalls bist du glaube ich gerade die einzige, die Pik zur Besinnung bringen kann.“, endete ich meine Erzählungen, während wir zum Friedhof zurückhechteten.

„Hm, ich verstehe. Klingt nach einer echt blöden Situation.“, stimmte sie mir zu, „In Ordnung, auf mich könnt ihr zählen.“

„Ich danke dir.“, sagte ich ernsthaft gerührt.

Als wir ankamen, bot sich mir ein Bild des Schreckens. Mehrere tiefe Wunden überzogen Lucas Haut und seine Kleidung war ziemlich stark zerfetzt. Außerdem hatte er von seinen Messern nur noch eines übrig. Pik hingegen wirkte nicht sonderlich mitgenommen. Kyria analysierte blitzschnell die Lage neben mir. „Scheint so, als bräuchte Luca eine Ablösung.“ Dann war sie auch schon verschwunden.

Unterdessen griff Pik gerade an. Mit dem ersten Angriff hatte er Luca aus dem Gleichgewicht gebracht, sodass dieser nicht mehr ausweichen konnte, als der nächste Angriff erfolgte. Die Sense raste unerbittlich auf ihn zu, doch in dem Moment ging Kyria zum Glück dazwischen. Mit einer Hand stützte sie den fallenden Luca, mit der anderen wehrte sie die Sense ab. Ich war beeindruckt von ihr. Gerne hätte ich auch so kämpfen können.
 

„Wer bist du?“, fragte Pik sichtlich erstaunt, „Es hat noch niemand geschafft meine Sense einfach festzuhalten.“

Kyria lächelte ihn kampflustig an. „Ich bin hier die Ablösung, sozusagen.“ Luca blickte sie dankbar an und entfernte sich aus dem Kampfgeschehen. Lange hatte er ohnehin nicht mehr stehen können, also stützte ich ihn nun ab, während Kyria das Ruder jetzt übernahm.

Ihr zuzusehen war immer wieder bewundernswert und hinzukam, dass sie mit Pik mithalten konnte, ohne ihre Gestalt als Exile zu erwecken. Ich hatte Gerüchte gehört, dass sie wohl die Beste unter den Huntern gewesen war, aber die Beste in etwas zu sein, war immer relativ zu betrachten. Wenn man sie dann aber im echten Leben sah, dann konnte man an dieser Aussage gar nicht mehr zweifeln.

Mit einer spielend leichten Drehung wich sie genau zwischen den beiden Sensen aus. Sie stand nun wenige Zentimeter vor Pik, der sie verdattert anblickte. Kurz lächelte sie ihn an, dann ließ ein gezielter Tritt in die Magengrube ihn taumeln.
 

Blitzschnell hechtete sie nun an ihm vorbei und pflückte eines von Lucas Wurfmesser vom Boden. Einige Sekunden später hielt sie noch drei weitere in der Hand. Pik, der sich in der Zwischenzeit wieder erholt hatte, blickte sie finster, aber auch mit einem Hauch Respekt an. Unwillkürlich begann ich mich zu fragen, wie treffsicher Kyria eigentlich war. Eigentlich war sie mal eine Schwertmeisterin gewesen. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie je erwähnt hätte etwas mit Wurfmessern oder ähnlichen zu tun gehabt zu haben.
 

Pik startete nun eine neue Taktik. Mit der einen Sense deutete er immer Angriffe an, während er mit der anderen eigentlich zuschlug. Kyria durchschaute diesen Trick jedoch binnen Sekunden und wich allem aus oder wehrte es mit den kleinen Messern ab. Ich glaubte, dass sie nicht einmal Gebrauch von ihrer Fähigkeit machte, seine Impulse zu lesen. Piks Blick konnte ich ablesen, dass er sich fragte, woher sie diese Kraft nahm, bis ihm ein Licht aufging.

„Offensichtlich bist du kein Mensch.“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Kyria lächelte ihn nur amüsiert an. Sie, im Gegensatz zu ihm, sah nicht im Geringsten angestrengt aus. Natürlich hatte sich Pik vorher schon mit Luca rumschlagen müssen, aber das schien ihn bei weitem nicht so gefordert zu haben, wie der Kampf mit Kyria.

„Du hast recht.“, antwortete sie ihm schlicht.

Gerade wollte Pik sie wieder attackieren, als sie drei der Messer auf ihn warf. Alle verfehlten ihn. Ich fragte mich schon, was das sollte, als ich prompt die Antwort bekam. Kyria wich der Sense vor sich aus indem sie nach vorne sprang. Als sie landete, musste ich kichern. Sie hatte nicht daneben geworfen, sondern den Baum hinter Pik angepeilt. Die Messer steckten nun so in ihm, dass sie darauf stehen konnte. Das letzte Messer hielt sie jedoch noch fest.
 

„Ich frage dich noch einmal. Wer bist du?“, erhob Pik erneut das Wort. Einerseits schien er frustriert einen besseren Gegner vor sich zu haben, andererseits schien ihn das aber auch von seiner Depression abzulenken. Kyria stützte sich entspannt an den Baum.

„Mein Name ist Kyria. Ich hörte, du seist ein Informant, dann müsstest du ja eigentlich wissen, wer ich bin.“

Pik blickte sie kurz verwirrt an, doch dann ging ihm ein Licht auf. Plötzlich senkte er die Sensen und stützte sich auf ihnen ab. Seufzend sagte er: „Hm, wie mir scheint, habe ich wohl keine Chance gegen die Nummer 2 der schwarzen Liste. Ich habe wohl verloren.“ Dann sackte er zusammen und begann zu schluchzen. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass jemals zu erleben. Ich hatte das Bedürfnis irgendetwas zu sagen oder zu tun, aber mein Kopf war leer und mir fiel absolut nichts Sinnvolles ein.

Da sprang Kyria vom Baum herab und blieb genau vor Pik stehen.

„Für einen Menschen hast du dich wirklich sehr gut geschlagen, das soll vorneweg gesagt sein. Doch das ist nicht, was ich dir mitteilen möchte. Ich weiß zwar nicht, wie viel dir die Worte einer Exile bedeuten, aber ich kenne deinen Schmerz nur zu gut. Wenn man jemanden verliert, der einem alles bedeutet hat, dann bleibt einem nichts als Leere und Verzweiflung, welche sich nur allzu schnell in Hass verwandelt. Man verliert den Respekt vor dem Leben, nicht nur vor dem eigenen, sondern auch vor dem anderer.“

Als ich Kyria so sprechen sah, erkannte ich, wie verletzt sie in jenem Moment aussah. Das war einer der wenigen Momente, in denen sie ihr unbesiegbares Ich verlor und zu dem Menschen wurde, der sie einmal gewesen war.
 

Plötzlich begann Kyria zu lachen. „Aber weißt du, du hast nur 2 Tage gewütet, ich hab das Spiel ganze 50 Jahre durchgezogen. Glaub mir, das war nicht gerade meine Glanzzeit und am liebsten würde ich sie aus meinem Leben tilgen, aber als ich dann wirklich die Spitze des Eisberg erreicht hatte, da kam jemand und hat mir gehörig die Leviten gelesen. Sie hat mich solange zerfetzt, und das meine ich wörtlich, bis ich wieder bei Besinnung war. Dieses Schicksal würde ich dir gerne ersparen, denn Menschen sind nicht unbedingt dafür bekannt, ihre Gliedmaßen und inneren Organe wieder regenerieren zu können. Also tu dir und denen, die sich um dich Sorgen den Gefallen und reiß dich künftig zusammen. Ansonsten komme ich persönlich wieder und beende, was ich heute begonnen habe.“ Kurz trat ein Moment völliger Stille ein. Pik hatte aufgehört zu schluchzen, aber die Tränen liefen immer noch über sein Gesicht. Langsam hob er den Kopf, als Kyria ihm eine Hand entgegen streckte.
 

Was er wohl gerade dachte? Ich konnte es mir nicht im Geringsten ausmalen, aber er schien wohl zu einer Entscheidung zu gelangen. Er schloss die Augen für einen Moment und runzelte die Stirn. Mir kam es so vor, als erinnere er sich an etwas und als er seine Augen dann wieder öffnete, war diese Leere aus ihnen endlich wieder verschwunden. Mit einem Ärmel wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht, mit der anderen ergriff er Kyria´s Hand, welche ihn spielend hochzog.

„Ich danke dir.“, gab er schließlich zurück, „Mir persönlich ist es völlig egal, was du bist, zumal du dich mit der menschlichen Psyche besser auszukennen scheinst, als die meisten Menschen, die ich so kenne. Daher gebe ich dir das Versprechen, dass ich mich zusammenreißen werde und sollte ich mich nicht daran halten, dann darfst du mich persönlich zerfleischen.“
 

Kyria blickte ihn zufrieden an. Ihre Arbeit war getan. Pik steckte seine Sensen wieder weg und die beiden kamen zu uns herüber. Etwas verlegen blickte er uns an.

„Ähm… wie es scheint, habe ich euch eine Menge Ärger beschert. Tut mir Leid.“, nuschelte er uns zu und lachte verlegen. Luca starrte ihn finster an.

„Ich hoffe du bist zufrieden. Denn dieses Mal warst du es, der mir eine schlaflose Nacht beschert hat.“ Pik starrte ihn fassungslos an und ich musste kichern. Luca machte ihm nicht mal Vorwürfe wegen seines Verhaltens, sondern meckerte lediglich über genau das, was sonst Pik immer anbrachte.
 

„Dafür klingel ich dich jetzt wieder öfter raus, darauf kannst du wetten.“ Pik schüttelte nur den Kopf. „Wenn du das machst, dann komm ich persönlich vorbei und kette dich ans Bett.“

Ich seufzte. Na zumindest schien das ja geklärt.

Kurze Zeit später informierte Luca Piks Assistenten, dass er ihn gefunden habe und alles wieder in Ordnung sei. Um das Aufräumen würden sie sich kümmern und so würden all die Morde der letzten beiden Tage auf die Kappe eines durchgedrehten Exile gehen, der jedoch bereits unschädlich gemacht worden war. Ob ich mich wohl je daran gewöhnen würde, wie alltäglich für Pik und Luca der Tod zu sein schien? Mir taten Piks Opfer, seien es zum Teil auch Yajuu und Hunter gewesen, immer noch leid. Trotzdem kam es nicht wieder zur Sprache.

Kyria begleitete Luca und mich nach Hause. Sie hatte nun mein Zimmer, während ich mir das mit Luca teilte. Wie ich von Pik erfuhr, hatten ihn seine Assistenten wohl auch noch mal gehörig die Leviten gelesen, als er wieder nach Hause gekommen war, aber trotzdem hätten sie ihn niemals an Lucius verraten. So war ja alles noch mal gut ausgegangen, aber eine Sache ging mir dennoch nicht aus dem Kopf… diese Gestalt von der Brücke. Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir, dass das keine Einbildung gewesen war. Schließlich hatte Kyria ja auch etwas gespürt, wenn auch nicht gesehen. Das Ganze machte mich neugierig und so fasste ich mir zum Ziel, dass ich bei Gelegenheit noch mal nachsehen würde.
 


 

Sayo war stinksauer. Nicht nur, dass innerhalb von zwei Tagen über zwei duzend Hunter ermordet worden waren, nein, auch in Bezug auf Kyria war sie noch keinen Schritt weiter gekommen. Selbst das Mädchen, das unter ihrer Obhut stand, war ihr bisher nicht mehr begegnet. Es grämte sie, dass sie jetzt schon zum wiederholten Male ihrer Exekution entgangen war, obwohl sie doch so erbärmlich schwach war.

Seufzend lehnte sie sich in den Stuhl ihres Schreibtisches zurück. Egal, die Hunter konnte man leicht ersetzen. Die gab es wie Sand am Meer, wenn sie es so wollte und ihre Chance käme bestimmt bald, was das mit Kyria betraf. Jetzt jedoch hatte etwas anderes erst einmal Priorität. Denn Sayo hatte Durst.

Schnell zog sie sich ihren Mantel über und verließ das Büro. Es war mitten in der Nacht und Arbeit stand für heute nicht mehr an. Gut so.

Sayo durchkämmte die Straßen in der Nähe der Bars und Kneipen. Irgendeinen Betrunkenen würde sie schon aufgabeln, der den Fehler gemacht hatte, sich in einer Gasse schlafen zu legen. Man würde ihn nie wieder sehen.

Im Prinzip hätte sie auch einfach Blut aus den Blutkonserven nehmen können, die ihr zur Verfügung standen, aber sie bevorzugte einfach lebende Beute. Einst war das anders gewesen. Da hatte sie sich noch gegen den Vampir in ihr gewehrt, aber vieles hatte sich verändert. Sie war über 120 Jahre älter geworden. War doch nur verständlich, dass da nicht alles beim Alten blieb…
 

Sayo musste gar nicht lange suchen. Schnell hatte sie ein passendes Opfer gefunden und ebenso schnell, war er auch tot gewesen. Nun musste sie ihn nur noch unbemerkt verschwinden lassen. Ohne Kraftaufwand schnappte sie sich den leblosen Körper und warf ihn sich über die Schulter. Dann trottete sie Richtung Brücke. Niemand suchte je nach Jemandem im Ödland, weshalb dort, wie sie vermutete, mehr Leichen liegen mussten, als auf dem örtlichen Friedhof. Zeugen begegneten ihr auch nicht, was ihr nur recht war, da sie sich sonst um die auch hätte kümmern müssen.

Als sie dann die passende Stelle gefunden hatte und die Leiche mit einem gezielten Wurf über das Geländer befördert hatte, verharrte sie noch einen kurzen Moment und genoss die kühle Nachtluft. Eigentlich war das Wetter ja nicht besonders schön. Es war kühl und ständig regnete es, aber sie mochte diese Nächte, weil da nicht so viel los war. Zumindest meistens.

Auf einmal erstarrte Sayo. Wie aus dem Nichts saß nicht weit neben ihr eine Person auf dem Geländer der Brücke. Sayo war sich sicher, dass sie da eben noch nicht gewesen war.
 

Kurz blickte sie sich um, dann schaute sie direkt zu der merkwürdigen Gestalt, welche im weißen Mantel und völlig einbandagiert war. Obwohl dieses Wesen keine besondere Aura verströmte, fragte sich Sayo, ob ihr Gegenüber menschlich war. Unschlüssig stand sie da und starrte weiterhin zu der der Person.
 

„Wer bist du?“, fragte Sayo schließlich, als sie die Neugier nicht mehr unterdrücken konnte und erst jetzt schien die Gestalt auch von ihr Notiz zu nehmen. Nur einen Moment hatte Sayo geblinzelt, doch im nächsten stand das Wesen auf dem Geländer vor ihr. Sie war ziemlich schmal und zierlich gebaut, stellte sie fest.

„Wie schwer ist es seine Moral zu überwinden?“, fragte sie plötzlich. Die flüsternde Frauenstimme jagte Sayo Schauer über den Rücken.

„Was redest du da?“, fauchte sie gereizt. Auch etwas anderes bemerkte Sayo. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde es immer kälter und kälter. Die Tropfen auf dem Geländer gefroren bereits.

„Ich habe furchtbaren Hunger, aber ich kann mich einfach nicht dazu durchringen jemanden zu töten. Was hat dich zum Umdenken gebracht?“, fragte sie nun präziser und Sayo erschrak noch mehr. Wieso konnte diese Frau in ihr lesen wie in einem Buch? Das war ihr nicht suspekt.

Sayo seufzte, um ihre Unsicherheit zu überspielen: „Ich bin nun mal zur Hälfte Vampir, je älter ich werde, desto stärker wird er eben und da ist es ganz natürlich so zu handeln.“

„Du lügst.“, war die schlichte Antwort. Sayo biss die Zähne zusammen.

„Wieso soll ich einer Wildfremden mein Herz ausschütten? Ich weiß nicht was du zu wissen glaubst, aber lass mich in Frieden damit.“
 

Kurz schwieg die Gestalt, dann raschelte ihre Kapuze ein bisschen, sodass eines ihrer Augen zum Vorschein kam. Die Iris war einfach nur gespenstig weiß. Nicht wie bei Seraphis, ihre Augen hatten immer diesen Perlmutschimmer, nein, diese waren so kalt, dass es Sayo fast von innen gefror. Sie wich einen Schritt zurück.

„Hör zu, ich hab keine Ahnung wer oder was du bist und es ist mir auch egal. Lass mich einfach in Frieden, kapiert?“, fauchte Sayo und drehte sie demonstrativ zum Gehen um. Einige Schritte kam sie vorwärts, bis die Frau ein weiteres Mal zu sprechen begann. „Du hast Angst und deswegen lügst du. Pass auf, sonst erwischt dich noch ein Shinigami.“
 

Sayo zuckte zusammen. Shinigami? Aber sowas gab es doch nicht. Oder doch? Sollte das eine Metapher für den Tod sein? Doch als sie sich umblickte, war die Frau verschwunden und mit ihr auch diese furchtbare Kälte.

Obwohl Sayo eine mächtige Kämpferin war, fühlte sie sich hier auf einmal wie ein wehrloses Kind. Diese Frau hatte nichts getan, aber dennoch hatte sie große Angst vor ihr. Sayo konnte nicht einschätzen, ob all das nur leeres Geschwätz gewesen war oder ob ihr gerade ein mächtiges Wesen gegenüber gestanden hatte. Vielleicht war es ja ein Neueinsteiger auf der schwarzen Liste. Schon länger hatte sie sich nicht mehr damit befasst, aber sie wusste, dass es viele Dämonen gab und auch einige sehr talentierte unter ihnen. Im Moment hatte Sayo aber Wichtigeres zu tun. Ihre Aufmerksamkeit lag voll und ganz auf Kyria und dieser kleinen Exile. Sie würde diesen Vorfall heute einfach verdrängen. Darin war sie ja schon seit Jahren ein Profi.



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