Zum Inhalt der Seite

A Song of Ice and Fire: A Smile of Shadows

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Loras


 

Courage is being scared to death... and saddling up anyway.
 

(John Wayne)
 

 
 

LORAS
 

 

Er würde sterben.

Er hatte es in dem Moment gewusst, als ihm verkündet worden war, dass Gregor Clegane sein Gegner sein würde und als Joffrey angemerkt hatte, dass er seinen letzten, beeindruckenden Ritt gegen den Berg noch in so lebendiger Erinnerung hatte, dass er sie diesmal nicht zu Pferd, sondern mit dem Schwert in der Hand zu sehen wünschte; er hatte es in Margaerys Blick gesehen und vermutlich hatte er es auch geahnt – das war die Rache für ihren kleinen Trainingsunfall. Joffreys Nase war immer noch ein wenig geschwollen und unter seinen Augen zeigten sich blau und bräunlich die Reste von Blutergüssen, doch er musterte ihn durch eisiges Grün, als sei nicht das geringste passiert.

Loras biss die Zähne zusammen und schaffte es, dass seine Knie nicht zitterten, als er vor das Podest mit den adligen Lords und Ladies des Hofes trat, um dem König seine Ehrerbietung zu erweisen, obwohl er ihm lieber vor die Füße gespuckt hätte. Kurz kreuzt sein Blick sich mit Margaerys; ihr Lächeln wirkte zittrig und sie hatte die Finger der von Joffrey abgewandten Hand so fest um die Armlehne ihres Sitzes gekrallt, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sansa neben ihr regte sich nicht; sie blickte starr geradeaus an ihm vorbei. Leonette war blass und noch zittriger als Margaery; Garlans Gesicht war steinern.

Loras machte einen Schritt zurück und wollte gerade seinen Helm wieder aufsetzen, als Joffreys Stimme ihn zurück hielt.

„Braucht ein so geschickter Ritter wie Ihr denn wirklich einen Helm?“ Die Stimme des jungen Königs war trotzdem seines fast freundlich-aufmerksamen Lächelns schneidend wie Stahl.

Du kleiner Bastard.

Ohne ein Wort ließ er seinen Helm fallen; das scheppernde Geräusch schien von den Wänden ringsum ewig widerzuhallen. Margaery zuckte kaum merklich zusammen.

„Euer Gnaden...“, sagte sie leise; Joffrey wandte den Blick nicht von Loras ab.

Aus dem Augenwinkel sah Loras, wie jemand seinen Helm einsammelte, als er in die Mitte des Platzes trat; er erhaschte einen Blick auf blondes Haar und eine blaue Tunika.

Olyvar, natürlich.

Er unterdrückte den Impuls, wie er es vor jedem Turnier getan hatte, in der Menge nach einem dunklen Haarschopf und vertrauten grünen Augen zu suchen.

Renly war immer da, er war es immer gewesen, seit er das erste Mal einen Gegner aus dem Sattel gehoben hatte.

Er spürte seinen Blick auf ihm, und natürlich wussten sie beide, für wen die Rosen wirklich gedacht waren, die er in der Menge verteilte; er wusste auch, dass Renly ab und an auf seine Siege wettete - üblicherweise teilten sie hinterher, er hatte ihn noch nie enttäuscht.

Renly selbst hatte nur ein, zweimal an Turnieren teilgenommen, mit mäßigem Erfolg, und es danach vermieden, solange Robert es nicht verlangte. Zugegebenermaßen war es Loras auch lieber, ihn auf der Tribüne in Sicherheit zu wissen; zwar trainierten Renly und er gemeinsam, aber das bedeutete nicht, dass er es gerne sah, wenn Renly auf die Idee kam, das auch anwenden zu wollen...

Der Jubel der Menge gellte in seinen Ohren und über ihre Köpfe hinweg sah er, wie Renly voller Enthusiasmus die Faust in die Luft reckte und den Stolz in seinem Gesicht und konnte seine Lippen schmecken...

Der nächste Aufprall von Cleganes Zweihänder war so heftig, dass ihm die Waffe beinahe aus der Hand geschlagen wurde; fast sofort war sein rechter Arm bis zur Schulter hinauf taub. Er konnte ein leises Aufkeuchen nicht unterdrücken; geschickt wich er einem weiteren Hieb aus und dankte jedem erreichbaren Gott dafür, dass Cleganes Größe ihn entsprechend behäbig machte.

Ihr Publikum – reiche Lords und Ladies, Höflinge, einige Lannistersoldaten zu ihrer Bewachung in rotgoldenen Uniformen – war beinahe totenstill, oder vielleicht empfand er das auch nur so, weil er darauf konzentriert war, sich nicht von Cleganes Schwert in zwei Hälften teilen zu lassen.

„Ich dachte, wir sehen einen Kampf und keinen Tanz“, konnte er Joffreys Stimme von der Seite hören; jemand lachte pflichtschuldigst und er meinte, Kleinfingers Stimme zu erkennen.

Einhundert Golddrachen auf den Berg. Aber Renly war nicht hier, um gegen ihn zu wetten.

Beim nächsten Hieb war er zu langsam. Die flache Seite des Breitschwertes traf ihn mit solcher Wucht vor die Schläfe, dass er stürzte; das Schwert glitt ihm aus den Fingern und er rang noch völlig benommen nach Atem, während er sich in einem Reflex zur Seite wegrollte und Cleganes Klinge nur wenige Zentimeter neben ihm klirrend auf Stein traf. Etwas heißes lief ihm in den Nacken und er schmeckte Blut; er hatte sich auf die Zunge gebissen und ohne Helm war sein Kopf ungeschützt auf den Boden geschlagen. Gerade noch rechtzeitig schüttelte er die Benommenheit ab, wich einem weiteren Schlag aus und angelte nach seinem Schwert - vom Podium her war ein erstickter Laut zu hören, ob von Margaery oder einer der anderen Ladies hätte er nicht sagen können.

Cleganes Schwert zischte durch die Luft und grub sich zwischen Schulterpanzer und Armschiene in seinen Oberarm.

Im ersten Moment spürte er gar nichts. Seine Finger waren alle noch an Ort und Stelle, doch sie gehorchten ihm nicht mehr; dann schrammte die Klinge buchstäblich über den Knochen seines Oberarms und im ersten Augenblick wurde ihm schwarz vor Augen. Jemand schrie und es dauerte einen Moment, bis er seine eigene Stimme erkannte; zähflüssiges Blut sickerte durch seine Finger, die er auf die Verletzung gepresst hatte. Vor seinen Augen tanzten schwarze Schemen, Metall blitzte in der Sonne und sein Herzschlag dröhnte wie eine Trommel in seinen Ohren; jemand packte seinen Harnisch und schleifte ihn ein Stück zur Seite, verzerrt erkannte er das Rot und Gold der Lannisters und dann grüne Seide und vertraute, goldfarbene Augen. Garlan griff nach seiner unverletzten Hand und zog sie behutsam beiseite; von irgendwo hörte er einen erstickten wimmernden Laut und spürte brennende Scham in seinem Magen, als ihm klar wurde, dass der von ihm stammte.

„Ganz ruhig, ganz ruhig“, murmelte Garlan halb zu sich selbst, „Bist in Sicherheit, scheiße, was bei allen...“

Sein Blick ging an Loras vorbei zu dem Mann in rotgoldener Uniform, der von Clegane nicht minder verwirrt angestarrt wurde wie von den restlichen Anwesenden, und schlagartig waren seine Schmerzen vergessen; Garlan musste ihn an der Schulter festhalten um zu verhindern, dass er sich aufrichtete.

„Ich bin hier, um Euch die Treue zu schwören, Euer Gnaden“, sagte Renly kühl, aber ruhig, „Sollte ich die Feierlichkeiten stören, können wir das aber gerne verschieben.“ Er hatte den rotgoldenen Helm abgenommen, damit man ihn besser erkannte; in der Menge flüsterte und tuschelte es. Haare und Bart waren angemessen gestutzt, als sei nie irgendetwas geschehen; die Uniform war hochgeschlossen genug als dass Loras nichts von seiner Verletzung erkennen konnte.

„Renly?“ Seine Stimme war ein heiseres Flüstern aus trockener Kehle, doch er drehte sich nicht einmal zu ihm um. Joffrey sah aus, als erwäge er, sich hinter den Röcken seiner Mutter zu verstecken.

Hinter seinem Rücken warf Margaery Garlan einen scharfen Blick zu und der verstand.

„Komm.“ Er schlang sich Loras' unverletzten Arm um die Schultern und zog ihn auf die Füße; Loras' Knie gaben sofort wieder nach. „Ich bring' dich zu einem Maester...“

„Nein.“ Er hatte nicht die Kraft, um sich gegen Garlans Griff zu stemmen; seine Beine fühlten sich fast so taub an wie sein Arm. „Nein, nein, Renly...“

"Sei still!", zischte Garlan und schleifte ihn zu einer der Seitentüren, während die Menge immer noch gebannt Renly anstarrte, und das letzte, was er sah, bevor die Tür hinter ihnen zufiel, war, wie Renly vor Joffrey auf ein Knie sank.

 

Das nächste, woran er sich erinnerte, war grober Stoff unter ihm und der Geruch von Kräutern und Alkohol in der Luft. Seine rechte Gesichtshälfte, dort, wo ihn Cleganes Schwert getroffen hatte, fühlte sich wund und taub an, als sei er in eine üble Schlägerei verwickelt worden; ihm war schwindlig und der Raum um ihn herum schien sich zu drehen, ohne dass er dafür die Augen öffnen musste. Sein verletzter linker Arm steckte von der Schulter bis fast zu den Fingerspitzen in Leinenstreifen fixiert; probeweise versuchte er, die Finger zu bewegen, heißer Schmerz zuckte durch seinen Arm bis hoch in seinem Kopf und mit einem leisen Stöhnen biss er die Zähne zusammen.

„Der Maester hat gesagt, du wirst für eine Weile auf deinen Arm verzichten müssen.“

Trübe blinzelte er unter einem Augenlid nach oben; Renlys Silhouette zeichnete sich unscharf gegen das Fenster ab.

„Ich weiß nicht, ob man im nächsten Leben überhaupt Arme braucht“, antwortete er müde.

Renly schmunzelte verhalten und schob das Buch beiseite, in dem er geblättert hatte, um etwas näher zu Loras‘ Bett zu rücken.

„Du brauchst deine Arme noch, du bist ein Ritter. Außerdem bist du nicht tot.“

„Du auch nicht.“ Seine Zunge fühlte sich schwer und träge an; er wollte nach Renlys Hand greifen, doch der saß dafür auf der falschen Seite und er fühlte sich unglaublich erschöpft. „Was ist passiert…?“

Ein Schatten huschte über Renlys Gesicht, doch vielleicht lag das auch am Licht. „Es geht mir gut“, sagte er leise, „Alles andere ist eine lange Geschichte.“

Er griff selbst nach Loras‘ unverletzter Hand und verschränkte ihre Finger miteinander, um seine Knöchel mit einem flüchtigen Kuss zu streifen. Die rotgoldene Uniform hatte er abgelegt, soweit Loras das sehen konnte, und seine Tunika war – für Renlys Verhältnisse – überraschend schlicht, wenn man von den Stickereien am Kragen und an den Ärmel absah; aus der Nähe betrachtet waren die dunklen Haare ein, zwei Zentimeter länger als Loras sie in Erinnerung hatte, und an seiner Schläfe zeigte sich silbrig rot der Rest einer älteren Verletzung.

Mit etwas Mühe zog Loras ihn näher zu sich heran und lehnte die Wange gegen Renlys Arm, roch vertraute Haut und Renlys Atem. „Es tut mir leid“, sagte er leise und war sich nicht sicher, was er damit meinte. Dass ich nicht bei dir war. Dass unser letztes Gespräch damit geendet hat, dass ich dich in Margaerys Bett geschickt habe. Dass du meinetwegen nach Königsmund zurückkommen musstest…

Renly antwortete nicht, fuhr ihm nur flüchtig durch die braunen Locken und streifte seine Wange mit den Lippen.

„Du hast Joffrey einen Treueeid geleistet…?“

Renly lachte leise. „Mir fiel nichts anderes ein, um zu verhindern, dass mein Kopf auf dem nächsten Spieß landet“, antwortete er, „Deine Großmutter hat mit ihrem Barden schon ganz gute Vorarbeit geleistet – Lord Renlys letzter Ritt und so weiter, du weißt schon... Außerdem dachte ich mir, um an einen Thron zu kommen, ist es wohl hilfreich, wenn man schon in dessen Nähe ist.“

Loras‘ Kopf schoss hoch und sofort wurde ihm wieder schwindlig.

„Du willst immer noch-?“

Renlys Augenbrauen zuckten leicht fragend. „Das war deine Idee, wenn ich mich recht entsinne. Aber ja, ich muss König werden.“

Seine Wortwahl war seltsam, doch Loras schwirrte immer noch zu sehr der Kopf, um diesbezüglich nachzuhaken.

„Bring dich – bring dich nicht in Schwierigkeiten…“

Renly grinste müde. „Joffrey denkt, ich wäre ein Geist, Cersei hält mich für einen sehr gewieften Verräter, und ich habe vor ungefähr zwei Stunden vor dem ganzen Hof erläutern dürfen, dass meine Ehe nie vollzogen wurde, weshalb ich keinerlei Ansprüche auf Margaery anmelden will, von was für Schwierigkeiten reden wir?“

Nie vollzogen wurde? Die Erleichterung bei Renlys Worten löste erneute Schuldgefühle bei ihm aus; er schloss die Augen für einen Moment.

Renly“, sagte er leise, aber mit Nachdruck, „ich hab dich beerdigt, im – in Sturmkap, ganz allein, bitte, du warst tot, ich hab – wo warst du?“

„Jaah, das ist mir aufgefallen“, antwortete Renly zögerlich, „Ein halber Meter Erde weniger hätt’s auch getan, glaube ich…“

Loras gab einen halb erstickten Laut von sich und war sich nicht sicher, ob das ein Lachen oder ein Schluchzen hatte werden sollen; Renly schlang die Arme etwas mehr um ihn und lehnte die Wange an sein Haar.

„Ich bin wieder da“, murmelte er, „Das ist doch das wichtigste, oder?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück