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Die Unverzeihlichen Flüche

von

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Avada Kedavra

Herbst 1978
 

Der Herbst war ins Land gezogen und hatte das Grün der Bäume in warme Gelb- und Rottöne gefärbt. Nebel lag über den Ländereien von Hogwarts. Der Himmel war grau und die Luft eisig, weshalb es die meisten Schüler an diesem Wochenende vorzogen, in den warmen Hallen des Schlosses zu bleiben. Zwei Gestalten jedoch schienen das ungemütliche Wetter den überfüllten Hallen der Schule vorzuziehen. In warme Umhänge gekuschelt und den Schal eng um den Hals geschlungen, liefen die beiden am See entlang.

„Ich verstehe nicht, was das soll“, beschwerte sich der Strohblonde der beiden. „Warum lässt du mich nicht einfach machen?“

„Weil du nicht weißt, was dich erwartet, Barty!“

„Ich weiß, was mich erwartet. Ich weiß, worauf ich mich einlasse. Ich mache nichts anderes als du!“

„Nein“, erwiderte Regulus bestimmt und blieb unvermittelt stehen, „was ich gemacht habe, war etwas vollkommen anderes. Du hingegen hast eine Wahl. Und ich bitte dich einfach nur, dir das durch den Kopf gehen zu lassen. Noch kannst du zurück.“

Barty schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme. Trotz lag in den Zügen seines sommersprossigen Gesichts. „Es gibt kein Zurück mehr.“

„Doch. Dein Vater ist in einer sehr mächtigen Position. Kaum jemand würde dir etwas anhaben können. Alles, was diesen Sommer passiert ist, wäre einfach nur ein Versehen gewesen.“

„Ein Versehen?“, wiederholte Barty ungläubig. „Regulus, wenn mein Vater Wind davon kriegt, was ich getan habe, dann…“, er suchte nach Worten, „dann bin ich tot!“

„Du hättest unter dem Imperius-Fluch stehen können“, erwiderte Regulus trocken.

Wütend schob Barty die Lippe vor. „Du willst wirklich nicht, dass ich das tue, stimmt’s?“

„Ich will nur nicht, dass dir zu spät klar wird, in was du da steckst“, versuchte Regulus seinen Freund zu beschwichtigen. „Dein Teil deiner Familie hält sich aus vielen Reinblüter-Traditionen raus, das meiste geht an euch vorbei.“

„Vielleicht möchte ich das ja ändern.“

„Aber nicht so!“ Regulus verlor die Geduld. „Barty, du weißt, was bald kommt, oder?“

Barty legte fragend den Kopf schief.

„Der Todesfluch.“

„Ja, und?“, gab er patzig zurück.

Regulus Miene verfinsterte sich angesichts Bartys gespielter Unbekümmertheit.

„Weißt du, was du dann tust?“, fragte er mit Nachdruck.

„Ich wende den Fluch an“, antwortete Barty kühl.

„Hast du schon einmal über die Folgen nachgedacht?“, wandte Regulus nun mit sichtlichem Ärger ein. „Du tötest! Du wirst damit jemanden umbringen!“

„Wenn ich das halt machen muss“, entgegnete Barty schulterzuckend und wandte sich von seinem nervigen Freund ab, um weiterzugehen. Er hatte keine Lust mehr auf die Unterhaltung.
 

„Bleib stehen!“ Wütend packte Regulus ihn beim Arm und zwang ihn dazu, ihm in die Augen zu sehen. „Du bringst nicht einfach etwas um. Du bringst jemanden um, ist dir das klar? Es kann jeder sein. Stell dir mal vor, es wäre Aidan!“, fuhr Regulus ihn an. „Würdest du dann immer noch so tun, als wäre das nichts?“

Er konnte sehen, wie sich in Bartys Gesicht etwas veränderte. Unsicherheit verdrängte jegliche zur Schau gestellte Entschlossenheit. „Aber“, brachte Barty kleinlaut hervor, „Aidan würde doch nie deren Ziel sein.“

„Das glaubst du“, erwiderte Regulus düster.

Verärgert riss sich Barty los. „Du spinnst doch! Du denkst dir jetzt nur irgendetwas aus, um mich abzuhalten.“

„Weißt du, was Bellatrix mit Aidans Großeltern gemacht hat, nachdem du verschwunden warst?“

Barty erstarrte.

„Du hast davon nicht gehört, oder? Die Sache ist gut vertuscht worden. Niemand im Ministerium hat davon Wind bekommen. Zumindest nicht die richtigen Leute.“

„Was … was ist passiert?“, fragte Barty heiser.

„Charles kam rein und hat Bellatrix entdeckt, kurz nachdem du verschwunden warst. Sie hat ihm einen Cruciatus auf den Hals gehetzt. Danach wurden beide Gedächtnisse bearbeitet … es kann sein, dass sie einigen Schaden davon getragen haben. Mehr weiß ich nicht. Niemand hat sich darum gekümmert. Und die beiden alten Leute sind den meisten egal. Es hätte aber auch anders kommen können.“

„Weiß Aidan davon?“

Regulus zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, woher soll ich das wissen?“

„Meinst du man kann rauskriegen, dass ich daran beteiligt war?“, flüsterte Barty. Er hatte sich damals so sicher gefühlt; ihm war nie in den Sinn gekommen, dass die Dinge einen anderen Lauf nehmen könnten. Doch zu seiner Erleichterung schüttelte Regulus den Kopf. „Dafür war Bellatrix zu gründlich. Es kam ja nicht einmal zu einer offiziellen Meldung, dass etwas vorgefallen ist.“

Erleichtert atmete Barty aus. „Na dann, was willst du eigentlich?“ Zu seinem Missfallen merkte Barty aber, wie seine Stimme schwankte. Regulus’ Worte hatten ihn getroffen, wie es sein Freund beabsichtigt hatte.

„Du willst wirklich, dass ich zu meinem Vater krieche“, sagte Barty. Er spürte wie kalter Zorn in ihm aufwallte. „Weißt du überhaupt, wozu der alte Mistkerl in der Lage ist? Für ihn gibt es nur gut und böse. Da ist kein dazwischen. Jeder, der mit potentieller dunkler Magie in Berührung kommt, ist böse. Glaubst du wirklich, dass ich länger als nötig diesem fanatischen Irren folgen will? Glaubst du das?“ Seine Stimme überschlug sich. „Einem Verrückten, der mir sogar eine Freundschaft verbietet, weil es so gekommen ist, dass du Black heißt!“

Barty spürte nicht, wie sich seine Fingernägel tief in seine Haut gruben, so fest hatte er die Hände zu Fäusten geballt. Heiße Tränen stiegen in ihm empor, die ihn nur noch wütender machten. Warum verstand Regulus nicht? Frustriert trat er in den Dreck und beobachtete, wie einige Klumpen Erde mit einem leisen Plätschern in den See fielen.
 

Stille trat ein. In seiner Hilflosigkeit ließ sich Barty einfach auf den kalten Boden fallen. Finster starrte er aufs Wasser hinaus und tat sein Bestes, Regulus zu ignorieren, der vorsichtig neben ihm Platz nahm.

„Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass es vielleicht eine dritte Möglichkeit gibt?“, fragte Regulus irgendwann leise. „Du hast noch fast zwei Jahre Hogwarts vor dir. Vielleicht ist ja alles ganz anders, wenn du die Schule verlässt.“

„Mach dir nichts vor“, erwiderte Barty verächtlich. „Es kann eigentlich nur schlimmer werden. Und ich werde nicht irgendwo untätig herumsitzen und mir anhören, wie unnütz ich bin.“

Ein bedrückendes Schweigen trat ein. Noch immer sah Barty auf die spiegelnde Wasseroberfläche, als könnte er dort die Antworten auf seine unzähligen Fragen finden. Die nachdenklichen Blicke, die Regulus ihm gelegentlich zuwarf, ignorierte er geflissentlich.

„Du hast recht. Du bist unwichtig“, sagte Regulus plötzlich. „Du bist ein Nichts für die Todesser. Es ist ein Spiel für sie, Crouchs Sohn irgendwelche dunklen Künste beizubringen. Aber sie haben keinen Nutzen mit dir. Du bist ein kleiner Junge, der nicht einmal volljährig ist. Du bist völlig bedeutungslos.“

Barty fühlte sich wie geohrfeigt. Seine Augen waren leer, als er in die Ferne starrte und die volle Bedeutung von Regulus’ Worten zu erfassen versuchte. Doch je länger er sie sich durch den Kopf gehen ließ, desto mehr wuchs seine Entschlossenheit. „Dann werde ich ihnen eben einen Nutzen bringen“, erwiderte Barty grimmig.
 

Dezember 1978
 

Lustlos schlürfte Barty sein Butterbier in den Drei Besen und lauschte teilnahmslos den Gesprächen seiner Mitschüler, die sich alle um die anstehenden Ferien drehten. Ihre belanglosen Worte verloren sich im Lärm, der in der vollen Gaststube herrschte und wurden zu einem einheitlichen Brei. Immer wieder prüfte Barty die Uhrzeit und musste zu seinem Missfallen feststellen, dass die Zeit nach wie vor im Schneckentempo zu verlaufen schien.

Er seufzte und versuchte sich auf andere Gedanken zu bringen, indem er halbherzig der Geschichte von Elliot lauschte, wie sie mal wieder einen Zaubertrank vermasselt hatte. Aber schon nach kurzer Zeit driftete er ab und dachte an die Nachricht, die er kürzlich erhalten hatte. Wort von den Lestranges.

Barty spürte, wie sich sein Puls vor Vorfreude beschleunigte. Jede Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu treten, war wertvoll. Er konnte sich ihnen gegenüber beweisen. Und wenn er Glück hatte … wenn er Glück hatte, würde er so einen Schritt weiter in die Gruppierung der Todesser kommen.

Irgendwann war es dann endlich soweit und Barty konnte sich mit der Entschuldigung, noch ein paar Erledigungen machen zu müssen, von den anderen loseisen.

Den Schal fest um sich geschlungen und tief in seinen warmen Winterumhang eingemummelt, verließ er die geborgene Wärme der Drei Besen und stapfte durch die eisige Luft Richtung Honigtopf.

„Crouch!“, hörte er die vertraute Stimme Rabastans, ehe er ganz angekommen war. Grüßend klopfte ihm der Ältere auf die Schulter, während er ihm mit der anderen Hand eine Tüte von Bertie Bott’s Bohnen hinhielt. „Willst du eine?“

Barty winkte dankend ab und zog sich die Mütze stattdessen noch tiefer ins Gesicht. Er wollte so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen. Zu seinem Glück hatten sich die meisten Schülerscharen jedoch in die Wärme der Drei Besen geflüchtet oder standen schwatzend vor Schaufenstern. Auf den großen jungen Mann mit den rotbraunen Haaren schien niemand zu achten.

„Na dann“, meinte Rabastan achselzuckend und verstaute die Süßigkeiten in einer Tasche seines Umhangs, „würde ich vorschlagen, wir halten uns nicht mit irgendwelchen Belanglosigkeiten auf.“

Neugierig folgte Barty ihm und versuchte all die Fragen, die ihm auf der Zunge lagen, hinunterzuschlucken. Wo auch immer Rabastan ihn hinbringen würde, dort würde er schon erfahren, was es mit diesem Treffen auf sich hatte.
 

Nach kurzer Zeit hatten sie ein unscheinbares Haus erreicht, das sich in einer kleinen Seitengasse befand.

„Also Barty“, meinte Rabastan, wobei er die Tür verschloss und seinen warmen Umhang achtlos in eine Ecke warf. „Wie läuft’s so?“

Barty zuckte vage die Achseln und begann sich aus seiner warmen Winterkleidung zu schälen. „Ganz in Ordnung“, brummte er, während er seine Sachen ordentlich über die Lehne eines Stuhls hängte. „Wie immer halt. Der Unterricht könnte interessanter sein.“

„Interessanter?“ Rabastan lachte. „Stimmt ja, hab gehört, du bist einer dieser intelligenten Leute, die furchtbar gerne ihre Nase in Bücher stecken.“

„Wenn ich dadurch besser werden kann.“

„Keine Freunde, kein gar nichts?“, bohrte Rabastan weiter.

Wieder zuckte Barty nur mit den Schultern. Regulus war zur Zeit äußerst distanziert und wenn er ehrlich mit sich selbst war, hatte er wenig Lust auf ihn. Er erinnerte ihn nur daran, dass Regulus schon längst da war, wo er selbst sein wollte. Und mit seinen anderen Mitschülern hatte er auch nicht viel zu tun. „Es gibt viele nervige Schlammblüter und der Rest ist nicht besser.“

Wieder lachte Rabastan. „Wenn das so ist, sollten wir uns schnell darum bemühen, mal wieder etwas Spannung in dein eintöniges Howgwartsleben zu bringen.“

Gespannt sah Barty ihn an. „Bist du heute allein hier?“, rutschte es aus ihm heraus, ehe er sich zurückhalten konnte.

„Wonach sieht es denn aus? Rodolphus liegt das Unterrichten nicht so und Bella hat einen wichtigen Auf-“ Rabastan unterbrach sich. Ihm schien erst jetzt klar zu werden, mit wem er da eigentlich sprach. „Die beiden sind beschäftigt. Und ich hab heute ein bisschen Zeit, also dachte ich mir, ich schau mal nach deinem Wohlbefinden.“

„Danke“, sagte Barty schlicht, wobei seine Augen unbemerkt zu leuchten begannen. „Womit fangen wir an?“, fragte er dann lerneifrig und sah erwartungsvoll zu Rabastan, der sich auf ein Sofa gelümmelt hatte.

„Anfangen?“, wiederholte Rabastan jedoch nur belustigt. „Setz dich erstmal hin, Kleiner.“

Etwas verwundert befolgte Barty die Anweisung und machte es sich auf einem Sessel bequem.

„Also pass auf“, fuhr Rabastan fort, „bevor wir loslegen, hast du hier erst einmal ein Buch, das dein Studium vielleicht etwas interessanter machen dürfte.“

Neugierig nahm Barty, ein schweres, in dunkles Leder gebundenes Buch entgegen. Ein silberner Totenkopf zierte die Schnalle, die die beiden Buchdeckel zusammen hielt. Vorsichtig strich Barty mit seinen Fingerspitzen die Runen entlang, die in den abgegriffenen Einband geprägt waren. Als Rabastan auf seinen fragenden Blick hin aufmunternd nickte, öffnete Barty das Buch. Sein Magen verkrampfte sich beim Anblick des verbotenen Wissens. Begierig überflog Barty das Inhaltsverzeichnis und begann in den pergamentenen Seiten zu blättern, als auf einmal ein schwarzer Umschlag heraus rutschte.

Überrascht klappte Barty das Buch wieder zu und griff nach dem Fund.

„Und das wäre eine Einladung, die du bekommen solltest“, kommentierte Rabastan, der mit einem amüsierten Lächeln beobachtete, wie Barty mit großen Augen auf seinen in silbernen Lettern geschriebenen Namen starrte. „Von den Malfoys. Nur die reinsten Zauberer sind zu ihrem Fest Ende diesen Jahres eingeladen.“

Hastig verstaute Barty seine Einladung ebenso wie das Buch in seine Tasche, um zu kaschieren, wie er vor Freude fast zitterte.

„Vielen Dank“, hauchte er. „Es … es ist mir eine große Freude. Ich werde selbstverständlich die Einladung annehmen!“

„Das musst du mir nicht sagen“, erwiderte Rabastan ungerührt. „Klär das mit den Malfoys ab und pass am besten auf, dass dein Alter davon nichts mitkriegt. Der wird wahrscheinlich ’ne Absage schicken, ehe er den kompletten Brief gelesen hat.“

Barty nickte düster. Das klang ganz nach seinem Vater - wenn er denn Zeit für so etwas hatte. „Ich werde das schon machen.“

„Gut“, meine Rabastan beschwingt, „dann lass uns den Rest der Zeit nutzen und noch ein bisschen was zaubern.“

Bartys Augen leuchteten auf. „Können wir den Imperius-Fluch üben?“, fragte er fast ehrfürchtig. Die leise Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn anschrie, wie falsch das Ganze war und dass es furchtbar leichtsinnig war, an diesem Ort die dunklen Künste zu gebrauchen, ignorierte er. Er brannte darauf sich zu verbessern. Und wer wusste schon, wann er wieder die Möglichkeit dazu hatte.
 

Tatsächlich zeigte sich sehr schnell, dass er gut daran tat, diesen Fluch zu üben.

„Warum kann das nicht so einfach wie der Cruciatus-Fluch sein?“, beschwerte sich Barty irgendwann, als Rabastan ihn zum wiederholten Male dazu gebracht hatte, irgendwelche lächerlichen Akrobatikübungen zu vollführen.

„Du klingst ja fast wie Bella“, meinte Rabastan belustigt. „Da sieht man, bei wem du … Unterricht … genossen hast…“ Seine letzten Worte wurden plötzlich immer leiser und ein merkwürdiger Ausdruck war in Rabastans Gesicht getreten.

Fragend sah Barty zu dem älteren Zauberer und beobachtete, wie dieser flüchtig nach dem Ärmel seiner Robe griff und ihn hochschob. Bartys Augen weiteten sich ehrfürchtig beim Anblick der pechschwarzen gewundenen Linien, die das dunkle Mal auf dem linken Unterarm bildeten. Er hatte es einmal kurz bei Regulus gesehen, der es jedoch vorzog, es so gut es ging zu verbergen. Selbst vor Barty.

„Ich muss los“, sagte Rabastan knapp. Jegliche Ausgelassenheit war von ihm abgefallen, während er eilig nach seinen Sachen griff.

Hastig tat Barty es ihm nach, in seinen Gedanken noch immer bei dem dunklen Mal, das er gerade gesehen hatte.

„Rabastan“, rutschte es aus Barty heraus, bevor sie wieder in die eisige Kälte treten würden. Ungeduldig sah der jüngste Lestrange ihn an. Barty war dabei, kostbare Zeit zu vergeuden, doch dass er überhaupt Gehör bekam, bestärkte ihn in seinem Anliegen. „Kannst du … kannst du in Erfahrung bringen, wann ich das nächste Mal wieder kommen kann?“

„Du meinst es wirklich ernst, oder?“

Barty nickte.

„Lies dir noch einmal Malfoys Einladung durch und setz dich mit denen in Kontakt.“ Ein seltsames Lächeln umspielte Rabastans Züge, dann trat er eilig in die kalte Winterluft, gefolgt von Barty. „Also dann, Kleiner, man sieht sich“, rief er und disapparierte.
 

Lieber Bartemius Crouch Junior,
 

hiermit sind Sie herzlichst zu unserer jährlichen Feierlichkeiten auf unserem bescheidenen Anwesen eingeladen. Wir bitten um baldige Zusage.
 

Lucius und Narzissa Malfoy
 

Lieber Bartemius Crouch Junior,
 

es ist sehr bedauerlich, dass Sie durch Ihre Familie an diesem Tag verhindert sind. Dennoch sind wir sehr über Ihren Wunsch erfreut, Ihre Familie bei uns vertreten zu wollen. Es ist alles Nötige arrangiert worden und es wäre uns eine Freude, Sie dafür am 28. Dezember in unserem Heim begrüßen zu dürfen.
 

Lucius und Narzissa Malfoy
 

Barty konnte nicht fassen, was er da las. Die Worte schienen sich in sein Gedächtnis eingebrannt zu haben, so oft hatte er sie bereits gelesen und doch haftete dem Ganzen noch immer etwas Unwirkliches an. Er war eingeladen worden. Trotz seiner Absage wünschte man seine Anwesenheit! Alles Nötige sei dafür arrangiert worden. Mit klopfendem Herzen vergewisserte sich Barty erneut, dass er sich nicht verlesen hatte. Was damit wohl gemeint war? Egal, was es war, Barty konnte nicht erwarten, es herauszufinden.
 

Zwei dunkle Gestalten apparierten in der weiten Schneelandschaft, die sich vor dem Anwesen der Malfoys erstreckte. Eilig zogen sie los, um die letzten Meter zu bewältigen und aus der eisigen Kälte zu kommen.

„Sind viele da?“, fragte Barty atemlos, während er ehrfürchtig auf das prachtvolle, steinerne Gemäuer sah, das sich vor ihm aus der Dunkelheit erhob.

Regulus murmelte etwas und das eiserne Tor öffnete sich für sie. „Viele wichtige Zauberer“, antwortete Regulus und blieb kurz stehen. „Mich überrascht es immer noch, dass du kommen solltest.“

„Warum?“, entgegnete Barty mit einem Anflug von Trotz. „Ich vertrete die Familie Crouch!“

Regulus schüttelte den Kopf. Eine weiße Atemwolke folgte dieser Bewegung, als er sein Auflachen zu unterdrücken versuchte. „Sei nicht so naiv. Die Festlichkeiten waren vor ein paar Tagen.“

Ein Kribbeln regte sich in Bartys Magengegend und er spürte ein Triumphgefühl in sich aufwallen. Also hatte er vielleicht recht mit seiner Vermutung. Es ging nicht bloß um eine traditionelle Familienfeier, sondern um mehr … Dennoch versuchte er sich zusammenzureißen und sich keine allzu falschen Hoffnungen zu machen.
 

Ein Hauself öffnete ihnen schließlich. Vorsichtig folgte Barty Regulus in die große Eingangshalle. „Wenn die Herren Dobby bitte folgen würden“, piepste der Elf mit einer ergebenen Verbeugung und lief voraus. Neugierig wanderte Bartys Blick durch die pompöse Halle, deren Boden aus teuerem Marmor zu bestehen schien und in der mehrere gewundene Säulen die Decke stützten. Sie stiegen eine große Treppe in den ersten Stock hinauf. Barty glaubte gedämpfte Stimmen zu hören und spitzte die Ohren in der Hoffnung, Worte heraus hören zu können. Gelächter mischte sich unter die lauter werdenden Stimmen. Dann hatten sie eine dunkle Holztür erreicht, die der Hauself mit einer weiteren Verbeugung für die beiden jungen Zauberer aufstieß.

Barty fühlte sich wie auf dem Präsentierteller. Sein Blick huschte verunsichert über die vielen unbekannten Gesichter, die auf die beiden Neuankömmlinge starrten, bis er auf einmal den vertrauten Anblick von Evan Rosier entdeckte, der ihm mit einem anerkennenden Lächeln zunickte.

„Regulus“, erklang eine klare Frauenstimme neben ihm, „und Bartemius, ich freue mich, dass ihr beide kommen konntet.“

Regulus schenkte seiner Cousine, die sofort auf sie zugeeilt kam, ein Lächeln, während Barty höflich die ihm dargebotene Hand nahm. „Die Freude ist ganz meinerseits“, sagte er, „danke für die Einladung.“

Ein Mann mit längeren hellblonden Haaren war neben Narzissa getreten. Barty erkannte sofort, dass es sich dabei um Lucius Malfoy, seinem Gastgeber, handelte. Er war ihm mehrere Male begegnet - einmal sogar in seinem eigenen Zuhause als sein Vater für wichtige Mitglieder des Zaubereiministerium ein Dinner gegeben hatte.

„Bartemius Crouch Junior“, sagte er kühl, „schön dass du kommen konntest.“

Barty nickte nur. Sein Vater konnte Malfoy nicht ausstehen, was auf Gegenseitigkeit beruhte und ein Blick in das arrogante Gesicht verriet Barty, dass Lucius ebenfalls nicht sonderlich viel von ihm zu halten schien. Grimmige Entschlossenheit wallte plötzlich in Barty auf. Ihm würde er es zeigen! Er war nicht sein Vater und genauso wenig würde er nutzlos sein.

Nach einem flüchtigen Austausch weiterer Höflichkeitsfloskeln schenkte Barty seine Aufmerksamkeit seiner Umgebung. Er befand sich in einem festlich hergerichteten Salon, in dem in Form von mehreren Sofas und Sesseln Sitzmöglichkeiten für die geladenen Gäste geboten wurden. Überall in dem großen Raum verteilt befanden sich auf Tischen und Kommoden kleine Buffets, an denen jeder nach Belieben zugreifen konnte.
 

„Ich hab dich schon lange nicht mehr gesehen, Barty. Was macht Hogwarts so?“, sagte auf einmal Evan Rosier, der sich zu ihm gesellt hatte. Mit einer Mischung aus Überraschung und Erleichterung wandte sich Barty dem ehemaligen Vertrauensschüler von Slytherin zu. „Ganz gut“, meinte er. „Ohne euch ist es irgendwie langweiliger geworden.“

Evan grinste. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dich heute Abend hier zu sehen. Hat Regulus dich etwa mitgeschleppt?“

„Ich wurde eingeladen“, erklärte Barty schlicht.

„Eingeladen?“ Evan zog überrascht die Augenbrauen hoch.

„Ja, warum auch nicht?“ Etwas verunsichert blickte Barty zu den anderen Gestalten, die sich in dem Raum verteilt hatten. Viele Gesichter kamen ihm vollkommen unbekannt vor, manche glaubte er schon einmal gesehen zu haben - wahrscheinlich im Tagespropheten - und andere, ganz wenige kannte er tatsächlich. Es kam ihm nichts daran falsch vor, heute an diesem Ort zu sein. Im Gegenteil es fühlte sich richtig an, es machte ihn wichtig. Er gehörte dazu.

Plötzlich hatte Rabastan ihn entdeckt und löste sich von dem Gespräch, das er gerade mit zwei Zauberern geführt hatte.

„Barty!“, rief er gut gelaunt. „Freut mich, dass du’s doch noch geschafft hast, ich hatte schon Sorge, dein Alter würde dir komplett einen Strich durch die Rechnung machen.“

Barty schnaubte verächtlich. „Der ist im Ministerium beschäftigt, dem wird nie im Leben auffallen, dass ich nicht da war und interessieren tut’s den auch nicht.“

„Das ist gut. Was hältst du übrigens von dem Buch, das ich dir gegeben habe…?“

Jegliche Anspannung war von Barty abgefallen. Unbeschwert vertiefte er sich in eine Unterhaltung mit Rabastan, Evan und Regulus über die dunklen Künste und bemerkte nicht mehr, wie sich die Zeit an ihm vorbei stahl und der Abend zur Nacht wurde.
 

Die schwere Wanduhr hatte zehn geschlagen, als plötzlich die Tür aufgestoßen wurde und Bellatrix Lestrange auf der Schwelle stand. „Die Party muss nun umziehen, alle herunterkommen!“, kommandierte sie herrisch.

Ein Gespräch nach dem anderen verstummte. Barty verfolgte, wie Narzissa zu ihrer Schwester eilte und ihr etwas zuflüsterte. Bellatrix’ knappe Antwort wischte den Ärger in Narzissas Gesicht augenblicklich weg. Sie schien blasser geworden zu sein und nickte bloß. Dann wandte sie sich mit neu aufgesetztem Hochmut an ihre Gäste: „Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, aber anscheinend haben wir heute noch einen Programmpunkt.“

Murmelnd verließen die Anwesenden den Salon, keiner schien zu wissen, was vor sich ging. Auch Regulus schüttelte auf Bartys fragenden Blick hin nur den Kopf. Erst als sie die Treppe erreicht hatten, fanden sie Antwort auf ihre Fragen.

Unten im Foyer standen drei dunkle Gestalten, alle in schwarze Roben gekleidet und einer silbernen Maske vor dem Gesicht. Zu ihren Füßen lag ein regungsloser Körper.

„Was…“, entfuhr es Barty unwillkürlich und er schluckte. Plötzlich wurde ihm flau im Magen. Er hatte mit vielem gerechnet, er hatte auf vieles gehofft, nicht jedoch auf das, was sich ihm darbot. Vorsichtig folgte er Regulus und Evan Rosier die Treppe hinunter, darauf bedacht, sich im Hintergrund zu halten. Stärker denn je fühlte er sich als Eindringling und wollte so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen. Doch seine Mühe war vergebens.

„Crouch“, sagte auf einmal eine dunkle Frauenstimme an seinem Ohr. „Du bist ja tatsächlich gekommen.“

Barty dreht sich langsam zu Bellatrix Lestrange um und schenkte ihr eins der selbstsichersten Lächeln, die er zustande bringen konnte.

„Warum hätte ich nicht kommen sollen?“, fragte er mit überraschend fester Stimme.

Bellatrix warf den Kopf in den Nacken und lachte. „Guter Junge“, lobte sie. „Gleich wirst du sehen warum.“ Ihre Augen flackerten und ihre schmalen Lippen zierte ein freudiges Grinsen. Dann hatte sie sich wieder abgewandt und zu den drei Gestalten gesellt, die erwartungsvoll der Eingangstür zugewandt waren. Die übrigen Gäste hatten einen Halbkreis um sie gebildet, in dem sich auch Barty befand und wie er zu seiner Beunruhigung feststellen musste, für alle gut zu sehen war.
 

Plötzlich zerriss ein lautes Knarren die Stille und Barty beobachtete, wie die große Tür aufschwang. Eine hochgewachsener Zauberer betrat erhabenen Schrittes das Foyer. Die Enden seiner langen schwarzen Robe flatterten im kalten Nachtwind, der durch die offene Tür herein blies und seine bleiche Haut schimmerte im schwachen Licht des Kronleuchters wächsern. Barty wusste sofort, wer da soeben das Anwesen der Malfoys betreten hatte, auch wenn er ihn nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte: Lord Voldemort.

Unwillkürlich tat er es den anderen Anwesenden nach und neigte leicht den Kopf, als der gefürchtete Zauberer zum Stehen kam und hinter ihm die Tür wieder ins Schloss gefallen war.

„Ich begrüße euch“, sprach er mit einer kalten, hohen Stimme leise. Er brauchte nicht lauter zu werden. Jedes einzelne Wort drang klar und deutlich durch die große Eingangshalle. „Es freut mich, dass ihr alle heute kommen konntet und ganz besonders freut es mich, dass der Abend von Erfolg gekrönt zu sein scheint.“

„Ja, mein Lord“, antwortete Bellatrix ohne Umschweif, trat einen Schritt aus der Reihe der anderen drei Todesser heraus und ging vor ihrem Herrn in die Knie. „Wir haben saubere und ordentliche Arbeit verrichtet. Ihr hättet diese Blutsverräter schreien hören sollen …“

„Sehr gut, Bellatrix, sehr gut“, sagte der Dunkle Lord, ohne eine Miene zu verziehen und bedeutete ihr mit einer kleinen Handbewegung, sich wieder zu erheben. „Und was haben wir hier?“

Der regungslose Körper begann auf einmal in die Höhe zu steigen. „Antonin, Rodolphus, Severus?“ Die drei Todesser hatten ihre Masken abgenommen und sahen nun zu ihrem Lord, während der Körper noch ein Stückchen höher schwebte, bis er knapp über ihren Köpfen war. Barty bemerkte, wie sich etwas in dem zerschundenen Gesicht der Frau regte. Ihre Augen weiteten sich erschrocken und rollten wild in ihren Höhlen. Aus ihrem aufgerissenen Mund drang jedoch kein Laut. Mit einem mulmigen Gefühl verfolgte er das Geschehen und versuchte unsichtbar zu werden.

„Ihr hattet doch nicht etwa…“, begann der Dunkle Lord mit einem Hauch gespielten Tadels in der Stimme, aber sofort lenkte Antonin Dolohow ein: „Natürlich nicht, mein Lord. Wir haben dafür gesorgt, dass alle die größten Schmerzen für ihren Verrat erleiden, bevor wir ihnen ihr unwürdiges Leben genommen haben.“

„Und warum sehe ich dann diesen Schmutzfleck über mir?“

„Mein Lord, das war meine Idee“, wandte Bellatrix ein. Ihre Augen glänzten fanatisch, während ihr Blick von der halbtoten Frau zu Lord Voldemort huschte. „Ich dachte an einen ganz bestimmten Weg, diese dreckige Blutsverräterin zu beseitigen.“

Und plötzlich umspielte auch die Züge des Dunklen Lords ein kleines grausames Lächeln. „Natürlich“, flüsterte er, „eine ausgezeichnete Idee.“
 

Der Dunkle Lord wirbelte herum, sodass er seine Anhänger einen nach dem anderen ansehen konnte. Barty erschauerte unwillkürlich, als ihn der Blick der katzenhaften Augen streifte.

„Wir haben heute einen Gast in unseren Reihen und wie ich mir habe sagen lassen, einen äußerst lerneifrigen Gast.“

Alles gefror in Barty zu Eis. Wie ein Tier in der Falle sah er zu Lord Voldemort, der sich just in diesem Moment zu ihm drehte und ihn direkt ansah. „Willkommen Bartemius Crouch Junior.“

Barty konnte nichts sagen. Sein Hals war trocken und gab seiner Stimme nicht den Hauch einer Chance Worte zu artikulieren. Und doch … und doch spürte er, wie es in seinen Mundwinkeln verräterisch zuckte. Sein Herz schlug schneller beim Anblick der flüchtigen einladenden Armbewegung des Dunklen Lords. Wie von selbst tätigten seine Füße einen Schritt vor den anderen auf seine Lehrmeisterin und Lord Voldemort zu.

Fragen überschwemmten sein Denken, kaum dass er stehen geblieben war. Was war nun von ihm erwartet? Was sollte er tun? Sollte er es wagen? Sollte er es sagen? Durfte er das? Einfach so? Sein Körper handelte jedoch ein weiteres Mal unabhängig von seinem Denken.

„Mein Lord“, brachte er mit heiserer Stimme hervor und verneigte sich.

Ein leichtes Nicken Voldemorts gab ihm zu verstehen, dass er richtig gehandelt hatte. Noch immer mit klopfendem Herzen richtete sich Barty wieder auf. Sein Blick folgte dem des Dunklen Lords zu Bellatrix und der namenlosen Frau.

„Ich habe gehört, dass du ein sehr begabter Schüler im Studium der Unverzeihlichen Flüche bist“, sprach Voldemort. „Ich möchte dir hier die Gelegenheit geben, dich zu beweisen.“

Barty schwante, was nun kommen würde. Vorsichtig tastete seine Hand nach seinem Zauberstab. Das Gefühl der glatten Oberfläche auf seinen Fingerspitzen schenkte ihm etwas Beruhigendes und erfüllte ihn mit Zuversicht. Er würde sich beweisen!

„Also Barty“, sagte da Bellatrix, „ich habe dir das hier extra mitgebracht, damit du endlich dazu kommen kannst, den Todesfluch auszuprobieren.“

Barty holte tief Luft und versuchte Ruhe zu bewahren. Angst, Zweifel und Euphorie waren fehl am Platz für diesen Moment. Alles, was er tun musste, war sich zu konzentrieren. Er kannte die Formel. Er hatte von ihr gehört und über sie gelesen. Zwei Worte, ein gezielter Schwenk mit seinem Zauberstab, dann würde er sich bewiesen haben. Dann hätte er jemanden getötet …

„Danke“, entgegnete er mit schwacher Stimme und heftete den Blick fest auf den schwebenden Körper. „Es ist mir eine Ehre.“

Langsam hob er den Zauberstab. Sein Kopf war leer, seine Haltung entschlossen.

„Avada Kedavra!“

Ein grüner Lichtblitz schoss aus der Spitze seines Zauberstabs und bohrte sich in die Frau. Sofort konnte Barty mitansehen, wie jegliches Leiden aus ihren Gesichtszügen zu einer Grimasse des Schmerz erstarrte. Ihr Blick war gebrochen, ihr Leben ausgehaucht.

Voller Genugtuung starrte er auf sein Werk, dann sah er zu Bellatrix. „Ausgezeichnet Junge!“, rief sie. „Du machst deiner Familie alle Ehre.“

Danach wagte es Barty sich Lord Voldemort zuzuwenden. Er spürte, wie sich der Triumph einen Weg in sein Gesicht suchte und rang damit, stattdessen ehrerbietig zu Boden zu sehen.

„Mein Lord“, wiederholte er in Ermanglung der richtigen Worte. Er hatte getan, was von ihm verlangt worden war. Und auch wenn ihm die Aufmerksamkeit gefiel, wusste er nicht damit umzugehen und fühlte sich unbehaglich bei den mehr als zwanzig Augenpaaren, die auf ihm ruhten.

„Ein sehr schöner Zauber für den Anfang ich hoffe, ich werde noch mehr solcher Art sehen.“

Damit war Barty entlassen. Wie im Traum, schien es ihm, wandelte er zurück zu seinem Platz neben Regulus. Alles war mit einem Mal so unwirklich. Er verfolgte, wie der Leichnam schließlich verbrannt wurde. Er nahm am Tisch Platz fern von Lord Voldemort, verlor sich in Gesprächen, lachte und versuchte noch immer zu begreifen, was geschehen war. Er fühlte sich trunken vor Glück. Vor Erfolg. Vor Triumph.
 

Barty erwachte aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Für einen kurzen Moment blieb er einfach liegen und genoss die Erinnerungen an vergangene Nacht, die allmählich wieder in ihm empor krochen. Der anstehende Tag schien so furchtbar bedeutungslos; wenn er gekonnt hätte, würde er sich einfach wieder aufmachen zu den Leuten, zu denen er sich zugehörig fühlte. Doch das musste warten.

In Gedanken war er noch immer bei seiner Begegnung mit dem Dunklen Lord, als er die Treppen hinunter lief. Erst im Flur, der ihn ins Wohnzimmer führte, wurde ihm bewusst, das es angebracht sein konnte, sich etwas zurückzuhalten. Würde es nicht Misstrauen erwecken, wenn er so voll guter Laune den Tag anfing?

Aber Bartys Grübeleien, beantwortete sich von selbst, kaum dass er das Wohnzimmer betreten hatte. Seine Eltern saßen am Tisch; vor ihnen lag der Tagesprophet ausgebreitet und beide schienen in eine ernste Diskussion vertieft.

„…nicht so weitergehen!“, beendete sein Vater gerade mit lauter Stimme seinen Satz, als seine Mutter das Eintreten ihres Sohns bemerkte.

„Guten Morgen, Barty“, sagte sie.

Barty erkannte sofort, dass etwas nicht stimmte. Der erzwungene unbekümmerte Tonfall seiner Mutter konnte ihn nicht trügen. Vorsichtig näherte er sich seinen Eltern und nahm am Kopfende des Tisches Platz.
 

Sein Vater sagte nichts. Das übermüdete Gesicht war zu einer wütenden Grimasse verzerrt. Tatsächlich deutete nichts darauf hin, dass er das Eintreten seines Sohns überhaupt zur Kenntnis genommen hatte.

„Guten Morgen“, sagte Barty in das Schweigen hinein. „Ist irgendetwas?“, fügte er hinzu, nachdem sich niemand dazu berufen gefühlt hatte, ihm zu antworten.

Sein Vater sah auf und musterte seinen Sohn, als handelte es sich bei ihm um irgendeinen lästigen Eindringling, der das Gespräch mit seiner Frau störte. „Deine Mutter und ich haben beschlossen, dass du heute Abend noch nach Hogwarts zurückfährst.“

„Was?“, entfuhr es Barty ungläubig. Fassungslos sah er zu seinen Eltern und versuchte zu begreifen, was gerade vor sich ging. „Aber … aber warum? Die Ferien sind doch noch gar nicht zu Ende. Ich will noch nicht zurück…“

„Ruhe“, schnauzte sein Vater ihn an. „Du fährst heute Abend zurück, verstanden? Das ist das Beste für dich.“

Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Ärger sah Barty zu seinem Vater. Was sollte das plötzlich? Er wollte noch nicht zurück! Er hatte mit Rabastan ausgemacht, dass sie sich vor seiner Rückkehr nach Hogwarts noch einmal treffen würden, aber das konnte er nicht, wenn er schon wieder auf diesem alten Schloss herumhocken musste.

„Wieso?“, war letztlich alles, das Barty herausbrachte.

„Es ist zu deiner Sicherheit“, erklärte da seine Mutter und beugte sich zu ihm, um verständnisvoll nach seiner Hand zu greifen. „Dein Vater und ich glauben, dass du auf Hogwarts am besten aufgehoben bist im Moment …“

Barty verstand die Welt nicht mehr. Verwirrt entzog er seine Hand wieder der fürsorglichen Berührung seiner Mutter und sah nach Antworten verlangend zu seinem Vater. Für den jedoch schien sich die Sache erledigt zu sein. Er hatte seinen Befehl gegeben und den musste Barty jetzt befolgen. Er hasste es! Er hasste es abgrundtief. Eines Tages, da würde er …

Plötzlich fiel Bartys Blick auf den Tagespropheten, der noch immer aufgeschlagen auf dem Tisch lag. Ehe seine Eltern eingreifen konnten, hatte er ihn sich geschnappt.

Grausame Morde erschüttern Zauberergesellschaft hieß es auf der Titelseite. Eigentlich musste Barty nicht mehr weiterlesen, um zu wissen, worum es ging, doch konnte er seine Augen nicht mehr von dem Artikel abwenden.
 

Um kurz vor elf fand gestern Nacht eine Gruppe von Auroren die Familie Davis tot in ihrem Zuhause auf, nachdem Meldung von einem grünen Mal das Ministerium ereilt hatte. Der Verbleib von der Mutter Eliza Davis ist noch unklar. Dennoch liegt die Vermutung nahe, dass auch sie Opfer des grausamen Angriffs war, wie Auror Alastor Moody bestätigte.

Die Familie Davis ist seit jeher für ihre Aufgeschlossenheit Muggeln gegenüber bekannt…
 

Mit blassem Gesicht sah Barty von dem Artikel auf.

„Wollt ihr mich deswegen zurück nach Hogwarts schicken?“, fragte er mit belegter Stimme. Er wollte nicht daran denken, dass er genauestens wusste, was aus dem Verbleib von Mrs Davis geworden war.

Seine Mutter nickte. „Es ist …“

„Es ist nicht sicherer“, unterbrach sie Barty und warf die Zeitung wieder zurück auf den Tisch. „Es ist nicht das erste Mal, dass diese Todesser irgendwen angreifen.“ Trotz und Verzweiflung schlich sich in seine Stimme. Er verstand nicht, warum auf einmal so ein großes Thema daraus gemacht wurde, wenn doch schon vorher ähnliche Vorfälle passiert waren.

„Bisher“, erwiderte sein Vater düster. „In den letzten Monaten ist dieses Pack immer gefährlicher geworden und das“, sein Vater deutete auf den Artikel, „treibt das Ganze auf die Spitze! Ich werde nicht mehr untätig dastehen und lesen, wie weitere Unschuldige ermordet werden!“

„Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte Barty vorsichtig.

„Barty, ich möchte dich in Sicherheit wissen. Dumbledore und das Zaubereiministerium arbeiten im Moment eng zusammen für weitere Schutzmaßnahmen. Außerdem siehst du so deine ganzen Freunde eher. Ich dachte, das gefällt dir, dann musst du niemanden mehr besuchen gehen“, erklärte seine Mutter. Tiefe Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben.
 

Nachdenklich sah Barty zu seinen Eltern und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Seine Euphorie war in sich zusammengefallen und hatte Wut und Angst Platz gemacht. Er wollte nicht daran denken, was passieren würde, wenn herauskam, was mit Eliza Davis passiert war. Genauso wenig wollte er akzeptieren, dass alles vorbei war, dass er schon wieder sein langweiliges Dasein auf Hogwarts antreten musste. Aber was hatte er für eine Wahl?

„In Ordnung“, brummte Barty schließlich. „Ich gehe dann mal packen.“

Missmutig erhob er sich und strebte den Weg Richtung Zimmer an. Im Flur blieb er jedoch noch einmal stehen, als er erneut die Stimmen seiner Eltern hörte.

„Ich kann immer noch nicht fassen, dass es ausgerechnet sie getroffen hat“, erklang die zittrige Stimme seiner Mutter. „Sie haben doch niemandem was getan!“

„Darum geht es diesen Reinblutfanatikern nicht“, antwortete sein Vater grimmig. „Es ist nur eine Frage der Zeit, da wird es weitere Opfer wie die Davis’ geben. Aber das werde ich verhindern. Und wenn ich dafür jeden Einzelnen dieser verdammten Todesser nach Askaban schleifen muss!“

„Ich hoffe, dass du das nicht tun musst, Liebling.“

„Wahrscheinlich wird mir keine andere Wahl bleiben“, antwortete Mr Crouch. „Ich werde jetzt erst einmal ins Ministerium gehen und mit Moody besprechen, wie wir weiter vorgehen werden. Vielleicht haben wir ja Glück und können immerhin noch Eliza finden. Kümmere du dich darum, dass Barty nach Hogwarts kommt, ja?“

Mit einem Schnauben befand Barty, dass er genug gehört hatte und wandte sich ab. Wie wichtig sich sein Vater fühlte! Wie er glaubte, alles unter Kontrolle zu haben. Alles … Ein finsteres Grinsen erschien in seinem Gesicht. Aber nicht mehr lange. Von nun an würde er dafür sorgen, dass ihm allmählich die Kontrolle entglitt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Rosalynna
2014-10-17T21:47:26+00:00 17.10.2014 23:47
Wow! Spannend bis zum Schluss!!!
Besonders die Stelle, an der sich Barty Jr. und Senior über das „Pack“ unterhalten.
Ich kann es kaum erwarten mehr von dir zur lesen. Weiter so! Und lass dich nicht entmutigen, falls du mal keine Kommentare auf deine Kapitel bekommst. Dein Schreibstil ist toll (Hab ich das vorher schon mal in einem Kommentar erwähnt?)
und du hast viel Fantasie :) Viel Glück bei allen weiteren FF's
Antwort von:  SweeneyLestrange
18.10.2014 11:56
Hallo,
vielen, vielen Dank für deine lieben Worte. Ich freue mich sehr, dass dir meine Fanfic gefallen hat.
Oh und das mit den Kommentaren finde ich voll lieb von dir anzusprechen. Ich werde mich davon auf keinen Fall entmutigen lassen - dafür liebe ich das Schreiben viel zu sehr <3
Danke jedenfalls für deine Kommentare! Es ist trotzdem schön zu lesen, dass man andere mit seinem Geschriebenen erfreuen konnte. Bis zum nächsten Mal vielleicht :) LG, Sweeney
Von:  CassiopeiaBlack
2014-10-10T05:49:31+00:00 10.10.2014 07:49
Da liege ich in meinem Bettchen und kann nicht mehr schlafen und was sehe ich? Dein neues Kapitel.
Ach, ich mag und liebe einfach wie du jeden Charakter seine tiefe und reife gibst, es ermuntert mein Harry Potter Fanherz immer wieder auf ein neues. Ich gebe offen zu, dass als Voldemort sprach ich sogar Gänsehaut verspürte.
Aber ganz besonder mag ich, wie du den Bruch zwischen Barty und Regulus schaffst, Regulus (ich gebe zu Regulus ist ein Charakter über den man einiges schreiben kann, aber niemals alles weiß) aber du, du hast ihm ein Profil gegeben wie es sonst nur J. K. Rowling geschafft hätte. Zum einen ist da Regulus; von dem nachwievor erwartet wird zu brellieren, gewisse Talente und Hingabe an den Tag zu Legen damit er dem Namen und der Familie Black alle Ehre erweist, nach dem sein misratener älterer Bruder und seine abtrünnige Cousine Schande über die Familie gebracht hat, steht Regulus unter enormen Leistungsdruck. Und dann, dann ist da Barty, Barty der Sohn aus ebenfalls guten Haus, einem fanatischen in die andere Richtung gelenkte Familie. Linentreu dem Zaubereiminesterium unterworfen. Barty der Musterschüler der das Verhalten an den Tag legt was man von einem anderen erwartet. Der es tatsächlich auf seine, auf ihn etwas unbeholfene Art geschafft hat seinen Namen zu profelieren ist an dem Ziel naha wo er immer hin wollte.
Ich muss gestehen, als Leser hat man ein wenig den eindruvk, dass dieses Kapitel das am "schwersten" zu lesende war, da einiges auf einmal passierte das wichtig für den gesamten Plot ist.
Regulus, verzweifelt darauf bedacht seinen Freund davor zu bewahren in einen Abgrund zu springen wo es kein Zurück mehr gibt.
Barty, begierig sich dem entgültig hinzugeben was sein Vater so Abgrund tief hasst und verabscheut, für dass Barty Croich sr sogar sein eigen Fleisch und Blut verleugnen wird.
Und eine Freubdschaft am Scheideweg, auf eine harte Probe gestellt. Nämlich weiter zu kämpfen oder einfach nachgeben (letztlich wissen wir, wie es ausging).
Nichts destso trotz möchte ich anmerken dass du das sehr, sehr gut geschrieben hast, sehr durchdacht hast und spannend aufgebaut hast.
Es macht richtig Spaß die FF auch ein zweites oder drittes Mal zu lesen. Ich freu mich auf den Epilog.
Antwort von:  SweeneyLestrange
10.10.2014 14:35
Da logge ich mich ein und finde sowas... Wow, vielen, lieben Dank für diesen langen, wunderschönen, ausführlichen Kommentar! Es freut mich total zu hören, dass meine Charakterinterpretation dein Harry Potter Fanherz ermuntern konnte. Und dass du bei Voldemort Gänsehaut hattest, ist das wohl beste Feedback, was ich erhalten kann, denn das war das erste Mal, das ich ihn geschrieben habe und ich hab mich da anfangs wirklich schwer getan. Mir war es wichtig, dass ich ihn aus Bartys Perspektive darstelle, also absolut erhaben und mächtig und so.
Danke <3 Der Bruch tat schon ein bisschen weh, weil ich die beiden und deren Freundschaft echt liebe! (Aber man weiß ja leider, was jeden von ihnen erwartet). An dieser Stelle muss ich RoyalFool erwähnen, die Regulus nicht nur cosplayt, sondern auch auf einem LARP spielt und das wirklich fantastisch. Ich glaube, ohne ihre Darstellung wäre der Charakter nie so greifbar für mich geworden und ich hab mich auch an ihrer Interpretation bedient, als ich hier Regulus geschrieben habe. Es freut mich aber, dass das Ganze so gut bei dir ankam :DD
Danke auch für die Anmerkung, dass das Kapitel das am "schwersten" zu lesende war. Ich denke es lag an den ganzen (unglücklichen) Zeitsprüngen. Beim nächsten Mal achte ich da etwas mehr drauf, es ansonsten vielleicht auch anders zu konzipieren (hier ging es ja eigentlich nur um die Unverzeihlichen Flüche, aber beim Fluch Avada Kedavra haben sich Plot und Charaktere dann absolut verselbstständigt... es war nie vorgesehen dass z.B. Voldemort auftaucht oder der Scheideweg von Barty und Regulus so im Mittelpunkt steht xD)
Vielen, vielen Dank noch einmal für deinen wundervollen Kommentar <33 Und zu hören, dass es sogar Spaß macht diese FF mehrmals zu lesen, ist wie Weihnachten, danke :DD
Wenn Animexx nicht wieder 4 Tage zum Freischalten braucht, sollte der Epilog am Sonntag oder Montag oben sein :3


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