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Einem fernen Tage

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Was bisher geschah...
Minoru und Takeru setzen den Weg in den Norden getrennt fort, um möglichst schnell voranzukommen. Komplett anzeigen

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verborgen liegt (neu)

Der Schlamm hatte eine dunkle, schwere Masse gebildet, die ihm bis an die Ellen reichte und das Fell über die Hälfte seines Rumpfes bedeckte. Allein der fortwährende Regen sorgte dafür, dass man unter all dem Dreck einen einstmals weißen Hund erkennen konnte – mit etwas Mühe jedenfalls.

Minoru warf einen Blick auf die lückenlose Decke dunkelgrauer Wolken über ihm und versuchte zum wiederholten Mal zu ergründen, ob er das Wetter nun verdammen oder lobpreisen sollte.

Die ersten Monate unter freiem Himmel hatten ihn gelehrt, dass Weiß keine Farbe war, die die Natur den Überlebenden zugedacht hatte. Weiß war für Behütete, für hübsche kleine Vögel in Metallkäfigen und für jene, die es sich leisten konnten, gesehen zu werden.

Kein Dickicht war tief und keine Neumondnacht finster genug, um blendendes Weiß zu schlucken. Abgesehen vom Schneefall im Winter konnte er den Rest des Jahres über jedwede Tarnung – ob nun für Jagd oder Flucht – geflissentlich in den Wind schlagen. Schlamm und Regen verwischten die Farben, stumpften die Konturen und Gerüche. Wenn ihn seine Gegner auch sahen, konnten sie ihn zumindest nicht gut wittern und seine Spuren verschwanden so wie er sie gesetzt hatte.

Wäre alles ganz wunderbar gewesen, wenn er nicht gerade selbst versucht hätte, einer Spur zu folgen. Takeru und er hatten sich vor zwei Tagen bei Sonnenaufgang getrennt. Seither hatte es nicht eine Minute aufgehört zu regnen und der Wind, der durch die Wälder peitschte und Gerüche von überall herantrug und wieder mitriss, als seien sie vorbeistreichende Gedanken, machte es umso schwerer auf dem Weg zu bleiben. Zum Glück war Takeru so geistesgegenwärtig gewesen, einige Sträucher zu touchieren und seine Witterung an den abgeknickten Ästen zu hinterlassen – zumindest hatte Minoru beschlossen, es als Absicht abzutun ehe er sich zum wiederholten Mal über die Sorglosigkeit des Wolfs ärgerte. Denn ungefährlich war diese Unternehmung mitnichten.

Allein der Vortag war ein einziges Desaster gewesen. Er hatte Stunden damit verbracht, einen schwer bewaffneten Yōkai loszuwerden, der abstoßenderweise an einen riesigen Hundertfüßer erinnert hatte. Dreimal so groß wie er, klackende Mundwerkzeuge lang wie Katana, und an jedem seiner Dutzend Beine scharfe Klauen. Er hatte nichts gegen Insekten, aber es gab Grenzen.

Erst am Nachmittag, nachdem er unter den eng stehenden Bäumen und Sträuchern umhergerannt war wie ein tollwütiger Hase, hatte er ihn an einem Bachlauf abschütteln können; war stromabwärts gelaufen und hatte sich in eine tiefe Schlammpfütze geworfen. Der Dämon war mit klirrender Rüstung an ihm vorübergezogen.

Es war ein Blindflug gewesen, der durchaus nach hinten hätte losgehen können. Minoru hatte keinen blassen Schimmer, wie gut die Nase eines Hundertfüßers arbeiten mochte, aber offensichtlich nicht gut genug, um ihn allein anhand seiner schwachen Aura ausfindig zu machen.

Als er nach dieser Begegnung Takerus Fährte endlich wiedergefunden hatte, war es Abend gewesen.

Unnötig verschwendete Stunden, die ihn am Folgetag nun einholten.

Es dämmerte bereits, als ihn die Spur des Wolfes an das Ufer des Mogami führte. Der Fluss, der ohnehin schon als einer der reißendsten des Landes galt, war zu einem sprudelnden, dunkelbraunen Monstrum angeschwollen, das sich wütend durch die Landschaft zog und ganze Bäume aus der aufgeweichten Uferzone riss. Er stand auf der überschwemmten Wiese, spürte den Sog an den Pfoten, das Gras, das sich stromabwärts neigte und sah zu wie der Fluss in seiner Mitte die mit sanften Grün behaftete Krone einer Buche rauschend verschluckte. Es hätte nicht höhnischer sein können, wenn diese Brühe ihm anschließend einen abgebrochenen Ast vor die Füße geworfen hätte. Minoru stellte schaudernd das Fell auf. Dass die Buche einige Meter flussabwärts wieder an die Oberfläche kam, beruhigte ihn nur wenig. Durch diesen Albtraum von einem Fluss war Takeru doch nicht ernsthaft geschwommen? Natürlich, der Wolf war manchmal ein wenig irrational und unvorsichtig, aber das?

Andererseits hatte er kaum andere Optionen. Flüsse mündeten bekanntlich ins Meer und dieser hier floss unmittelbar nach Westen. Den Westen zweimal zu durchqueren, um an der Küste einen hoffentlich breiten und flachen Mündungsbereich vorzufinden, war eine zu geringe Chance bei unverhältnismäßig hohem Risiko. Unweigerlich würden die Inu ihn dabei aufgreifen und auf eine Brücke der Menschen zu spekulieren, wenn das Wasser so weit übergetreten war, erschien auch nicht aussichtsreicher.

Minoru spielte mit der Zunge in seinem Maul herum, fuhr die scharfen Zahnreihen ab und studierte das gegenüberliegende Ufer. Vor ein paar Jahren hatte er mitangesehen, wie ein im Eis eingebrochener Makake elendig ersoffen war. Nun waren das Tiere und die gemeinhin empfindlicher, was Verletzungen und ähnliches anbelangte, aber er bezweifelte, dass eine Lunge voller Wasser mit dem Leben vereinbar war – Dämon hin oder her.

Ungeachtet der Überflutungszone war der eigentliche Fluss vielleicht hundert Meter breit. Hundert Meter, die er versuchen müsste über Wasser zu bleiben, während die Strömung in westwärts riss. Mehr, wenn er davon absah, unmittelbar auf das Ufer zuzuhalten, sondern mit dem Strom arbeitete.

Er sog die Luft tief in die Lungen bis sein Brustkorb sich merklich dehnte und spuckte sie förmlich wieder aus. Nun gut. Nur nicht die Nerven verlieren. Größtmögliche Besonnenheit im Angesicht absoluten Wahnsinns.

Er watete flussabwärts durch die überfluteten Wiesen – den Blick unentwegt auf die vorbeitreibenden Äste gerichtet. Wo sie verschwanden, wieder auftauchten, langsamer wurden. Nahe einer leichten Biegung zog das Wasser sie nach außen, von seinem Ufer weg und an das gegenüberliegende heran, wie die unumgängliche Schräglage nach abrupt geschlagenen Haken.

Minoru schüttelte den Regen aus dem Fell und begab sich stoischen Schrittes in die Fluten. Als ihm das Wasser über die Fesselgelenke stieg und an ihm zu reißen begann, ließ er sich von der Strömung tragen. In einer eisigen Umarmung umfasste sie seinen Körper, zog ihn mit. Das Wasser biss sich durch sein Fell. Es brauchte nicht einmal ein Drittel des Weges, bis die Unterwolle vollends durchnässt war und die Brühe unmittelbar über seine Haut fuhr – einem verheerenden Versprechen gleich. Er unterdrückte den Gedanken, dass das nicht nur das dümmste, sondern vermutlich auch letzte Wagnis in seinem Leben gewesen war und konzentrierte sich auf das Atmen und Schwimmen. Atmen und Schwimmen. Wie ein verdammtes Mantra. Stoisch schlugen seine Pfoten gegen das Wasser an, doch das durchweichte Fell machte es zusehends schwerer, den Kopf an der Oberfläche zu halten. Widerwillig besann er sich eines besseren und ließ die hinderliche Gestalt von sich abfallen. Ein Schaudern konnte er jedoch nicht unterdrücken. Das Gefühl dieses Körpers hatte etwas fremdes, entrückendes. Ohne Fell war das Wasser noch eisiger als zuvor, riss ihn seitlich und spülte über ihn hinweg. Prustend kam er wieder hoch, paddelte unbeholfen auf einen vorbeischwimmenden Baumstamm zu, bis er sich daran erinnerte, dass seine Arme auch Bewegungen nach außen vollbringen konnten. Sobald er an die Rinde heranreichte, rammte er die Klauen hinein und zog sich in die schwimmende Krone. Es war Jahre her, dass er zuletzt Finger besessen hatte! Fluchend wischte er sich das weiße Haar aus dem Gesicht und sortierte seine Gliedmaßen zwischen all den Ästen. Der Wind war beißend kalt und kühlte ihn bis auf die Knochen aus, während er sich nach dem Ufer umsah. Er hatte nicht bedacht, dass das Wasser die Form eines Hundes anders angreifen würde als eine menschliche, aber es hätte schlechter kommen können. Wenn der Stamm ihn gerammt hätte etwa. Falls er ausreichend Halt auf diesem verkappten Floß fand, konnte er in einem günstigen Moment vielleicht sogar fast bis zum Ufer springen oder sich sammeln und nach einer Pause -

Er stockte, als er in den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm, bemerkte, wie sich die Wasseroberfläche neben ihm in einer langen Linie heller färbte und deutlich kräuselte. Geistesgegenwärtig zog er noch die Beine aus dem Fluss und hielt sich im Geäst fest, bevor ein gewaltiger Körper aus dem Wasser emporstieß und sich über den Baumstamm warf.

Minoru riss einen Arm schützend vor das Gesicht. Holz splitterte und etwas rammte ihn frontal, schleuderte ihn durch die Baumkrone. Rücken, Arme und Seite krachten gegen die Äste, an einem schlug er sich die Stirn an und noch ehe das Wasser ihn tosend begrub, witterte er sein eigenes Blut. Kaum unter der Oberfläche umfing ihn eine kalte Masse und zog sich eng um seine Brust.

Blindlings versuchte Minoru dem Todesgriff zu entkommen, schlug nach dem Wesen und rutschte mit seinen Klauen über geschmeidige Schuppenhaut. Schlange! Zum Dank für diese Erkenntnis spannte die erneut ihre Muskeln. Minoru spürte wie seine Rippen bedenklich nach innen gequetscht wurden, den stechenden Schmerz, der daraufhin durch seinen Brustkorb schoss und biss die Zähne zusammen, um nicht auszuatmen. Verzweifelt kratzte er immer wieder vergebens über die makellose Haut des Reptils – bis er die Hände fest auflegte, die Klauen unter die Schuppen trieb und riss. Die Muskeln der Schlange zuckten, ihr Yōki flammte auf und schlug ihm wütend und heiß ins Gesicht. Dann zog sie sich erneut um ihn zusammen und quetschte ihm die Luft aus den Lungen. Das Letzte, was er verschwommen sah, war der Schemen eins dreiäugigen Schlangenschädels, der auf ihn zuschnellte – und eine dunkle Silhouette an ihrer Seite.
 

Die Grenze war schwächer bewacht als Takeru erwartet hatte. Er presste den Bauch flach an den Boden und legte selbst die Ohren an, um mit dem dunklen Geröll zu verschmelzen. Dann ließ er seinen Blick über die Landschaft wandern.

Schwächer, aber weitläufiger. Überall zwischen den Hügeln wanderten Pantherdämonen – aufrecht gehende Katzen, bekleidet mit Pelzen und bewaffnet bis an die Zähne. Es waren die typischen Angehörigen ihres Volkes. Die Begleitung gewöhnlicher Tiere, wie die Wölfe sie pflegten, war unter anderen Yōkai nicht üblich und die wenigen Pantherdämonen, die in der Lage waren, eine wirklich menschliche Erscheinungsform anzunehmen, konnte man an einer Hand abzählen. Damit war die wahre Macht dieses Stammes auf verschwindend wenige Personen begrenzt.

Als sie vor kaum mehr als tausend Jahren vom Festland übergesiedelt waren, um die brach liegenden Ländereien der Drachen zu beanspruchen, waren sie von vier hochrangigen Dämonengeschwistern und nur einem einzigen Daiyōkai angeführt worden – Tadahisa, einem dunkelbraunen, gehörnten Kater, hoch wie ein Wachturm, der sich selbst „Pantherkönig“ genannt hatte.

Seine Herrschaft war jedoch nicht von Dauer gewesen. Die Ältesten waren in ihren Erzählungen uneins, ob sich niemand die Mühe gemacht hatte, Tadahisa mitzuteilen, dass die Drachen mitnichten von allein ausgestorben waren oder ob der die Warnungen schlicht in den Wind geschlagen hatte.

Für das Ergebnis war es auch unerheblich: Der damalige Inu no Taishō hatte kurzen Prozess mit dem selbsternannten König gemacht, noch ehe der sich auf Honshū hätte heimisch fühlen können und die übrigen Invasoren in die östlichen Berge zurückgedrängt – darunter auch den Generalstab der Panther, bestehend aus den vier Geschwistern, die den Osten bis heute führten.

Dass keiner der vier hier zu sehen war, gab Takeru ein wenig Hoffnung. Angestrengt lauschte er in die Ferne, hoffte ein Heulen zu hören, um seine Familie auszumachen und wurde enttäuscht. Nichts. Auf allen Vieren schob er sich rückwärts, zurück in den Schutz der Felsen.

Ein Kampf war bei so vielen kleinen Einzelpatrouillen sinnlos, das sah sogar er ein. Er würde jedoch problemlos durch ihre Linien stürmen können. Allerdings erschienen die Panther zu entspannt, als dass dies die vorderste Front darstellen konnten. Ihre Nachlässigkeit würde ein Vorteil sein, aber selbst wenn er diese Linie durchbrach, würde dahinter mindestens eine weitere auf ihn warten – egal. Die Flussdurchquerung hatte an Nerven und Kraftreserven gezehrt. Aber er konnte sich keine langen Pausen leisten. Sie würden ihn wittern, sobald der Wind drehte und darauf konnte er unmöglich warten.

Takeru knurrte leise, für sich selbst, dann machte er Kehrt und lief einen Bogen um die Grenzwachen, die ihm am nächsten waren. Suchte den steilsten, unsichersten Weg, den er entdecken konnte und preschte gen Gipfel den Hang hinauf. Der lose Untergrund rutschte unter seinem Gewicht, doch das kümmerte ihn nicht. Er war schnell genug, um über den Schotter zu rennen, spürte den Wind um seine Pfoten wirbeln, der ihn vorantrieb.

Die überraschten Panther sahen ihm mit großen Augen nach als habe er den Verstand verloren, erst dann setzten sie sich in Bewegung, griffen zu ihren Bögen. Takeru ließ sein Yōki über das Geröll schlagen. Der aufkommende Windstoß fegte den Hang entlang und brachte seine Verfolger im Schotter zu Fall. Die eher spärliche Menge an Pfeilen, die auf ihn niederhagelte, gab ihm recht: Das hier war niemals die eigentliche Front. Vermutlich nur eine Wachposten, um die übrigen Kräfte nach Westen abzusichern. Für ihn war es ein Leichtes das Tempo noch einmal zu anzuziehen, sodass auch die Pfeile nichts als den Boden spickten.

Auf einem Bergkamm einige Kilometer nördlich hielt er inne. Hinter ihm nichts als die hereinbrechende Nacht. Die kalte, klare Luft des Nordens zog um seine Nase und brachte einen Hauch von Heimat mit sich. Takeru atmete tief durch und heftete seinen Blick auf die entfernten Gebirgsketten. Heimat. Wo er jeden Bachlauf kannte, jede Schlucht. Die Streifzüge mit seinen Eltern, Nächte voller Geschichten, reichlich Essen und warmen Feuern. Er schluckte schwer. So nah.
 

Seine zitternden Finger krallten sich tief in den steinigen Schlamm, während sich sein Innerstes zum wiederholten Mal nach außen kehrte. Schwallartig würgte er den halben Mogami hervor, hustete und erbrach noch mehr dunkelbraunes Flusswasser. Seine Kehle brannte. Der Kopf schwirrte und das Gefühl in seiner Brust war nicht mit Worten zu beschreiben. Mit schmerzverzerrtem Gesicht ließ sich Minoru ins Gras fallen und presste nach Luft schnappend eine Hand auf seine Rippen. Stimmen brandeten über ihn hinweg wie die Strömung.

„Unmöglich! Inakzeptabel! Ganz ausgeschlossen!“ Mit jedem Wort wurde der Ton schriller und es brauchte lange, bis Minoru begriff, dass Worte nur von Personen erzeugt werden konnten. Dass er nicht allein war.

„Spatzenhirne! Wir können nicht wegen eines toten Bauernwelpen umkehren! Was denkt ihr, was mein Herr tun wird? Alles Spatzenhirne! Vorwärts jetzt!“

„Aber Jaken-sama, der Junge-“

„RUHE!“

„- der atmet.“

Stille. Dann watschelnde Schritte auf feuchtem Grund. Wie eine fette Ente im Uferschlamm. Etwas stocherte unsanft an seinen schmerzenden Körper herum. Minoru zwang sich die Augen zu öffnen und nahm den Zwerg schemenhaft wahr, der über ihm lehnte und wiederholt einen Stab zwischen seine Rippen stieß. Mit Mühe brachte Minoru ein warnendes Knurren hervor, das er sogleich bereute, auch wenn das Männlein augenblicklich vor ihm zurückwich – nur um im nächsten Moment vor Wut zu schäumen: „Tölpel! Undankbarer Bengel! Wie kannst du es wagen das mächtige Heer des Westens mit deiner Nichtigkeit aufzuhalten? Schande über dich! Schande über dich und deine ganze Familie!“

Seine Stimme war eine Kakophonie quietschender Empörung, die in Minorus Kopf randalierte und ihm ein leises Stöhnen abrang, das sein Gegenüber als weiteren Anlass nahm, aus der Haut zu fahren. Hatte er Westen gesagt? Schleichend langsam kämpfte sich Minoru auf die Knie, krümmte sich zusammen, ehe er den Blick hob. Es dauerte einen Moment, bis er die Schar grüner, froschähnlicher Dämonen sah, die sich um ihn versammelt hatte. Das war das mächtige Heer des Westens? Ein Haufen Krötendämonen mit Lanzen und Messern? Wirklich? Beinahe wäre ihm ein Lachen entrutscht. Die gesamte Situation war so grotesk, so erbärmlich! Eine Armee von Kappas! Sein Vater hätte sich vor Lachen verschluckt. Das war genau sein Humor. Hoffentlich erwartete niemand deren Hilfe!

Da traf die Erkenntnis Minoru wie ein Schlag. Der Krieg. Er wandte den Kopf um, der ihn augenblicklich mit Schwindel strafte. Neben den Sternen am Firmament tanzten dutzende weitere über den Nachthimmel, der um ihn zu rotieren schien. Wie weit war er abgeschwemmt worden – und wohin? War er nördlich oder südlich des Flusses?

„...wo?“, fragte er den Kappa neben sich – verwirrt, wie fremdartig seine eigene Stimme klang. Er hatte einen Satz bilden wollen, aber aus irgendeinem Grund, gehorchte seine Zunge nicht. Nichts an diesem Körper war, wie es sein sollte, aber er konnte nicht den Finger darauf legen, was es war.

Das fortwährende Gezeter des Kappas drang nur in Bruchstücken zu ihm durch, während Minoru sich allmählich auf die Beine hievte und gleich ins Straucheln geriet.

Er machte einen Schritt nach vorn, offensichtlich in die falsche Richtung, denn kaum hatte er sich bewegt, fuhr der Stab auf seinen Kopf herab und streckte ihn auf dem morastigen Boden nieder. „Da ist Westen!“, keifte der Kappa und fuchtelte mit der Waffe vor seiner Nase herum, während er sich darüber ausließ, dass Minoru ihm nicht zugehört hatte. „Geh nach Hause, Kleiner! Ein Krieg ist nichts für Kinder und schon gar nichts für dich! Götter bewahret, dass dich jemand vermisst, aber ich habe keine Verwendung für dich!“

Sie wollten also doch zur Grenze. Der Inu no Taishō schickte eine Horde kleiner Kappa nach Norden um seine Grenze zu verteidigen. Vielleicht hatte seine Mutter recht gehabt und dieser Abschnitt des Landes war verfallen und zu nichts mehr zu gebrauchen.

„Jaken-sama“, hob eine andere quakige Stimme an und erneut näherten sich watschelnde Schritte. „Haltet Ihr es für weise gegenüber einem Fremden davon zu sprechen?“

Der Kappa mit dem Stab erstarrte augenblicklich, als erinnerte er sich da an eine Kleinigkeit, die sogar ihm die Sprache verschlug.

„Sesshōmaru-sama hat gesagt-“

Ich weiß, was er gesagt hat“, zischte Jaken wütend, dann schwieg er einen Moment, tappte mit den Füßchen im Wasser umher, ehe er Minoru mit Wucht in die Seite trat. „Hoch mit dir, Bursche!“ Er wedelte mit dem Stab nordwärts. „Du wirst dich für deine Unverfrorenheit verantworten!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Disclaimer:
Die Autorin rät grundlegend davon ab, in unbekannte Gewässer jedweder Art zu steigen - insbesondere jene mit starker Strömung. Verschiedene Verhaltensweisen gewisser Hauptcharaktere werden grundsätzlich nicht zur Nachahmung empfohlen. Komplett anzeigen

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