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Miraculous - New York

von

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„Raus aus den Federn, Langschläfer!“, platzte Sophie freudig an diesem äussert warmen Sonntagmorgen in das Studienzimmer ihrer Freundin. Die Zimmertür krachte dabei gegen den Wandschrank, was Marinette unsanft aus dem Schlaf holte.

„Kannst du mich nicht einmal am Sonntag ausschlafen lassen?“, meinte Marinette murrend, wobei sich ihre Begeisterung in Grenzen hielt. Denn dies war der sechste freie Tag in Folge, den Sophie sie ohne Rücksichtnahme bereits um sieben Uhr morgens weckte. Marinette weilte ihr drittes Wochenende in den Staaten und Sophie hatte jeden Samstag bzw. Sonntag eine äusserst gute Begründung gefunden, wie sie ihre Freundin wortwörtlich aus dem Bett werfen konnte.

„Bei dem Wetter? Ich bitte dich! Das muss man geniessen!“, grinste die Brünette, welche sich bereits in ihr Strandoutfit geschmissen hatte und die Vorhänge aufzog. Ihr Kopf wurde von einem weissen Strohhut geziert, welcher mit ihrem rosa Strandkleid harmonierte. Die Sonnenbrille verdeckte die graublauen Augen der Brünetten.

„Ich bitte dich. Es ist viel zu warm.“, todmüde liess Marinette sich wieder ins Bett fallen und zog sich das Kissen über den Kopf. Sie wollte einfach nur schlafen.

„Genau deswegen gehen wir ja auch an den Strand.“

„Und an welchen?“, kam es grummelnd unter dem Kissen hervor. Marinette wusste, wie gross New York war und die Menge an Stränden war nicht gerade übersichtlich. Dies hatte sie durch einige Recherchen einige Wochen vor ihrer Abreise festgestellt.

„Wir machen mit meinen Freunden den Brighton Beach unsicher!“, Sophie strahlte vor lauter Freude über das ganze Gesicht.

„Müssen wir wirklich schon so früh los?“, fragte die Schwarzhaarige erneut nach. Sie hatte aufgrund der schwülen Temperaturen den Nachmittag verschlafen und in den kühlen Abend- sowie Nachtstunden an ihren Designs gearbeitet.

„Hey! Wir haben mindestens eine Dreiviertelstunde bis zum Brighton Beach, wenn nicht sogar etwas länger. Was arbeitest du auch immer die Nacht durch?“

„Weil bei mir das Projekt an erster Stelle steht, nicht so wie bei dir!“, zog Marinette wütend ihren Kopf unter dem Kissen hervor. Sie hatte in den letzten Monaten, dank ihrem regen Schreibverkehr mit Sophie, gelernt, dass jene sich kurzzeitig für etwas begeistern konnte, ehe sie es wieder fallen liess. Sie war jemand, der für die Schule nie allzu viel lernen musste und die Zeit der Hausaufgaben in eventuelle Projekte investieren konnte. Die sie zum Zeitpunkt aber nicht hatte. Weswegen sie nun versuchte ihre Freizeit irgendwie anders zu gestalten. Was sie gerade wieder bewies.

„Wie wär’s denn, wenn du einfach mal deinen Schwimmkram sowie deinen Notizblock mitnimmst? Dann kannst du den Tag geniessen und nebenbei an deinem Projekt arbeiten, wenn du nicht zu müde bist!“, gab die Brünette zwinkernd von sich, ehe sie die Tür genauso geräuschvoll zuzog, wie sie diese geöffnet hatte. Marinette gab es ungern zu, aber sie musste Sophie Recht geben. Sie sollte den Tag geniessen. Schliesslich musste sie morgen wieder in die Schule und den ganzen Tag im Bett zu verbringen erschien ihr dann doch ein wenig zu langweilig. Aber so eilig hatte sie es dann doch nicht an den Strand zu kommen und blieb noch einige Minuten liegen. So bemerkte sie nicht, wie Sophie die Tür zu ihrem Zimmer leise einen Spalt breit öffnete.

„Ach ja…ich bin mir sicher ein gewisser blonder Student würde sich freuen, dich wieder zu sehen!“, liess sie Marinette flüsternd wissen. Diese Worte liessen Marinette hochschrecken. So schnell, dass sie beinahe aus dem Bett fiel. Es war eine Woche her, dass sie mit Adrien Arm in Arm unter dem Sternenhimmel im Central Park gesessen hatte.

„Den merke ich mir, für den Fall, dass du mal verschläfst!“, feixte die Brünette, wobei sie die Tür weiter öffnete. Marinette zögerte nicht und schmetterte ihrer Freundin das nächstbeste Kissen entgegen, was Sophie verhindern konnte, indem sie die Tür schloss. Das Wurfgeschoss prallte gegen das weisse Holz und fiel zu Boden. Noch etwas müde packte die Halbasiatin einen Bikini, ein Strandtuch, Sonnencrème, ein Lesebuch sowie ihren Notizblock inklusive Schreibutensilien in ihre Strandtasche. Leicht mürrisch ging sie zu der Tür und hob das Wurfgeschoss auf, platzierte es wieder auf ihrem Bett, um keine Sekunde später ins Badezimmer zu verschwinden.

 

„War es wirklich so schlimm aufzustehen?“, hänselte Sophie die Halbasiatin, als sie rund dreissig Minuten später auf die U-Bahn warteten. Es war inzwischen kurz vor acht. Die Sonne schien bereits seit zwei Stunden vom Himmel hinab und liess den Big Apple an einem dieser letzten Augusttage in der Sommerhitze schmoren. Die Schwarzhaarige starrte Sophie mit ihren hellblauen Augen an, als ob sie jemanden damit umbringen könnte. Die Brünette schluckte leer. Es war wohl doch keine so gute Idee gewesen, Marinette zu dieser frühen Stunde aufzuwecken. Nun durfte sie sich mit der schlechten Laune der Studentin herumschlagen, was sich nicht als Zuckerschlecken erwies.

 

„Warum zum Geier bist du jetzt denn schon wieder am Lernen? Hast du dich nicht erst gestern Abend eingeschlossen und hinter dem Computer verschanzt?“, wurde Adrien von seinen Mitbewohnern und Freunden, welche er unter der Bedingung, dass sie ihn ein wenig in die Bücher schauen liessen, zum Brighton Beach begleitete. Sie waren vor wenigen Minuten angekommen und wussten, dass noch einige Leute zu der Gruppe stossen würden. Es war abgesprochen, dass die den Platz reservierten und die Sonnenschirme aufstellten. Adrien wusste, dass Sophie das ganze inszeniert hatte. Allerdings fragte er sich, welchen Anlass es dafür gab, die ganze Clique zu versammeln. Es hätte gereicht, wenn nur ein Teil der Leute gekommen wäre. Aber nein. Nichts da. Selbst Rebecca, mit welcher er das ein oder andere mal aus war, damit sie ihn in Ruhe liess, war vor Ort. Was ihm nicht sonderlich gefiel. Denn diese war der Hauptgrund, weshalb ihn seine Freunde am Vorabend wortwörtlich weich klopfen mussten.

„Sagt mal, wann meinte Sophie nochmal, würde sie eintrudeln?“

„Gegen halb neun. Sie hat aber noch geschrieben, dass sie aufgrund ihrer Studienfreundin etwas später ankommt.“, gab eine Blondine von sich. Bei dem Wort Studienfreundin wurde Adrien stutzig. Das konnte nur Marinette sein. Brian, Adriens Mitbewohner, erkannte den verdutzten Blick seines Freundes sofort.

„Was denn? Bist du etwa neugierig? Ich habe dich doch letzte Woche mit diesem Mädchen im Café gesehen. Läuft da etwas?“, ärgerte Brian den Blonden. Der Dunkelhaarige war ein Jahr alter als er selbst und studierte ebenso am Brooklyn College. Wie Sophie gehörte er der Clique an und war froh, wenn er seinen jüngeren Mitbewohner mal aus der Wohnung raus bekam. Sophie hatte Brian gesagt, dass sie nur einen kleinen Teil der Clique da haben wollte. Dummerweise hatte es der Rest dann doch irgendwie mitbekommen und sich selbst eingeladen. Der WhatsApp Gruppenchat war am Vorabend von Nachrichten überflutet worden. Im wahrsten Sinne des Wortes. Augenblicklich lief Adrien rot an, als er an den gemeinsamen Abend mit der Halbasiatin zurück dachte.

„Was geht dich das an?!“, gab er ungehalten von sich.

„Sie ist nur eine alte Freundin. Wie oft muss ich dir das denn noch erklären?“, meinte Adrien mürrisch. Denn Brian und die anderen beiden Mitbewohner der WG ärgerten ihn schon seit dem letzten Wochenende mit diesem Thema.

„Ich würde sagen, so oft bis unser Brian es begriffen hat.“, grinste Sarah, welche die Nachricht von Sophies Verspätung vorhin übermittelt hatte.

„Also so, wie er sie angeschaut hat, ist er ziemlich in sie verschossen.“, grinste der Ältere. Aufgebracht schlug Adrien das Buch zu, über welchem er eben gesessen hatte und pfefferte es auf sein Strandtuch.

„Ich geh mich abkühlen!“, meinte er noch kurz, eher er zum Meer schritt und sich in die Wellen stürzte. Sein Mitbewohner schüttelte den Kopf. Es war mehr als eindeutig, dass der Blonde mehr für die Halbasiatin empfand, als er selbst wahrhaben wollte. Rebecca, die langes, rabenschwarzes Haar besass und einen knallroten Bikini trug, schritt auf Brian zu. Sie hatte das Gespräch genauestens mitangehört.

„Stimmt das, dass er eine Freundin hat?“, mit ihren dunkelbraunen, beinahe schwarzen Augen blickte sie ihr Gegenüber kritisch an.

„Keine Ahnung. Ich habe ihn letzte Woche mit jemandem gesehen und wenn du mich fragst, sah er ziemlich glücklich aus – auf jeden Fall glücklicher als zu der Zeit, als er mit dir aus war.“, spuckte Brian ohne grosse Umschweife die Wahrheit aus. Der Dunkelhaarige wandte sich ab und kümmerte sich um die Kühlung der mitgebrachten Getränke. Rebecca hingegen blickte verachtend auf das Meer hinaus, wo sie Adrien durch die Wellen kraulen sah. Sie würde noch rausfinden, wer ihrem Adrien das Herz gestohlen hatte. Mit Sicherheit. Das schwor sie sich.

 

Zu diesem Zeitpunkt stapften Sophie und Marinette durch den bereits leicht erwärmten Sand zu der Clique, welche sich ein geeignetes Plätzchen eingerichtet hatte.

„Sophie! Da seid ihr ja endlich!“, wurden die Neuankömmlinge freudig von Sarah begrüsst. Rebecca drehte sich leicht genervt um und wollte Sophie bereits begrüssen, als sie die schüchterne Halbasiatin hinter der Brünetten erblickte. Sogleich zog die Halbchinesin die Blicke von Rebecca auf sich. Die Amerikanerin in dem roten Zweiteiler schritt zielsicher auf den Neuling zu.

„Du bist also die Studienfreundin von Sophie, die das Praktikum gewonnen hat.“, kritisch beäugte sie ihr Gegenüber, welche ihr bis zu der Nasenspitze reichte. Marinette nickte stumm. Sie wollte es sich mit den Freunden von Sophie und Adrien nicht verderben. Schüchtern blickte die Halbasiatin zum sandigen Boden. Sie hoffte innerlich darin versinken zu können, ehe diese Tussi vor ihren Augen sie mit ihren bohrenden Blicken umbrachte. Sie sah nicht sonderlich erfreut aus. Marinette konnte sich nur schwer vorstellen, dass Adrien mit solch einer Frau befreundet war oder besser befreundet sein konnte. Sie gab es nur ungern zu, aber die Art wie ihr Gegenüber sie gerade betrachtete, passte ihr nicht. Die Halbchinesin kam sich vor wie Frischfleisch, das nur darauf wartete in den nächsten Sekunden von wilden Tieren zerfleischt zu werden.

„Ich dachte immer, Designer wären grösser – Menschen, die auf den ersten Blick aus der Menge herausstechen. Unglaublich, dass ein Mauerblümchen wie du, den Wettbewerb überhaupt gewinnen konnte.“, spottete sie mit einem fiesen Lachen, welches sie hinter ihrer linken Hand verbarg. Sie konnte es nicht fassen, dass jemand wie dieses unscheinbare Mädchen das Praktikum gewonnen hatte. Die nichts an sich hatte, ausser den himmelblauen Augen und ihrer chinesischen Herkunft. Denn auch sie hatte an diesem Wettbewerb teilgenommen. Ihre Unterlagen hatte sie jedoch postwendend wieder zurück erhalten, was sie immer noch nicht verdaut hatte.

„Was ist denn hier los?“, platze Adrien unwissend, klatschnass noch von seinem kleinen Ausflug in den Wellen, in die Unterhaltung. Er hatte Marinette und Sophie sofort gesehen, als sie ankamen. Sein Herz hatte einen Moment ausgesetzt, als er die Halbasiatin in dem lockeren Sommerkleid erblickte. Rebeccas Blicke den beiden gegenüber waren ihm nicht entgangen. Er kannte sie nur allzu gut und wusste, dass sie jede Gelegenheit nutzen würde um Marinette, die den Wettbewerb gewonnen hatte, zu Ärgern. Sie hatte ihm damals erzählt wie unsagbar traurig sie war, wegen ihrer Niederlage. Er erinnerte sich sogar daran, wie sich die Diva bei ihm ausgeweint hatte – was ihm einfach nur gegen den Strich gegangen war. Er wusste, dass sie kein Talent war, wie der Rest der Gruppe. Und doch hatte sie, gegen den Rat der Gruppe, beim Wettbewerb teilgenommen. Weil sie sich sicher war, dass sie nur gewinnen konnte.

 

Marinette erstarrte und ihr Herz schlug augenblicklich schneller, als sie Adrien sah, wie er klatschnass, in seinen schwarzen Badehosen, zwischen den Frauen stand. Ihr Mund wurde staubtrocken, sie schluckte leer. Innerlich verfluchte Marinette die Tatsache, dass Alya sie in sämtliche Marvel-Filme mitschleppte. Hätte sie die Realverfilmung von Thor nicht gekannt, wäre sie sich fast sicher gewesen, dass dieser vor ihr stehen musste. Sicherlich war Adrien eher schmächtig gebaut, sein Haar war um einiges kürzer und heller als das des Odinsons und doch erkannte sie ihn in diesem Augenblick kaum wieder. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken, nur schon wegen ihrer unzüchtigen Gedanken, als sie Adrien erblickte. Es war ja nicht so, dass er ihr Herz nicht schon die letzten paar Male hatte schneller schlagen lassen. Doch ihn in seinem Badeoutfit zu sehen, das gab der ganzen Geschichte nochmal eine neue Tiefe, die Marinette im Moment ziemlich unangenehm war.

„Adrien! Babe!“, säuselte Rebecca zuckersüss, was dem Angesprochenen eine hässliche Miene ins Gesicht zauberte. Marinette erstarrte. Die Art und Weise, wie Rebecca sich an Adrien ranschmiss, liess das Blut in ihren Adern gefrieren. Fragend, mit Angst in den Augen, blickte sie Adrien an, welcher ihr in den letzten Tagen ziemlich offensichtliche Avancen gemacht hatte. Rebecca wollte Adrien umarmen, doch schlug der Franzose ihre Hand weg.

„Was soll der Mist?! Wir hatten das geklärt, Rebecca!“, schnitt Adriens Stimme die Luft.

„Ich bin’s doch, deine Becca! Hast du das vergessen?!“, versuchte sie es erneut, wobei sie allerliebst klang und seinen Arm sanft packte. Als ob sie niemandem etwas zuleide tun konnte. Erbost riss Adrien sich von ihr los.

„Ich habe es dir schon einmal erklärt: Ich habe kein Interesse an einer Beziehung mit dir. Also hör auf damit. Bevor ich mich vergesse!“, gab der Blonde erzürnt von sich. Die eben noch fröhliche Maske Rebeccas wich einer wütenden Fratze.

„Glaubt ihr wirklich, dass dieses kleine Mauerblümchen den Wettbewerb fair gewonnen hat? Es ist doch mehr als offensichtlich, dass sie die Vorsitzenden bestochen hat. Sie kann niemals so gut sein wie ich. Niemand kann das!“, behauptete sie, ihre Stimme triefte vor Gift. Marinette glaubte ihren Ohren nicht.

„Was fällt dir ein, Rebecca?! Du hast noch nie einen Entwurf von Marinette gesehen. Also hör auf ihre Arbeit in den Dreck zu ziehen! Ausserdem bist du bei der Aufnahmeprüfung des Parsons hochgradig durchgefallen.“, erinnerte die Brünette ihr Gegenüber. Rebecca wollte etwas erwähnen, doch Adrien liess sie nicht weiter reden.

„Du irrst dich! Sie ist um Längen besser als du! Sie hat schon in der Mittelschule den einen oder anderen Wettbewerb für sich entschieden. Marinette würde niemals jemanden bestechen! Das hat sie nicht nötig, im Gegensatz zu dir!“, giftete der Blonde zurück. Er kannte Marinette schon einige Jahre und wusste, wie hart sie für ihren Traum arbeitete.

„Ach, so läuft das also. Sie ist die Person, die Brian vorhin erwähnt hat. Die Person mit der du glücklich bist. Schon klar. Wie konnte ich so blind sein?!“, eingeschnappt packte sie ihre Badesachen zusammen und stapfte hochnäsig davon. Adrien raufte sich innerlich die Haare.

„Alter. Jetzt wird mir klar, weswegen du mit ihr ausgegangen bist. Mein Beileid.“, legte Brian dem Blonden beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. Dieser setzte nur einen beleidigten Blick auf und schob die Hand seines Kumpels weg. Sophie schüttelte ab Rebeccas Szenerie nur den Kopf, wogegen Marinette ihr verstört hinterher blickte.

 

„Ich geh nochmal ins Wasser. Kommt jemand mit?“, fragte Adrien in die Gruppe und war bereits weg, ehe ihm jemand antworten konnte. Verwirrt schaute Marinette ihm nach, wie er ins Wasser sprintete. Nach Atem ringend, erschöpft vom Schwimmen, tauchte er nach einer Weile wieder auf. Er schwamm wieder in Richtung Strand, damit er wieder Boden unter den Füssen hatte. Wie er zum Stehen kam, sah er Marinette, welche in ihrem dunkelblauen Bikini auf ihn zukam. Sie hatte sich in der Zwischenzeit mit Sophie zu den Umkleidekabinen begeben. Die Schwarzhaarige wollte schnellstens zu ihm. Sie sah, wie aufgewühlt er von der Situation eben war. Doch als sie zum Wasser ging, kam ihr der Blonde aus den Wellen entgegen. Sein Augenmerk fiel auf ihre Badekleidung, welche ihrer schlanken Figur schmeichelte. Ihre Beine wirkten dank dem Unterteil um einiges Länger, als sie eigentlich waren.

 

„Ist bei dir alles in Ordnung?“

„Ja, alles klar.“, meinte sie.

„Findest du das ok, dass sie dich so runter gemacht hat?“

„Nein. Natürlich nicht. Aber ich war einfach so platt, dass ich nicht wusste, was ich ihr gegenüber sagen sollte. Und ich dachte wirklich, hier gäbe es niemanden der so schlimm ist wie Chloé.“

„Mir wären zwei Chloés immer noch lieber als eine Rebecca.“, meinte Adrien. Sie wusste, was er damit meinte. Mit Chloé konnte jeder von Ihnen fertig werden. In den letzten Jahren hatte sich Marinette sogar ein wenig mit ihr angefreundet, auch weil Chloé nach der Abwahl ihres Vaters als Stadtpräsident stark hatte zurückstecken müssen.

„Ist das nicht ein wenig zu Hart?“

„Ich glaube kaum.“

 

Eine unangenehme Stille entstand zwischen den beiden, bis Marinette schliesslich als Erste wieder ihre Stimme fand: „Was war denn vorher los?“

„Entschuldige. Aber sie hat mir mit ihren Avancen den letzten Nerv geraubt. Also habe ich mich mit ihr verabredet, damit wir das in Ruhe klären können. Dummerweise ist sie mir jedes Mal ins Wort gefallen und wollte mich unbedingt nochmal treffen.“

„Du hast nachgegeben?“

„Ja. Weil ich einfach meine Ruhe haben wollte. Du hast ja gesehen, wie sie sein kann.“

„Und dann?“

„Ich habe sie beim Treffpunkt stehen lassen und ihr klipp und klar gesagt, dass ich nichts von ihr will. Aber anscheinend hat sie das immer noch nicht kapiert.“ Marinette nickte. Es war gut zu wissen, dass er nichts für Rebecca empfand. Schüchtern blickte sie zu Boden. Sie traute sich nicht, dem Blonden in die Augen zu sehen. Weil sie nicht wusste, wie sie dann reagieren würde. Insbesondere nach den Worten, welche Rebecca laut vor der Gruppe ausgesprochen hatte. Das Adrien mit ihr glücklich wäre. Worte, die nicht wirklich zu ihr durchdringen wollten.

„Mit dem was Rebecca vorhin gesagt hat, hat sie nicht ganz Unrecht.“, meinte er, wobei er Marinette direkt in die himmelblauen Augen schaute, welche ihn magisch anzogen. Er trat einen Schritt näher an sie heran. Aufmerksam blickte die Halbasiatin zu ihm hinauf.

„Ich bin glücklich darüber, dass du hier bist und dass ich Zeit mit dir verbringen kann. Ich will mir das nicht zerstören lassen. Von niemandem, aber auch von gar niemandem.“, flüsterte er, wobei er ihre Hände an seinen Mund führte und sie sanft küsste. Diese Worte liessen Marinette hochrot anlaufen. Sie gab es ungern zu, aber sie mochte es, wenn er so mit ihr flirtete. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Sie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass er ihr so offensichtlich Avancen machte.

„Du unverbesserlicher Charmeur!“, zog sie empört die Hand weg und spielte die Beleidigte. Sie verschränkte die Arme und kehrte ihm den Rücken zu.

„Habe ich…“, Adrien wollte sie fragen, ob er einen Fehler gemacht hatte. Doch noch bevor er den Satz zu Ende sprechen und ihr eine Hand auf die Schulter legen konnte, drehte sich die Halbasiatin um und rannte ins Meer. Dort blieb sie einige Meter von ihm entfernt, im Knietiefen Wasser, stehen. Frech lächelnd drehte sie sich zu ihm um. Der Blonde kam nicht umhin zu schmunzeln. Er fragte sich, was wohl hinter ihrer engelsgleichen Fassade vorging. Langsam ging er einige Schritte auf sie zu. Ein Fehler, wie er bemerken sollte. Denn die Halbasiatin spritze ihm sogleich eine Ladung Meerwasser ins Gesicht.

„Was?!“, verdattert blickte er Marinette hinterher, welche weiter ins Wasser ging und sich kraulend in die Wellen schwang. Sie drehte sich um, wo sie Adrien mit einem leicht schiefen Schmunzeln im Gesicht erkannte.

„Na warte!“, schrie er spasseshalber und hechtete ihr hinterher. Die Schwarzhaarige tauchte kurz ab um einige Meter weiter den Kopf wieder aus dem Wasser zu strecken. Wo sie aufgrund ihrer geringen Körpergrösse noch knapp stehen konnte. Er tauchte direkt neben ihr wieder auf.

„Ich dachte, du wärst schneller.“, stachelte sie ihn an.

„Du willst wohl einen Wettkampf?“, grinste er.

„Wenn du es so auslegst, ja.“

„Dir ist schon klar, dass ich den Gewinne.“

„Ich wäre mir da nicht so sicher wie du.“

„Dann bis zu den Sicherheitsmarkierungen. Falls du da überhaupt noch stehen kannst.“

„Du tust gerade so, als ob du ein Riese wärst.“

„Gegen dich doch immer.“, ärgerte er sie, ehe er losschwamm.

„Hey! Warte gefälligst!“, brüllte sie und schwamm ihm sogleich hinterher. Innert kürzester Zeit erreichten die zwei die Sicherheitsmarkierung. Marinette erreichte die Ziellinie ganz kurz nach Adrien, wie jener dort aufgetaucht war. Sie hielt sich an seinem Arm fest, als sie schliesslich auftauchte und ihre Fransen aus dem Gesicht strich.

„Da war ich wohl ein wenig schneller.“, grinste er. Erneut wurde er von ihren blauen Augen, die ihn so sehr an den weiten Himmel oder das Blau der See erinnerten, gefesselt.

„Du warst überhaupt nicht schneller! Ich wäre vor dir hier gewesen, wenn wir gleichzeitig losgeschwommen wären.“, schlug sie ihm spasseshalber leicht auf den Arm. Adrien legte seine Arme um sie, so dass sie für einen Moment nicht mehr mit ihren Füssen paddeln musste, damit sie ein wenig ruhen konnte. Marinette legte ihre Arme um seinen Nacken und blickte in seine grünen Augen, welche sie jedes Mal an einen hell leuchtenden Smaragd erinnerten.

„Das war nicht fair.“, gab sie leicht grummelnd von sich, wobei sie eine Schnute zog. Was Adrien schelmisch grinsen liess.

„Ich will eine Revanche und dieses Mal schwimmen gleichzeitig los.“, forderte sie.

„Nun, wenn du das wünscht, werde ich das befolgen.“, flüsterte er.

„Sicher?“, sie traute ihm noch nicht ganz. Er nickte. Adrien liess Marinette los, worauf die beiden, auf das Signal der Schwarzhaarigen, gleichzeitig wieder zum Strand schwammen. Wenige Minuten später tauchte Marinette wieder beim Strand auf. Sie watete durch das Wasser, bis schliesslich nur noch ihre Knie davon umgeben waren. Verwirrt blickte sie sich um. Der Blonde hatte sie überholt und war trotzdem nicht zu sehen. Er war, nachdem er sie eingeholt hatte, absichtlich zurück gefallen. Amüsiert beobachtete er aus dem tieferen Wasser, wie Marinette die Wellen nach ihm absuchte. Doch jedes Mal wenn ihre Augen drohten ihn zu erfassen, tauchte er ab und näherte sich ihr Stück für Stück. Schliesslich tauchte er hinter ihr auf, ging direkt auf sie zu. Die Schwarzhaarige hatte ihren Blick zu ihren Freunden gerichtet, wo sie Adrien auch nicht sehen konnte. Wo er wohl hin sein mochte? Nachdenklich legte sie die Stirn in Falten, stützte ihr Kinn auf ihre Faust, deren Ellenbogen wiederum von ihrer anderen Hand gehalten wurde. Dies nutzte Adrien aus. Schnell schlang er seine Arme um ihre Hüfte und hievte die Halbasiatin, welche vor Schreck wie ein Ferkel quiekte, in die Luft und drehte sich mit ihr im Kreise. Sie wusste sofort, wer sich da einen Scherz mit ihr erlaubte. Als Adrien sie unweit des Wassers wieder absetzte, wollte sie sich bereits losreissen. Was der Blonde nicht zuliess. Immer noch lagen seine Arme um ihre Taille, hatten sie fest an sich gedrückt.

„Bleib einfach einen Moment stehen, bitte.“, flüsterte er, sein Kinn auf ihrer Schulter abgesetzt. Marinette konnte seinen Atem an ihrem Ohr hören, fühlte wie das Wasser von seinem Kinn ihre Schulter hinab lief. Sie blickte dahin, wo sie seinen Kopf spürte und sah direkt in seine Augen, welche sich für einige Momente auf der gleichen Höhe befanden wie die ihrigen.

„Adrien…was wird das?“, sie fühlte, wie er ihren Duft einsog.

„Lass uns noch nicht zu den anderen zurückgehen. Ich möchte noch ein wenig mit dir alleine sein.“, flüsterte er. Automatisch lief die Halbasiatin wieder rot an. Was aber aufgrund der vorhergehenden Anstrengung kaum sichtbar war. Der Gedanke, alleine Zeit mit Adrien hier am Strand zu verbringen, reizte sie ungemein. Sie begann sich schon wieder Bilder einer möglichen Zukunft auszumalen, als ihr Verstand sie davon loseiste. Abrupt entriss sie sich seiner Zärtlichkeit und drehte sich um. Wobei sie seine Hände in die ihrigen nahm.

„Es ist nicht so, dass ich nicht gerne ein wenig mit dir alleine wäre. Aber im Moment kommt mir das einfach falsch vor.“

„Falsch?“ Sogleich erkannte sie den verdutzten Blick in Adriens Gesicht.

„Ich möchte mich einfach mehr auf das Lernen und das Praktikum konzentrieren. Ich weiss nicht, wie lange ich in New York sein werde. Ich bin jetzt auch nur hier am Strand, weil Sophie mich mitgeschleppt hat. Und weil sie gesagt hat, dass du da sein wirst.“, meinte sie, den Kopf dem Sand zugewandt. Ihre Wangen hatten einen sanften Rotton angenommen. Adrien horchte ihren Worten. Er verstand, dass sie sich auf ihre Karriere konzentrieren wollte. Doch die Tatsache, dass sie wegen ihm hier war, liess ihn alles in einem anderen Licht sehen. Sie hatte Sehnsucht nach ihm. Genauso wie er sich nach ihr sehnte.

„Ich will einfach nicht, dass…“, Marinette wollte noch etwas anhängen. Sie wollte nicht, dass sich hier etwas entwickelte. Etwas, das sie nicht kontrollieren konnte. Eine Beziehung, die ausartete und schliesslich dann doch auf zwei Kontinenten gelebt wurde. Weil sie sich vorgenommen hatte, nicht Teil einer solchen Beziehung zu sein. Aber Adrien legte ihr einen Finger auf die Lippen, wollte sie nicht weiter sprechen lassen. Sie erkannte in seinen Augen, dass er etwas anderes wollte, ihre Entscheidung aber akzeptierte. Oder vielleicht doch nicht so ganz, wie sie feststellen musste. Denn keine Sekunde später hatte der Blonde sie wieder in die Arme geschlossen und sein Kinn auf ihrem Haupt deponiert. Unmerklich kuschelte sich die Schwarzhaarige an ihn, erwiderte seine Umarmung, was das Herz des einstigen Katzenjungen schneller schlagen liess. Geniesserisch und ebenso unmerklich schloss sie die Augen und wollte einfach einen Moment abschalten, nur noch das Rauschen des Meeres und die Schreie der Möwen wahrnehmen. Doch war es etwas anderes, was sie neben diesen beiden Geräuschen und dem Stimmengewirr der Strandbesucher hören konnte. Es war Adriens Herz, welches gleichmässig unter seiner Brust schlug. Sie kuschelte sich näher an ihn, was den Blutdruck des Blonden emporschnellen liess. Er erwiderte ihre Tat, hielt sie noch fester in seinen Armen, fest entschlossen, sie niemals loszulassen.   

„Was glaubst du eigentlich, was die anderen Denken, wenn die uns hier so sehen?“, fragte sie nach einigen Minuten der Stille. Es kam ihr vor, als ob es nichts anderes gäbe ausser ihr und dem Mann ihrer Träume.

„Sicherlich nicht, dass wir etwas miteinander haben.“, erneut erblickte sie das Cat Noir Grinsen, wie sie es nannte, in Adriens Gesicht.

„Klar. Das glaubst auch nur du.“, gab sie keck zurück. Sie würde sich von seinen dummen Sprüchen nicht unterbuttern lassen. Selbst wenn es Adrien war, der hier vor hier stand und nicht Cat Noir.

„Macht dir das denn nichts aus, wenn die das denken?“

„Nein. Für mich gibt es sowieso nur dich.“, konnte sie wieder das anzügliche Lächeln in seinem Gesicht sehen. Augenblicklich lief Marinette rot an. Sofort war der Mut, den sie für ihren vorhergehenden Spruch aufgebracht hatte, verflogen. Was den Blonden erstaunte.

„Hab ich was falsches gesagt, dass du so still bist?“, verwundert blickte er die Schwarzhaarige an, welche immer noch in seinen Armen lag. Er dachte, dass sie wieder einen Spruch wie vorher vom Stapel lassen würde. Aber nichts da. Auf seine Frage hin schüttelte sie stumm den Kopf. Die Vorstellung, dass sie die einzige für Adrien war, hatte sie kurz und bündig auf Wolke sieben katapultiert. Wenn nicht sogar höher.

 

„Lass uns zurück gehen.“, meinte Adrien nach einer Weile. Die junge Frau in seinen Armen nickte stumm. Was dem Designersohn reichlich komisch vorkam.

„Ist bei dir wirklich alles in Ordnung?“, besorgt musterte er sie, als sich die beiden nebeneinander auf ihren Strandtüchern bei der Clique unter den Schirmen, niederliessen. Marinette nickte nur. Sie traute sich nicht ihm in die Augen zu sehen. Sie wusste genau, dass ihre Fantasie ansonsten mit ihr durchging.

„Kannst du mir bitte ein Wasser reichen?“, versuchte Adrien das Gespräch wieder aufzunehmen, als die Clique Minuten später im Meer verschwunden war und dort ein Ballspiel betrieb. Adrien und Marinette waren zurück geblieben. Immer noch wortlos griff die Halbasiatin zu der Kühlbox und reichte dem Blonden das gewünschte. Doch immer noch blickte sie ihn nicht an. Adrien gefiel das nicht. Seit sie vorhin zu dem Liegeplatz zurückgekehrt waren, verhielt sich Marinette anders als sonst. Er wollte wissen, was los war.

Marinette liess ihren Blick zum Meer schweifen, wo die anderen sich im hüfthohen Wasser einen mit Luft gefüllten Ball zuwarfen. Sie überlegte, ob sie sich dem Spiel anschliessen sollte, als Adrien sanft nach ihrer Hand griff. Sie blickte zu ihm. Erneut kamen ihr wieder seine Worte von vorhin in den Sinn und sie wollte den Blick abwenden.

„Habe ich einen Fehler gemacht?“, fragte er sie gerade heraus.

„Fehler?“, verständnislos blickte Marinette ihn an.

„Seit wir zurück aus dem Wasser sind, weichst du meinem Blick aus. Ich bin nicht blind, Mari. Bitte, sag mir was ich falsch gemacht habe.“ Ein lautes, herzhaftes Lachen erklang aus ihrer Kehle. Verdattert schaute Adrien zu ihr.

„Du hast keinen Fehler gemacht.“, gab sie von sich, nachdem sie ihre Lachattacke, welche ein paar Tränen zur Folge hatte, überwunden hatte. Immer noch erstaunt blickte Adrien sie an. „Ich verstehe nicht ganz.“

„Naja, deine Worte vorhin. Ich weiss nicht, wie ich das sagen soll…“, schüchtern strich sie sich eine der losen Haarsträhnen hinter das Ohr. Immerhin hatte er ihr indirekt gesagt, dass er sie mochte. Vielleicht sogar mehr als das.

„Du hast mich da an etwas denken lassen und ich weiss, wie schnell ich mit meinen Gedanken übertreiben kann. Das war eigentlich der Grund, weshalb ich dir lieber nicht in die Augen sehen wollte. Weil ich ansonsten nur noch daran denken würde.“, meinte sie, wobei sie rot wurde. Ihre Worte liessen ihn neugierig werden.

„Und was war das?“

„Das verrate ich dir lieber nicht. Ansonsten hältst du mich noch für gestört oder total durchgeknallt.“

„Hey. Ich habe mir damals auch Animes angekuckt und niemand hat mich für durchgeknallt gehalten und bis heute, habe ich nie was von deinen durchgeknallten Fantasien mitbekommen. Also, sag schon.“, forderte er sie auf. Marinette überlegte einige Momente, ob sie es ihm wirklich sagen sollte. Doch schüttelte sie stur den Kopf.

„Jetzt sag schon. Das ist doch kein Weltuntergang.“

„Für dich vielleicht nicht. Aber für mich. Spätestens in dem Moment wo du dich totlachst.“, gab sie patzig von sich. Mit hochgezogener Augenbraue blickte Adrien sie an. Er wollte wissen, was sie damit meinte.

„Ich verstehe wirklich nicht, weshalb ich mich ab eine deiner Ideen zu Tode lachen sollte. Ich habe dich schon immer bewundert. Besonders für dein Talent was das Designen angeht. Aber ich nehme an, wenn du es nicht sagen willst, hat es wohl eher nichts damit zu tun.“, begann er zu sinnieren.

„Naja, irgendwie schon.“, meinte Marinette mit hochrotem Kopf, ehe sie in ihrer Tasche herumwühlte und Notizblock hervorzog. Sie öffnete den Notizblock, nahm sich das Bleistift und begann etwas zu skizzieren. Er rutschte etwas näher zu ihr. Neugierig blickte Adrien ihr über die Schultern. Strich für Strich nahm die Zeichnung immer mehr Gestalt an. Langsam aber sicher konnte der Blonde ein Kleid in den Strichen entdecken. Es war kein normales Kleid. Nein. Es war Bodenlang, eng anliegend, mit Herz Dekolleté, Handschuhen und einem Schleier. Er kam nicht umhin, sich Marinette in einem solchen Kleid vorzustellen. Wie ihm dieses Bild durch den Kopf schoss, wandte er sich, mit hochrotem Kopf, von der Schwarzhaarigen ab. Enttäuscht legte sie den Notizblock zur Seite. Das war eine dumme Idee gewesen.

„Du findest es blöde, oder?“

„Nein, das ist es nicht. Ich hätte nur nicht gedacht, dass dir gerade das durch den Kopf geht.“, gab er schüchtern von sich. Kurz blickte er zu Marinette hinüber. Sie war wunderhübsch und bestimmt würde sie eines Tages in einem solchen Kleid vor den Altar treten. Sofort wendete er seinen Blick wieder ab. Ansonsten stünde sie in seinen Gedanken wahrscheinlich wieder in diesem Kleid vor ihm. Adrien schüttelte den Kopf. Er musste das Bild irgendwie wieder loswerden. Ansonsten würde er die nächsten Tage nur noch an das denken können. Sein Blick fiel auf das Buch in seinem Rucksack, welches er zum Lernen mitgebracht hatte. Er wollte bereits danach greifen, als der Rest der Clique zu ihnen zurückkehrte.

„Kommt jemand mit Essen besorgen?“ innerlich atmete Adrien erleichtert auf mit der Frage, welche Brian in die Runde warf. Die Männer in der Gruppe erklärten sich sofort bereit ihn zu begleiten. Er war heilfroh für einige Momente von Marinette loszukommen. Dann konnte er seine Gedanken ein wenig sortieren. Vielleicht hatten die Jungs ja eine Idee, wie er sich ablenken konnte was das Thema anging oder wie er sich Marinette gegenüber verhalten sollte.

„Sag mal, ist bei euch alles in Ordnung?“ Sophie war die niedergeschlagene Miene ihrer Freundin sofort ins Auge gefallen. Diese schüttelte nur den Kopf.

„Ich hab’s verbockt. Aber sowas von.“, gab sie murrend von sich. Sophie und ihre Freundinnen blickten sich fragend an.

„Verbockt? Wie meinst du das?“, setzte sich Sarah, welche schon seit längerem Teil der Clique war, zu ihr. Die junge Frau in dem grünen Badeanzug und den blonden Haaren, welche zu einem sportlichen Zopf gebunden waren, blickte sie besorgt an. Missmutig fischte Marinette ihren Skizzenblock aus der Tasche und pfefferte ihn in den Sand. Die Blonde nahm sich den Notizblock, blätterte sorgfältig Seite für Seite um. Sophie blickte ihr neugierig über die Schulter. Einige der Designs ihrer Studienkollegin kannte sie bereits. Doch war sie gespannt, was die Halbasiatin in der Zeit, welche sie selbst im Wasser verbracht hatte, gekritzelt hatte. Das Bild, welches die Freundinnen vor der leeren Seite erblickten, liess ihren Atem erstarren. Ein Hochzeitskleid. Sicherlich nur ein erster Entwurf, aber die Skizze versetzte die jungen Frauen in erstaunen, welches sich durch ein Raunen eben jener bemerkbar machte. Auch Sophie staunte nicht schlecht.

„Wow. Das hast du eben gezeichnet?“, Sarah war platt wie eine Flunder. Sie selbst hatte Marinette für eine Mittelklassige Studentin gehalten, welche das Studium mit viel Glück gewonnen hatte. Aber diese Skizze bewies etwas komplett anderes. Die Halbasiatin, welche auf ihrem Tuch hockte und ihren hochroten Kopf zwischen den Beinen versteckte, blickte peinlich berührt weg.

„Die sind genial. Aber wieso ein Hochzeitskleid?“ Sarah reichte ihr das Skizzenbuch zurück. Sogleich lag der skeptische Blick der Mädchen auf Marinette. Sophie konnte es sich denken, weshalb sie sich neben die Halbchinesin setzte.

„Sie ist schon seit einer halben Ewigkeit in Adrien verschossen.“

„Sophie!“, brüllte Marinette entsetzt darüber, dass ihre Studienfreundin gerade ihre Gefühle für den Designersohn kundtat.

„Was denn? Ist doch besser, wenn sie es wissen, bevor sie sich fragen weshalb du dich ihm Gegenüber so komisch verhältst.“, grinste sie hinterlistig. Marinette blickte gekränkt zur Seite, während Sophie von ihren Freundinnen beinahe zu Tode gestarrt wurde.

„Musst du es immer so übertreiben?“, verschränkte Sarah verärgert die Arme vor dem Oberleib. Die beiden anderen Mädchen, die noch bei ihnen sassen, schenkten Sophie verachtende Blicke.

„Tut mir leid.“, entschuldigte sich die Brünette kleinlaut. Marinette ignorierte diese Worte ihrer Studienkollegin.

„Sophie hat nicht gerade Unrecht.“, meinte die Halbasiatin nach einigen Momenten der Stille. „Ich habe mich schon damals in Paris, als ich vierzehn war, in Adrien verliebt. An diesen Gefühlen hat sich bisher nicht viel verändert.“ Marinette legte eine kurze Pause ein. Ihre Zuhörer folgten ihr gespannt.

„Um ehrlich zu sein…das mit der Hochzeit ist mir heute nicht zum ersten Mal durch den Kopf.“

„Moment mal…willst du sagen, dass du dir das schon damals in den Kopf gesetzt hast?“, entsetzt blickte Sophie die Halbasiatin an.

„Man wird ja wohl noch mal träumen dürfen.“, rechtfertigte sie sich. Dass ihre Fantasie noch eine Runde weiter ging, verschwieg sie ihr lieber. Die anderen Mädchen liessen ein Kichern von sich hören.

„Jetzt seid mal ehrlich. Welche von uns hat nicht schon von ihrer Hochzeit mit ihrem Märchenprinzen geträumt?“

„Definitiv. Die Ausnahme hier ist höchstens Sophie.“

„Sehr witzig. Danke, dass ihr jetzt über mich herzieht, nur weil ich den Richtigen noch nicht getroffen habe.“, meinte die Brünette beleidigt. Die Mädchen lachten lauthals, was Marinette wiederum ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Vielleicht war der Strandtag doch nicht so eine dumme Idee gewesen wie sie dachte.

 

-

 

„Was war denn vorher bei euch los?“, fragte Brian seinen Mitbewohner beiläufig, als sie zu viert zum Shopping Center loszogen, welches zu Fuss in Fünf bis Zehn Minuten erreichbar war.

„Vergiss es. Es wäre besser, ich wäre nicht mitgekommen. Ich werde wohl verschwinden, wie wir das Essen besorgt haben.“, meinte Adrien. Er musste dringend das Bild in seinem Kopf wieder loswerden.

„Ist das dein Ernst? Ich hätte schwören können, dass da was zwischen euch läuft.“, grinste der Dunkelhaarige. Adrien antwortete nicht auf diese Feststellung seines Freundes. Er konnte ihm nicht widersprechen. Er mochte Marinette, sehr sogar.

„Alter. Wenn das mit der ganzen Geschichte wegen Rebecca zu tun hat, dann kannst du ganz beruhigt sein. Ich glaube kaum, dass Marinette nur wegen deinem Aussehen oder wegen deinem Vater mit dir ausgeht.“, versuchte Brian seinen Mitbewohner zu beruhigen.

„Das ist mir auch bewusst. Es ist einfach nur so, dass das ganze ziemlich kompliziert ist.“ Eine Augenbraue von Brian wanderte nach oben. Verwundert blickte er den Blonden zu seiner linken an.

„Du bist wohl schon länger in sie verschossen.“, stellte er ohne grosse Umschweife, breit grinsend, fest. Diese Erkenntnis liess Adrien erstarren. Er hatte Marinette schon immer gemocht, auch als sie sich kennen lernten. Auch wenn sie nicht gerade den besten Start hatten. Doch hatte er seine Gefühle ihr gegenüber bisher nie als Verliebtheit betrachtet. Der einzige, der das getan hatte, war sein Kwami Plagg gewesen. Dieser hatte sofort gewusst, dass die Schwarzhaarige das Herz seines Partners erobert hatte, oder zumindest einen Teil davon.

 

-

 

Eine halbe Stunde später kehrten die vier jungen Männer zu dem Rastplatz zurück. Sie hatten Früchte, Sandwiches und nochmals Getränke besorgt. Sie waren nicht minder erstaunt, als sie die Mädchen bei einem Kartenspiel antrafen, das Sophie gerade für sich entschieden hatte. Brian hatte es geschafft Adrien davon zu überzeugen, noch eine Weile bei der Gruppe zu bleiben. Sein Mitbewohnter meinte, dass das hier die perfekte Ablenkung wäre, ganz im Gegensatz zum Lernen.

„Ich will was anderes spielen. Bei Ligretto gewinnst du ja andauernd! Wie kannst du so schnell sein?“, grummelte Sarah beleidigt.

„Tja, gekonnt ist gekonnt.“, gab die Brünette hochnäsig von sich.

„Du hattest einfach nur Glück. Weil du die schnellste bist und für sowas schon immer ein gutes Auge hattest.“, konterte die Blonde.

„Also ich will noch eine Runde. Wer ist mit dabei?“, fragte Sophie, wobei sie sich schon auf ihren nächsten Sieg freute. Doch die Frauen lehnten ab.

„Da fällt mir ein, ich hab noch ein UNO dabei.“, meinte die sportliche Sarah, welche das Ligretto wieder in ihre Tasche räumte, wobei sie das genannte Kartenspiel hinauszog.

„Da bin ich dabei. So haben wir mindestens eine Chance gegen Sophie.“, gab Marinette mit frecher Zunge von sich.

„Ihr wisst schon, dass ich bei Kartenspielen ziemlich hinterlistig sein kann. Ich wäre mir da nicht so sicher wie ihr.“, grinste sie selbstüberzeugt.

„Ach ja? Das wollen wir doch mal sehen!“, stellte Marinette sich ihr entgegen. Ein Schmunzeln wanderte über Adriens Lippen. Die angriffslustige Marinette brachte ihn innerlich zum Grinsen. Während die jungen Frauen mit ihren Blicken wetteiferten, wer wohl gewinnen würde, blickte Sarah zum Rest der Gruppe.

„Wollt ihr auch mitmachen? Wie steht’s?“

Die Männer nickten einstimmig, ehe sie sich an ihre ursprünglichen Plätze setzten und Sarah die Karten austeilte. Sophie und Marinette, welche nebeneinander sassen, blickten einander stur in die Augen. Keine wollte verlieren. Sophie weil sie der Gewinnertyp war und im Normalfall ein Spiel nach dem anderen gewann, Marinette weil sie sich von ihrer Studienkollegin nicht unterkriegen lassen wollte. Innert kürzester Zeit entschied Adrien die erste Runde für sich. Als zweiter beendete Brian seine Hand, die dritte im Bunde war Sarah.

„Na endlich. Und ich dachte schon, ich gewinne heute nicht mehr gegen dich.“, feierte die Blonde ihren Sieg gegen Sophie mit einem zufriedenen Grinsen.

„Muss ich das wirklich mit dem Rest ausknobeln?“, gab die Brünette missbilligend von sich. Sie hatte keine Lust darauf und wollte lieber eine neue Runde beginnen.

„Du kennst doch die Regeln.“, grinste die Blonde, ehe sie in Richtung Meer schritt um sich ein wenig abzukühlen. Während Marinette überlegte, welche Karte sie ausspielte, schaute Adrien ihr Neugierig in das Blatt. Dabei erblickte er einige Karten, welche ihn hätten aussetzen und Karten aufnehmen lassen.

„Warum hast du die denn noch nicht gespielt?“, fragte er belustigt. Er konnte es nicht fassen, dass die Halbasiatin die Karten nicht gespielt hatte, nur weil er vorher immer direkt nach ihr dran war. Dummerweise konnte sie gerade nicht. Also zog sie eine Karte vom Stapel und legte diese ab. Es handelte sich um eine Umkehrkarte. Beim nächsten Zug griff sie gezielt zu einer der Aufnahmekarten, was die Brünette links von ihr ziemlich verärgerte.

„Ist das dein Ernst? Ich bin fast fertig!“

„Aber nur fast.“, bekräftigte Marinette ihre.

„Darf ich dich daran erinnern, dass du aufgrund der Karte aussetzen musst?“, setzte Adrien noch einen drauf. Das wiederholte sich in der folgenden Runde, was Sophie laut aufstöhnen liess.

„Was soll der Mist?!“, ärgerte sie sich offensichtlich.

„Das ist die Rache für vorher.“, meinte die andere junge Frau mit Namen Scarlet, welche ebenso braune Haare hatte wie Sophie, diese aber äusserst kurz trug, die noch am Spiel beteiligt war. Denn diese legte noch einmal eine +2, was Marinette gleich doppelte. So musste Sophie nun vier statt nur zwei Karten aufnehmen, wenn sie es nicht weiterleiten konnte. Griesgrämig nahm sie die Karten vom Stapel. Das Blatt in ihrer Hand war in den letzten Runden erheblich angewachsen, was Marinette und Scarlet zum Grinsen brachte. Nur zwei Runden später warf Marinette ihre letzte Karte ab.

„Gewonnen!“, rief sie fröhlich, wobei sie ihre Arme in die Luft warf.

„Mal davon abgesehen, dass du einen Teil deiner Karten absichtlich nicht abgeworfen hast, weil ich nach dir dran war. Ansonsten hättest du früher gewonnen, nicht wahr, Mylady?“, mit verschränkten Armen, streng gespieltem Blick und einem leichten Schmunzeln auf den Lippen schaute Adrien Marinette an. Sie wich seinem Blick aus.

„Du hättest die Karten spielen können?“

„Ja schon. Aber sonst hätte Adrien die Karten alle abgekriegt und die Umkehrkarte hatte ich erst vorhin gezogen als ich nicht konnte.“

„Wisst ihr was, ich spiele nicht mehr mit.“, entschied Sophie für sich, worauf sie ihre Karten aufgebracht in den Sand warf und zum Meer hinunter Schritt.

„Ist sie immer so schnell beleidigt?“, verwirrt blickte Marinette ihr hinterher. So hatte sie ihre Studienkollegin noch nie erlebt.

„Manchmal vielleicht. Aber sie ist es sich gewohnt, immer zu gewinnen.“, meinte Scarlet, während sie die Karten einsammelte, nachdem die Runde beendet wurde.

„Wollen wir nochmal eine Runde starten?“, meine Adrien nach einigen Minuten des Schweigens in die Runde. Diese gab ein einstimmiges Nicken von sich. In diesem Moment kehrten auch Sophie und Sarah zu der Gruppe zurück. Sie hatten am Rand mitbekommen, dass nochmals eine Partie gespielt werden sollte.

„Moment noch.“

„Was ist denn, Brian?“

„Ich möchte eine kleine Regeländerung vorschlagen. Sonderregeln, sozusagen.“

„UNO mit Sonderregelungen?“, verwirrt blickte Sarah ihn an. Sie kannte einiges an Spezialregeln was UNO anging, aber so wie sie Brian kannte, hatte er wieder eine ziemlich ausgefallene Idee.

„Hey, wollt ihr das Ganze nicht auch ein wenig spannender machen?“, Sophie nickte. Nun war sie neugierig geworden, was für eine Idee Brian hatte. Diesem schwante nichts Gutes. Er kannte Brian schon einige Jahre und wusste, wenn dieser etwas ausheckte, was ihm nicht gefiel. Gespannt lagen die Blicke der Freunde auf dem Dunkelhaarigen.

„Jeder, der eine Karte aufnehmen muss, aufgrund einer anderen Karte, muss sich Wahrheit oder Pflicht stellen.“

„Ein Kartenspiel in Verbindung mit Wahrheit oder Pflicht? Klingt nett. Aber wer stellt die Frage oder die Aufgabe?“

„Ich würde sagen, bei der ersten Person lassen wir den Zufall entscheiden. Danach geht es wie gewohnt weiter.“, erklärte der Dunkelhaarige. Der Rest der Gruppe nickte. Auch Adrien und Marinette, wobei die Zustimmung bei letzteren eher widerwillig erfolgte. Besonders bei dem einstigen Katzenjungen. Er hatte vor Jahren, als er neu in den Staaten war, mit den neuen Freunden das Spiel gespielt und keine wirklich guten Erinnerungen daran. Auch mit Brian und der Clique war das Trinkspiel, natürlich ohne Alkohol, das eine oder andere Mal gespielt worden. Er wusste mit was für Aufgaben oder Fragen Brian ankam und das gefiel ihm nicht. Nur schon, weil Marinette jetzt mitmachte. Erneut wurden die Karten verteilt. Aufgrund der abgeänderten Regeln versuchte jeder, den schwarzen Peter jemand anderem zuzuschieben, damit er keine Karten aufnehmen musste. Eine Weile ging das ganz gut. Marinette und Adrien, welcher wiederum rechts von der Schwarzhaarigen sass, konnten das Ritual in der ersten Runde ohne Probleme abschmettern. Die erste, welche die Dummheit dieser Regeländerung zu spüren bekam, war Sarah. Denn sie durfte nun 6 Karten aufnehmen.

„Also, legt schon los.“, gab sie sich geschlagen. Neugierig blickte die Clique sie an.

„Glaubt ihr wirklich, ich nehme Pflicht wenn jemand wie Brian mitspielt? Nein. Wahrheit und nichts anderes.“, gab sie stur von sich.

Brian, welcher die Regel einführte, stellte sogleich die Frage.

„Mit wem hattest du deinen ersten Kuss?“

„Als ob du das nicht wüsstest. Das war in der High School, der Captain des Football Teams.“, gab sie widerwillig von sich.

„Also, spielen wir weiter.“, meinte sie, da flogen auch schon die nächsten Karten. Der nächste, welcher 4 Karten aufnehmen musste, war Brian.

„Tja, soviel zu dem Thema, mein Lieber.“ Sarah verschränkte leicht sauer die Arme übereinander, ein strenger Blick zu dem Dunkelhaarigen folgte. Das war ihre Rache.

„Pflicht.“

„Pflicht. Gut.“, die Blonde brauchte nicht einmal gross nachzudenken.

„Ich will, dass du die nächsten zwei Minuten wie ein Huhn rumgackerst und rumläufst.“

„Was? Und sowas kommt ausgerechnet von dir?“

„Hey. Du hast mir die Frage gestellt. Nach den Regeln bin ich dran mit der Aufgabe. Also los, ab mit dir, Hühnchen!“, amüsiert beobachtete die Frau mit dem Zopf, wie Brian die Karten aufnahm, das Blatt zur Seite legte und tat, was sie wollte. Währenddessen ging die Runde weiter. Nun war es Sophie, welche Marinette hatte zwei Karten aufnehmen lassen.

„Mist.“, meinte diese leise. Sie hatte das Spiel ab und an mit ihren Klassenkameraden gespielt und war nie ein allzu grosser Fan davon gewesen. Dies war der Grund gewesen, weshalb sie eher zögerlich zugestimmt hatte.

„Endlich.“, liess sich der dunkelhaarige Brian erschöpft auf die Knie sinken, als die zwei Minuten verstrichen waren.

„Warum spielt ihr nicht weiter?“

„Weil Marinette dank mir zwei Karten aufnehmen musste. Also darfst du ihre Aufgabe bestimmen.“, grinste Sophie so breit wie sie nur konnte.

„Was willst du?“

Die Schwarzhaarige überlegte einen Moment. Aufgrund ihres einstigen Doppellebens war Wahrheit eher ungünstig. Doch fiel ihr wieder Sarahs vorhergehender Kommentar betreffend Brian ein, weshalb sie lieber nicht Pflicht wählte. Notfalls konnte sie die Aufgabe auch aussetzen. Nach einiger Bedenkzeit entschied sie sich für Wahrheit.

„Was war der grösste Fehler, den du bisher gemacht hast?“ Marinette erstarrte für einen Moment. Sie wusste sofort, welche Situation sie am liebsten korrigieren, verändern würde. Aber auch, dass das nicht möglich war.

„Dass ich einem guten Freund nicht die Wahrheit gesagt habe.“, kam es wie aus der Pistole geschossen. Sie bemerkte die verdatterten Blicke der Freunde, insbesondere den von Adrien, und schaute bedrückt zur Seite.

„Was für eine Wahrheit?“, kam es wie aus einem Munde von den Freunden.

„Das ist zu kompliziert. Ausserdem ist immer nur eine Frage erlaubt. Also weiter im Konzept.“, gab sie stur von sich. Marinette konnte Adriens fragenden Blick auf sich spüren. Er wollte wissen, welchen Freund, welche Wahrheit sie meinte. Aber er wusste auch, dass sie dies hier vor versammelter Gruppe nicht Preis gab. So ging das Spiel weiter. Einer der anderen Spieler setzte eine Wechselkarte ein, so dass nun verkehrtherum gespielt wurde. Was Adrien keine Minute später zwei Karten aufnehmen liess. Er fragte sich, ob es klug war, bei der Mitspielerin zu seiner linken Pflicht zu wählen.

„Wahrheit.“, gab er etwas gelangweilt von sich. Marinette kannte ihn ziemlich gut, da war es ziemlich schwer, etwas Neues über ihn herauszufinden. Doch hatte sie einen Einfall, mit dem er nicht gerechnet hatte.

„Angenommen, du würdest in einer vergangenen Zeit leben, wann wäre das und warum ausgerechnet dort?“ Adrien erstarrte. Darüber hatte er noch nie nachgedacht. Es gab so viele Epochen, welche vom geschichtlichen Aspekt sehr interessant waren. Doch gab es jeweils viele Vor – und Nachteile, so dass er etwas länger überlegen musste. Vielleicht das alte Ägypten? Nein. Zur Zeit der französischen Revolution? Nein, auch eher weniger. Plötzlich kam ihm ein Bild in den Sinn, was ihn breit grinsen liess.

„Das Mittelalter. Als Prinz oder angesehener Ritter könnte ich der Frau meiner Träume alle möglichen Wünsche erfüllen.“, meinte er fröhlich gestimmt und zwinkerte Marinette zu. Dafür erntete er von Marinette einen empörten Blick. Marinette wusste, dass er sie damit meinte und doch machte sie diese Antwort wütend. Denn er klang genau wie Cat Noir.

„Vergiss, dass ich gefragt habe.“, meinte sie zornig. So ging die Runde zu Ende. Denn Adrien und Marinette war die ersten, die ihr Blatt ablegen konnten. Während der Blonde noch sitzen blieb, erhob sich die junge Frau.

„Ich geh mich etwas abkühlen.“, sprach sie. Innerlich fügte sie noch an, dass sie etwas alleine sein wollte um ihre Gedanken zu sortieren, doch erläuterte sie das ihren Freunden nicht. Adrien blickte ihr verwundert hinterher. Er wusste, dass er sie mit seinen Worten aus dem Konzept gebracht hatte. Doch konnte er sich beim besten Willen nicht erklären, was genau sie so genervt hatte.

„Jetzt mal im Ernst, Alter. So kannst du dich doch nicht an ein Mädel ranmachen.“, meinte Brian.

„Sehr witzig. Das sagt der Beziehungsexperte, was?“ Der Dunkelhaarige sagte nichts darauf. Adrien wusste, dass die bisherigen Beziehungen seines Mitbewohners nicht gut ausgegangen waren, weshalb er nicht unbedingt Tipps von diesem bekommen wollte, was dieses Thema anging.

„War es falsch, dass ich das mit dem Mittelalter so ausgelegt habe?“

„Keine Ahnung. Sie hat es wohl oder übel in den falschen Hals gekriegt. Du solltest mit ihr reden.“ Adrien nickte. Vielleicht hatte Brian doch Recht. Langsam schritt der Blonde zu Marinette, welche in den Wellen untergetaucht war. Er konnte sehen, wie die Schwarzhaarige klatschnass wieder auftauchte und die nassen Haare aus ihrem Gesicht strich. Unentwegt beobachtete er ihre Bewegungen, bis ihre Augen an ihm haften blieben. Adriens Herz schlug schneller, als ihre Augen einander begegneten. Seine Kehle wurde trocken, er schluckte leer. Er war schon fast im Wasser und wollte auf sie zugehen, als Marinette auf ihn zuschritt und direkt vor ihm stehen blieb.

„Wegen Vorhin…Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht verärgern. Weder mit dem Mittelalter noch mit der anderen Anspielung.“ Ein schwaches Schmunzeln bildete sich auf Marinettes Lippen ab.

„Ich hätte dir das Bild nicht aufzeichnen sollen. Wäre vielleicht besser gewesen.“, meinte sie.

„Nein. Ich find es schön zu wissen, was in deinen Gedanken vorgeht. Auch wenn wir vielleicht nicht die gleichen Vorstellungen haben.“ Unsicher, mit fragendem Blick, schaute Marinette zu Adrien hinauf.

„Ich hätte vorher nicht abhauen sollen. Es tut mir leid. Aber ich musste meine Gedanken ordnen.“, Adrien legte eine Pause ein. Seine Wangen waren sichtlich gerötet. Nervös blickte er zur Seite, überlegte die nächsten Worte genau.

„Ich mag dich. Sehr sogar. Mir ist einfach nicht in den Sinn gekommen, dass ich dich gerade auf einen solchen Gedanken bringe.“

„Nein. Das ist schon ok. Ich bin mit meinen Gedanken manchmal einfach zu…überschwänglich.“, meinte sie, ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen. Erneut folgte eine Pause.

„Bist du immer noch sauer wegen dem von Vorhin?“

„Bei dem Spiel?“, Adrien nickte auf ihre Frage. Die Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. Immer noch prangte das liebliche Lächeln auf ihren Lippen, welches sein Herz wieder schneller schlagen liess.

„Nein. Du hast mich einfach an jemanden erinnert, der mir des Öfteren Avancen gemacht hat. Leider ist ihm dabei nie aufgegangen, dass er mir damit ziemlich auf die Nerven gegangen ist.“, die Halbasiatin verdrehte gespielt genervt die Augen, als sie sich an die Anmachsprüche ihres Partners erinnerte.

„Hast du ihm das mal gesagt?“

„Nein. Leider nicht. Ich dachte, meine Reaktionen seien eindeutig.“

„Eindeutig?“

„Naja. Ich habe auf seine Flirtversuche immer ziemlich ungehalten reagiert. Ich dachte, das wäre offensichtlich. Aber irgendwie ist das wohl nie zu ihm durchgedrungen.“, seufzte sie. Adrien schluckte leer. Warum hatte er das denn nie bemerkt? Sie war in der Schule nie belästigt worden. Aber auch ausserhalb nicht. Wer hatte sich denn so offensichtlich an sie rangemacht?

„Sag jetzt bloss nicht, dass es dieser Rotschopf war.“, grummelte Adrien leicht sauer. Er wusste, dass Nathaniel in Marinette verknallt gewesen war. Aber niemals hätte er dem begabten Zeichner eine solche Seite zugetraut. Die Schwarzhaarige fuchtelte abwehrend mit den Händen vor dem Oberkörper.

„Nein. Keine Sorge. Nathaniel war es nicht. Auch wenn er ziemlich in mich verschossen war. Aber das ist schon ewig her.“

„Wer war es denn dann? Ich meine, als Freunde wussten wir damals alles voneinander.“, oder fast alles, schloss er in Gedanken an. Es kam ihm merkwürdig vor, nichts davon zu wissen.

„Ja. Stimmt. Irgendwie wussten wir vier alles voneinander. Es war komisch, als du plötzlich nicht mehr da warst. Als nur noch die Textnachrichten da waren.“, meinte Marinette mit belegter Stimme, als sie sich an die Zeit kurz nach seiner Abreise erinnerte. Sie hatte ihn damals so sehr vermisst. Sich aber geschworen, hart an sich zu arbeiten. So, dass sie stolz auf sich sein konnte, wenn sie ihn wieder sah.

„Willst du mir wirklich nicht sagen, wer dir damals so auf die Pelle gerückt ist, obwohl niemand von uns es bemerkt hat?“, mit strengem Blick schaute Adrien zu Marinette. Er hatte schnell kombiniert, dass es jemand sein musste, den niemand von ihnen kannte. Ansonsten hätten Nino und Alya ihn schon längstens eingeweiht wegen diesem Verrückten, der sich an seine Marinette heranmachte.

„Nein. Das ist schon ok.“

„Ok? Was ist wenn er wieder auftaucht und sich so unverschämt an dich ranmacht?“, besorgt musterte der Blonde die Halbasiatin. Diese zuckte nur Ahnungslos mit den Schultern.

„Ich werde ihn sowieso nicht mehr sehen. Und falls er doch plötzlich mal wieder auftauchen sollte, hab ich immer noch dich.“

 

-

 

Die Sonne stand knapp über dem Horizont, als sie Freunde ihre Habseligkeiten zusammenpackten und sich zu der nächstgelegenen Metrostation begaben.  

„Also dann…“

„Also dann…“ unschlüssig blickte Adrien zu Marinette, die ihm gegenüberstand. Er wollte ihr sagen, was er für sie empfand. Was in seinem Herzen vor sich ging. Dass sie seinen Verstand zum Stillstand brachte. Doch wusste er auch, wie Ladybug damals auf seine Avancen reagiert hatte. Er war zu offensiv gewesen. Es war zu früh. Er wollte es nicht verderben, nicht noch einmal.

„Sehen wir uns morgen?“, hoffnungsvoll blickte die Halbasiatin zu dem Blonden.

„Wenn du willst, natürlich liebend gerne.“, grinste er, ehe er ihr einen Kuss auf die Wange drückte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nami88
2017-12-09T08:41:09+00:00 09.12.2017 09:41
Sophie kann ja ziemlich hartnäckig sein, wirklich eine zweite Alya xD und jetzt hat sie die perfekte Methode, Mari aus dem Bett zu bekommen 😂
Und Rebecca ist wirklich eine zweite Chloè, wenn nicht sogar schlimmer 🙈 da wird sicher noch etwas mit der kommen -_-
Aber ein toller Tag bei den Freunden ^-^
Mari und Adrien kamen sich näher, auch wenn sie es nicht zulassen will 😯
Und immer wieder kommt bei ihm der Cat Noir durch, was Mari sicher weh tut, da sie sich dadurch an ihn erinnert und ihn vermisst 😕
Mal sehen auch, ob Adrien noch erfährt, wer ihr solche Avancen gemacht hatte und ob er die noch einmal darauf anspricht, welchen Freund sie nie die Wahrheit sagte. Vielleicht meinte sie Cat Noir und das sie es bereut, ihm nie ihre wahre Identität gesagt zu haben? 😯
Und jetzt ist es raus, Adrien hat Gefühle für Mari, will es jedoch nicht sagen, da er Angst hat etwas kaputt zu machen 🙈
Bin gespannt wie es mit beiden weiter geht ^-^
Noch einen schönen Advent und Schöne Weihnachten schon mal 😉🎅


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