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It's about to be legendary

Von Legenden und Helden
von
Koautor:  rotes_pluesch

Vorwort zu diesem Kapitel:
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Der Überfall

Aaron

Schnell und grummelig tippte Aaron mit den Fingern gegen die Scheibe der königlichen Kutsche, in welcher er sich gerade befand. Widerwillig! - wollte er betonen. Mit seiner zweiten Hand stützte er seinen Kopf auf seine Hand auf und starrte stur nach draußen. Den Anblick des Waldes, durch den sie gerade fuhren, hätte Aaron gewiss in jeder anderen Situation genossen, aber momentan war ihm so gar nicht nach guter Laune zumute. Da half es auch überhaupt nicht, das Bedienstete seines Vaters mit in der Kutsche saßen und die ganze Zeit auf ihn einredeten, wie glücklich er sich doch schätzen könne und dass das alles ja nur zu seinem Wohl und zum Wohl des gesamten Landes wäre. Dabei waren diese Männer nichts anderes als Aufpasser, die den Auftrag hatten dafür zu sorgen, das Aaron auch wirklich am Ziel ankommen würde. Oft genug hatte er sich nun vor Fahrten wie dieser gedrückt, immer erfolgreich, doch dieses Mal hatte es kein Entkommen gegeben. Die tieferen Pläne seines Vaters waren ihm zum Teil bewusst, allerdings entging ihm das ganze Ausmaß dieser Ereignisse.

Schwer seufzend wandte Aaron sich komplett von seinem Gefolge ab und versuchte deren Stimmen auszublenden, während sie weiterhin auf ihn einredeten. Sie konnten noch so schöne Worte für die Frau finden, zu der er unterwegs war und die sein Eheweib werden sollte, er befand keines als wirklich beruhigend. Was war denn falsch daran, lieber wie andere Menschen auch durch das Land reisen, die Welt kennenlernen und sich viel Wissen aneignen zu wollen, bevor man sich derartig an einen anderen Menschen band? Zumal Aaron diese Frau noch nie gesehen hatte und doch schon jetzt keine sonderlich guten Gerüchte über ihr Wesen gehört hatte. Der junge Prinz schloss seine Augen und lehnte seine Stirn gegen die Scheibe. Aus dieser Nummer kam er anscheinend wirklich nicht mehr raus.

Plötzlich hielt die Kutsche mit einem harten Ruck an und Aaron wurde vom Platz gerissen. Genau wie die anderen Insassen der Kutsche lag er nun am Boden und fragte sich noch, was denn los war, da wurde die Kutschentür kraftvoll aufgerissen und große Hände griffen in den Innenraum. Zwei von ihnen packten Aaron im Haar und am Kragen seines weißen Hemdes, das zu Tarnzwecken nicht königlich anmutete, und zerrten ihn sehr grob heraus, nur um ihn draußen erneut auf den Boden zu befördern. Aaron schaute auf und erblickte ein Stück entfernt den Kutscher im Staub des Sandweges liegen, um ihn herum eine große Blutlache. Erschrocken schaute er dann zu den Angreifern, die gerade dabei waren, die anderen Bediensteten hervor zu zerren, dabei wüste Worte schrien und jedem drohten mit einem Messer die Kehlen aufzuschneiden, der versuchen würde, etwas in ihren Augen Dummes zu tun.

"Stop! Wir sind nur auf der Durchreise und haben nichts von Wert bei uns", versuchte Aaron sich und die anderen zu verteidigen, weshalb er sich nun auch aufrappelte und sich den angreifenden Männern entgegen stellte. Diese fanden das anscheinend gar nicht lustig, denn sie schlugen den Prinzen kurzerhand wieder zu Boden und packten ihn dann einfach sofort wieder an den Haaren, ohne etwas geantwortet zu haben. Dann schliffen sie ihn teilweise an den Haaren, teilweise an seiner Kleidung über den sandigen Boden tiefer in den Wald hinein. Weiß Gott, was die sich davon versprachen. Aaron versuchte die ganze Zeit die starken Hände von sich zu ziehen, versuchte um sich zu schlagen und zu treten, rief dabei quer durch den halben Wald nach Hilfe, auch obwohl er sich bewusst war, das ihn hier wohl kaum jemand hören würde. Außer vielleicht noch mehr Räuber, war dieser Wald doch verschrien, von Kriminellen nur so zu wimmeln. Allerdings war dies das erste Mal, dass Aaron wirklich in deren dunklen Machenschaften verwickelt wurde. Auf diese Erfahrung hätte er allerdings auch sehr getrost verzichten können.
 

Merthin

Merthin hörte das Zwitschern der Goldammer und antwortete mit dem Laut des Zaunkönigs. Alles war in Ordnung, niemand hatte bisher etwas oder besser: jemanden bemerkt. Sie gingen nun schon seit einigen Stunden versetzt durch den Wald. Schon im Morgengrauen waren sie aufgebrochen, als der Tross noch nicht einmal komplett aufgewacht war. Sie hatten sich bewaffnet und waren zu sechst losgezogen. Merthin mochte das eigentlich. Er mochte seine Getreuen, auf die er sich verlassen konnte, wie auf kaum jemanden sonst. Er mochte es, alleine durch den Wald zu streifen, er mochte die Anspannung und gleichzeitige Stille, die das mit sich brachte. Er hasste nur das frühe Aufstehen und er merkte jetzt, dass er müde war. Bald war Mittag. Die Sonne stand schon hoch und dann würden sie eine Rast machen. In diesen Wäldern mussten sie aufpassen. Mit vielen Wegelagerern und Banden hatten sie Abkommen und konnten für ein ungestörtes Passieren bezahlen. In diesem Teil jedoch nicht. Die Brüder Witschnost waren dumme, einfältige und vor allem gewaltbereite Grobiane, deren Maul größer war als ihr Verstand. Sie standen auf dem Kriegsfuß mit ihnen – zumindest hatten die Brüder und ihre Taugenichtse ihnen übel mitgespielt, als sie zuletzt vor etwa einem Jahr passieren wollten. Nun, sie konnten sich wehren und hatten sich verteidigt. An einem Gespräch waren die Brüder damals nicht interessiert gewesen – und sie würden es heute vermutlich auch nicht sein. Besser wäre es damals gewesen, sie hätten damals alle erwischt, aber der Rest der Bande waren entkommen und machten weiterhin viel Ärger hier im Wald. Vermutlich würden sie sich freuen, wenn sie die Chance witterten, sich zu rächen. Umso wichtiger war es, dass Kyle, Jenna, Monty, Mark, Raven und er aufmerksam waren und nichts übersahen.

Schier lautlos bahnte sich Merthin den Weg durch das Unterholz. Hier ging es darum, zu sehen, bevor man gesehen wurde. Die Geräusche des Waldes umgab ihn, von den anderen erhielt er nur Nachricht, wenn sie Tiere imitierten. Es war eine eingeübte Reihenfolge von einigen Lauten. Sie hatten sie ausgemacht, eingeübt und konnten sich darauf verlassen. Wenn jemand nicht antwortete oder bestimmte Laute zu hören waren, dann waren die anderen gewarnt. Merthin hörte weiter vorn einen Vogel auffliegen und runzelte die Stirn, dann erklang schon Montys Eichelhäher. Zügig aber ebenso lautlos ging er schneller, hielt sich links und bald darauf waren sie alle beieinander. Monty deutete nach vorne, dann nach oben und noch in andere Richtungen. Sie folgten seinen Weisungen und sahen die Wegelagerer nur zu deutlich, die so gebannt auf den Weg starrten, dass sie unbemerkt blieben. Merthin runzelte die Stirn. „Pflücken wir sie von den Bäumen?“, hörte er Raven und er blickte die Schwarzhaarige einen Moment überlegend an, bevor er den Kopf schüttelte. „Sie warten auf etwas – aber wir können es nicht sein. Lasst uns abwarten…“ Mark legte den Finger auf die Lippen und deutete ans Ohr – alle lauschten: etliche Pferde… Schwere Rüstung… Kutsche… hohes Tempo; Merthin deutete den anderen, was sie machen sollten und in gewohnter Weise trennten sich ihre Wege. Sie wussten, was sie zu tun hatten und Merthin wusste, dass er sich auf seine Leute verlassen konnte. Sie würden zunächst sehen, wer da kam und dann entscheiden, was sie tun würden…

Und dann ging es doch schneller als erwartet. Die Brüder Witschnost waren gut vorbereitet. Mit einem schwingenden Baumstamm trennten sie die Kutsche von dem Gespann, während die Vorhut an Reitern bereits von zweien vom Pferd geholt und kalt gemacht worden waren. Nun war die Nachhut an der Reihe und Merthin und den anderen blieb nur das Zusehen, wie die Männer auf die Kutsche zugingen. Offenbar war die Kutsche aus einer höheren Standesschicht. Vielleicht Händler oder Diplomaten? Die Männer, die in der Kutsche saßen, wurden herausgezogen und tatsächlich schien es sich hier eher um Diplomaten oder Unterhändler zu handeln, denn viel Wertgegenstände schienen sie nicht dabei zu haben. Lediglich eine Kutsche mit Gepäck und womöglich Waren war noch im Tross enthalten… Sicher würden die Hohlköpfe die Reisenden gefangen nehmen, um sie entweder als Sklaven zu verkaufen oder aber um Lösegeld zu erpressen. Merthin hörte einen Pfiff, während er zusah, wie einer der Männer aufstand und sich den groben Brüdern entgegen zu stellen versuchte. Ehrenhaft, aber unklug, wie der Kiefer des Mannes sicher auch gerade feststellte, als er wieder zu Boden geschickt wurde. Merthin blickte hinüber zu Jenna, die Zeichen machte, die klar waren. Eigentlich war das hier die beste Gelegenheit, ihre eigenen Leute davor zu bewahren, selbst später angegriffen zu werden. Wenn die Bande Beute machte, würden sie sie vermutlich in Ruhe lassen, aber besser wäre es, sich der Brüder gänzlich zu entledigen.

Jenna zeigte auf den jüngeren der Brüder, der sich mit dem Märtyrer in Richtung Wald aufgemacht hatte. Die anderen hatten bereits die Kutsche, die Wachen und alles andere durchsucht, die Pferde gepackt und waren verschwunden. Nur der ältere der Brüder war noch damit beschäftigt, abzuwägen, welchen der Gefangenen sie gebrauchen konnten. Er musterte sie, bis einer versuchte sich zu wehren und für seinen Vorwitz mit dem Tode bestraft wurde. Merthin überblickte die Szene und deutete auf den Älteren, der offenbar doch kein Interesse an Gefangenen hatte – zumindest nicht an diesen. Jenna hatte die Armbrust im Anschlag und schoss – der große, bösartige Mann ging in die Knie, bevor er zum tödlichen Schlag ausholen konnte. „Wir nehmen keinen auf“, wies Merthin Raven an, die nachsehen wollte, wer noch lebte und dann stehen blieb. „Aber wir müssen den Jüngeren auch schnappen – sonst haben wir ein größeres Problem als vorher…“ Wo Monty recht hatte, ….

Merthin nickte Monty zu. Gemeinsam spurteten sie los, dem Mann hinterher, der mit seinem Gefangenen vermutlich zum Lager unterwegs war. Sie hatten nicht viel Zeit, bevor jemand merken könnte, dass etwas nicht stimmte. Die anderen würden den anderen Bruder zunächst einmal verstecken, damit eventuelle Rückkehrer nicht gleich sahen, was geschehen war. Sie mussten ordentlich Tempo aufnehmen, um den anderen wieder ins Blickfeld zu bekommen. Allerdings half ihnen der zeternde Mann, der in dem erbarmungslosen Griff des Hünen gefangen war. Schweigend sprachen sie sich ab und näherten sich ihrem Opfer aus verschiedenen Richtungen. Dann ging alles recht schnell. Noch bevor der jüngere Bruder merkte, was los war, hatte Merthin ihn angegriffen. Der Mann hob zwar noch sein Schwert, aber da war Merthin in geschmeidiger Bewegung bereits zu nah an ihm dran, nach oben gesprungen und hatte ihm seinen Dolch in den Hals gerammt. Die Erkenntnis, die im Blick des Mannes aufkam, der nun in die Knie sank, seine Hände an den Hals pressend, als könne er das unausweichliche verhindern, war wie eine groteske Maske auf dem hässlichen Gesicht. Er hustete, spukte Blut und kippte dann zur Seite. Monty und er packten ihn, bevor er zu Boden ging, und schleiften den leblosen Körper ins Gebüsch, damit er nicht so schnell entdeckt werden konnte. Dann drehte sich Merthin um und machte sich daran, die gröbsten Spuren zu verwischen – bis sein Blick auf den Gefangenen fiel. Einen Moment hielt er inne und blickte in das Blau der Augen, die ihn mit einer Mischung aus Furcht? Erschrecken? Freude? ansahen. Es war ein wenig seltsam. Fast schien es ihm, als kenne er den Mann schon lange. Aber er konnte sich nicht entsinnen, ihn schon gesehen zu haben. Und doch schien ihm, als würden sie sich kennen. „Was machen wir mit ihm?“, hörte er Monty nun neben sich, was ihn aus einem regungslosen Moment herausriss und den Blick abwenden ließ. Merthin spürte, dass seine Zeichen brannten. Ein solcher Kampf ging nicht ganz spurlos an ihm vorüber. Unwillkürlich rutschte er sein Hemd zurecht, damit die Tätowierung am Hals nicht sichtbar sein würde, die sicher dunkelrot leuchtete. „Wir nehmen niemanden mit…“, antwortete er knapp und drehte sich, um zu gehen.
 

Aaron

Über seine eigenen Rufe hörte Aaron noch ganz genau das Chaos, was noch am Orte des Überfalls herrschte. Ruhelose und verängstigte Pferde waren zu hören, wie sie auf den Boden trampelten mit ihren Hufen und verängstigt wieherten. Männer riefen durcheinander, wovon das Meiste die Räuber von sich gaben, da sie bereits viele der königlichen Gefolgsleute zum Schweigen gebracht hatten. Leider war auch das nicht zu überhören, achteten die Barbaren doch nicht immer darauf, ihre Opfer gezielt zu töten, sondern hatten teilweise noch ihren Spaß dabei zuzuschauen, wie langsam das Leben aus den Leuten wich. Wie das für einige eine solche Faszination ausüben konnte, verstand Aaron so gar nicht. Warum stach man ihn nicht auch einfach ab und ersparte ihm diese Tortur noch durch den Wald geschliffen zu werden? Zumindest pumpte sein Herz vor Angst so schnell, dass das Adrenalin ordentlich durch seinen Körper schoß, sodass er den Schmerz im Gesicht durch den Schlag eben und das Ziehen an seinen Haaren nur nebensächlich merkte.

Fieberhaft war auch Aaron selbst am überlegen, wie er sich vielleicht noch selbst aus dieser Lage würde befreien können, aber der Griff dieses ungehobelten Wilden war so eisern, das es einfach kein Entkommen gab. Aaron entkam sogar ein Fluchen, was zwar gegen seine gute Erziehung stand, aber in solchen Moment dachte Aaron daran so gar nicht mehr. Dieses edle Gehabe war sowieso nur eine Maske, die es aufzusetzen galt, wenn man mit anderen hochkultivierten Menschen sprach. Aber dieser dreckige Mann, der ihn hier über den Waldboden schliff und keine Notiz davon nahm, wenn Aaron gegen Steine und Baumwurzeln stieß, war alles andere als kultiviert.

Für Aaron absolut aus heiterem Himmel huschte ein fremder Mann heran und griff den gefährlichen Wilden mit nur einem kleinen Dolch an, war dabei aber dermaßen erfolgreich, dass wohl nichtmal dieser Barbar mitbekommen hatte, wer oder was ihn da getroffen hatte. Mit großen Augen hatte Aaron die Szene beobachtet und saß auch jetzt noch sehr perplex auf dem Waldboden und hatte seinen Blick erst auf das Blut am Boden gerichtet, schaute dann aber auf zu den beiden Fremden. Es war nicht nur die Tatsache, das Aaron nicht wirklich mit Hilfe gerechnet hätte, aber dass er gleich so kompetente Hilfe erhalten würde, war nochmal verwunderlicher. Wer waren diese Fremden? Sie schienen über gute Kampferfahrungen zu verfügen und scheuten nicht davor, ein Leben eines anderen zu nehmen. Ja, in diesem Fall war es Aarons Rettung gewesen, aber er kannte diese Leute nicht, kannte ihre Gründe nicht, warum sie den Entführer abgestochen und Aaron gerettet hatten. Aarons Gedanken wurden für einen Moment unterbrochen, nämlich als sein Blick direkt in die stechenden Augen seines Retters fiel. Dessen intensiver Blick hielt Aaron einen Augenblick gefangen. Er wirkte so wild und frei, gewiss war er niemand, der sich von anderen vorschreiben ließ, mit wem er seine Zeit verbringen sollte und wie er sich in Gegenwart anderer zu verhalten hatte. Kam da ein Hauch von Faszination auf? Ja, Aaron wollte das auch. Wollte auch mal seine Pflichten einfach nur abschütteln und genauso frei sein. Und wenn es nur ein Tag sein würde... bis er es zurück zum Schloß und Wohnsitz seiner Familie geschafft haben würde, würde eh der restliche Tag vergehen.

Auch Aarons Gedanken wurden unterbrochen, als plötzlich der zweite Mann zu sprechen begann und Aaron dadurch erstmal bewusst war, das er eben den Fremden die ganze Zeit in die Augen gestarrt hatte. Erst jetzt wendete auch Aaron seinen Blick ab und schaute erst wieder auf, als die Antwort des Mannes mit den bernsteinfarbenden Augen kam. Wie? Sie ließen ihn jetzt hier mitten im Wald ohne alles sitzen? Aarons Gefühl von Sicherheit verflog sofort und er sprang vom Boden auf. Mit einem großen Schritt folgte er seinem Retter und legte ihm von hinten eine Hand auf die Schulter, um ihn aufzuhalten. Dabei berührten seine Finger seine Haut am Hals, was ein sofortiges Stechen an genau der Stelle an Aarons Körper verursachte, wo sein Familienzeichen auf seiner Haut prankte. Erschrocken zog Aaron seine Hand zurück und presste sie sich schnell gegen die Seite. Dadurch verdeckte er zumindest das leicht bläuliche Glühen des Males, was sich allerdings bereits wieder abschwächte. Aaron bemerkte auch erst jetzt, dass dieser Mann etwas Dunkelrotes auf der Haut am Hals hatte, was er eben versehentlich berührt hatte. Hatte der Mann sich bei seiner Rettung eben doch ein bisschen verletzt? Oder war das Blut vom Hünen? Konnte alles sein... "Ehm..", kam es erst noch etwas überrascht von Aaron, da er noch etwas überrumpelt von der Reaktion seines Körpers auf diese Berührung war. Bereits jetzt war nichts mehr zu spüren, was war das gewesen? "Ihr braucht mich nicht mitnehmen, erlaubt mir nur, euch zu folgen", sprach Aaron nun, da er seine Selbstsicherheit wiedergefunden hatte. Ein kurzes, amüsiertes Lachen kam von dem Begleiter des blonden Mannes. "Ich bezweifle stark dass das möglich ist", sprach er und hatte damit vermutlich Recht. Die Gruppe um Aarons Retter kannte sich hier bestens aus und war gut zu Fuß, der Königssohn war zu selten hier und hatte nichtmal ein Reittier, die Gruppe wäre weg, bevor Aaron überhaupt bis drei zählen könnte. Aber der Brünette hatte keine andere Möglichkeit, er war allein und lief nur Gefahr erneut überfallen zu werden, wenn er hier einsam rumschlich. "Ich kenne den Weg nicht, lasst mich euch wenigstens bis zu den Stadtmauern folgen", bat Aaron nun etwas mehr und hörte im nächsten Moment ein sehr vertrautes Geräusch. Der zweite Mann hatte eben zwischen seine Finger gepfiffen und einen Vogellaut nachgeahmt, den Aaron nur als Prachtvogel identifizieren konnte.

Noch während Aarons Blick recht bewundernd zu diesem Mann gerichtet war, hüpfen noch mehr Leute aus den verschiedensten Richtungen von Bäumen herunter, kamen hinter Büschen hervor oder standen einfach plötzlich da. Nun doch wieder ein bisschen ängstlicher werdend begutachtete Aaron jeden von ihnen, versuchte nach außen hin aber seine Selbstsicherheit zu bewahren. Sie wussten ganz offensichtlich nicht, wer er war, und vielleicht war das auch ganz gut so.

Einer der Herbeigerufenen, ein groß gewachsener Mann mit tief schwarzem Haar, seufzte bei diesem Anblick. "Wir nehmen niemanden mit, vergessen?", sprach der Mann, als ob er mitbekommen hätte, was das Thema war, warum sie nun alle hier standen. "Nur so als Info, ein paar dieser Teufel laufen noch hier rum. Entscheidet euch bitte schnell!", kommentierte eine rothaarige Frau, die gar nicht wie die ganzen Frauen aussah, die Aaron aus den vielen Ballsälen kannte. Aber hier schien es gerade darum zu gehen, ob er mitgehen durfte oder nicht, da sollte er vielleicht mit seinen Gedanken bei der Sache bleiben. Mit einem kleinen Blick schaute er seinen Retter an. "Ich wäre ungern jetzt gerettet worden, nur um hinter dem nächsten Baum diesem Verdammten Gesellschaft zu leisten", fügte Aaron noch an. Ohne deren Hilfe würde er doch schneller tot neben dem Barbaren liegen, als er schauen könnte. Das mussten diese Leute doch auch einsehen!
 

Merthin

Sie nahmen nie jemanden mit, der ganz offenbar höheren Standes war. Und das musste dieser Mann sein, schließlich hatte er ordentlich Gefolgschaft dabeigehabt und eine ganze Kutsche voll mit Waren welcher Art auch immer. Und selbst wenn er nur ein Angestellter war, - aber so sprach er nicht - so war er doch mit einer Gesellschaftsschicht verbunden, die ihnen wenig Respekt entgegenbrachte und mit der sie selbst wenn nur geschäftlich verbunden waren. Daher würde es keine Diskussion geben. Merthin wusste das und ihm kam der Gedanke gar nicht, dem anderen zu helfen. Sicher war jener hier vermutlich nicht. Aber war das sein Problem? Er hatte ihm nicht geholfen, weil er ihm leid tat, sondern weil sie selbst sich dadurch eines großen Problems entledigen konnten…

Er hörte, wie der Braunhaarige mit diesen eisblauen Augen hinter ihm aufstand und schon im nächsten Augenblick spürte er eine Berührung an seiner Schulter an seinem Hals. War es die Wut darüber, dass jener glaubte, er könne ihn einfach berühren? War es noch das Adrenalin vom Kampf? Wie auch immer – er spürte deutlich, wie seine Male auf seiner Haut brannten und sicher glühendrot geworden waren. Und das war das Glück des anderen – und die Tatsache, dass jener ihn sofort wieder losgelassen hatte –, dass Merthin einen Moment innehielt und tief durchatmete, anstatt sich umzudrehen und dem Mann in seine Grenzen zu weisen. Jener schien etwas sagen zu wollen, während sich der Akrobat langsam umdrehte und ihn mit seinen Augen fixierte. Dass er wütend war, konnte man sehen. Er hasste es einfach, wenn man ihn ungefragt berührte! Und als der andere nun doch seinen Mund aufbrachte, schnaubte Merthin. Monty fand die passenden Worte. Ihm folgen? Dann könnten sie auch eine Wildschweinrotte mitnehmen. Zumindest sah der Kerl nicht aus, als wüsste er, wie man sich im Wald bewegte… Offenbar schien ihm das auch bewusst zu sein, denn nun versuchte er es mit Mitleid. Merthin hob die Augenbrauen und konzentrierte sich, seine Emotionen wieder in den Griff zu bekommen, um dieses Brennen endlich loszuwerden, während Monty die anderen zu ihnen rief.

Auch Kyle war der Meinung, dass sie keinen Ballast brauchten. „Ganz meine Rede!“, knurrte Merthin auf die Worte des Schwarzhaarigen. Und Jenna brachte auf den Punkt, was auch sein Gedanke war. Sie hatten keine Zeit für lange Diskussionen. Sie mussten den Weg sichern und brauchten eigentlich auch dringend mal eine Pause. Sicher ging für ihren Tross keine akute Gefahr mehr aus, so lange die Wegelagerer noch im Unklaren waren, was mit ihren feinen Anführern geschehen war. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auch das wussten. Und dann wäre das Beste, sie wären bereits einige Meilen entfernt. Merthin hob die Augenbrauen, als er den Blick des anderen spürte und die Worte hörte. „Nur so zur Info“, knurrte er. „Es war kein Akt der Nächstenliebe, der dich gerettet hat. Es war reiner Eigennutz! Wir hatten mit den Brüdern Witschnost noch eine Rechnung offen. Und verdammt ist er nur gewesen, weil er in eurer ach so feinen Gesellschaft keine Platz gefunden hat – wobei ich seine Gräultaten nicht rechtfertigen möchte. Und ich habe herzlich wenig Mitleid mit jemanden, dessen feiner Hintern sich hier nicht zurecht findet. Dort unten ist der Weg!“ Er deutete in die Richtung. „Folge ihm und dann kommst du schon zu irgendeiner ‚Stadtmauer‘. Wir haben keine Möglichkeit, uns mit dir zu belasten…“ Winselt dieser Kerl doch, dass er nicht sterben mochte. Warum hatte er dann keine Waffe am Leib?! Sollte er jetzt noch seinen Gott verdammten Bodyguard mimen, oder was? Mertin atmete tief durch und hörte in diesem Moment etwas, was er lieber nicht hätte hören wollen… Er schloss die Augen und er merkte, wie sich auch die anderen regten. Das Geräusch war unverkennbar. „Wir haben uns hier viel zu lange aufgehalten“, knurrte Karl und Merthin blickte ihn kurz an. „Dann sollten wir zu ihnen gehen und sie zur Eile antreiben. Ein paar Meilen weiter sind wir in sicherem Gebiet. Bis dahin sollten wir es schaffen, bevor jemand von dem hier – er machte ein ausladende Geste – Wind bekommt.“ Die anderen nickten und liefen los. Ohne sich weiter um den Braunhaarigen zu scheren. Merthin blickte ihn an. „Scheint dein Glückstag zu sein“, sagte er zu ihm. „Wer bist du und woher kommst du?“ Zumindest das sollten sie abklären, bevor der Kerl sich ihnen anschließen würde. Denn nun hörte vermutlich auch er das Schnauben der Kutschenpferde, das Rattern der Räder, die Musik, die vermutlich Jamal wieder auf seiner Laute spielte, die Glöckchen von Darias Wagen und so manch andere Geräusche, die ihren Tross als den seinen verrieten. Doch zu einer Antwort kam es nicht. Die anderen, die am Weg unterhalb angekommen und bereits auf den Tross gewartet hatten, wechselten nun mit Caleb, der vorangeritten war, ein paar erklärende Worte. Der älteste Sohn blickte hoch zu ihm und winkte ihnen, so dass Merthin sich auf den Weg hinab begab.

Unter Gauklern

Kapitel 2
 

Aaron

Aaron verzog etwas das Gesicht, als er den Ausführungen des blonden Mannes zuhörte. Das Ganze war also eine politische Angelegenheit? Sonst würde dieser doch nicht so darauf verweisen, dass die Kriminellen, die Aarons Gefolge und Kutsche auseinander genommen hatten, das getan haben, da sie woanders keinen Platz gefunden hätten. In dem Falle gab der Mann gerade indirekt Aaron die Schuld dafür, immerhin gehörte er der Königsfamilie an und die hatte politisch nunmal das Sagen. Sogleich verschränkte der Brünette seine Arme vor der Brust, war ein bisschen empört über diese Anschuldigung. Und auch darüber, dass er von ihnen anscheinend keine weitere Hilfe zu erwarten hatte. Wenn sie ihn nicht um Aarons Willen gerettet hatten, gut, aber dann konnten sie das doch jetzt tun, wo er sie um Hilfe bat, oder nicht? Aaron war noch nie in der Situation gewesen, Hilfe von Fremden entgegen nehmen zu müssen, aber er hatte immer gedacht, dass die Menschen in ihrem Land wenigstens der Oberschicht ein bisschen mehr Respekt entgegen bringen würden. Nun, sie befanden sich hier ja aber auch nicht in der Stadt oder sonstwo in zivilisiertem Gebiet, das merkte der Prinz gerade sehr deutlich. Von den wahren Begebenheiten im Land hatte Aaron eigentlich keine Ahnung, dachte er doch, dass sein Vater gut und gerecht regierte.

Aarons Blick war der Deutung des Anderen zum Waldweg gefolgt und er war schon fast soweit, aus Protest eben doch selbst zurückzugehen, da schien Bewegung in die Leute zu kommen. Hatten sie was gehört? Aaron noch nicht, obwohl er nun angestrengt in den Wald hinein lauschte. Erst einige Augenblicke später vernahm auch er das Geräusch, das sicherlich einer Karawane gehörte. Mit der Musik und den Klangspielen dabei handelte es sich gewiss um einen Spielertrupp. Lustige Gesellen, aber laut dem König war ihnen nicht zu trauen. Aaron dachte jetzt auch zu wissen, warum, denn nun liefen alle bis auf einen davon und ließen ihn tatsächlich stehen. Zwar konnte Aaron nicht mehr auf die Fragen des Blonden antworten, aber das war ganz gut so. Wie sollte er sich bloß vorstellen? Die Truppe hatte ihm ganz deutlich gemacht was sie von der Oberschicht hielten und Aaron hatte keine Lust am Ende noch von diesen Leuten selbst umgebracht oder ausgeliefert zu werden, wenn sie erfuhren, wer er war. Denoch folgte Aaron den einzigen Leuten hier, die seine Rettung sein könnten und bestaunte dann erstmal die bunten Wagen. Die Pferde waren eine Pracht und alles war so bunt und fröhlich. Die Wagen umgab etwas Mystisches und zogen Aaron daher irgendwie an. Vielleicht kam es Aaron aber auch nur so vor, da sein Alltag ansonsten eher trist und schlicht gestaltet war, da war dies hier das genaue Gegenteil davon.
 

Merthin

Caleb war abgestiegen und der Tross war zum Stehen gekommen. Auch Falk, ihr Vater war nun hinzugekommen. „Er hat sich noch nicht vorgestellt“, erklärte er knapp. „Er war in der Kutsche, die die Brüder überfallen haben. Sie wollten ihn vermutlich als Sklaven mitnehmen…“ Merthin blickte seinen Vater an. „Wir machen uns dann gleich wieder auf den Weg.“ Er wollte sich abwenden, doch etwas im Blick seines Vaters verriet ihm, dass er nicht gehen sollte. Noch einmal glitten seine Augen zu dem jungen Mann. Kannte sein Vater ihn? Ihm war doch, als habe er ihn schon einmal gesehen. „Wir schicken eine andere Vorhut, Merthin“, erwiderte nun sein Vater und lächelte den Fremden freundlich an. „Da habt Ihr Glück gehabt, dass mein Sohn sie retten konnte, mein Herr“, sprach er nun zu ihm. „Willkommen in unserem Tross. Wir sind Schausteller und reisen in Richtung der Stadt Manjak, wo wir eine Weile gastieren werden. Mein Name ist Falk Rosario, ich bin Oberhaupt des Clans. Ihr dürft euch uns gerne anschließen, wenn Ihr uns verratet, wer Ihr seid und wohin Ihr müsst.“ Merthin wollte nun endlich die Gelegenheit ergreifen und zu seinem Wagen, zu seiner Mutter gehen, als sein Vater mit harschem Unterton ihn innehalten ließ. „Mein Sohn wird Euch mit zu seinem Wagen nehmen.“ Merthin seufzte innerlich und nickte leicht. Widerworte waren hier nicht angebracht. Vermutlich war es gut, wenn er den Kerl im Auge behielt. Sie waren Schausteller und mussten das Bild wahren. Sollte der Mann in irgendeiner Form Informationen über sie an wen auch immer weitergeben, so sollte ihm kein Zweifel aufgekommen sein, dass sie einfach nur fahrendes Volk waren. Allerdings sollten sie zusehen, dass sie weiterkamen… „Nun sollten wir uns aber schicken, hier wegzukommen. Bevor auffällt, was geschehen ist…“, sagte er deshalb.
 

Aaron

Der nun hinzugekommene Mann war das genaue Gegenteil von dem Blonden. Es brauchte nur einen Blick von ihm und schon folgte 'Merthin', wie der Name des Blonden offenbar war. Auch war dessen Vater wesentlich höflicher und schien bereit zu sein, ihm zu helfen. Das erleichterte Aaron ungemein. Außerdem war diese höfliche Sprechweise etwas Vertrautes für den Adligen, was ihn gleich noch eine Spur mehr beruhigte. Er hätte es selbst nicht von sich gedacht, aber auf sich allein gestellt zeigte er noch recht viele Unsicherheiten. Außerhalb der Schloßmauern und ohne königliche Garde um einen herum war man als Prinz einfach immer in ständiger Gefahr vor allem und jedem. Sein eigenes Leben zu schützen, ging vor der Wahrheit und vor Freundschaft. Das waren zumindest die Lehren seines Vaters - zu hundertprozent überzeugt war Aaron davon jedoch nicht. Dennoch lag im Blick von Falk Rosario etwas Wissendes. Ahnte er, wer Aaron war? Die Tatsache, dass er es nicht sofort aufdeckte, machte die Situation nicht sicherer für den Brünetten. "Vielen Dank, Meister Rosario. Ich schulde Euch und Eurem Sohn mein Leben", erwiderte er genauso höflich wie ihm begegnet wurde. Sein Vater würde ihn gewiss bereits dafür schellten, dass er überhaupt mit diesen trügerischen und gefährlichen Leuten sprach, aber immerhin brauchte Aaron nunmal deren Hilfe. Und was man brauchte, das sollte man sich nehmen. "Mein Name lautet Aaron Castro, ich war auf dem Weg ins angrenzende Reich von Kara, aber wegen des unschönen Zwischenfalls muss ich nun in die Hauptstadt zurückkehren und meinen Auftraggebern Bericht erstatten", antwortete Aaron also ein bisschen um die Ecke. Ganz gelogen war es nicht, was er sagte, außerdem hielt er es für besser seinen wahren Familiennamen nicht zu nennen. Es war schon gefährlich genug seinen richtigen Vornamen bekannt zu geben und den König erwähnte er auch lieber gar nicht erst, umschrieb auch das vorsichtshalber. Hoffentlich hatte er sich getäuscht und Falk wusste doch nicht, wer er war, denn sonst durchschaute er seine Lüge womöglich. Oder hatte er ihn täuschen können? Sah irgendwie nicht so aus, so sehr, wie dieser Mann weiterhin nur freundlich lächelte. Das war das erste Mal, dass sich Aaron aufgrund einer Lüge irgendwie unbehaglich fühlte, aber er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass es so sein musste und er nur so mit heiler Haut nach Hause käme.

Dass das Ziel der Gruppe Manjak war, kam Aaron sehr zupass, da es dort einen Außenposten der königlichen Miliz gab, die ihn mit Sicherheit nach Hause begleiten würde. Dabei wusste er nicht, dass ein Briefvogel, der für Notfälle mit einem vorgefertigten Hilferuf am Bein versehen war, auf der königlichen Kutsche mitgeführt worden war und während des Massakers vom Kutscher freigelassen worden war, um auf dem schnellsten Wege nach Manjak zu fliegen und die dort stationierten Soldaten zu alarmieren. Gewiss wurden diese sich so bald wie möglich auf den Weg machen, um die verünglückte Kutsche zu suchen, wofür sie nur die Route abreiten mussten, die die königliche Kutsche genommen haben dürfte.
 

Schnell folgte Aaron Merthin dann zu einem der Wagen und schlüpfte ein bisschen aufgeregt hinein. Er war nicht aufgrund der unbekannten Situation und der eventuellen Gefahr nervös, die ihn jetzt die ganze Zeit begleitete, sondern auch weil er gern wissen würde, wie es innen aussah. Lebten die Leute wirklich in diesen Wagen? So ein Wagen war kleiner als Aarons eigenes Gemach, so konnte er sich kaum vorstellen wie es war, nur diesen begrenzten Raum zum leben zu haben. In dem Wagen schaute sich Aaron zögerlich um, hielt sich lieber erstmal fest, als sich die ganze Truppe in Bewegung setzte. Interessiert bestaunte Aaron die Zeichnungen an den Wänden, die verschiedene Auftritte der Leute darstellten und auch Porträts waren darunter. Bunte Federn und klingende Windspiele hingen herum und es roch nach Kräutern.

Erst etwas später erblickte Aaron eine Frau, welche auf einem Holzhocker saß und augenscheinlich dabei war, ein Kleidungsstück zu flicken. Sie schaute auf, als die beiden den Wagen betraten. "Dein Gast?", fragte sie den Blonden und deutete damit an, das ihr Ziehsohn sich auch wie ein Gastgeber verhalten solle. In der Ecke saß noch eine ältere Dame mit schneeweißem Haar, welche erst aufschaute, als Aaron in ihre Richtung blickte. "Du... so blau", sprach die Dame wie zusammenhanglos, ohne dass Aaron wusste, was sie sagen wollte. "Bitte?", wollte Aaron daher nachfragen, doch die ältere Dame winkte schon von sich aus ab. "Entschuldigung, habe nur laut gedacht", sagte sie und betrachtete Aaron noch etwas länger, ehe sie ihren Blick zu Merthin rüberschweifen ließ. Aaron dachte, dass sie vielleicht gemerkt hatte, wer er war, denn was anderes verheimlichte er eigentlich gar nicht. Dass sie allerdings in der Lage war, spezielle Auren zu sehen, konnte der Prinz ja nicht wissen. Sie verstand viel von der alten Prophezeiung und hatte bereits viel in Merthin gesehen, als sie ihn als Baby aufgenommen hatte. Die Dame streckte nun ihre Hand nach dem Blonden aus und berührte ihn am Arm, hielt ihre Hand sanft einen Moment dort. Durch eine liebevolle Berührung versuchte sie das Aufbrennen seiner Zeichnungen auf der Haut zu lindern. Mit ihrem sehenden Blick hatte sie die Unruhe und das leuchtende Rot gesehen. Normalerweise bekam sie seine Zeichen beruhigt, aber diesmal schienen sie sich kaum beruhigen zu wollen. "Was ist passiert?", fragte sie ihn daher, um eine Antwort dafür finden zu können.
 

Merthin

Dass der andere etwas schnippisch reagierte, als Merthin indirekt den Adel kritisierte, entging dem Blonden nicht. Aber er reagierte nicht darauf. Umso mehr würde es wichtig werden, genau zu überlegen, was sie in seiner Gegenwart sagten. Und es entging ihm auch nicht der faszinierte Blick des anderen, als er ihren Zug sah. Das wiederum rechnete er ihm positiv an. Die meisten Menschen waren angetan, wenn sie sie sahen, denn von einem Tross Schaustellern ging immer etwas Magisches, etwas Mystisches aus. Und wenn man offen dafür war, war das gut. Und so war er etwas versöhnlicher gestimmt, während sein Vater und der Fremde ein paar Worte der Höflichkeit wechselten. Floskeln des Danks, das Vorstellen, das weitere Vorgehen, perfekt einstudiert, höfisches Verhalten… „Ihr werdet von Manjak aus in die Hauptstadt reisen können, Mister Castro“, erwiderte Falk. Merthin wartete geduldig und doch spürte er die Unruhe, die ihn nicht loslassen wollte. Es war seltsam und irritierte ihn ein wenig. Und vielleicht entging ihm deshalb auch, dass Falk bei dem Namen Aaron etwas intensiver lächelte. Ansonsten ließ er sich aber in keiner Weise anmerken, dass er ganz genau wusste, wer hier vor ihm stand. Warum auch? Er hatte kein Interesse daran, den jungen Prinzen irgendwie zu schaden oder gar für seine Zwecke auszunutzen. Das war unter Umständen eine Gelegenheit für was auch immer... Aber vielleicht war es auch gerade eine Chance, dem Prinzen einen Einblick in das zu geben, was wirklich im Land vor sich ging. Vielleicht war das so viel mehr wert, als ihn als Gefangenen zu missbrauchen. Und Falk wusste eines noch ganz bestimmt: dass es nicht verkehrt war, wenn Merthin und der Prinz sich näher kennenlernten. Schließlich kannte nicht nur Marie die Prophezeiung. Und Falk war sich sicher, dass nichts im Leben zufällig geschah – auch kein Überfall und schon gar nicht eine Lebensrettung.
 

Ein Schmunzeln legte sich auf Merthins Lippen, als sie am Tross vorbei zu seinem Wagen gingen. Monty saß auf dem Kutschbock und grinste breit, als sie vorbeigingen. „Babysitter?“, sagte er fast lautlos zu ihm und Merthin verdrehte nur die Augen. Nicht, weil es irgendwie so war, sondern weil Monty manchmal ziemlich albern war. Am Ende des Wagens öffnete er die Tür und ließ Aaron eintreten. Der gemütliche Wagen war ja sein Anker in dieser Welt. Er war ihm wichtig. Hinter dem Kutschbock war eine Sitzgruppe, an der sie saßen. Waren sie auf Reisen, war es beengter. Das Bett, in dem seine Marie normalerweise schlief, war vollgestellt mit dem Zelt, das er für sich aufschlug, wenn sie angekommen waren. Die Regale waren voll mit allerlei Equipment für die Auftritte und vor allem Stoffe und Garn. Seine Zeichnungen hingen an den Wänden, seine Ideen für Auftritte, für Kostüme, die seine Mutter nähte. Dennoch war es auch wohnlich.

„Hey Ma! Hey Marie!“, begrüßte er seine Eltern. Dann ließ er sich gegenüber seiner Oma nieder und atmete tief durch. Er war erschöpft und brauchte Ruhe, das merkte er deutlich. Einen Moment schloss er die Augen. Nun – bis seine Mutter ihm unmissverständlich klar machte, was sie von seinem Verhalten hielt. Er hatte gar nicht unhöflich sein wollen. Aber er war einfach müde. „Entschuldige“, knurrte er und richtete sich auf. „Das ist Aaron, wir haben ihn vor den Witschnost bewahrt, die sein hübsches Gesicht sicher gerne einem Sklavenhändler verkauft hätten. Aaron, das hier ist meine Mutter Sarah und meine Großmutter Marie…“ Er deutete jeweils zu den entsprechenden Personen. Als seine Oma Aaron als ‚blau‘ betitelte, hob er einen Moment irritiert die Augenbrauen. Erkannte sie, dass er etwas mit dem Adel und dessen ‚blauen Blutes‘ zu tun hatte? Sie jetzt danach zu fragen, war allerdings nicht so schlau. Sie würde ihm über den Mund fahren, wenn er es täte. So bemerkenswert es war, wie seine Oma Stimmungen und Gefühle wahrnahm, so irritieren war es aber auch, was sie manchmal sagte. Merthin griff nach einem Krug Wasser und schenkte sich etwas ein. Dann blickte er zu Aaron. „Du kannst dich gerne setzen“, sagte er und deutete neben sich auf einen Sessel, als er die Hand seiner Großmutter spürte. Allein die Berührung schien ihn zu beruhigen und er atmete kurz erleichtert aus. „Wir haben die Brüder entdeckt und zu spät gesehen, was sie vorhatten. Das war geplant, sie waren gut vorbereitet. Es ging zu schnell. Bevor wir reagieren konnten waren fast schon alle Wachen niedergemetzelt. Irgendwie fiel es mir dann nicht sehr schwer zu entscheiden, dass wir uns der Brüder entledigen sollten. Ich habe nicht vergessen, was sie letztes Jahr mit Mike getan haben.“ Er atmete tief durch. Es war nie leicht über Leben und Tod zu entscheiden. Er hatte daran auch keine Freude, selbst wenn er nicht gezögert hatte, dem Hünen die Halsschlagader zu durchstoßen. „Das meinte ich eigentlich nicht“, lächelte Marie und er sah sie einen Moment überrascht an. Die Frage irritierte ihn. Er war sich sicher, dass sie seine Zeichen meinte. Was passiert war? Sie glühten und er brauchte endlich Ruhe! Er entwand sich ihrem Griff. „Ich muss mich ausruhen“, knurrte er etwas unwirsch. „Ich bin hundemüde…“ Damit drehte er sich weg und machte es sich im Sessel bequem, um die Augen zu schließen. Dass er nicht so leicht in den wohlverdienten Schlaf fand, lag sicher nicht daran, dass seine Mutter nichts Besseres zu tun hatte, als mit Aaron über neue Modeschnitte und Kleidung zu fachsimpeln. Vielmehr lag es wohl daran, dass die Frage seiner Großmutter in ihm wiederhallte. Ja, was war geschehen, dass seine Male so glühten und auch jetzt noch spürbar waren. Es hatte schon lange nicht mehr so lange gedauert, dass sie wieder blasser wurden. Immerhin waren sie wieder schwarz, aber eben noch sichtbar. Und wie ihm beim kurzen Hinaufstreifen seines Ärmels klar wurde, machte es nicht den Anschein, als würden sie verschwinden, obwohl doch eigentlich alles gut war… Irgendwann übermannte ihn dann aber doch die Erschöpfung.
 

Wie lange sie noch unterwegs waren, wusste er nicht. Aber er wachte von den Geräuschen auf, die er mit dem Aufbau des Lagers verband. War es schon so spät? Er blickte sich um und merkte, dass sein Wagen nicht mehr in Bewegung war, sah, dass seine Mutter, Marie und Aaron bereits aus dem Wagen gestiegen waren. Warum hatten sie ihn nicht geweckt?

Kurz streckte er sich, dann stand er auf und trat hinaus. Seine Mutter hatte begonnen die Sachen, die sie nicht brauchen würden, unter den Wagen zu räumen. Sie blieben nicht lange, würden morgen früh gleich weiterfahren. „Brauchst du Hilfe?“, fragte er seine Mutter. „Wo ist der Fremde?“ Seine Mutter warf ihm einen tadelnden Blick zu. „Er ist nicht fremd. Er hilft Monty und den anderen beim Aufbau des Küchenzelts.“ Sie blickte ihn abschätzig an. „Geh dich waschen, du stinkst nach Wald und Blut.“ Er nickte. „Mach ich gleich, aber ich bau noch mein Zelt auf.“ „Dann denk daran, dass du darin noch einen zweiten Schlafplatz brauchst.“
 

Mit frischgewaschenen Haaren und etwas wacher ging er direkt zum Küchenzelt, wo er auf die anderen traf. Seine Male waren zum Glück verschwunden, so dass er sich nur ein ärmelloses Shirt drübergezogen hatte. Um das Küchenzelt herrschte reges Treiben, einige kochten, Jamal spielte die Laute und jemand sang dazu. Ein Lagerfeuer war aufgeschichtet und würde sicher bald die Dunkelheit vertreiben. Merthin holte sich einen Teller Eintopf und Brot und setzte sich zu den anderen, die Aaron in ihrem Kreis aufgenommen hatten. Offenbar sprachen sie gerade über ihre Show. „Und das hier ist unser Feuermagier“, sagte Kyle und klopfte Merthin auf den Rücken. „Ich kenne keinen, der das Feuer so sicher beherrscht wie er.“ Merthin machte eine abwehrende Handbewegung. „Alles nur Übung“, wehrte er ab. „Jeder hat seine Stärken, meine ist halt das Feuer… Glaub den Schwätzern nicht alles.“ Er blickte Aaron an und einen Moment ruhte sein Blick auf ihm. Es schien ihm, als fühle sich ihr Gast hier sehr wohl. „Und du? Was sind deine Stärken?“
 

Aaron

Es war merkwürdig. Aaron stand hier in dem vergleichsweise kleinem Wagen, der ihn mit seinem Charme dennoch verzauberte und lernte verschiedene Menschen kennen, von denen er ansonsten immer abgeschottet wurde. Bis auf das Oberhaupt dieses Clans waren alle so... locker im Umgang mit ihm. Merthin bezeichnete wie nebenbei sein Gesicht als hübsch, was ihm einen kleinen Seitenblick des Prinzen eingebracht hatte, redete über Sklaverei, als wäre es etwas Alltägliches und dazu diese informelle Ansprache... Es ging nicht anders, ein kleines Grinsen breitete sich auf Aarons Lippen aus, das war alles so anders als er es kannte. Eigentlich war das ein ganz fürchterlicher Affront, was sich der Blonde hier die ganze Zeit leistete und Aaron hätte das Recht ihn dafür festnehmen und auspeitschen zu lassen, denn auch Unwissenheit schützte nicht vor Strafe, aber... tief in sich spürte Aaron dabei ein aufgeregtes Kribbeln. Das musste zur Freiheit dazu gehören. Sagen zu dürfen was man wollte, ohne sich vorher genau überlegen zu müssen, wie man mit jemanden zu sprechen hatte. Diese neuen Eindrücke über diese neue Art des Umgangs verunsicherten Aaron aber auch, da er mit den Regeln dieser freien Sprechweise nicht vertraut war, weshalb er selbst lieber noch bei Vertrautem blieb und sich verhielt, wie er es gelernt hatte, um keinen Fehler zu machen. Dabei hatte Aaron nicht bedacht, dass es nicht immer Regeln geben musste. In seiner Welt war einfach immer alles strikt geregelt.

Noch immer trug Aaron das kleine Lächeln im Gesicht, als er höflich den Kopf zu den beiden Frauen neigte, während sie ihm vorgestellt wurden. "Guten Tag, entschuldigt bitte die Unannehmlichkeiten meines Aufenthalts hier. Ihr Sohn und Enkel war so freundlich mir seine Hilfe nach diesem unschönen Ereigniss anzubieten", sprach er weiterhin höflich mit den Frauen, als ob er zwei Edeldamen am Hofe angesprochen hätte. Einen kleinen Seitenblick hatte Aaron dabei wieder Merthin zukommen lassen, denn wirklich angeboten hatte dieser seine Hilfe nicht und schon gar nicht freundlich, aber das wäre unhöflich gewesen dies ausgerechnet seiner Mutter und Großmutter wissen zu lassen. Langsam setzte sich Aaron dann auf dem ihm angebotenen Platz, saß dabei wie die Etikette es verlangte; stramm gerade, mit den Händen auf seinen Knien, Füße in genau festgelegtem Abstand auf dem Boden. Aaron und seine Geschwister waren darauf so erzogen worden, dass es Aaron gar nicht einfiel, sich anders zu setzen. Ehrlicherweise waren diese pompösen Stühle im Schloß nicht die bequemsten, da lernte man schnell sich nicht hinzulümmeln, auch wenn einem schon der Rücken weh tat, vom vielen gerade sitzen. Die kleine Szene mit Merthin und seiner Großmutter bekam Aaron nur am Rande mit, hörte nur noch etwas vom Tod eines gewissen Mike, da Sarah ihn gleich in ein Gespräch über Stoffe und Mode verwickelte. Das war nicht wirklich ein interessantes Thema für Aaron, aber für eine höfliche Konversation mit einer Dame eignete sich das Thema blendend und der Prinz gab sich Mühe, das Gespräch wenigstens für seine Gesprächspartnerin interessant zu halten und dem Thema zuträgliche Inhalte einzubringen.
 

Die Zeit verflog und bald begann die Sonne am Horizont sich immer weiter abzusenken. Aaron merkte gar nicht wie lange er hier nun schon saß, bis der Trupp schließlich zum Stehen kam. Aaron wurde von Sarah sanft aber bestimmend am Arm mit aus dem Wagen gezogen, wobei sie Merthin schlafen ließen. Er schien diese Ruhe mehr als zu brauchen und daher wollte ihn keiner stören. Die anfängliche Skepsis, die Merthins Freunde Aaron gegenüber hatten, linderte sich stetig, je später der Abend wurde. Ein bisschen unsicher half Aaron unter Anleitung dabei, das Küchenzelt aufzustellen und einzuräumen, wobei er immer wieder staunte. Der Prinz hatte noch nie ein Zelt aufgebaut und auch noch nie wirklich in einer Küche gestanden. Sich das nicht anmerken zu lassen war schwierig, aber den Schaustellern schien es Spaß zu machen, Aaron ein Stück ihres Lebens zu zeigen und ihm das eine oder andere Neue beizubringen. Sie lachten viel und genossen es, die Dinge so zu handhaben, wie sie es für richtig hielten. Aaron faszinierte das. Er beobachtete interessiert wie die jungen Leute miteinander umgingen, wie sie sich gegenseitig neckten und lachten, manchmal etwas scherzhaft stritten, nur um im nächsten Augenblick gemeinsam das Glas zu heben. Eine solche Gesellschaft war Aaron absolut nicht gewohnt und obwohl er dachte, dass er sich deplatziert fühlen müsste, so war dem nicht so.

Nun saß Aaron mitten im Kreise aller, hatte einen Teller Eintopf auf dem Schoß und saß auf einem selbstgenähten Deckchen auf dem Boden. Wieder hielt Aaron seinen Rücken peinlichst gerade und schämte sich ein bisschen im Schneidersitz zu sitzen, da dies eine Sitzart war, die für seinen Stand so gar nicht angemessen war. Aber hier saßen viele so, also war das wohl in Ordnung. Es hatte schon Überwindung gekostet, das musste Aaron zugeben, aber wo er jetzt inmitten aller saß fühlte er sich seltsam unbekümmert. Wie auf einer Urlaubsreise mit unendlichen Möglichkeiten. Langsam führte er sich den Löffel zum Mund und probierte zurückhaltend den Eintopf, was ihn überrascht aufschauen ließ. Den Geschmack konnte Aaron nur als wild bezeichnen. Wilde Kräuter, wildes Gemüse, abenteuerlich zusammen gemischt. Zuhause schmeckte das Essen immer so lasch, im Gegensatz zu dieser Kochkunst. Erfreut darüber wieder was Neues ausprobieren zu dürfen, aß er mit Hunger weiter - natürlich stets gesittet.

Schließlich kam auch Merthin dazu, dessen Haare etwas nass aussahen. Bis hierhin hatte sich Aaron aus dem Gespräch rausgehalten, hatte nur beim Essen den Erzählungen gelauscht, die die Künstler zu erzählen hatten. Jeder schien auf seine Weise beeindruckende Fähigkeiten zu haben und nun erfuhr Aaron auch die von Merthin: Feuer. Es überraschte Aaron kein bisschen, so wie dessen Temperament anmutete, passte dieses Element sehr gut zu ihm. Sogar etwas entspannt gab Aaron ein Lächeln an Merthin, als er so bescheiden reagierte. Eines aber überraschte Aaron dabei schon, nämlich die Tatsache, dass er als 'Feuermagier' betitelt wurde. Wirklicher Magier...? Jeder andere Mensch hätte wohl sofort echte Magie ausgeschlossen und dachte an Dinge wie das Feuerschlucken oder optische Täuschungen. Aber... Aaron hütete selbst ein kleines, magisches Geheimnis, weshalb er mehr aufhorchte, als es vielleicht angemessen wäre. Ehrlich gesagt würde der Prinz gern eine kleine Vorführung von Merthins Feuermagie sehen. Er wollte wissen, ob es echte Magie war oder er zuviel hinein interpretierte. Zudem war das Feuer schon immer ein Element gewesen, das den Prinzen auf natürliche Weise angezogen hatte. Vielleicht weil es einen tieferen Bezug zu seinen eigenen Fähigkeiten hatte: die Eismagie. Zusammen mit Feuermagie gewirkt entstand Wasser, Essenz des Lebens und reinigende Klarheit.

Die Frage nach Aarons Stärken überging der Prinz nun einfach. Bis auf etwas Eismagie fielen ihm auf Anhieb auch keine Stärken ein. Aaron hatte bisher zu wenige Dinge ausprobieren können, um etwas mit Gewissheit nennen zu können. Aber dass er Magie wirken konnte, wollte er gewiss nicht preisgeben. Nicht dass er den Menschen hier nicht eine kleine Kostprobe zeigen könnte und es als Trick ausgeben könnte, aber er hatte auch Zuhause immer verstecken müssen, was er konnte, da die Magie einfach eine Straftat darstellte. Sie war böse und brachte Schlechtes über die Welt... Daher hatte er Scheu, das vor anderen zu zeigen, und sonderlich geübt war er deswegen auch nicht. Außerdem würde es bloß sein Zeichen besser sichtbar werden lassen, was seine Identität verraten würde. Es sah zwar nicht exakt wie bei seinen Familienmitgliedern aus, aber er bezweifelte, dass Außenstehende den Unterschied bemerken würden.

"Dann lasst mich mir selbst eine Meinung bilden, Merthin. Würdet Ihr mir bitte das Ergebnis Eurer Übungen demonstrieren?", fragte Aaron höflich nach. Eigentlich hatte er versuchen wollen ihn auch lockerer anzusprechen und ihn nicht zu 'Ihrzen', aber das waren jahrelang antrainierte Verhaltensweisen, es fühlte sich so merkwürdig an, davon abzulassen. "Ja, warum zeigst du unserem Gast nicht deine 'Knallnummer'?", grinste Monty und deutete auf ihr kleines Lagerfeuer. Das könnte durchaus noch etwas mehr Pepp vertragen. "Aber vergiss nicht, dass wir Schausteller sind. Für nichts gibts auch nichts", fügte nun der Mann hinzu, den Aaron inzwischen als Kyle kennengelernt hatte. "Also, was sind deine Stärken?", stellte Kyle nun die Frage nochmal, um diese Information im Austausch für Merthins Künste zu erhalten. Aaron überlegte, er wollte das wirklich gerne sehen.... Schließlich fiel ihm doch etwas ein. "Ich kann die Ahnensprache unserer geschätzten Vorfahren sprechen, schreiben und lesen", gab er schließlich zu. Aaron hatte keine Ahnung, ob das irgendwen hier beeindruckte, wahrscheinlich nicht so sehr wie Aaron deren Fähigkeiten beeindruckt hatten. Aber das musste es ja auch nicht, es war immerhin eine Stärke, die er von sich benennen konnte. Ahnensprache, wie sie allgemein genannt wurde, war altes Wissen, das kaum jemand konnte, doch Aaron war durch einen Zufall ins Studium der Sprache geraten und hatte sie sich angeeignet, etwas worauf er stolz war, aber die ihm keinen Nutzen im Alltag brachte. Jedenfalls bis jetzt noch nicht. Dass es auch seine Bestimmung gewesen sein könnte, die ihn mit der Sprache zusammen gebracht hatte, hatte er noch gar nicht bedacht.
 

Merthin

Abwartend, was der andere sagen würde, aß er von dem Eintopf, den er so gerne mochte. Sicher war Marie in der Küche gewesen und hatte mit den Kräutern dem Essen den letzten Schliff gegeben. Das Lächeln des anderen, als Kyle ihn als Feuermagier bezeichnet hatte, hatte ihn irritiert. Wenn das wirklich einer vom Adel oder gehobenen Bildungsbürgertum war, dann konnten solche Aussagen verhängnisvoll sein. Daher war es ihm wichtig gewesen, zu betonen, dass er alles andere als ein Magier war, auch wenn er schon eine sehr eigene Beziehung zu dem Element Feuer hatte. Er verbrannte sich nie, ihm war nichts zu heiß, das Feuer gehorchte ihm allein durch seine Gedanken. Sicher, er konnte sich das alles auch einbilden – und vermutlich war es auch gesünder für ihn – aber seine Oma sagte nicht umsonst: „Jeder trägt etwas Besonderes in sich. Habe Mut, dich deiner Gabe zu bedienen!“ Aber man musste ja deswegen nicht gleich Kopf und Kragen riskieren! Nein! Er hatte schon Menschen hängen gesehen, denen man auf die Brust geritzt hatte, sie seien Magier gewesen. Er konnte sich einen schöneren Abgang vorstellen!

Überrascht sah er von seinem Teller auf, als der Braunhaarige gar nicht auf seine Frage einging, sondern ihn bat, ihm eine Kostprobe seiner Magie zu geben. Nachdenklich legte sich seine Stirn kraus. War das eine Falle? Der Kerl roch doch förmlich nach Adel! Er hatte noch gut im Kopf, wie steif und kerzengerade, ja fast symmetrisch der andere im Wagen neben ihm gesessen hatte. Und er hatte noch die Worte seiner Mutter im Oh „Oh, ein Mann von Stand und mit Anstand – der einzige hier im Wagen.“ Und auch jetzt wirkte er zwar zufrieden zwischen all den anderen, aber doch auch wie ein fremdes Objekt, etwas Hinzugefügtes, das eigentlich nicht hierhergehörte. Und eine Wortwahl war auch mindestens Bildungsbürgertum!

Doch bevor er reagieren konnte und eine misstrauische Frage – die vermutlich auch nicht angebracht war – stellen konnte, quatschte Monty wieder dazwischen – wie immer, ohne nachzudenken. Der Kerl würde sie alle irgendwann mit seinem losen Mundwerk gehörig in Schwierigkeiten bringen. Sprach der Kerl doch von einer „Knall-Nummer“! Merthin schüttelte leicht den Kopf und warf seinem besten Freund einen vernichtenden Blick zu. Doch Kyle versuchte die Situation zu retten... Er kam zum eigentlichen Thema zurück: Aarons Stärken. Merthin nutzte die Gelegenheit, seinen Eintopf weiter zu essen und sich zur Ruhe zu verdammen, um nicht etwas Unbedachtes zu sagen. Als Aaron auspackte, was seine Stärke sei, hielt er einen Moment in der Bewegung inne. Jemand, der die Ahnensprache konnte? „Ein Bücherwurm!“, grinste Monty. „Die Ahnensprache? Ist das dein Ernst? Davon kann man sich heute aber nichts mehr kaufen…“ Seine Freunde juxten etwas, Merthin aber sah Aaron nun nachdenklich an, während er noch immer den Löffel im Mund hatte – verkehrtherum, weil er ihn im Mund immer drehte, wenn er aß. Jemand, der die alten Schriften kannte. Langsam zog er den Löffel heraus und deutete unbewusst damit auf Aaron. „In Ordnung“, sagte er. „Ich lass es nachher knallen, dafür schreibe ich etwas auf und du sagst mir, ob es die Ahnensprache ist.“ Einen Moment war es still, dann lachte Jenna. „Das ist ein Deal!“, nickte sie. „Als ob unser Bücherwurm Schriftzeichen der alten Sprach kennen würde. Musst dir also keine Sorgen machen, Aaron, und kannst das Feuerwerk nachher genießen.“ Die anderen pflichteten ihr bei – nur Monty nicht. Denn er war der einzige, der wusste, dass seine Male, das Feuer und die Alte Sprache unter Umständen etwas miteinander zu tun haben könnten. Monty hatte ähnliche Fähigkeiten wie Marie. Aber manchmal ging der Kindskopf mit ihm durch... ‚Und vielleicht begreift die Dumpfbacke jetzt auch, dass er vorhin lieber die Klappe gehalten hätte!‘, dachte der Blonde noch immer etwas angesäuert.

Er aß seine Schüssel auf und wischte sie mit dem Brot sauber aus, während die Lichtung in ein lachsfarbenes Abendrot getaucht wurde. Merthin stand auf und streckte sich leicht. „Ich muss mir was drüberziehen, sonst ist es zu gefährlich…“, erklärte er knapp, nachdem er Aarons Blick eingefangen hatte. Dann ging er zu seinem Wagen und ließ seinen Worten Taten folgen. Gefährlich war es für ihn sicher nicht, aber wenn er mit dem Feuer spielte, kam es nicht selten vor, dass seine Male auftauchten. Und dafür war er zu leicht bekleidet. Wenn der Kerl bei Hofe zu Hause war, wäre das sonst wirklich sein Todesurteil!

Zudem nahm er eine Fackel, falls er sich doch noch zum Feuerspucken verleiten ließ. Als Merthin zurückkehrte, war die blaue Stunde bereits eingeläutet und so mancher hatte das Feuer schon entzünden wollen. Sein Hemd aus schwarzem Leder, lag eng an seinem Oberkörper an, und verdeckte bis zum Hals hinauf alle Stellen auf der Haut, die verräterisch sein könnten. Er trat von hinten an Kyle und Monty heran und legte den beiden seine Arme um die Schultern. „Irgendwie kam mir vorhin der Gedanke, dass ihr mich ganz schön verkauft habt, meine wehrten Freunde“, sagte er mit einem gewissen Unterton. „Ich bin dafür, dass ihr unserem Gast auch etwas von eurer Kunst zeigt, wenn ich ein wenig mit dem Feuer gespielt habe. Das fände ich nur gerecht! Nicht wahr, Aaron?“ Er grinste breit als Monty schnaubte und Kyle beschwichtigend die Arme hob. „Ist gut“, sagte Kyle und blickte schuldbewusst Monty an. „Messer oder Eier?“ „Messer – wird man nicht so dreckig dabei, wenn was schief geht…“
 

Merthin grinste leicht, als er aufstand und zu dem aufgeschichteten Holz ging, um es zu entzünden. Er brauchte nichts dafür – normalerweise. Aber er langte dennoch heimlich in seinen Beutel am Gürtel, so dass es jeder sehen könnte, der darauf achten wollte, und beugte sich dann hinab, eine Faust über das Holz legend, einen Moment verharrend und dann die Hand langsam öffnend. Dann stand er auf, tat so, als werfe er etwas auf die Scheite und mit einem Knall entzündete sich der Stapel und brannte bald lichterloh. Für jeden Außenstehenden würde es aussehen, als habe er etwas leicht Entflammbares hineingegeben. Aber das war auch gut so!

Er griff zur Fackel und entzündete sie im Feuer, dann begann er ein wenig mit dem Feuer zu spielen, zu tanzen, zu spucken und schließlich es zu schlucken. Er spielte mit dem Feuer mit einer Leichtigkeit, die sicher ungewöhnlich war. Das Feuer tanzte für ihn, gehorchte ihm und er fühlte sich wohl damit, genoss es ein wenig. Er war völlig in seinem Element, wie versunken in einer eigenen Welt. Letztlich hatte er nicht immer die Möglichkeit, zu trainieren. Dennoch achtete er darauf, dass es realistisch blieb. Er hätte auch die Möglichkeit, das Feuer zum Beispiel über seine Haut kriechen zu lassen, aber das ließ er lieber sein. Schließlich löste er sich wieder aus seiner Parallelwelt. „Genug davon“, sagte er schließlich. Er hörte ein paar klatschen und verneigte sich kurz mit einem Lachen auf den Lippen. „Ich habe meine Pflicht erfüllt, jetzt erfüllt ihr eure!“ Er blickte Kyle und Monty streng an, setzte sich dann neben Aaron und blickte den beiden hinterher, die für ihre Jonglage die Messer holten. „Wir werden in einem Monat in der Hauptstadt sein. Wenn es dir gefällt, was du gesehen hast, kannst du dir ja die Show ansehen“, sagte er unvermittelt zu Aaron und blickte ihn an. „Sofern du dich auch dann noch unter solches Volk mischen kannst.“
 

Aaron

Dieser 'Deal' kam Aaron doch recht merkwürdig vor. Wollte Merthin damit testen, ob er die Wahrheit sprach? Natürlich, es wäre Merthin nicht so sehr zu verübeln das er Aaron nicht glaubte, denn es war selten jemanden zu treffen, der diese alte ausgestorbene Sprache beherrschte. Die Frage war nur... woher sollte der Feuermagier einer Schaustellertruppe das Wissen haben, um etwas in der Ahnensprache zu schreiben? Aaron hatte einige Zeit gebraucht, bis er die Schriftzeichen richtig hatte schreiben können. Ohne sie einfach abzumalen ging das nicht so leicht. Während der Stille schaute der Prinz den Blonden an. Auch als die anderen sich darüber lustig machten, blieb sein Blick bei Merthin. Er glaubte nicht was die junge Frau sagte, Merthin meinte es durchaus ernst, das sagte sein ausdrucksvoller Blick. Und genau das war auch der Grund, warum Aaron irgendwie glaubte, dass es echte Ahnenschrift sein würde, die Merthin ihm nach seiner Darbietung vorlegen würde. Es fühlte sich wie eine kleine Herausforderung an, das fand der Prinz sehr spannend. "Einverstanden", antwortete Aaron daher von sich aus recht leise, was in den Witzen der anderen ein bisschen unter ging, aber es war eh einzig an Merthin gerichtet gewesen.

Einen kurzen Moment blickte Aaron Merthin nach, als dieser sich was anderes anziehen wollte, sah dann aber zu seinen Teller ebenfalls leer gegessen zu bekommen. Da er so langsam aß, um höflicher zu erscheinen, brauchte er auch länger als die anderen, wollte aber gern fertig sein, wenn er gleich der Darbietung beiwohnen durfte. Aaron war sogar etwas aufgeregt, hatte er doch noch keine Show einer professionellen Gauklertruppe gesehen, erstrecht nicht so hautnah und gewissermaßen nur für ihn. Normalerweise suchten die königlichen Eventplaner Unterhaltungen aus, die weniger magisch waren, um Unmut unter den adligen Gästen zu vermeiden. Bevorzugt waren es Tänzerinnen oder flachwitzige Narren.

Gerade stellte Aaron seinen leer gegessenen Teller beiseite, da tauchte der Feuermagier dieser spannenden Truppe wieder auf. Er hatte ein Hemd an, das seine Haut fast gänzlich verdeckte, als habe er Sorge, das Funken ihn verbrennen könnten. Das spräche gewiss gegen die Theorie, dass hier vielleicht echte Magie am Werk sein könnte, denn ein wahrer Feuermagier würde sich keine Sorge vor dem Verbrennen machen müssen. Ein kleines bisschen Enttäuschung machte sich in Aaron breit und er wusste nichtmal genau wieso. Kurz noch spannte der Blonde auch seine beiden Kollegen mit ein, natürlich vollkommen zurecht, sie hatten schließlich damit angefangen. "Ich wäre geehrt", antwortete Aaron spontan bei der kurzen Zwischenfrage an ihn. Und wirklich würde er sich freuen auch die anderen Künstler zu sehen, war er doch recht angefeuert, im wahrsten Sinne.

Aaron sah, wie Merthin kurz in seinen Beutel griff, da er so gut auf dessen Bewegungen achtete, konnte aber nicht erkennen was er hervorzog. Als er etwas auf die Holzscheite warf und es tatsächlich einen kleinen Knall gab, durchzog es ihn sofort. Etwas Kraftvolles ging in dem Moment von Merthin aus, als er das Feuer entfachte. Tief holte Aaron Luft, hielt diese kurz an, spürte dabei das magische Gefühl an seinem Mal kribbeln und atmete schließlich geräuschvoll wieder aus. Sein eigenes Zeichen leuchtete unter seiner Kleidung blau auf und ein kühler Hauch legte sich um den Brünetten, daher legte Aaron bloß seinen Arm um seinen Unterkörper, um das noch weiter zu verstecken. Auch wenn er selbst Magie anwandte, spürte er es an sich kribbeln, aber bei Merthins Magie war das Gefühl so warm und kraftvoll und das, obwohl Aaron nicht einmal von der Magie berührt worden war. Anscheinend spürten 'normale' Leute das gar nicht, unterbewusst aber vielleicht schon. Aaron genoss das schöne Gefühl, die beeindruckende Leichtigkeit, mit der dieser blonde Mann sich bewegte und schaute daher recht gebannt Merthin und seinem Feuer beim Tanzen zu. Es war nicht nur die Magie, die Aaron an dem Schauspiel ein gutes Gefühl vermittelte, auch die Darbietung an sich war beeindruckend. Gern folgten seine Augen den eleganten Bewegungen und bewunderten die beinahe bedingungslose Gehorsamkeit des Feuers. Erst als die kleine Showeinlage beendet war, ließ auch das magische Kribbeln nach und Aaron stimmte in den Applaus mit ein. Zwar verhalten, denn so gehörte sich das, aber dennoch mit Begeisterung. Merthins positive Magie konnte nicht böse sein, wie alle immer allgemein behaupteten. Wenn doch bloß auch andere spüren könnten, was Aaron gerade gefühlt hatte, dann hätten sie ihre Meinung zur Magie gewiss bereits geändert. Aber es lag nur in Aarons Macht, ausgeübte Magie in seiner Nähe zu spüren, andere zu überzeugen gehörte leider nicht dazu.

Ein bisschen unvermittelt setzte sich Merthin dann neben Aaron und sprach ihn an. Seitlich blickte Aaron zu diesem hin, schaute überrascht drein. War das gerade ein Angebot zu ihrer Show zu kommen, sobald sie in der Hauptstadt gastieren würden? Ein Lächeln zeigte sich bei Aaron, da er diesen Gedanken angenehm finden würde, doch realisierbar war er wohl leider nicht. Einfach auf die Straße zu gehen und sich mitten in die Menschentraube zu stellen, um zuzuschauen, war für einen Vertreter der königlichen Familie ein utopischer Gedanke und vollkommen ausgeschlossen. Außerdem befürchtete Aaron sogleich wieder nach Kara geschickt zu werden, auch wenn er hoffte, seinem Vater diese Idee doch noch wieder ausreden zu können. In dem Fall würde Aaron gar nicht mehr im Lande sein, sobald die Spieler in einem Monat in der Hauptstadt ankämen. Diese Gedanken schmälerten sein Lächeln bereits und Aaron ließ den Blick sinken. "Eure Feuermagie hat mich sehr fasziniert, Ihr seid sehr begabt", lobte Aaron zwar etwas hochgestochen, aber diese Worte meinte er tatsächlich ernst. "Dieser kleine Einblick hat mich neugierig auf die gesamte Show gemacht", fügte er noch hinzu und wollte damit ausdrücken, dass er Merthins Einladung gern folgen würde. Ob er es aber auch wirklich tun würde, erwähnte er dabei nicht, da er es schade fand, eine Absage erteilen zu müssen. Jetzt, wo Merthin so neben Aaron saß, spürte dieser noch die Wärme, die von ihm ausging. Vielleicht spürte er das auch nur so besonders, da er selbst eher ins Kühle rutschte, auch wenn er es sehr gern warm hatte.

"Jetzt würde ich aber auch gerne meinen Teil unserer Abmachung einhalten. Würdet Ihr mir aufschreiben, was ich beurteilen soll?", wechselte Aaron das Thema, denn das war dem Prinzen wesentlich angenehmer als das zuvor. Währenddessen waren Monty und Kyle zurückgekehrt und begannen ihre gemeinsam einstudierte Nummer. Sie jonglierten mit Messern, allerdings war das alles andere als langweilig. Beim jonglieren erzählten sie eine Art Geschichte, jedoch ohne Worte, nur mit Gesten und Andeutungen, wobei sie ihre Jonglierkunst passend einbauten und sich gegenseitig immer wieder mit einbezogen. Es wirkte ein bisschen improvisiert hier und dort und sicher war es auch so. Die beiden hatten ihre Grundgeschichte, änderten aber spontan bei jedem Auftritt etwas, was ihre Auftritte niemals wie die davor aussehen ließ. Es sah gefährlich aus mit den Messern und Aaron war ein bisschen froh, dass er zu Merthin schauen konnte, da sie gerade ein Gespräch führten, wobei er aus den Augenwinkeln doch immer wieder zu den beiden anderen Männern linste.

"Aaron, komm mal her!", wurde der Prinz plötzlich von Monty gerufen, allerdings wartete dieser nicht, sondern kam auch schon auf den Brünetten zu, fasste ihn am Arm und zog ihn hoch, nur um ihn dann zu dem kleinen freien Platz neben dem Lagerfeuer zu ziehen. Kyle hielt bereits einen obligatorischen Apfel in der Hand, anscheinend wollten sie Aaron in ihre Show integrieren. Auch andere Mitglieder der Schausteller sprangen nun auf und wollten eine Kostprobe ihrer Fähigkeiten zeigen, wahrscheinlich wollte sich keiner unter den Scheffel stellen lassen und beweisen, dass sie alle etwas Eindrucksvolles drauf hatten. Sicher war auch das starke Gemeinschaftsgefühl der Gruppe ein Auslöser dafür.

"Du glaubst ihm?", sprach plötzlich eine Stimme neben dem zurückgebliebenden Merthin. Marie hatte sich leise neben ihren Enkel gesetzt, wollte die Gelegenheit nutzen, kurz mit ihm zu sprechen. Marie selbst hatte keine Zweifel daran, es passte zur Prophezeiung, über die sie sich eben, während Merthin seine Darbietung gezeigt hatte, mit Falk unterhalten hatte. "Mach dir nicht zu große Hoffnungen, dass er deine Male entschlüsseln könnte. Das bewahrt dich vor Enttäuschungen, mein Junge", flüsterte sie ihm zu. Sie wusste, dass Merthin auch an seine Zeichen gedacht hatte, als er von Aarons Können gehört hatte. Dabei wählte sie ihre Worte extra etwas negativ, um eine größere Reaktion von Merthin zu erhalten, als wenn sie ihn bestärkt hätte. Immerhin hatten sie und Falk sich vorgenommen, den beiden schicksalhaften in die richtige Richtung zu helfen. Aber das mussten beide alleine realisieren, um eine eigene Überzeugung über die Richtigkeit der Annahme zu entwickeln, dass das alles kein Zufall war, sondern so prophezeit worden war. Es ihnen einfach zu sagen, würde sicher nicht denselben Effekt haben.
 

Merthin

Dem eindringlichen Blick, der ihn fixierte, nachdem er seine Bedingungen gestellt hatte, hielt er gelassen stand. Sicher war es verwunderlich, wenn jemand behauptete, Zeichen einer längst vergessenen Sprache zu kennen - vor allem, wenn man vermutlich keinerlei Bildung genossen hatte. Aber es gab viele Gründe, weshalb er die Zeichen kennen könnte. Gerade, weil er vom fahrenden Volke war, gab es genügend Ausreden. Er hatte viel gesehen im Leben. Wieso also nicht auch alte Schriftzeichen? Und Merthin war eben auch nicht ungebildet. Er las gerne und so viel wie möglich, vor allem alte Legenden. Vermutlich auch, weil er stets auf der Suche nach neuen Informationen war. Aber für jemanden wie ihn war es mehr als schwierig, in Bibliotheken zu kommen. Er träumte davon, in die Staatsbibliothek der Hauptstadt zu kommen. Aber es war utopisch auf legalem Wege auch nur in die Nähe der alten Schriften zu gelangen. Warum sollte er also nicht ausnutzen, wenn er mal jemanden bei sich hatte, der angeblich davon etwas verstand. Es dürfte nur nicht klarwerden, in welche Richtung das alles gehen könnte... aber der Gedanke daran, vielleicht doch durch den anderen ein wenig weiter in seiner Suche voran zu kommen, verursachte ein leises Kribbeln in seinem Innersten. Und als Aaron dem Deal zustimmte, nickte Merthin zufrieden.
 

Die Überraschung des anderen auf sein Angebot war ehrlich. Das sah man. War es so abwegig ihn einzuladen, auch wenn er von höherem 'Rang' war? Vermutlich. Gerade wollte Merthin abwehren und erklären, dass er sich nicht zu stressen bräuchte, als der andere doch lächelte.

So gestelzt der andere auch war, so steif und sichtlich angespannt - er war zumindest neugierig auf das, was sie taten. Das hatte Merthin vorhin schon gemerkt, als er so geschwollen geantwortet hatte, es sei ihm eine Ehre, auch Kyle und Monty anzusehen. Gaukler wie sie, die in ihren Auftritten auch politische Dinge andeuteten und sicher auch nicht immer ganz jugendfrei anzusehen waren, hatten kein adeliges Publikum. Aber zumindest schien es dort oben welche zu geben, die sich dennoch interessierten. Dass Aaron prinzipiell bereit war, sich mit ihnen abzugeben, zeigte auch, dass er hier bei ihnen saß und aß. Er hätte ja auch im Wagen bleiben können, hätte sein eigenes Zelt verlangen, seinen eigenen Wagen mit Wachen fordern oder sonst irgendwie heraushängen lassen können, dass er etwas Besseres sei. Aber nichts dergleichen. Ob er vielleicht doch nur ein einfacher Angestellter war? Aber dann diese Etikette? Merthin war noch immer unsicher.

Die Antwort, die Merthin nun bekam, ließ nun ihn wiederum lächeln. 'Geschickt aus der Affäre gezogen', dachte er und nickte nur. Offenbar war der andere neugierig, aber nicht gewillt, den gesellschaftlichen Unterschied aufzubrechen. Für Neugierde reicht es, mehr würde er sicher nicht erwarten können. Aaron war von ihnen abhängig, um in die nächste Stadt zu kommen. Daher ließ er sich für den Abend auf sie ein. Alles andere wäre ein Märchen. Und letztlich könnten sie alle froh sein, wenn sie nicht noch Ärger bekämen, falls Aaron etwas Verdächtiges hören würde oder ihre Truppe am Ende noch für den Überfall verantwortlich gemacht werden würde... Dieser Gedanke kam ihm plötzlich und machte ihm einen Moment Angst. Er spürte, wie sein Herz einen Moment kräftiger schlug und seine Male glühten, ihm wärmer wurde. Doch Aaron durchbrach die Gedanken, die ihn ängstigten. Seinen Teil der Abmachung? Kurz wusste Merthin nicht mehr, wovon der andere sprach, aber er fing sich gleich wieder. „Nicht hier…“, sagte er knapp und die Rückkehr von Kyle und Monty stellte ihr Vorhaben ohnehin hinten an. Und so sah er zu seinen Freunden auf, die eine ihrer Shows abzogen, die beim Volk immer wirklich gut ankam. Und auch jetzt schafften die beiden es wieder einmal, ihn zum Grinsen zu bringen. Denn die subtilen Anspielungen galten in diesem Fall ihm. Es ging um ein Mädchen, das sich zierte, aber als ihr Verehrer Gold und Schmuck vorzeigt, gibt sie sich willig hin. Etwas Ähnliches war ihm einmal passiert. Nur dass er der erste Verehrer gewesen war, der mit dem Gold leider ein anderer… Er sah wieder Aaron an. „Das hier ist nicht der richtige Ort für alte Zeichen, findest du nicht auch?“ Er weigerte sich, den anderen zu Siezen, nicht so lange er Teil ihrer Welt war. Sein Blick glitt wieder zu Monty, der gerade ihren Gast aufforderte zu ihnen zu kommen. „Jetzt müssen wir ohnehin verschieben…“, grinste er und fasste den anderen am Rücken an, um Monty zu helfen, ihn hochzuziehen, indem er ihn von hinten schob. Und mit dieser Berührung spürte er erneut, wie seine Male unter seinem Kostüm brannten… Irritiert blickte er dem Braunhaarigen nach. Irgendwie war das seltsam… Dieses Gefühl hatte er heute schon einmal gehabt. Und auch wenn es sich völlig ungewohnt anfühlte, war es dich ein bekanntes Gefühl... paradox! Hatte es etwas mit diesem Mann zu tun? Gedankenversunken sah er sich die Show an, die Monty und Kyle nun um Aaron herum vollzogen, woraufhin auch andere die Scheu verloren, mit dem Fremden von höherem Stand zu scherzen… Und so in seinen Gedanken vertieft zuckte er etwas zusammen, als Marie neben ihm sprach. Er sah sie einen Moment an. „Warum nicht?“, erwiderte er etwas kratzbürstig. „Einen Versuch ist es wert!“ Wollte sie ihm ausreden, die Zeichen, die Male ihm aufzumalen? Und tatsächlich. Er sollte sich keine Hoffnungen machen? Er solle nicht enttäuscht sein? Merthin hob etwas ungläubig die Augenbrauen. „Keine Sorgen, Grandma!“, sagte er leise. „Ich renne dem Rätsel schon so lange nach. Eine Enttäuschung mehr oder weniger macht das Kraut nicht fett. Mach dir keine Gedanken!“ Und das meinte er ernst. Er war schon seit etwr zehn Jahren auf der Suche nach Antworten… Aber an Aufgeben dachte er nun mal nicht. Das alles, sein Körper, vielleicht auch seine Fähigkeiten hatten einen Sinn. Er musste ihn finden.
 

Aaron

Wieder löste so eine kleine, simple Berührung von Merthin an Aarons Rücken etwas aus, das sich schwer beschreiben ließ. Es war ungewohnt, neu, noch nie zuvor passiert und doch war es jetzt schon das zweite Mal an einem Tag. Verwundert hatte Aaron zu Merthin zurückgeblickt, während er von Monty davon gezogen wurde, bei dessen Berührung er gar nichts verspürte. Aaron hätte gern jemanden, den er deswegen befragen könnte, der ihm Rat geben könnte, warum ausgerechnet Merthin diese Wirkung zu haben schien. Merkte der blonde Mann selbst denn nichts davon? Diese Fragen für sich behalten zu müssen belastete Aaron etwas, vielleicht standen in einem der vielen alten Bücher in der Staatsbibliothek Antworten? Er als Prinz konnte jederzeit dort lesen, was er oft genutzt hatte, besonders für seine Studien der Ahnensprache. Viel Zeit, um sich darüber weiter Gedanken zu machen, bekam Aaron aber nicht, da er in das Spiel der Messerjongleure integriert wurde und er ein bisschen Sorge bekam, verletzt zu werden, auch wenn die beiden Künstler zu wissen schienen, was sie da taten.
 

Aaron musste inzwischen als verschiedenstes Versuchskaninchen herhalten und auch wenn es beeindruckend war das ihn noch keiner verletzt hatte, so wagemutig wie ihre Darbietungen stetig wurden, so wurde dem Prinzen langsam unwohl. Ein etwas hilfesuchender Blick wanderte zu Merthin rüber, wollte Aaron doch lieber seine Herausforderung mit der Ahnensprache annehmen, als hier herhalten zu müssen.
 

Merthin

Er blickte wieder auf die kleine Bühne, die sich durch die Schausteller ergeben hatte, und sah Aarons Hilfe suchenden Blick. Ein Schmunzeln legte sich auf seine Lippen. „Soll ich ihn retten?“, fragte er rhetorisch und Marie lachte. „Er bittet darum“, sagte sie. „Menschen mit seiner Herkunft sind nicht gewohnt, dass man ihnen Wünsche nicht erfüllt.“ Merthin grinste. „Na, wenn das so ist…“

Er stand auf, ging gemütlich zu Jamal und klopfte ihm auf die Schultern. „Ein Reigen!“, sagte er laut und klatschte dann in die Hände. „Auf geht’s! Ein Reigen!“ Und so griff Jamal zu seiner Laute und andere zu ihren Insturmenten und schon fingen sie an, muntere Tanzmusik zu spielen.

Aaron wurde von den ihn umgebenden Menschen direkt in einen Tanz gezogen und auch Merthin ging in den Tanz hinein. Frauen standen auf und auch andere, die sich anschlossen. Und es dauerte ein paar Minuten, bevor der Reigen sie beide zu einem Tanzpaar zusammenfügte. Ohne Scheu ergriff Merthin Aaron, der sich versuchte mit Hilfe seiner Tanz-Kenntnisse durch den Tanz zu mogeln, den sicher nur das einfache Volk tanzte. Merthin nahm ihn mit, führte ihn und spürte wieder deutlich, dass die Berührungen seinen Körper reagieren ließen. Er hatte es sich also nicht eingebildet. Irgendwas war an diesem Mann anders…

„Du tanz gut“, sagte er mit einem Schmunzeln, änderte dann aber die Richtung und tanzte sie beide aus dem Reigen hinaus. „Aber wir haben noch etwas anderes vor, als den Abend zu vertanzen…“, grinste er. Er zwinkerte dem anderen zu, als er losließ und voran zu seinem Zelt ging. Womöglich hatte er gerade mit der Aktion seinen Kopf riskiert. Aber gerade war ihm das egal... Er hatte dem anderen das Leben gerettet. Da hatte er doch was gut, oder?
 

Aaron

"Ein Reigen...?", murmelte Aaron noch verwirrt in die Runde, bevor es zu laut wurde, als dass man noch normal eine Unterhaltung führen könnte. Mehr als überrascht bemerkte Aaron den plötzlichen Stimmungswechsel in der Gruppe. Anstatt das sie Aaron nun gehen ließen, banden sie ihn in einen Tanz mit ein, der von der gesamten Gruppe paarweise als Kreistanz getanzt wurde. Auch weitere Leute ihres Trupps kamen hinzu, hüpften und sprangen tanzend im Kreis zum Takt der Musik. Es schien sehr fröhlich zuzugehen und die Leute schienen Spaß an diesem Tanz zu haben, aber Aaron war ein bisschen überfordert. In seinen Kreisen stellte man sich höflich und distanziert seinen Tanzpartnern vor, hielt dabei respektvollen Abstand, um auch bloß nicht die Privatsphäre der anderen Adelsleute zu verletzen. Es gab zwar auch Gruppentänze, aber die waren vorher mit allen genauestens abgesprochen und jeder wusste vorher genau, wer die Tanzpartner waren und hatte zuvor höfliche Floskeln ausgetauscht, zudem waren sie stets langsam und wurden eher 'getreten' als gehüpft. Hier aber wurde man von einem Tanzpartner zum nächsten gewirbelt. Bevor Aaron überhaupt die Chance bekam angemessene Verhaltensmaßnahmen an den Tag zu legen, um seinem aktuellen Tanzpartner respektvoll zu begegnen, hatte er bereits wen anderen an der Hand. Dennoch versuchte sich Aaron anzupassen, schaute auf die Füße der anderen, um ihre Hüpfschritte nachzuvollziehen und irgendwie nachzumachen. Aaron war in klassischen Tänzen geschult, aber 'Bauerntänze', wie diese Art von Tanz in Adelskreisen genannt wurde, waren ihm fremd.

Nach einigen Minuten glaubte Aaron der Kopf zu drehen, als er wieder einmal im Wirbel der Tanzenden zum nächsten Tanzpartner übergewechselt wurde und bei der Berührung desjenigen, nur wieder sein Körper auf magische Art und Weise reagierte. Schon bevor Aaron den Blick überhaupt gehoben hatte, war ihm bewusst, bei wem er gelandet war. Er musste wegen dessen Magiebegabung derartig reagieren, aber es war keinesfalls unangenehm, im Gegenteil. Genauso wenig unangenehm war ihr Tanz. Aaron kam nun mit dem Tanz viel besser zurecht, da er eine Führung von Merthin bekam, die ihm die Richtung wies und er einfach nur folgen brauchte. Es begann Aaron sogar Spaß zu machen, wo er sich jetzt nicht mehr so überrumpelt fühlte und weil das angenehme Gefühl, das von seinem Mal ausging, das ganze natürlich noch angenehmer machte.

Das Kompliment kam unerwartet, erfreute Aaron aber trotzdem. "Alles nur Übung", verwendete er Merthins Worte von vorhin und erwiderte das Schmunzeln, bis er merkte, dass sein Tanzpartner sie aus der Reihe hinaus führte und sie damit wieder eigene Wege gehen konnten. Was sie noch vorhatten konnte Aaron sich denken, auch wenn er nichts dagegen gehabt hätte, noch etwas länger mit Merthin zu tanzen. Vielleicht diesmal auf seine eigene Weise, um einen eigenen Einfluss einzubringen, aber wahrscheinlich hätte er in dieser Gesellschaft schneller einen neuen Tanzpartner, als er gucken könnte. Das wiederum... wäre Aaron dann nicht so recht gewesen. Der Prinz stutzte schließlich, als er das Zwinkern dieser bernsteinfarbenden Augen sah. Das war eine recht freche Geste, aber genau deshalb gefiel es Aaron irgendwie. Wer würde es sich auch schon wagen ihm zuzuzwinkern? Egal aus welchem Grund, das war für einen Adligen keine angemessene Geste. Aber davon hatte er heute schon so Einiges erlebt und der Prinz konnte ohne Probleme behaupten, dass dies der verrückteste Tag in seinem Leben war. Und eigentlich... wollte er sowas öfters erleben. Zuhause würde er nichts hiervon erzählen dürfen und das hatte er auch absolut nicht vor.

Zeichen deuten

Kapitel 3
 

Marie

Während Merthin mit einem Grinsen die Antwort des anderen - seine Antwort von vorhin - quittierte und ihm ein "Gut gekontert; dann ist das also auch eine Stärke von dir...!?", zurückgab, betrachtete eine ältere Frau die Szene von außen und spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Die Aura, die dieses Paar umgab, leuchtete hell in den Farben Gelb-orange und Hellblau und war so kraftvoll, dass es sicher auch andere spürten, die den beiden zusahen, auch wenn sie das Licht nicht sehen konnten. "Die Prophezeiung beginnt sich zu erfüllen", sprach Falk, der neben sie getreten war, ihre Gedanken aus. Marie nickte und schluckte, sammelte sich einen Moment. "Früher als erwartet", sagte sie. "Ich hatte gehofft, er hat noch etwas mehr Zeit..." Falk nickte leicht. "Und dass ausgerechnet ER der andere ist, war auch nicht abzusehen." Marie schmunzelte. "Doch!", erwiderte sie. "Es ist lange her, aber sie sind sich schon begegnet. Sie hatten sich vor über 20Jahren schon einmal gefunden." Falk sah sie verwundert an., bis die Erkenntnis seine Mine veränderte. "Der Junge in dem Garten...", sagte er tonlos. "Der seiner Amme weggelaufen war." Marie nickte lächelnd. Auch Merthin war weggelaufen und als man die beiden schließlich gefunden hatte, war es ihr Glück gewesen, dass die Amme so große Angst vor Bestrafung gehabt hatte, dass sie nichts erzählt hatte. "Wir müssen vorbereitet sein, wenn sie uns brauchen. Morgen schicke ich Gesandte aus, die unsere Verbündeten informieren. Ihre Magie wird etwas auslösen in diesem Land. Und erstmal wird es nichts Gutes sein. Zu lange ist die Magie unterdrückt worden. Und wenn das nicht in einer kompletten Katastrophe enden soll, dann müssen wir schnell informiert werden, sobald sich etwas Verdächtiges regt. Wir wissen noch immer nicht, wo die übrigen Teile der Prophezeiung sich befinden."
 

~.~.~.~.~.~.~.~.~.
 

Merthin

Gemeinsam betraten sie das Zelt und er griff zu der Laterne, die am Eingang hing. Ohne darüber nachzudenken, entflammte er den Docht und nahm die Laterne mit ins Innere. Dann ging er zu einer der Kisten hinüber, die er vorhin nur schnell hingestellt hatte. Im Zelt waren zwei Betten hergerichtet, der Rest stand einfach ungeordnet da, wobei eine weitere Kiste noch offenstand, weil er vorhin darin seine frischen Klamotten gesucht hatte. Gezielt öffnete er die Kiste, in der er seine Bücher und seine Schreibsachen hatte, und holte Papier und ein Stück Kohle heraus. Er legte es auf einen niedrigen Tisch und kniete sich hin. In gewohnter Bewegung schrieb er drei der Zeichen auf. Er hatte sie schon oft gezeichnet, in seinen Aufzeichnungen, seinen Büchern, in denen er seine Gedanken niederschrieb, seine Informationen sammelte, in denen er seine Erfahrungen notierte, die mit seinem Körper und seinen Fähigkeiten zusammenhingen. Es waren zunächst einmal die drei Male, die er am deutlichsten spürte. Die, die sich an seinem Hals befand, die die über seinem Herzen lag und die, die an seinem Oberarm prangte. Erwartungsvoll blickte er Aaron an. „Sind das Zeichen der alten Schriften?“, fragte er. „Und wenn ja, was bedeuten sie?“ Er bemühte sich möglichst gleichgültig zu klingen.
 

Aaron

Der Brünette folgte Merthin nun zu dessen Zelt, bemerkte das kurze, erneute Aufflammen seiner Feuermagie und bestaunte das Feuer in der Laterne. Es zu entzünden war für Merthin augenscheinlich keine große Sache gewesen. "Habt Ihr zu jeder Zeit das Feuer unter Kontrolle?", konnte sich Aaron einfach nicht zurückhalten zu fragen. Ihn interessierte dessen Magie unheimlich und vielleicht könnte er ihm auch vertrauen, aber ganz so einfach war es nicht. Dafür drohte jedem einzelnen und deren Angehörigen zu viel Leid, als dass man leichtfertig mit solchen Informationen umgehen könnte. Daher blieb Aaron dennoch zurückhaltend, auch wenn er dasselbe Schicksal teilte, wie der Feuermagier vor ihm.

Erstmal schaute der Prinz sich ein wenig im Zelt um, während der andere in den Kisten wühlte. Erst als der Blonde zu schreiben begann, trat Aaron interessiert näher, blieb hinter dem Knieenden stehen. Neugierig schaute Aaron Merthin über die Schulter, während er mit Kohle anfing sehr geübt Zeichen zu schreiben. Da er so am Boden hockte, hatte Aaron es sehr leicht zu schauen, was der Blonde da tat. Ein bisschen legte er den Kopf schief, denn man merkte, dass der Andere die Schriftzeichen immer als einzelnes aufzeichnete und nicht wirklich einen fließenden Text verfasste. Aber das schmälerte Aarons Neugier überhaupt nicht. Erst als er konkret gefragt wurde, beugte er sich kurz hinab und hob das beschriebene Blatt auf, um sich die Schriftzeichen genauer anzuschauen. Da brauchte er wirklich nicht lange zu überlegen, weshalb er sofort nickte. Diese Linien waren eindeutig altehrwürdig und von ihnen ging ein Mysterium aus, das Aaron sogleich fesselte. "Ja,das sind sehr alte Zeichen in Kunstform geschrieben...", murmelte Aaron wie in Gedanken versunken. In der Staatsbiblkiothek gab es ein uraltes Buch, das nur von ausgewählten Personen berührt werden durfte und das auch nur so vorsichtig, wie es nur gesittete Leute vermochten. Jede zu ruppige Behandlung könnte das Buch zerstören, daher wurde es sehr sicher in einer Glasvitrine aufbewahrt. Dieses Buch war vollkommen in Ahnensprache verfasst und beschrieb das Zusammenfügen von alten Symbolen zu dieser Art der Schriftzeichen, wo jedes seine eigene Bedeutung hatte.

Mit dem Finger malte Aaron die Strichführung nach und setzte erst dann zum Sprechen an, nachdem er das Zeichen nachgemalt hatte. "Schicksal", laß er das erste Schriftzeichen vor, während er bereits das nächste ebenfalls nachzeichnete. "Liebe", war das nächste Wort, auch beim dritten Schriftzeichen folgte er mit der Fingerkuppe der Strichführung, bevor er auch dieses vorlaß. "Stärke" Erst als er das dritte Wort ausgesprochen hatte, überkam ihn ein merkwürdig vertrautes Gefühl. Aber die Sprache war ihm ja auch vertraut, daher dachte er sich nichts weiter dabei. Der Prinz blickte nun wieder Merthin an und lächelte ein bisschen. "Wo habt Ihr gelernt sie zu schreiben?", fragte Aaron neugierig nach. Schriftzeichen mit Wortbedeutungen selbstständig zu schreiben, bedurfte größere Kenntnis der Sprache, da sie aus verschiedenen Schriftzeichen bestanden, die zu einem Zeichen verbunden waren, um eine gemeinsame Bedeutung zu schaffen. Aaron konnte sie lesen, da er die einzelnen Schriftzeichen kannte und sich daher die Bedeutung für ihn erschließen ließ. Aaron hatte anfänglich gedacht, dass Merthin die Zeichen in einer alten Schrift gesehen hatte, deren Bedeutung er kannte, um zu testen, ob Aaron die Bedeutung ebenfalls erkennen würde. Doch wo der Brünette jetzt in diesem Zelt stand und in das Gesicht seines Gegenübers blickte, glaubte er nicht mehr daran. Merthin hatte die Bedeutung nicht gewusst und ehrlich wissen wollen, was sie bedeuteten, oder? Hatte er also auch Interesse an dieser alten Sprache?

"Wollt Ihr... auch die Zusammenstellung des Schriftzeichens erfahren oder reicht Euch das Wissen um die Bedeutung?", fragte Aaron ein bisschen zögerlich nach. Natürlich teilte er gern sein Wissen, da er nicht nur höflich gefragt worden war, sondern es auch Teil einer Abmachung war, die Aaron gedachte vollständig einzuhalten. Allerdings war ihm auch bewusst, dass es viele langweilte, wenn man mehr Informationen zugesteckt bekam, die man gar nicht hören wollte und daher wollte er Merthin nicht damit langweilen.
 

Merthin

Erst als er den Kommentar des anderen hinsichtlich des Feuers hörte, merkte er, dass er gedankenlos gewesen war. Er griff in seine Tasche, zuckte mit den Schultern und zeigte Aaron die Feuersteine. "Hiermit schon", bediente er sich der Notlüge. Letztlich wusste er noch immer nicht, wer der andere war. Und er hatte eh schon viel riskiert, es sollte nicht zu viel sein...

Daher überging er den forschenden, fragenden Blick und widmete sich lieber dem, weswegen sie hier waren. Dass seine Affinität zu Feuer heute größer zu sein schien, behielt er ohnehin lieber für sich.
 

Merthin sah schon am Gesichtsausdruck des anderen, dass er lesen konnte, was dort geschrieben stand. Und Merthins Herz begann so heftig zu schlagen, dass er ganz benommen war. Und es fiel ihm schwer, die Ruhe zu bewahren, die er so dringend brauchte. Doch seine Male spürten seine Unruhe. Sie ließen sich nicht beirren. Etwas Wichtiges, Bedeutsames lag in der Luft und es länger zu leugnen, konnte selbst Merthin nicht mehr. Und nun bestätigte der andere, dass die Zeichen aus längst vergessenen Tagen stammten. Der Feuermagier schluckte und seine Augen weiteten sich. Erstaunt und genauso erfreut sah er den anderen einen Moment an, doch er versteckte seine Aufregung sogleich wieder. Er sah Aaron zu, wie er die Zeichen nun in einzelnen Elementen nachfuhr, als bestünden sie aus einzelnen Buchstaben und seien nicht ein Buchstabe für sich. Diese Idee war ihm noch nicht gekommen... Er versuchte sich genau einzuprägen, wie Aaron diese nachfuhr, doch es war nicht so einfach, denn es schien ihm einen Moment, als streichle jener nicht über das Papier, sondern direkt über seine Haut. Und dieses Gefühl löste ein Kribbeln in seinem Innersten aus, das er noch nie in dieser Intensität gespürt hatte. Erneut musste er schlucken und sich zu konzentrieren, fiel ihm schwer. Und als Aaron die Bedeutung der Zeichen aussprach glühte das jeweilige Zeichen auf seiner Haut auf. Schicksal ließ seinen Hals erglühen. Liebe - und sein Herz brannte. Stärke - und sein Arm entflammte. Ohne es zu merken hatten seine Hände das jeweils Mal berührt, als könne er es sonst nicht fassen. Er kannte nun die Bedeutungen und sie machte etwas mit ihm, sie bewirkten etwas in ihm. Es war, als hielte Aaron den Schlüssel zu einer ihm noch unbekannten Kraft in Händen. Oder war Aaron etwa der Schlüssel? Die Frage des anderen unterbrach jäh seine Gedanken.

"Ich", begann er und brach gleich wieder ab, um sich zu sammeln. "Ich lese gerne", sagte er ausweichend und überlegte kurz. "Diese Zeichen habe ich an einem Tempel im Süden gesehen. Sie haben mich fasziniert, weil es schien, als ginge eine Kraft von ihnen aus. Daher habe ich sie abgemalt." Er lächelte den anderen an. "Aber ich wusste nicht, was sie bedeuten." Ob er die anderen vier Male auch zeichnen sollte? Oder würde er Verdacht schöpfen, wenn er zu neugierig wurde? Er blickte auf die Zeichen und versuchte seine Verwirrung zu sortieren. Dieser Tag war anstrengend, was seine emotionale Gelassenheit betraf. Seit ihn dieser Mann an der Schulter berührt hatte, schien seine Welt langsam aber stetig aus den Fugen zu geraten und seine so mühsam antrainierte Ruhe zu schwinden. Und Merthin wusste nicht nicht genau, ob das gut oder schlecht war.

Eine kurze Stille entstand, der Merthin kurz entfliehen wollte. Vermutlich war es aber nur die eigene Unsicherheit. Denn eigentlich fühlte sich die Stille gar nicht so unangenehm an. Als Aaron wieder das Wort ergriff, blickte ihn Merthin überrascht an. "Gerne...", sagte er langsam. "Ich würde gerne alles erfahren, was es über diese Zeichen zu wissen gibt." Das Eis in Aarons Augen schien wärmer zu werden, während er nun sprach. Offenbar war der dankbar für das Interesse und dass es jemanden gab, der ihm zuhörte.

Er zeigte ihm die Reihenfolge, in der die einzelnen Zeichen gemalt wurden. Das Schicksal setzte sich aus den Zeichen für Glück und Wille zusammen, während Liebe aus den Zeichen für Gefühl, Verstand und wertvoll sich ergab. Stärke setzte sich aus den Zeichen für Mut und Vernunft zusammen. Merthin stellte Fragen, wenn er etwas wissen wollte, ließ sich alles genau erklären, und er saugte die Informationen wie ein Schwamm auf. Und darüber beruhigten sich auch seine Male wieder und er kehrte zu seiner Ruhe zurück. Als die Lehrstunde zu einem Ende kam, saßen sie gemeinsam am Boden und Merthin spürte, wie nah ihm der andere war - nicht nur physisch irgendwie. Und auch wenn die Male kalt und nicht mehr sichtbar zu waren, hatte er das Gefühl, von Magie in seinem Inneren. Es fühlte sich seltsam an und mittlerweile meinte er mit Bestimmtheit sagen zu können, dass es an Aaron oder zumindest an dessen Erläuterungen lag. Und so schön er das Gefühl auch fand, so ungewohnt und damit unangenehm war es auch. Was wenn der andere das merkte? Er sah ihn kurz schweigend an. Dann drehte er sich weg und spürte, dass der Anzug drückte. Dieser lag eng an und war auf Bewegungen im Stehen ausgelegt. Merthin stand schließlich auf und zog sich das Oberteil aus, um sich sein einfaches Hemd und eine Jacke wieder anzuziehen. "Wenn du müde bist", sagte er, während er sich umzog, "kannst du dieses Bett hier nehmen." Er deutete darauf und drehte sich um. Er zog ein frisch gewaschenes Hemd aus der Truhe und warf die Sachen dem anderen zu. "Für die Nacht", sagte er knapp. "Brauchst du sonst noch etwas? Ich würde nochmal zu den anderen gehen. Du kannst gern mitkommen. Aber wir müssen morgen auch ziemlich früh raus." Irgendwie wollte er der Situation gerade entkommen. Das alles musste sich setzen. Da er heute den halben Tag verschlafen hatte, würde er ohnehin nicht so bald schlafen können. Noch einmal rauszugehen und an die frische Luft zu kommen, kam ihm gerade paradiesisch vor.
 

Aaron

Es kam eine gewisse Unruhe von Merthin, während Aaron ihm die Bedeutung der Schriftzeichen offenbarte, hinzu kam eine Wärme, die Aaron immer nur in Merthins Nähe zu spüren bekam. Es schien, als würden diese Schriftzeichen ein viel größeres Geheimnis umgeben, als der Prinz angenommen hatte. Dieses Mystische hatte er sofort gespürt, aber das war bei Ahnensprache öfters der Fall. Allerdings war dies hier auf eigenartige Weise tiefergehend. Nun, man durfte dabei natürlich nicht vergessen, dass sie beide eine Magiebegabung hatten und es da nicht ungewöhnlich sein konnte, wenn solch magische Momente entstanden. Nicht für alle sichtbar, nicht für alle spürbar und erst recht nicht für alle gedacht.

Als Aaron wieder den Blonden anschaute, hatte er viele seiner Reaktionen bereits verpasst, war er selbst doch so auf die Kohlestriche fixiert gewesen, hatte sich so von ihnen in den Bann ziehen lassen, dass er alles um sich herum vergessen hatte. Es beschäftigte den Prinzen noch, dass es gerade diese drei Worte waren, die Merthin so fasziniert hatten, dass er sie aus dem Gedächtnis aufschreiben konnte. 'Schicksal, Liebe und Stärke', das waren alles große Worte. Eines stand schon fest, Aaron wollte den Ort sehen, wo Merthin die Schriftzeichen entdeckt hatte, wollte sie mit eigenen Augen sehen und sich die Umgebung dazu anschauen. Vielleicht hatte Merthin die Zeichen aus dem Kontext gerissen, da nur diese drei ihm interessant vorgekommen waren, aber da stand dann gewiss noch mehr! "Ein Tempel im Süden...", wiederholte Aaron daher nachdenklich, da er sich nicht sicher war, ob er wusste, welchen Tempel Merthin meinen könnte. "Ah, meint Ihr vielleicht den großen Tempel der Ashé?", fragte Aaron recht plötzlich aufgeregter nach. Ein kleines bisschen hatte Aaron seinen Eispanzer um sich herum dünner werden lassen und zeigte mehr seiner Begeisterung für die alte Sprache. "Wie gerne würde ich hinreisen und mir Eure interessanten Schriftzeichen persönlich anschauen... da gibt es gewiss noch mehr", fügte er hinzu und schaute nochmal auf das Blatt Papier. Ob er das behalten durfte?

Aaron fing den überraschten Blick seitens Merthin auf und lächelte sogleich etwas, als dieser zustimmte. Es hatte etwas Ironisches, das Aaron ausgerechnet in der Nähe eines Kindes des Feuers von dessen Wärme stückchenhaft aufgetaut wurde und sich in dieser unbekannten Situation nichtmal mehr allzu fremd vorkam. Gemeinsam konnte Aaron mit Merthin am Boden sitzen und ihm ausführlich alles erzählen, was er über die Schriftzeichen sagen konnte. Dabei beantwortete er jede Frage des Blonden gewissenhaft und kam ihm ganz automatisch auch näher dabei. Aaron merkte genau, wie Merthin jede Information aufnahm und keine auszulassen wünschte. Ein solch langes und tief gehendes Gespräch hatte Aaron seit Ewigkeiten nicht mehr geführt. Mit Adligen konnte man so einfach nicht sprechen, da sie grundsätzlich andere Interessen hatten und sowieso alles sehr oberflächlich blieb. Aaron genoss es, zu einem gewissen Teil aus seiner Rolle zu fallen und sich zumindest für diesen Moment als jemand anderes zu fühlen, als ein Prinz des Landes zu sein.

Aarons Blick folgte fast automatisch Merthin, als dieser sich erhob und anfing sich etwas anderes anzuziehen. Das ging wieder gegen Aarons Erziehung, man entblößte sich ja nicht vor anderen! Auch nicht wenn es nur die Oberbekleidung eines Mannes war. So erhob sich Aaron auch vom Boden und wandte sich vollständig ab, um Merthin seine Privatsphäre zu geben, die ihm zustand. Nicht dass es ihn nicht aus Interesse mal reizen würde zu schauen, aber das ging natürlich nicht. Kurz und nur aus den Augenwinkeln schaute Aaron dann doch zu Merthin, als dieser ihm deutete, wo er schlafen durfte. Aaron hatte hingucken müssen, um sich nicht am Ende auf den falschen Platz schlafen zu legen. Ein Bett war genauso Privatsphäre wie das Bekleiden, diese Grenze, die bei Adligen sehr schnell erreicht war, wollte er bei den Leuten hier nicht überschreiten. Auf diese Weise hatte der Prinz aber immerhin auch sehen können, wie Merthin ihm etwas zuwarf, was er reflexartig auffing. Kleidung...? "Ich danke Euch, Merthin!", sprach er als erstes wieder höflich, blieb aber etwas abgewandt vom anderen. "Wenn Ihr entschuldigt, würde ich es vorziehen, mich zur Ruhe zu begeben. Heute ist so viel passiert", entschuldigte er sich dafür, dass er gern schlafen würde. Auch wenn ihm Merthins Gesellschaft angenehm war, so spürte er durchaus die Müdigkeit in seinen Glieder kriechen. Zudem würde sich Aaron nicht umziehen, solange Merthin noch im Zelt wäre. Nicht nur aufgrund seiner Erziehung, sondern auch, damit kein unbedachter Blick das Bildnis auf seiner Haut entdecken könnte. Zwar konnte sich Aaron nicht mehr vorstellen, dass er gemeuchelt werden würde, aber feindselig könnten und würden die Menschen hier gewiss dennoch auf ihn reagieren.
 

So wartete Aaron bis er alleine im Zelt stand und sich auch sicher war, dass Merthin komplett vom Zelt weggetreten war. Irgendwie stand Aaron so sehr unter Strom und merkte das erst jetzt so richtig, da er nur mit sich allein war. Sein Blick glitt zu dem Bett. Es war ein einfaches und schlichtes Gestell, wirkte aber durch die aufgeschüttelten Kissen sehr bequem. Gut, mit seinem Bett im Schloß ließ sich dies natürlich nicht vergleichen, aber das erwartete Aaron auch gar nicht. Hauptsache es war weich und hielt warm. Es passierte recht schnell, dass Aarons Körper im Schlaf abkühlte, was aufgrund der Eismagie, die in seinem Körper schlummerte, nur allzu leicht passierte. Daher kuschelte sich Aaron auch immer fest ein, auch wenn es ihn selbst nicht störte, wenn es kälter war, so hatte er dennoch ein natürliches Bedürfnis nach Wärme und Geborgenheit.

Schließlich stellte sich Aaron mehr an die Seiten des Zeltes und auch außerhalb der direkten Sichtweite zum Eingang, um nicht überrascht zu werden. Erst dann schlüpfte er fix aus seinen Klamotten raus und zog sich die frischen, geliehenen Klamotten über. Er merkte gleich den Unterschied in der Schneiderkunst, waren diese Stoffe nicht so fein verarbeitet und peinlichst genau genäht wie seine eigenen Sachen, aber für die Nacht würde es gewiss gehen. Ohne weitere Umschweife schlüpfte er unter die Decke des Bettes, das Merthin ihm eben gedeutet hatte und ging dabei mit Fingerspitzengefühl vor. Noch nie hatte Aaron in einem anderen Bett oder an einem anderen Ort geschlafen, der nicht vom König abgesegnet gewesen war. Bestimmt wunderte man sich im Schloß bereits, dass keine Nachricht vom Aarons Kutsche geschickt wurde, dass sie ihr Nachtlager erreicht hatten. Was seine Familie darüber wohl gerade denken mochte? Schnell schüttelte Aaron selbst den Kopf, er würde ja bald wieder Zuhause sein und alles aufklären können. Allerdings ohne die Schausteller zu erwähnen, die seine Rettung gewesen waren. Einen Orden würden sie dafür vom König nämlich sicher nicht erhalten.

Kurzerhand legte Aaron das Papier mit den Zeichen unter sein Kopfkissen. Manchmal träumte er von der alten Sprache, so hoffte er, dass er vielleicht im Traum mehr ihrer Rätsel gelöst bekommen würde. Kurz gähnte er verhalten, ehe er die Laterne mit dem Licht anschaute und dadurch mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen die Augen schloß und fast sofort vor Müdigkeit ins Reich der Träume entglitt.
 

Merthin

Der große Tempel der Ashè? Merthin war noch nicht viel im Süden unterwegs gewesen. Die Landschaft war karg, die Bevölkerung wenig humorvoll und eher zurückgezogen in ihre Bergdörfer, so dass es für Schausteller wenig ansprechend war, dorthin zu reisen. „Ich weiß es nicht mehr“, erklärte er schlichtweg. „Es ist schon lange her. Ich müsste meinen Vater fragen…“ Einen Moment brannte ihm eine Frage auf der Zunge. Bauern, Handwerker – solche Menschen blieben an Ort und Stelle und wanderten höchstens mal übers Wochenende zu einem Markt in die Nachbarorte. Aber Menschen, die ja offenbar mit Gefolge unterwegs waren, konnten doch einfach beschließen, eine Reise unternehmen zu wollen. Merthin überlegte, ob er ihn darauf ansprechen solle, aber zweierlei hielt ihn ab. Ihre Gespräche, ihre ‚Nähe‘ - die genauer betrachtet wohl gar keine war - funktionierte vermutlich nur, weil er von Aaron nicht viel wusste. Er wusste nicht, welchem Stand er letztlich wirklich angehörte und was er arbeitete. Wenn er aber fragen würde, würde diese Grenze womöglich überschritten. Und außerdem hatte er Bedenken, dass der andere dann doch auch nochmal nachfragen würde, woher er die Zeichen kannte.
 

Dass Aaron es als unangenehm empfinden könnte, dass er sich in seiner Nähe auskleidete und umzog, war ihm gar nicht bewusst gewesen. An der Reaktion des anderen merkte er es aber dennoch und so beeilte er sich mit dem Umziehen. ‚Meine Güte sind die verklemmt…‘, seufzte er innerlich. Sie sahen doch alle gleich aus, oder? Was war an einem nackten Oberkörper wohl verwerflich? Aber das war ein anderes Thema. Vermutlich würde der andere im Boden versinken, wenn er bei ihnen bliebe und einen „Badetag“ miterleben müsste… Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht bei dem Gedanken. Er selbst hasste es, sich schmutzig zu fühlen. Aber es blieb bei ihrer Arbeit nun mal nicht aus. Dennoch wusch er sich regelmäßig und wenn er die Gelegenheit hatte, in ein Badehaus zu gehen, nahm er sie wahr. Andere sahen das bei weitem nicht so streng. An Badetagen waren sie dann meist bei einem See oder Fluss und alle mussten sich gründlich reinigen und ihre Klamotten wurden gewaschen… Dass da der ein oder andere nackt herumlief, blieb meist nicht aus. Als sich Aaron bedankte, war er bereits wieder angezogen und er sah zu dem so hellhäutigen, der sicher nicht viel Sonne in seinem Leben sah. Der Blonde nickte. Irgendwie war es komisch, so gesiezt zu werden, er war es nicht gewohnt. Diese geschwollene Ausdrucksweise war genauso anstrengend. Aber den Dank nahm er gerne mit einem Nicken entgegen. „Wenn was ist, dann bin ich am Lagerfeuer“, sagte er. „Ansonsten wünsche ich eine erholsame Nacht!“

Damit trat er aus dem Zelt und atmete kurz tief durch, als ihm die kühle Nachtluft entgegenschlug. Irgendwie war er froh, jetzt wieder für sich zu sein. Und doch wusste er, dass dieser Tag heute etwas Schicksalhaftes hatte. Er griff zu seinem Hals. Schicksal…. Mit einem Seufzen begab er sich zu den anderen. Eines war ihm definitiv klar nach diesem Tag. Er würde in einem Monat, wenn er in der Hauptstadt war, in die Bibliothek einbrechen, um an Bücher zur vergessenen Sprache zu kommen.
 

Als Merthin nach einem Bier und etwas Geplauder in das Zelt zurückkehrte, schlief Aaron bereits. Leise entkleidete sich Merthin und legte sich unter seine Decke, die er für sich eher dünn hielt. Er sah, dass die Laterne noch brannte und ließ sie ausgehen. Es war ein komisches Gefühl, mit jemandem im Zelt zu schlafen. Er hatte sein Zelt bereits seit langer Zeit, wollte schon sehr früh ein eigenes haben. Seitdem hatte hier selten jemand geschlafen… vielleicht mal seine Freunde, wenn sie zu betrunken gewesen waren, zurück in ihre Betten zu finden. Wenn er mit jemanden ins Bett gestiegen war, dann war das nie im Lager oder gar in seinem Zelt gewesen. Und er hatte sich auch nie auf jemanden vom Tross emotional tiefer eingelassen, obwohl Jenna durchaus einmal an mehr als nur einer Freundschaft interessiert gewesen war… Merthin wischte die Gedanken aus seinem Kopf. Er sollte dringend schlafen. Und so drehte er sich um, lauschte den Atemzügen und war doch irgendwann eingeschlafen.

Ungesehen

Kapitel 4
 

Aaron

Die Nacht selbst verlief ruhig und Aaron konnte erstaunlich gut schlafen. Im Schlaf hatte er sich die Decke höher gezogen und sich fest darin eingeschmiegt. Der nächste Morgen begann dann noch recht entspannt, wurden sie doch von den anderen und den langsam erwachenden Vögeln ihrer Umgebung geweckt. Wenn Aaron ehrlich war, so war er an dem Morgen überrascht gewesen, dass Merthin ebenfalls im Zelt geschlafen hatte. Immerhin war es auch Aaron gewohnt, stets alleine ein Zimmer zu bewohnen und jemanden mit in seinem Gemach oder gar mit in seinem Bett schlafen zu lassen, war undenkbar. Im Nachhinein war er sogar etwas zu sorglos gewesen, sich einfach schlafen zu legen und nicht dabei vergessen zu bedenken, wo er hier war. Doch irgendwie hatte er sich hier inmitten aller so gar nicht bedroht gefühlt und hatte deshalb schlafen können ohne Sorge zu haben, im Schlaf attackiert zu werden. Dabei war das immer das, wovor die königlichen Geschwister immer gewarnt worden waren, erstrecht vor Wandervolk. Aaron konnte nun behaupten, nicht solch schlechte Erfahrungen gemacht zu haben, wie immer gepredigt wurde.

Sie hatten noch Zeit für ein kleines Frühstück, dann mussten sie bereits alles wieder zusammenpacken, wobei Aaron wieder mithalf. Das war das mindeste, was er für die Leute hier tun konnte. Schließlich hatten sie ihm mehr gegeben, als Aaron ihnen als Prinz hätte geben dürfen. Letztlich war alles in Windeseile geschafft und die Fahrt konnte weitergehen. Wieder saß Aaron im Wagen zusammen mit Merthin und seiner Mutter und Oma. Jetzt würde es nicht mehr weit bis nach Manjak sein.

Recht plötzlich konnte man spüren, wie die Wagen abgebremst wurden und schließlich anhielten. "Was ist los?", fragte Sarah und sprang kurzerhand auf, öffnete die Tür des Wagens und blickte hinaus. Sofort schloß sie die Tür so geräuschlos sie blickte die anderen Insassen des Wagens erschrocken an. "Soldaten", sprach sie und öffnete die Tür wieder, um zuzuschauen, wie ein ganzer Trupp dieser Rüstungsmänner vor dem Leitwagen stand und der Kommandant der Einheit mit Falk sprach. Im nächsten Moment ertönte ein Vogelruf. Einer der Kollegen hatte ihn zur Warnung aller gepfiffen.

Aaron wurde zusehends unruhiger. Da waren Soldaten? Soldaten der königlichen Streitmacht? Wenn die ihn hier fanden, waren diese Leute geliefert, egal was Aaron sagen würde. "Ehm..", murmelte Aaron etwas nervös, ehe er sich von seinem Platz erhob. "Entschuldigt, aber ich würde es vorziehen, nicht von den Soldaten gefunden zu werden", sprach er nun klarer. Aaron verzichtete auf weitere Erklärungen, um sich nicht am Ende noch darin zu verstricken. "Ich schaffe es von hier auch alleine zur Stadt, es dürfte ja nicht mehr weit sein", fügte er hinzu und blickte Merthin an. "Ihr sagtet, ich solle einfach dem Weg folgen?", griff Aaron das nochmal auf, denn gestern hatte der Blonde auch gesagt, dass er die nächsten Stadtmauern erreichen würde, wenn er dem Weg folgen würde. Das meinte Aaron nicht einmal als Anspielung, sondern als ernst gemeinte Wegbeschreibung. Der Prinz kannte sich gar nicht auf den Wegen aus, hatte sich auch nie damit beschäftigen müssen.

Noch ein Pfiff als Vogelruf getarnt ertönte und sollte den Mitgliedern des Trupps sagen, das die Soldaten nun näher kamen. Sarah schaut aus dem Wagen und sah die Soldaten bei den ersten Wagen anfangen, diese zu durchsuchen. Falk versuchte schon sein Bestes mit seinen Redekünsten die Soldaten abzubremsen, sie abzulenken, wollte er schließlich auch nicht, das dass Aaron unter ihnen gefunden wurde. Marie war dann wortlos aufgestanden und hatte zwei Umhänge hervorgezogen. Wo auch immer sie die nun her hatte. Sie legte jeweils Aaron und auch Merthin einen um die Schultern, nickte ihrem Enkel dann wissend zu. Die Umhänge waren von besonderem Material, sodass sie in entscheidenden Situationen nicht entdeckt werden würden. Das dies auch Merthin als Lösung einfallen würde, war ihr klar gewesen, denn es war die einzig richtige Lösung.
 

Merthin

Sie brachen bald auf. Wirklich ausgeschlafen hatte er nicht, aber sie würden nicht lange nach Manjak brauchen. Wenn ihr festes Lager später aufgebaut war, könnte er noch eine Runde schlafen, bevor er sich in das Nachtleben stürzen würde, um mit seinen Freunden ein wenig zu feiern. Und vielleicht ergab sich ja auch die Möglichkeit, mal wieder außerhalb des Lagers die Nacht zu verbringen… Seit er vergangene Nacht mit seinen Gedanken in diese Richtung gewandert war, hatte er das dringende Bedürfnis nach körperlicher Nähe verspürt. Und wenn er schon mal dafür Zeit haben würde, musste er es ausnutzen. Der Jahrmarkt, dem sie in Manjak beiwohnen würden, wurde erst in zwei Tagen eröffnet.

Merthin saß zunächst auf dem Kutschbock bei Monty, aber als seine Mutter meinte, sie wolle noch einmal Teile der Show besprechen, ließ er sich durch die Plane in den hinteren Teil des Wagens gleiten. Gemeinsam besprachen sie den Ablauf und gingen andere organisatorische Dinge durch. Marie strickte vor sich hin und schien sehr zufrieden mit allem zu sein. Am Morgen hatte sie ihn bereits abgepasst und er hatte ihr erzählt, dass Aaron die Male tatsächlich hatte lesen können. Sie hatten nicht viel Zeit gehabt, aber seine Oma hatte sich sehr für ihn gefreut, dass er in seinen Recherchen weitergekommen war. Bald würden sie weiter darüber reden können. Aber vor Aaron ging das nicht. Obwohl Merthin das dringende Bedürfnis hatte, mit seiner Großmutter über das Erfahrene zu diskutieren und zu überlegen, was aus dem gewonnen Wissen resultieren könnte.

Als der Wagen stoppte, blickte Merthin irritiert auf. Wieso waren sie stehen geblieben. Auf die Frage seiner Mutter kam nur ein „Keine Ahnung!“ von Monty, wobei man hörte, dass er die Bremse des Wagens festzog. Merthin lauschte, während seine Mutter hinausging, um nachzusehen. Und als sie zurückkehrte, wusste auch er schon, was los war. Man hörte die Rüstungen, die schweren Pferdehufe, hörte Rufe und neben dem Gemaule einiger anderer hörte er auch seinen Vater mit dem Befehlshabenden diskutieren. Was sie wohl suchten? Unwillkürlich fiel sein Blick auf Aaron. Als er sah, dass dieser nervös wurde, stutzte Merthin. Suchten sie am Ende ihn? Wer war er und was hatte er angestellt? In dem Moment, als er die Frage sich dachte, merkte er, dass er schon wieder so misstrauisch war. Vielleicht war es ja auch eher so, dass sie von dem Überfall mittlerweile wussten und schauten, ob sie Gefangene dabei hätten… Als Aaron sagte, er wollte lieber nicht gefunden werden, regte sich sein Misstrauisch aber vehement wieder. Wie sollte der andere denn jetzt untertauchen?! Machte er das wegen sich selbst, oder für sie?

„Du und allein?“, fragte Merthin etwas ungläubig. „Bei allem Respekt, aber du siehst einfach nicht so aus, als könntest du eben mal allein durch den Wald laufen… Wenn dich die Soldaten nicht finden sollten, ist ‚einfach dem Weg folgen‘ wohl nicht die klügste Entscheidung, was?“ Er dachte einen Moment nach, als seine Großmutter aufstand und die Umhänge holte. Na klar! Darauf hätte er selbst ja auch kommen können! Aber wieso zwei? Als sie ihm den Mantel umlegen wollte, hob er etwas überrascht die Augenbrauen. Na gut, dann spielte er halt noch einmal den Babysitter… Der Blick seiner Großmutter sprach Bände und er nickte nur. „Die alte Wasserschleuse…“, erklärte er und stand auf. Er griff in eine Truhe, holte ein Kurzschwert und einen Dolch heraus. Der Dolch verschwand in der Halterung an seinem Stiefel, das Schwert schnallte er sich um seinen Oberkörper, so dass er ihn am Rücken unter dem Mantel versteckt hatte, aber leicht würde herausziehen können. Dann erst legte er den Mantel um, der sie von der Farbe her im Wald gut vor neugierigen Blicken würde schützen können. „Lenkt ihr sie schnell ab? Ich bringe ihn sicher nach Manjak! Wir treffen uns dann später wieder...“

Ohne weitere Erklärungen, stiegen Marie und Sarah aus. „Warum halten wir?“, fragte Sarah laut und stützte Marie, die tat, als sei sie sehr alt und gebrechlich. Sie hustet stark. „Meine Mutter hat den schwarzen Husten und sie muss zum Arzt!“ Merthin deutete Aaron, ihm zu folgen. Er spähte aus dem Wagen, trat hinaus, und gemeinsam huschten sie in den Wald, in dem sie alsbald im Halbdunkel und zwischen dem Gebüsch nicht mehr zu sehen waren. Der kurze Blick eben hatte ihm gereicht, sich zu orientieren. Sie waren wirklich nicht weit entfernt von Manjak, in einer guten Stunde hätten sie die Stadt erreicht.

Merthin lief zügig und leise, blickte sich immer wieder um, ob Aaron ihm folgte und natürlich, ob ihnen sonst auch keiner folgte. Bald drosselte er etwas das Tempo. Es hatte sie vermutlich niemand bemerkt und sie waren weit genug vom Ort des Geschehens entfernt. Dann musste Aaron wenigstens nicht so rennen. „Jetzt musst du mir aber schon verraten, weshalb du dich vor den Soldaten versteckst“, sagte er leichthin. „Hast du was angestellt?“ Merthin merkte, dass er schneller gesprochen als gedacht hatte."Ich glaube, ich möchte es gar nicht wissen...", fügte er daher hinzu. Es wäre besser gewisse Grenzen nicht zu überschreiten. "Hast du gut schlafen können?", fragte er stattdessen. Sie würden noch ein wenig unterwegs sein, bis sie zum Eingang in die Kanalisation Manjaks kämen. Dort führte ein Tunnel in eine Wassersystem unter der Stadt, das früher besser genutzt worden war, das aber marode geworden war, weil es nicht in Stand gehalten wurde. Der König gab dafür keine Gelder aus, wodurch die einst so fortschrittliche Konstruktion nicht mehr repariert wurde. Und Merthin überlegte schon jetzt, wie er Aaron in die Stadt bringen würde und danach ungesehen verschwinden könnte, um ja nicht mit ihm gesehen zu werden.
 

Aaron

Es verwunderte Aaron von Merthin eine kleine Rüge zu erhalten dafür, dass er vorgehabt hatte, alleine die Soldaten zu umgehen. Gestern noch hätte dieser den Prinzen einfach im Wald stehen gelassen, einzig mit der Information, den Weg zu verwenden, und heute traute er ihm das nicht mehr zu. Auch wenn er Recht damit hatte, dass der Brünette alleine nicht weit kommen würde, so war das gestern doch auch schon so gewesen. Vielleicht traf diese Aussage von Merthin aber auch einen wunden Punkt bei Aaron, da er gestern ganz direkt vor Augen geführt bekommen hatte, dass er alleine nicht so ohne Weiteres zurecht käme, aber eigentlich wollte der Prinz nicht so abhängig sein vom Adelshaus und deren Annehmlichkeiten. Merthin das so direkt sagen zu hören, ärgerte ihn deshalb ein wenig. Aber Aaron wäre nicht gut erzogen, wenn er zeigen würde, das ein wunder Punkt von ihm getroffen worden war, Schwäche zeigen ging nämlich eigentlich gar nicht. Das dürfte auch der Grund sein, warum sich Aaron nun besonders gerade hinstellte und die Arme vor der Brust verschränkte. Bevor er sich aber dazu durchringen konnte, eine schön ausformulierte Konterantwort zu geben, schien bereits entschieden worden zu sein, welche Möglichkeit die bessere wäre und auch, dass Merthin ihn dorthin führen würde. Dieser bewaffnete sich zu Aarons kleinem Entsetzen und bat die Frauen eine Ablenkung zu spielen. Schnell zog sich Aaron den Umhang enger um die Schultern und die Kapuze weit ins Gesicht, während er Merthin schließlich zum Wageneingang folgte. Er bewunderte die beiden Frauen, wie sie ohne Widerworte dabei halfen, dass sie beide ungesehen würden entkommen können. Dabei hatte bisher keiner von ihnen gefragt, warum Aaron unentdeckt bleiben wollte. Der Prinz war dankbar dafür, hätte er doch eh keine passende Antwort spontan parat gehabt, dafür war er auch gerade viel zu aufgewühlt.

So leise und so schnell Aaron konnte folgte er Merthin aus dem Wagen und lief etwas geduckt hinter ihm her. Es war ein bisschen schade, dass Aaron sich nicht mehr bei Falk Rosario würde bedanken können, aber vielleicht könnte Merthin später seinen Dank an dessen Vater ausrichten. Momentan hatte er aber ein kleines anderes Problem, nämlich die Tatsache, dass Merthin wesentlich zügiger laufen konnte. Zwar konnte Aaron mithalten, aber das höchstwahrscheinlich nur, weil der Blonde auch darauf achtete. Eine kleine Weile lief Aaron zügig mit, merkte aber bald, dass seine Beine es einfach nicht gewohnt waren, lange zu laufen, dennoch versuchte er nicht abzufallen. Dafür war er aber auch bald aus der Puste, als Merthin schließlich langsamer wurde und sie demnach wohl aus dem gefährlichsten Gebiet raus waren. Sie hatten sich weit vom Weg entfernt und Aaron fragte sich, woher er diesen Weg nur hätte wissen sollen, noch ein Punkt mehr auf seiner Liste, wofür er Merthin noch alles danken musste. Jedoch waren sie noch nicht in der Stadt, weshalb der Prinz auch noch nicht aufatmete.

Und dann stellte Merthin diese schwierige Frage doch. Schlimmer noch, er verdächtigte ihn sogar, etwas angestellt zu haben! Aber Aaron konnte ihm das nicht verübeln. Aaron hatte selbst dafür gesorgt, dass er es nicht wissen konnte und dabei sollte es auch bleiben. Von daher war es gut, dass sich Aaron nicht weiter erklären musste. Zufrieden war der Prinz aber dennoch nicht damit, dass Merthin nun dachte, er sei ein Gesetzloser. Er wollte, dass der Blonde einen weitestgehend guten Eindruck von ihm hatte, nicht nur weil er als Prinz darauf angewiesen war, dass das Volk, zu welchem Merthin ja auch zählte, ihn mochte, sondern auch auf persönlicher Ebene war dies dem bBünetten irgendwie wichtig. 'Eigene Sicherheit und Lügen geht über Freundschaft', dieser Satz hallte in diesem Moment in Aarons Kopf wider. Nach diesem Leitsatz zu handeln müsste bedeuten, dass sich Aaron eigentlich freuen sollte, dass Merthin seine Frage zurückgezogen hatte, und das brachte ihn in eine kleine Zwickmühle. "Ich wollte Euch und Eure Familie nicht mit reinziehen, Ihr seid gute Leute", war es Aaron wichtig zumindest das klar zu stellen. Aaron bräuchte keine Befürchtung vor den Soldaten zu haben, nur die Schausteller wären in purer Lebensgefahr und das hatte keiner von ihnen verdient.

Die nächste Frage war da schon wesentlich angenehmer. "Das habe ich wirklich. Ich hoffe, meine Anwesenheit hat Euch nicht gestört?", antwortete Aaron und wollte dabei gleich die Chance ergreifen zu erfahren, ob Merthin auch gut hatte schlafen können, obwohl sie sich das Zelt hatten teilen müssen. Aaron hatte bereits dazu angesetzt, diese nette Unterhaltung fortzuführen, doch war ihm dann, als hätte er Rascheln im Gestrüpp in der Nähe gehört. Da es hier im Wald auch Tiere gab, schob Aaron einem von diesen die Schuld an diesem Geräusch zu, was ihn kurz wieder beruhigte. Nur einen Wimpernschlag später vernahm Aaron jedoch die typischen Geräusche von maschierenden Soldaten, was man immer sehr gut an den klappernden Rüstungen und den Schwertern hörte, die bei jedem Schritt gegen die Rüstung stießen. Sogleich duckte sich der Prinz mehr, versuchte näher zu Merthin aufzuschließen und suchte mit den Augen die Soldaten, die irgendwo in der Nähe sein mussten. Das kam dem Brünetten seltsam vor, immerhin befanden sie sich gar nicht mehr in der Nähe des Weges, sondern mitten im Wald irgendwo vor der Stadt. Wenn die königliche Streitmacht bereits fernab der Wege durch die Wälder striff, mussten sie wirklich ernsthaft auf der Suche sein und das war durchaus ein Grund zur Sorge. "Merthin...", flüsterte Aaron den Namen seines Begleiters, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er Soldaten gehört hatte. Es fiel Aaron erstaunlich leicht den Vornamen des Blonden zu verwenden. Wenn es höfisch und regelkonform zugehen sollte, hätte Aaron ihn neben dem 'Ihr' auch mit seinem Nachnamen ansprechen müssen. Dass er dennoch von Anfang an den Vornamen verwendet hatte, war für adlige Verhältnisse schon recht persönlich.

Fast in genau dem Moment, als Aaron den Namen ausgesprochen hatte, tauchte einer der Soldaten nahe der Baumgruppe auf, hinter dem sie entlang geschlichen waren. Aaron erschrak ein bisschen und setzte dadurch einen recht unbedachten Schritt, wodurch ein Ast unter seinem Fuß mit einem fiesen Knackgeräusch nachgab und dann zerbrach. Sogleich ruckte der Kopf des Soldaten in die Richtung, aus der das Knacken gekommen war, allerdings sah er nur das Gebüsch, hinter das sich Aaron reflexartig hatte fallen lassen und in seinem Schreck auch gleich Merthin an der Kleidung mit runter gezogen hatte. Die Umhänge leisteten nun hervorragende Arbeit, in dem sie die beiden Träger gut in dem Gebüsch tarnten. Aarons Herz schlug ganz aufgeregt und nervös, solange der Soldat in ihre Richtung starrte, doch schließlich wandte er sich ab. "Verdammte Ratten...", murrte der Mann in Rüstung mit einer sehr tiefen Stimme und klapperte davon. "Sind wahrscheinlich aus den Wagen der Narren vom Wegesrand ausgebüchst. Sollen ihre Haustiere von den Städten fernhalten..", sprach der Mann weiter sehr grummelig und beleidigend anscheinend mit sich selbst. Soldaten waren manchmal nicht besser als Adlige. Das musste am Umgang liegen, aber so frech hatte Aaron noch keinen in seiner Nähe sprechen hören. Aus Angst doch noch entdeckt zu werden, blieb der Prinz am Boden und wartete auf ein Zeichen von Merthin, dass es sicher wäre weiterzuziehen. Ohne es gemerkt zu haben, vertraute Aaron dem Feuermagier gerade blind, denn das fühlte sich so unendlich richtig und natürlich an.
 

Merthin

Merthin hatte vorhin gemerkt, dass sein etwas schnippischer Kommentar hinsichtlich des „Ich kann mich alleine durchschlagen!“ den anderen getroffen hatte. Aber er fühlte sich im Recht! Wenn er nicht erwischt werden wollte – warum auch immer – dann sollte er nicht einfach so Hals über Kopf losziehen. Gestern zumindest hatte er ja so getan, als wüsste er gar nicht, was er tun sollte - allein im Wald. Merthin musste ihn davor bewahren, Dummheiten zu machen! Schließlich würde das doch alles nur auf sie zurückfallen, wenn etwas schiefging. Und wer wusste schon, ob der andere nicht doch noch sich als doppelgesichtiger Adeliger erwies, der die Soldaten auf sie hetzte – und vermutlich vor allem auf ihn, weil er sich die ganze Zeit nicht die Mühe gemacht hatte, den anderen als etwas Besseres zu behandeln. Und vielleicht – aber wirklich nur vielleicht! – machte er sich auch ein wenig Sorge um den anderen, der ihm doch unwissender Weise so viel geholfen hatte. Und so hatte er vorhin die Körpersprache des anderen übergangen – nahm dafür aber die Frage nach den Beweggründen zurück. Er sah, dass der andere nicht nur nach Atem rang, sondern auch mit Frage haderte. Und als er doch eine Antwort hab, war sie sehr ausweichend und nichtssagend. Nicht hineingezogen werden – in was auch immer – reichte Merthin aber. Es war ok. Was auch immer der Hintergrund war, es war wirklich gut, dass jedes Verdachtsmoment von ihnen abgelenkt worden war. Wenn die Soldaten wegen dem Hinterhalt auf den Plan gerückt waren, dann durften sie nichts riskieren. Falk würde sicher erklären, dass sie mit der verlassenen Kutsche am Wegesrand nichts zu tun hatten. Und vermutlich würden die Soldaten dennoch alles nach den gestohlenen Waren absuchen, aber eben nichts finden… Hätten sie den einen Insassen dabei, würde ihnen niemand glauben und sie würden vermutlich alle hängen – je nachdem wie wichtig die Insassen der Kutsche waren.

Insofern gab er sich mit der Antwort zufrieden. Manchmal war Unwissenheit einfach sicherer. Und so freute er sich einfach zu hören, dass der andere gut geschlafen hatte. Doch etwas irritierte ihn dann. Ein Geräusch, etwas, das den Wald aufscheuchte und einen Vogel geräuschvoll aufflattern und schimpfen ließ. Er wollte etwas sagen, aber was auch immer sich ihnen näherte war schon zu nahe. Wieso war er so unaufmerksam gewesen? Sein Herz begann zu pochen, seine Sinne waren geschärft und sogleich spürte er das Brennen unter seinem Hemd und Mantel, das seine Male verriet, die erschienen waren. Er war stehengeblieben und hatte sich zu Aaron umgedreht. Nun legte er den Finger auf die Lippen, als er hörte, dass Soldaten… nein, ein Soldat in der Nähe war. Aaron schloss zu ihm auf und Merthin zog ihn mit sich hinter eine Baumgruppe mit Hecken, die ihnen erst einmal zusammen mit den Mänteln Schutz geben würde.

Als er seinen Namen hörte, blickte er in das klare Blau des anderen. Er hatte ihn bei seinem Vornamen genannt, kam ihm gerade in den Sinn. Aber er verwarf den Gedanken sogleich. Sie waren in Gefahr, da sollte man nicht über solche Dinge nachdenken… Und so hörte dann schon das Schnaufen direkt neben ihnen. Unvermittelt legte er dem anderen die Hand auf den Mund, damit er nicht weitersprach. Dafür machte Aaron allerdings einen Schritt zu viel und in einer nächsten Bewegung fiel er ihm halb in die Arme, klammerte sich an seine Kleidung und Merthin fing ihn reflexartig auf, den Mantel hebend, den er schützend über sie beide fallen ließ, während er den anderen mit zu Boden nahm, wo er ihn an sich zog und sich versuchte nicht mehr zu rühren. Die Berührung mit dem anderen löste wie schon am Tag zuvor eine heftige Reaktion aus. Seinen Körper durchströmte eine Kraft, die sich in zwei Malen zu bündeln schien, dem Mal der „Stärke“ und dem Mal an seinem Rücken, dessen Bedeutung er später als „Sicherheit“ kennenlernen würde. Es schien, als atmeten sie nicht mehr, während der Soldat mit sich selbst sprach und in ihre Richtung sehen musste. Merthin löste vorsichtig eine Hand und legte sie so, dass er jederzeit sein Schwert ziehen könnte, wenn es notwendig werden würde. Doch der Soldat schien sie wirklich nicht zu sehen.

Sie verharrten in der Position noch eine Weile, obwohl die schweren Schritte und das Gemurmel nicht mehr zu hören waren. Als Merthin den Kopf wieder etwas drehte und Aaron ansah, musste er schmunzeln. „Ich glaube er ist weg“, sagte er leise und seine Stimme klang ungewohnt rau und dunkel. „Schon seltsam, dass du dich gestern beschämt weggedreht hast, als ich mir mein Hemd gewechselt habe, und mir heute gleich um den Hals fällst.“ Seine Augen leuchteten auf, während das Schmunzeln um seinen Mund breiter wurde. „Du riechst gut“, stellte er fest. „Aber ein wenig schmächtig, wenn ich das sagen darf…“ Bevor der andere ihm für seine Frechheit eine verpassen könnte – machten Adelige das nicht so? – entließ er ihn aus seiner Umarmung und richtete sich auf, Aaron die Hand hinstreckend, um ihn hochzuziehen. „Komm!“, sagte er. „Wir müssen uns beeilen, nicht dass noch mehr kommen.“ Er zog den anderen mit hoch und ohne es wirklich zu merken, ließ er die Hand nicht mehr los, während er sie durch den Wald führte.
 

Aaron

Es war reiner Reflex gewesen, der Aaron dazu gebracht hatte, sich derartig an Merthin zu werfen und sich an dessen Kleidung festzuhalten. Doch spätestens, als Merthin ihn auffing und sie unter dem Mantel verschwanden, verflog sämtliche Sorge deswegen. Stattdessen entstand ein starkes Gefühl der Geborgenheit und sicher klopfte sein Herz jetzt nicht nur wegen dem Schreck eben etwas schneller. Merthins Wärme und Stärke ergriff auch Aaron und entflammte dadurch intensiver, was auch wieder ein blaues Leuchten zur Folge hatte. Allerdings waren sie sich gerade so nahe, das Merthin selbst das Licht verdeckte.

Erst als die unheimlichen Geräusche des Soldaten in immer weitere Ferne rückten, seufzte Aaron tonlos und lehnte seine Stirn einen winzigen Moment nach vorn, direkt an Merthins Brust. Das angenehme und immer wiederkehrende Klopfen seines Herzschlages hätte Aaron fast dazu gebracht seine eigene Nervösität zu vergessen. Erst als Merthin mit ungewohnt rauer Stimme zu sprechen begann, schaute Aaron auf und blickte mit hoch gezogenen Augenbrauen in die beiden leuchtenden Bernsteine. Seine Stimmlage verpasste seinen Worten noch den letzten Schliff, sodass es Aaron augenblicklich die Röte ins Gesicht schießen ließ. Nein, eigentlich durfte Merthin das nicht sagen, aber er tat es trotzdem und das auch noch unverschämt anziehend. Nach der Etikette hätte Merthin nun mehr als nur eine Ohrfeige verdient, immerhin sprach er nicht nur unverschämte Worte, sondern kritisierte auch sein Aussehen ein bisschen und die allergrößte Frechheit war, dass er Aaron in Verlegenheit brachte. Man brachte Adlige nicht so sehr in Verlegenheit, dass sie keine Worte mehr fanden, um ihrer Empörung angemessen Ausdruck zu verleihen! Bei Aaron traf fast alles zu. Er war empört, beschämt, in schwere Verlegenheit gebracht, sprachlos und gleichzeitig doch auch so unfassbar angezogen, dass Aaron schon selbst gar nicht mehr wusste, welche Emotion bei ihm nun überwog. Dieser Mann war einfach nur unglaublich.

"Das war kein 'um den Hals fallen', ich... ich musste doch... Also, ich meine, sonst hätte man uns gesehen!", versuchte sich Aaron mit leiser und gedrückter Stimme rauszureden. Er schluckte dabei schwer und versuchte erstmal wieder zur Ruhe zu kommen. Dass ihn das so aus der Bahn werfen könnte, hätte Aaron nicht erwartet, aber er hatte ja auch noch nie sowas gesagt bekommen. Schon gar nicht zusammen liegend auf einem Waldboden und mit diesen leuchtenden Augen. Ohne Merthin eine Ohrfeige zu verpassen oder auch mehr dazu zu sagen, ließ er sich aufhelfen und behielt die Hand des anderen einfach fest in seiner eigenen. Daran gab es nichts Seltsames oder Merkwürdiges, es war natürlich und bedurfte auch keinerlei Kommentar.

Sie setzten ihren Weg fort und Aaron konnte spüren, wie die ganze Zeit impulsartig Kraft von Merthin über ihre verbundenen Hände zu ihm rüber strahlte. Der Prinz konnte dadurch wesentlich ausdauernder und auch schneller laufen.
 

Merthin

Die Überraschung, die Aaron in die Augen trat, als er ihn ansah, ließ Merthin schmunzeln. Als jenem dann die Röte ins Gesicht stieg, war auch Merthin ein wenig überrascht, was das Schmunzeln zum Glück überspielte. Und als Aaron versuchte sich zu verteidigen, musste Merthin lachen. „Ja, das hätte man – vielleicht“, erklärte er und schüttelte innerlich den Kopf. Offenbar hatte er den anderen ganz schön aus dem Konzept gebracht. Aber besonders empört schien er nicht zu sein. Merthin wusste, dass er eine Grenze überschritten hatte, und dafür auch ziemlich großen Ärger bekommen könnte. Aber irgendwie war ihm das gerade nicht wirklich wichtig. Jetzt lief er lieber mit dem anderen an der Hand durch den Wald und schmunzelte vor sich hin. Und irgendwie kamen sie so schneller voran als zuvor.
 

Sie erreichten nach einer Stunde den Eingang zu den unterirdischen Kanälen. Erst jetzt ließ er den anderen wieder los, um Gestrüpp und ein Gitter zur Seite schieben zu können. Er griff zu einem dickeren Ast, riss von seinem Hemd ein Stück Ärmel ab und band es um den Stock. Mit einer Handbewegung entfachte er Feuer, dann betraten sie den Tunnel.

Er kannte den Weg durch das Labyrinth gut. Sie waren oft in Manjak, denn die Stadt war für die Rebellen ein wichtiges Zentrum. Hier hatte König Corvo die Ausbildungsstätte seiner Soldaten und die Anwesenheit der Ritter war enorm. Umso weniger glaubte man daran, dass dort ein wichtiger Knotenpunkt für sie war. Sicher, es war teilweise aufwändig, sich auszutauschen, aber gerade die Kanalisation machte ihnen vieles leichter. Sie schwiegen, während sie hindurchliefen. Einzig ihre Schritte hallten und man hörte die Mäuse und Ratten, die sich hier unten wohl fühlten. Dass es nicht unbedingt nach Rosen roch, muss vermutlich nicht erwähnt werden. Merthin hoffte darauf, dass Aaron – wem auch immer er später begegnen würde – eine passende Erklärung würde liefern können, wenn er nach Kloake roch. Ansonsten hätten sie ein ernsthaftes Problem, was ihre Kommunikation in der Stadt betraf. Und eines wusste Merthin für sich sicher. Er würde nachher noch das Badehaus aufsuchen, bevor er zu den anderen zurückkehrte und heute Abend durch die Kneipen ziehen würde.

Als sie schließlich aus einem Schacht nach oben kletterten, befanden sie sich in einer dunklen Gasse neben der hohen Mauer der Burg, in der die Ritter und Soldaten ausgebildet wurden. Merthin blickte Aaron einen Moment unschlüssig an. Es war ein seltsames Gefühl, schon dort unten gewesen. Ein Gefühl, als wäre das hier falsch. Merthin konnte es nicht beschreiben. Aber er hatte seine Pflicht erfüllt und den anderen sicher hierher gebracht. Mehr war nicht verlangt gewesen. „Hier ist die Burg, ich hoffe, das hilft Euch weiter“, sagte er nun höflich. Jetzt war der andere wieder in dessen Welt und nicht mehr in der seinigen. Und vielleicht schützte ihn die Distanz, die er damit aufbaute, auch vor dem seltsamen Gefühl in seinem Inneren. „Es war mir eine Ehre, Euch kennenzulernen und euch Geleit zu sein. Danke für die Hilfe, die Ihr mir zuteilwerden ließet. Vielleicht begegnet man sich ja noch einmal – bekanntlich trifft man sich immer zweimal im Leben.“ Er lächelte leicht und drehte sich, um zwischen den Häusern zu verschwinden, bevor sie noch gesehen werden würden. Er sollte gehen, schnell!
 

Aaron

Als sie an ihrem Ziel, einer Art unterirdischem Kanal, ankamen, war Aaron gar nicht aus der Puste, sondern beschwingt und mit noch genügend Energie, um Merthin dabei zu helfen, das Gitter zur Seite zu räumen. Wieder nutzte Merthin seine Magie, aber diesmal sprach Aaron ihn nicht darauf an, da er sicherlich wieder seine Feuersteine in der Tasche hatte, mit denen er sich erklären würde. Daher genoss Aaron eher das Licht des magisch erzeugten Feuers und folgte dem Blonden durch das Labyrinth. Gern hätte Aaron gefragt, woher Merthin den Weg durch dieses Labyrinth so gut kannte, doch spürte er, dass es hier sehr unklug war zu sprechen. Es hallte hier und selbst das piepsen der Nagetiere war durch viele Kanäle hindurch zu hören. Unterwegs hielt sich Aaron angewidert die Nase zu und hielt den Kopf soweit oben wie er konnte, als ob die Luft weiter oben angenehmer riechen würde. Die Tatsache, dass sie teilweise durch das stinkende Abwasser durchwaten durften, machte die Sache nicht besser. Auch Aaron wollte dringend als erste Handlung ins Bad. Natürlich in eine große Wanne nur für sich alleine, kein Gemeinschaftsbad oder gar öffentliches Baden an einem Fluss. Gewiss würde er dort nur voll bekleidet in einer schattigen Ecke stehen und sich die Augen zuhalten. Wäre also nicht sonderlich produktiv.

Angestrengt kletterte Aaron Merthin hinterher an die Oberfläche, wo es nicht so viel besser roch als in der Kloake unter ihnen. Sie standen in einer dunklen Gasse hinter einer Kaserne, das Ziel seiner kleinen Reise mit Merthin. Jetzt, wo sie hier standen und dem Prinzen bewusst wurde, dass dies der Abschied bedeutete, überkam ihm der Drang, dieses Ende noch hinauszuzögern. Aaron erwiderte den Blick und biss sich dann gar leicht auf die Lippen, als Merthin dann sprach. Jetzt wandte auch er die korrekte Sprachweise an und irgendwie war es ein verdammt fremdes Gefühl. Warum war das so? Aaron war es gewohnt, nur so zu sprechen und auch nur so angesprochen zu werden. Wieso mochte er es aus Merthins Mund nicht hören? Kurz räusperte der Prinz sich, stellte sich angemessen hin, hielt einen Arm angewinkelt über seine Körpermitte, nutzte die zweite Hand, um sie auf Schulterhöhe in die Luft zu heben. Eine höfliche Geste des Abschieds. "Ja, Ihr habt mir ungemein weiter geholfen. Vielen Dank, dass Ihr mein Leben gerettet habt", musste Aaron auch noch unbedingt loswerden, bevor Merthin endgültig verschwinden würde. Was fiel ihm hier bloß so schwer...? Gern würde Aaron daran glauben, dass man sich immer zweimal im Leben sah, aber das war eine Floskel, die man sich sagte, aber passierte das auch? Dem Prinzen blieb nichts anderes übrig als es auf sich zukommen zu lassen.

Das beklemmende Gefühl wurde schlimmer, als sich Merthin abwandte und wohl im Begriff war, die Szenerie zu verlassen. "Ehm, Merthin", sprach er ihn nochmal schnell an und trat einen Schritt hinter ihm her. Er stockte einen Moment, wagte dann aber doch nicht zu sagen, was er eigentlich hatte sagen wollen. "Drückt auch Eurem Vater meinen tiefsten Dank aus", sagte er daher bloß und drehte sich dann selbst schnell um, um in die entgegengesetzte Richtung davonzulaufen. Das Gefühl, ihm würde etwas Wichtiges fehlen, ergriff Aaron und er musste sich fast schon zwingen, nicht wenigstens nochmal zurückzuschauen. Er verhielt sich wie ein Kind, das nach dem Besuch bei seinem ersten besten Freund wieder nach Hause musste. Was würde Merthin denken, wenn er Aarons Gedanken gerade kennen würde?

So schnell Aaron konnte rannte er aus der Gasse und dann um die Ecke, nur um dort bereits dem erstbesten Soldaten in die Arme zu stolpern. Dieser wollte sich erst beschweren, dass Aaron ihn in seiner Eile angerempelt hatte, doch erklärte Aaron rasch, wer er war, und betrat daraufhin abgeschirmt die Kaserne. Hier konnte er erstmal baden und sich klar machen, dass er vollkommen überreagierte. Fest klopfte er sich selbst mit den Handflächen auf die Wangen, um sich mal wieder einzukriegen. Warum stach es ihn dann nur immernoch in sein Zeichen?
 

Merthin

Höflichkeit und Distanz – höfliche Distanz – ja das sollte helfen bei diesem seltsamen Abschied. Es war generell alles sehr seltsam gewesen, die ganze Begegnung mit diesem Aaron Castro. Er hatte in ihm eine besiegt geglaubte Unruhe ausgelöst, er hatte ihm in vielen Dingen weitergeholfen und Merthin spürte, dass er ihm gerne nahe war. Doch nun war die kleine Überschneidung ihres Lebens vorbei und es fühlte sich komisch an. Obwohl er so gut wie nichts über den andren wusste, schien es ihm, als müsse er …. seinen besten Freund? …. oder etwas in dieser Art … zurücklassen. Und als sich der andere mit derselben höflichen Distanz verabschiedete, war es ein noch komischeres Gefühl. Wieso glaubte er, dass sie sich nahe gekommen waren? War nicht eigentlich schon die ganze Zeit eine riesige Kluft zwischen ihnen? Sie waren so weit voneinander entfernt… Und die Geste der Verabschiedung zeigte das auch. Merthin überspielte dieses merkwürdige Gefühl in seiner Magengegend mit einem Lächeln. „Keine Ursache!“, sagte er knapp. Und in Gedanken fügte er hinzu: Vielleicht kommt einmal der Tag, an dem Ihr mir das Leben rettet. Und jetzt konnte er endlich gehen. Doch offenbar war Aaron noch nicht fertig. Er schloss einen Moment die Augen, als er seinen Namen hörte. Bitte jetzt nichts Falsches sagen! Er spürte sein Herz klopfen, ohne dass er wusste, warum. Es war eine seltsame Situation. Schließlich atmete er tief durch und drehte sich um und versuchte ein Lächeln, das aber etwas gequält aussah. „Werde ich machen“, versprach er. „Passt auf Euch auf!“ Und nun ging er wirklich, schnellen Schrittes. Und es fühlte sich an, als hätte er einen Teil von sich zurückgelassen.

In der Bibliothek

Kapitel 5
 

Aaron

Bereits am nächsten Tag wurde Aaron in Begleitung der Hälfte aller stationierten Soldaten aus Manjak in Richtung Hauptsadt kutschiert. In der Nacht hatte Aaron gar nicht gut geschlafen, versuchte sich darüber zu freuen, dass er in seinen Alltag zurückkehren würde. Allerdings hatte er von seinem Vater nicht viel zu erwarten, welcher garantiert viele Fragen stellen würde. Aber Aaron hatte die gesamte Fahrt zur Hauptstadt Zeit, sich gute Antworten zu überlegen. Das kurze Stück, das die königliche Kutsche durch die Stadt nahm, blieb Aaron schön tief in den Sitz gerutscht, damit keiner ihn würde sehen können, dennoch lugte er immer mal wieder über den Rand des kleinen Fensters. Man sah, dass es bald einen Jahrmarkt in der Stadt geben würde. Überall waren Leute geschäftig, bauten Bühnen und Stände auf und Aaron sah viele Schausteller üben oder ihre Utensilien aufbauen. Wieder ergriff ihn ein Hauch Melancholie. Er hatte nichtmal Zeit sich die Show anzuschauen... Zuvor hatte er gar nicht darüber nachgedacht, mal eine dieser Shows anzuschauen, weil es einfach zu abwegig war, dass er dorthin könnte. Interesse hatte er schon gehabt... aber jetzt wollte er das wirklich gerne tun. Nur kurz glaubte Aaron dann die Wagen eines ganz bestimmten Schaustellertrupps wiederzuerkennen, hatte aber nicht genug Zeit, um genauer hinzuschauen, da sie in diesem Moment abbogen und die Stadt endgültig verließen.

Zurück in der Hauptstadt kehrte Aaron ins Schloß zurück und durfte seinen Alltag wieder aufnehmen. Man sprach ihm eine Pause vom Reisen zu, da sich Aaron gespielt geschockt von dem Überfall gab und von der beschwerlichen Reise nach Manjak, die er ganz alleine hatte bewältigen müssen, was er nur knapp überlebt habe. Der Gestank aus der Kloake, der an Aaron zum Zeitpunkt seines Auffindens gehaftet hatte, hatte ihm bei der Ausrede sehr geholfen. Den Umhang hatte Aaron versteckt und ihn nun fein säuberlich in seine Garderobe gehängt. Es würde ihn immer an diese abenteuerlichen zwei Tage erinnern. Es war merkwürdig.m, aber Aaron merkte, dass sich etwas an seinem Alltag verändert hatte. Die Konversationen mit den Adligen langweilte ihn mehr und er empfand es als anstrengend, rund um die Uhr betütelt zu werden. Es war sonst immer normal gewesen. Es anders erlebt zu haben, hatte eine neue Sichtweise geöffnet, die Aaron gefallen hatte. Aber das hier war nunmal sein Leben, Merthin hatte es mit seiner angepassten Sprechweise zum Abschied auch nochmal klar gemacht. Wenn das Schicksal gewollt hätte, dass er wie Merthin frei umher ziehen könnte und freie Entscheidungen treffen könnte, so wäre er nicht als Prinz geboren worden. Das war gewiss das erste Mal, dass er sich eine andere Geburt für sich wünschte. Aber es vergingen die Tage und Wochen und Aaron fand sich immer mehr damit ab, hatte sogar einigermaßen zurückgefunden und sich zur Ablenkung wieder in seine Studien der Ahnensprache gestürzt. Eigene Studien zu betreiben war eine angemessene Entschuldigung, um gewisse Feste der Adligen nicht besuchen zu müssen, auch wenn er nicht allen Feierlichkeiten entkam. So oft er es konnte saß Aaron aber in der Staatsbibliothek und studierte, wie auch an diesem späten Abend. Er war allein in dem geheimsten Raum der Bibliothek, welcher nur Majestäten offenstand. Vor der Tür standen Leute seiner Garde, die aber nicht hereinkommen würden, solange Aaron sie nicht rief oder sie etwas Verdächtiges im Inneren hören würden. Dass der Jahrmarkt sehr bald auch hier stattfinden würde, war Aaron nicht entgangen, aber er war Prinz, das ging nicht.

Teilweise stürzte Aaron sich so sehr in die Studien hinein, dass er nicht nur seine Tage dort verbrachte, sondern auch die halben Nächte. Das ging soweit, dass die Gardisten vor dem obersten Bibliotheksraum, der fast schon zu einer Art Studierzimmer für den Prinzen geworden war, regelmäßig Wachablösungen zugesprochen bekamen, da sie ansonsten stundenlang vor der Tür stehen und aufpassen müssten. Keiner von ihnen hatte das Recht, Aaron das Lesen in der Staatsbibliothek zu verbieten, und der König war mit wesentlich wichtigeren Angelegenheiten beschäftigt, als ständig zu schauen, was Aaron tat. Die Pläne für ihn standen eh fest, in wenigen Tagen würde er ihn erneut losschicken, um Prinzessin Marise zu ehelichen. Das wäre der letzte Schritt, um auch all das Land seiner Nachbarn einzunehmen. Genau an diesem kühlen Abend saß der König mit seinen treuen Beratern im Besprechungssaal des Palastes. König Corvo forderte eine Sicherung der Route für Aarons Reise, damit dieser nicht erneut überfallen werden könnte. Die große Frage war dabei nur, ob der König dies so zwingend wollte, damit Aaron nicht wieder in Lebensgefahr geraten konnte, oder ob das nur der Sicherung seines Planes diente. Sollte Aaron unterwegs verloren gehen oder umkommen, wäre sein toller Plan auch hinüber. Dass Aarons Bruder Aiden Corvos Liebling war, konnte jeder sehen, der etwas genauer hinschaute. Diese Gründe waren jedoch bloß auf Aidens Interesse an Corvos Regierungsstil begründet. Aiden saugte alles auf, was Corvo ihm beibrachte, und war dabei ebenso abzudriften wie der König selbst. Demnach war das Lernen in der Bibliothek für Aaron die beste Ablenkung, denn Zuhause im Palast gab es sonst nichts, höchstens seine Mutter, aber die Gute wurde vom König auch so sehr unterdrückt, dass sie es kaum wagte, ihm zu widersprechen.

Aaron arbeitete in der Zeit nach seinem kleinen Abenteuer ein Buch nach dem anderen durch, war auf der Suche nach Texten über den Tempel der Ashé, wo Merthin seine Zeichen her hatte. Aaron wollte auch mehr zu den Schriftzeichen an sich rausfinden, wollte Zeichnungen der Örtlichkeiten finden und eine Beschreibung davon haben, was das für ein Ort war. Aber er wollte auch seine Sprachkenntnisse immer weiter ausbauen, wollte auf diese Weise auch in der Lage sein, besonders schwierige Schriftzeichen zu lesen und zu sprechen.

Der geheime Raum, in dem Aaron am liebsten - und auch heute wieder - laß, war so klein, das eine Fackel an der Wand ausreichte um den Raum zu erhellen. Einzig eine kleine, weit herunter gebrannte Kerze stand noch auf dem Schreibtisch, an dem Aaron arbeitete, damit er besser lesen konnte. Gekleidet war er wieder in seinen feinen Gewändern, allerdings nicht königlich anmutend. An diesem Abend hatte Aaron ein besonders interessantes Buch in den hintersten und fast schon vergessenen Regalen des kleinen Raumes gefunden. Es war unendlich eingestaubt gewesen und Aaron fasste das Buch nur mit seinen Handschuhen aus feinstem Seidenstoff an, um das Buch nicht weiter zu beschmutzen. Schon die ersten Seiten offenbarten neues Wissen, erzählten von Zusammenhängen der alten Schrift und der altertümlichen Magie. Ließ sich das auch auf die heutige Zeit übertragen? Aaron wollte es herausfinden und arbeitete daher das Buch durch, bis er nach Stunden des intensiven Lesens und Schreibens merkte, dass ihm die Augen schwer wurden. Erschöpft legte Aaron sich auf dem Tisch ab und atmete tief durch. Da es hier im geheimen Raum keine Fenster gab war es recht stickig und Aaron hatte ohne den Himmel sehen zu können auch vollkommen das Zeitgefühl verloren. Nur ganz kurz die Augen ausruhen... da war Aaron auch schon eingeschlafen.
 

Merthin

„Nochmal, Merthin! Konzentriere dich!“, hörte er Karls Stimme, der schon etwas ungeduldig zu werden begann. Merthin schloss die Augen und atmete tief durch. Schon eine geraume Weile trainierten sie an einem neuen Element der Show. Aber seit ein paar Tagen hatte Merthin das Gefühl, als sei seine Fähigkeit, das Feuer zu manipulieren, weniger geworden. Der Blonde stellte sich wieder auf die Grundposition, atmete tief durch und versuchte erneut, dem Feuer seinen Willen aufzuzwingen. Doch er spürte, dass es nichts brachte. „Ich brauch eine Pause“, knurrte er und schnappte sich eine Jacke, die er sich schnell überwarf. Es ging auf Mai zu und in den frühen Morgenstunden war es einfach noch kalt. Sie waren gestern in der Hauptstadt eingetroffen und mussten proben. Die Marktwoche würde am kommenden Tag beginnen und das Publikum hier in Foron, der Hauptstadt des gleichnamigen Landes, war sehr anspruchsvoll. Doch irgendwie schien es so, als sei das Feuer müde, ihm zu gehorchen. Ob es mit seinem Vorhaben zusammenhing? Oder damit, dass er in letzter Zeit manchmal etwas mehr getrunken hatte, als vielleicht gut gewesen wäre? Oder daran, dass all die Dinge, die er in letzter Zeit erfahren hatte, ihn verwirrten?

Marie hatte ihm erklärt, dass die Male auf seinem Körper Macht bedeuten konnten. Und dass es sein könnte, dass - wenn man sie las - diese Kraft entfesselt wurde. Aber auch wenn Aaron ihm damals die Zeichen vorgelesen hatte, schaffte er selbst es nur ansatzweise, sie richtig auszusprechen. Er müsste viel mehr darüber lesen…

Merthin war zu seinem Zelt gestapft. Heute Abend wäre die letzte Möglichkeit, sein Vorhaben umzusetzen, denn ab morgen hätten sie nachmittags und abends ihre Shows. Er ärgerte sich darüber, dass die Proben so schlecht verliefen. Aber vielleicht lag es auch einfach daran, dass sein Kopf gedanklich zu oft in der Bibliothek war, als dass er sich wirklich konzentrieren konnte. Es war zum verrückt werden… Auch wenn er das Gefühl hatte, dass es auch mit jenem Abschied zu tun hatte. Aber diesen Gedanken sprach er nicht aus. Viel lieber lenkte er sich mit anderen schönen Dingen ab: Alkohol, Sex und Training.

Bereits in Manjak hatte es ihm gutgetan, Zerstreuung im Nachtleben der Stadt zu finden. In der Hauptstadt hätte er hierfür sicher auch Gelegenheit. Wenigstens ein wenig das Gefühl vertreiben, allein zu sein….
 

Seit Manjak spürten letztlich nicht nur Merthin, sondern sie alle, dass sich etwas anbahnte. Denn seitdem offenbar irgendeine Kutsche des Königs überfallen worden war, war die Präsenz der Soldaten enorm. Und diese hielten sich nicht zurück. Mancherorts bekam man mit, dass die Soldaten willkürlich Menschen bedrohten, verurteilten oder sogar hinrichteten, wenn sie in Verbindung mit dem Überfall der Kuschte zu bringen waren. Der Zorn des Königs wurde im Volk entladen und immer mehr flohen aus angrenzenden Gebieten in die Stadt, um dort ihr Glück zu suchen. Die Präsenz der Soldaten in der Stadt war daher auch stark und sie mussten sich jederzeit ausweisen können, um eine Berechtigung zu haben, sich hier aufzuhalten. Wovor der König Angst zu haben schien, war nicht klar. Und ob es nur der Überfall gewesen war, war fraglich. Bald würde der König seinen jüngsten Sohn mit der Thronerbin des letzten verbliebenden Nachbarreichs vermählen. Dann wäre seine Macht so absolut, dass jeglicher Aufstand gegen seine Herrschaft schwierig wurde. Denn die älteren Kinder waren bereits lange entsprechend verteilt, so dass er politisch keinen Gegenwind aus den angrenzenden Ländern bekam. Für den Untergrund bedeutete diese Aussicht nichts Gutes. Er sah oft seinen Vater mit anderen sprechen, Briefe schreiben oder über Karten brüten. Etwas lag in der Luft, das spürte jeder. Und sie sollten vorbereitet sein. Daher trainierten sie nicht nur für ihre Show, sondern kämpften auch, übten an den Waffen. Nur Merthin tat sich schwer. Er war kraft- und lustlos…

Marie empfing ihn in seinem Zelt. „Gehst du heute?“, fragte sie ihn und er nickte. „Ist ja die einzige Möglichkeit, oder?“ „Brauchst du Hilfe?“ Merthin zuckte mit den Schultern. „Ich war die letzten Tage oft dort und habe mich umgesehen. Ich denke, ich weiß wie ich ungesehen hineinkomme. Und ob ich dann das richtige Buch finde, das weiß ich natürlich nicht. Schließlich weiß ich noch nicht einmal genau, wonach ich suchen sollte.“ Er seufzte etwas und ließ sich neben sie aufs Bett plumpsen. „Dein Herz wird dir den Weg zeigen“, sagte sie ihm und er schnaubte. Sein Herz? Na dann viel Spaß…. Er spürte ihren musternden, schier bohrenden Blick. Aber er wollte jetzt eigentlich nicht wissen, was sie dachte. „Er fehlt dir“, sprach sie weiter. „Aber ihr werdet euch schon wiedersehen. Es wird so sein, das ist so bestimmt. Und dann wirst du auch merken, dass es so sein sollte.“ Sie lächelte, während er sie nur verwirrt ansehen konnte. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, knurrte er pampig. Er mochte es nicht, wenn sie so tat, als hätte sie Einblick in seinen Kopf. Denn offenbar hatte sie diesen wirklich. Es war einfach so, auch wenn er es nicht gerne hörte. Und er mochte es nicht, wenn sie Dinge sagte, die ohne Zusammenhang waren. Was war so bestimmt? Aber er hatte Angst nachzufragen. Und sie würde eh nicht antworten.
 

Die Nacht hatte sich kalt und dunkel um Foron gelegt und das kam Merthin nur zu Gute. Es herrschte noch reges Leben auf den Straßen der Innenstadt und er bahnte sich recht entspannt den Weg durch die Menschenmenge. Er hatte sich einen seiner engen schwarzen Anzüge angezogen, über den er aber normale Kleidung angezogen hatte. Und so kam er schließlich in den Hinterhof, von wo aus seine Klettertour starten würde. Er zog sich um, packte seine Klamotten in seinen Rucksack und zog sich eine schwarze Mütze über die blonden Haare. Durch ein Treppenhaus stieg er hinauf aufs Dach eines Wohnhauses. Von dort ging der Weg weiter über die Dächer bis zu einem Sims, der sehr weit nach vorn gebaut worden war, so dass der Abstand zum Dach der Staatsbibliothek geringer war – geringer, weit war er aber dennoch… Ohne lange zu zögern nahm er Anlauf und setzte hinüber. Dann stieg er den Turm hinauf, der den einzigen Zugang darstellte, den er würde nehmen können.

Das leise Klicken hinter ihm verriet ihm, dass das Fenster wieder eingerastet war. Vom Dach aus war er durch eine Dachluke geklettert. Es hatte kurz gezogen, als er hineingeglitten war. Es war totenstill in dem kleinen Raum, der sich über der Bibliothek befinden musste. Er öffnete die Hand und eine Flamme erschien darin, so dass er sich umsehen konnte. Etwas irritiert blickte er sich um. Da war nichts! Keine Tür, kein Fenster! Wie sollte er hier herauskommen außer auf dem Weg, den er hineingekommen war? Er spürte, dass ihm schlecht wurde bei dem Gedanken, völlig umsonst hierhergekommen zu sein, als er eine Klappe am Boden sah. Merthin seufzte erleichtert auf. Er entriegelte die Klappe, hob sie ein Stückchen an und spähte vorsichtig hinunter. Das Licht einer Fackel brannte. Merthin machte eine Geste mit dem Finger und das Licht erlosch. Dann lauschte er. Nichts… Er hörte nichts. Und damit ließ er sich hinunter in den Raum gleiten. Die Fackel entflammte wieder, als er sie berührte, dann sah er sich um und erschrak fast zu Tode, als er sah, dass dort doch jemand war. Jemand, der an einem Schreibtisch saß. Jemand, der offenbar über den Büchern eingeschlafen war. Jemand, den er nur zu gut kannte…

Leise trat er an den Schlafenden heran. Aaron lag über einem Buch gebeugt und die Schriftzeichen darin verrieten ihm, dass es vermutlich genau das Buch war, das er selbst brauchte. Er würde es nicht einfach unter dem anderen herausziehen können, so dass Merthin einen Moment überlegte. Was würde passieren, wenn er den anderen wecken würde? Würde er die Wachen rufen? Irgendwie war ihm das egal. Er glaubte nicht daran. Und er könnte sich ja darauf berufen, dass er ihm sein Leben zu verdanken hatte, oder? Er nahm die Mütze ab, um den anderen nicht zu Tode zu erschrecken und trat leise an ihn heran.

Vorsichtig hob er die Hand und strich dem Schlafenden das Haar aus der Stirn. „Dabei gibt es so viele Orte, an denen man wesentlich besser schlafen könnte“, sagte er leise zu dem anderen. „Zum Beispiel in einem Zelt.“ Er schmunzelte, als er merkte, dass der andere aufwachte. „Ich sagte doch, man sieht sich immer zweimal im Leben…“
 

Aaron


 

Dass jemand den verbotenen Raum betrat, bekam Aaron gar nicht mit, da er ruhig schlief. Auch die Garde vor der Tür bekam nichts mit, aber das war auch ganz gut so. Als eine Hand Aarons Haare aus der Stirn strich, merkte er die minimale kleine Berührung und erwachte davon langsam. Es erinnerte ihn an das magische Gefühl, Merthin zu berühren und seine Stimme hörte Aaron auch noch, auch wenn er nur dessen letzte Worte mitbekam. Das musste ein Traum sein! Aaron dachte nicht, dass Merthin wahrlich hier sein könnte; mit all den Sicherheitsvorkehrungen und der Garde in der Bibliothek. "Das wollte ich dir nur zu gerne glauben", murmelte Aaron fast unverständlich im Halbschlaf. Da dies ein vermeintlicher Traum war, konnte sich der Brünette über die hohen Höflichkeitsregeln hinweg setzen, was er im persönlichen Umgang noch nicht hinbekam. Als nächstes formte sich aber ein anderer Gedanke in seinem Kopf. Wenn es nicht Merthin gewesen sein konnte, der ihn berührt hatte, wer war das dann?

Ein bisschen ruckartig hob Aaron nun den Kopf und schaute verwundert den unerwarteten Besucher an. Einen ganzen Augenblick hielt Aaron seinen Blick in den nun sehr bekannten Augen des anderen, schaute auf seine blonden Haare und begutachtete kurz den hautengen schwarzen Anzug. Kein Zweifel, er hatte doch nicht geträumt. Der Prinz erhob sich nun so schwungvoll von seinem Platz, dass der Stuhl dabei geräuschvoll zurückrutschte, welcher dann an einer Unebenheit im Boden hängen blieb und umkippte. Das ignorierend stellte sich Aaron gebührlich vor den anderen. Aaron konnte nicht leugnen, nervös zu sein. Hier hätte er den anderen gewiss nicht erwartet. "Wie seid Ihr reingekommen?", fragte der Brünette noch immer überrascht nach. Aarons nächster Blick huschte zur einzigen Tür im Raum, doch diese war noch immer verschlossen. Wie war Merthin an den Gardisten vorbei gekommen? Von dem Weg übers Dach ahnte der Prinz jedenfalls nichts. "Ich meine, ich freue mich, Euch zu sehen und grüße Euch", schob Aaron schnell ein, deutete eine Begrüßung als Handgeste an. So überstürzt war Aaron selten, dass er die Begrüßung vergaß. Allerdings freute er sich wirklich, Merthin zu sehen, auch wenn er dem anderen schlecht erneut um den Hals fallen konnte - obwohl er sich gerade danach fühlte, genau das tun zu wollen, aber das wäre nun wirklich nicht angemessen.

"Ihr kommt genau zur rechten Zeit, ich habe nämlich eine Entdeckung gemacht, die Euch interessieren dürfte", sprudelte es dann aus Aaron hervor und er griff mit seinen Händen, die immernoch in den Handschuhen steckten, nach dem alten Buch, das ebenfalls komplett in Ahnensprache verfasst war. Sachte lehnte er sich mit der Hüfte gegen den Schreibtisch und blätterte andächtig und respektvoll in dem Buch, um eine besondere Seite aufzuschlagen. Als er die Seite fand hielt er sie Merthin hin und deutete mit dem Finger auf eine Reihe Schriftzeichen. Es waren genau sechs, darunter auch die drei, die Merthin ihm vorgelegt hatte. Allerdings war gut zu erkennen, dass in der Reihe das letzte Schriftzeichen verblasst war und damit leider nicht mehr lesbar, weshalb es eigentlich sieben Schriftzeichen waren. "Kein Wunder, dass Euch diese Schriftzeichen fasziniert hatten, sie sind besonders. Sie repräsentieren Eigenschaften, von denen man glaubte, dass sie der Schlüssel sind um magisches Unheil zu vertreiben", erklärte Aaron selbst ganz fasziniert. Dann deutete er auf die gegenüber liegende Seite, von der nur noch ein Wort lesbar war. "Hier steht nur ein Wort, 'Prophezeiung'. Diese Schriftzeichen, also diese Tugenden, das ausmerzen magischer Krankheit... das sind Bestandteile einer uralten, längst vergessenen Prophezeiung. Wieso ist sie verloren gegangen?", murmelte Aaron dann wieder etwas nachdenklicher. Bevor Aaron eingeschlafen war, hatte er versucht, mehr über eine Prophezeiung aus dem Buch zu lesen, aber der Teil war genauso stark verblasst, wie sie auch schon in den Erinnerungen vieler verblasst war. "Der Ort, an dem Ihr die Schriftzeichen fandet, muss unglaublich magisch und anziehend sein...", fügte Aaron noch hinzu und sein Wunsch, die Quelle der Zeichen leibhaftig anschauen zu können, wuchs stetig.
 

Merthin

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er duzte ihn? Aber was hätte der andere gerne? Ihn noch einmal zu sehen? Taten sie das nicht gerade? Oder schlief er tatsächlich noch und hielt das für einen Traum. Doch noch während er überlegt, was er zum anderen sagen könnte, um ihm seine Träumerei gleich mal unter die Nase zu reiben, begriff der andere, dass er real war, dass eine reale Person ihn berührt hatte, und schreckte auf. Merthin hatte noch immer ein Lächeln auf den Lippen, während er zusah, wie die Erkenntnis des anderen in dessen Blick einkehrte. Als er aufstand und seinen Stuhl umschmiss, reagierte Merthin zwar noch, war aber zu spät dran, so dass der Stuhl zum Glück nur auf den dumpfen Teppich aufschlug. Merthin blickte erschrocken zur Tür, aber es schien sich niemand zu regen. Dennoch hob er den Stuhl wieder auf. „Nicht so hektisch, junger Mann“, sagte er in Gedanken. Und noch bevor er den anderen wieder ansehen konnte, hörte er es wieder: das „Ihr“. Er seufzte innerlich und sah den anderen missmutig an. Doch als der andere ihm mitteilte, dass er sich zumindest freue, ihn zu sehen, söhnte ihn ein wenig aus. „So schwierig, mich zu duzen?“, fragte er gegen. „Aber ich weiß… Ich beinfinde mich in Eurer Welt und habe kein Recht, einfach nur Merthin genannt zu werden.“ Den etwas vorwurfsvollen Ton konnte er nicht unterdrücken. „Ich bin durch das Dach gestiegen.“ Er deutete auf die Luke zum Dachboden, die für den Fall, dass er schnell verschwinden musste, noch offen stand. „Einen anderen Weg gibt es für meinesgleichen nicht. Aber deine... – ähm, Eure Erklärungen haben mich so neugierig gemacht, dass ich mehr wissen möchte von den Zeichen, die ich damals gesehen habe.“ Würde der andere ihm jetzt erklären, dass er hier nicht sein durfte? Würde er gar die Wachen rufen, die sicher hier in der Bibliothek waren. Warum war der andere eigentlich zu einer späten Stunde hier? Die Erklärung dafür lag auf dem Schreibtisch. Und Aaron präsentierte sie auch sogleich, indem er ihm erklärte, dass er genau zur rechten Zeit gekommen sei. Offenbar hatten auch den anderen die Zeichen nicht in Ruhe gelassen. Seltsam, aber irgendwie freute es Merthin auch. Schließlich zeigte es, dass er einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen hatte.

Merthin trat an das Buch heran, als der andere begann zu erklären, worauf er gestoßen war, und wie wild darin herumblätterte. Dass ihm dabei ein Zettel hinausgerutscht war, schien er nicht zu merken. Merthin überging es erstmal, denn auch er war Feuer und Flamme. Als Aaron das Buch an der richtigen Stelle aufschlug, war er erstaunt: er sah sie – alle – seine Zeichen! Er zog sich einen weiteren Stuhl näher heran und setzte sich neben den anderen, der sich nun auch hinsetzte, damit sie gemeinsam die Zeichen betrachten konnten. „Diese Zeichen habe ich auch gesehen! Was bedeuten Sie?“, fragte er. Es war eines, das sich an seinem Unterarm befand, eines, das an der Hüfte prangte und eines, das seinen Rücken an der Wirbelsäule zierte. Nur das, das an seiner rechten Brust war und wie ein Kreis aussah, war verblasst. Ungefragt nahm Merthin einen Zettel und einen Griffel und zeichnete es sauber auf. „Das hier ist das letzte, das siebte, das verblasst ist“, erklärte er und sah den anderen einen Moment an, als dieser bereits weitersprach. Und nun musste Merthin doch schlucken, versuchte aber sich nicht sein seltsames Gefühl, das er bei den Worten des anderen im Magen verspürte, ansehen zu lassen. Der Schlüssel, um magisches Unheil abzuwehren? Diese Zeichen? Nun, was er über die Bedeutung bereits wusste, sprach das für diese Theorie. StärkeLiebe – das passte. Aber wie passte das Schicksal dazu? Als er an das Wort dachte, musste er an die Worte seiner Großmutter denken. Es ist euer Schicksal… Merthin wurde heiß und kalt gleichzeitig. Sie hatte gewusst, dass sie hier aufeinandertreffen würden, oder? Aber woher? Und was hatte das alles miteinander zu tun? Er strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die sich nach vorne verirrt hatte und blickte auf die Zeichen, als Aaron schon weitersprach und die nächste Seite ansprach. Aber er bekam es nicht richtig mit… Hörte nur das eine Wort „Prophezeiung“. Die Gedanken des Akrobaten überschlugen sich. Es schien ihm, als stünde die Lösung aller seiner Fragen vor ihm, aber er konnte sie nicht greifen. Etwas schien ihn zu blockieren. War es Selbstschutz? Denn er spürte eine unfassbare Furcht in sich. Etwas tat sich hier gerade und es hatte mit Aaron und den Schriftzeichen der vergessenen Sprach zu tun. Als der andere ihn direkt wieder ansprach, zwang er sich aus seinen Gedanken aufzutauchen und ihn anzusehen. Einen Moment sagte er gar nichts. Was sollte er auch sagen? Sollte er sich das Hemd vom Leib reißen und ihm die Male zeigen? Das wäre vermutlich sein Todesurteil, oder? Aber er konnte mit dem anderen vielleicht über die Prophezeiung sprechen.

Es war lange her gewesen, dass seine Großmutter die Legende erzählt hatte. Als er ein kleines Kind war, hatte er sie oft hören wollen. Sie klang so phantastisch wie ein Märchen und gab Hoffnung auf etwas Gutes. Damals hatte er nicht begreifen können, dass es eben nur eine Legende war, eine mündliche Überlieferung über deren wirkliche Existenz man nicht sicher sein konnte. Und heute… Er stutzte bei dem Gedanken. Vor ein paar Wochen hätte er das immer noch sagen können. Jetzt gerade, wusste er gar nicht mehr, was er denken sollte. Fakt war: Die Armen erzählten es ihren Kindern, um sie über ihren Hunger hinwegzutrösten.... Legenden, Märchen eben. Aber nun? Jetzt gab es offenbar Schriftstücke, die diese Prophezeiung aufgriffen - und zwar richtig alte Schriften. Schriften der vergessenen Sprache... ob es doch nicht nur eine Geschichte war? Ob damals wirklich eine Seherin in die Zukunft blicken konnte? Jemand wie Marie, der mehr sah als andere?

Merthin kramte in seinem Gedächtnis und war erstaunt, dass er ziemlich genau noch wusste, was seine Grandma immer gesagt hatte: "Die Legende bzw. Prophezeiung - je nachdem, wie sehr man daran glauben möchte - besagt, dass in Zeiten der Alleinherrschaft sich zwei Krieger finden werden, die durch das Schicksal miteinander verbunden sein werden." Merthin runzelte bereits jetzt die Stirn. Alleinherrschaft? War es nicht so, dass König Corvo diese bald hätte? Eine Herrschaft, die nicht selten auf Blut und Leid und Unterdrückung aufgebaut war? "Es soll ein glühender roter und ein frostiger blauer Krieger sein und sie seien in vielerlei Hinsicht vollkommen verschieden. Dennoch sollen sich ihre Kräfte anziehen und in der Vereinigung alles Dunkle auf der Welt besiegen können. Es heißt, ihre Waffen sollen Worte einer vergessenen Sprache..." Merthin stutze, als er seine Male deutlich unter seinem Anzug spürte, und blickte auf das Buch, in dem SEINE Zeichen in Zusammenhang mit der Prophezeiung standen. Das konnte kein Zufall mehr sein!? Langsam, etwas zerstreut fuhr er fort, während es in seinem Kopf ratterte. "...und es sollen Klingen sein. Ihr Bestreben sei es, das Volk von Tyrannei und Willkür zu befreien, um alles wieder zu einem ausgewogenen Maß zu bringen. Und es heißt, dass sie die Magie zurück in die Welt brächten..." Magie... ein rot glühender.... Merthin schluckte. Er hatte sich als Kind den Krieger mit rotem Gewand und roter Haut vorgestellt. Aber dass es anders gemeint sein könnte... irritiert blickte er zu Aaron. Ob er ihm seine Gedanken anvertrauen konnte? Dann müsste er sich offenbaren... er wusste, dass sie einander irgendwie vertrauten, aber eigentlich wusste er gar nichts vom anderen. Was, wenn jener gleich zu seinem König rennen und den Verdacht äußern würde. Merthin würde schneller hängen, als ihm lieb wäre...

"Das alles sind Legenden", fuhr er leise fort, als spräche er mit sich, "die alte Menschen ihren Enkeln erzählen..." Nun fiel ihm etwas ein. "Angeblich gibt es ein Manuskript mit dem originalen Wortlaut der Prophezeiung." Er griff zu dem kleinen Zettel, der vorhin herausgefallen war. "Es heißt, dass die beiden Krieger ewigen Frieden bringen, sofern sie es schaffen, die gesamte Prophezeiung zu lesen. Das Manuskript mit der Prophezeiung soll angeblich zerstört worden sein, zerrissen – in Stücke wie dieses hier - und über alle Winde verstreut worden sein." Er betrachtete den Zettel in seiner Hand und hatte schon wieder ein seltsames Gefühl. Er hatte so etwas schon einmal gesehen. Es war im Besitz von Marie … Dein Herz wird dir den Weg zeigen hörte er ihre Worte in sich. Und sie hatte recht gehabt – irgendwie. Er fehlt dir. - wenn er ehrlich wäre, stimmte es. Seit ihrer Begegnung schien es ihm, als fehle ihm ein Stück seiner Selbst, wenn sie nicht zusammen waren. Aber ihr werdet euch schon wiedersehen. Es wird so sein, das ist so bestimmt. Und dann wirst du auch merken, dass es so sein sollte.

Merthin strich sich über das Gesicht. „Was hältst du von Prophezeiungen?“, fragte er vorsichtig und merkte gar nicht, dass er schon längst wieder ins "Du" zurückgefallen war. Vielleicht sollte er jetzt lieber gehen…
 

Aaron

Aaron drückte seine Lippen aufeinander, als er an Merthins Gesichtsausdruck sehen konnte, dass er es nicht mochte, wenn man ihn 'Ihrzte'. Dem gab Merthin auch gleich noch wörtlich Ausdruck und Aaron war sich unsicher, wie er antworten sollte. Er wollte Merthin damit keinesfalls beleidigen, im Gegenteil, er wollte damit Respekt ausdrücken. Aber wahrscheinlich wirkte es zu distanziert, wurde der Blonde in seinem sonstigen Umfeld auch nur geduzt. Da stimmte es absolut nicht, was Merthin vermutete, es war nicht sein Recht einfach nur Merthin zu sein, sondern es war andersherum. Es war sein Recht respektvoll und höflich behandelt zu werden. Andere Adlige würden Merthin und 'seinesgleichen' wahrscheinlich bloß 'erzen', also nicht einmal direkt ansprechen, sondern ein allgemeines 'bringe er mir dies und das' entgegen bringen. Jedoch hatte das ganz gewiss keinerlei Bedeutung, wenn der Angesprochene nicht glücklich mit einer solch höflichen Formulierung war. Aaron hatte den Mund geöffnet, um etwas zu sagen, diesen dann aber unverrichteter Dinge wieder geschlossen. Aber hieß das nicht eigentlich, dass Merthin keine solche Distanz zwischen ihnen wollte, wenn er schon so persönlich angesprochen werden wollte? Dieser Gedanke begann Aaron zu beschäftigen. "Nicht schwieirig, nur so... ungewohnt.", kam es schließlich leise von Aaron. Er wollte mit dem Feuermagier ja persönlicher umgehen, wollte ihn gar nicht so auf Distanz halten, doch war es auch ein bisschen beängstigend zu merken, dass man sich angezogen fühlte, ohne den Grund zu kennen und dies dann noch dem Betreffenden und dem Umfeld sichtbar zu machen. Man machte sich dann verletzlich und angreifbar, es war Aarons Erziehung, die das zu verhindern versuchte.

Kurz folgte Aarons Blick der Deutung zur Luke, was ihn große Augen machen ließ. Aaron hatte keine Ahnung von dieser Luke gehabt, so genau hatte er sich den Raum nicht angeschaut, als das er sie selbst gefunden hätte. Er hatte sich sofort auf die Bücher gestürzt und nichts anderes mehr beachtet. In dem Falle konnte Aaron schon von Glück sprechen, das es 'nur' Merthin gewesen war, der auf diesem Weg eingestiegen war. Es hätten auch andere Leute, solche mit bösen Absichten, auf diese Idee kommen können. Der Grund für den Einbruch brachte Aaron allerdings zum Lächeln. Dann interessierte sich Merthin also wirklich auch für diese Sprache und Recht hatte er auch, im Normalfall käme er hier niemals rein. Der Prinz bezweifelte aber, dass ihm das Buch ohne seine Hilfe weitergeholfen hätte. Außer er kannte noch jemanden, der es lesen könnte, denjenigen würde Aaron dann aber auch gern kennen lernen.

Zusammen setzten sie sich nebeneinander, um gemeinsam Einblick in das Buch zu haben und Aaron ihm erklären konnte, was er heraus gefunden hatte. Es brachte gar wieder ein Lächeln auf Aarons Züge, als er Merthin nachfragen hörte, was die anderen Zeichen bedeuteten. Sogleich deutete er auf das erste Zeichen. "Das bedeutet Hingabe...", Aaron wanderte mit dem Finger zum nächsten. "Vereinigung...", schließlich deutete er auf das letzte Zeichen, bevor nur noch das verblasste fehlte. "Und hier steht Sicherheit.", übersetzte er die Zeichen gewissenhaft. Gerade wollte er noch sagen, dass es schade war, dass das letzte Zeichen fehlte, doch schnappte sich Merthin da bereits seine Schreibutensilien. Verwundert schaute der Prinz zu, was der Blonde tat und machte seine Augen überrascht größer. Merthin zauberte unvermittelt aus dem Gedächtnis das fehlende Schriftzeichen auf eines seiner unbeschriebenen Notizzettel. Hatte er sich das auch gemerkt gehabt? Wie die anderen drei? Fasziniert davon das letzte fehlende Schriftzeichen vor sich stehen zu haben, laß Aaron das Zeichen zuerst andächtig auf altehrwürdig vor, betrachtete es dabei genauer. "Mut.", übersetzte er schließlich. "Selbstloser, unbegrenzter Mut", fügte er noch hinzu. Seinen Blick ließ er zu Merthin schweifen, welcher in Gedanken versunken schien. Woran dachte er gerade? Hatte er noch mehr an diesem Ort gelesen, das ihm nun irgendwie klar wurde? Während Aaron noch den Teil mit der Prophezeiung erzählte, kam es ihm jedenfalls so vor. Merthin wirkte zerstreut und nachdenklich, bevor Aaron aber nachfragen konnte, erhob dieser selbst das Wort. Es war nun an Aaron zuzuhören und das tat er mit großer Aufmerksamkeit. Dem Prinzen wurde immer mehr klar, dass sie beide Informationen hatten, die zusammenpassten und die sie nur mit der Hilfe des jeweils anderen erlangen konnten. Es ergab nun ein Ganzes, doch dieses Ganze war noch ungreifbar.

Auch in Aarons Kopf begann es zu rattern, das waren so viele Informationen und das ergab erschreckend viel Sinn. Ein rot glühender Krieger... ein Feuermagier beispielsweise? Der die Symbole der Prophezeiung kennt und sich dafür interessiert? Aber konnte das wirklich sein? Aarons Gedanken rutschten zu der zweiten bestimmten Person, dem frostigen blauen Krieger. Frostig und blau, das klang nach einem Eismagier, wie Aaron selbst, das erschien Aaron passend. Nur war er kein Krieger. Eine Grundausbildung im Reiten und Führen eines Schwertes gehörte als Mann dazu, doch reichte das? Und warum jetzt? Die Prophezeiung gab es bereits seit vielen vielen Jahrhunderten, woher wollten sie wissen, dass der Zeitpunkt ihrer Erfüllung jetzt war? In diesem Moment fiel Aaron sein Vater ein. Der König, der alle anderen Länder für sich einnahm und stetig dabei war, seine Machtposition auszuweiten. Bisher hatte Aaron das für das natürliche bestreben eines mächtigen Mannes gehalten, aber was, wenn das der prohezeite Anfang des Unheils sein würde? Brauchte es dann seine Magie und die des rot glühenden Kriegers als vereinte Kraft, um das wieder in ein natürliches Machtverhältnis zu wandeln? Aarons Kopf drehte sich vor lauter Theorien und nachdenken, aber die beängstigende Vermutung, er selbst könnte der benannte Eismagier sein, übertraf fast alle anderen Bedenken.

Aaron hatte die ganze Zeit über Merthin angeblickt, seiner Erzählung stumm gelauscht und versucht nicht lauter zu denken als dieser gesprochen hatte, um auch kein Wort zu verpassen.

"Ihr meint, dies ist ein solch abgerissenes Stück des Manuskriptes?", fragte Aaron andächtig. Langsam und rücksichtsvoll nahm Aaron den Zettel aus Merthins Hand, um ihn sich anzuschauen. Er hatte nicht gemerkt, wie dieser aus dem Buch gesegelt war, hatte sonst immer zu vorsichtig geblättert, als dass der Zettel ihm früher aufgefallen wäre. Er war neugierig zu erfahren, welche Worte Frieden bringen konnten. Kurz laß Aaron die wenigen Worte in Ahnensprache vor, murmelte die fremdartig klingenden Worte vor sich hin, ehe er Merthin erneut anblickte. "Das Schicksal ist der Anfang einer langen Reise. Viele scheitern, denn nur die Bestimmten erfüllen sie - auf ihre Weise. Die Krieger, immer zusammen, immer begleitet von Licht in rot und blau, schicksalhaft zusammengeführt zu einer Einheit der Heilung allen Übels, das die Welt befallen wird", übersetzte er schließlich auch das Stückchen Text auf dem Zettel. Es wr merkwürdig verwirrend und doch fanden sich Parallelen, die es weiter zu erforschen galt. Hatte Aaron deshalb mit dem Studium der Sprache begonnen? Weil es ihm so bestimmt war?

Einen Moment saßen sie bloß beieinander, jeder in seinen Gedanken gefangen, mit der großen Frage im Kopf, ob jeder für sich der Bestimmte sein könnte. Erst als Merthin vorsichtig wieder das Wort erhob bemerkte Aaron die Stille, die eingekehrt gewesen war. "Prophezeiungen sind das Ergebnis einer Gabe. Einer Gabe, die den betreffenden Sehenden eine Bürde auferlegt, genau wie sie dem Menschen auferlegt wird, die in einer Prophezeiung ihren Platz finden", begann nun auch Aaron leise zu antworten. "Alte Frauen werden unterschätzt, sie sind weise und geben uns, ihren Nachfahren, diese Legende als Überlieferung mit. Dass es fähige Seherinnen und Magie gab, glaube ich absolut", sprach er weiter und deutete wieder auf die beiden Seiten im Buch, da er sie als Beweis in Erinnerung rufen wollte. Warum sollte das jemand so mühevoll aufschreiben, wenn alles nur ausgedacht wäre? Aaron stockte kurz, bevor er schließlich weiter sprach. "Ich glaube auch an Euch, Merthin. Eure Begabung ist ein Zeichen dafür, dass die Möglichkeit besteht, diese Legende wahr werden zu sehen", murmelte Aaron sehr ernst gemeint. Immerhin hatte es doch geheißen '... dass sie die Magie zurück in die Welt brächten' Dass Magie existierte, wusste Aaron von sich selbst, und Merthins Feuermagie erlebt zu haben, bewies nur umso mehr, dass die Magie zurückkehrte, um den Bestimmten die Kraft zu geben, ihre Bestimmung zu erfüllen. Als Aaron dies dachte, glaubte er einen Zusammenhang zu erkennen. "Diese sieben Schriftzeichen sind es, die die vorherbestimmte Kraft in Bahnen lenkt, so, wie der Bestimmte es verlangt." Langsam wurde Aaron wieder nachdenklich. Er hatte komplett vergessen, in welchen Umständen er sich hier befan, und dass er sehr offen mit Merthin über Magie sprach. Aber Magie und diese Prophezeiung waren untrennbar verbunden. Das eine gab es nicht ohne das andere und das innere Vertrauen von Aaron in Merthin, das ihn so sorglos werden ließ, fühlte sich gut an. "Ich will erforschen, wie das funktioniert. Vielleicht kann ich am Ende denjenigen helfen, die von der Prophezeiung auserkoren sind?", lächelte er Merthin sanft an. Dass er glaubte, dass er selbst einer von ihnen sein könnte, verriet er nicht, aber seine Sympathie zu dem Thema brachte er dennoch zum Ausdruck.
 

Merthin

„Ungewohnt kann man wenigstens ändern“, nickte Merthin. Und vielleicht würde es dem anderen dann bald leichter von den Lippen gehen, ihn zu duzen. Wobei? Würden sie dazu noch Gelegenheit haben, wenn er hier wieder draußen war? Eher nicht. Aber für jetzt schien es ihm angebracht, diese Distanz zwischen ihnen zu überbrücken.
 

Hingabe – wiederholte Merthin die Worte in Gedanken. Auch ein bedeutungsschweres Wort. Sicher war auch dieses aus verschiedenen Zeichen zusammengesetzt, denn man konnte sich auf vielerlei Weise etwas oder jemandem hingeben. Das Mal auf seiner Hüfte spürte er ganz deutlich, als Aaron das Wort in alter Sprache sagte. Vereinigung – auch etwas, das man in vielerlei Hinsicht deuten konnte und bedeutsam war. Sein Mal auf dem Unterarm brannte. Sicherheit Hatte deshalb im Wald sein Mal am Rücken so gebrannt? Hatten sie deshalb die Mäntel so hervorragend geschützt? War auch da Magie im Spiel gewesen? Er hatte sie zumindest fühlen können…

Er sah, dass Aaron überrascht war, dass er das letzte Schriftzeichen zeichnen konnte. Es war das, das auf seiner rechten Brust prangte, neben dem Zeichen für Liebe. Mut Merthin schluckte. Das alles berührte ihn, es ließ seinen Körper reagieren. Und die Reaktionen waren nicht unangenehm. Sie waren vertraut, weil er sie von aufregenden Situationen her kannte. Und doch fühlten sie sich jetzt umso natürlicher… irgendwie richtiger, intensiver an. Er kam gerade den Zeichen auf die Spur. Und während er sich dieser zunächst einmal geschämt hatte, als er noch ein Jugendlicher gewesen war, so wirkte es ihm gerade, als sei das alles einfach nur richtig. Und doch hatte er genau vor diesem Gefühl Angst. Denn es schien, als entscheide das sein Körper für sich – sein Verstand sagte ihm aber etwas Anderes und beschäftigte sich mit den Gefahren. Wenn das alles so war, wie er gerade zu ahnen begann…

Als der andere den Zettel studierte, überlegte er angestrengt, was Marie über den ihrigen gesagt hatte. Er hatte den Zettel, den sie in einer kleinen Truhe bewahrte, wie ein Heiligtum betrachtet. Er hatte damit spielen wollen, aber sie war dagegen. Es sei eine Schatzkarte, die helfen würde, diese Welt zu verbessern… Er hatte damals gedacht, sie meinte das ehrlich. Es war eine gute Anregung für eine Menge Abenteuer, die er mit Monty bestanden hatte, während sie durch die Wälder gestromert waren. Jetzt hatte das eine andere Bedeutung, eine ganz andere. Als Aaron begann zu übersetzen, hörte er ihm gespannt zu. Da war sie wieder, die Verbindung zu ihrer Wirklichkeit. Das Schicksal – der Überfall, die Rettung des anderen. Der Zufall, ihn hier zu treffen. Es konnte alles kein Zufall sein…

Sie beide brauchten Zeit zum Nachdenken. Es war alles viel. Und Merthin war klar: wenn er wirklich der rote Krieger sein sollte, dann müsste Aaron der blaue sein, oder? War er es? Es fühlte sich so an. Aber er sah kein Anzeichen… Er gab ihm keine Signale, außer dass sein Köper auf die Worte reagierte, die der andere aussprach. Und er reagierte auf Berührungen, irgendwie. Aber vielleicht hatte er sich das auch nur eingebildet? Er wusste es nicht mit Sicherheit.

Was, wenn er doch ein Diener des Königs war, gar ein Spion? War dieser Überfall unter Umständen nur fingiert? War es nicht ein wenig zu geplant gewesen? Er hatte damals schon ein seltsames Gefühl gehabt. Wieso wussten die Brüder, dass diese Kutsche dort entlangkommen würde? Was war eigentlich der Grund der Kutschfahrt? Würde der andere ihn wirklich ergänzen, oder würde er ihm zum Verhängnis werden? Dieser Zettel war in der Bibliothek des Königs. Warum hatte ihn noch nie jemand gesehen? War das auch nur ein Trick? War das alles hier nur eine Falle?

Daher hatte er die Frage gestellt, die Frage, ob er an Prophezeiungen glaubte. Er wollte hören, wie jener zu der Prophezeiung stand, wie jener zu Magie stand… Er hatte Aarons Gefühle stets erahnen können, er hatte gesehen, wie er errötet war, wenn er ihn… angeflirtet hatte. Er hatte gesehen, wie er überrascht war, als es zum Tanz ging… War das alles Lüge gewesen? Er konnte es sich nicht vorstellen. Er wollte es sich vielleicht auch nicht vorstellen… Wie stand Marie wohl dazu? Sie hatte ihn hierher geschickt… So blau – hatte sie damals bei ihrer ersten Begegnung mit Aaron gesagt. Würde sie sich so irren? Gespannt hörte er der Antwort zu, vertrieb die verwirrenden Gedanken und folgte seinem Herz, wie es seine Oma gesagt hatte. Er vertraute ihr und ihrer Menschenkenntnis…

Und wie Aaron antwortete, beruhigte ihn irgendwie. Eine Bürde… Ja, es fühlte sich so an, wenn er den Gedanken, Teil dieser Prophezeiung zu sein, wirklich nachgab. Eine Bürde… Er sollte die Welt vor allem Übel befreien? Konnte er das? Gemeinsam mit ihm? Wenn er denn wirklich der Blaue war…! Und nun bestätigte ihm der andere, dass er an Magie glaubte. Und das war gut. Hier am Hofe ging er damit ein großes Risiko ein. Für diesen Satz könnte er hängen. Er hatte nicht geglaubt, dass es hier in dieser Gesellschaftsschicht jemanden gäbe, der anders dachte, als der König. Und nun sprach Aaron etwas aus, was ihn wieder verunsicherte. Seine Gabe? Er wusste es? Und gleichzeitig schalt er sich einen Idioten… Er hatte sich nicht wirklich bemüht, es zu verbergen. Oder war es sein Körper gewesen, der es einfach getan hatte? Er hielt dem Blick des anderen stand, blickte nicht hinab. Er wollte ihm nicht zeigen, dass er recht hatte - noch nicht. Dennoch freute er sich zu hören, dass er an ihn glaubte. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Doch nun wurde es schwierig, nicht den Blick zu senken. Die sieben Zeichen… Seine sieben Zeichen. Sein Herz klopfte, als er merkte, dass sein Körper es wollte: er sollte sie Aaron zeigen… Sein Körper hatte schon entschieden, sein Verstand hatte Angst vor den Folgen. Und dann sagte der andere etwas, das ihm Sicherheit zurückgab. Aaron stellte sich ganz direkt hinter diejenigen, die von der Prophezeiung betroffen wären.

Folge deinem Herzen… Merthin stand auf und atmete tief durch. „Wenn du das wirklich ernst meinst, dann hoffe ich, dass du nicht gleich das Schreien beginnst und nach den Wachen rufst, die hier im Haus sicher irgendwo zu finden sind.“

Mit einer fließenden Bewegung zog er sich das Oberteil über den Kopf. Auf der Haut seines Oberkörpers waren die Male deutlich zu sehen. Sie waren nicht so glühend rot, wie sie sein konnten, aber sie waren auch nicht mehr nur schwarz. „Ich möchte nicht behaupten, dass mein Körper ein Tempel ist. Ich muss sagen, dass ich dich ein wenig angeschwindelt habe“, gestand er vorsichtig. „Ich habe sie schon seit ich ein Teenager bin… Sie verändern sich je nach Gemütslage. Aber am meisten springen sie darauf an, wenn du die alte Sprache sprichst…“

Nun würde es sich zeigen, ob der andere zu seinem Wort stand. Und eines war sicher: wenn er sich - wenn Marie sich getäuscht hätten, dann würde er zusehen müssen, wie er hier an einem Stück hinauskam… Er wusste nicht, wie lange es her war, dass sein Herz so heftig geschlagen hatte, dass er das Gefühl hatte, dass jeder um ihn herum es hören müsste…
 

Aaron

Ungewohnt kann man wenigstens ändern, hallte es in Aarons Kopf nach. Vielleicht hatte Merthin Recht. Vielleicht sollte Aaron es einfach mal zulassen, sich in eine ungewohnte Situation zu begeben. Noch war Aaron aber auf der Suche nach dem richtigen Zeitpunkt, an dem er in der Lage sein würde, diese Unsicherheiten zu ertragen und es einfach mal zu wagen. Dass Aaron da Schwierigkeiten hatte, mochten manche nicht adlige Leute vielleicht nicht nachvollziehen können, aber das war auch ein kleiner Ansporn. Allerdings hatte auch Aaron den Gedanken, dass es vielleicht zu spät sein könnte, wenn er es hier nicht mehr packen würde. Dies hier war ihr zweites Treffen und es hieß, das man sich immer zweimal im Leben traf, nicht dreimal. Oder vier Mal. Nicht mit ihren komplett unterschiedlichen Lebensumständen. Dieser Gedanke war nun wirklich nicht sehr erfreulich.
 

Überrascht folgte Aarons Blick Merthins Bewegung, als dieser sich erhob. Bis jetzt war der Blonde recht ruhig geblieben und hatte nur zugehört, jetzt schien er sich wieder einbringen zu wollen. Oder wollte er gehen? Einen kurzen Moment hatte Aaron Sorge, dass der andere genau das vorhatte. Und seine Worte verstand Aaron im ersten Moment nicht. Warum sollte er die Wachen rufen? Irritiert wollte er gerade nachfragen, da griff sich Merthin an sein Oberteil und machte eine schön fließende Bewegung, um es sich über den Kopf zu ziehen. Was hatte Merthin denn jetzt vor...?! Sich etwa wieder was Lockeres anziehen?! Augenblicklich drehte sich Aaron auf dem Stuhl um, bevor er einen Blick auf Merthins Haut hatte erhaschen können, sodass er nun mit dem Rücken zu Merthin auf dem Stuhl saß. Zusätzlich hielt er sich beide Hände vor die Augen. Hatte Merthin das damit gemeint, dass er nicht los schreien sollte? Es war durchaus zu erwarten, dass Adlige die Wachen riefen, wenn sich jemand einfach so vor ihnen auszog - augenscheinlich ohne Grund. Allerdings... ließen ihn Merthins Worte aufhorchen. Sein Körper wäre kein Tempel und er hatte geschwindelt? Neugierig wandte der Prinz sich nun doch zu Merthin um und blickte direkt auf seinen entkleideten Oberkörper. Sogleich bekamen seine Wangen eine gesunde Farbe, war er doch sonst eher blass. Der Anblick von Merthins Oberkörper war natürlich ein ordentlicher Blickfänger, allerdings lenkten die leicht rötlichen Male auf seiner Haut Aarons Aufmerksamkeit sofort auf sich. Sein Herz begann schneller zu klopfen, angesichts dieser neuen Erkenntnis. Langsam drehte er sich weiter zu ihm um, um Merthin genauer anzuschauen. Auf seinem ganzen Oberkörper waren die Schriftzeichen verteilt zu sehen. Aarons Blick war zuerst auf seinen Hals gerichtet, wanderte dann von einem Schriftzeichen zum nächsten, bis er beim untersten Zeichen ankam, das an dessen Hüfte halb in seiner schwarzen Hose verschwand, während er Merthins weiteren Worten zuhörte. Aarons Gesichtsfarbe wurde von Augenblick zu Augeblick röter. "Ihr... hattet sie die ganze Zeit bei Euch..", murmelte Aaron fasziniert und konnte sich einfach nicht helfen, er musste aufstehen und näher an den Blonden herantreten. Ein Schriftzeichen fehlte und Aaron war mit den Augen auf der Suche danach. Wo war denn Sicherheit? Erst einen Moment später kam er auf die Idee, hinter Merthin zu schauen, wo er auf dessen Rücken das entsprechende Schriftzeichen entdeckte. "Sicherheit...", las Aaron automatisch vor und durfte auf diese Weise mit ansehen, wie dieses Mal anfing röter aufzuleuchten, als er es ausgesprochen hatte. Das bestätigte Merthins Worte, welcher eben erwähnt hatte, dass sie darauf reagierten, wenn man sie aussprach. Nein, er hatte gesagt 'wenn du die alte Sprache sprichst', also wirklich nur bei Aaron? Oder hatte es einfach nur noch niemanden sonst gegeben, der die Worte in seiner Nähe korrekt hätte aussprechen können? Es gab immernoch so viele Fragen, obwohl sie heute auch viel herausgefunden hatten. "Und die Zeichen sind einfach aufgetaucht? Alle gleichzeitig?", fragte Aaron interessiert nach. "Bei welchen Gemütslagen reagieren sie noch?", fragte er weiter. Er hatte nicht vor gehabt, Merthin so zu löchern, aber er wollte einfach so viel darüber wissen.

Aaron trat wieder vor Merthin und sein Blick landete in dessen Augen. Erst da fiel dem Prinzen auf, dass er Merthin gerade im halbnackten Zustand von oben bis unten, vorne und hinten genau betrachtet hatte. Als ihm dieser Gedanke bewusst wurde, wurden seine Wangen vollends rot und er wendete den Blick schnell wieder ab. "Entschuldigt", sprach er sofort und hielt sich eine Hand über die Augen, mit der er seinen Blick etwas abschirmte, aber dennoch darunter hinweg zu den Zeichen schaute. Er wollte die Zeichen studieren, wollte sie genauer ansehen, wollte die Strichführungen vergleichen und vielleicht Besonderheiten entdecken. Dazu musste er aber Merthin ansehen, was ihm aber peinlich war, da er Merthin dabei so fasziniert anblickte. Aber Aaron wollte noch etwas. Er wollte die Male auch berühren. Konnte man da etwas Besonderes fühlen? Oder war das der Auslöser dieses wunderbar magischen Gefühls, das ihn immer überkam, wenn er Merthin berührte?

Vorsichtig streckte Aaron die Hand nach Merthin aus, hielt aber vor seiner Haut an, direkt an dessen Hals, wo das Zeichen für Schicksal prangte. "Darf ich... Euch berühren?", fragte Aaron lieber vorher nach, bevor er den anderen einfach anfassen würde. Seine zweite Hand lag noch immer über seinen Augen, wobei er seine Finger über seinen Augen inzwischen etwas gespreizt hatte, um hindurch zu Merthin schauen zu können. Der Prinz war sich nicht sicher, ob das für Merthin in Ordnung war, obwohl es wohl mehr Aaron war, der sich genierte. Er war hin und her gerissen zwischen seinen erlernten Anstandsregeln und der Anziehung, die der andere und seine Male auf ihn ausübten. Sicherlich wurde dieses Schamgefühl von Aaron dadurch verstärkt, dass er Merthin unheimlich attraktiv fand - nicht nur wegen den Schriftzeichen.
 

Merthin

Die Reaktion des anderen auf seinen entblößten Oberkörper war heftig. Dass jemand so beschämt beim Anblick von nackter Haust war, sah man in seiner Gesellschaftsschicht selten. Und eigentlich hatte Merthin immer gedacht, dass gerade die Männer aus der Oberschicht keine Scham kannten. Er war in den entsprechenden Etablissements selbst unterwegs. Und es waren immer die Reichen und Vornehmen, die die Huren wie Sachen behandelten und am lautesten ihre Potenz anpriesen. Und wenn man genau hinsah, dann sah man sie nicht selten auch mit einem Androgynen ins Hinterzimmer verschwinden. Aber Aaron schien völlig überfordert von so viel nackter Haut zu sein. Was hatte man dem Kerl angetan, dass er so reagierte? Schließlich waren sie beide Männer und bis auf die Male hatte er nichts, was der andere nicht auch hatte, oder? Aaron war sicher genauso nackt auf die Welt gekommen, wie vermutlich auch er. Und es mag ja sein, dass es sich nicht schickte, wenn man sich in diesen Kreisen und noch dazu in einer Bibliothek entblößte – aber sich deshalb die Augen zuhalten?! Als sich Aaron ihm auf seine Worte hin, nun doch zuwandte, sah man deutlich die Röte in seinem Gesicht. Und langsam kam in Merthin die Frage hoch, ob seine Unverfrorenheit nicht doch das kleinere Problem an dieser Sache war. Nun, zumindest sah er ihn zumindest an. Merthin beobachtete, wie der andere schließlich seine Male genauer in Augenschein nahm. Er konnte genau beobachten, wie er vom Hals abwärts Zeichen für Zeichen für sich erneut las, bis ihm aufging, dass eines fehle. Merthin drehte sich Aaron entgegen, damit er auch das Mal an seinem Rücken sehen konnte. Und er spürte, wie es leuchtete, wie es kribbelte, als Aaron das Mal bei seiner Bedeutung nannte. Ja, der andere hatte Einfluss auf ihn. Das Schicksal führte sie immer und immer wieder zusammen. Aber was war wohl seine Kraft? Besaß er eine? Allerdings war jetzt er an der Reihe, genauer unter die Lupe genommen zu werden. Später würde er aber seine Fragen stellen und hoffentlich Antwort erhalten…

„Das am Hals tauchte als erstes auf, die anderen folgten. Zuletzt kam Vereinigung“, erklärte er bereitwillig und blickte nun selbst auf seine Haut. „Sie reagieren, wenn ich wütend werde, wenn mich etwas nervös macht oder ich sonst irgendwie aus der Bahn gerate. Auch wenn ich kämpfe und trainiere – fällt mir gerade auf…“ Er dachte kurz nach. „Wie auch immer. Wenn sie nur schwarz sind, hält sie jeder für Tätowierungen.“ Er grinste leicht, als sich Aaron entschuldigte, dass er ihn die ganze Zeit angestarrt hat, und erwiderte den Blick des anderen, der nun noch röter wurde. „Sehe ich so schlecht aus, dass man mich gar nicht ansehen kann?“, fragte er provokant. „Und zum Glück reagieren sie nicht auf Sex. Sonst hätte ich da definitiv Erklärungsnot…“ Aaron schien nach wie vor überfordert und hatte den Blick abgewendet. Wirklich faszinierend, dieser Mann. Merthin wollte sein Hemd wieder anziehen, um den anderen nicht unnötig lange in dieser für ihn offenbar unangenehmen Situation festzuhalten, als sich Aaron ihm aber schon wieder zuwandte – nun zumindest zum Teil. Und nun überraschte ihn der Braunhaarige doch noch: eben noch schien es, als sei Aaron sein entblößter Oberkörper mehr als nur unangenehm, als er auch schon die Hand hob und es schien, als wolle er ihn berühren. Dabei hielt er sich aber noch immer die Augen zu… Innerlich schüttelte der Blonde ungläubig den Kopf. Merthin überlegte einen Moment. Offenbar war Aaron doch dazu in der Lage über seinen Schatten zu springen…

Leise hörte er den Atem des anderen, aus dem noch immer seine Nervosität sprach. Aber auch höflich – wie die nächste Frage deutlich machte. Merthin musste schmunzeln. Dann hob er beide Arme. Mit der einen Hand berührte er das Kinn des anderen und drückte sanft aber bestimmt seinen Kopf zu ihm. Mit der anderen Hand ergriff er Aarons ausgestreckte Hand. „Nur, wenn du mich ansiehst dabei“, sagte er leise. „Ich bin auch nur ein Mann. Warum kannst du mich nicht einfach ansehen?“ Und als er endlich wieder die Augen des anderen wirklich sehen konnte, drückte seine Hand die von ihm gehaltene auf das Mal für Schicksal – und es begann zu leuchten, dass das Zimmer nicht nur durch das plötzlich heftige Aufflackern der Fackel an der Wand heller wurde, sondern auch durch das Mal. Merthin spürte, wie eine Magie durch seinen Körper jagte, die ihn fast von den Füßen fegte du ihn schwindeln ließ.
 

Aaron

Interessiert hörte Aaron den Antworten des anderen zu. Also leuchteten die Male immer, wenn Merthin wütend, nervös oder anders aus der Bahn geworfen war? Sex haben musste also etwas Normales, Gewohntes für Merthin sein, sonst könnte man das doch auch als 'aus der Bahn geworfen' bezeichnen, wenn die Gefühle und Hormone mit einem durchgingen. Aber Aaron hatte in diesem Gebiet nicht genug Ahnung, um das richtig beurteilen zu können. "Besteht da nicht jedes Mal dennoch ein Risiko?", fragte Aaron noch nach. Außer natürlich Merthin hatte eine besondere Person, mit welcher er immer verkehrte, die Kenntnis von den Zeichen hatte, aber da dachte er wohl gerade zu weit.

Mit seinen Blicken zwischen seinen Fingern hindurch schaute Aaron zu, wie Merthin seine Hand ergriff und merkte, wie sein Kopf am Kinn in Merthins Richtung gerückt wurde. Seine Fragen waren nur schwer zu beantworten, außerdem war Aaron eh von dem kleinen Deal abgelenkt, den Merthin ihm gerade vorschlug. Er durfte ihn berühren und dafür sollte Aaron ihn auch anschauen. Langsam ließ der Prinz seine Hand von seinen Augen heruntersinken und blickte Merthin offen, aber noch immer mit Nervosität, an.

Mit Faszination beobachtete Aaron Merthin dabei, wie dieser seine Hand schließlich zu sich führte und sie sich auf die Haut drückte, direkt auf das Zeichen für Schicksal. Sogleich glühte es heiß unter seiner Hand, aber es brannte nicht. Eine Energiewelle schwappte über diese Berührung zu Aaron rüber und sammelte sich im einzigen Symbol, das Aaron immer auf der Haut trug, welches unter dieser Energiemenge ein kleines Stück Veränderung erfuhr und im klaren hellblau zu leuchten begann. Jede Seherin der altehrwüdigen Zeit hätte gewiss das kleine Farbenspiel gesehen, das in diesem Moment unkontrolliert und wild um sie herum die Elemente verrückt spielen ließ. Es war eine Verwirbelung ihrer Gaben, doch würde die Schwierigeit sein, diese so entstandene Kraft kontrollieren zu lernen und sie nicht genauso ausarten zu lassen, wie es vielerorts bereits geschah.
 

Plötzlich hämmerte jemand mit fester Faust sehr laut gegen die Tür zum geheimen Raum. Aaron erschrak und zog daher ruckartig seine Hand zurück. Der Moment ihrer Vereinigung war zu schnell und abrupt vorbei gewesen und Aaron war noch für einen Augenblick benommen von dem, was diese einfache Berührung ausgelöst hatte. Sein Blick wandte sich sofort zur Tür, doch keiner kam herein. Hatte die Garde wenigstens genügend Anstand nicht, herein zu kommen, solange der Prinz nicht 'Herein' sagte. "Habt Ihr Appetit? Wir haben kleine Erfrischungen für Euch", sprach eine dunkle Stimme durch die Tür. Aaron lief ein Schauer über den Rücken und die Wärme verschwand - der Berater des Königs. Aber zumindest nannte der nicht Aarons Titel, was den Prinzen erleichterte. Ansonsten hätte Merthin sofort gewusst, wer er war, denn das schien dem Blonden noch immer nicht klar zu sein. Der Brünette war sich sicher, dass Merthin nicht mehr so offen zu ihm wäre, wenn er wüsste, dass er königlicher Herkunft war. "Stellt es vor der Tür ab", sprach Aaron laut. Eigentlich hatte Aaron dann warten wollen, bis der Lord gegangen sein würde, nur um dann vielleicht Merthin etwas von den Appetithappen abzugeben. Als Ausgleich dafür, dass auch Aaron bei Merthins Familie zu essen bekommen hatte. "Ich werde Euer Essen nicht auf den Boden stellen, lasst mich reinkommen", hörte er dann aber, was deutlich machte, dass Lord Grammon sich nicht abwimmeln ließ. Man hörte bereits, wie der Mann nach der Türklinke griff und versuchte diese zu öffnen. Aaron hatte von Innen verschlossen, daher musste der Mann erst seinen Schlüssel suchen, um die Tür dennoch öffnen zu können. Für Aaron war es eine Frechheit, dass man sich über seinen Wunsch hinwegsetzte und einfach reinkommen wollte, was die Vermutung nahe legte, dass er nicht nur zum servieren von Häppchen da war. Er sollte gewiss nach Aaron schauen und sich vergewissern, dass alles in Ordnung war.

Gehetzt blickte der Prinz Merthin an. "Er darf Euch hier nicht sehen!", sprach Aaron das Offensichtliche leise aus, wobei er in der ganzen Eile und Sorge, dass Merthin hier gesehen werden könnte, vergaß, mit ihm über ein weiteres Treffen zu sprechen. Aaron konnte sich ja nicht einfach auf der Straße treffen, schon gar nicht zufällig. Ihr heutiges Treffen war auch eine Fügung des Schicksals gewesen, das hatte ihr Gespräch dem Prinzen gelehrt. Aber war ihnen auch ein weiteres Treffen bestimmt?
 

Merthin

Ich denke, dass sie nur dann reagieren würden, wenn ich eine emotionale Bindung hätte. Daher war das noch nie ein Problem...", gab er offen Auskunft. Sex war für ihn nur Befriedigung von Bedürfnissen, die er durchaus hatte. Wenn er sich je auf jemanden tiefer einlassen würde, dann wüsste er nicht, was passieren würde. Aber dann hätte er sich dem anderen so weit geöffnet, dass der oder die andere ohnehin seine Male schon kannte. Das aber vermied er weitestgehend. Nicht einmal Jenna hatte seine Male gesehen. Monty war der einzige seiner Freunde, der davon wusste. Vermutlich weil er ähnlich mehr sah wie Marie. "Mich auf jemanden inniger einzulassen, kommt für mich nicht in Frage", ergänzte er daher noch. Die Frage des anderen ließ ihn schmunzeln. So schüchtern er sich hier gab hatte Aaron sicher noch nicht viel mit diesem Thema zu tun gehabt. Und daher war es verständlich, dass er Sex noch mit Gefühlen und Emotionen verband.
 

Es waren nur Sekunden, die der andere ihn berührte, bis es mit einem Mal laut an der Tür klopfte und nun sein Herz drohte, stehen zu bleiben. Er war unaufmerksam gewesen, viel zu leichtsinnig! Aaron hatte seine Hand bereits zurückgezogen, während Merthins Male brannten und sein Herz einen riesigen Satz machte, nur um danach umso heftiger weiterzuschlagen. Er griff eilig nach seinem Oberteil und zog es sich über die hell leuchtenden Zeichen auf seiner Haut. Dann griff er zu dem Rucksack und trat einen Schritt zurück in Richtung Luke, als eine tiefe Stimme verkündete, dass es etwas zu essen gab. Merthin sah sich schnell um, ob er noch etwas liegengelassen hatte, dann sah er zu Aaron, der den Soldaten oder Kammerdiener oder was wusste er anwies, es draußen hinzustellen. Doch offenbar hatte der da draußen andere Pläne und er hörte schon den Schlüssel und Aarons entsetzte Feststellung, dass er schleunigst gehen musste. Merthin schmiss seinen Rucksack nach oben durch die Luke auf den Dachboden. Doch ihm fiel noch etwas ein. Eindringlich sah er den anderen an. „Versprich mir, Aaron, dass du Wort hältst und dein Hilfsangebot ehrlich war. Versprich mir, dass du mich aufsuchst. Du weißt, wo wir Schausteller vor der Stadt kampieren… Oder du kommst abends an den Marktplatz! Du wolltest ohnehin einmal die Show ansehen…“ Ohne eine Antwort abzuwarten, hüpfte er nach oben, zog sich mit einiger Kraftanstrengung durch die Luke und verschloss sie eilig wieder. Dann lauschte er, selbst schier atemlos. Er hörte schwere Schritte und dumpfe Worte. Verstehen konnte er nichts. Aber er hatte ohnehin keine Zeit zu verlieren. Er musste los, bevor er doch noch entdeckt wurde. Denn noch immer war da eine Stimme in ihm, die ihn warnte, Aaron zu sehr zu vertrauen.
 

Aaron

Merthin war zu schnell weg, als dass Aaron auf seine Worte hätte antworten können, klangen sie doch so persönlich, da es Aaron gerade bewusst wurde, dass Merthin ihn zum ersten Mal direkt mit seinem Namen angesprochen hatte. "Ja, versprochen", murmelte Aaron, obwohl sein Besucher bereits durch die Luke davongehüpft war und er hinter sich die Tür aufgehen hörte. Herein kam der Mann aus dem königlichen Beraterstab und er trug auch kein Tablett mit Häppchen in Händen, sondern ein erhobenes Schwert. "Ich habe Stimmen gehört, kurz bevor ich reinkam. Ich muss Euch ernsthaft fragen, was Ihr hier die ganze Zeit macht, königliche Hoheit?", wollte dieser Mann eindringlich von Aaron wissen, während er sich in dem kleinen Raum genauestens umschaute. Der Braunhaarige kannte diesen Mann genau, er war einer der obersten unter König Corvos Beratern und immer darauf bedacht, hinter allem und jeden herzuschnüffeln, was sich im Umfeld des Königs bewegte. Außerdem hatte er in seiner Nähe immer das Gefühl, als würde ihm Lebensmut fehlen. Den wollte man wahrlich nicht an den Hacken haben. Der Prinz versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er nervös war. Lügen war nämlich so gar nicht seine Stärke, aber er würde es müssen, sonst erfuhren die Berater seines Vaters am Ende noch was von seinen Nachforschungen über Magie und dann auch über seine Kontakte zu Merthin. "Ich lese laut, wenn ich versuche etwas zu verstehen", versuchte sich Aaron rauszureden. "Und maschiere... durch den Raum", fügte er fix hinzu, um zu erklären, warum er hier so rumstand. Dabei drückte er so unauffällig er konnte sein Gewand an sich, um das noch immer blau leuchtende Symbol zu verstecken, da er wirklich nicht wollte, dass ausgerechnet dieser Mann es sah. Normalerweise war es nämlich einfach bloß da und leuchtete nicht. Der Mann schaute skeptisch, immerhin hatte Aaron kein Buch in der Hand, in dem er gelesen haben könnte, wie er behauptet hatte. "Vielleicht solltet Ihr in den Palast zurückkehren", sprach der Mann schließlich und Aaron blieb nichts Anderes übrig, als zurück zu seinem Zuhause zu kehren, den Zettel der Prophezeiung dabei zwischen seinen Gewändern versteckend. Zumindest würde keiner lesen können, was da stand, dieser Gedanke beruhigte Aaron zumindest ein bisschen.
 

Merthin

Als er in dieser Nacht am Lager ankam, war er einen großen Umweg gelaufen. Er hatte oft die Richtung gewechselt und immer wieder sich in den Schatten gedrückt, um sicher zu gehen, dass ihn niemand verfolgte. Im Lager war alles ruhig und friedlich. Es waren keine Soldaten gekommen, um nach ihm zu suchen. Er ging in sein Zelt, aber so richtig zur Ruhe kam er nicht. Zu viel war geschehen, zu viel hatte er erfahren, als dass er nun einfach so hätte schlafen können. Er war aufgewühlt von all den Dingen, die sich langsam zu einem Bild formten. Und dieses Bild war in seiner Konsequenz erschreckend. War er wirklich der Auserwählte? Der, der dazu bestimmt war, dieses Land zu befrieden und die Magie zurückkehren zu lassen? Aber wieso ausgerechnet er? Und war Aaron wirklich der andere Krieger aus der Legende? War es wirklich das Schicksal, das sie zusammengeführt hatte?

Der Blaue

Merthin

Die nächsten Tage spürte Merthin eine gewisse Paranoia. Immer wieder blickte er sich unruhig um, ob Soldaten in ihr Lager kämen, ob er wirklich verraten worden war. Er hatte sich eine Tasche gepackt, mit den wichtigsten Dingen, damit er jederzeit untertauchen könnte, wenn die Soldaten nach ihm suchen würden. Aber bisher war nichts geschehen. Bisher schien niemand mehr Notiz von ihnen zu nehmen, als zuvor. So als sei bei der Begegnung in der Bibliothek nichts geschehen.

Aber das stimmte nicht! Wenn er vor ihrer erneuten Begegnung unkonzentriert gewesen war, so besserte sich das nun schlagartig. Das Feuer gehorchte ihm besser denn je. Und er nutze die Zeit, um auch das Kämpfen zu trainieren. Irgendwie war er hochmotiviert und das musste er ausnutzen. Es war schwierig, unbeobachtet zu trainieren. Aber auch das versuchte er. Einfach, um sich mehr zu trauen. Das Feuer war seine Gabe – also musste er sie wirklich beherrschen. Feuer war machtvoll und zerstörerisch. Und es war unberechenbar und konnte sich schnell gegen ihn selbst richten, wenn er nicht aufpasste. Daher bedurfte es Übung, viel Übung. Aber so nahe an der Hauptstadt war es schwierig, ungestört zu trainieren. Er würde sich noch gedulden müssen… Seine Mutter hatte zumindest schon angefangen, Kleidung dafür zu nähen, die relativ feuerstabil war. Ihm war es ein Rätsel, wie sie Dinge wie auch den Mantel hinbekam, aber sie hatte da eine eigene Begabung. Und alsbald hatte er die richtige Ausrüstung, um sich auch mehr zuzutrauen, was das Spiel mit dem Feuer betraf.

Marie bestärkte ihn darin, zu trainieren und sich auf etwas vorzubereiten, was unbestimmt war. Niemand wusste, was auf ihn, vielleicht auch auf sie zukommen würde. Sie war eine große Stütze. Und sie war fasziniert von der Tatsache gewesen, dass es noch ein weiteres Stück des alten Manuskriptes gab und dass es sich in Aarons Händen befand. Ihres gab sie ihm. „Es gehört ohnehin dir!“ Sie hatte ihm erzählt, dass es in dem Bündel, zu dem er gebunden gewesen war, integriert gewesen war. Ansonsten wunderte es Merthin kaum, dass die ältere Dame wenig überrascht von all dem war, was er berichtete. Das bestärkte ihn dafür umso mehr, dass er unbedingt Aaron wiedersehen musste. Er musste ihn endlich fragen, ob er auch Magie besaß, ob er auch Male hatte, ob er denkt, auch Teil der Prophezeiung zu sein... Und wenn dem so war – was hatte das für Konsequenzen? Sie mussten doch dann zusammenarbeiten, oder? Sie mussten ein Team werden! Und woher sollten sie wissen, wo sie gebraucht werden? War er schon wieder viel zu ungeduldig?

Ihre Auftritte hatten begonnen und liefen gut, so dass Merthin mit allem zufrieden war. Noch war der Markt im vollen Gange und würde noch eine Woche so weitergehen. Aber langsam – so fand Mertin – sollte Aaron hierherkommen. Sie würden in wenigen Tagen anfangen zu packen und weiterziehen. Es würde nicht mehr viele Gelegenheiten geben. Merthin hatte schon überlegt, noch einmal in die Bibliothek einzubrechen. Aber es schien ihm, als seien um das Schloss mehr Wachen aufgestellt, als vor ihrem Treffen. Ob doch jemand mitbekommen hatte, dass er da gewesen war?

Merthin blickte sich am Markt stets genau um, ob er etwas Verdächtiges oder vor allem Aaron sah. Aber es geschah nichts im Publikum – zumindest hatte er nie etwas gesehen, wenn er mit unruhigem Blick eben dieses absuchte. Eine seltsame Situation…
 

„Lass uns noch was trinken gehen, du Miesepeter!“, meinte Monty, der den Arm um ihn gelegt hatte und mit ihm zu den Zelten ging. „Es ist der letzte Abend! Wir haben frei und sollten genießen, dass wir in einer großen Stadt voller Sünden sind! Wer weiß, wann wir das wieder können… So jung kommen wir nicht mehr zusammen. Und die rothaarige Bedienung in dem Wirtshaus neulich müsstest du glaube ich nur einmal anzwinkern und sie würde sofort mit dir nach hinten verschwinden…“ Merthin seufzte leicht. Irgendwie war ihm die Stimmung verhagelt. Aaron war nicht gekommen… Die letzte Chance, ihr letzter Auftritt war soeben vorbei und Aaron war nicht erschienen. Es waren hohle Phrasen gewesen und es wäre gut, wenn sie morgen im Trubel verschwinden, den die Abreise des Prinzen zu seiner Hochzeit bereiten würde… „Ja, vielleicht!“, sagte er langsam. „Ich möchte mich erst waschen und umziehen, dann sehe ich weiter…“ Monty klopfte ihm auf den Rücken. „Dann bis später! Ich werde dir keine Wahl lassen!“ Merthin grinste schief winkte ab und ging hinüber zu seinem Zelt, um seinen Worten Taten folgen zu lassen.
 

Aaron

In dieser Nacht schlief Aaron nicht sehr gut. Er träumte wirres Zeug mit Merthin, seinen Zeichen, dieser unkontrollierten Magie und viel Durcheinander. Am nächsten Tag wollte Aaron zurück zur Bibliothek und seine Studien fortsetzen. Er hatte am gestrigen Abend mit Merthin mehr herausgefunden, als jemals zuvor. Jetzt wollte er dieses Wissen fundieren, erweitern und damit seine eigene Rolle und die von Merthin in dieser Prophezeiung verstehen lernen. Doch musste er feststellen, dass man ihn nicht mehr aus dem Palast hinausließ. Weder um zur Bibliothek zu gehen, noch um an Feierlichkeiten teilzunehmen und schon gar nicht, um sich die Vorstellungen der Spieler in der Stadt anzuschauen. Erst wartete der Prinz ein paar Tage, ungeduldig und ohne zu wissen, was er machen sollte, in der Hoffnung, doch noch wieder aus dem Palast gelassen zu werden. Bald würde der Jahrmarkt vorbei sein und Merthin würde mit seinen Leuten weiterziehen! Wie sollte er ihn dann nur je wiederfinden? Je mehr Tage vergingen, desto nervöser und hibbeliger wurde Aaron. Hoffentlich hatte Merthin nicht versucht, seinerseits Aaron erneut zu treffen, indem er wieder in die Bibliothek einbrach. Denn soweit der Prinz mitbekommen hatte, waren in dem geheimen Raum nun Soldaten postiert, wie überall in den öffentlichen Gebäuden und auf den Straßen der Stadt. Doch je mehr Aaron wartete, desto mehr wurde ihm klar, das er nicht rausgelassen werden würde, bis der Tag seiner Abreise gekommen sein würde. Die Nachricht, dass er schon wieder zu dieser Prinzessin sollte, um den tollen Plan seines Vaters voran zu treiben, hatte ihn genug geschockt. Zumindest war das eine Erklärung dafür, warum sie ihn hier regelrecht eingesperrt hatten. Diesmal sollte einfach nichts mehr schiefgehen und der König wollte nichts riskieren.

Am letzten Abend des Jahrmarktes bot sich Aaron endlich eine Gelegenheit den Palast zu verlassen. Offenbar war einer der Gardisten on den Schaustellern so begeistert, dass er seinen Job vernachlässigte und lieber dem Nachtleben bei den Bühnen des Jahrmarktes fröhnte, als weiter aufzupassen. Oder so ähnlich... warum auch immer: der Prinz warf den Umhang über, den er noch immer von ihrer Fluchtaktion - allerdings peinlichst rein gewaschen - bewahrt hatte. Eng in diesen Umhang gehüllt und die Kapuze weit ins Gesicht gezogen, schlich sich Aaron aus dem Palast. Es war erstaunlich leicht zu entkommen, auch wenn er erst merkte, was er tat, als er auf den vollen Straßen der Hauptstadt stand und von allen Seiten geschubst wurde, da einfach so viele Leute hier ihre Zerstreuung und Abwechslung vom schweren Alltag suchten. Einen Moment stand Aaron nur etwas am Rande da, begutachtete die vielen Leute, hörte die lauten Geräusche, die vielen Stimmen, Gelächter, aneinander schlagendes Glas, Klatschen von Händen... Aaron war sehr unwohl und er hatte Angst, erkannt zu werden. Aber er hatte Merthin versprochen, zu ihm zu kommen, und jetzt war seine letzte und beste Gelegenheit.

Kurz atmete Aaron durch, flüsterte für sich leise alle sieben Schriftzeichen von Merthin und endete mit Mut, den er dadurch zu fassen hoffte, dann lief er los. Der Abend war bereits angebrochen, aber Aaron hatte noch Hoffnung. Es dauerte, bis er ein Stück vor sich eine Bühne mit vielen Fackeln und Kerzen erblickte, die so hell strahlten, dass es die Lichter der anderen Schausteller wahrlich in den Schatten stellte. Aaron beeilte sich dorthin zu kommen und spürte bereits sein Herz schneller schlagen, als ob es wüsste, dass er diesmal die richtige Truppe gefunden hatte. Es hatte sich eine große Menschentraube um die Künstler gebildet, die für Aaron undurchdringlich schien. Im nächsten Moment hörte Aaron Falk Rosarios Stimme, welche dem Publikum verkündete, das ihre Darbietung vorbei sei. Die Show hatte er also verpasst... aber das sollte ihn nicht aufhalten, sein eigentliches Ziel zu erreichen. Schnell huschte Aaron an den Menschen vorbei, die nach einer Zugabe riefen, während Falk sie auf der Bühne beschäftigt hielt. Aaron war sich nicht sicher, ob dieser ihn gesehen hatte und ihm gerade half durch die Massen der Menschen zu gelangen. Aber wie auch immer - schließlich hatte es Aaron geschafft, um die Bühne herumzugelangen und so direkt den von hier aus nur noch kurzen Weg außerhalb der Stadt zu dem Lager zu folgen, wo die Gruppe ihre Zelte aufgeschlagen hatte. Der Prinz wusste aber genau, welches das richtige war, weshalb er auch ohne Umschweife über den menschenleeren Zeltplatz lief und sich Merthins Zelt schnell näherte, in welchem gar Licht brannte. Erleichtert es anscheinend geschafft zu haben, schlüpfte Aaron einfach ohne Vorwarnung in Merthins Zelt.

"Merthin, entschuldigt, aber ich... komme...", sprach er stockend, während er schon im Zelt stand, doch der Anblick, der sich ihm verdammt unvermittelt bot, ließen ihn die Worte im Halse stecken bleiben. Vor ihm stand ein schöner Mann, mitten im Zelt, mit einer Schale Wasser und Seife und einem Waschlappen in der Hand. Und wenn das nicht schon genug wäre, so trug dieser Mann nichts als eine kurze Unterbekleidung - Oder nichtmal das...? - dazu seine unverwechselbaren Male, die seinen Körper zierten, welcher durch das Wasser leicht nass glänzte. Sehr schwer schluckte Aaron während er merkte, wie ihm erneut die Röte ins Gesicht feuerte und diesmal spürte er selbst die Hitze in seinen Wangen. Das wievielte Mal war das jetzt, das Aaron wegen dem Blonden errötet war?

Einen Moment betrachtete Aaron den anderen mit einem bewundernden Blick, dann griff er hastig nach seiner Kapuze und zog sich diese bis über die Nase ins Gesicht, eine seiner Hände hob er sich an seine eigene Brust, an die er seine Hand nun drückte, so sehr war er darauf bedacht, nichts Falsches zu tun. Unter seiner Hand spürte er sein Herz klopfen, denn je länger er hier so wortlos stand desto peinlicher wurde es eigentlich. Seine Augen hatte er unter der Kapuze noch offen, blickte zu Boden, zu seinen eigenen Füßen, welche gar nicht mehr manierlich korrekt standen. Sollte er versuchen sich einen Sitzplatz zu suchen? Aber dafür müsste er mehr sehen können. 'Sehe ich so schlecht aus, dass man mich gar nicht ansehen kann?', das hatte Merthin Aaron bei ihrem Treffen in der Bibliothek gefragt, doch die Antwort darauf erschloss sich Aaron erst in diesem Moment ganz klar. Nein, das Gegenteil war der Fall. Aaron konnte ihn nicht ansehen, gerade WEIL er gut aussah, denn das dürfte der Prinz eigentlich nichtmal denken.

"Ich wollte nur... also wenn Ihr gerade... ich könnte warten...", kam es nun etwas zusammenhanglos zwischen seinen Lippen hervor. Jeder andere wäre wohl einfach mit einer Entschuldigung wieder aus dem Zelt getreten und hätte draußen gewartet, bis Merthin fertig war, aber auf die Idee kam Aaron gar nicht erst. "Mein Hilfsangebot war ehrlich, war auch eure Hilfsanfrage ehrlich?", murmelte Aaron dann leise schon wieder etwas gefasster und musste sich ein bisschen auf die Lippen beißen. Könnte er überhaupt noch helfen, wenn er morgen abreisen musste? Irgendwie musste er Merthin diese Tatsache erzählen, oder würde dem Blonden das weniger kümmern?
 

Merthin

Merthin zog sein Oberteil aus und griff zum Spiegel. Sein Zeichen für Mut hatte vorhin pulsiert und auch jetzt sah man, dass es noch gefärbt war, während die anderen nur schwarz waren. "Mut", sprach er leise aus. "Brauchst DU Mut, Aaron?" Merthin schüttelte den Kopf. Er würde sicher nicht mehr kommen... der Gedanke, sie könnten die beiden Männer der Prophezeiung sein, war von Tag zu Tag geschwunden. Nun, Aaron sah auch nicht wirklich wie ein Krieger aus. Sicher lebte er bei Hofe nur für die Bücher...

Merthin entkleidete sich gänzlich und begann sich zu waschen. Schweiß, der Geruch von Verbranntem, Dreck und Staub wusch er sich ab und wurde sich dabei bewusst, dass die Enttäuschung ihn demotivierte und ihm die Kraft, die er in den letzten Tagen seit dem Bibliotheksbesuch verspürt hatte, wie fortgeblasen schien.
 

Als das Zelt hinter ihm ging, vermutete er Monty oder seine Großmutter. Er wollte nach einem Handtuch greifen, um es sich um die Hüfte zu binden, bevor er erstaunt herumfuhr, als er eine ganz andere Stimme zu hören bekam. Er war doch gekommen... Aaron trug ihren Umhang, war also inkognito unterwegs gewesen. Und er hörte mitten im Satz auf zu reden... es dauerte einen Moment, ehe er begriff, dass er ja nackt war und der andere damit ein Problem hatte. Eilig band er das Tuch um die Hüfte und blickte wieder auf. Wie unangenehm dem anderen die Situation war, sah man mehr als deutlich. Er blickte nach unten, war rot angelaufen und schien im Boden versinken zu wollen. Als er etwas zu stammeln begann, griff Merthin zu einem Hemd und zog es sich über, die Unterkleidung folgte. Dann trat er an den anderen heran. Er wollte ja nicht, dass er floh... ganz im Gegenteil! "Ist schon gut", sagte er leise, als er vor ihm stand. "Mir macht das weniger aus als dir..." Merthin beugte sich vor, griff am anderen vorbei, so dass er ihm recht nahe kam, um seine Hose zu nehmen, die dort über einer Stuhllehne hing. "Ich freue mich, dass du da bist, Aaron!", sagte er lächelnd. "Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, also bitte geh nicht wieder, nur weil ich mal wieder zu wenig anhabe für deinen Geschmack..." Er sah in die Augen des anderen, die sich wenigstens zu ihm erhoben hatten. Aarons Geruch, der so rein und an Seife erinnerte, drang an seine Nase und er atmete tief ein. Dann ging er wieder auf Abstand und zog sich seine Hose an.

Nun hatte auch Aaron seine Sprache wiedergefunden und fragte ihn, ob er seine Hilfe immer noch bräuchte. Merthin war überrascht. Nun, letztlich wusste er noch immer nicht, welche Rolle jener hier einnahm. Was war ihre Verbindung? War es nur die Sprache, die der andere beherrschte und die seine Magie berührte? Oder war da mehr? War auch dem anderen Magie zuteil, die er ihm bisher verheimlicht hatte? Nun, oder auch nicht. Schließlich hatte er gespürt, was geschehen war, als er sein Mal berührt hatte... das war nicht nur seine Energie allein gewesen!

Dennoch war es jetzt an der Zeit, für Klarheit zu sorgen. "Das kommt ein wenig darauf an, in welcher Rolle du dich in dem große Ganzen siehst, Aaron", sagte er leise und eindringlich. "Was oder besser: wer bist du?" Er spürte die Unruhe in sich, die dieses große Mysterium um die Herkunft des anderen auslöste. "Ich bin mir sicher, Teil dessen zu sein, worüber wir recherchiert haben. Ich kann es nicht mehr leugnen und verdrängen. Ich habe angefangen, mich dieser Situation zu stellen und mich auf das vorzubereiten, was kommen wird - was auch immer das ist. Aber was ist mit dir? Du hast Kenntnisse über die vergessene Sprache, das weiß ich. Du kannst mit deinen Worten meine Kraft berühren. Das habe ich schnell gemerkt. Du hast dich vorhin meiner Zeichen bedient, als du Mut gebraucht hast. Aber mehr weiß ich nicht." einen Moment sah er den anderen prüfend an. "Wenn die Prophezeiung stimmt, dann muss ich mich mit dem blauen Krieger vereinen. Nur so gibt es eine Chance. Danke, für dein Angebot, mir zu helfen. Aber kann ich dir vertrauen?" Das war eine entscheidende Frage. Er konnte sich nur jemandem anvertrauen, über den er etwas wusste. Er vertraute ihm im Falle des Falles schließlich sein Leben an. Hier ging es um alles oder nichts.
 

Aaron

Zwar kam Merthin näher an Aaron heran, während dieser stocksteif dastand und sich für seine eigene Reaktion genierte, aber Merthin war dabei sehr verständnisvoll und zuvorkommend, was den Braunhaarigen dazu veranlasste, unter seiner Kapuze hervor zu schauen, obwohl der andere noch dicht bei ihm stand. "Wenn das mein Vorhaben wäre, wäre ich gleich wieder umgedreht", antwortete Aaron auf die überraschend ehrlichen Worte des anderen, dass Aaron nicht gehen sollte. Es freute ihn, dass er noch willkommen war, obwohl er so dermaßen spät erst hergekommen war. Merthin forderte weder eine Erklärung, noch machte er ihm deswegen Vorwürfe. Das machte seine Gesellschaft mehr als angenehm, auch wenn er dazu neigte, häufig in seinem Beisein immer weniger Kleidungsstücke am Leib zu tragen.

Aaron lockerte seine Haltung und konnte seine Kapuze schließlich ganz vom Kopf ziehen. Kurz klopfte er sich auf die Wangen, um sich selbst wieder zur Ordnung zu rufen, dann blickte er Merthin an, welcher sehr direkt nach mehr Informationen zu Aaron fragte. Dabei sah er in den Augen des Blonden den Willen, das wirklich zu erfahren. Aber so sehr Aaron es auch wollte, so einfach konnte er ihm nicht sagen, wer er war. Wäre er ein einfacher Adliger, könnte er es einfach sagen, denn dass Aaron höheren Kreisen entstammte, war Merthin gewiss schon klar. Aber seine wahre Herkunft war noch eine Nummer größer. Der Prinz überging die Frage erneut, hörte lieber Merthins weiteren Worten zu. Es überraschte Aaron nicht zu hören, das der Blonde seine Rolle in der Prophezeiung ebenfalls als Bestimmter wahrnahm, als derjenige, der als roter Krieger der Welt Frieden bringen sollte. Die Worte der Prophezeiung und seine Male auf der Haut ließen einfach keinen anderen Schluß zu. Daher nickte Aaron langsam, um dem anderen zuzustimmen. Es stimmte natürlich, Merthin hatte nicht viele Anhaltspunkte um Aaron vertrauen zu können, da dieser ja auch nichts von sich preis gab. Merthin hatte sich Aaron offenbart, indem er ihm seine Male gezeigt hatte und vor ihm seine Bestimmung anerkannt hatte. Es gab nur eine Möglichkeit dem Blonden eine Antwort auf seine Frage zu geben, ohne das es in bedeutungslosen Worten ausartete, wo Merthin selbst entscheiden müsste, ob er ihnen glauben wollte oder nicht; vor seinen Augen das zu offenbaren, was bisher keiner außer Aaron selbst wusste.

Eine Verbindung zwischen ihnen schien schon zu bestehen, hatte Merthin doch gemerkt, dass Aaron sich auf dem Weg hierher Mut geliehen hatte. Mut, welchen Aaron sich von Merthin geschöpft hatte. Das hatte sehr geholfen, sodass der Prinz den Weg hierher hatte gehen können und es half auch jetzt, dass er den Entschluss fassen konnte, Merthin zum einzigen Menschen zu machen, der etwas von seinen Fähigkeiten wissen würde. "Moment", antwortete Aaron nur und maschierte zu der Wasserschale rüber, hob sie an und trug sie zurück zu Merthin. Der Prinz setzte sich geziemt auf den Boden und stellte die Wasserschale vor sich ab. Aaron spürte in sich Nervosität, niemandem hatte er etwas davon gesagt, niemand hatte bisher gesehen, wie Aaron seine Magie angewandt hatte. Ansonsten säße Aaron gewiss jetzt nicht hier. Aaron tauchte seine Hand in das Wasser und schöpfte mit dieser eine Hand voll daraus hervor. Kurz blickte er Merthin in die Augen, dann schaute er wieder auf seine Hand mit dem Wasser. Langsam und noch etwas zögerlich ließ er einen Schluck Wasser zwischen zwei seiner Finger hinunter platschen. Nur, dass das Wasser nicht mehr als Wasser in der Schale landete, sondern als Eisstückchen. Aaron hatte schon länger keine Magie mehr angewandt, zu gefährlich war es, dabei beobachtet zu werden. Umso mehr überkam ihm jetzt dieses magische Gefühl, das von seinem nun auch blau leuchtenden Symbol auf der Haut ausging und seinen ganzen Körper durchflutete. Eine gewisse Kälte hatte sich in seiner Hand gesammelt und war in der Luft spürbar. Tief atmete Aaron ein, er mochte dieses Gefühl der Magie in und um sich, auch die von Merthin.

Schluckweise ließ Aaron immer wieder kleine Wassermengen zurück in die Schale fallen, die er mit etwas Konzentration vereiste, bevor dieses in der Schale ankam. Schließlich schwammen viele kleinere Eisstücke im Wasser der Schale. Als Aaron jünger war hatte er sich auf diese Weise im Sommer immer selbst Eis für seine Getränke gemacht, zumal von ihm magisch geformte Eisstücke länger in der Hitze aushielten, bevor sie schmolzen. Zu der Zeit hatte er aus Neugier und Faszination öfters mal mit seiner Magie rumprobiert. Heute wagte er das nicht mehr.

Nachdem alles Wasser aus seiner Hand als Eis in der Wasserschale gelandet war, tippte Aaron mit seinem Zeigefinger wahllos auf die Wasseroberfläche, was das Wasser punktweise einfrieren ließ, jedesmal, wenn sein Finger die Oberfläche berührte. "Ich habe auch eine Gabe und dachte daher, das vielleicht auch ich gemeint sein könnte. Neben Euch", sprach Aaron nun und legte seine ganze Handfläche auf das Wasser, woraufhin alles Wasser in der Schale zu Eis erstarrte. "Ich bin mir aber nicht mehr sicher, ob dem der Fall ist. Vielleicht bin ich einfach da, um Euch Eure Bestimmung darzulegen, Euch die Bedeutung Eurer magischen Zeichen zu erläutern und das hab getan. Eine Art Zwischenstation für Eure Reise im bestreben Eure Magie zu vergrößern", sprach Aaron weiter und zog seine Hand zu sich zurück. Sie war noch kalt von der Magie, die von ihr ausgegangen war, daher rieb er seine Hände leicht aneinander, um sie wieder aufzuwärmen. Zwar war Kälte nichts, was Aaron störte, aber Wärme fand er dennoch gemütlicher. "Mein Vater hat angeordnet, dass ich nach Kara gehe und dort in ein anderes Haus, eine andere Familie einheirate. Morgen. Wenn das nicht mit zur Prophezeiung gehört, glaube ich nicht, dass ich und meine Kraft diejenigen sind, mit denen Ihr und Eure Kraft Euch vereinigen sollt", erzählte er Merthin auch ehrlich. Aaron stockte, schaute den Blonden an und wendete im Kopf dabei den Gedanken hin und her, es doch einfach auszusprechen. >Ich bin eine Hoheit<, mehr bräuchte er doch nicht sagen, damit Merthin begreifen würde, aber es wollte ihm einfach nicht so einfach über die Lippen kommen. "Wisst Ihr, ich bin-", hatte Aaron gedruckst, aber es fast ausgesprochen, als er von jemanden unterbrochen wurde, der in Merthins Zelt gestürmt kam. "Merthin, Soldaten!", es war Jenna, die überstürzt hereinplatzte und etwas säuerlich dreinblickte, da ein entsprechender Ruf durchs Lager gepfiffen worden war, der Blonde aber nicht geantwortet hatte. Als sie Aaron erkannte, schaute sie erst verwundert, dann kritisch und dachte sich vielleicht ihren Teil, zumindest sagte sie nichts mehr, sondern machte hektische Gesten nach draußen, dann huschte sie wieder davon. Höchstwahrscheinlich auf dem schnellsten Weg rüber zu Falk, um ihn darüber zu informieren, dass Aaron hier war. Ob sie es für keinen Zufall mehr hielt, dass sie nun schon das zweite Mal von Soldaten überrascht wurden, die ihre Sachen durchwühlen wollten, immer wenn Aaron bei ihnen war? Ihr Blick hatte so ausgesehen.

Aaron hatte sich vom Boden erhoben, blickte verdattert und ängstlich zum Zelteingang. Schon wieder Soldaten? Genau wie beim letzten Mal sollten sie Aaron hier nicht unter den Leuten finden, sie würden weg müssen. "Kennt Ihr wieder einen guten Weg ungesehen hier weg?", fragte Aaron den anderen leise in der Hoffnung, dass ihm diese Vorfälle nicht angelastet werden würden. Er wollte niemanden hier in Gefahr bringen, nur Zeit mit Merthin verbringen, das bisschen zumindest, was noch übrig war, bevor er das Land würde verlassen müssen.
 

Merthin

Merthin sah deutlich, dass seine Frage, wer er sei, Aaron mit sich hadern ließ. Offenbar war es nicht einfach für ihn, ihm zu offenbaren, aus welcher Familie er stammt und welche Position er hinsichtlich des Königs einnahm. Es war ja nicht so, dass alle Adeligen bedingungslos akzeptierten, wie König Corvo regierte und sein Volk unterdrückte. Die Kritiker waren rar und lebten gefährlich, aber es gab sie. Zögerte der andere nun deshalb, weil er ein Kritiker war - wobei das verwunderlich wäre - oder weil er aus einer dem König näherstehenden Familie - womöglich die des Heerführers - stammte. Als er zunächst keine Antwort erhielt, fragte er weiter. Vielleicht war Aaron ja gesprächiger, wenn es um die Prophezeiung ging... und tatsächlich regte sich der Braunhaarige bei diesem Thema, signalisierte seine Vermutung, dass er der rote Krieger war. Aber welche Rolle trug Aaron in dieser Geschichte? Würde er ihm Gewissheit geben, dass sie etwas Besonderes verband? Dass sie beide Teil der Prophezeiung waren? Dass er der blaue Krieger war?

Merthin beobachtete, wie der andere zur Wasserschüssel ging. Was hatte er denn jetzt vor? Abwartend sah er Aaron zu, wie dieser mit der Schüssel zurückkehrte und sich setzte. Merthin hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wartete ab, was nun kommen würde. Ob der andere ein Wasser-Magier war? Das würde das Blau zumindest erklären...

Aaron wirkte nervös, wie jemand, der etwas Verbotenes tun wollte, aber noch mit sich haderte. Und vermutlich war es auch so - irgendwie. Als er nun aber die Hand ins Wasser tauchte, spürte Merthin ganz deutlich, wie Energie ihn berührte, magische Energie. Er sah, wie das Wasser vibrierte und der Hand zu folgen schien, als sie wieder erhoben wurde. Anders als bei anderen Menschen, blieb das Wasser in der Hand und nichts tropfte hinab. Zumindest bis Aaron zwei Finger öffnete und so ein bisschen zurück in die Wasserschüssel kippte. Doch es war kein Wasser, das zurückkehrte, sondern Eis! Aaron war ein Eismagier! Merthin sah erstaunt zu und setzte sich nun doch dazu, staunend dabei zusehend, wie Aaron in seinem Element agierte. Er spürte, wie die Kälte, die von ihm ausging, auf seiner Haut kribbelte. Nebliger Atem tanzte vor Aarons Gesicht und den Feuermagier fröstelte leicht. Fasziniert sah er auch zu, wie Merthin bald hier bald da das Wasser berührte und es damit gefrieren ließ, bis der Braunhaarige zu sprechen begann.

"Das sehe ich...", sagte Merthin leise und noch immer gebannt auf das Wasser schauend, das nun in Gänze eingefroren wurde. "Eis ist dein Element. Du bist der Blaue, der frostige Blaue", sagte er und blickte irritiert auf, weil Aaron sich da nicht so sicher zu sein schien. "Was du sagst, macht keinen Sinn!", sagte er bestimmt. "Ja, du hast mir geholfen, die Zeichen zu lesen und viele Dinge herauszufinden. Aber da ist viel mehr, das uns verbindet. Und sag nicht, dass du es neulich nicht auch gespürt hast, als deine Hand Schicksal berührt hat." Er sah Aaron eindringlich an. "Wir gehören zusammen..."

Merthin spürte, wie sehr er daran glauben wollte. Er hatte die ganzen letzten Tage daran geglaubt, auch wenn er sich versucht hatte einzureden, dass es auch nicht so sein könnte... aber tief in seinem Inneren wollte er nichts anderes, als dass Aaron sein Mitstreiter war!

Und dann? Dann ließ Aaron eine Bombe platzen. Und vermutlich war es sein Unterbewusstsein, dass er nicht das sah, was offensichtlich war. Später würde er sich einen Idioten schimpfen, weil er zu blöd war, das zu sehen, was direkt vor seiner Nase lag. Doch jetzt begriff er nicht, wollte es vermutlich nicht.

"Du sollst verheiratet werden? Na herzlichen Glückwunsch! Kannst ja gleich mit dem Prinzen zusammen feiern!", dass er sarkastisch klang, war ihm bewusst. "Und du? Was willst du? Liebst du sie? Wenn, dann geh und vielleicht hast du recht, wenn du sagst, dass du es doch nicht sein kannst. Zumindest kannst du versuchen, es dir weiter einzureden!!!" Merthin spürte eine unbekannte Wut in sich. Er spürte das bekannte Brennen auf seiner Haut und die Kälte verschwand. "Kann ja dein Vater froh sein, einen so pflichtbewussten Sohn zu haben!" Er griff zur Schüssel und das Eis begann zu schmilzen. Merthin stand auf und wollte noch etwas nachsetzen, denn es machte ihn wütend, dass der andere das so leichthin sagen konnte, doch nun setzte Aaron zu einer Verteidigung an. Nun zumindest bis Jenna hereinplatzte...

Merthin war unaufmerksam gewesen und in diesem Moment wurde er sich auch des Pfeifens bewusst, dass er vorhin nur unbewusst wahrgenommen hatte. "Die alte Mühle!", rief er ihr nach. "In einer Woche."

Merthin hatte die Schüssel abgestellt und schritt eilig durch das Zimmer. Er öffnete eine Truhe, zog sich den Umhang über, bewaffnete sich mit seinem Stiefeldolch, seinem Schwert und einem Bogen. Dann schulterte er seinen Rucksack mit Proviant Wasser Decke etc. Und seinen Köcher. Er war schon seit Tagen auf diesen Moment vorbereitet. Dann drehte er sich zu Aaron, dessen Frage er ignoriert hatte. "Ich kenne nicht nur einen", sagte er knapp. "Ich bin schon seit Tagen auf diesen Moment vorbereitet. Ich wusste ja nicht, ob ich dir trauen kann..." Damit ergriff er die Hand des anderen, wissend, dass Aaron ihm so besser folgen könnte, und führte ihn bestimmt aber zielsicher zum hinteren Teil des Zeltes, wo man hinaus durchschlüpfen könnte. "Stärke!", flüsterte er leise und sah Aaron an. Dann schob er das Zelt zur Seite und blickte sich um, bevor sie begannen, zu laufen...

Die Hand in der seinigen fühlte sich gut an. Merthin war sich völlig sicher: Aaron war sein Gegenpart. Und nur gemeinsam würde sich die Prophezeiung erfüllen.
 

Aaron

Aarons Blick fing sich in Merthins Augen, als dieser so fasziniert feststellte, dass Eis sein Element und er der Blaue wäre, wie der Wortlaut der Prophezeiung den zweiten Krieger beschrieb. Der Prinz konnte nicht leugnen, dass da ein gewisser Stolz in ihm hochkam und ihm eine leichte Gänsehaut seine Arme überzog. Trotz all der Verantwortung und Gefahren, die damit verbunden sein würden, wäre es Aaron eine Ehre diese Position einzunehmen und mit Merthin vereint gegen das Übel der Welt vorzugehen. 'Wir gehören zusammen...', eine erneute Gänsehaut breitete sich über Aarons Haut aus. Wenn Merthin das so sagte, mit seinem eindringlichen Blick aus diesen leuchtenden Bernsteinen, fühlte Aaron sich so besonders, so... gewollt. Es brachte den Prinzen zum Lächeln, ohne dass er es wirklich steuerte. Natürlich hatte er es letztens in der Bibliothek auch gespürt, ganz deutlich sogar, weswegen er leicht zustimmend nickte. Die Reaktion allein dieser kleinen Berührung hatte Aaron schwindelig werden lassen, da bekam er schon etwas Sorge, wieviel Energie sie in der Lage waren zu entwickeln, wenn sie es wirklich darauf anlegen würden. Eine solche Kraft war eine Bürde, nicht nur ein Geschenk!Würden sie mit dieer Verantwortung umgehen können? Gerne würde auch Aaron daran glauben, dass sie beide bestimmt waren diese Bürde gemeinsam zu meistern, aber die Zeichen standen momentan anders.

Aarons Gesichtsausdruck wechselte für einen Augenblick zu einem erschrockenen, als Merthin erwähnte, dass er ja dann zusammen mit dem Prinzen feiern könne. Das Volk wusste so genau Bescheid? Wenn alle wussten, wann der Prinz abreisen würde, war es doch kein Wunder, dass es verruchte Menschen gab, die daraus Profit zu schöpfen versuchten. Für einen Wimpernschlag hatte Aarons Herz einen Aussetzer gehabt, da er gedacht hatte, dass Merthin den Zusammenhang von Aarons Situation mit der des Prinzen erkennen und in Verbindung bringen würde, doch stattdessen schien der andere wütend zu werden. Als ob er etwas dagegen hatte, dass Aaron dieser arrangierten Hochzeit nachkam und damit nicht sein prophezeiter Partner im Kampfe sein könnte. Was sollte er darauf antworten? Eine Diskussion über Aarons eigenen Willen war nutzlos, heiraten müsste er sie dennoch. Weil der König es so wollte. Weil es seine Pflicht war.

Die eben noch von Aarons Magie abgekühlte Luft erwärmte sich in nur einem Augenblick und Merthins Male gerieten in Unruhe. Sein gerade erst geformtes Eis schmolz, ohne dass Merthin es direkt berührte. Aber all das bräuchte Aaron nichtmal sehen, da es auch so zu spüren war. Irgendwas brachte Merthins Feuermagie durcheinander, versetzte sie in Unruhe und Aaron erinnerte sich daran, was Merthin ihm erzählt hatte: dass seine Male darauf reagieren würden, wenn er wütend wurde. Aber warum war er gerade wütend?

Aaron erhob sich von seinem Platz, trat auf Merthin zu, wollte ihm das letzte Geheimnis um seine Person ausbreiten, damit er verstehen würde, warum er handelte, wie er es tat, doch seine Zurückhaltung hinderte Aaron daran, es schnell auszusprechen, sodass er schließlich nicht mehr dazu kam, es zu sagen. Die rothaarige Frau, deren Namen Aaron von ihr nie gesagt bekommen hatte, kam herein und warnte sie vor Soldaten, die wohl auf dem Weg hierher waren. Konnte das noch Zufall sein? Ein bisschen bekam Aaron Sorge, dass er sie hierher geführt haben könnte. Er hatte sich auf dem Weg hierher zwar nicht verfolgt gefühlt, aber er bekam Zweifel, ob er auch wirklich gut darauf geachtet hatte, dass ihm keiner folgte. Er war so darauf versessen gewesen, Merthin zu finden, dass er einfach gerannt war. Hoffentlich wurde ihnen das jetzt nicht zum Verhängnis!

Merthin reagierte sofort und sammelte seine anscheinend vorbereiteten Dinge zusammen. Seine Erklärung dafür war einleuchtend, dabei nahm Aaron es ihm nicht übel, dass er anscheinend an seiner Glaubwürdigkeit gezweifelt hatte. Der Prinz hoffte aber, dessen Zweifel nun ausgeräumt zu haben. Denn auch, wenn Aaron doch nicht der Blaue war, so sollte Merthin sich gewiss sein, dass er doch zumindest auf seiner Seite war.

Umso überraschter war der Braunhaarige aber, als Merthin sich seine Hand schnappte und ihn recht bestimmt mit sich zog. "Merthin...", nuschelte er leise vor sich hin, während er dem Zug des anderen folgte und hinter ihm her aus dem Zelt schlüpfte. "Stärke", wiederholte Aaron dieses mächtige Wort, um ihnen die Stärke zu verleihen, ausdauernd und mit Schnelligkeit zu entkommen. Wieder war die Auswirkung des Aussprechens sofort spürbar und durch ihren Handkontakt auf sie beide gut verteilt.
 

Merthin

Die Erwähnung des Prinzen schien den anderen nervös zu machen - wieder ein Detail, das ihm weitestgehend entging, während er in seiner so unbegreiflichen Wut gefangen war. Es waren andere Dinge kurz darauf ohnehin wichtiger, viel wichtiger. Und das Wichtigste war, dass Aaron mit ihm kam und sich nicht der Pflicht hingab, sondern sich für die Prophezeiung, für ihn entschied.
 

Als er seinen Namen auf Aarons Lippen hörte, hatte er kurz die Sorge, jener würde sich gegen ihn stellen, aber es kam nichts mehr. Vielmehr stieg der Braunhaarige darauf ein, sein Mal zur Hilfe zu nehmen. Und Merthin spürte Dankbarkeit dafür, dass Aaron dadurch mithalf, zu entkommen. Und so kamen sie unbehelligt durch das Lager. Dass Marie kurz darauf in ihrem Zelt einen Ritual durchführte, um die Magie, die noch in der Luft lag, zu zerstreuen, bekamen sie nicht mehr mit.

Hauptsache zusammen

Merthin

Sie waren lange gelaufen, bevor sie das Tempo drosselten und nun doch etwas langsamer liefen. Sie hatten geschwiegen und Merthin war seinen Gedanken nachgegangen. Er wusste nicht, ob er nicht gerade zu weit ging. Letztlich hatte er für Aaron entschieden. Er hatte ihn mitgezogen und damit beschlossen, zu verhindern, dass er verheiratet wurde. Aber er hatte deswegen ja noch keine Antwort erhalten. Es stand noch immer zwischen ihnen. Der Blonde hatte vielleicht ein wenig Angst, dass Aaron sich gegen ihn entscheiden könnte. Obwohl er zumindest nicht protestierte, dass er ihn einfach hinter sich herzog. Es war eine blöde Situation und sie würden sie noch klären müssen...
 

Es war mittlerweile dunkel und Merthin blickte sich suchend um. Auf einer Anhöhe stießen sie auf die Ruine eines alten Bauernhofs. Merthin räumte etwas die Dachziegel des eingestürzten Eingangsbereichs zur Seite und legte den Rucksack ab. Dann suchte er Feuerholz und machte ein kleines Feuer. Müde setzte er sich und holte aus seinem Rucksack Brot und Käse, wovon er Aaron etwas reichte. Irgendwie hatte er keine Lust zu reden, aber es war wichtig, dass sie redeten... "Du kannst nachher die Decke haben", sagte er etwas patziger, als er wollte. Mittlerweile wusste er nicht mehr genau, was ihn vorhin so genervt hatte. Aber müsste er sich dafür entschuldigen? Aaron hätte ja nicht am Tag vor der Hochzeit kommen müssen? Was sollte das?
 

Aaron

Leichtfüßig und schnell entfernten sie sich vom Zeltplatz und liefen durch ödes Land, das sich rund um die Stadt ausgebreitet hatte. Bauernhöfe und Wassermühlen gab es hier kaum noch, die meisten waren verlassen, da der Boden nicht mehr genügend Pflanzen gedeihen ließ. Auch das Wasser in den Flüssen war zurückgegangen, aufgrund des steigenden Ungleichgewichtes der Magie um die Hauptstadt. Aaron und auch Merthin blieben während ihrer Flucht stumm. Der Blonde wirkte so entschlossen und auch überzeugt, dass Aaron ihn unterwegs bloß immer wieder anschauen - und ein bisschen bewundern - musste.

Sie liefen bis die Sonne sich komplett zurückgezogen hatte und die Dunkelheit Einzug gehalten hatte. Aaron überließ Merthin die Auswahl eines passenden Rastplatzes, denn er hatte mehr Ahnung davon, wo man geschützt ruhen konnte. Die Wahl fiel auf einen verlassenen Bauernhof, wo sich Aaron erstmal kurz umschaute, während Merthin für wärmendes Feuer sorgte. Es dürfte eine neue Erfahrung werden, so komplett unter offenem Himmel zu schlafen. Bei Merthin hatte er in einem Zelt übernachtet, hier hatten sie nichtmal das. Aber zumindest hatten sie etwas Nahrhaftes und eine Decke, die Merthin Aaron recht patzig anbot. Es war zu merken, dass ein Stück des Ärgers noch immer in Merthin steckte, und Aaron fragte sich, ob es mit der Hochzeit zu tun hatte. Denn erst, nachdem er diese erwähnt hatte, war Merthin derartig 'aus der Bahn geworfen'. Darüber mussten sie reden, damit die dicke Luft verschwinden würde, die sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte.

Aaron nahm das Brot und den Käse entgegen, bedankte sich kurz und betrachtete das Stück. Selbst Brot aß man in seinen Kreisen mit Besteck, so war es etwas Neues direkt aus der Hand zu essen und nicht wenigstens ein Spießchen zu haben, an dem die bereits mundgerecht geschnittenen Brotstücke hingen. Langsam setzte er sich neben den Blonden auf den bloßen Boden, winkelte die Beine seitlich an, als würde er auf einem Stuhl ordnungsgemäß sitzen. Während Aaron ein bisschen von dem Brot und dem Käse aß, schaute er zu Merthin hin, welcher sehr still geworden war. "Ihr seid ungehalten, das habt Ihr deutlich gemacht", sprach Aaron in die Stille hinein und versuchte auf diesem Weg ein Gespräch anzufangen und sich dabei zu erklären. "Euer Schicksalsmal hat auf meine Hand reagiert, weil ich Teil Eures Schicksals bin, ebenso wie Ihr... des meinen. Aber Schicksal hat mehrere Facetten", versuchte Aaron sich eine weitere Erklärung dafür zu suchen, dass er der Blaue wäre. Tief in sich spürte er, dass es so sein musste, dass er das Glück und die Bürde inne hatte, eine Einheit mit Merthin zu werden. Es passte einfach zu gut. Zudem fühlte er sich wirklich zu Merthin hingezogen, magisch, wie auch persönlich. Aber konnte das nicht auch mehr auf Sympathie beruhen, nicht auf ihre magische Zusammengehörigkeit? Konnte es wirklich sein, dass ausgerechnet er von allen möglichen Menschen im Land derjenige sein könnte? Wenn Aaron diesen Gedanken zuließ und sich dann doch der richtige Partner für Merthin fand, wie sollte er dann in sein altes Leben zurückkehren können? Merthin würde dann doch seinen wahren blauen Krieger ihm vorziehen - natürlich. Ein irgendwie schmerzvoller Gedanke.

"Wie seid Ihr Euch so sicher?", griff er nun das im Zelt Gesagte auf. "Ihr mögt mich ja nun schon zum zweiten Mal davor bewahrt haben, zu meiner versprochenen Dame zu gelangen, aber das befreit mich nicht von dieser Pflicht. Daher spielt es keine Rolle, dass ich bei Euch bleiben möchte, Euch weiterhin unterstützen möchte oder dass ich meine Zukünftige gar nicht kenne." Noch hatte Aaron nicht wirklich erkannt, dass es gar nicht so schwer wäre, sich von den Ketten des Königs zu befreien, da er Merthins Hilfe hätte. Es war ihnen bestimmt, zusammen alle Widrigkeiten zu meistern, auch wenn es schwierig werden würde. Obwohl, den Schluß der Prophezeiung hatten sie noch gar nicht gelesen, keiner wusste, wie die Sache enden würde. "Meinem Vater ist die Sache dermaßen ernst, dass er mich Zuhause festgehalten hat. Ich versuchte fortzulaufen, doch es war mir erst heute gelungen", brachte Aaron auch eine Erklärung mit, warum er nicht schon früher Merthin aufgesucht hatte. "Ihr seht, das ist nicht so einfach, wie es ausschauen mag."
 

Merthin

Das Feuer knisterte und die Stille drückte auf Merthin. Er senkte den Blick, als er merkte, dass er den anderen überforderte. Zumindest dachte er, dass es so war. Er hatte sich aus eigenem Interesse dazu hinreißen lassen, für den anderen eine Entscheidung zu treffen. Er hatte ihn mitgenommen, um zu verhindern, dass sie wieder etwas trennen würde, etwas Großes, etwas Endgültiges, eine Hochzeit in ein anderes Land. Vielleicht sah man es ihm nicht an, vielleicht wirkte er auch nicht so, aber er war verunsichert. Er wusste nicht, was das alles bedeuten sollte, wohin es führte und was auf ihn - oder auf sie - zukommen würde. Und wieder eine Trennung von demjenigen, der ihm helfen konnte, damit zurecht zu kommen, könnte er gerade einfach nicht mehr ertragen. Aber es war selbstsüchtig gewesen, Aarons 'Schicksal' einfach an das seine binden zu wollen... und nun saß hier neben ihm jemand, der sich sichtlich unwohl fühlte und hier deplatziert war. Aaron war sicher noch nie des Nachts draußen in der Natur gewesen und hat die Nacht dort verbracht. Hatte er das Recht gehabt, das über den Kopf des anderen hinweg zu entscheiden? Nein, hatte er nicht.

Als Aaron ihn ansprach, schloss er einen Moment die Augen. Diese höfliche Form nervte ihn, ließ ihn innerlich glühen. Nicht, weil er sauer auf den anderen war, sondern weil es ihm vorführte, dass seine Gedanken völlig richtig gewesen waren: Aaron gehörte nicht hierher. Und wenn er es nicht einmal schaffte, ihn zu duzen, dann bestand bei weitem nicht so eine tiefe Verbundenheit wie er sich vormachte.

Merthin schwieg erst einmal und hörte dem anderen zu. Ja, er war ungehalten gewesen, weil alles so seltsam verworren war. Er atmete tief durch. Sie waren jeweils Teil ihres Schicksals? Mehrere Facetten? Wollte er es ihm ausreden, dass sie die Auserwählten waren? Vermutlich... Merthin lauschte in sich hinein, als er die entscheidende Frage hörte. Und natürlich merkte er, dass sich Aaron nebenbei erklärte. Und er sagte ihm, dass er diese Frau gar nicht kannte, dass er beim ersten Mal bereits auf dem Weg zu seiner Auserwählten gewesen war und dass er lieber mit ihm gehen würde. Aber er hatte eine Pflicht....

Merthin konnte das irgendwie verstehen. Aber das half kaum weiter, oder? Und abschließend erklärte er ihm noch indirekt, warum er so spät gekommen war. Es machte alles Sinn, ja. Aber doch auch wieder nicht...

"Ich bin leider überhaupt nicht sicher, Aaron!", begann er schließlich nach kurzem Schweigen. Er duzte ihn bewusst. "Das Schicksal mag Einfluss auf uns haben, es mag den Weg weisen. Aber dennoch glaube ich auch daran, dass wir unseres eigenen Glückes Schmied sind. Ich trage für mein Handeln die Verantwortung - unabhängig vom Schicksal. Ich kann ja auch nicht ein Verbrechen begehen und behaupten, es sei Schicksal gewesen... oder jemanden entführen, ohne ihn zu fragen, ob er das wirklich möchte..." Er schwieg einen Moment und hoffte, dass Aaron begriff, was er meinte... "Und ich bin mir mittlerweile auch nicht mehr sicher, ob diese Prophezeiung und alles, was damit zu tun hatte, richtig war.

Ich weiß nicht, ob wir füreinander bestimmt sind, ob wir uns im Kampf einen sollen und wir gemeinsam irgendetwas bewirken. Aber was ich weiß ist, dass hier in der Welt etwas schief läuft. Etwas gerät aus den Fugen. Der König ist von seinem Machthunger bessern und sieht darüber nicht, wie das Land in sich zusammenbricht. Die Wiesen und Wälder, durch die wir heute gelaufen sind - das waren blühende Landschaften voll Reichtum. Und jetzt? Ödnis und Leere, nichts gedeiht, die Menschen, die sich hier über Generationen ein Leben aufgebaut hatten, verdingen nun als Tagelöhner in der Stadt ihren Lebensunterhalt. Ich habe keine Ahnung, ob es mein Schicksal ist, ob diese Prophezeiung mich wirklich betrifft. Aber ich möchte es glauben. Ich möchte glauben, dass ich etwas bewegen kann, dass ich die Welt verbessern kann. Verstehst du?" Erst jetzt sah er vom Feuer, das er angestarrt hatte, auf und sah den anderen an. "Und es gibt noch etwas, das mich vorantreibt. Etwas, das nur mich betrifft. Denn im Gegensatz zu dir weiß ich nichts von meiner Herkunft. Ich weiß nicht, wer mein Vater war, wer meine Mutter war. Die Male machten mich besonders. Aber gaben mir auch nur Rätsel auf. Jetzt gerade merke ich, dass meine Suche nach Antworten voranschreitet. Ich habe die leise Hoffnung, in dieser Geschichte etwas zu finden, was mir hilft, das Rätsel meiner Lebensumstände zu lösen. Aber dafür scheine ich an dich gebunden zu sein. Und daher muss ich mehr über die Prophezeiung herausfinden. Und ja, vielleicht gibt es andere, die diese Krieger eigentlich sind. Aber noch habe ich nichts von Ihnen gehört und daher nehme ich die Herausforderung an, um meinen Teil zu was auch immer, beizutragen. Es ist das einzige, was mir sinnvoll erscheint." Er lächelte matt und steckte sich ein Stück Brot in den Mund. "Nichts ist einfach, Aaron. Gar nichts. Und doch kann auch manches ganz einfach sein - wenn man nicht alleine ist. Aber sei dir gewiss: Ich mache es mir nicht einfach und du sicher auch nicht. Du hast deine Last zu tragen - und ich auch. Und ich habe mindestens genauso viele Zweifel wie du. Und vermutlich muss jeder für sich entscheiden, was er bereit ist zu opfern. Jeder muss für sich allein entscheiden. Und doch dürfen wir den anderen nicht vergessen: denn wir sind nicht alleine - wir haben uns. Wir sind zusammen und passen aufeinander auf - egal was kommt. Das spüre ich. Lass uns eine Nacht darüber schlafen, was meinst du? Ich bringe dich morgen, wohin du willst. Versprochen!" Er lächelte den anderen an. "Und vielleicht können wir dieses 'zusammen' etwas festigen - egal, ob das hier schicksalshaft oder wegen meines Übereifers nur dumm ist." Er griff nach zwei Trinkschläuchen und reichte eine davon dem anderen. "Bitte, Aaron, bitte duze mich. Sonst glaube ich wirklich, dass die Kluft zwischen uns zu tief und unüberwindbar ist." Er öffnete den Schlauch. "Schnaps wäre passender, aber ein Schluck Wasser muss reichen. Bist du einverstanden?" Es gab ein Ritual, das man in einem solchen Moment durchführte. Man verhakte die Arme ineinander und trank einen Schluck. Dann küsste man sich auf die Wange. Vielleicht würde das Aarons Distanz ein wenig aufheben.
 

Aaron

Schon ein bisschen gebannt hörte Aaron den Worten von Merthin zu. Zuerst hatte er sich gewundert, da der Blonde geantwortet hatte, dass er sich auch nicht so sicher war, was ihre wahren Rollen in der Prophezeiung bedeuten würden. Er hatte so entschlossen gewirkt, aber wahrscheinlich stimmte beides. Merthin war entschlossen, aber nicht aufgrunddessen, dass er fest glaubte, Bestandteil der alten Sage zu sein. Nein, er wollte auf was anderes hinaus und je mehr Aaron zuhörte, desto mehr verstand er, was Merthin ihm zu sagen versuchte.

Ein kleines, etwas schiefes Grinsen schlich sich auf Aarons Gesichtszüge, als Merthin die 'Entführung' ansprach. Wenn man es so betrachtete, hatte er Aaron tatsächlich entführt, allerdings nicht in dem Sinne, wie es Außenstehende wohl verstehen würden. Merthin hatte Aaron in eine für ihn völlig neue Lebensweise entführt und ihm Sichtweisen gezeigt, die er so noch gar nicht bedacht hatte. Es war Merthins eigene Entscheidung gewesen Aaron mit sich zu nehmen und ihn nicht den Soldaten zu überlassen, die ihn gewiss nach Hause und am nächsten Tag ins Nachbarland gekarrt hätten. Er hatte die Wahl gehabt und Selbstbestimmt gehandelt und war nun auch bereit, dafür gerade zu stehen und das konnte er mit ganzem Herzen, da es seine Entscheidung gewesen war und er es nicht getan hatte, weil eine Prophezeiung es ihm gesagt hatte. Genau wie in diesem Moment. Merthin sprach davon, dass es egal war, ob sie die Bestimmten waren, ob sie auserwählt waren, der Prophezeiung zu folgen. Mit ihren vorhandenen Kräften konnten sie dennoch etwas tun, etwas zur Verbesserung der Welt beitragen, völlig unabhängig von irgendeiner Weissagung. Der Prinz merkte, dass er sich viel zu sehr auf die Worte der Legende versteift hatte, es war immernoch sein Leben und es waren seine Entscheidungen, die bestimmten, wie sein Schicksal verlief. Das war eine sehr wertvolle Erkenntnis, über die Aaron wirklich nachdenken wollte.

Offen sprach Merthin über seine unbekannte Herkunft und dass er auf der Suche danach war. Aaron hatte gedacht, dass der Schaustellertrupp seine wahre Familie war, da Merthin ihm die Leute auch dementsprechend vorgestellt hatte. Aber das erklärte sein Streben nach Wissen und allein das war es schon wert, diesen Weg einzuschlagen. Er bestärkte Aaron darin seine eigene Entscheidung zu treffen, selbst zu bestimmen, was er opfern wollte und was ihm wichtig zu behalten war. Bisher hatte immer König Corvo entschieden, was für Aaron das Beste wäre, einzig das Studium der alten Sprache war Aarons eigene Entscheidung gewesen. Vielleicht hatte sich der Prinz deshalb so sehr in das Lernen der Sprache hineingesteigert, weil er beweisen wollte, dass auch er gute Entscheidungen für sich selbst treffen konnte. Wieder eine Sichtweise, die Aaron so noch gar nicht bedacht hatte.

Außerdem... versicherte Merthin dem Braunhaarigen ihren Zusammenhalt, was den nötigen stabilen Untergrund schaffte, auf den Aaron aufbauen konnte. In der Luft zu schweben war zu unsicher, aber wenn Merthin ihn nicht mit den Folgen seiner Entscheidung alleine lassen würde und er ihn in seinem Rücken wusste, was sollte da noch schief gehen? Der Prinz musste ehrlich sagen, dass es sich gut anfühlte, die Dinge auf Merthins Weise zu sehen, und er spürte innerlich den Wunsch, Merthin als Freund bezeichnen zu können. Auch wenn es wahre Freunde unter Adligen nicht sonderlich häufig gab, schon gar nicht wenn man wie Aaron aus dem Königshaus stammte. Konnte Aaron sich denn als Prinz erlauben, seinen Pflichten zu entfliehen und für eine gute Sache zu kämpfen? Durfte er seinen sicheren Palast verlassen und auch tun, was er für das Richtige hielt? Zusammen mit einem übereifrigen und charmanten Mann? Einem Freund?

Aaron hatte still zugehört und sein Gesichtsausdruck entspannte sich zunehmend, entwickelte gar ein Lächeln. Dass Merthin so weise sprechen würde, hätte Aaron gar nicht gedacht, aber er hatte damit in Aaron etwas angeregt, einen neuen Denkanstoß gegeben, der den Prinzen seine eigene Denkweise neu überprüfen lassen würde. Auch bat er Aaron erneut, ihn persönlicher anzusprechen und das sehr eindringlich. Wenn sie Freunde waren, könnte der Prinz auf die respektvolle Distanz verzichten und mehr Nähe zulassen. Im Grunde hatte Merthin Recht, die Kluft ihres Standes in der Gesellschaft war eigentlich unüberwindbar breit, aber sie hatten angefangen, eine Brücke zu schlagen und Aaron war gewillt, diese zu überqueren.

Nun nahm Aaron den Trinkschlauch entgegen und blickte ein bisschen irritiert drein. Gern würde er auch das 'Zusammen' festigen, aber so ganz erschloss es sich dem Prinzen nicht, was Merthin da mit seinem Arm andeutete, während er fragte, ob Aaron einverstanden wäre. Ganz dunkel erinnerte sich der Prinz daran, mal gesehen zu haben, wie sich zwei Männer mit verhakten Armen gegenüber gesessen hatten und so gemeinsam getrunken hatten. Meinte Merthin das? Unter Adligen gab es solche Rituale nicht, da man die persönliche Grenze niemals überschritt, auch nicht unter Freunden oder Eheleuten und schon gar nicht öffentlich. Aber Aaron wollte Merthin beweisen, dass er gewillt war, eine Freundschaft aufzubauen und das auch derartig zu besiegeln. Schnell öffnete auch Aaron seinen Trinkschlauch und war erleichtert, dass es Wasser war und kein Schnaps. Nicht dass der Prinz einem guten Schluck abgeneigt wäre, aber dann mochte er doch lieber einen guten Wein. Aaron rückte wortlos ein Stückchen näher an Merthin heran und setzte sich aufrecht hin. Dann hakte er seinen Arm bei dem Blonden ein, so, wie er es bei den anderen Herrschaften gesehen hatte, und hoffte, dass er es richtig machte. "Ich bin einverstanden. Schicksal oder Dummheit, solange niemand alleine ist, ist beides gut", murmelte Aaron, ehe er sich sein Getränk an die Lippen führte und einen ordentlichen Schluck Wasser daraus trank. Ihre verhakten Arme störten beim Trinken weniger als gedacht und Merthin hatte auch Recht damit, dass es den Gemeinschaftssinn stärkte. Nach dem Schluck ließ Aaron seinen Arm wieder sinken und beugte sich zu Merthin vor. Einen Kuss auf die Wange gab es auch in seinen Kreisen, allerdings zurückhaltender. Anstatt einen richtigen Kuss auf die Wange des Blonden zu setzen, striffen seine Lippen dessen Haut mit leichtem Druck, dafür schmiegte er hinterher seine eigene Wange an die des anderen heran, schlang zusätzlich sachte beide Arme um seinen Nacken, um ihn in eine kleine Umarmung zu ziehen. Locker lehnte sich Aaron dabei mit dem Oberkörper an Merthin heran. Das magische Gefühl dabei fühlte sich diesmal besonders ausgeprägt an und Aaron genoß es unheimlich, weshalb er auch einen Moment die Augen schloß, während er in dieser Umarmung verharrte. "Dankeschön, Merthin", murmelte er recht leise in dessen Ohr. Dieses 'Danke' galt für so ziemlich alles, was Merthin bisher für und mit Aaron getan hatte. Ohne ihn läge der Prinz bald neben einer völlig fremden Frau im Ehebett und müsste seinen Ehepflichten nachkommen. So aber konnte er mit einem Freund zusammen unter freiem Himmel trinken und war freier in seinen Gedanken als je zuvor.

Auch wenn Aaron glatt in dieser Position schlafen könnte, löste er die kleine Umarmung bald, die sich jedesmal so angenehm mit Merthin anfühlte und erhob sich. Wahrscheinlich wäre es Merthin bald sehr unbequem geworden, wenn Aaron so eingeschlafen wäre. Die Decke hatte der Blonde bereits aus seinem Rucksack geräumt und Aaron nahm sich diese nun in dem Glauben, dass Merthin noch eine zweite für sich irgendwo hatte. Kurz breitete er diese auf dem Boden aus und legte sich auf die Hälfte, während er sich die andere Hälfe um seinen Körper wickelte und so schön eingekuschelt liegen konnte. Der Boden war hart und es fehlte ein Kopfkissen, aber Aaron war schon froh, dass er überhaupt eine Decke hatte. Die Wärme des Feuers trug zum wohlfühlen bei, ebenso der Gedanke, hier sicher zu sein. Allerdings kreisten in seinem Kopf nun eh andere Gedanken, als dass er sich um seine Sicherheit sorgen würde. Er war es eh nicht gewohnt, sich Sorgen beim Schlafen machen zu müssen. "Gute Nacht", kam es noch leise, dann schloss Aaron die Augen. Schlafen konnte er allerdings so schnell nicht, da ihr Gespräch von eben seinen Weg zurück in Aarons Gedanken fand. Viele Gedanken wälzte er im Kopf umher, wobei er irgendwann einschlief und ihn sein Gedankenkarussell bis in den Traum verfolgte. Hinzu mischte sich sein schlechtes Gewissen, da er Merthin noch immer nichts von seiner Herkunft erzählt hatte. Auch das wurde langsam wirklich Zeit, je mehr Zeit verging desto schlimmer würde es werden, sobald Merthin die Wahrheit erfahren würde. Da Aaron so vieles durch den Kopf ging, schlief er nicht besonders ruhig, bewegte sich viel und seufzte hin und wieder im Schlaf, da nicht alles was sein Kopf sich ausdachte positiv war.
 

Merthin

Es tat gut, sich all diese Gedanken von der Seele zu sprechen. Es tat gut, seine Sorgen und Hoffnungen zu teilen. Denn zuletzt hatte er das zwar mit Marie getan, aber sie hatte in ihm vor allem das Fatalistische gefestigt, das "es ist so bestimmt". Damit mag sie unter Umständen recht haben. Aber Merthin war ein Freigeist. Und das wurde ihm bei seinen Worten mehr und mehr bewusst. Mag sein, dass es eine Prophezeiung gab, mag sein, dass ihr Zusammentreffen kein Zufall gewesen war. Merthin wollte dennoch das Gefühl haben, für seine Taten allein verantwortlich zu sein. Sonst würde alles außer Kontrolle geraten. Und Merthin braucht die Kontrolle über sein Leben.

Und es tat gut zu sehen, dass Aaron ihm positiv gestimmt zuhörte. Er hörte ihm offen zu und nicht widerwillig. Er gab ihm die Chance, sich zu erklären, und nahm sie Denkanstöße an. Merthin hätte es ihm nicht verübeln können, wenn der andere hinsichtlich seines eigenmächtigen Handelns auf die Barrikaden gegangen wäre. So aber würden sie beide für sich nachdenken können, offen füreinander und ihre etwaige gemeinsame Zukunft. Und wenn jeder für sich eine Entscheidung treffen könnte, dann könnten sie ihren Weg entsprechend fortsetzen. Dann wäre alles richtig, was sie weiterhin tun würden.

Außerdem war es gut zu sehen, dass Aaron nun endlich gewillt war, die gesellschaftliche Distanz zu überwinden und das Du zu akzeptieren, das Merthin etwas dreist von Anfang an verwendet hatte. Auch wenn er das Ritual offenbar nicht unbedingt zu kennen schien, denn er blickte etwas verwirrt, begriff er es dann aber doch. Merthin drehte sich zum anderen, damit es einfacher ging. Sie hakten die Arme ineinander und Aarons Worte ließen ihn Lächeln. "Schicksal oder Dummheit - in jedem Fall zusammen!", bestätigte auch er und setze an, um zu trinken. Sie hatten sich in gewisser Weise vereint und nun besiegelten sie es noch mit einem sanften Kuss. Sacht küsste er den anderen auf die Wange, spürte die Lippen des anderen auf seiner Wange und war nun erstaunt, dass Aaron nicht sogleich zurückzog, sondern sich noch an ihn schmiegte. Aber es war nicht unangenehm. Der Blonde spürte dessen Bartstoppeln an den seinigen, die weiche Haut darunter. Merthin schloss die Augen und atmete tief ein, sog den ganz eigenen, angenehmen Geruch des anderen ein. Und dann überraschte ihn Aaron, als er die Hand in seinem Nacken spürte. Doch er zögerte nicht, und hob seine freie Hand und ließ sie in den Nacken des anderen gleiten und zog Aaron leicht zu sich. Sein Daumen streichelte sacht über das kurze Haar. Er spürte, wie sich Aaron anlehnte und es war schön. Ihre gemeinsame Umarmung ließ sie körperlich und hinsichtlich ihrer gemeinsamen Zukunft näher aneinander rutschen. Merthin spürte, dass das Feuer aufflackerte, und doch spürte er auch, wie sich in ihm eine Ruhe ausbreitete, die ihm gerade sehr gut tat und ihm Zuversicht gab. Die Nähe, die sie sich gerade spendeten, beruhigte in vielerlei Hinsicht. Und das angenehme Gefühl, das sich in ihm ausbreitete, wärmte ihn. Und die Magie des anderen, die unmittelbar in ihn strömte, beruhigte seine innere Unruhe, wirkte seinem Feuer vielleicht ein wenig entgegen, aber eben im positiven Sinne. Ihre Elemente hatten etwas Ausgleichendes. Während Merthin heute vielleicht etwas übereilt gehandelt hatte, bremste Aaron ihn mit Besonnenheit. Und egal, was sie verband - ob Schicksal, Prophezeiung oder einfach Zufall: hier mit dem anderen zu sitzen und sich zu umarmen tat gut.

Er hörte den Dank und nickte leicht, um ihm zu verstehen zu geben, dass er den Dank gerne annahm. Auch wenn es sich gerade anfühlte, als müsse er sich bedanken. Doch das würde er bei einer anderen Gelegenheit tun.

Als sich Aaron zu lösen begann, entließ er ihn aus der Umarmung und öffnete die Augen wieder. Sie sollten zusehen, so viel Schlaf wie möglich zu bekommen, besonders Aaron. Und offenbar sah das der andere auch so, denn er richtete sich die Decke her und legte sich hin. "Gute Nacht!", erwiderte er leise und stand auf, um noch etwas Holz nachzulegen und sich kurz zu strecken. Er räumte das Essen weg, packte den Rucksack für den Fall, dass sie schnell aufbrechen müssten. Er lehnte sich vor dem Bauernhaus an die Wand und beobachtete die Umgebung. Durch die erhöhte Position konnte er weit blicken. Doch vor allem dachte er nach, dachte über die Dinge nach, die Geschehen waren und die Geschehen könnten. Und er versuchte dabei möglichst objektiv zu urteilen, wohin er seinen Weg gehen sah... und egal wie er es drehte und wendete: er musste weitersuchen. Es würde ihn sonst nie zur Ruhe kommen lassen. Spät kehrte er zu Aaron zurück, der bereits schlief. Er legte noch einmal Holz nach, dann setzte er sich neben den Kopf des anderen bequem hin, lehnte sich an die Wand und breitete den Mantel über sich aus. Er hatte sein Schwert griffbereit und würde so hoffentlich nicht zu tief einschlafen. Als Aaron sich umdrehte und im Schlaf murmelte, drehte er sich zu ihm. "Was sagst du?", fragte er leise, erhielt aber keine Antwort. Offenbar schlief er unruhig, aufgewühlt und der Blonde wusste wieso. Er fühlte sich nicht anders. Vorsichtig legte Merthin ihm seine Hand auf die Schulter, damit sich jener beruhigte, damit sie sich beide beruhigten.

Entdeckungen

Kapitel 8
 

Aaron

Aaron merkte es selbst nicht, aber es gab einen Punkt in der Nacht, an dem seine Träume ruhiger wurden und sein Gedankenkarussell langsamer wirbelte - als Merthin seine Hand auf Aarons Schulter legte. Es war faszinierend zu bemerken, dass ihre Kräfte sich gegenseitig verstärken konnten, aber auch sich gegenseitig beschwichtigen konnten, eine Waage zwischen ihnen halten konnte. Und genau diese Waage sollte auch in der ganzen Welt wieder Einzug finden, deren Kräfte aus den Fugen gerieten, da ein Mann zu viel davon für sich beanspruchte.
 

Am nächsten Morgen wurde Aaron recht ruckartig wach. Etwas gehetzt blickte er sich um, doch lagen sie noch immer in der Bauernhofruine. Irgendwas hatte ihn geweckt und das Gefühl war nicht angenehm gewesen. Allerdings schien hier nichts zu sein, was ihnen gefährlich werden konnte. Jedenfalls entdeckte der Prinz auf Anhieb nichts. Aaron streckte sich nun und ließ sich nochmal zurück auf die Decke fallen. "Bist du schon wach, Merthin...?", fragte Aaron verschlafen und ohne zu wissen, wo genau der Blonde war. Dank des Gesprächs gestern Abend und ihrer gemeinsamen Trinkgeste war Aaron nun in der Lage ihn zu duzen und es fühlte sich gut an.
 

Merthin

Als ein Ruck durch seine Hand ging und sie zu Boden fiel, schreckte auch Merthin hoch. Der Griff um sein Schwert hatte sich gefestigt und er blickte sich um, erschrocken auch darüber, dass er doch tiefer eingeschlafen war, als gewollt. Etwas beunruhigte ihn, ohne etwas Genaues benennen zu können. Der Tag brach gerade an und es war kalt. Er zog den Mantel enger um sich. Aaron neben ihm legte sich gerade wieder hin. "Jetzt schon", antwortete er lächelnd. "Hast du schlafen können?" Es war schön zu hören, dass er es wirklich schaffte, ihn zu duzen.
 

Aaron

Aaron hörte direkt in seiner Nähe Merthins Antwort. Dann hatte er ihn geweckt? Der Prinz blickte auf und schaute dabei gleich in das lächelnde Gesicht des anderen. Es fühlte sich so natürlich an, neben ihm wach zu werden und sein erfreutes Gesicht gleich als erstes nach dem Aufwachen sehen zu können. "Schlafen an sich schon, nur die Qualität ließ etwas zu wünschen übrig", antwortete er schließlich. Dennoch konnte er nicht behaupten sich irgendwie gerädert zu fühlen. Dafür, dass er mit so vielen Gedanken eingeschlafen war, hatte er später erstaunlich erholsam geschlafen. Dafür fühlte sich seine Schulter angenehm warm an, weshalb er - ohne es zu merken - automatisch mit einer Hand hinfasste. "Ich hoffe... du konntest auch schlafen?", gab er die Frage an den Blonden zurück und wunderte sich fast über sich selbst. Es war nicht nur, dass es sich gut anfühlte, eine Grenze überschritten zu haben damit, weil er angefangen hatte, für Merthin das 'Du' zu verwenden, es fiel ihm leichter als er gedacht hätte. Als Merthin die ersten Male um das 'Du' gebeten hatte, war es Aaron einfach nicht über die Lippen gekommen, jetzt fühlte es sich so vertraut an, dass er es sich anders gar nicht mehr wirklich vorstellen konnte.
 

Merthin

„Ja, konnte ich“, sagte er ehrlich. Schließlich hatte er ja etwas geschlafen. „Ich hoffe, wir können morgen in einem Gasthaus schlafen. Dann wird die Qualität des Schlafes auch besser werden…“ Dass sein Schlaf sicher auch nicht sonderlich gut war, brauchte er nicht extra zu erwähnen… Wenn sie wieder auf seine Leute stoßen würden, dann könnte er sich hoffentlich auch wieder richtig ausschlafen. Solange nahm er, was er bekommen konnte.

Merthin wollte sich noch einmal zur Seite legen, um sich etwas auszustrecken, denn er spürte deutlich seinen Rücken und seinen Hintern, als das Feuer plötzlich flackerte, ohne dass es windig war. Erneut festigte sich der Griff um sein Schwert. "Spürst du das auch?", fragte er leise. Irgendwie hatte er das Gefühl, als nähere sich jemand. Oder etwas? Es schien, als würde es dunkler werden, obwohl man dem glühenden Feuerball zusehen konnte, der sich mehr und mehr nach oben schob, um die Dunkelheit der Nacht zu vertreiben.

Langsam stand Merthin auf und blickte sich um. Das Bauernhaus war nur teilweise eingefallen. Hier war der großzügige Hausflur gewesen, der danach in die Stube führte. Gestern war es bei der Ankunft zu dunkel gewesen, um alles zu erkennen. Man sah bis hinein und Merthin zuckte zusammen, als er sah, dass am Tisch eine Familie saß. Zumindest die sterblichen Überreste derselben, denn sie waren tot und mumifiziert mit grotesk entstellten Gesichtern. Die vor Schreck aufgerissene Münder und Augen erregten den Eindruck, als sei der Teufel persönlich Ihnen erschienen - oder Schlimmeres.

Was um alles in der Welt war hier geschehen? Merthin wog das Schwert in der Hand und blickte zu Aaron. "Wir sollten schauen, dass wir hier schleunigst verschwinden...", sagte er leise und griff nach seinem Rucksack, nahm die Decke des anderen entgegen, die dieser ihm reichte. Dann schulterte er den Rucksack und den Bogen und drehte sich um. "Komm", sagte er und reichte Aaron die Hand.

Er sah es nur im Augenwinkel, einen Schatten, der sich aus dem Nichts löste und auf sie zustürmte. Im Reflex riss Merthin die Klinge hoch, ließ Aaron los, damit er seine zweite Hand in einer Drehung hinzunehmen konnte, als auch schon die Axt des Angreifers auf seinem Schwert auftraf. Eine Fratze blickte ihn aus diesem dunklen Nebel heraus an, schrie auf und versuchte Merthin hinunter zu drücken, doch er hielt stand. Was war das?!

Der Blonde spürte, dass er dieser Kraft nicht lange Stand halten konnte, er sah, dass sich der schwarze Nebel begann auszubreiten, zu seinen Schuhen, seine Beine hinauf! Das war nicht Irdisches, nichts Lebendiges! Das war das Böse in Person und es würde sie definitiv töten, wenn es die Gelegenheit bekam. 'Es ist aus der Dunkelheit gekommen...', dachte Merthin nach. Und mit einem Mal, wusste er, wie er ihnen Zeit verschaffen konnte... seine linke Hand löste sich wieder vom Schwert, mit letzter Kraft drückte er gegen die Klinge, bis er plötzlich zurückwich und seine freie Hand die Flammen ihres Lagerfeuers auf die Kreatur losließ. Mit einem Aufschrei wich die Gestalt zurück.
 

Aaron

Langsam erhob sich auch Aaron, als ihn das ungute Gefühl beschlich, das er auch schon verspürt hatte, als er eben aus dem Schlaf geschreckt war. Es war eine Form von Magie, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte, nur leider nicht im positiven Sinne. Es war fast, als läge eine böse Absicht in der Luft, eine Wut, die sich auf alles entlud, das diesem Ort zu nahe kam. "Ja... was ist das?", murmelte Aaron auf Merthins kleine Frage und folgte seinem Blick zur ehemaligen Wohnstube des Gebäudes. Der Anblick erschreckte ihn und sogleich war klar, dass hier keine gutmütige Magie entstehen konnte. Wenn solch Umstände existierten, mit dem verdorrten Umland, des zerstörten Gebäudes und der toten Familie erstarrt vor Schreck und Todesangst, konnte nichts Gutes entstehen.

Aaron hatte denselben Gedanken wie Merthin, nämlich, dass sie sich schleunigst vom Acker machen sollten, weshalb der Prinz seine Decke schnappte, diese grob zusammen legte und sie dann an Merthin reichte, damit dieser sie verstauen konnte. Je länger sie hier waren, desto drückender wurde diese böse Absicht, desto bedrohlicher schien die Luft an diesem Ort zu wabern. Aaron bekam schon alleine von diesen bösen Gefühlen in der Luft Angst, die sich immer weiter manifestierten. "Gute Idee", sagte Aaron schnell und griff nach Merthins Hand, welche ihm dieser reichte. Gerade hatten ihre Finger zueinander gefunden, blies ihnen ein sehr übler Hauch entgegen und Aaron wandte seinen Kopf ab, zog sich sein seidiges Hemd hoch ins Gesicht und über die Nase, aus reinem Reflex.

Erschrocken hörte Aaron das Geräusch aufeinander schlagenden Stahls und verspürte die darauf folgende Druckwelle, die ihn fast zur Seite gestoßen hätte. Der Feuermagier schaffte es mit einem gezielten Angriff seiner Feuermagie den Angreifer für einen Moment auf Abstand zu bringen. Allerdings gab das Unwesen einen ordentlichen Brüller von sich, das Feuer hatte ihm ganz offensichtlich nicht gut getan. Dieser laute Brülllaut entfachte eine weitere Druckwelle, die Aaron erneut von seinen Füßen zu fegen drohte. "Merthin!", rief Aaron den Namen des anderen, um kurz auf sich aufmerksam zu machen. Schnell angelte der Brünette mit seinen Armen nach Merthin, erwischte ihn am Arm und hielt sich an ihm fest. Natürlich waren Merthins Zeichen in diesem Augenblick aktiviert, sie waren heiß selbst über seiner Kleidung spürbar. Merthin hatte die Axtattacke des Wesens nur mit letzter Kraft abwehren können, um selbst einen Angriff starten zu können, brauchte er mehr davon. Aaron selbst hatte keine Waffen, wollte aber dennoch helfen und da fielen ihm bloß die vielen Male ein, in denen seine Worte die Zeichen zu mehr Leistung angespornt hatten. Fest legte Aaron daher seine Hand auf die Stelle an Merthins Oberarm, unter dessen Kleidung das Zeichen für Stärke brannte. "Bitte, mehr Stärke!", sprach Aaron schnell in der alten Sprache, in der Hoffnung, dass es gewirkt hatte, denn die Kreatur hatte sich bereits von dem Feuerangriff erholt und setzte wieder auf Merthin zu, holte dabei mit seiner Axt aus. Aaron merkte allerdings noch viel mehr, dass Merthins Kraft anzusteigen schien. Auch er selbst merkte ein Ansteigen seiner Magie im Körper, das wieder blaues Leuchten zur Folge hatte.

Dunkle Nebelschwaden zogen ihre Bahnen rund um das Wesen herum und immer wieder versuchten diese Nebel auch Merthin einzunehmen, ihn mit ihrer Bosheit einzuhüllen und damit wohl genauso enden zu lassen, wie die arme Familie dort am Essenstisch. Dabei fiel Aaron etwas auf. Nebel war immer auch verflüchtigte Flüssigkeit, egal ob diese Flüssigkeit verderbt war oder vor Reinheit strotzte; Aaron musste es wenigstens versuchen. Während Merthin das Wesen beschäftigt hielt, hob Aaron seine Hand nach oben hin geöffnet vor seine Brust, sammelte einen kleinen Schwall eisige Magie darin, die er dann mit einer schnellen Handbewegung vor sich auswarf, woraufhin die Luft von kleinen Eiskristallen erfüllt wurde, die die Umgebungstemperaturen herabsetzten und den durch Merthins Hitze dampfenden bösen Nebel gefrieren ließ. Das Ungeheuer war dadurch nicht länger in der Lage seine bösen Fühler nach Merthin auszustrecken und kam für einen Moment auch nicht mehr vom Fleck, da auch seine Fortbewegung eine neblige Basis hatte.

Aaron merkte aber auch, das er gar nicht geübt darin war seine Magie einzusetzen und so stark wie jetzt gerade hatte er das auch noch nie getan. Feiner Eisstaub hatte sich daher um Aarons Unterarm und der ausführenden Hand gebildet und diesen stark eingehüllt. So konnte Aaron seine Hand erstmal nur schwer bewegen, aber das war es wert gewesen, wenn Merthin dadurch die Chance bekam, dem Wesen den Gar aus zu machen.
 

Merthin

Wenigstens schien das Wesen Feuer nicht zu vertragen, oder zumindest dessen Licht zu scheuen. Damit ließ sich schon einmal arbeiten. Denn Feure spürte Merthin gerade mehr als genug in sich. Doch noch bevor er sich sammeln konnte, um zu überlegen, wie ihm das nutzen konnte, hörte er Aaron hinter sich seinen Namen rufen. Wurde er angegriffen? Ruckartig drehte er sich um. Aaron war nicht bewaffnet und dass sie das so bald wie möglich ändern mussten, war ihm in diesem Moment bewusster als je zuvor. Doch Aaron war nicht in Bedrängnis geraten, sondern griff nun nach seinem Arm und sprach Worte der alten Sprach. Merthin hörte das Wort „Stärke“ heraus und im nächsten Moment spürte er eine ungeheure Kraft in sich hochkommen, so dass er sich nun umwandte, um dem nächsten Angriff de Ungeheuers zu parieren. Es war unglaublich, wie die magische Energie in seinem Inneren ihn schneller, wendiger und kräftiger werden ließ. Und so konnte er verhindern, dass das Wesen ihnen näherkam. Doch einen wirklichen Treffer konnte er auch nicht landen. Denn sobald er das Gefühl hatte, das Wesen in Bedrängnis gebracht zu haben, löste sich dieses an der Stelle, an der Sein Schwert landete, einfach auf, wich so dem Schlag aus, so dass Merthin nicht weiterkam. Merthins Gedanken überschlugen sich. Wie konnte er da Wesen irgendwie binden? Wie konnte er es auf einen Punkt lenken? Kurzerhand warf er eine Feuerkugel in die eine Ecke des Zimmers, so dass das Wesen erschrocken daraus zurückfuhr. Das gleiche tat er alsbald mit der andere Ecke. Nun hatte dieser bösartige Nebel, der einem die Sinne schwinden ließ, der einen erschaudern ließ, keinen richtigen Rückzugsort mehr, doch nun konnte es seine „Tentakeln“ näher zu ihnen bringen. Merthin spürte, wie sich etwas um seine Fußgelenke zu winden begann und trat schnell zurück. Und das war sein Glück, denn im nächsten Augenblick leuchtete der Ort hellblau auf und der Nebel gefror, erstarrte und regte sich nicht mehr. Ohne zu zögern nahm Merthin Anlauf, riss das Schwert in die Höhe, um dem gefrorenen Wesen den Schädel zu spalten, woraufhin es in tausende Stücke zersprang. Schwer atmend blickte sich Merthin um, sah zu, wie die Teile des schwarzen Nebels tauten und dann zu verdunsten schienen. Sie verschwanden einfach und das Licht, das vermisste, kehrte in den Raum zurück. Merthin blickte zu Aaron und sah, dass dieser sich nicht regte. „Aaron!“, rief er und überwand die wenigen Schritte zu diesem, sehend, dass die Arme des anderen gefroren waren. Ohne weiter darüber nachzudenken, ergriff er beide Hände und umschloss sie mit den seinen, um ihm die benötigte Wärme zurückzugeben. „Das war fantastisch! Die Idee war genial…“, sagte er Merthin schwer atmend und blickte Aaron lächelnd an. „Und ich hatte vorhin den Gedanken, dass es ein Fehler sei, dass du keine Waffe besitzt…“ Er grinste schief. „Dabei bist du doch die beste Waffe…“ Er spürte, wie Aarons Arme sich wieder langsam zu bewegen begannen. Doch die Kälte war noch immer da. Kurzerhand legte er sie Hände des anderen an seinen Hals, vermutlich einer der wärmsten Orte an seinem Körper. Ihn fröstelte, wegen der Kälte, aber er hatte so viel Wärme in sich, dass es kein Problem darstellte, sie zu teilen. „Aber wir müssen das üben… das gemeinsame Kämpfen..“

Mit einem Mal war Merthins Blick abgelenkt und er sah hinter Aaron. Die Tür, die zerborsten vor dem Haus gelegen hatte, fügte sich wieder zusammen und setzte sich ein. Merthin sah sich erschrocken um, zog automatisch den anderen näher zu sich, um ihn beschützen zu können, wenn es notwendig wäre. Aber hier war alles warm und… schön! Alles um sie herum schien sich zu regenerieren, so als habe man viel Schmutz und Dreck von den Gegenständen gewaschen. Das Haus setzte sich wieder zusammen, die Einrichtung erstrahlte in neuem Glanz. Fasziniert sah Merthin dabei zu, wie sich alles hier wieder in den Zustand zurückverwandelte, in dem er einst gewesen war. Vorsichtig drehte er sich um. Was würde mit den Menschen geschehen? Und auch dort am Tisch regte sich etwas… Die verdorbenen Speisen verwandelten sich in frisches Essen, die Menschen schienen wieder mit Lebensenergie gefüllt zu werden, denn sie lösten sich alsbald aus ihrer Erstarrung und begannen wieder zu atmen. Merthin schluckte. Konnte das wirklich sein? Konnte es wirklich sein, dass sie das hier bewirkt haben? Merthin drehte sich erneut und blickte aus dem Fenster. Und es schien, als sei nicht nur das Haus ein Ort, der wieder aufgebaut werden musste, sondern auch die Umgebung darum… Wie weit wohl die Veränderungen reichen würden? Merthin war vollkommen erstaunt. Mit so einer Wirkung hätte er nie gerechnet. „Ob Schicksal oder Dummheit – in jedem Fall zusammen…“, murmelte er und sah Aaron wieder an.
 

Aaron

Aaron hatte gewiss ein bisschen Glück gehabt, dass das Übel sich auf Merthin konzentriert hatte. Vielleicht, weil es in ihm die größere Bedrohung gesehen hatte. Damit hatte es vollkommen Recht gehabt, doch nahm der Braunhaarige seine Rolle den Blonden zu unterstützen, sehr ernst, immerhin konnte jetzt auch Aaron aus vollster Überzeugung behaupten, richtig zu handeln, weil er es selbst so gewollt hatte. Dass ihm jedesmal die Knie schlotterten vor Angst, wenn Merthin mit dem Übel die Klingen kreuzte, da er nicht wollte, dass Merthin verletzt werden würde, übersah man dabei leicht.

Erfreut beobachtete Aaron, wie Merthin ohne zu zögern die Gelegenheit wahrnahm und mit seinem Schwert den gefrorenen Gegner in tausend Stücke zerschlug. Die vielen Stücke splitterten durch die Luft und verglühten zu schwarzem Rauch, der verdunstete. Erleichtert atmete Aaron durch und schaute auf seine eingefrorenen Arme. Ob Merthin auch am Anfang Probleme mit seiner Magie gehabt hatte? Es war ein bisschen erniedrigend, dass Aaron von seiner eigenen Magie betroffen war und wäre dies mitten im Kampf passiert, wäre er gar nicht mehr zu gebrauchen. Aber diese Gedanken verschwanden erstmal, als Merthin seinen Namen rief und sogleich zu ihm rüber kam und seine warmen Hände um die des eisigen Prinzen legte. Sofort spürte Aaron das spezifische Kribbeln in seinen Armen unter dem Eis, während Merthins magische Wärme die Eisschicht durchdrang und sie langsam zum Schmelzen brachte.

Aarons Blicke waren in Merthins Augen gerichtet, welcher ihn sehr lobte, was Aaron etwas verlegen machte. Aber auf sehr positive Weise verlegen. Das passte wieder so sehr zu Merthin und das war auch der Grund, dass Aaron glücklich lächeln konnte, obwohl ihm der Ausrutscher seiner eigenen Magie peinlich war; Merthin machte ihm keine Vorwürfe deswegen, sondern half ihm ganz einfach, sehr selbstlos dabei aus der Misere wieder rauszukommen. Und statt Tadel erntete Aaron höchstes Lob. "Du bist mein Vorbild. Und du gabst mir von deiner Stärke, es ist also mehr dein Verdienst", wollte Aaron das Lob an Merthin zurückgeben. Er hatte sich super gegen das Wesen geschlagen, hatte die Angriffe dessen riesen Axt sehr gut pariert und wäre das Wesen nicht aus Nebel gewesen, so hätte Merthin es auch ohne Eis besiegt, da war sich der Prinz sicher. Merthins Aussage, Aaron bräuchte keine Waffe, da er selbst eine wäre, brachte ihn ein bisschen zum nachdenken. Sie würden herausfinden müssen, wie sie am besten zusammen kämpften und welche Möglichkeiten Aaron hatte, um selbst anzugreifen und sich auch zu verteidigen. Natürlich war sich Aaron sicher, dass Merthin ihn beschützen würde, aber wenn dieser sich sicher sein konnte, dass der Prinz sich auch selbst schützen könnte, hätte er es im Kampf gewiss auch leichter. Kurz darauf bestätigte auch Merthin diese Gedanken; ja, sie mussten wirklich üben.

Sogleich durchzog Aaron eine noch größere Wärme, als Merthin seine Hände an seinen Hals legte. Ein bisschen konnte Aaron seine Hände wieder bewegen, was ihn dazu brachte, seine Hände selbst mehr an die wärmespendene Haut zu drücken und sich von ihr durchströmen zu lassen. Aaron sah noch, wie Merthins Blick an ihm vorbei ging, dann drückte dieser den braunhaarigen enger an sich heran, was Aaron erschreckte. Was war los? Ein bisschen von leichter Furcht ergriffen kam er Merthin automatisch näher, spürte aber schon bald, wie sich positive Energie in die Luft setzte und sich über den gesamten Ort ausbreitete. Um sie herum setzte sich Kaputtes wieder zusammen, erstrahlte Ergrautes im neuen Glanz, erwachte Totes zu neuem Leben. Sie hatten das Unheil besiegt, das diese Landschaft und seine ehemaligen Bewohner befallen hatte und nun kehrte alles verloren gegangene zurück. Aaron blickte Merthin an, welcher ihren Spruch vom gestrigen Abend murmelte. Sie hatten es nur zusammen schaffen können, wäre nur einer von ihnen beiden hier gewesen, wäre ein Sieg aussichtslos gewesen, da sie es nur vereint geschafft hatten. So nickte Aaron andächtig, während noch die Schönheit auf ihn wirkte, die dieser neu erwachte Ort ausstrahlte. Es würde wohl noch dauern, bis Aaron begreifen würde, was sie geschafft hatten. "In jedem Fall zusammen", bestätigte Aaron leise und hielt seine Arme einfach weiterhin an Merthins Hals und sich selbst näher bei ihm, obwohl seine Arme inzwischen wieder frei von Eis waren.
 

Merthin

Unwillig schüttelte Merthin den Kopf. „Ich bin kein Vorbild!“, stellte er klar. „Und es ist nicht meine Stärke, sondern unsere Stärke, der wir uns bedienen!“ Es hatte vorhin so ausgesehen, als wunderte sich Aaron, von ihm gelobt zu werden. Und es wirkte so, als schäme er sich etwas. Einen Moment blieb Merthins Blick in den Augen des anderen hängen. War er so zurückhaltend, weil er noch keine Erfahrung mit seiner Magie hatte? Oder war er es einfach eher gewohnt, kritisiert als gelobt zu werden? Und wieder einmal stellte Merthin sich die Frage, in welchen Umständen der andere wohl gelebt hatte. Auf diese Frage hatte ihm Aaron nämlich noch nie eine Antwort gegeben. Sicher, sie würden noch viel an ihren Fähigkeiten arbeiten müssen, vermutlich auch neue Fähigkeiten kennenlernen, aber das war nur eine Frage der Zeit. Merthin trat schon seit fast 20Jahren bei Shows auf, bei denen es auch um Feuer und der Beherrschung des selben ging. Natürlich konnte er damit umgehen konnte mit seinem Element umgehen. Aaron schien seine Magie noch nie wirklich entfesselt zu haben. Und wenn man das Element Eis für sich betrachtete, dann würde es eine ungeheure Macht bedeuten, damit umgehen zu können. Merthin war ein Optimist, durch und durch, auch wenn er sich manchmal über die Ausweglosigkeit von der Situation im Volk aufregte, so glaubte er doch daran, dass sich alles zum Guten wenden könnte. Und genauso sah er es auch, was Aarons Kräfte anbelangte. Und Aaron bestätigte ihm, dass sie s in jedem Fall zusammen tun würden.

In diesem Moment hörte er einen Stuhl hinter sich und er entließ Aaron aus dem Griff, um sich umzudrehen. Der Hausherr trat zu ihnen gefolgt von seiner Familie: seiner Frau und ihren Kindern, von einer Magd und einem Knecht. „Habt ihr uns aus der Hölle befreit, in die wir gestoßen wurden?“, fragte der Mann vorsichtig und sah sie ängstlich an. „Dann lasst mich euch von Herzen danken!“
 

Aaron

Erst als die Familie, zu neuem Leben erwacht, auf sie zutrat, ließ Aaron den Blonden los und betrachtete den Hausherrn. Dieser Mann kam ihm bekannt vor... "Wir haben gern geholfen, guter Mann", sprach Aaron, doch auch die ganze Familie neigten ihre Häupter vor Dankbarkeit. "Wie können wir Euch jemals danken?", sprach die Frau und Tränen kullerten ihre Wangen hinunter vor Freude, während sie ihre Kinder fest an sich drückte. Gewiss hatte sie geglaubt, das nie wieder tun zu können. Noch während Aaron diese Szene beobachtete, trat der Familienvater an ihn heran. "Hier, bitte", sprach er und Aaron wandte sich zu ihm um. Der Mann stand gerade, mit vorn über geneigtem Oberkörper, streckte seine Arme zur Gänze nach vorn aus, in dessen Händen er einen Gemälderahmen hielt. Darin war auf der Leinwand ein Text in kunstvoller Verschnörkelung zu sehen. Der Mann senkte nun auch den Kopf, als Aaron zu ihm blickte. Sofort schlug das Herz des Prinzen schneller, er kannte diese Verbeugung, diese Geste, das machte man als ehrfürchtiger Diener seinem König gegenüber, wenn er ihm etwas darreichte. Wusste er etwa...? "Nehmt bitte dieses bescheidene Geschenk zum Zeichen unseres ewigen Dankes und Loyalität Euch gegenüber an, Eure königliche Hoheit." Aarons Herz setzte bei diesen Worten aus. Ja, dieser Mann wusste... "Wir haben nie aufgehört zu glauben, das Ihr rechtschaffen seid, Prinz Aaron", sprach dann die Magd und machte einen bewundernswert gut ausgearbeiteten und korrekten Knicks, der bei Hofe absolut angebracht war. Jetzt war es völlig raus.

Leicht biss sich Aaron auf die Lippen, während er das Geschenk standesgemäß entgegen nahm, ohne zu wissen, was er da Wertvolles in Händen hielt. Einen kleinen Blick schickte er Merthin, Aaron bekam Angst dass es sich hiermit mit ihrer Freundschaft und Zusammenarbeit erledigt haben würde. Nicht nur, weil Merthin sich belogen vorkommen könnte, sondern auch, weil er vielleicht nicht mit dem Prinzen reisen wollte. Aaron merkte, wie ihn der Gedanke daran traurig machte, aber vermutlich hätte er in diesem Fall selbst Schuld.

"Wir nehmen Euren Dank an, allerdings möchten wir Euch bitten, Schweigen darüber zu bewahren, dass wir Euch befreiten", sprach Aaron, denn er wollte nicht, das die Familie allen erzählte, dass Prinz Aaron mit Gefährten sie gerettet hatten, zu viel Aufmerksamkeit konnten sie nicht brauchen, außerdem machten sie dies hier nicht für Ruhm oder Anerkennung. Die Familie schien verwundert, akzeptierten aber diese Bedingung. In seinen Worten hatte Aaron extra 'wir' gesagt, denn sie beide waren jetzt ein gemeinsames 'Wir' und er hoffte, dass das auch weiterhin so bleiben würde, auch wenn Merthin nun die Wahrheit über Aarons Stand wissen dürfte.

Trotzkopf und Heu

Merthin

Es war ein komisches Gefühl, als sich die ganzen Menschen vor ihnen verneigten. Und Merthin wollte schon sagen, dass sie sich aufrichten sollten, dass das doch selbstverständlich sei, aber er war zu langsam gewesen. Als sich der Hausherr umdrehte und zur Wand ging, an der ein Bild hing, passte es nicht mehr. Diese Menschen waren wirklich dankbar, warum also nicht den Dank annehmen. Dass das Bild sehr alt sein musste, sah man am Rahmen, der aus einer anderen Zeit zu stammen schien; einer, in der noch filigrane Handarbeit bezahlbar gewesen war. Zum anderen sah man es an der Wand, denn dort, wo das Bild gehangen hatte, war ein hellerer Fleck zu sehen. Offenbar hatte das Bild dort schon sehr sehr lange gehangen. Merthin fühlte sich unwohler. Es konnte doch nicht sein, dass sie in Erwägung zögen, ihnen das Bild zu schenken, oder?! Ihnen etwas so Kostbares zu schenken war nicht nötig, wirklich nicht! Erneut öffnete sich sein Mund, um etwas zu sagen, doch auch diesmal verstummte er. Diesmal aber nicht, weil es unnötig wäre, etwas zu sagen, sondern weil die Worte und Gesten der Bauernfamilie ihn irritierten. Hatte er sich verhört? Königliche Hoheit? Meinte er Aaron? Mit gerunzelter Stirn blickte er seinen Mitstreiter an. Ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit – eine Mischung aus Übelkeit und Schwindel. Der Gesichtsausdruck des anderen sprach Bände. Und nun bestätigte der Bauer ihm erneut, dass er sich nicht verhört hatte. Prinz Aaron? DER Prinz Aaron? War das wirklich wahr? Wie konnte das sein? Er zwang sich, den Blick von Aaron abzuwenden, und blickte einen Moment aus dem Fenster, während die anderen weitersprachen. Merthins Gedanken überschlugen sich und jetzt sah er so offensichtlich, was er vorher versucht hatte zu verdrängen. Es war nicht unbedingt der Name – Aaron war seit der Geburt des Prinzen ein beliebter Name gewesen. Aber es waren viele andere Kleinigkeiten. Allein schon das Verhalten seines Vaters damals im Wald, die überfallene Kutsche, die Soldaten, die nach ihm gesucht hatten… Alles, wirklich alles machte mit einem Mal Sinn. Und Merthin schalt sich innerlich einen Idioten! Wie hatte er nur so blind für das Offensichtliche sein können? Wieso hatte er die Parallelen nicht gesehen? Es war so deutlich, dass ein Blinder auch darauf hätte kommen können!!!!

Aaron war der Prinz, der nach Kara fahren sollte, um das letzte angrenzende Königreich politisch an König Corvo zu binden. Und er war zu dumm gewesen, die Zusammenhänge zu erkennen! Aber darum ging es gerade eigentlich gar nicht… Es ging nicht um seine Dummheit, es ging darum, was das nun für sie bedeutete. War Aaron deshalb gestern so zurückhaltend gewesen, sich als Teil der Prophezeiung zu benennen? War seine Familie deshalb gestern erneut ins Visier der Soldaten geraten? Wegen dem Prinzen? Natürlich, anders machte es keinen Sinn. Nun, für Prinz Aaron war es bestimmt die perfekte Gelegenheit gewesen, ihn und seine Naivität dazu zu benutzen, die Hochzeit zu verhindern. Und nun? Merthin konnte sich nicht vorstellen, dass der Prinz sich weiter den Strapazen einer Reise aussetzen würde. Merthin wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als die Mutter auf ihn zutrat und ihn am Arm berührte. „Auch euch vielen Dank!“, sagte sie mit einem Mal zu ihm und Merthin blickte sie mit einem gequälten Lächeln an. „Es freut mich“, sagte er mit gepresster Stimme, „dass wir helfen konnten. Danke für das Geschenk.“ Er lächelte sacht und nickte dann, als sich Aaron entschied, dass sie nun lieber gehen sollte. Er schulterte seinen Rucksack erneut, verstaute das Schwert und schulterte den Bogen. Sie verabschiedeten sich herzlich von ihnen. Das Geschenk hatte Aaron bekommen und wegen ihm könnte er es auch behalten. Er wollte hier einfach nur weg…
 

Schweigend lief er den Weg zurück, den sie gestern gekommen waren. Er musste den anderen ganz dringend zurückbringen. Wie hatte er nur so naiv und blöd sein können! Aber was auch immer diese ganze Geschichte für ein Ziel hätte, er konnte Aaron nicht mitnehmen. Es war einfach nicht möglich! Aaron musste zurück in die Stadt zu seinem Vater. Denn eines wusste Merthin sehr genau: Egal was kommen würde – und er war sich sicher, dass das noch einiges sein würde – er würde nicht verlangen können, dass Aaron sich zwischen ihm und seinem Vater entscheiden musste. Aber genau das war es doch, was kommen würde. Darauf würde alles hinauslaufen. Es war niemand geringeres als Aarons Vater persönlich, gegen den die Prophezeiung vermutlich gerichtet war. Und sicher wusste dieser von der Prophezeiung. Corvo wird alle Register ziehen, um ihr Handeln aufzuhalten.

Dann lieber jetzt ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Denn dass er geschockt war, spürte er deutlich. Und irgendwie war er auch ziemlich wütend auf Aaron. Warum hatte er kein Tacheles geredet und ihm gesagt, wer er war? Spätestens in der Bibliothek hätte er doch etwas sagen müssen, oder etwa nicht? Und er? Er hätte einfach nur diese vermaledeiten Hinweise bemerken müssen!!! Er war so ein unbelehrbarer Idiot! Sah das Offensichtlichste nicht und ließ sich an der Nase herumführen…

Ob Aaron womöglich ein Spion war? Arbeitete er am Ende FÜR den König?

Merthin fasste sich an den Magen, als ihm bewusst wurde, dass das Ganze ja noch eine ganz andere Tragweite haben könnte. War das alles geplant gewesen? War seine Familie, war der Trupp bereits von den Soldaten einkassiert worden? Hatte Aaron nur noch einen Beweis haben wollen, dass Merthin wirklich magische Fähigkeiten hatte? Würden sie jetzt alle darunter leiden, weil er nicht erkannt hatte, dass ein Familienmitglied des Königs sich ihm angenähert hatte? Wieso hatte er das alles nicht viel früher gesehen?!!!
 

Aaron

Es war Merthin anzusehen, dass er geschockt war. Er sagte im ersten Moment gar nichts dazu, musste sich gar zusammenreißen, der netten Frau mit einem Lächeln zu antworten. Wenn er sich schon zum Lächeln durchringen musste, war er gewiss schwerer getroffen, als Aaron gehofft hatte. Es schien nicht so, als würde der Blonde leicht darüber hinwegkommen, was Aarons Sorge verstärkte. So sollte ihre Zusammenarbeit nicht enden. Nicht so und schon gar nicht wegen so etwas.

Als sie den Bauernhof verließen, fiel Aaron als erstes auf, dass Merthin nicht mehr nach seiner Hand griff. Hatte sich Aaron schon so sehr daran gewöhnt, Hand in Hand durch die Gegend zu laufen und dadurch einfach besser voranzukommen? Dennoch folgte Aaron dem Blonden, welcher konsequent schwieg. Der Prinz verstand das, wahrscheinlich gingen ihm unendlich viele Gedanken im Kopf rum und vielleicht war er auch wütend. In dem Fall wäre es Aaron allerdings lieber gewesen, Merthin würde ihn zur Rede stellen, ihn mit seinen Fragen und Gedanken bombadieren, aber diese Stille war schwierig zu handhaben.

Aaron blieb hinter Merthin her, versuchte mit ihm Schritt zu halten, was gar nicht so leicht war, da der Blonde es eilig zu haben schien, weiterzukommen. Oder er merkte es gar nicht, wie schnell er wurde, da er so in seinen Gedanken gefangen war. Aarons Blick glitt zu Boden, er fühlte sich schuldig dafür, dass ihre gerade erst aufgebaute Nähe wieder auseinander driftete. Das Band, das sie am knüpfen waren, war noch nicht so reißfest, als dass er sich sorglos zurücklehnen und warten könnte, bis sich Merthin wieder eingekriegt haben würde. Zumal er alles Recht der Welt hatte, verwirrt und wütend zu sein.

Es dauerte ein bisschen, bis Aaron auffiel, dass Merthin sie denselben Weg zurückführte, den sie gekommen waren. Aber wollten sie sich nicht in einer Woche bei einer Mühle mit dessen Familie treffen? Warum gingen sie dann zurück zur Hauptstadt? Dort war eh alles voller Soldaten und damit schloß sich ihr Weg dorthin sowieso schon aus. Merthin wollte ihn doch nicht etwa wieder nach Hause bringen? Ein Schreck durchfuhr Aaron bei diesen Gedanken, er wollte doch gar nicht wieder nach Hause!

Aaron legte einen Zahn zu und überholte Merthin, stellte sich vor ihn und erhob seine Hände, damit der Blonde stehen bleiben würde. "Merthin, warte!", sprach er ihn zusätzlich an. "Wo führst du uns hin?", fragte Aaron mit Sorge in der Stimme. "Etwa zurück zur Hauptstadt?", fuhr er fort und schüttelte den Kopf. "Weil ich als Prinz dorthin gehöre? Weil ich andere Pflichten habe, als mit dir zu reisen und Leuten zu helfen wie dieser Bauernfamilie?", sprach er weiter und etwas Bitterkeit ließ sich aus seiner Stimme heraushören. Denn genau diese Worte waren es, die Aaron noch gestern selbst im Kopf gehabt hatte. Doch heute sah er es anders und gerade Merthin war es gewesen, der ihm gelehrt hatte, dass es andere Wege gab, als sich dem vermeintlichen Schicksal auszusetzen. Merthin hatte ihn bewusst von der Hochzeit abhalten wollen und jetzt wollte er es wieder zulassen, nur weil er von Aarons Herkunft wusste? Er widersprach sich damit selbst, aber Merthin war gerade auch sehr verwirrt. "Nur weil du jetzt weißt, wer ich wirklich bin, hat sich doch ansonsten nichts verändert. Nicht an mir, nicht an uns! Ich bin immernoch derselbe Mann, mit dem du gestern deine Weisheiten zum Schicksal geteilt hast und mit dem du auf Zusammenhalt die Arme gekreuzt hast... und dem du mit einem Wangenkuss Freundschaft signalisiert hast", sprach er weiter und versuchte dabei Merthin klar zu machen, dass sich doch nichts zwischen ihnen geändert hatte. Von dessen Gedanken, dass Aaron ihn ausgenutzt hätte und sich mit Absicht seine Freundschaft und Sympathie erschlichen haben könnte, um ihn später hinterrücks auflaufen zu lassen, ahnte der Prinz jedenfalls nichts. Der Gedanke war so absurd, dass Aaron da gar nicht drauf kommen würde.

"Ich kann mir denken, dass du geschockt bist und es tut mir Leid, dass ich es dir nicht gesagt habe, aber ich...", murmelte Aaron eine ernst gemeinte Entschuldigung, brauchte etwas, um den Grund zu nennen, warum er es nicht früher hatte sagen können. "Ich befürchtete das du mich abweisen würdest", sprach er es schließlich aus und merkte selbst, dass es ausgesprochen komischer klang als gedacht. Dabei war es die Wahrheit. Aaron fasste mit seinen Händen an Merthins Schultern, schaute ihn eindringlich an. "Ob Schicksal oder Dummheit... hauptsache zusammen", führte Aaron noch das Argument an, das sie zusammen bleiben wollten, egal ob ihr Handeln vielleicht dumm sein könnte. Merthin schien zu glauben, dass es wahrlich dumm gewesen war und kein Schicksal, das sie sich zusammen getan hatten, aber hatten sie da nicht dennoch zusammen bleiben wollen? Trotz der Möglichkeit einer Dummheit? Auch wenn man es Aaron vielleicht nicht ganz so sehr ansah, so war er innerlich auch ganz schön aufgewühlt. Er wollte nicht wieder zurück in den Palast, wollte nicht zusehen, wie andere Familien ein solches Schicksal erleiden mussten wie die arme Bauernfamilie. Er hatte heute am eigenen Leib erfahren, dass er zusammen mit Merthin etwas bewegen konnte, auch ohne Prophezeiung. Das war es, was er für sein Land tun wollte und keine arrangierte Ehe in einem Land, das er gar nicht kannte und mit dem ihn nichts verband. "Ich will nicht auf dem Thron versauern, ich will kämpfen, an deiner Seite, mit unserer Magie..", flüsterte er und sprach damit gewiss zum ersten Mal aus, was er selbst wollte. Im Palast hatte das nie gezählt, da gab es nur den Willen des Königs und sonst nichts. "Stört es dich wirklich so sehr, dass ich ein Prinz bin...?", stellte Aaron noch eine leise Frage in der Hoffnung, das dem nicht so war. Bedenken könnte Aaron versuchen auszuräumen, aber diese Tatsache könnte er nicht ausradieren, er war nunmal wer er war und das gehörte genauso zu ihm wie es zu Merthin gehörte, dass er seine eigene Herkunft nicht wusste. Merthin müsste Aaron auch als Prinz akzeptieren, sonst gab es wirklich keine Zukunft ihrer Zusammenarbeit.
 

Merthin

Nein, Merthin merkte wirklich nicht, wie er kopflos vorneweg stürmte und schier durch die Landschaft rannte. Er wollte von dieser seltsamen Situation fliehen, vor der Heimlichtuerei des anderen, vor den negativen Gedanken, die er hatte und irgendwie vor allem vor Aaron! Wie hatte er ihn so zum Narren halten können! Das hat er doch oder? Vielleicht rannte er aber auch so, weil er einfach überschüssige Energie loswerden musste, um sich wieder zu sortieren. Aber das würde er sicher nicht zugeben…

Als Aaron zu ihm aufschloss, war er noch immer in seinem Gedankenwirrwarr gefangen und er registrierte den anderen erst, als dieser sich vor ihm aufbaute und ihn vehement am Weitergehen hinderte. Kurz zuckte Merthins Hand, um den anderen einfach bei Seite zu schubsen, aber er zog sie wieder zurück. Er war wütend, ja! Aber deswegen musste er nicht handgreiflich werden… Mit kühlem Blick musterte er den anderen, der offenbar bemerkt hatte, wohin er wollte. Merthin zuckte nur genervt mit den Schultern. „Und wenn es so wäre?“, knurrte er auf die ersten beiden Fragen hin, dann blickte er zur Seite, so als ginge ihn das hier nichts an. Dass er sich ein wenig albern und kindisch benahm, wusste er, aber er fühlte sich schlichtweg betrogen. Doch die Bitterkeit, die in der Stimme des anderen mit anklang, ließ ihn dann doch wieder in die blauen Augen blicken, die ihn fast schon ein wenig hilfesuchend ansahen. Er schluckte, verschränkte dennoch abwehrend die Hände vor der Brust. Merthin schnaubte, als Aaron behauptete, es habe sich nichts geändert. Natürlich hatte sich etwas verändert! Gestern hatte er noch jemanden davon abgehalten, Opfer einer arrangierten Hochzeit zu werden. Heute hatte er den Königssohn entführt… Das waren völlig verschiedene Dinge. Zumal es der Sohn des Königs war, gegen dessen Macht er gewillt war zu kämpfen! Doch als Aaron weitersprach, biss er sich auf die Unterlippe. War dem so? War er wirklich der gleiche Mann? Der, mit dem er gestern… Und da sprach es Aaron selbst aus. Sie hatten auf Freundschaft getrunken, hatten sich gerade zusammengerauft mit dem Willen, gemeinsam herauszufinden, ob es Schicksal war, dass sich ihre Wege gekreuzt hatten, oder ob es einfach nur Zufall gewesen war… Ja, vielleicht hatte sich in dieser Hinsicht nichts geändert. Aber Aaron war nun ein Prinz, jemand, dem man wirklich Höflichkeit entgegenbringen sollte, wenn man nicht sein Leben lang gelehrt bekommen hatte, sich von solcherlei Menschen fern zu halten, weil sie nur Ärger brächten… Merthin atmet tief durch, blickte kurz sturköpfig weg und entgegnete nichts auf die Worte des anderen.

„Schön, dass es dir wenigstens leid tut“, spottete er leiser, als noch zu vor und schwieg dann aber, als der andere ihm sein Verhalten vorführte, das er gerade eigentlich wirklich an den Tag legte: er wies ihn ab… Was wäre damals gewesen, wenn er sich als Prinz offenbart hätte? Wäre er bei ihnen am Lagerfeuer gesessen? Hätte er sein Zelt mit ihm geteilt? Wären sie gemeinsam durch den Wald gewandert? Nein, vermutlich nicht… Merthin fiel auf, dass sein Vater Aaron von Beginn an mit einem höheren Grad an Respekt behandelt hatte. Und ihm wurde bewusst, dass jener gewusst haben musste, wer Aaron wirklich war. Warum hatte er ihn nicht gewarnt? Warum hatte ihn Marie nicht gewarnt? Stattdessen ließen sie ihn mit dem Prinzen losziehen! Wie konnten sie nur? War ihnen nicht bewusst… oder… war ihm nicht bewusst…

“Ob Schicksal oder Dummheit… Hauptsache zusammen!“, hallten die Worte des anderen in ihm wieder. Kurz schloss er die Augen. Wie sollte es ein Zusammen geben, wenn bald das ganze Land auf der Suche nach dem Prinzen sein würde? Der König wird alles in Gang setzen, um Aaron zu finden, davon war auszugehen… Sie würden untertauchen müssen, würden niemandem vertrauen können. Selbst zu seinem Zug würde er nur bedingt zurückkehren können. Sicher ließ der König sie beobachten… Sie hätten nur noch sich, müssten sich komplett aufeinander verlassen können. Aber konnte er das jetzt noch? Konnte er davon ausgehen, dass Aaron ihn nicht verraten würde? Dass er zu ihm stand, egal, wer kam? Würde er bei der Wahl zwischen Familie und ihm nicht seine Familie nehmen?

Als Aaron wieder das Wort ergriff und ihm erklärte, dass er sein altes Leben nicht mehr leben wollte, sondern eine Zukunft mit ihm wählen wollte, sah ihn Merthin prüfend an. Und dann kam eine Frage, die ihn am Herz berührte, zumindest spürte er dieses Mal kribbeln… „Nein, das tut es nicht. Das ist es nicht, Aaron!“, antwortete er schneller, als er dachte. Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und atmete noch einmal tief durch. „Mir ist es letztlich egal, ob du ein Kesselflicker oder der Prinz bist, aber du musst verstehen, dass es doch etwas verändert!“ Er sah ihn kurz an, nach Worten ringend, die dem anderen helfen würden, ihn zu verstehen. „Hör zu, Aaron. Ich glaube dir, dass du ein solches Leben vielleicht nicht führen möchtest. Ich kann mir wirklich gut vorstellen, dass du diese Schnepfe aus Kara nicht heiraten willst. Und glaube mir, sie ist schlimmer als schlimm. Wenn sie nur halb so viele Haare auf dem Rücken hat, wie auf den Zähnen, dann hättest du einen Bären neben dir im Bett liegen…“ Sie waren einmal in Kara bei Hofe aufgetreten. Es war der reinste Spießroutenlauf gewesen… „Ich kann deinen Wunsch verstehen, dass du lieber helfen möchtest, diesem Land Gutes zu tun. Du hast ein gutes Herz, Aaron Michél von Foron, das weiß jeder. Beim Volk bist du der Prinz der Güte. Aber hier geht es um mehr, als dir dabei zu helfen, dein eigenes Leben zu gestalten. Hier geht es darum, dass wir beide irgendwann vor einer gravierenden Entscheidung stehen werden – sofern die Prophezeiung stimmt: wir werden vor deinem Vater stehen und ihn zu Fall bringen. Deine Familie wird darunter leiden, dein kriegerischer Bruder Aiden wird seinem Vater genauso treu ergeben sein, wie er es jetzt schon ist. Deine Schwestern gebären Söhne, die im Sinne des Königs erzogen werden. All diese mit dir verwandten Menschen stehen dann mit einem Mal gegen uns. Und das, Aaron, das möchte ich nicht: dass du dich zwischen deiner Familie, deinem Vater und mir entscheiden musst. Denn es wird dann nur einen richtigen Weg geben und ich könnte dir nicht einmal böse sein, wenn du dich gegen mich entscheidest. Blut ist dicker als Wasser…“ Er blickte auf seine Füße, sah dann auf seine Hände, neben sich in den Wald. Irgendwie fühlte sich das gerade ziemlich Scheiße an…

„Ich kann dir nur ein Leben in Unsicherheit bieten, in dem du jeden Tag mit dem Tod konfrontiert sein könntest. Du bist die Hoffnung des Landes. Und so gesehen finde ich es gut, dass du diese Hochzeit nicht treudoof eingegangen bist…“ Irgendwie klangen seine Worte nicht sehr überzeugend… Wo war all die Wut hin, die er eben noch verspürt hatte? Wo war all die Angst hin?... Moment. Die war noch da – sehr deutlich sogar. „Ich habe nur Angst, diesen Weg mit dir zu gehen, und irgendwann festzustellen, dass du ihn niemals bis zum Ende gehen kannst, so sehr du es dir auch wünschst. Ich darf nicht der Grund sein, dass du dich gegen deine Familie stellst. Denn Familie ist wichtig! Das weiß ich, weil ich keine echte habe und daher meine Ersatzfamilie mehr als liebe…“ Irgendwie hatte er dem anderen doch so viele Dinge an den Kopf werfen wollen… „Und ich bin enttäuscht, dass ich es so erfahren musste…“, fügte er daher etwas halbherzig hinzu.
 

Aaron

Der kalte Ausdruck in Merthins Augen verunsicherte Aaron erst, denn das war er von dem Blonden nicht gewohnt. Er war immer warm und voller guter Dinge. Konnte diese Wahrheit wirklich sein Feuer drosseln? Momentan schien es noch so. Anfänglich blieb der Blonde stumm, benahm sich etwas trotzig und abweisend. Genau das, was Aaron nicht gewollt hatte. Wahrscheinlich kämpfte Aaron deshalb jetzt so sehr darum, dennoch von Merthin als Begleiter akzeptiert zu werden, es wirkte wahrscheinlich fast schon ein bisschen verzweifelt. Wenn die Lage nicht so wäre wie sie gerade war, hätte Aaron gewiss über Merthins Beschreibung der Prinzessin von Kara gelacht, auch wenn sich das nicht gehörte.

Es klang seltsam seinen vollen Namen aus Merthins Mund, mit seiner inzwischen so vertrauten Stimme, zu hören. Sein Herz machte glatt einen kleinen Hüpfer, als Merthin Aaron gutherzig und gütig nannte, war es das, was das Volk über ihn erzählte? War es das, was Merthin von ihm dachte? Wo Aarons Geschwister doch allesamt anders waren, dank des schädlichen Einflußes ihres Vaters. Aaron war von Anfang an anders gewesen, allein schon von seinem Symbol her, vielleicht hatte König Corvo deshalb entschieden, Aaron zu verheiraten und aus dem Land zu schaffen, was natürlich gleichzeitig seine politische Macht ausbaute. Es wäre gewiss ein Doppelsieg für den König. Gewiss würde er nach Aaron suchen lassen, nach außen hin den schwer besorgten Vater geben, der die Entführer seines Sohnes mit voller Härte bestrafen würde. Kam Corvo das nicht auch irgendwie entgegen? Um seine Macht im Volk auszuweiten, indem er Aarons Verschwinden als Ausrede nutzte? Gleichzeitig will er ihn natürlich zurück haben, da er sonst Kara nicht unter seine Fittiche bekam, denn Aiden sollte später seinen Thron übernehmen, ihn konnte der König also nicht entsenden. Aaron hoffte nur, dass König Corvo sich dann nicht andere Dinge einfallen lassen würde, um das Reich von Kara doch noch zu bekommen.

Es erleichterte Aaron so ungemein zu hören, wie entschlossen und schnell Merthin antwortete, dass Aarons gesellschaftlicher Stand ihn nicht störte. Eine kleine Last fiel in diesem Moment von den Schultern des Prinzen und er fasste sich unwillkürlich erleichtert an die Brust. Doch Aaron stockte, als er Merthins eigentliche Bedenken vernahm. Er wollte nicht, das Aaron gegen seine eigene Familie vorgehen musste, dass er dabei helfen musste, sie zu stürtzen. Natürlich behagte auch Aaron dieser Gedanke nicht und wenn es sich vermeiden ließe, würde er versuchen wollen, seine Geschwister und den Vater davon zu überzeugen, dass sie auf dem falschen Weg waren. Aber.... eine Sache hatte Merthin nicht bedacht. "Ja, das es nicht leicht werden wird, war von Anfang an klar. Dass ich mit dir in allerlei Turbulenzen geraten werde ebenfalls", sprach Aaron schließlich. "Aber wie soll ich mit dem Wissen, das ich jetzt über die Zustände im Land und über die Prophezeiung habe, noch in aller Ruhe mit meiner Familie am Tisch sitzen? Ohne dass ich bei jedem Wort meines Vaters ihm entgegen rufen will, dass er aufhören soll mit seinen Machtspielchen?", fügte er hinzu. Egal wie sehr Merthin Aaron davor bewahren wollte, sich gegen seine Familie stellen zu müssen, so sehr musste er einsehen, dass es dafür schon zu spät war. Aaron hatte gesehen, welche unmittelbaren Folgen die Regierung seines Vaters hatte, und die langfristigen Folgen konnte er sich ausmalen. Wie sollte er jetzt noch die Füße still halten und so tun, als wäre nichts? "Nur bei dir kann ich meine oberste Aufgabe erfüllen, nämlich die Belange des Volkes zu erfüllen und dieses zu beschützen", er nickte bekräftigend. All das hatte Merthin ihm mehr oder weniger bewusst gelehrt und in dieser Nacht hatte Aaron seinen Weg für sich darin erkannt. Es ging wirklich nicht nur darum, sein eigenes Leben so zu leben, wie er es wollte, sondern auch darum, es anderen Menschen ebenso zu ermöglichen ihr Leben zu gestalten, wie sie es wollten. Aaron hatte noch irgendwie Hoffnung vielleicht eine Art Heilung für die Machtkrankheit seines Vaters zu finden, auch dafür wäre die Reise mit Merthin sinnvoll. Je mehr sie lernten unterwegs, desto wahrscheinlicher wäre es, dass sie mehrere Möglichkeiten fanden, die Prophezeiung zu erfüllen. Oder... unverschämt dumme Dinge zu tun.

Merthin war mit seiner Ziehfamilie wesentlich mehr 'Familie' als es Aaron mit seiner leiblichen Familie war, ob er auch ein bisschen Hoffnung hatte in dem Ganzen ein Gefühl von Familie und Vertrautheit zu finden, die sonst fehlte? "Blut ist dicker als Wasser...", wiederholte Aaron die Worte seines Gegenübers, das sagte König Corvo auch immer. "Aber Magie ist stärker als Blut." Das wiederum würde der König vehement abstreiten. Dennoch war es für Aaron die Wahrheit. Er spürte eine größere Verbundenheit zu Merthin als zu seiner Familie, obwohl er diese viel länger kannte als den Blonden. Aber Aarons Verbundenheit mit Merthin über die Magie, ihrer Bestimmung und der persönlichen Natur war auch absolut nicht zu unterschätzen. Aber noch versuchte sich Aaron da nicht allzu viele Sorgen zu machen. Dass der König selbst in seinem Beraterstab Magier hatte, die Blutmagie anwandten, war Aaron allerdings völlig unbekannt. Aber auch hier würde es sich bewahrheiten, dass reine Magie über die unreine Blutmagie stand.

Merthins Aussage, er könne ihm nur ein Leben in Unsicherheit mit der allgegenwärtigen Gefahr zu sterben bieten, stimmte in Aarons Augen nicht. Merthin bot so viel mehr als das, angefangen von seiner Freundschaft bishin zur Weiterentwicklung seiner Kräfte. Zuhause schwebte Aaron eigentlich auch immer in Gefahr - dank seiner eisigen Magie - und Freunde hatte er da auch nicht. Selbst mit Merthin wäre er niemals an diesen Punkt gelangt, wenn dieser eher von seiner Herkunft gewusst hätte. Merthin bewies dies mit seiner sehr abweisenden Reaktion, direkt nachdem das Geheimnis gelüftet worden war. 'Du bist die Hoffnung des Landes', hatte er gesagt. Und das wollte Aaron sich verdienen.
 

Merthin

War es wirklich schon zu spät, Aaron zurückzubringen? Vielleicht. Und wenn Merthin ehrlich war, wollte er den anderen eigentlich auch gar nicht bei Hofe wissen. Er wollte nicht, dass er in die Nähe dieses Monsters kam, das ihn vermutlich wegsperren würde, wenn es wüsste, was in Aaron steckt. Oder wusste er es am Ende schon? Er würde Aaron bei Gelegenheit fragen müssen. Das konnte entscheidend sein…

Dennoch hatte er Angst, dass das alles zu groß für sie werden würde. Eben weil Aaron der Prinz war, den sein Vater als Teil seines Planes erachtete, den sein Vater manipulieren wollte, den sein Vater sich zurückholen wollen wird. Es verkomplizierte alles und die Angst davor, durch den Stand des anderen, alles zu verlieren – auch Aaron selbst – hatte ihn gerade kopflos werden lassen. Aber er glaubte Aaron, dass ihn das, was er bereits mit ihm zusammen erlebt und gesehen hatte, berührt hatte. Und er glaubte ihm, dass es nicht mehr rückgängig zu machen war, dass er seinen Vater nun mit anderen Augen ansah. Er wollte das glauben, weil er Aaron eigentlich nicht wieder verlieren wollte… Aber doch wusste er, dass der Weg an den Punkt, an dem Aaron sich auch wirklich gegen seinen Vater stellen konnte, ein langer werden würde.

Und es ehrte ihn, wenn er klarstellte, was die Aufgaben eines Prinzen waren: sein Volk zu schützen. Denn damit würde er mehr leisten, als es sein Vater tat. Aaron würde sicher in vielen Situationen mit sich hadern, würde Unterstützung brauchen. Und nun war es an Merthin, ihm diese zu geben. Merthin würde ihn halten müssen, würde ihn an sich binden müssen und ihm eine neue Familie sein müssen, damit er den Kampf gegen die eigene gewinnen konnte. Vielleicht war es dieser Gedanke, der seinen Unmut und seine Enttäuschung über das Verheimlichen seines Standes wieder milder stimmte. Vielleicht war auch das seine Aufgabe… Er erinnerte sich an die Erzählung von Marie – zwei Krieger, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Nicht nur hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, auch hinsichtlich ihres Standes: Der Prinz und ein Niemand. Vielleicht sollte es wirklich so sein… Vielleicht verband sie durch diese Gegensätze dann doch mehr, als man glauben mochte.

Und nun entkräftete Aaron auch seine Befürchtung, Blut sei dicker als Wasser, indem er ein neues Element hinzufügte: die Magie. Erstaunt blickte er ihn an, runzelte nachdenklich die Stirn. War es so? Könnte es so sein? Vielleicht… Er hatte ihre Verbindung schon so oft gespürt, hatte schon so oft das Gefühl gehabt, dass etwas Besonderes zwischen ihnen war. Vielleicht könnte das wirklich stärker sein, als die Familienbande?
 

Mit einem Mal hörte er etwas und lauschte. Jemand sang… Ein Wirtshauslied, wie Merthin schien. Er ergriff Aarons Hand und zog ihn hinter einen Strauch. Sie waren der Straße näher gekommen, als gedacht. Und dort fuhr gerade ein Karren vorbei, mit einem Mönch auf dem Kutschbock, der einen Becher in der Hand hielt – vermutlich Wein. Geladen hatte er einen großen Haufen Heu. Ob er sie mitnehmen würde?

„Er fährt in die Richtung, in die wir wollen… Wir könnten einsteigen. Im Heu wird uns niemand sehen…“, sagte er leise zu Aaron und blickte ihn nun wieder mit wärmeren Augen an.
 

Aaron

Plötzlich vernahm auch er dann das zugegebenermaßen sehr schräg gesungene Tavernenlied, das viele Leute in den Straßen der Städte, vorallem des Nachts, laut vor sich hin trällerten. Die Barden des Landes schrieben ihre Stücke nach politischen Geschehen und natürlich häufig zur Liebe, ob auch ihre Taten mal Inhalt einer Ballade werden? Schnell spürte Aaron wieder Merthins vertraute Hand in seiner und fand sich wenig später hinter Sträuchern wieder. Ihr Blick lag auf der Straße, wo gerade ein Karren vorbei kam, dessen Führer das schiefe Lied sang. Aarons Blick huschte zu Merthin, als dieser vorschlug, einfach mit zu fahren - im Heu. Sein Blick hatte an Kälte verloren und wirkte versöhnlicher, so hoffte Aaron, dass Merthin nun nicht mehr die Richtung nach Foron meinte. "Ich bin noch nie in Heu gesprungen", grinste der Prinz und meinte dies als Bestätigung, Merthins Plan zu folgen. Dafür war diese gefährliche Reise auch da. Für neue Erfahrungen und all das zu tun, was er sonst nie gekonnt hätte. "Dann los!", sprach Aaron hoch motiviert, dann sprang er hinter dem Strauch hervor und zog Merthin an der Hand mit sich hinter den Heukarren her. Ihre Verbindung an den Händen ließ Aaron schnell und leise genug zum Karren gelangen, auf dessen Ladefläche er dann etwas umständlich kletterte. Mit einem kleinen Plumps ließ er sich ins Heu fallen. Es piekste etwas, war aber dennoch weicher Untergrund. Der Mönch hatte von dieser Aktion jedenfalls nichts mitbekommen, zu vertieft war er in seiner Singerei und zu beschäftigt damit, seinen Wein zu leeren. Es war gewiss auch besser, dass der Mönch nichts von seinen hohen Gästen wusste, umso weniger könnte er sie verraten, wenn auch nicht gewollt.

Leise und so bedacht wie nur möglich versuchte sich Aaron eine bequeme Position in dem Heuhaufen zu suchen. Der Haufen war zwar recht hoch, aber nicht sehr breit, was die Möglichkeiten etwas einschränkte, aber zumindest passten sie so halb nebeneinander. Aaron entschied sich für eine seitliche Liegeposition, wobei er seinen Kopf auf seine Hand stützte und die Füße einzog, damit diese nicht versehentlich nach draußen hingen. Der Karren schaukelte ganz ordentlich, da ihr Kutscher Kurven lenkte, die gar nicht da waren und immer mal wieder über Steine holperte, die im Weg lagen. "Was ist unser Ziel? Wie lange brauchen wir?", fragte Aaron leise nach. Irgendwie erleichterte es ihn, nicht mehr dieses Geheimnis mit sich rumzutragen. "Dein mir gebotenes Leben in Unsicherheit ist wenigstens einigermaßen bequem", nahm Aaron Bezug auf Merthins Aussage aus dem Gespräch zuvor und grinste etwas. "Hast du schonmal im Heu übernachtet?", fragte Aaron interessiert, während er das Bild hinter sich ablegte, das er von der Bauernfamilie erhalten hatte. Er wollte es später genauer anschauen, als der Fahrer plötzlich eine besonders enge Kurve fuhr. Ob er gerade noch gemerkt hatte, dass er eigentlich hatte abbiegen wollen oder er etwas ausgewichen war blieb ein Rätsel, einzig das Zugpferd wieherte voller Beschwerde. Aaron war nicht auf diesen Ruck vorbereitet gewesen und war nach vorn gedrückt worden, direkt in Merthins Richtung. Dieser hatte hinter sich jedoch niemanden, weshalb er wohl gegen das Holzbrett am Rande des Karrens gedrückt werden dürfte. An genau diesem Holzbrett hinter Merthin konnte sich Aaron stützen, um den anderen nicht zu erdrücken. "Der Kutscher kriegt wahrlich keine Extra Münzen", witzelte Aaron ein bisschen.
 

Merthin

Vielleicht war das der letzte entscheidende Punkt, dass er seine Pläne änderte und die Mitfahrgelegenheit anbot. Sie sollten es versuchen. Sie sollten versuchen, ihren Weg gemeinsam fortzusetzen. Wenn es hart auf hart käme, sollte er nur nicht enttäuscht sein, wenn Aaron doch nicht so handeln könnte, wie er es jetzt gerne glaubte…

„Dann wird es allerhöchste Zeit, Prinzchen!“ Merthin hatte ihn ungläubig angesehen, als der andere erklärt hatte, noch nie in Heu gesprungen zu sein. Und gemeinsam bestiegen sie den Wagen. Merthin hatte den Rucksack abgelegt und an der Seite in den Wagen gestellt. Dann war er Aaron hinterhergekrabbelt und nun lagen sie in der Mitte des Heus und Merthin versuchte auf dem schaukelnden Gefährt eine gemütliche und feste Position einzunehmen. Er verschränkte die Arme hinter Kopf und winkelte ein Bein an, um sich etwas besser zu stabilisieren. Als er zu Aaron blickte, hatte dieser sich neben ihn gelegt, zu ihm gedreht und sah ihn an. „Wir werden heute nach Puklan kommen. Dass ist ein Markt in Richtung Westen. Ich vermute, dass der Mönch das Heu dort eintauschen möchte. Wir werden in einer Scheune am Ortsrand unterkommen. Dort habe ich dann zumindest die Möglichkeit, ein paar Nahrungsmittel aufzufüllen“, erklärte Merthin bereitwillig. „Wir haben dann nur noch drei Tage bis zur Mühle.“ Merthin seufzte leicht und blickte nach oben in den blauen, von ein paar Wolken verhangenen Himmel. Er würde bei der Mühle vorsichtiger sein müssen. Sie mussten damit rechnen, dass sein Tross beobachtet wurde. Der König hatte für die Spionage gute Leute. Und wenn der Verdacht bestand, dass sie etwas mit der Entführung des Prinzen zu tun hätten, dann würden sie nicht mehr sicher sein können. Wenn seine Familie überhaupt dort war.

Als Aaron weitersprach, sah Merthin wieder zu ihm. Er lächelte sacht, als er den Kommentar zum Heu hörte und merkte, dass Aaron das Thema von eben noch einmal aufgreifen wollte. „Teilweise ist es sicher bequem“, sagte er leise. „Im Heu oder Stroh zu schlafen ist in Ordnung, und klar habe ich das schon gemacht. Aber in einer Kutsche des Königs zu sitzen ist sicher bequemer, mein Lieber!“ Er pieckste ihn in die Seite, als Aaron ihm schon fast entgegenfiel, als die Kutsche einen Schlenker machte. Er selbst wurde gegen den Wagenrand gedrückt und Aaron folgte ihm direkt. Im Reflex umfasste er den anderen an der Hüfte, um ein weiteres Rutschen zu verhindern, als er sah, dass sich dieser schon am Wagenrand abgefangen hatte. Seine Bernsteine blickten in die eisblauen Augen des anderen, der ihm so nah gekommen war. Kurz sah er auf die Lippen und hatte fast das Gefühl, als wolle sein Körper die kurze Distanz überwinden, um davon zu kosten, doch er pfiff sich zurück. Stattdessen grinste Merthin leicht. „Wahrlich nicht. Aber ich frage mich: Sind alles Prinzen so stürmisch?“, fragte er frech und ließ seine Hand an der Hüfte des anderen. Dann zog er die andere Hand hinter seinem Kopf hervor und streckte seinen Arm aus. „Komm her, meine Schulter ist noch viel bequemer“, raunte er leise und angelte kurzerhand mit seiner anderen Hand nach seinem Mantel, den er neben den Rucksack gelegt hatte, und deckte sie zu. „So sieht uns niemand“, erklärte er überflüssigerweise und spürte, wie der andere seinen Kopf an seiner Schulter ablegte. Ein angenehmes Gefühl jagte durch seinen gesamten Körper. Sicher die Magie, die sie verband… Merthin schloss die Augen und genoss den Moment, das Gefühl des Zusammenseins. Er wusste nun, dass dieser Mann hier an seiner Seite der Prinz des Königreichs war. Und es hatte ihn etwas geschockt… Aber doch war ihm auch bewusst, dass es eigentlich wirklich nichts an der Situation änderte. Es war die Angst vor der Zukunft, die ihn so verbohrt hatte handeln lassen. „Magie ist dicker als Blut“, sagte er leise. „Ich hoffe es, Aaron. Ich hoffe, dass das, was ich spüre, wenn wir uns berühren, stärker ist, als das Band, das jeder zu seiner Familie hat.“ Kurz schwieg er, dann drehte er den Kopf etwas, um den anderen ansehen zu können. „Es wird alles nicht einfach, für keinen von uns…“ Er schluckte. „Weiß dein Vater eigentlich von den Fähigkeiten?“ Sie sollten darüber reden, was Aaron wusste. Schließlich konnte man die Situation ja auch zu seinem Vorteil nutzen. „Und da ist noch etwas, was mir schon seit gestern im Kopf herumspukt: woher wussten die Soldaten, wo du bist? Haben sie dich gehen lassen und beschattet? Oder hat der König gar Magier in seinen Reihen?“
 

Aaron

Aaron hatte die Augenbrauen gehoben, als Merthin ihn 'Prinzchen' genannt hatte. Es war sicher ein gutes Zeichen, das Merthin Aarons Titel verwendete, wenn auch in Koseform, aber das war in Ordnung. Weil es Merthin war, der das sagte. Und es führte Aaron auch sein Glück vor Augen, dass Merthins erster Ärger verraucht war. Nochmal hätte sein Vater ihn gewiss nicht laufen lassen, wo dieser doch inzwischen gemerkt haben dürfte, das irgendwas faul war. Aaron war trotzdessen, das er verfolgt worden war, von der Bildfläche verschwunden und König Corvo war doch überzeugt von sich selbst genug, dass er es nicht für möglich hielt, sich vor ihm und seinen Magiern zu verstecken.

Zumindest schien Merthin gute Erfahrungen mit Heu gemacht zu haben, sonst hätte er ihn doch nicht so ungläubig angesehen und ihn mit seinen Worten angespornt seinen ersten Heusprung zu vollführen. Das eigentliche Gefühl im Heu zu liegen war in der Tat gewöhnungsbedürftig, aber genau das war es, was Aaron daran irgendwie gefiel. Es war anders als das, was er gewohnt war. Merthin hatte nämlich durchaus Recht, in der königlichen Kutsche war es wesentlich bequemer. "Irgendwann sollten wir mal eine gemeinsame Fahrt in meiner Kutsche unternehmen. Dann kannst du dich selbst vom Unterschied überzeugen", grinste Aaron amüsiert. Denn die Vorstellung von Merthin in der prunkvollen Kutsche wirkte wenig realistisch. Aber der Blonde ließ Aaron in so vielen Bereichen seines Lebens teilhaben, dass Aaron ihm auch gern einen Einblick in seines geben wollte. Allerdings würde dies gewiss warten müssen. Dieser Gedanke brachte Aaron auf noch einen anderen Gedanken. Was passierte eigentlich mit ihrer Zusammenarbeit, wenn ihre Bestimmung erfüllt war? Wenn ihre Dummheit durchgezogen war? Konnten sie dann weiterhin zusammen verrückte Dinge tun? Würde ihre Freundschaft bis über die Prophezeiung hinaus Bestand haben? Das kam gewiss darauf an, wie genau das Übel später aus der Welt geschafft sein würde. Müsste... Aaron am Ende die Position seines Vaters einnehmen und den Thron besteigen? Dieser Gedanke drückte Aarons Stimmung etwas, da er sich nicht so sicher war, wie er das finden sollte.

Doch der Ruckler im Heuwagen lenkte Aarons Gedanken wieder auf Merthin, der ihn aufgefangen hatte. Genauso wie schon letztes Mal, als Aaron sie beide hinters Gebüsch geworfen hatte. Und einen entsprechenden Kommentar konnte sich Merthin ganz offensichtlich auch diesmal wieder nicht verkneifen. Diesmal aber konnte Aaron auf Merthins verspielt freche Art hin lächeln und lief nicht sofort knallrot an. "Mh, nein, ich denke, ich bin da eher eine Besonderheit", antwortete Aaron darauf, ob alle Prinzen so stürmisch seien. "Zumindest ist mir noch keiner so entgegen gefallen, wie dir gerade. War es empfehlenswert?", fügte er noch etwas leiser und scherzhaft hinzu. Aaron hatte in seinem Leben viele Adlige und natürlich auch andere Hoheiten kennen gelernt, aber alle hielten sich an die Etikette, wie Aaron eigentlich auch. Merthin mit seiner offenen Art kitzelte aus Aaron aber noch mehr hervor, als dessen angelernte höfische Verhaltensweise. Es gab kein Geheimnis mehr, das Aaron vor Merthin zu verbergen versuchte und der Blonde hatte sich ein weiteres Mal dafür entschieden mit Aaron den Weg fortzusetzen, so wagte Aaron es sich selbst auch etwas unbekümmerter aufzutreten. Nichtmal die Hand an seiner Hüfte brachte Aaron aus der Ruhe, sie gab ihm Halt und war warm, was sprach also dagegen?

Der geraunten Einladung sich an Merthin zu kuscheln, kam Aaron sogleich ohne nachdenken nach. Mit einem langen ausatmen legte Aaron seinen Kopf auf Merthins Schulter ab, schmiegte das Gesicht weiter in Richtung seiner Halsbeuge und legte sachte einen Arm um Merthins Oberkörper. Nicht nur, um sich zusätzlich etwas festzuhalten, sondern besonders, um sich dessen Nähe ganz sicher zu sein. Für einen kurzen Moment eben bei der Bauernfamilie hatte Aaron gedacht, dass Merthin nicht mehr zu überzeugen war, ihre Gemeinschaft aufrecht zu erhalten. Ihn jetzt wieder so nahe bei sich liegen zu spüren, erfüllte Aaron mit großer Erleichterung. Dazu mischte sich das vertraute Gefühl Merthins warmer Magie, was Aaron wohlig seufzen ließ. Merthin hatte Recht: das war bequemer als alle Kutschen zusammen, in denen Aaron je gesessen hatte. Der Mantel als Decke komplettierte das Ganze.

Aaron schloß seine Augen, genoss den Moment ebenso, bis er Merthin wieder sprechen hörte. Langsam schaute er wieder auf, direkt zu Merthin, welcher sich zu ihm gedreht hatte. Also spürte Merthin auch etwas bei jeder ihrer Berührungen... "Ich glaube daran. Es muss einfach so sein", antwortete Aaron leise. Denn wenn sie sich in diesem Punkt irren, dürfte alles noch schwieriger werden, als es jetzt schon war. Aaron würde Merthin nicht davon abhalten zu tun, was das Richtige war, selbst wenn er selber Hemmungen haben würde, da es nunmal um seine Familie ging. Doch lieber wollte er selbst auch restlos von der Richtigkeit ihres Handelns überzeugt sein, bevor sie irgendwas in der Richtung machen würden. Die weiteren Fragen brachten Aaron wirklich zum Nachdenken. "Ich weiß, dass mein Vater sich bewusst ist, dass es zur Zeit unserer Vorfahren Normalität war, dass Magie existierte. Ich glaube, er hatte schon immer Angst, dass die Magie zurückkehrt, deshalb verhängte er diese unmenschlichen Strafen für alle, die auch nur im entferntesten mit Magie zu tun haben", begann Aaron zu erzählen. Er hatte häufig versucht bei den Sitzungen zu lauschen, auch wenn er nie viel hatte hören können. "Die magischen Phänomene... so wie das Wesen beim Bauernhof, hat Vater explizit 'das Übel' genannt", fuhr er fort. 'Das Übel' war eine Wortwahl der Prophezeiung, es erschien unwahrscheinlich, dass er sich selbst zufällig genau diesen Namen dafür ausgedacht hatte. "Ich befürchte... als ich gestern aus dem Palast geflohen bin... das sie mich da absichtlich haben laufen lassen, um mir zu folgen. Und ich hab sie direkt zu dir und deiner Familie geführt. Es tut mir Leid." Etwas enger kuschelte sich Aaron an den anderen heran. Das hätte er früher erkennen sollen und nicht erst, als die Soldaten bereits den Trupp im Visier hatten. Die Frage nach Magiern in König Corvos Reihen verwunderte Aaron erst. Aber wenn er jetzt genauer darüber nachdachte, gab es schon Anzeichen dafür. Beweise hatte Aaron jedoch nicht. "Vater hat es nie offen gesagt, aber ich glaube... er hat wirklich mindestens einen in seinem engeren Kreise. Du wärst ihm fast begegnet, es war der Mann, der uns in der Bibliothek überrascht hatte", gab Aaron Auskunft und dachte noch weiter darüber nach. Vielleicht irrte er sich auch, aber es passte alles. "In seiner Nähe fühle ich mich stets unwohl, seine Berührungen und Blicke sind kalt, nicht wie meine Eismagie... eher herzlos kalt. Und er scheint immer genau zu wissen, wenn ich etwas mache, das meinem Vater garantiert nicht gefallen dürfte", sprach Aaron weiter. Wie zum Beispiel das Treffen mit Merthin.

Aaron fasste sich an die Schläfen, spürte er doch einen Kopfschmerz aufziehen, der wohl von diesem Thema herrührte. Oder bedingt aufgrund der Erschöpfung, die Aaron befallen hatte, seit sie vorhin den Kampf gegen das Unwesen gewonnen hatten. Magie zu verwenden verbrauchte viel Energie, für den ungeübten Prinzen noch mehr. "Vielleicht lassen wir diese Informationen erstmal sacken und du ruhst dich aus?", schlug Aaron also vor und blickte Merthin an. Er war gewiss auch erschöpft von der Nacht und vom Kampf, hatte er doch wesentlich mehr körperliche Kraft verbraucht als Aaron, da er die ganze Zeit die Axt des Wesens hatte in Schach halten müssen. Außerdem hatten sie sein Zeichen für Stärke verwendet, natürlich kostete auch das zusätzliche Energie. "Ich pass auf, dass wir nicht übers Ziel hinaus schießen", grinste Aaron den anderen an. Der Prinz hatte zwar keine Ahnung vom Weg, aber er konnte Bescheid geben, bevor sie ankamen und sollten unterwegs Soldaten auftauchen. Womöglich wäre Merthin damit nicht einverstanden, immerhin waren sie beide erschöpft, aber Aaron hatte da eine Möglichkeit. "Dafür sorgst du dafür, dass ich später in Ruhe baden kann, ja?", schlug Aaron vor. Immerhin musste jemand aufpassen und an ein gemeinsames Bad dachte Aaron sowieso nicht.
 

Merthin

Merthin musste fast loslachen, als Aaron ihm erklärte, sie sollten einmal gemeinsam in einer königlichen Kutsche fahren. Aber er hielt sich zurück und lachte nur leise. „Ich? In einer königlichen Kutsche? Ich weiß nicht, ob ich mich darin wohlfühlen könnte“, er schüttelte bei dem Gedanken den Kopf. „Ich denke, die einzige Kutsche des Königs, die ich je zu Gesicht bekomme, wir der Gefängniswagen sein – wegen Prinzenentführung und Magienutzung.“ Er zwinkerte dem anderen zu. „Und diesen Wagen versuche ich tunlichst zu vermeiden…“ Am Grinsen des anderen merkte er, dass auch dieser die Vorstellung von ihm in einem solchen Wagen eher amüsant fand. „Aber angesichts der Tatsache, dass du ja schon in meinem königlichen Wagen reisen durftest, wäre es nur angebracht, dass ich auch mal deinen Wagen in Anspruch nehme…“, überlegte er mit einem Schmunzeln auf den Lippen, das dann jedoch verblasste. „Falls es jemals die Gelegenheit dazu gäbe…“
 

Mit positiver Überraschung registrierte Merthin, dass Aaron nicht gleich wieder im Boden zu versinken drohte, nur weil er ein wenig… „frech“ geworden war. Und umso überraschte war er, als der andere seinen Spaß aufgriff und fortführte… Sein Grinsen wurde umso breiter. „Nun, das kommt auf die Situation an, mein werter Herr“, entgegnete er nachdenklich. „Im Moment fühlt es sich gut an… Und besonders zu sein, ist in jeder Situation empfehlenswert!“ Offenbar war gestern durch ihren Freundschafts-Bund Aarons Distanz wirklich aufgebrochen. Er war ein deutliches Stück näher an ihn herangerückt – nicht nur körperlich – und schaffte es, wesentlich lockerer mit ihm umzugehen. Das fühlte sich gut an, richtig gut an. Denn Merthin mochte Ungezwungenheit, mochte es, zu scherzen und zu sticheln – auf liebgemeinte Art und Weise. Dass der Prinz sich wegen seines Standes sicher den ein oder anderen Kommentar anhören durfte, würde unweigerlich folgen. Aber solange sie sich näher kamen, wusste Merthin, würde es ihm der andere nicht übel nehmen. Merthin flirtete gerne – ob mit Männern oder Frauen. Und er frotzelte gerne mit seinen Freunden. Das musste man vertragen. Und Aaron schien es nichts auszumachen…
 

Gespannt lauschte Merthin Aarons Ausführungen hinsichtlich seines Vaters. Offenbar kannte jener die Prophezeiung und würde daher auch die Zusammenhänge mit ihm erkennen. Er wäre ein unvorsichtiger Machtmensch, wenn er da nicht vorsorgen würde. Es war also letztlich klar, dass er seine Gefolgsleute hatte, die sich mit Magie, der alten Schrift oder anderem auskannten. Vermutlich konnte man sich gegen Magie auch wirklich nur mit Magie schützen. Er horchte auf, als Aaron von demjenigen sprach, der in die Bibliothek gekommen war. „Vermutlich hat er meine Magie gespürt“, überlegte er leise. Er versuchte sich daran zu erinnern, ob er etwas gespürt hatte, und dunkel erinnerte er sich an dieses bange Gefühl, als würde ihm Lebensglück entzogen. „Diese Menschen in deines Vaters Umfeld werden alle einen großen Vorsprung zu uns haben. Sie sind versierter als wir, haben schon lange ihre Kraft unter Kontrolle und werden sie stetig ausbauen. Wir sollten morgen anfangen, unsere Kräfte zu trainieren. Denn ich vermute, dass unsere Aufgaben nicht leichter werden, sondern komplexer und mächtiger…“ Merthin musste gähnen. Die unruhige und vor allem unbequeme Nacht war wenig erholsam gewesen. Und hier, in diesem abgeschirmten kleinen Paralleluniversum, was der Wagen gerade für ihn darstellte, fiel die Anspannung ab, die er seit so vielen Tagen spürte. Als Aaron ihm anbot, dass er sich ausruhen dürfte, sah er ihn dankbar an. „Das klingt verführerisch…“, murmelte er schmunzelnd. „Sowohl das Ausruhen, als auch das Baden. Ich habe auch das Bedürfnis, dringend zu baden.“ Er nickte bestätigend. „Und wir sollten vor Puklan hier unten sein…“, wies er den anderen noch an. Das angenehme Gefühl in seinem Inneren, das Geschaukel des Wagens, der Arm um seine Brust, die ihn hielt… es dauerte nicht lange und er war tief und fest eingeschlafen.
 

Aaron

"Vermutlich...", war Aarons leise Antwort. Dieser Mann hatte wohl ganz bestimmt Merthins Magie gefühlt, als sie beide diese mehr oder weniger bewusst freigesetzt hatten. Durch eine einzige direkte Berührung des Zeichens für Schicksal. Ihr Schicksal war stark und in dieser Nacht sowieso, da sie genau dort den Grundstein der gemeinsamen Reise gelegt hatten. Sie hatten erfahren, wie das mit der Prophezeiung zusammen hing und das sie beide gemeint sein könnten. Das erklärte das schnelle auftauchen dieses dunklen Magiers. Aaron nickte, denn Merthin hatte wieder Recht. Die Magier waren gut ausgebildet und wurden stetig weiter trainiert, sie müssten dringend nachziehen. Doch jetzt müssten sie erst einmal ausruhen...

Ablenkungsmanöver

Aaron

Die Stunden vergingen und Aaron blieb an Merthins Schulter liegen, blickte mal zum Himmel, mal zu Merthin, dann in die Landschaft um sie herum, dann wieder zu Merthin. Ein bisschen betrachtete er dessen Gesicht im Schlaf, legte den Kopf etwas schief, um ihn aus verschiedenen Blickwinkeln anzusehen. Aber egal wie er auf das Gesicht des Blonden blickte, es blieb immer ansprechend. Aaron war versucht, ihn mit der Hand im Gesicht zu berühren, ließ es aber bleiben. Immerhin wollte er ihn ja nicht wecken, erstrecht nicht mit solch komischen Empfindungen seinerseits. Die wenigen Leute, die ihnen unterwegs entgegen kamen, sahen sie gar nicht, da sie so tief im Heu lagen und vom Mantel abgedeckt waren. Ein merkwürdiges Gefühl war es dennoch. Der Prinz brauchte eine Ablenkung... Kurzerhand griff Aaron wieder nach dem Bilderrahmen, welchen ihm die Familie überlassen hatte. Ein verschnörkelter Text... Aaron versuchte einen Sinn in den Schriftzeichen zu erkennen, aber sie gehörten keiner ihm bekannten Sprache an. Allerdings hatten einige Schriftzeichen, die wie wahllos zwischen den anderen Schnörkelungen versteckt waren, Ähnlichkeit mit alter Sprache. Eigentlich wollte der junge Mann dies genauer untersuchen, doch merkte er, dass der Wagen langsamer wurde. Vorsichtig stützte er sich von Merthin hoch und blickte ein Stück über das Holz des Wagens und blickte direkt auf das große Tor, welches den einzigen Eingang zu einem rundlich gebauten, nicht überdachten Platz darstellte, welcher ansonsten von einer starken Mauer umgeben war. Wahrscheinlich sollten sie hier runter sein, bevor sie dieses Tor passierten, denn dadrin saßen sie in der Falle.

Aaron wendete sich wieder Merthin zu, beugte sich ein Stück über ihn. Fest fasste er den blonden Mann an den Schultern und rüttelte ihn mit etwas mehr Kraft. "Merthin, ich glaube, wir haben die Gastfreundschaft dieses Mönchs lange genug in Anspruch genommen", sprach er lauter zu ihm, aber nicht zu laut, damit ihr unfreiwilliger Kutscher nichts davon hörte. "Wach auf!"
 

Merthin

Als Aaron ihn rüttelte und ihn aufweckte, brauchte er einen Moment, um aus den Tiefen seines Schlafes wieder in das Hier und Jetzt zurück zu finden. Dann aber begriff er anhand der Laute und der Umgebung, dass sie möglichst zügig vom Wagen kommen sollten. „Lass uns hinten runterrutschen…“, sagte er leise und löst den Arm um den anderen, damit dieser seinen Worten folgen konnte. Er selbst griff nach seinem Rucksack, dem Bogen und legte sich den Mantel wieder um, um kurz darauf ebenfalls vom Wagen zu gleiten. Die Seite, an der eben noch Aaron geschmiegt war, fühlte sich nicht mehr so warm an, wie zuvor, sondern unangenehm kalt. Er hatte schon lange nicht mehr mit jemandem Arm in Arm geschlafen… Und gerade hatte er das Gefühl, dass er genau das vermisste. Und genau dieser Gedanke war seltsam. Denn es war das erste Mal, dass ihm das auffiel. Merthin blickte sich um und erkannte den Ort wieder. Sie waren schon lange nicht mehr hier gewesen, aber es hatte sich wenig verändert. „Lass uns erstmal nach einem Schlafplatz für heute Abend schauen“, erklärte Merthin und er ergriff automatisch Aarons Hand, um mit ihm zusammen in Richtung Fluss zu laufen. „Wir können eine Scheune in der Nähe des Flusses nehmen. Dann haben wir auch unser Bad. Ich geh nachher noch in den Ort und hole uns etwas zu Essen. Außerdem brauchst du ein wenig Ausrüstung. Hast du eigentlich gar keinen Umgang mit einer Waffe gelernt? Ich dachte immer, ihr Prinzen lernt den Umgang mit dem Schwert, um euch auf den Turnieren zumindest so passabel schlagen zu können, dass es nicht so massiv auffällt, dass andere besser sind und ihr dennoch gewinnt.“ Er grinste leicht und zwinkerte Aaron zu, damit dieser verstand, dass es nicht böse gemeint war.
 

Aaron

Aaron blickte in Merthins Augen, als dieser langsam wieder aus seinem Schlaf erwachte. Trotzdessen, dass er noch etwas verschlafen wirkte, handelte er sofort und packte seine Sachen zusammen, was der Prinz ihm dann gleich tat. Mit einem Griff schnappte er sich das Bild und ließ sich hinten vom Karren rutschen. Da der Wagen nun langsamer fuhr und der Mönch mehr versucht war, ordentlich zu fahren, um keinen betrunkenen Eindruck zu machen, funktionierte diese Aktion recht unkompliziert. Ein bisschen geduckt begab sich Aaron mehr an den Rand des Handelsweges, denn hier war schon wesentlich mehr los als auf ihrem Weg hierher. Ein kleinen Moment beobachtete Aaron das Treiben auf dem Markt durch das Tor. So viele Leute, die durch die Gegend liefen, Marktschreier, die ihre Waren anpriesen und der Geruch verschiedenster Kräuter und Nahrungsmittel. Reflexartig zog sich Aaron die Kapuze seines Umhangs wieder über den Kopf. Dieser Umhang war das einzige, was er von Zuhause mitgenommen hatte und er gehörte nichtmal wirklich ihm. Alles andere trug er an sich und dennoch gab es in seinem Gemach im Palast nichts, was er momentan vermisste. Nicht einmal den Luxus. Aber noch war ihre Reise am Anfang.

Fest umschloss Aaron Merthins Hand und folgte ihm vertrauensvoll, hörte seinen Worten zu. Sein Plan klang sehr vernünftig. "Hast du jemals davon gehört, dass Prinz Aaron, der glorreiche Sieger erhobenen Schwertes vom Gelände marschiert wäre?", fragte Aaron teilweise bitter, teilweise scherzhaft nach. Merthin hatte seine Worte natürlich nicht böse gemeint, ein Fünkchen Wahrheit steckte dennoch drin. Aaron jedenfalls hatte keine Siege eingefahren, was aber wohl eher daran lag, das Aaron kein Interesse daran hatte, andere Leute zu verletzen, auch dann nicht, wenn sie es selber so wollten. Aarons Bruder Aiden war da anders gepolt, ihm hatte es gewiss gefreut, dass Aaron sich geweigert hatte teilzunehmen. Aiden hatte vieler solcher Veranstaltungen gewonnen, aber gewiss nicht nur durch Betrug. "Ich habe eine Grundausbildung absolviert, sicher nichts Ausgefallenes...", gestand Aaron schließlich. Er war noch Kind gewesen, als er den Unterricht gehabt hatte. Seitdem hatte er kein Schwert mehr angefasst. Jetzt schien dies ein Fehler gewesen zu sein, dafür hatte er seine Zeit in das Studium der Sprache gesteckt, die er jetzt gewiss nicht so ausgeprägt beherrschen würde, wenn er sein Schwerttraining nicht vernachlässigt hätte.
 

Merthin

Als sie wenig später an eine am Fluss gelegene Scheune kamen, in der Heu und Stroh gelagert war, nickte Mertin zufrieden. Er öffnete die Tür und blickte hinein. Der Landwirt, der hier sein Heu und Stroh lagerte, hatte auch einen Tisch und Stühle eingestellt, die er nun herausholte. Es gab einen Brunnen und einen Stall, in dem aber keine Tiere standen. Eine Feuerstelle war nahe des Flusses gelegen, so dass man davon ausgehen konnte, dass die Scheune dem Bauern als Zufluchtsort vor seiner Frau diente. Es dauerte nicht lange, da hatte Merthin den Schnaps und Lebensmittel-Vorrat entdeckt, den jener sich angelegt hatte. Er hatte nicht vor, etwas zu entwenden, fand nur die Umstände lustig, die er hier vorfand. Sie machten sich ein wenig ein Lager zurecht und Merthin packte noch ein Handtuch und Seife aus, die er zusammen mit Wchselklamotten von ihm Aaron reichte. „Ich gehe dann mal ein paar Sachen besorgen“, sagte er, wissend, dass es dem anderen sicher unangenehm wäre, wenn er beim Baden in der Nähe wäre… "Deine Klamotten kann ich dann waschen, wenn ich später auch baden war..."
 

Aaron

Bei der Scheune angekommen dachte Aaron erst, dass hier bereits jemand untergekommen war, denn alles sah so vorbereitet aus. Doch die Feuerstelle war kalt und die Vorräte sprengten die Regale. Sah nicht so aus, als ob hier jemand dauerhaft seine Nächte verbringen würde. Die Peinlichkeit wollte sich Aaron gern ersparen, dass sie ein Lager fanden, das bereits besetzt wäre. Die Schlußfolgerung von Merthin, es könne sich um einen Rückzugsort handeln, schien jedenfalls einleuchtend. Blieb zu hoffen, dass der Bauer nicht ausgerechnet diese Nacht von seiner Holden rausgeschmissen werden würde.

Aaron half ihr kleines Lager aufzubauen und legte das Bild ab, das würde er nachher mal genauer ansehen. Die Sachen, die Merthin ihm zum baden gab, nahm Aaron dankbar entgegen. Auch wenn er erst jetzt feststellte, wieviel Merthin da eigentlich immer mit sich rumschleppte. Aaron selbst trug ja fast nichts, er würde Merthin gern einen Teil der Last abnehmen. "Ehm..!", hielt Aaron Merthin noch kurz zurück, als sich dieser auf den Weg zum Markt machen wollte. "Würdest du bitte etwas für mich mitbringen? Etwas Pergament und Schreibkohle.", bat Aaron den Blonden noch. Aaron bräuchte dies später zum enträtseln des kryptischen Textes und sicher könnte er Schreibutensilien auch später noch gebrauchen. Aarons Gebiet war und blieb Sprache und Text, da konnte er derartige Dinge immer brauchen.
 

Merthin

Und so ging Merthin schließlich auf den Markt, kaufte frisches Gemüse und Obst, Brot, Hartwurst und Käse. Aber er ging auch zum Schmied und Kramer, um für Aaron eine eigene Ausrüstung inklusive Decke und Rucksack und noch Aarons Schreibutensilien mehr zu kaufen…

Es war ein schönes gebundenes Buch, das Merthin für Aaron mitbrachte, dazu gute Griffel in einer schönen kleinen Schatulle. Er legte es zusammen mit den anderen Sachen für Aaron auf den Tisch an der Scheune, strich darüber. Sicher, es war teuer gewesen. Aber sie mussten bestimmt Dinge aufschreiben, entziffern, sich notieren und merken. Da war es nur sinnvoll in etwas Teures zu investieren. Er wusste ja jetzt, dass Aaron kein Kämpfer war. Dann mussten sie seine Stärken fördern und das Kämpfen von Grund her anfangen zu trainieren… wenigstens ein wenig. „Eine Grundausbildung ist ja schon mal nicht schlecht…“, hatte Merthin versucht Aaron zu motivieren. „Und dann müssen wir uns auf deine Stärken, deine Magie konzentrieren…“ Dass es dem anderen ein wenig an die Nieren zu gehen schien, dass er hinter seinem Bruder offenbar nie zur Geltung gekommen war, fiel ihm zwar auf, aber er ging nicht darauf ein. Dass Aaron kein Kämpfer war, im Sinne eines Kraftprotzes, war ihm bewusst. Aber er hatte ihn an diesem Morgen gesehen. In ihm schlummerten ungeahnte Kräfte – und vermutlich lange unterdrückte! Wenn diese Kräfte entfesselt wären, dann konnte sein Bruder vermutlich einpacken! Und außerdem war der andere klug und gebildet. Es gab bestimmt mehr als eine Situation, in der ihnen das von großem Vorteil sein dürfte! Und das alles war ihm wirklich wesentlich lieber, als ein Mann, der voll Kraft strotze, aber nichts im Kopf hatte…

Merthin viel auf, dass es ruhig hier war und blickte aus seinen Gedanken auf. Wo war der Prinz?
 

Aaron

Erst als Merthin sich schließlich auf den Weg gemacht hatte und Aaron nun alleine mit den Dingen auf dem Arm dastand, merkte er wieder das Unbehagen. In Merthins Nähe merkte er das nicht so, aber eigentlich war er noch immer unsicher der Gefahren wegen, die überall lauern könnten. Aber Merthin hatte ja bereits gesagt, dass dieser Weg unsicher war und immer was passieren könnte. Aaron blieb nur zu hoffen, dass nichts passieren würde. Wenigstens nicht solange der andere weg sein würde. Mit schnellen Schritten machte sich Aaron also auf den Weg zum Fluss, schaute sich genau am Ufer um, entdeckte aber nichts Ungewöhnliches. Es war sonst niemand hier und es sah auch nicht so aus, als würde sich dies in der nächsten Zeit ändern. So suchte sich Aaron einen etwas breiteren Baum in der Nähe des Ufers, hinter dem er sich zu verstecken versuchte und erst nach einem weiteren Blick durch die Umgebung anfing, sich die Kleider auszuziehen. Aaron beeilte sich, um nicht so lange ungeschützt in der Gegend rumzustehen, hängte seine alten und frischen Klamotten über einen der Äste des Baumes und flüchtete sich dann fast schon mitsamt der Seife ins Wasser des Flusses. Weit ging er ins Wasser hinein, sodass ihm das Wasser bis zur Brust reichte. Die Strömung war hier zum Glück nicht sehr stark, sodass er recht stabil stehen und damit beginnen konnte, sich sauber zu waschen. Jedes Geräusch aus der Umgebung ließ Aaron dabei aufschrecken, auch wenn es nie Gefahr darstellte. Aaron grummelte ein bisschen vor sich hin. Ja, ihm war es lieber, wenn ihn keiner beim Baden beobachtete, auch Merthin nicht, aber er hätte sich dennoch sicherer gefühlt, wenn dieser in Rufweite geblieben wäre. Jetzt könnte Aaron den Blonden rufen wie er wollte, sollte er in Gefahr geraten, aber Aaron versuchte sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass er ihn nicht alleine gelassen hätte, wenn es wirklich Grund zur Sorge geben würde.

Kurz ließ sich Aaron ganz unter Wasser tauchen, tauchte dann wieder hoch und wusch sich sein Gesicht, hatte sich sogar fast etwas entspannen können, als er wieder Geräusche vernahm. Sogleich blickte Aaron in diese Richtung und sah eine Gruppe Frauen, die mit ihren Waschutensilien und Kleidungsstücken zum Fluss kamen, während sie sich lachend unterhielten. Es waren hübsche junge Frauen in bäuerlichen Kleidern. Gewiss keine Gefahr, aber für Aaron dennoch ein Problem. Wie sollte er auf diese Weise wieder aus dem Wasser rauskommen? Seine Chance jedenfalls rauszukommen, solange die Frauen ihn noch nicht bemerkt hatten, hatte er sich verspielt, denn sie winkten ihm nun lachend zu, als sie sich ans Ufer hockten. Sie schienen mit der Situation weniger ein Problem zu haben, scherzten und lachten sie doch immernoch miteinander. Aaron ließ sich bis ans Kinn ins Wasser tauchen und beobachtete die Frauen. Eigentlich bloß, um einen guten Zeitpunkt ausmachen zu können, wann er aus dem Wasser laufen könnte, doch die Damen interpretierten seine Blicke anders, so wie sie zurückschauten, zwinkerten und anfingen zu tuscheln. Aaron könnte Merthins Hilfe gebrauchen, aber er wusste nicht, ob dieser schon vom Einkauf zurück war, und ihn einfach zu rufen erschien Aaron auch nicht optimal. Aber eine andere Wahl hatte er wohl nicht.

"Merthin!!", rief Aaron also laut und ein bisschen verzweifelt in Richtung Scheune, die ein Stückchen oberhalb des Flußes lag. Die Frauen schauten nun überrascht, tuschelten aber immernoch, während sie sich in der Gegend umschauten, ob wer dazu kam. "Hey, haben du und dein Freund nicht Lust heute Abend auf meine Geburtstagsfeier zu kommen?", rief dann eine der Frauen zu Aaron rüber, woraufhin die anderen Frauen kicherten. Sie hatte Aarons Ruf nach Hilfe wohl eher als Kompliment verstanden, das Aaron zu schüchtern wäre, die hübsche Frauen anzusprechen. "Ja, wir könnten noch ein paar hübsche Jungs auf der Feier gebrauchen", zwinkerte sie und die Damen lachten nun erfreut. "Entschuldigt, aber würdet ihr vielleicht woanders hinschauen? Ich glaube auch nicht, dass es angebracht wäre, auf Eurer geschätzten Geburtstagsfeier zu erscheinen", wollte Aaron es nutzen, dass die Frauen schon mit ihm sprachen, um sie zu bitten sich abzuwenden und um die Einladung zur Feier höflich auszuschlagen. Aber die Damen lachten bloß sofort über die höfliche Art und hörten gar nicht mehr zu.
 

Merthin

Merthin blickte sich in der Scheune um, ob Aaron dort war und sich ausruhte. Aber offenbar war er vom Baden noch nicht zurück. Kurzerhand beschloss er, nun doch auch gleich baden zu gehen. Er nahm sich ein weiteres Handtuch und etwas Frisches zum Anziehen. Und so ging er wieder hinaus, als er auch schon seinen Namen gerufen hörte. Es schien, als hätte der andere… Panik? War verzweifelt? Einen Moment hatte Merthin Angst, dass Aaron in ernsthaften Schwierigkeiten wäre, so dass er direkt losspurtete, dem Ruf ein gutes Stück den Fluss hinauf folgend. Als er dann aber recht bald sah, was den anderen veranlasst haben könnte, zu rufen, musste er schmunzeln. Einen Moment beobachtete er die Szene – noch ungesehen – und schüttelte den Kopf, als er Merthins Worte hörte. Er musste mit Aaron in jedem Fall über seine Wortwahl reden! Wenn er nicht wollte, dass jeder drei Meilen gegen den Wind hörte, dass er von Adel war, sollte er sich eine lockerere Umgangsform angewöhnen… Nach einer Weile entschied er sich dann aber doch, dem anderen aus seiner misslichen Lage zu helfen.

„Hey Mädels“, rief er hinüber. Er war an den Baum getreten, an dem Aaron seine Sachen hingehängt hatte. Und legte die seinige auch dort ab. „Ihr seid ja gut gelaunt! Hab ich das richtig mitbekommen? Eine von euch hat Geburtstag?“ Er hatte sich das Hemd über den Kopf gezogen und auf den Haufen geworfen, auf dem Aaron auch seine dreckige Wäsche gelegt hatte. Die Mädels blickten hinüber und eine pfiff durch die Zähne. „Aber sicher doch!“, rief eine, während sie die Wäsche über das Waschbrett knetete. „Ja, das bin ich“, sagte die zweite, die für das Ausspülen zuständig war und bis zu den Waden im Wasser stand. „Und ihr zwei Hübschen würdet die Feier noch perfekt ergänzen – als Nachtisch!“ Merthin lachte leicht und schüttelte grinsend den Kopf. "Na dann herzlichen Glückwunsch!", lächelte er verschmitzt hinüber und zwinkerte den Mädchen zu, während er die Hose abstreifte, so dass er nun nackt war. „Klingt nett“, sagte er dann, griff nach einem Handtuch, das er sich über die Schulter legte, und begann ins Wasser zu waten, auf Aaron zu, bis er vor ihm stehen blieb. „Aber ich fürchte, Mädels, dass wir nicht die richtigen für euch sind…“ Er blickte nun das erste Mal Aaron an. „Wir haben nämlich heute noch etwas Anderes vor…“, raunte er leiser, aber für die Frauen hörbar. Er wusste, dass Aaron ein Problem damit hatte, jemanden nackt zu sehen. Und sicher war es ein noch größeres Problem, sich selbst nackt zu präsentieren. Und auch wenn das hier ein schmaler Grad war, auf dem er wandelte, so hoffte er, dass Aaron ihm diese Art des Rettens verzieh! Die Mädchen lachten beschämt, unsicher ob sie die Andeutung richtig verstanden. Merthin legte dem anderen eine Hand auf die schmale Hüfte, sah tief in das schöne Blau, das so gut zu seinem Element passte. Dann nahm er das Handtuch und legte es dem anderen um die Schultern, damit er gleich etwas hätte zum Umbinden. „Wir treffen uns dann bei der Scheune“, sagte er leise. „Ich lenke sie noch ein wenig ab…“ Dann hob er die Hand, strich Aaron mit den Fingerspitzen über die Wange, den Hals hinab zu dessen Hand, in der die Seife lag, und nahm ihm diese ab.

'Hoffentlich verzeiht er mir...', dachte Merthin, der das Gefühl hatte, es könnte dem Prinz unangenehm sein. Homoerotik war in Kreisen des Adels nicht nur verpönt, sondern schlichtweg verboten und unter Strafe gestellt. Immerhin schien Aaron bei ihm nicht mehr so große Berührungsangst zu haben, wenn er an ihre Fahrt im Wagen dachte. Aber dennoch klopfte Merthins Herz heftig, Aaron so nah bei sich zu haben, nackt und ... schön. Er sollte das auflösen, auch damit sie nicht heute Nacht noch Besuch von einem Mop aufgebrachter Bauern bekämen...

Daher sah er die Mädchen wieder an, drehte sich so, dass Aaron hinter ihm verschwand. "Wir müssen heute nämlich noch weiterkommen...", sagte er nun die Aufmerksamkeit auf sich ziehend. "Wir hatten vor, in Puklan eine Herberge zu finden. Könnt ihr mir sagen, was empfehlenswert ist?" Er trat näher zu den Mädchen, die ihm bereitwillig mit ihren Augen folgten und ihm nun dabei zusahen, wie er sich einzuseifen begann. Nun löste sich die kurze Anspannung bei den Frauen wieder. „Aber sicher!“, sagte die dritte, die sich vorher noch zurückgehalten hatte. „Was habt ihr für Geschäfte in Puklan zu erledigen?“, fragte sie neugierig. Merthin sah sie tadelnd an. „Ganz schön neugierig“, sagte er mit einem Lächeln. „Aber weil ihr so hübsch seid, verrate ich es euch! Wir sind geschäftlich da, um mit Randolf über seine Waren zu sprechen… Ich habe den Eindruck, dass er Dinge verkauft, die er lieber nicht verkaufen sollte.“ Randolf war einer der Händler am Markt, die am lautesten und aggressivsten ihre Waren feilboten. Merthin hatte beobachtet, wie der Händler immer mal wieder mit Männern in seinem Haus verschwunden war, oder mit anderen kurz Worte gewechselt hatte. Ganz offensichtlich war er einer der, die in Puklan das Sagen hatten und sicher nicht immer nur legal Geld verdienten. Vermutlich war er einer derjenigen, die auch ihre Finger beim Sklavenhandel im Spiel hatten. Die Mädchen tauschten Blicke aus und das Lachen schien wie weggewischt. „Dann solltet ihr vorsichtig sein!“, erklärte die ernsthafteste von ihnen. „Ich würde dann das Gasthaus zum roten Stier vorziehen. Dort könnt ihr am sichersten sein, denn der Wirt lässt Randolfs Leute nicht hinein…“ Merthin lächelte sie dankbar an. „Danke für den Hinweis! Vermutlich wird uns das viel Ärger ersparen.“ Kurz hielt er inne und blickte sie abschätzend an. „Tut ihr mir noch einen Gefallen?“, sagte er nun relativ nah bei ihnen. „Wo hat Randolf die Ware, die er lieber nicht am Markt feilbietet?“ Die Frauen begannen ihre Sachen zusammen zu packen. „Das wissen wir nicht…“, sagte eine schnell. „Ich denke, das sollten Sie ihn selbst fragen.“ Merthin hob beschwichtigend die Hände. „Ich habe nicht vor, etwas in dieser Art zu kaufen. Im Gegenteil, ich empfinde es Barbarei!“ Die Frauen erwiderten zunächst nichts. „Wir müssen nun gehen und die Wäsche aufhängen…“, erklärten sie. Doch bevor sie gingen, drehte sich die Ernsthafte noch einmal um und kam zu ihm. „Er hat eine Scheune auf der anderen Seite von Puklan“, sagte sie eindringlich. „Wenn ihr aufrichtig seid, dann ändert etwas an der Situation!“ Merthin nickte leicht. „Das werde ich“, sagte er fest. „Sagt niemanden, dass ihr uns gesehen habt!“ Die Frau nickte und wandte sich um, ihren Freundinnen folgend.
 

Merthin blickte ihnen kurz nach, dann ließ er sich ins Wasser sinken und wusch sich die Seife ab. Er öffnete seinen Zopf und wusch sich nun auch die Haare. Zurück am anderen Ufer, reinigte er ihre Kleidung aus. Er würde sie mit der Leine, die er im Rucksack hatte, aufhängen können, so dass sie morgen getrocknet sein würden. Schließlich trocknete er sich selbst ab und zog sich an. Seine Haare kämmte er durch und ließ sie offen, damit sie schneller trocknen konnten. Sie waren schon wieder über Schulter lang… er sollte sie mal wieder schneiden. Dann machte er sich auf den Weg zurück zur Scheune.
 

Aaron

Es dauerte ein bisschen, bis Aaron schließlich Merthins Stimme ertönen hörte. Erleichtert seufzte er und kam schonmal ein paar Schritte näher ans Ufer heran, allerdings blieb er weit genug im Wasser, sodass er nicht zu viel von sich zeigte. Aaron dachte, das Merthin mit den Frauen sprechen würde und sie dadurch ablenkte, sodass er selber ungesehen das Wasser verlassen könnte, doch wurde Aaron schnell klar, das Merthin eine viel... interessantere Lösung für das Problem anstrebte; nämlich in dem Augenblick, als Merthin begann sich ebenfalls zu entkleiden. Vor Aaron. Vor den Frauen! Ein bisschen ungläubig schaute er zu, wie der Blonde sogar einfach so seine Hose auszog und seelenruhig zuließ, das die Damen seine Blöße bewunderten. Aber Aaron musste zugeben, dass das eine gute Ablenkung war, immerhin beachteten die jungen Damen Aaron so gar nicht mehr und der Prinz versuchte das zu nutzen, indem er wieder einige Schritte Richtung Ufer setzte. Allerdings wurde er in seiner Bewegung gestoppt, als er sah, das Merthin nun auf ihn zukam. Was wurde das...? Das lenkte die Aufmerksamkeit der Frauen doch automatisch zusammen mit dem gut gebauten Mann erneut zu Aaron, welcher sich nun wieder ungewollt im Blickfeld aller Anwesenden befand. Mit klopfenden Herzen blieb der Prinz einfach stehen und ließ es nervös zu, dass Merthin so nahe heran kam. Dabei seine etwas verwirrenden Worte und dieser intensive Blick in die Augen, der Aaron aber wenigstens einen Bezugspunkt bot, den er anschauen konnte, ohne zu anmaßend zu werden, indem er sich noch in die Reihen der bewundernden Frauen einreihen würde. Es half ein wenig, dass dies nicht das erste Mal war, dass Aaron Merthin ohne Kleidung zu Gesicht bekam und auch dass dieser so natürlich mit der Situation umging. Das gab auch Aaron das Gefühl, das gerade nicht etwa was Anrüchiges, was 'Verbotenes', geschah, sondern etwas Neues, etwas, auf das sich Aaron einlassen müsste, um das unsichere und unbehagliche Gefühl loszuwerden, das ihm schon zu Kopf stieg und ihn schwindeln ließ. Das hier war dennoch eine vollkommen andere Situation als auf dem Wagen, wo Aaron keine Probleme mit der Nähe gehabt hatte. Es herrschte jetzt eine andere Stimmung um sie herum, eine andere Atmosphäre zwischen ihnen, was alles mehr Herzklopfen verursachte und Aaron nervöser werden ließ. Oder bildete sich der Prinz das bloß ein...?

Aaron wusste nicht mehr wohin mit seinen Armen, wohin mit seinen Blicken... wohin mit sich selbst. Langsam schlang Aaron einen Arm um seinen Bauch, den anderen Arm legte er schräg hoch zu seiner Schulter, um seinen Oberkörper ein bisschen abzuschirmen, während er seine Blicke einfach in Merthins Augen ließ. Selbst dann noch, als er die Hand des anderen an seiner Hüfte spürte. Merthins Finger berührten Aarons eigenes Zeichen auf der Haut, das leicht bläulich zu schimmern begann. Tief atmete Aaron ein, um dabei gleichzeitig das magische jeder ihrer Berührungen nachzuspüren, das ihn in diesem Moment wieder durchflutete, diesmal jedoch intensiver und auf wunderlich andere Weise als sonst. Ihre gemeinsame Magie bewirkte nichts schlechtes, wie konnte dann sowas schlecht sein...? Das beruhigte Aaron irgendwie. Obwohl sich eine kleine Röte diesmal nicht von Aarons Wangen fern halten ließ und auch das magische Gefühl nicht so schnell verging, während Merthin regelrecht zärtlich die Seife aus seinen Händen nahm. Den Weg seiner Fingerspitzen über seine Haut fühlte der Prinz noch Augenblicke später. Aaron fühlte sich dabei dennoch viel ruhiger als eben noch, konnte Merthin unterdessen weiterhin fest anschauen. Merthin war sein Freund, sein magischer Verbündeter, jemand, der so schön magisches Kribbeln in seinem Innersten auslöste. Er würde nichts tun, was Aaron schaden würde. Es gab also keinen Grund Unbehagen zu spüren. Zumindest in diesem Moment nicht.

"Vielen Dank", flüsterte Aaron dem Blonden zu. Wieder half Merthin ihm und Aaron nickte noch, damit Merthin auch wusste, das Aaron verstanden hatte. Als Merthin ihm schließlich seinen Rücken zuwandte, blickte Aaron ihn kurz von hinten an, ehe er die Chance ergriff und so schnell wie er es leise hinbekam das Wasser verließ. Sofort als seine Hüfte aus dem Wasser ragte, band er sich das Handtuch um und huschte zum Baum. Aaron trocknete sich nicht richtig ab, tupfte nur schnell hier und da, um schnellstmöglich wieder Kleidung am Leib zu haben. Als er sich das Oberteil über den Kopf zog, das er von Merthin bekommen hatte, hielt er einen klitzekleinen Moment inne. Der Stoff roch angenehm nach Seife... und nach Merthin.

Ein paar Wortfetzen bekam Aaron noch mit, allerdings blieb er nicht lange genug, um das ganze Gespräch mit anzuhören. Lieber beeilte er sich, zurück zur Scheune zu gelangen und blieb erst stehen, als er ankam. Aaron fühlte immernoch sein Herz schneller schlagen von eben und klopfte sich deshalb wieder mal auf die Wangen, um sich einzukriegen. Das war ein reines Ablenkungsmanöver gewesen, nichts weiter. Also auch nichts, weshalb er sich aus adeliger Sicht straftbar gemacht hätte. Immerhin war die Intention hinter dieser recht missverständlichen Situation eine andere gewesen, richtig? Dass nur das seine Sorge war und gar nicht die erneute kleine Frechheit des Blonden ihm gegenüber, da er ihn vor anderen Leuten verlegen gemacht hatte, fiel Aaron dabei auch auf. Irgendwie wurde Aaron gerade selbst nicht schlau aus sich und seinen Reaktionen. Zum Glück entdeckte er in diesem Moment das hübsch gebundene Buch und die Schatulle dazu, was seine Gedanken sofort ablenkte. Andächtig berührte er den fein gearbeiteten Einband des Buches, nahm dieses dann gänzlich zur Hand und warf einen Blick auf die leeren Seiten. Hatte Merthin diese schönen Dinge für Aaron mitgebracht? Er freute sich, dass Merthin auf Qualität geachtet hatte, obwohl Aaron nur um einfaches Pergament gebeten hatte. Wieder würde er sich bei ihm bedanken müssen, man sah und merkte, dass dieses schicke Einzelstück seinen Preis gehabt haben dürfte.

Mit einem glücklichen Lächeln setzte sich Aaron in der Scheune auf das Stroh, nahm den Bilderrahmen zur Hand und auch einen der Griffel, welcher hübsch verziert war und als modern galt, da er nicht wie andere Griffel einzig zum einritzen von Worten genutzt werden konnte, sondern auch, um auf Papier zu schreiben. Sogleich begann Aaron damit das Textbild zu bearbeiten, nutzte dafür das Buch, um sich Textpassagen rauszuschreiben und bemerkte schnell, dass die Schriftzeichen in sich verdreht worden waren und richtig sortiert werden mussten, damit ein fließender Text aus alter Sprache entstehen konnte. Dafür musste er viele Schriftzeichen aufdröseln, was sicherlich leichter gewesen wäre, wenn er jetzt in der großen Bibliothek sitzen und in anderen Büchern Vergleiche anstellen könnte, aber er würde das auch so hinbekommen. Er würde nur etwas mehr Zeit brauchen. Bei all seiner Begeisterung für dieses wirklich fantastisch schöne Buch und die gefundene alte Schrift übersah Aaron, dass Merthin noch mehr für ihn mitgebracht hatte: Waffen und allgemeine Ausrüstung.

Gedankenexperiment

Aaron

Als Merthin zurück kam, war der Prinz noch vertieft in seine Arbeit und bemerkte den Blonden zuerst nicht. "'Werden finden'... 'werden befreien'..", murmelte Aaron vor sich hin, während er versucht war, die exakt korrekte Bedeutung der Zeichen zu ermitteln. "'Werden Gefallen bringen und Gefallen ernten!'", rief er plötzlich etwas lauter und sprang dabei von seinem Platz auf, da er sich freute, anscheinend ein Stück enträtselt zu haben. Dabei hüpfte er beinahe gegen Merthin, der für Aaron sehr plötzlich dastand. Der Prinz erschrack etwas, merkte aber schon im nächsten Augenblick, dass es Merthin war. Sein Blick rutschte zu dessen nun offenen Haaren, so sahen sie viel länger aus als im Zopf. Ob Merthin sie sich selber schnitt? Und ob er das auch für Aaron machen würde, dessen Haare zwar noch nicht so lang waren, aber für seine Auffassung bereits anfingen aus der Form zu geraten?

"Das Buch, das du gekauft hast, hilft hervorragend, vielen Dank", sprach Aaron sogleich, als er sich vom ersten Schreck erholt hatte und blieb so nahe bei Merthin stehen, zeigte ihm seine Eintragungen, die er bisher reingeschrieben hatte. "Haben wir jetzt überhaupt noch Geld über? Wie funktioniert das überhaupt mit unseren Finanzen?", fragte Aaron nun bei dieser Gelegenheit nach. Der Prinz wusste nicht wieviel man als Schausteller verdiente und zu Merthins Familie gehen und sich mal eben neue Münzen holen, dürfte auch schwierig werden. Dabei brauchten sie immer mal wieder etwas Geld, um sich Nahrung und eben solche Dinge für die Reise leisten zu können. "Die Verwaltung der königliche Schatzkammer wird mir wohl nichts zusenden, wenn ich einen Brief schriebe...", murmelte Aaron. Immerhin galt der jüngste Prinz als entführt. Ein entsprechender Brief könnte als Erpressungsversuch der Täter an den König gedeutet werden. Aaron würde aber dennoch gern auch in dieser Hinsicht etwas beisteuern wollen.
 

Merthin

Der kurze Weg zurück zur Scheune half ihm noch einmal, sich ein wenig zu sammeln. Die Situation vorhin im Wasser war sicher ein gutes Ablenkungsmanöver gewesen, das Aaron helfen sollte, aus der ihm so unangenehmen Situation zu kommen. Doch sie hatte bei Merthin zur Folge gehabt, dass es ihn innerlich aufgewühlt hat, auch wenn man ihm das sicher nicht angesehen hatte. Zum Glück, denn es wäre seltsam gewesen, wenn die Male aufgetaucht wären…

Er hatte die Unsicherheit des anderen deutlich gespürt, hatte die Verlegenheit schier körperlich gefühlt, als er bei ihm gestanden hatte. Es hatte ihm leidgetan, dass der andere offenbar zu seinem Körper und zu Nacktheit so ein schlechtes Verhältnis zu haben schien. War er so erzogen worden? So… scheu, was das Thema Körper mit allem was dazu gehörte betraf? War das Absicht? Konnte nicht jemand, der seinen Körper liebte und ein gutes Gefühl zu ihm hatte – jemand, der stolz auf seinen Körper war und entsprechendes Selbstbewusstsein hatte - nicht viel eher ein „großer“ Mensch werden? Oder war es genau das, was König Corvo unter allen Umständen hatte verhindern wollen? Dass Aaron „groß“, selbstbewusst und damit mächtig wurde? Hatte er schon immer gespürt, dass Aaron magische Fähigkeiten hatte und damit versucht, ihn klein zu halten? Schüchternheit und ein so massives Schamgefühl waren zweierlei Dinge. Er erwartete nicht, dass Aaron sich die Kleider vom Leib riss und damit protzte, dass er einen schönen Körper hatte – denn den hatte er. Nein, er sollte nur nicht so verunsichert sein, so ängstlich, so beschämt. Er hatte die schützenden Arme gesehen, die der andere um seinen Körper gelegt hatten. Er hatte diese Angst in seinen Augen gesehen. Und das Verlangen, ihn zu umarmen und ihm zu versprechen, dass er ihn vor allem schützen würde, was ihm Übel wollte, war so groß in Merthin gewesen, dass es noch immer in ihm zu spüren war.

Unabhängig davon, dass diese Berührungen, die er sich einfach genommen hatte, ihn erschaudern hatten lassen. Er hatte es deutlich in sich gespürt, dieses Kribbeln und innerliche Erschaudern. Und als er vorhin aus dem Wasser gestiegen war, hatte er gesehen, dass die Berührungen dieses so reinen Körpers auch in seinen Lenden Wirkung gezeigt hatten… Auch das verwirrte ihn. Nicht, dass ihn ein Mann erregen konnte – das wusste er schon lange. Nein, dass dieses magische Gefühl, das zwischen ihnen herrschte und das wie eine Sucht zu werden drohte, auch solcherlei Spuren bei ihm hinterließ. Aaron war ein schöner Mann, keine Frage. Und unter anderen Umständen hätte er ihn versucht rumzukriegen. Aber er durfte nicht in das Gefühl einer Verbundenheit hinsichtlich der Prophezeiung, in dieses Kribbeln, in diese Energie, in diese Freundschaft etwas Anderes – gar ein körperliches Begehren oder gar Gefühle über das Gefühl des Zusammengehörens hinaus –hineininterpretieren… Es würde nur zerstören, was sie aufgebaut hatten – dieses zarte Band der Freundschaft. Alles andere würde das behindern, was ihr Ziel darstellen sollte…

Er hatte das blaue Licht gesehen, hatte gesehen, dass die Legende stimmte, die Königssöhne hätten ein Zeichen am Körper, das sie als Mitglied der Königsfamilie auszeichnete. Er hatte nicht näher hingesehen, hatte das Licht nur als Teil der Magie zugeordnet. Aber er würde irgendwann einmal fragen, ob er es sich genau ansehen durfte. Aber nicht jetzt gleich. Sicher war der andere noch immer beschämt – sofern er es nicht verdrängt hatte.

Als er bei seinem Rucksack ankam, zog er die Wäscheleine heraus und hängte die Wäsche daran auf. Er hatte gesehen, dass Aaron das Buch und die Griffel gefunden hatte. Ob er sich noch schnell rasieren sollte? Doch irgendwie hatte er das Bedürfnis zu sehen, wie es Aaron geht, ob er ihm böse war…

Und so ging er in die Scheune zu dem Lager, das sie heute Nacht beziehen würden. Und sah ihn, wie er da saß, das Bild auf dem Schoß und das Buch in der Hand, in das er malte, zeichnete, schrieb – Worte murmelnd und in seiner eigenen Welt versunken. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Das war seine, Aarons Welt – Bücher, Wissen, Nachdenken. Und in dieser Welt schien der andere vollkommen glücklich zu sein. War er es, weil es ihm anerzogen worden war, weil er von Natur aus so war, oder war er es, weil es ihm die einzige Möglichkeit war, seinem eigentlichen Leben zu entfliehen? Vielleicht eine Mischung aus allem…

Leise trat er näher heran, wollte wissen, was der andere da in dem Bild gefunden hatte. Als dieser mit einem Mal aufsprang und fast in ihn hineingesprungen war. „Sachte, sachte…“, sagte er leise und hob die Hände, um den anderen aufzufangen, sollte er fallen. Aber der andere fing sich sogleich wieder und sah zu ihn überrascht an. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken…“, sagte Merthin sogleich. Sie sahen sich einen Moment an. Er sah, dass Aaron seine Haare betrachtete… Aaron schien ihm das nicht übel zu nehmen. Nun bedankte sich der Prinz bei ihm mit einem Leuchten in den Augen, das Merthin schmunzeln ließ. Er beugte sich etwas vor und blickte in das Buch, den Worten und Deutungen folgend, während der andere erklärte. Er merkte, dass Aaron anders roch, dass er nach ihm roch… Aber war ja auch kein Wunder. Zumindest passte das Hemd einigermaßen, auch wenn es dem anderen etwas zu groß war. Irgendwann sollte sich der andere selbst nochmal einkleiden… Als hätte Aaron seinen Gedanken erraten, sprach er das Geld an. Mertin sah ihn verwirrt an. Unsere Finanzen? Wie das funktionierte? Er musste grinsen, als er ihn so daherreden hörte. „Wirklich nicht?“, sagte er gespielt erstaunt. „Jetzt dachte ich, du könntest deinem wehrten Vater einen netten Brief schreiben…“ Er grinste leicht. „Nein“, sagte er dann und sah Aaron lächelnd an. „Mach dir da keine Gedanken. Ich habe genug, bis wir wieder auf die anderen treffen. Sieh es als Geschenk an. Und wenn du das nicht möchtest, dann kannst du mir das ja irgendwann mal zurückzahlen… oder du zahlst in Naturalien…“ Merthin begriff zu spät, was sein Mund schon aussprach und kurz schwieg er und er sah den anderen unsicher an. „Entschuldige“, sagte er leise. „Ich rede manchmal schneller, als ich denke…“ Er biss sich auf die Unterlippe und blickte Aaron beständig an. Es fiel ihm nicht leicht, sich zu entschuldigen. Aber gerade war es angebracht. „Ich wollte mich auch für vorhin am Fluss entschuldigen. Ich weiß, dass du dich nicht wohl fühlst, wenn ich nichts anhabe… aber es schien mir die einfachste Möglichkeit zu sein… Ich versuche so etwas in Zukunft zu vermeiden, auch wenn ich nicht verstehe, wieso du dich für deinen Körper schämst. Es gibt keinen Grund dafür.“ Er sprach leise, vorsichtig. Er wollte nicht riskieren, dass Aaron sich wieder unwohl fühlte.
 

Aaron

Es brachte auch Aaron ein Lächeln auf die Lippen, als Merthin seine Späße über den Brief an König Corvos mit der Bitte um Geld machte. Natürlich war das keine sonderlich gute Idee, das bestätigte Merthin damit nur weiter, andererseits stand Aaron auch ein Teil des Geldes zu, aber wie so viele seiner eigentlichen Rechte würde wohl auch das nicht anerkannt werden. König Corvo teilte verdammt ungern, egal ob mit seinen eigenen Kindern oder mit seinem Volk. Außer er sah darin einen größeren Nutzen für sich und seine Macht selbst, aber das holte er sich meist über andere Wege. Dennoch war es beruhigend zu hören, dass anscheinend genügend Geld vorhanden war, auch wenn Merthin nichts Näheres dazu mitteilte. Allerdings schluckte Aaron seinen nächsten Kommentar dazu wieder runter, als Merthin etwas unbedacht vorschlug, er könne diese Schulden ja in Naturalien zurück zahlen. Aaron besaß momentan nur eine Art von Naturalien, nämlich sich selbst. Aaron suchte in seinem Kopf noch nach einer schlagfertigen Antwort, als sich Merthin auch schon dafür entschuldigte. Dass dies nicht Merthins Art war, hatte Aaron schon gemerkt. Umso bedeutungsvoller war diese Entschuldigung. Es gab dem Prinzen das Gefühl, dass Merthin ihn verstand, und das rechnete er dem Blonden hoch an.

Aarons Blick, welcher etwas beschämt zur Seite gerutscht war, wanderte zurück zu Merthin. Aaron wusste ja, dass Merthin eine lockere Mundart hatte und mit anderen Menschen konnte er gewiss auch so sprechen, ohne dass sie wie Aaron gleich aufgeschreckt waren. In Anbetracht dessen, dass er auf dieser Reise ein einfacher Suchender war und eben nicht 'Prinz Aaron', wäre es doch ungerecht, Merthin den Mund zu verbieten. Aaron wollte ja 'normal' sein, frei sein. Ein verschmitztes Lächeln zeigte sich auf Aarons Gesichtszüge, das einzige was neben der Unsicherheit blieb war diese Aussage so zu nehmen, wie sie höchstwahrscheinlich gemeint war: als Witz. "Würden meine sehr persönlichen Naturalien denn überhaupt als angemessener Ausgleich deines Aufwandes ausreichen?", entgegnete Aaron mit einer selbst nicht ernst gemeinten Frage, denn für Aaron selbst stand schon fest, dass er selbst kaum als Gegenleistung ausreichen dürfte. Aber Merthin entschuldigte sich für seine unbedachten Worte und sprach gleich genau dieses Thema wieder an, indem er die Situation am Fluss erwähnte und eine erneute Entschuldigung verlauten ließ. Die Situation am Fluss war beschämend gewesen. Jetzt nochmal offen darüber zu sprechen, brachte das Gefühl dieser Unsicherheit zurück. Meinte Merthin wirklich, dass er keinen Grund habe, sich zu schämen? Für Aaron gab es da sehr wohl Gründe, anerzogene Gründe, die einem von klein auf eingetrichtert worden waren. Schon als Kind wurde ihnen beigebracht, dass Nacktheit und Körperlichkeit etwas Obszönes war, etwas, das nur unzivilisierte Menschen betrieben. Dass das so nicht stimmte hatte Aaron schon erfahren, es schien mehr eine Normalität zu sein und das unabhängig irgendeines Zivilisationsgrades. Aaron hatte schon wieder das Bedürfnis seine Arme um sich zu schlingen, dabei gab es diesmal nun wirklich keinen Grund. "Nein, ich danke dir dafür, ohne deine.... 'Aktion' wäre ich da sicherlich nicht so schnell und gut rausgekommen", versuchte auch Aaron das Positive an der Sache zu sehen. Diese Unsicherheit war ihm lieber gewesen, als vor den Augen der Frauen komplett entblößt aus dem Wasser steigen zu müssen. Schließlich war nicht alles an Merthins Lösung unangenehm gewesen. "Dafür bin ich noch nicht dahinter gekommen, wie du dich so leicht zeigen kannst. Dein Körper ist doch einzig für dich und nicht zum Teilen bestimmt", wiederholte der Prinz die Worte seiner Mutter, die ihre Standardantwort auf alle Fragen in dieser Richtung gewesen war. Bestimmt hatte sie diese Lehre selbst von König Corvo erteilt bekommen - gewiss sogar noch etwas eindringlicher - damit andere sein Weib auch ja nicht begehrten. Dennoch waren Aaron und seine Geschwister ja auch irgendwie entstanden, aber darüber sprach man einfach nicht.

Aarons Blick blieb wieder bei Merthins Haaren hängen, welche ihm noch offen bis zur Schulter hingen. "Schneidest du deine Haare eigentlich selbst?", stellte Aaron ihm nun die Frage, die er vorhin schon im Kopf gehabt hatte. "Ich dachte, dass du in dem Fall vielleicht auch meine schneiden könntest. Gewiss würde es schwieriger werden, mich zu erkennen, wenn wir etwas an mir verändern würden", schlug der Prinz recht entschlossen vor. Je weiter sie sich von der Hauptstadt entfernen würden, desto weniger wahrscheinlich wurde es, dass man Aaron erkennen würde, mit einer anderen Haarlänge könnte man da vielleicht noch etwas mehr nachhelfen.
 

Merthin

Es hatte ihn beruhigt, dass Aaron seinen Vorschlag, ihm das Geld in Naturalien zurückzahlen zu können, nicht krumm genommen hatte, ja sogar darüber hatte schmunzeln können und eine passende Antwort parat hatte. Wobei der Inhalt dessen ihn kurz hatte unsicher grinsen lassen. Ob er ein angemessener Ausgleich wäre? Merthin hatte nicht gewusst, ob sich der andere selbst so gering wertschätzte, oder ob er daran zweifelte, dass man Geld für ein Heft und etwas zu Schreiben mit dem gleichsetzen könne, was ihm sein Körper zu bieten hätte... Er ließ es dahingestellt und war erst wieder darauf gekommen, als Aaron ihm nun deutlicher zeigte, dass sein Selbstwertgefühl verschwindend gering zu sein schien. In dem Moment, in dem er Worte herunterratterte, die sicher nicht seiner Geisteskraft entsprungen waren. Und diese Worte ließen Merthin perplex die Augenbrauen heben. Der Körper ist nur für einen selbst bestimmt? War das sein Ernst? Merthin war so erstaunt gewesen, dass er nur ein „Ich mag meinen Körper und es stört mich nicht, wenn andere ihn sehen. Es ist meiner, auch wenn andre ihn betrachten!“ darauf antwortete. Darüber würde sie noch einmal zu sprechen kommen müssen, wenn ein günstiger Zeitpunkt käme. Das nahm er sich fest vor! Denn in gewisser Weise spürte er Wut in sich hoch kriechen bei dem Gedanken daran, dass jemand mit diesen Worten erzogen wurde. Wobei er sich denken konnte, wozu das diente: Kontrolle durch emotionale Selbstverstümmelung und Distanz. Ob Aaron überhaupt sich schon mal auf einen anderen Menschen, auf eine Frau eingelassen hatte? Ob er jemals schon Sex gehabt hatte? Aaron war sicher nicht wesentlich jünger als er… Hatte er nicht … Bedürfnisse? Oder galt da auch: das war nur ihm selbst bestimmt. Oder noch schlimmer: das gab es gar nicht!

Seine Mutter hatte ihn gelehrt, mit sich und seinem Körper eins zu sein, alles daran zu akzeptieren und diesen zu lieben wie er war - trotz der Male, trotz der Ungewissheit, wer seine Eltern waren und weshalb er weggegeben worden war. Und sicher sollte man mit seinem Körper nicht hausieren gehen, aber ihn zu teilen, weil man jemanden liebte, begehrte oder auch einfach nur um Bedürfnisse zu befriedigen, war etwas völlig Normales. Es hatte ihn auch Zeit gekostet, sich so zu akzeptieren, wie er war – das machte jeder Teenie durch – aber mittlerweile war er sehr zufrieden mit sich und seinem Körper. Warum sollte er ihn also nicht zeigen?
 

Und eine Gelegenheit, dieses Thema noch einmal aufzugreifen, gab es direkt danach, als Aaron ihn nach seinen Haaren fragte. "Ich schneide sie selbst, manchmal macht das jemand anderes... ich bin da sehr pragmatisch. Sie machen eh, was sie wollen. Da brauche ich keinen perfekten Schnitt." Er grinste leicht. "Ich könnte sie dir schon kürzer schneiden, aber ich weiß nicht, ob ich dafür wirklich geeignet bin. Ich hab das bisher immer nur an mir gemacht, aber wenn du mir vertraust, würde ich es schon tun. Die Idee finde ich nämlich sehr gut! Vielleicht sollten wir die Haare auch färben, schwarz stünde dir sicher mehr als gut. Die Frauen werden dir zu Füßen liegen, wenn du schwarze Haare und so schöne blaue Augen hast…“ Er grinste leicht bei dem Gedanken, wurde dann wieder ernst. „Und weil du vorhin so brav die Erziehungsfloskeln deiner Mutter oder deines Vaters vorgebetet hast: wenn du wirklich daran festhalten möchtest, dass dein Körper nur dir selbst bestimmt ist, dann wirst du irgendwann einmal sehr sehr einsam sterben“, sagte er nachdenklich. Er wollte den anderen nicht verletzen, aber es beschäftigte ihn doch sehr. „Denn wie solltest du dich denn jemals auf einen anderen Menschen, auf eine Ehefrau, auf deine Kinder einlassen können, wenn du daran glaubst, dass dein Körper nur dir gehört? Wenn du deinen Körper nicht teilen kannst, wie kannst du dann jemals eine emotionale tiefe Beziehung eingehen? Ganz zu schweigen von Sex. Oder gehört das nicht in die Kategorie „den Körper teilen“? Wie machst du das, wenn du Sex hast? Und du musst darauf nicht antworten, wenn du nicht möchtest... Es verwirrt mich nur. Ich bin da anders erzogen worden…“ Er griff zu einer der Flaschen Bier, die er gekauft hatte, und öffnete sie. Er trank gerne Alkohol, würde sich aber sicher hier nicht betrinken. Aber ein Schluck Bier tat ihm gerade sehr gut…
 

Aaron

Die weitere Idee, das sie Aarons Haare auch schwarz färben könnten, damit er wirklich nicht mehr so leicht zu erkennen sein würde, ließ Aaron aufhorchen. Merthins Bemerkung, dadurch eine größere Beliebtheit bei den Damen zu erreichen, war nicht unbedingt Aarons Intention dahinter. Ihm wäre es eher unangenehm, wenn Frauen offensichtlich Interesse bekunden würden. "Ich vertraue dir", sprach Aaron als erstes, um zu bekräftigen, dass sich Aaron selbst sicher war, dass Merthin ihn nicht verunstalten würde. Außerdem waren es so gesehen nur Haare. Nur weil der Prinz seinem Stand gemäß adrett aussehen wollte, hieß das nicht, dass er nicht auch offen für Experimente wäre. Solange man ihn dafür nicht auslachen würde, hieß das. "Also, ja, bitte schneide auch meine Haare mitsamt einer Farbveränderung", bestätigte Aaron nochmals in einer Bitte, denn so machte man das. Dies war ein Gefallen von Merthin an Aaron, darum bat man höflich und genau das tat Aaron auch, in diesem Fall sehr gern.
 

Aarons Augen weiteten sich, als Merthin anmerkte, dass Aaron einsam sterben würde, wenn er an dieser Lehre des eigenen Körpers festhalten würde. Stimmte das? Führte sein Verhalten zu seiner eigenen Einsamkeit? Dieser Gedanke erschreckte Aaron schon. Er wollte nicht einsam sein müssen, wollte einen Menschen im Leben haben, mit dem er seinen Lebensweg zusammen bestreiten konnte und der auch an seiner Seite bleiben würde, wenn sein Leben mal weniger gut verlief. Es war Brauch einen solchen Menschen einfach durch arrangierte Ehen zu bekommen und auch obwohl der Prinz mit der Wahl seines Vaters nicht zufrieden war und sich lieber selbst den richtigen Menschen aussuchen wollte, so garantierte diese Methode einem doch ein Leben ohne Einsamkeit. Oder hatten sich seine Eltern auch in diesem Punkt geirrt? "Also... ist es letztlich egal, welchen Menschen man gewählt hat, solange man sich gegenseitig sperrt, nicht nur das Leben zu teilen, sondern auch Körperlichkeiten... man würde nie eine tiefere Beziehung erreichen, die allem standhalten könnte....?", murmelte Aaron seine Schlußfolgerung aus Merthins Aussage. 'Einsam' bedeutete in Merthins Zusammenhang nicht, dass man alleine wäre, sondern dass man auch zu zweit einsam sein konnte, weil die Distanz zu groß war, wenn man sich nicht aufeinander einließ. So viel glaubte Aaron verstanden zu haben. Aaron suchte in seinem Kopf nach einem Argument, nach einer Antwort seiner Eltern, die Merthins Worte entkräften könnten. Doch da war nichts... Hatte Merthin also Recht? Würde Aaron einsam bleiben und einsam sterben? Doch diese Vorstellung, irgendwann tatsächlich mal einsam zu sein, machte Aaron mehr Angst als die Gedanken, jemanden nahe an sich heran zu lassen. Was könnte er tun, um nicht einsam sein zu müssen? Aber mit Merthin war Aaron jedenfalls nicht einsam, das zählte doch auch...? Erschreckt von dieser Aussicht hob Aaron eine Hand und legte sich diese über den Mund, so hatte er tatsächlich noch gar nicht gedacht.

Merthin lenkte die Richtung des Gesprächs zum nächsten, unmittelbar daran geketteten Thema. Auch wenn Aaron nicht ganz verstand, wie der Blonde seine Frage nach dem 'Wie' meinte. 'Wie' das praktisch funktionierte, wusste Aaron nämlich sehr wohl, denn nur, weil man auch seinem Ehepartner seinen Körper schamvoll so wenig wie möglich zeigte, so musste man dennoch nicht enthaltsam sein. Enkelkinder waren nunmal ein Muss, gern viele, also konnte man nicht auf eine entsprechende Aufklärung verzichten. 'Wie' man das mit dem 'Körper nicht teilen' vereinbaren konnte, war hingegen eine einfach zu beantwortende Frage. Aarons Blick glitt hinab, er wollte darauf antworten. Wollte erklären, wie ihm genau das gelehrt worden war. "Gar nicht", antwortete Aaron also prompt. "Sex hat leise, schnell, ohne großes Entkleiden, ungesehen im dunklen Kämmerlein zu passieren. Und das auch nur dann, wenn man verheiratet ist", erläuterte er mit leiser Stimme das Ganze genauer. Romantisch und lustvoll war gewiss was anderes. Das sollte auch bereits die Frage nach Aarons eigenem Sexleben beantworten; er war nicht verheiratet, also stand es ihm auch nicht zu, sich einer Frau in diesem Sinne zu nähern. Einem Mann schon gar nicht. "Sex ist dafür da, um Nachwuchs zu bekommen, nicht um etwaige Bedürfnisse zu erfüllen, die eh verteufelt sind", sprach er leise aus und hielt kurz inne, bevor er weiter sprach. "Das heißt jedoch nicht, das ich selbst frei von derlei Bedürfnissen wäre", gestand er Merthin sehr leise. Merthin war gewiss der einzige Mensch, dem Aaron das so offen erzählen konnte. "Aber Leidenschaft, vielleicht sogar ein bisschen Wildheit, gehört ins adlige Leben nicht hinein. Es würde zu große Schande über die Familie bringen." Die as alles war nicht Aarons Meinung, sondern allgemeine, stumme Regelung. Wenn Aaron ganz ehrlich mit sich selbst war, so verstand er diese Regelung auch nicht vollständig. Dabei lief alles immer auf dasselbe hinaus: der König versuchte alle anderen, besonders Aaron klein zu halten, damit keiner seine Machtposition gefährden konnte. Ein beunruhigender Gedanke kam Aaron in diesem Moment. Was, wenn sein Vater irgendwie gespürt hatte, dass Aaron magische Fähigkeiten hatte und damit mehr Macht entwickeln könnte, als ein einfacher Krieger einzig mit dem Schwert? Wäre Aaron erzogen wie Merthin und damit selbstbestimmter, hätte er gewiss mehr rebelliert und hätte sich mehr aufgelehnt, was der König einfach nicht hatte zulassen können. Immerhin hatte auch Aaron derartige Bedürfnisse, hatte auch schon ein Gefühl der Erregung gespürt, wenn er eine hübsche Frau hatte tanzen sehen und sich später in aller Stille dem alleine hingegeben. Aber so, wie der Körper einem selbst gehörte, so gehörten auch Bedürfnisse und Lust einem selber und die Verantwortung dafür, diese für sich zu behalten oblag jedem selbst. Mal davon abgesehen, dass es zu jeder hübschen Frau auch einen Mann gab - sei es ihr Ehemann, ihr Bruder, ihr Vater oder alle drei - den man mit solchen Gefühlen der Frau gegenüber verärgern würde. War das alles erdacht, nur damit Corvos Macht unangefochten blieb.....? Ein Gefühl der Ungerechtigkeit beschlich Aaron, so hatte er das alles zuvor nie gesehen.

"Wie hast du das gelehrt bekommen? Wie machst du das, wenn du Sex hast?", stellte Aaron dieselbe Frage nun auch an Merthin. Dass dieser nicht wie Aaron auf eine Erlaubnis der Eltern und des Trauscheins wartete, war aus seinen Worten hervorgegangen. "Wie teilt man seinen Körper, ohne sich selbst aufzugeben?"
 

Merthin

Aaron schien erstaunt über seine Worte zu sein. „Ich hoffe, ich muss dir nicht sagen, dass ich die Worte deiner Erziehung für den größten Blödsinn halte, den ich je gehört habe…“, begann er ruhig und eindringlich. „Wie ich Sex gelehrt bekommen habe?“ Er schmunzelte. „Ich war 14, als wir in unser Winterquartier nahe einer größeren Stadt im Osten aufgeschlagen hatten. Ich habe drei Abende die Frauen vor den Bordellen beobachtet, bevor ich mir sicher war, welche mich entjungfern durfte. Ich bin oft zu ihr gegangen und sie hat es mir beigebracht. Sie war eine sanfte, weiche Frau gewesen, mit schönen Rundungen und dem richtigen Gespür, kleinen Jungs ihre Männlichkeit zu zeigen…“ Er lachte leicht bei dem Gedanken daran. Dass er eine Wette mit Monty laufen gehabt hatte, erwähnte er lieber nicht… „Und wie ich es mache, mich nicht zu verlieren, wenn ich Sex habe?“ Er hob fragend die Augenbrauen, ob er die Frage richtig verstanden hatte. Er zögerte kurz, dann stand er auf. „Steh auf, Aaron“, sagte er und reichte ihm die Hand. Als er sah, dass der andere zögerte, fügte er ein „Bitte!“ hinzu. Unsicher stand der andere nun vor ihm. Merthin ließ die Hand nicht los und stellte sich hinter ihn. „Tu mir den Gefallen, Aaron und schließe die Augen. Keine Angst, ich tue nichts, was du nicht willst und du sagst mir einfach, wenn ich aufhören soll. Aber ich glaube, du kannst sonst nicht verstehen, was ich dir sagen möchte…“ Er wartete, bis Aaron schließlich nickte. Er sah, dass er angespannt war. „Schließ die Augen, Aaron, und höre mir einfach zu“, begann er leise zu raunen. Es war ein Experiment und vielleicht würde es auch nichts bewirken. Sie würden es sehen… „Wenn man das Bedürfnis nach Sex hat, dann nimmt man sich nicht den erst besten, um in der Dunkelheit sich in aller Eile zu befriedigen“, begann er nun auf den anderen einzureden. „Wenn ich Sex haben möchte, dann gehe ich aus, mische mich unters Volk, gehe in eine Kneipe, in der gesungen und getanzt wird. Es riecht nach Bier, nach Schweiß und Lachen liegt in der Luft, neben hitzigen Gesprächen und lustigen Anekdoten. Ich lasse mich treiben, trinke ein Bier und blickte mich um. Man erkennt auf den ersten Blick, ob man jemanden attraktiv findet oder nicht. Und wenn es nur um Sex geht, spielt auch nur das eine Rolle… Man sieht sich also um und irgendwann fängt man einen Blick von jemanden auf. Erst denkt man, es war Zufall, denkt vielleicht darüber nach, ob der andere wirklich seinem Geschmack entspricht und wagt erneut einen Blick. Fängt man ihn ein, dann weiß man, dass auch der andere Interesse hat. Man flirtet mit den Augen, lächelt sich an und einer macht den ersten Schritt, und geht auf den anderen zu. Man wechselt ein paar Worte, flirtet miteinander und testet aus, inwiefern der andere in die selbe Richtung denkt wie man selbst… Frauen mögen es, wenn man ihnen indirekte Komplimente und unterschwellig Andeutungen macht, dass man sie attraktiv findet. Männer, die bereit sind, das Risiko einzugehen, erwischt zu werden, mögen es eher derber. Sie wollen hören, dass sie gut gebaut sind, dass sie heiß aussehen…“ Merthin stand hinter Aaron, erzählte leise neben seinem Ohr, ohne ihn zu berühren – außer an der rechten Hand, die er noch immer hielt. „Wenn man sich einig ist, dass beide nur das eine wollen, dann verschwindet man unauffällig in ein Hinterzimmer oder in eines der Gästezimmer des Wirtshauses. Dieser kurze Weg ist oft noch einmal eine Prüfung – möchte es der andere wirklich, aber auch: möchte man selbst es auch wirklich… Und wenn im Zimmer keine seltsame Stimmung aufkommt, dann kann man sich treiben lassen und genießen. Sex ist so viel mehr als ein Akt des Kinderzeugens. Es ist mehr als das reine Austauschen von Körperflüssigkeiten.“ Er nahm Aarons Hand und legte sie auf sein Mal für Hingabe. „Sex ist Hingabe - eine Mischung aus Leidenschaft und Gefühlen, wobei nicht zwangsläufig Liebe im Spiel sein muss.“ Merthin spürte, wie die Energie mit einem Mal durch seinen Körper rauschte, spürte, wie die Hand des anderen an dieser Stelle in seinem Inneren ein Beben auslöste. Oder waren es einfach die Worte, die er wählte? „Der erste Kuss, der zunächst zögernd ist, austestend, bevor er verlangender wird, gieriger… Das vorsichtige Berühren am Oberkörper.“ Merthin hob die freie Hand über die Seite, die Brust des anderen, ohne ihn wirklich zu berühren. „Schließlich wird man mutiger und auch gieriger, möchte Haut spüren, warme weiche Haut. Gleichzeitig sehnt man sich danach, gestreichelt zu werden, selbst das Gefühl zu bekommen, begehrenswert zu sein. Man entkleidet sich, und schätzt den Körper des anderen jeweils gegenseitig wert, verwöhnt ihn, berührt ihn voll Respekt und Ehrfurcht, auch wenn es hitziger wird. Man treibt das Verlangen nach Sex weiter an, bis man das Gefühl hat, es nicht mehr auszuhalten… Und wenn man dann sich vereint, wenn man eins wird und seinen Körper teilt… dann ist das Schönste, wenn man sich fallen lassen kann, wenn man dahin treibt auf einer Woge von Emotionen, von Leidenschaft und Wohlbehagen… So lange, bis die Welle bricht und einem die Sinne schwinden.“ Er verstummte, spürte, wie er selbst die Augen geschlossen hatte und das Bedürfnis nach Sex geweckt worden ist. Er atmete tief ein und langsam wieder aus. „Aaron“, raunte er leise. „Das schönste am Sex ist, wenn man sich einfach mal selbst aufgeben kann… Wenn man alles vergessen kann, was einen beschäftigt und fern ab von allen Sorgen und Gedanken einfach nur zufrieden sein kann… Und dieses Gefühl, alles einfach einmal zu vergessen, macht süchtig. Man muss aufpassen, dass man darüber nicht wichtige Dinge vergisst. Aber über die wichtigen Dinge darf man auch nicht vergessen, dass man sich hin und wieder eine Auszeit gönnen sollte.“ Er führte die Hand des anderen wieder von seinem Mal weg. Sein Hemd rutschte wieder hinunter und sehr langsam ließ er Aaron los. „Ich hoffe, dass dir jemand zeigen wird, was Sex bedeutet und wie unvergleichlich es sein kann, dies einfach nur genießen zu können. Es ist nichts Anrüchiges, nichts Teuflisches, nichts Animalisches… Es ist einfach nur schön.“ Mit diesen Worten distanzierte er sich wieder von Aaron und ließ ihm einen Moment, die Eindrücke, die er ihm hoffentlich vermitteln konnte, einzufangen. „Und es spielt keine Rolle, ob man mit einem Mann schläft oder einer Frau. Es kommt nur darauf an, was man begehrt. Und wenn man sich in jemanden verliebt, kommt es auch nicht darauf an, welches Geschlecht der andere hat. Denn man verliebt sich in die Seele eines Menschen, nicht in seinen Körper. Mit der Liebe kommt das Begehren ohnehin…“ Sollte er erwähnen, dass er das stets vermieden hatte? Wohl eher nicht…
 

Aaron

Aaron war sich nicht so sicher, was Merthin vorhatte. Natürlich wollte er dazu lernen, wollte glauben, dass Merthins Version ein glücklicheres Leben ermöglichte. Aber von jetzt auf gleich konnte er nicht umswitchen. Angespannt ließ Aaron einfach auf sich zukommen, was Merthin tun wollte, befolgte seine Anweisungen und ließ den Kopf sinken, während er stumm zuhörte. Einerseits klang alles so weit hergegriffen für den Prinzen, allein schon die Vorstellung sich in eine Kneipe zu setzen und Bier zu trinken war utopisch. Gleichzeitig bedeutete dies aber auch Freiheiten für Aaron, da er in seiner Vorstellung alles frei von Konsequenzen machen konnte. Daher bastelte sich Aaron Bilder im Kopf, als würde er das Gesagte direkt vor sich mit anschauen. Das alles... klang so einfach und doch wieder so schwer. Die Berührung ihrer Hände, dessen Druck Aaron unwillkürlich immer weiter verstärkte, je weiter Merthin sprach, gab ihm Halt und Sicherheit. Mit klopfenden Herzen nahm Aaron Merthins Worte in sich auf, ließ sich davon gedanklich mitreißen.

Recht plötzlich, als Aaron schon geglaubt hatte, dass das die Geschichte gewesen war, die Merthin ihm hatte beispielhaft erzählen wollen, fühlte er unter seiner Hand die fremde Haut von Merthin. Seine wohlbekannte Energie schwappte über, berührte Aarons eigenes Zeichen und brachte ein Prickeln im Bauch und Unterleib. Aarons Kopf war bei diesem Gefühl hochgeruckt, allerdings hielt er die Augen weiterhin geschlossen. Das war nicht mehr nur zuhören einer Geschichte, sondern regelrechtes Kopfkino. Aber Aaron hatte genug Vertrauen in Merthin, um sich darauf einzulassen - wenn auch nervös - während er Merthin nahe hinter sich wusste, spürte, hörte. Seine Stimme, so nahe bei seinem Ohr, gedämpft, geraunt, reizend. Fest drückte Aaron die Lippen aufeinander, denn allein schon die Erzählung vom Kuss kribbelte auf seinen Lippen, die Hand von Merthin, die nur nahe an seinem Körper vorbei geführt wurde, fühlte Aaron fast körperlich über sich streichen. Es war wie eine hauchzarte Brise, die über seine Haut wehte, eine ganz zarte Berührung, die nur in Aarons Vorstellungskraft existierte und die dennoch ein ungewohnt angenehmes Gefühl im ganzen Körper auslöste. Aaron bekam dolleres Herzklopfen, spürte einen Schauer über seinen Rücken laufen, der ihn ganz kurz erzittern ließ.

Den Rest gab Aaron eigentlich bloß noch die Tatsache, dass und wie Merthin schließlich nach der ziemlich erotischen Darstellung seinen Namen sprach. Diese direkte Ansprache nach den ganzen Gefühlen, die alleine Merthins Worte ohne wirkliche Berührung ausgelöst hatten, machten das persönlich und Aaron fühlte sich nicht mehr nur als Zuhörer. In diesem Moment öffnete Aaron seine Augen schnell wieder, versuchte sich zu sammeln und wieder in die Realität zurück zu finden. Die Bilder verschwanden, doch der innere Gefühlsmix blieb. Langsam legte der Prinz einen Arm um sich selbst, was schon ganz automatisch passierte. Die zweite Hand, die Merthin gerade losgelassen hatte, führte er hoch zu seinen Lippen, berührte diese leicht, als müsse er kontrollieren, nicht doch wirklich jemanden geküsst zu haben. Vorstellungskraft war gefährlich.

Aaron hatte einen ganz kleinen Einblick erleben dürfen, wie es sein könnte, wie sich das anfühlen könnte, was untersagt war. Aber das war rein seine Vorstellung gewesen. Wie war das in Echt? Prickelte das wirklich so...? Diese Fragen durfte er sich eigentlich gar nicht stellen, wenn das wirklich süchtig machen konnte, so konnte er es sich nicht leisten, diese Sucht zu entwickeln. Wer wusste schon, was König Corvo entscheiden würde, wenn er wüsste, welche Bilder sein Sohn gerade im Kopf gehabt hatte und dass er davon nichtmal abgeschreckt war, sondern eine gewisse Neugier entwickelt hatte? Im Stillen hoffte Aaron wirklich, einmal eine Person zu finden, die so tickte wie Merthin, und gewillt war, trotz Aarons Unsicherheiten eine solche Erfahrung zu teilen. Merthin sprach es selbst an; mit Liebe kam ein solches Begehren sowieso. Wenn es also eine Person gäbe, die ihn lieben könnte, wäre es dann Sünde mehr Leidenschaft zu empfinden und auszuleben? Dass Merthin wieder auf Abstand gegangen war, nutzte Aaron dazu, sich zu ihm herumzudrehen. "Wo ist denn da der Unterschied zu dem begehren, zu dem Sex, wenn man verliebt ist?", war das einzige was Aaron ihn fragen konnte. In seiner Stimme hörte man noch die Anspannung, die erlebte Intimität, die sich so neu anfühlte. Was da beim Erzählen überhaupt genau mit ihm passiert war, fragte Aaron lieber nicht, um nicht auf eine Gegenfrage antworten zu müssen. Merthins Erzählung basierte auf etwas Einmaliges, ohne emotionale Bindung, wie Merthin es selbst genannt hatte. Aber wie anders war es, wenn Liebe mit dabei war?
 

Merthin

Die Anspannung, die Nervosität, die Merthin deutlich gespürt und gesehen hatte, fiel mit jedem Wort mehr und mehr von Aaron ab, während er diesen auf eine Gedankenreise mitnahm. Und er spürte, dass das, was er ihm über das noch viel größere Thema „Sex“ versuchte beizubringen, den anderen berührte. Letztlich wollte er ihm nur die Hemmungen nehmen, sich diesem Thema zu stellen, wollte ihn neugierig machen. Und dass sich Aaron darauf eingelassen hatte und nicht unterbrach, als es anzüglicher und konkreter wurde, war ein gutes Zeichen. Dass er damit dem anderen vielleicht irgendwann Probleme bereiten könnte, ahnte er, aber er hoffte, dass durch ihre Reise Aaron sich von seinen Fesseln als Prinz befreien konnte und dann als ein eigenständiger Mann dem Volk ein König sein konnte. Und dazu gehörte Merthins Auffassung auch, dass man sich seines Körpers, seiner Sexualität bewusst war und nichts Animalisches und Niederes darin sah. Vielleicht lehnte er sich damit weit aus dem Fenster, Aaron in diese Richtung lenken zu wollen und so richtig wusste er auch nicht, warum ihm das so wichtig war. Er hätte ihn ja auch in diesem Unverstand lassen können… Aber irgendwie kam ihm der Gedanke, dass dieser schöne Mann sein Leben lang Hemmungen haben könnte, Sex zu genießen und sich treiben zu lassen, falsch vor.

Und sicher, er hätte das auch auf ganz andere Weise tun können, als mit einem Kopfkino, aber die Reaktionen des anderen zu beobachten, wie er Gänsehaut bekam, wie er seine Hand fest umklammert hielt, wie er leicht erzitterte, wie sein Puls ging… Wie schön Aaron wohl wäre, wenn er sich dem allen, vielleicht sogar ihm hingäbe? An wen er wohl gerade dachte? Merthin schluckte bei diesem Gedanken und versuchte diese Vorstellung wieder aus seinem Kopf zu bekommen, und ein wenig gelang es ihm, indem er wieder Distanz aufbaute und kurz selbst tief durchatmete, die Erregung in seiner Hose durchaus spürend, während auch Aaron damit beschäftigt war, sich wieder in das Hier und Jetzt zu begeben…

Als er dann jedoch eine Frage hörte, mit der er nicht gerechnet hatte, hob er den Kopf und sah Aaron einen Moment an, ohne zu antworten. Dann lächelte er matt. „Das kann ich dir nicht beantworten“, sagte er schulterzuckend und nachdenklich. „Ich vermeide es, mich auf jemanden tiefer einzulassen. Dafür habe ich keine Zeit, keine Nerven und außerdem ein paar Besonderheiten zu viel an meinem Körper.“ Er hatte tatsächlich immer Angst gehabt, dass jemand, mit dem er eine tiefere Beziehung einging, ihn irgendwann verraten könnte… Er hatte gesehen, was mit Menschen geschah, denen man Magie angedichtet hatte. Und allein der Gedanke daran, sich auf jemanden tiefgehend einzulassen, löste bei ihm auch einen Widerwillen aus, den er nicht genau zuordnen konnte. Es war, als ob er eine unbestimmte Angst in sich trug, von der er nicht wusste, woher sie kam.

Er blickte wieder zu Aaron und lächelte aufmunternd. „Aber sicher ist das noch viel intensiver, noch viel befreiender und in gewisser Weise ‚erfüllend‘… Aber das kannst du ja gerne einmal ausprobieren und es mir dann erzählen.“ Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Du bist genau dafür der Typ – eine feste Beziehung mit der Frau seines Lebens. Sicher wirst du glücklich sein, wenn du sie aus tiefstem Herzen liebst. Und dann wird der Sex mehr sein, als ich dir gerade versucht habe zu vermitteln…“ Und damit sollten sie das Thema jetzt sicher lieber belassen…
 

Aaron

Es überraschte Aaron von Merthin zu hören, dass er es nicht sagen könne, wo der Unterschied zu dem Ganzen mit Liebe wäre. Hieß das... er hatte selbst nie den Menschen geliebt, mit dem er geschlafen hatte? Hatte immer nur einmalige Erlebnisse gehabt und das war es gewesen? Merthin bestätigte diese Gedanken wenig später. "Es ist ein bisschen ironisch, dass du davon sprichst, dass ich einsam bleiben werde, wenn ich mich anderen nicht körperlich öffnen würde, aber auch du würdest einsam bleiben, wenn du dich einzig körperlich öffnest und nicht auch dein Herz", sprach Aaron seine Gedanken dazu aus. Klar hatte Merthin Recht, dass seine Male am Körper wohl viele abschrecken würden, und wahrscheinlich lief er auch Gefahr aufgrunddessen verletzt zu werden, da er verraten werden könnte. Aber wenn es wirklich Liebe wäre, auf beiden Seiten, könnte er diesem Menschen doch auch das anvertrauen. Und der Blonde sollte nur aufgrund seines Körpers, für den er sich eigentlich null schämte, nicht der Typ für eine Beziehung sein? Das glaubte Aaron nicht, weshalb er den Kopf etwas schief legte. Aaron wollte nicht, dass Merthin einsam wäre, da er den Gedanken für sich selbst auch fürchterlich fand. Aaron war sich aber nicht so sicher, ob er Merthin ebenso eindrucksvoll vermitteln könnte, dass man die Leute nicht emotional auf Abstand halten konnte und den Körper als einziges Mittel, um zumindest etwas in der Richtung zu bekommen, nutzen konnte. Wenn es wirklich erfüllender mit einer geliebten Person war, warum nicht die Augen nach einer solchen Person offen halten? Nun hatten sie aber schon so ausführlich darüber gesprochen, dass es sicher besser war, das zu vertagen. Vielleicht gab es noch Möglichkeiten, da später nochmal drauf einzugehen.
 

Merthin

Merthin atmete tief ein, als Aaron begriff, inwiefern seine Argumentation und das Gedankenexperiment sehr angreifbar waren. Und so berechtigt die Kritik war, so schmerzhaft war sie auch gerade für ihn. Eigentlich überging er solche Aussagen – Marie und seine Mutter sagten das auch gerne – aber er hatte seine Gründe dafür, vermutlich. Jetzt aber hatte er das Bedürfnis zu Antworten. „Da magst du recht haben, Aaron von Foron“, sagte er und seine sonst so hellen Augen waren dunkler als gewöhnlich. „Aber ich habe meine Gründe dafür. Aber ich schließe nicht aus, dass es irgendwann einmal anders sein könnte! Vielleicht habe ich ja nur noch nie jemanden getroffen, der mir genug unter die Haut geht, dass ich ihm mein Herz schenken möchte…“ Er stutze kurz. „Oder ihr“, fügte er noch pro Forma hinzu. Ihm lag noch eine spitze Bemerkung auf der Zunge, aber er schluckte sie lieber hinunter. Schließlich wollte er keinen Streit mit Aaron, sondern über die Entdeckung auf dem Bild mit ihm sprechen… Seine Augen wichen nun ab und er blickte auf das Buch, das der andere vorhin in seinen Händen gehalten hatte. Er hob die Hand, beugte sich über die Schulter des anderen und deutete auf ein Zeichen. „Das ist doch das Zeichen für Mut“, sagte er und runzelte die Stirn. „Nun, zumindest so ähnlich…“ Ob es dann „Unmut“ bedeutete? „Was hast du herausgefunden? Hat das Bild etwas damit zu tun? Erkläre es mir!“ Er löste sich wieder etwas vom anderen, brachte Distanz zwischen sie und strich sich die Haare nach hinten, um sie wieder mit einem Lederband zu verknoten. Tief atmete er durch. „Und lass uns dabei was essen, sonst kippe ich um…“ Damit ging er hinaus zu seinem Beutel, um ihr Essen auf den Tisch zu legen.

Es wurde Abend, die Sonne neigte sich bereits zum Horizont. Merthin möchte die Stimmung, die diese Stunde des Sonnenuntergangs mit sich brachte. Und so setzte er sich schließlich, nachdem er das Essen auf dem Tisch ausgebreitet hatte, und fühlte sich irgendwie wunderbar frei.
 

Aaron

Es war mehr als zu merken gewesen, dass das ein wunder Punkt bei Merthin gewesen war. Er sprach Aarons Nachnamen mit, seine Augen verdunkelten sich ein Stück und er wirkte recht kühl in seiner Gestik und Mimik. Mochte ja sein, dass er bisher noch niemanden getroffen hatte, dem er sein Herz schenken wollte, aber wenn er seine Gründe dafür hatte, war er gewiss auch gar nicht offen dafür. Vielleicht war ihm die Eine Person bereits über den Weg gelaufen und Merthin wusste es nichtmal, da er gar nicht genau mit dem Herzen hinschaute.

Auch Aaron stutzte bei der kleinen 'ihm', 'ihr' Verwirrung, also war es Merthin egal, welches Geschlecht der jeweils andere hatte? Man könnte meinen, dass diese Offenheit noch eher dazu führen könnte, dass Merthin einen Menschen zum verlieben finden konnte. Aber vielleicht war auch das das Schwierige an der Geschichte. Man hatte niemanden vom eigenen Geschlecht zu lieben, selbst auf platonische Weise geriet man schnell in Erklärungsnot, mögliche Interessenten wurden davon abgeschreckt. Aber Aaron merkte schon, dass das Thema langsam zu tief führte und Merthin nicht so tief in seinen eigenen Gefühlen graben wollte. So beließ es auch Aaron erstmal dabei.

Merthin verstand es ohnehin, Aaron wieder abzulenken und zwar mit erneuter Nähe und dem Thema, das Aaron wesentlich mehr lag. Kurz blickte Aaron seitlich zu Merthin hin, welcher sich so über seine Schulter gebeugt hatte. Die Nähe tat gut. Warum durfte das nicht auch im entkleideten Zustand so sein? Was könnte er gegen diese Unruhe in solchen Momenten tun? "Mut....?", wiederholte Aaron nun wie aus den Gedanken gerissen und schaute sich das betreffende Schriftzeichen genauer an. Merthin hatte Recht, es ähnelte dem Mut-Zeichen, allerdings war es... falsch herum? Sogleich wendete Aaron sein Buch herum und stellte das Schriftzeichen somit auf den Kopf. Seine Augen wurden vor Erkenntnis größer, Merthin hatte gar nicht so Unrecht mit seiner Vermutung. "Angst", laß Aaron das Schriftzeichen in alter Sprache und vernahm dabei die Nachfragen des Blonden. Gern wollte er ihm alles erklären, aber auch der Prinz hatte Hunger bekommen, weshalb er Merthin nach draußen folgte und sich direkt neben ihn an den Tisch setzte, auf den der andere bereits ihre Vorräte verteilt hatte. Es gab einfache Lebensmittel; Obst und Brot mit Wurst oder Käse. Auch wenn Aaron anderes gewohnt war, so merkte er gerade, das es gar nicht viel brauchte, um sich gut zu fühlen. Eine schöne Umgebung, ein leichter Wind der einem durch die Haare wehte, frische Wäsche auf frisch gebadeter Haut und gute Gesellschaft. Dass das Hemd ein Tick zu groß war, der Stoff auf der Haut rauer war als gewohnt und die Auswahl der Nahrungsmittel nicht annähernd so üppig war wie am Hofe, war da sehr leicht vergessen.

Kurzerhand griff Aaron nach einigen frischen Beeren, die Merthin von seinem Einkauf mitgebracht hatte und aß ein paar, während er das Buch offen auf den Tisch legte und dieses einigermaßen mittig platzierte, damit sie beide hineinschauen konnten. Merthins Interesse an seinen Ergebnissen freute Aaron sichtlich und er war mehr als bereit alles mit Merthin zu teilen. "Das Bild aus Schnörkeln beinhaltet Text aus alter Sprache! Wenn man sich einzelne Schnörkel genauer betrachtet, erkennt man bereits Ähnlichkeiten, wie du eben auch. Mut ist in diesem Fall aber falsch herum geschrieben und spiegelverkehrt, was gewiss die Bedeutung umkehrt. Also eben kein Mut, sondern... Angst.", erklärte Aaron seine Gedankengänge genauer und deutete auch auf den ersten Teil, dessen Bedeutung er entschlüsselt hatte, als Merthin gerade zurückgekommen war. "Erstarkt und bereit...", begann er, deutete dann auf eines der Zeichen, dessen Mechanismus zum entschlüsseln er noch nicht gefunden hatte. "Das löse ich später... dann folgt: 'werden Gefallen bringen und Gefallen ernten." Da das Mittelstück fehlte, ergab das noch wenig Sinn, aber das würde noch kommen. "'Gefallen' aber im Sinne von 'jemanden gefallen' und nicht ' einen Gefallen tun'", fügte er hinzu, um den Unterschied deutlicher zu machen, der ganz klar aus der Schreibweise hervor ging. Im nächsten Moment musste sich Aaron ein Gähnen verkneifen, war er doch noch immer recht erschöpft, durch die Aufregung am Nachmittag noch mehr. "Ähnelt alles bisher der Art und Weise der Prophezeiung, ich werde das weiter untersuchen. Das wäre eine riesen Entdeckung!", fügte Aaron noch fasziniert hinzu und aß noch ein paar Beeren. "Aber... wer ist eigentlich dieser Randolf?" Den Namen hatte Aaron Merthin noch sagen hören, als er zurück zur Scheune gelaufen war. Der Blonde hatte sich mit den Frauen über diesen Mann unterhalten, er musste eine bekannte Persönlichkeit in Puklan sein.
 

Merthin

Merthin spürte, dass seine Male reagierten, wann immer Aaron die alte Sprache sprach. Erstaunt hatte er jedoch festgestellt, dass sie auch auf Angst reagiert hatten - alle zugleich. So als wollten sie ihm Mut machen. Als Aaron ihm erklärte, dass das Bild alte Schriftzeichen enthielt, hatte er den Bilderrahmen genauer betrachtet, während Aaron erklärte, was er herausgefunden hatte. Er hörte aufmerksam zu und griff irgendwann zu dem Bild, um es anzuheben und schräg zu betrachten. Als er die Frage nach Randolf hörte, ließ er das Bild sinken und blickte Aaron einen Moment an. Sollte er ihm das wirklich sagen? Alles? Was würde er wohl dazu sagen? Er schluckte, blickte kurz zu Boden, dann sah er den anderen an. „Randolf ist hier in Puklan vermutlich der übelste Mensch, den es gibt“, begann er zögerlich, noch immer nicht wissend, wieviel er sagen wollte. „Er ist Händler und er handelt mit allem, was es gibt. Und wenn ich alles sage, dann meine ich das auch so. Alles – inklusive Menschen, Frauen, Kinder, Sklaven aus allen Herrenländern. Er ist ein mächtiger Mann hier, vermutlich der mächtigste. Aber allein der Gedanke, dass dieser Mensch anderen Menschen Dinge antut, die eines Menschen nicht würdig sind, die einfach menschenverachtend sind, macht mich wütend. Als ich ihn heute beobachtet habe, hatte ich einen Moment, an dem meine Male so sehr gebrannt haben, dass ich am liebsten direkt zu ihm gegangen wäre, um ihn für das bezahlen zu lassen, was er jeden Tag Menschen antut.“ Er atmete tief durch, spürte deutlich, wie seine Male zu brennen begannen. „Wie auch immer… Ich werde morgen zu dem Ort gehen, an dem er die Sklaven gefangen hält. Es ist eine Scheune vor den Toren Puklans. Ich werde die Menschen befreien und ihnen das zurückgeben, was ihnen zusteht: Freiheit.“ Er sah Aaron mittlerweile fest an. Niemand würde ihn davon abhalten können. Und daher wartete er auch keine Antwort ab, sondern hob wieder den Bilderrahmen. „Ist dir aufgefallen, dass in der Mitte ein Teil des Bildes etwas dicker ist, als der Rest? Von der Größe her könnte es so groß sein, wie die anderen Teile der Prophezeiung…“ Er reichte Aaron das Bilderrahmen, damit dieser auch einen Blick darauf werfen konnte.
 

Wie sich herausstellte war dieses Stück tatsächlich in das Bild eingelassen, um es vor unwissenden Augen zu schützen. Man konnte es vorsichtig herauslösen. Nun fuhren sie fort, darüber nachzudenken, was dort stand. Und als Aaron auch das letzte Rätsel geknackt hatte, musste er wieder an Randolf denken.

Erstarkt und bereit – gemeinsam auf dem Weg, die erste Prüfung gemeistert, dem nächsten Abenteuer entgegen, das Menschen Menschlichkeit gibt. Frauen werden Gefallen bringen und Gefallen ernten, und einen Hinweis geben auf den Ort der Dunkelheit und Angst. Möge das Eis die Fesseln sprengen, das Feuer wieder Hoffnung auf Selbstbestimmung geben!“, wiederholte Merthin nun den gesamten Text nachdenklich. Dann sah er Aaron an. „Manchmal ist das schon ziemlich unheimlich, wenn man darüber nachdenkt, dass das auch auf die Frauen am Fluss zutreffen konnte. So als sei es bestimmt gewesen, dass wir vorhin auf sie getroffen sind…“ Er schüttelte leicht den Kopf bei diesem Gedanken. Ja, es war schon ein seltsames Gefühl, wenn man Anzeichen hatte, dass alle Handlungen, alles Tun, alle Gedanken bereits vorausbestimmt sein könnten. Dieser Fatalismus schnürte ihm schier die Kehle zu, wenn er so darüber nachdachte… Er trank sein Bier aus und steckte sich sein letztes Stück Salami in den Mund. Die Öllampe, die sie gefunden hatten, leuchtete auf dem Tisch. Die Dunkelheit hatte ihren Mantel bereits über sie und die Scheune gelegt und sie hatten sich beide bereits die Mäntel umgehängt, damit sie es wärmer hatten. Lange würde er heute nicht mehr wach bleiben, denn auch seine Knochen waren müde. „Ich habe dir eine Decke und auch einen Rucksack besorgt, in dem du deine Sachen unterbekommst.“ Er deutete dorthin. „Vielleicht sollten wir unser Nachtlager beziehen. Ich möchte möglichst früh aufstehen…“ Damit stand er auf und begann ihr Essen zusammenzupacken, in einen Beutel zu stecken, um diesen dann so aufzuhängen, dass keine Tiere hineinkämen. Jetzt spürte er auch, wie müde er war…
 

Aaron

Was Merthin dann über diesen Randolf zu erzählen hatte, machte auch Aaron wütend. Es gab hier wirklich einen Händler, der derartig offen ein solches Geschäft betrieb und damit durch kam? Aaron biss sich auf die Lippen. Vielleicht war dieser Mann auch der Auftraggeber dieser rüpelhaften Männer, die seine Kutsche in dem Wald angegriffen hatten. Unschöne Erinnerungen kamen in Aaron wieder hoch, ebenso Gedanken daran, was hätte sein können. Wäre Aaron letztendlich auch im Laden dieses Mannes gelandet, wenn Merthin ihn da nicht gerettet hätte? Ein entsprechender Blick glitt in Merthins Augen. Man sah Merthin an, dass er aufgebracht war, dass er etwas gegen diese Umstände unternehmen wollte. Aaron war ebenso entschlossen, daher wunderte es ihn sehr, als Merthin nur davon sprach, das 'er' dort morgen hingehen würde und die Sklaven befreien würde. Warum denn nicht 'wir'? "Ich will dir dabei helfen!", sprach Aaron also fest. "Ich kann genauso wenig wie du zulassen, dass Menschen derartig behandelt werden. Wir sind doch ein Team, wir machen das gemeinsam", fügte Aaron noch hinzu, obwohl Merthin gar nicht mehr eine Antwort abgewartet hatte. Aber es war ihm wichtig, dem Blonden seine Unterstützung zuzusagen. Merthin sollte sich nicht einfallen lassen, da alleine hinzugehen. Was Merthin wütend machte, machte auch Aaron wütend und Menschen, die derartiges Übel auf die Welt brachten, musste Einhalt geboten werden. Dass Aaron auch Angst hatte, sprach er da lieber nicht aus.

Erst dann widmete sich Aaron auch wieder den Schriftzeichen, fand zusammen mit Merthin noch mehr über das Bild an sich und die Prophezeiung heraus, die darin versteckt war. Es war, als ob das Schicksal gewollt hätte, dass sie dieses Bild bekamen. Hätte der Bauer es ihnen nicht geschenkt, wären sie abgereist ohne davon Notiz zu nehmen. Der endgültige Text erstaunte aber auch Aaron. Es passte. Als ob sie jemand beobachten und aufschreiben würde, was ihnen passierte. "Eis sprengt die Fesseln, Feuer gibt Hoffnung auf Selbstbestimmung", wiederholte dann auch Aaron nachdenklich. Ob das wörtlich gemeint war? Oder sollte das einfach ihre Zusammenarbeit ausdrücken? Aber Aaron war zu müde, um jetzt intensiv darüber nachzudenken. "Die Bestimmung hat manchmal einen komischen Sinn für Humor", grinste Aaron leicht. Immerhin hatte das Treffen dieser Frauen ihn in eine unschöne Situation gebracht. Aber auch Aaron war nicht so wohl bei der Sache. Was wenn sie irgendwann etwas lesen würden, das nicht so positiv enden sollte? Wie sollten sie unbefangen diese Aufgabe meistern, wenn ihnen Schlechtes prophezeit war? Aaron wollte sich gar nicht vorstellen was wäre, wenn da irgendwann stehen würde, dass Merthin verletzt werden würde. Unbefangen bleiben ginge dann einfach nicht mehr.

Auch Aaron aß noch die letzten Beeren auf, die er sich auf die Hand genommen hatte und gähnte nun doch noch hinter vorgehaltener Hand. "Danke. Dann kann ich dir doch etwas deiner Last abnehmen", murmelte er müde und nahm sich die Decke, die für ihn bestimmt war. Sie war schön groß und kuschelig, darunter würde es gewiss nicht kalt werden, was die Hauptsache war. Gemeinsam mit Merthin marschierte Aaron in die schützende Scheune, zog mit ihm zusammen noch das Scheunentor zu und breitete seine Decke dann auf dem Stroh aus. Genauso wie schon in der letzten Nacht legte er sich auf die Hälfte, während er die andere Hälfte der Decke um sich wickelte und fest zuhielt. Das hübsche Buch hatte Aaron mit rein genommen und hatte es neben sich gelegt. Man sagte ja, das man im Schlaf nochmals alle Informationen vom Tag verarbeitete. Sollte er einen Geistesblitz haben, könnte er sofort im Büchlein blättern und etwas aufschreiben. "Gute Nacht!", wünschte Aaron ihm und schaute noch eine kleine Weile zu Merthin hin, bevor Aaron selbst das bemerkte und die Augen schloss. Sofort, als die Wärme der Decke zu ihm durchrang begann er sich zu entspannen. Erst in diesem Moment merkte Aaron, wie angespannt er gewesen war und wie dringend er diese Auszeit brauchte.
 

Merthin

Dass Aaron schier protestierte, als er ihm offenbarte, dass er alleine gehen wollte, damit hatte Merthin schon gerechnet. Merthin war sich sicher, dass die Eindrücke, die der andere bei einer solchen Aktion sammeln würde, sicher nicht unbedingt die Besten wären. Aber wie sollte er es ihm ausreden? Daher ließ er es und sprach lieber über das Pergament. Er würde noch entscheiden, was er tun würde… Er sagte einfach zunächst gar nichts darauf.

Als sie später die Prophezeiung entschlüsselt hatten, fügte sich diese sehr eindeutig mit Randolf zusammen. Sicher, auch mit anderen Dingen. Hatte er nicht gerade Aaron Hoffnung auf Selbstbestimmung gegeben, indem er ihm versucht hatte, klar zu machen, dass sein Körper für mehr bestimmt war, als dem König Enkel zu schenken? Er wusste es nicht. Aber dass das alles hier gerade sehr gut her passte, wusste er. Doch genauso wie es Aaron erging, war auch er mittlerweile ziemlich müde. „Da hast du recht, Aaron“, sage er und musste gähnen. „Ich denke, wir werden schon bald alles besser verstehen können, was da geschrieben steht. Aber es scheint, als sei uns dieser Teil der Prophezeiung direkt gegeben worden, weil wir der Bauersfamilie geholfen haben. Vielleicht führt uns dieser Zettel zur nächsten Aufgabe, aber wir durschauen ihn noch nicht komplett…“ Er lächelte den anderen an. "Lass uns schlafen gehen. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag.“
 

Es war süß zuzusehen, wie Aaron sich sein Nest baute. Merthin hatte die Sachen noch alle soweit aufgeräumt, dass er morgen nur noch die Wäsche einpacken musste, damit sie loskonnten, bevor die Hähne krähten… Als er sich schließlich hinlegte, wünschte auch er dem anderen eine gute Nacht in die Dunkelheit hinein. Seine Gedanken waren bei dem Körper des anderen, der ihn nicht nur im Fluss, sondern vorhin auch bei der Erzählung wirklich berührt hatte. Er musste aufpassen, dass diese Gefühle, dieses… Begehren nicht zu viel wurden. Dass der andere begehrenswert war, stand außer Frage. Aber es wäre nicht gut, wenn er sich nicht unter Kontrolle hätte. Es würde alles nur noch komplizierter machen… Vielleicht sollte er sich in den nächsten Tagen einmal eine Auszeit nehmen, und sich anderweitig ablenken…

Befreiung

Aaron

Es dauerte nicht lange und Aaron war eingeschlafen. Das Stroh als Unterlage war besser als der harte Boden, aber wahrscheinlich hätte nichtmal der Aarons Schlaf hinauszögern können, so müde wie er war. Allerdings verfolgte Merthins Experiment Aaron in den Schlaf. Er sah einige Bilder wieder vor seinem inneren Auge. Bilder, die er sich während der Erzählung so vorgestellt hatte. Dass er das alles nicht durfte, dass seine Eltern ausflippen würden, dass der Adel die Nase für immer in seiner Nähe über ihn rümpfen würde, das alles war Aaron klar. Und dennoch war da dieses innere Gefühl, dieses innere Verlangen diese Neugierde nicht so einfach zu verwerfen. Ob Aaron sich überwinden könnte war wieder ein anderes Thema, aber... war er überhaupt für sowas geschaffen?
 

Das kuschelige Nest war gewiss auch der Grund, warum er am nächsten Morgen nicht gleich wach wurde, als die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster der Scheune hinein schienen. Die Sonne ging gerade erst auf und ein Hahn krähte in der Nähe, ein Geräusch, das in der Hauptstadt nur selten zu hören war. Es war aber noch ein anderes Geräusch zu hören. Geraschel von außerhalb der Scheune, kleine Schritte von Frauenfüßen, leise unterdrückt flüsternde Stimmen. Eine Kleinigkeit wurde unter das Scheunentor hindurch mgeschoben, ehe sich die Schritte eilig wieder entfernten. Die jungen Frauen vom Fluss hatten das Lager von Merthin und Aaron gefunden, klug wie sie waren hatten sie sich denken können, dass sie hier übernachten würden. Aus Puklan und der Umgebung waren die beiden nicht, sonst hätten die Frauen die beiden gekannt und ein Lager von Reisenden in der Nähe des Flusses ergab Sinn. Anscheinend hatten die Frauen die Geburtstagsfeier genutzt, um noch einen weiteren Gefallen zu erbringen, einen Schlüssel, den sie eben gerade unter das Scheunentor hindurch geschoben hatten. Gewiss waren Männer dieses Randolfs auf der Feier gewesen und die Damen hatten ihre Reize spielen lassen, um diesen Schlüssel zu entwenden, der nun dabei helfen sollte, den Grausamkeiten ein Ende zu bereiten.

Erst danach wachte Aaron auf, wurde etwas von den Sonnenstrahlen geblendet, die genau auf ihr Nachlager fielen. Kurzerhand zog Aaron seine Decke über sein Gesicht, um noch etwas Dunkelheit zu haben und damit wenigstens noch ein kleines bisschen dösen und in Erinnerungen schwelgen zu können.
 

Merthin

Ohne es recht zu merken, war auch er eingeschlafen, das Schwert neben sich. Er schlief erneut oberflächlich, aber zumindest bequemer, träumte viel und wirres Zeug. Als er aufwachte, war es noch dunkel draußen. Aaron lag neben ihm, atmete ruhig, eingemummelt bis zur Nasenspitze. Einen Moment überlegte er, blickte sich um. Dann sah er, dass er sich zum anderen gerollt hatte. Denn sein Schwert lag noch dort, wo er es hingelegt hatte. Er schüttelte den Kopf und fuhr sich übers Gesicht. Dann stand er auf und packte seine letzten Sachen zusammen. Vielleicht hatte er Glück und wäre zurück, bevor Aaron erwacht war.

Und so saß er hinter einem Gebüsch in Deckung, als die Frauen mit dem Schlüssel auch eine Nachricht unter der Tür durchschoben. „Ein Fuhrwerk wartet nur wenige Minuten entfernt an der Straße nach Northon. Wir warten auf die Ware, um sie mit uns in Sicherheit zu bringen…“

Es war kalt, die Sonne gerade dabei aufzugehen. Er war an der Scheune, allerdings waren mehr Wachen da, als erwartet. Merthin hörte nichts aus der Scheune und er wusste nicht, wie er vorgehen sollte. Sie mit dem Schwert anzugreifen, war keine Option. Die Männer waren ausgebildete Kämpfer. Er würde schneller sterben, als er seinen Namen aussprechen könnte. Sein Feuer half hier auch nichts. Denn schließlich würde das Feuer nur dafür sorgen, dass die Männer, Frauen und Kinder ein qualvoller Tod heimsuchen würde. Merthin kam sich nutzlos vor. Ihm blieb nichts Anderes übrig, als abzuwarten, ob sich ihm eine Möglichkeit bieten würde, wenn die Wachen abgelöst waren. Und während die Sonne sich mehr und mehr über den Horizont schob, machte er sich mehr und mehr Sorge, dass Aaron in der Zwischenzeit aufgewacht war.

Gleichzeitig wuchs ein ungutes Gefühl in ihm. Es war wie ein Gefühl von Beklemmung und Lähmung, die ihn nach und nach heimzusuchen schien, sich in sein Inneres fraß und ihn betäubte. Irgendetwas stimmte hier nicht.

Mit einem Mal kam Leben in die Szenerie. Ein Wagen näherte sich, ein großer Planwagen. Ob sie die Menschen heute abtransportieren würden? Würden sie ausgeliefert? Was sollte er nur tun? Es waren zu viele Männer. Er zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte an. Vielleicht könnte er wenigstens das Weiterfahren ein wenig aufhalten. Er spannte, zielte und schoss… einen Augenblick später sackte die eine Deichsel etwas hinunter, weil der Lederriemen, der sie oben gehalten hatte, durchtrennt worden war… Und nun? Noch hatte es niemand bemerkt. Er musste vorbereitet sein.
 

Aaron

Als Aaron schließlich doch richtig wach wurde, blieb er noch eine Weile so dösend liegen, bis ihm die Stille in der Scheune seltsam vorkam. Erst hatte er es nicht gemerkt, da es bei ihm Zuhause auch immer so still war und er es demnach gewohnt war. Aber zusammen mit einer anderen Person in einer Scheune gab es doch Geräusche. Und wenn es nur die Bewegungen im Schlaf und die Atemgeräusche waren. Verwundert öffnete Aaron nun seine Augen und rieb sich diese, während er sich langsam aufsetzte. Dann schaute er in der Scheune umher, aber Merthin war nirgends zu sehen. Aaron beschlich gleich ein ungutes Gefühl, aber noch glaubte er, dass der Blonde vielleicht zum Fluss gegangen oder sich erleichtern war. Dennoch beunruhigt stand Aaron auf, packte seine Decke schnell zusammen und verließ die Scheune. Die Rucksäcke standen noch da, aber Merthin war noch immer nicht zu sehen. "Merthin?", rief Aaron schließlich in die Morgenstille hinein. Es fröstelte ihn ein bisschen, war es doch kalt diesen Morgen und leichter Nebel hatte sich über die Felder gelegt. Während Aaron suchend seinen Blick durch die Gegend schweifen ließ, erblickte er schließlich den Schlüssel am Boden glitzern. Aaron hob ihn auf und fand so auch die kleine Notiz, die ihn die Stirn runzeln ließ. Was denn für Ware? Welche Straße? In dem Moment fiel Aaron das Gespräch vom gestrigen Abend wieder ein. Mit 'Ware' waren doch nicht etwa die Sklaven gemeint? Leider ergab das absolut Sinn. "Merthin!!", rief Aaron nun verzweifelter nochmal. Da aber wieder keine Antwort kam, schaute Aaron sofort nach Merthins Waffen, aber auch die waren verschwunden. Jetzt dringend beunruhigt warf sich Aaron ohne nachzudenken seinen Umhang über und lief runter zum Fluss, seine letzte, kleine Hoffnung, wo Merthin noch sein könnte, ohne dass sich diese Befürchtung bewahrheitete, die immer mehr Gestallt in Aarons Kopf annahm. Doch auch beim Fluss war Merthin nirgends zu sehen. "Merthin!", ein erneuter Ruf und erneut keine Antwort. Besorgt und enttäuscht biss sich Aaron auf den Lippen rum, während er nochmal die Notiz zur Hand nahm. "Wenige Minuten entfernt an der Straße nach Northon...", laß Aaron die Worte nochmal für sich vor. Aaron hatte keine Ahnung, wo diese Straße war, aber es war sein einziger Hinweis darauf, wo sein wahrlich übereilter Freund hingelaufen sein könnte. Schnell lief Aaron einfach planlos los, er musste Merthin einfach finden!

Gewiss hätte Aaron nicht damit gerechnet, dass sich Merthin wirklich alleine auf den Weg machen und Aaron hier schlafend alleine zurücklassen würde. Welchen Grund könnte es dafür schon geben? Die Gründe, dass Aaron nicht in Gefahr sein sollte oder Merthin ihm den Anblick der geschundenen Sklaven ersparen wollte, zählten für den Prinzen jedenfalls nicht. Aber bevor er sich Gedanken über den Grund machen wollte, wollte er erstmal Merthin wiederfinden. Aaron erreichte eine Kreuzung, bei der er unschlüssig stehen blieb. Welcher war der richtige Weg? Er war einfach geradeaus gelaufen und jetzt zog es ihn rechts herum. Ohne weiter darüber nachzudenken folgte Aaron diesem Bauchgefühl und bog schließlich bei einem Bauernhaus um die Ecke. Vor ihm erstreckte sich ein Sandplatz, auf dem viele Männer patroullierten, im Hintergrund eine Scheune, mit einem dicken Schloss davor. Geistesgegenwärtig sprang Aaron hinter ein Gestrüpp in Deckung, bevor er gesehen worden war. Erschrocken blickte Aaron auf die Szene vor sich, als er gegenüber im Gebüsch ein sehr bekanntes Gesicht erblickte. Dort hinten saß Merthin und schien zu warten. So wie er immer zur Scheune schaute, wollte er gewiss dorthin. Bei den vielen Männern im Weg dürfte das aber schwierig werden, er konnte schlecht gegen alle Kämpfer gleichzeitig antreten. Die logische Schlußfolgerung war, dass die Männer weg mussten, so viele wie möglich. Das dürfte Aarons Chance werden zu beweisen, dass er Merthin helfen konnte. Allerdings hatte Aaron erstens auch keine Chance gegen alle gleichzeitig und zweitens hatte er das Schwert, das Merthin ihm gekauft hatte, in der Eile gar nicht mitgenommen. Aber Aaron hatte schon eine bessere Idee.

Tief atmete er durch. Es kostete ihn Überwindung und Mut, das zu tun, was er für nötig hielt. "Bitte, leih mir Mut!", bat Aaron geflüstert in alter Sprache darum, Mut aus Merthins Zeichen zu ziehen, denn den brauchte er unbedingt. Kurz fühlte er einen Schub durch seinen Körper ziehen, dabei wurde es warm und seine Bedenken waren für diesen kurzen Moment vergessen. Dann sprang Aaron aus seinem Versteck und stellte sich ein Stück weit vor die vielen Männer hin. "Hey, lasst eure 'Ware' frei!", kam es weniger fest von Aaron, als er es geplant hatte. Seine Stimme zitterte ein bisschen vor Angst. Aber zumindest bekam er die gewünschte Aufmerksamkeit der Männer, welche nun zu ihm hin starrten. "Wo kommt der Vogel denn her?", sprach einer grummelig und alle zogen ihre Waffen. Aaron machte schonmal einige kleine Schritte rückwärts. "Egal, jedenfalls kommt der nicht mehr weg", damit stürmten alle bis auf einen auf Aaron zu, welcher mit einem gezielten Wurf in Richtung Merthin den Schlüssel an diesen übergeben wollte, damit er einfacher in die Scheune gelangen würde, solange Aaron die Wachen ablenkte. Zumindest dachte Aaron, dass dies der Schlüssel zum Scheunentor war.

Sofort nach dem Wurf machte Aaron auf dem Absatz kehrt und fing an zu laufen. Sein Ziel war eine Wiese nur wenige Schritte hinter dem Hof. Durch den Nebel und die Kälte in der Nacht und am Morgen hatten sich auf den Gräsern Wassertropfen und Tau gebildet, genau das, was Aaron nutzen wollte. Der Prinz lief ein ganzes Stück über die Wiese, die Männer noch hinter ihm her. Sie holten auf, da Aaron die Puste ausging, aber weiter wollte Aaron eh nicht laufen. Er tat so, als würde er stolpern und ließ sich auf den Boden fallen, hockte sich mit beiden Händen fest auf dem Boden hin und ließ dann mit tiefen Atemzügen seine Magie im Körper aufleben. Diese Energie leitete er zu seinen Händen und damit direkt auf den Boden. Das Tauwasser über den Pflanzen und die Erde selbst gefror bereits im nächsten Wimpernschlag und es bildete sich eine Eisschicht, die sich flächenweise und sehr schnell immer weiter ausbreitete, sodass schließlich auch der Boden unter den laufenden Männern gefror. Sie begannen zu rutschen, glitten auf der spiegelglatten Eisfläche herum und fielen schließlich reihenweise auf die Nase. Hoffentlich hatte der Prinz Merthin mit dieser Aktion Zeit verschaffen können, um in die Scheune zu gelangen und die armen Menschen zu befreien. Wie er selbst dann später flüchten könnte, konnte er sich dann immernoch überlegen..
 

Merthin

Es war ein seltsames Gefühl, das ihn auf einmal an seiner rechten Brust beschlich. Bediente sich Aaron seines Mutes? Irritiert blickte er auf, sah sich um. Er war so darauf konzentriert gewesen, die Wachen und ihre Tätigkeiten genauer zu beobachten, weil mittlerweile auch Randolf hinzugekommen war, dass er nicht gemerkt hatte, ob sich noch jemand genähert hatte… Doch nun sah er ihn – Aaron. Er trat aus einem Gebüsch hervor und schrie zu den Männern, die allesamt wesentlich mehr Körpermasse besaßen als der Prinz, etwas zu, das Merthin nur ungläubig den Kopf schütteln ließ. Was tat Aaron da? Wollt er vermöbelt werden? Wollte er auch bei den Gefangenen landen? Hatte er sich überhaupt überlegt, was er machen wollte?

Doch Merthin hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn zum Glück schienen diese Kraftprotze nicht besonders intelligent zu sein und stürmten tatsächlich auf Aaron zu. Perplex sah er zu Aaron, der seinen Blick erwiderte und ihm dann etwas zuwarf. Merthin fing und duckte sich weg, während Aaron endlich die Beine in die Hand nahm und zu laufen begann… Nun, vermutlich war er wirklich schneller als die Wachen… Kurz betrachtete Merthin, was er gefangen hatte und las den Zettel, der noch daran hing. Daher hatte er ihn finden können… Und es war gut zu wissen, dass die Gefangenen hier auch wirklich würden flüchten können… Merthin spürte, dass der Mut, den Aaron beschworen hatte, auch ihn berührt hatte und er zog sein Schwert, um nun seinerseits zur Scheune zu laufen. Dort war nur einer zurückgeblieben, der sich ihm nun zuwandte: Randolf. Doch während er sich diesem näherte, veränderte sich dieser. Sie blickten einander an. Das Grinsen des Menschenhändlers wurde zu Fratze. Merthin begriff, dass das gar nicht mehr der Händler war, den er am Markt gesehen hatte. Es war vielmehr ein Wesen, das beständig zu wachsen schien, während er sich ihm näherte. Es war ein Monster aus Dunkelheit mit glühenden Augen, bereit zu kämpfen für das was er sich in dieser Welt geschaffen hatte. Merthin schluckte, steckte das Schwert weg und zog den Bogen. „Stärke“, wisperte er leise und entzündete den Pfeil an der Spitze. Das Monster schien zu begreifen, was er vorhatte und rannte mit einem markerschütternden schrillen Schrei nun auf ihn zu, um bei ihm zu sein, bevor der Pfeil abgeschossen war. Eilig versuchte Merthin den Bogen zu spannen, doch als er ihn hob, war das Monstrum bei ihm und stieß ihm hart gegen die Brust, begrub ihn unter sich. Merthin rang nach Atem, während er das Gefühl hatte, sich nicht mehr bewegen zu können. Das Monster hielt ihn an den Armen und es brannte auf seiner Haut, als habe er in Brennnesseln gelangt. Merthin schrie, versuchte sich zu wehren, doch er hatte körperlich nichts dem Wesen entgegenzusetzen.

Mit einem Mal spürt er Magie durch seinen Körper fließen. War das Aaron? Erneut flüsterte Merthin Stärke – dann bäumte er sich auf und entwand seinen Arm den Griff des Monstrums, um dieses am Hals zu packen. Merthin schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Hand, in die er all sein Feuer steckte, das er in sich spürte. Das Monster schrie auf, ließ von ihm ab und schien zu glühen zu beginnen. Es wuchs und wuchs, schrie und schien einen inneren Kampf auszufechten. Merthin richtete sich auf, nahm seinen Bogen und rannte zum Wagen, denn er hatte das Gefühl, sich dringend in Sicherheit bringen zu müssen. Keine Sekunde zu früh, denn in diesem Moment explodierte das Wesen regelrecht, von innen heraus verbrennend… Leider war genau das, was Merthin eigentlich hatte verhindern wollen. Denn nun griff das Feuer auf den Hof und die Scheune über. Er zog den Schlüssel aus der Tasche und lief zur Scheune hinüber, trat die Tür ein und blickte sich um. Augenscheinlich schien hier nichts zu sein. Hatte er sich getäuscht? Doch dann hörte er ein Husten und folgte den Geräuschen, die alsbald in Hilferufe umschlugen. Panisch suchte er eine Tür und fand schließlich eine Bogenklappe, die er öffnete. Darunter befand sich ein Gitter zu einer Treppe. Kinder saßen an den Gitterstäben und weinten. Qualm stieg nach oben. „Moment“, sagte Merthin atemlos. „Ich befreie euch… Ich tu euch nichts, ich bring euch aus dieser Hölle weg“, sprach er auf sie ein und wusste nicht recht, ob er mehr sie oder sich selbst damit beruhigte. Zitternd öffnete er das Gitter mit dem Schlüssel. „Kommt alle raus, schnell!“, rief er nun lauter und den Kindern folgten misshandelte Frauen, ausgemergelte Männer… Merthin schluckte. Wie konnte man nur so mit Menschen umgehen? Und warum wurde dagegen nichts unternommen!?

Eilig liefen sie durch die Scheune, die mehr und mehr vom Feuer eingenommen wurde. Merthin hatte sich ein kleines Mädchen geschnappt und rannte mit ihm nach draußen. Und gerade rechtzeitig… Denn kaum waren alle draußen stürzten erste Teile des Daches ein. Sie blieben stehen, husteten, rangen nach Luft. Merthin blickte sich nach Aaron um, konnte ihn jedoch nicht sehn. Unruhe machte sich in ihm breit. Er ärgerte sich zudem, dass er den Wagen unlenkbar gemacht hatte. Doch er spannte die panischen Pferde aus und versuchte sie zu beruhigen. „Wir müssen weiter!“, sprach er dann zu den Gefangenen. „Ich bringe euch zu drei Frauen, die euch in Sicherheit bringen werden. Ihr seid jetzt frei…“ Die Menschen sahen ihn an. „Wer zu schwach zum Laufen ist, den setze ich auf ein Pferd…“ Und so entfernten sie sich schließlich von dem mittlerweile lichterloh brennenden Bauernhof. „Aaron?“, rief er laut, immer wieder. Aber er sah ihn nicht. Merthin spürte, dass er panisch wurde. Wo war er? Ist er den Menschen entkommen? Er musste schleunigst die Befreiten in Sicherheit bringen, aber alles in ihm schrie, zurückzukehren, um Aaron zu suchen. Wo war er nur?

Zum Glück war der Wagen der Frauen wirklich nicht weit. Zum Glück kamen sie ihm schon entgegen und nahm ihm die Befreiten ab… „Ich muss Aaron suchen…“, erklärte Merthin irritiert und ängstlich. Die eine der Frauen trat auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange. „Danke!“, sagte sie. „Vielen Dank für alles!“ Er nickte und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich muss…“, sagte er und sie nickte. „Geh schon!“ Dann schwang er sich auf eines der Pferde, das andere am Zügel nehmend. „Bringt sie weit weg und fangt neu an!“, verabschiedete er sich von den Frauen. „Das machen wir“, sagten sie. „Vielen Dank und weiterhin viel Glück, ihr Hoffnungsbringer!“ Merthin wendete das Pferd und ließ es angaloppieren. Er musste dringend Aaron finden!
 

Aaron

Es brachte ein kleines Grinsen auf Aarons Lippen, als er zusah, wie die Männer versuchten nicht immer wieder hin zu fallen, was ihnen allerdings nicht gelang. Dennoch arbeiteten sie sich auf diese Weise weiter vor und kamen Aaron wieder näher, allerdings so langsam, dass der Brünette jederzeit das Weite suchen könnte. Doch noch blieb er hocken, ließ die Männer näher kommen, damit sie sich weiterhin nur auf ihn konzentrierten und nicht auf die Idee kommen würden, zurück zum Bauernhof zu laufen. Denn das war Aarons erklärtes Ziel. Dass Merthin inzwischen die Chance ergriffen haben dürfte und sich an die Arbeit gemacht hatte, die armen Leute aus ihrer Notlage zu befreien, war unumstritten.

Kurz war Aaron abgelenkt mit diesen Gedanken, hatte dabei seinen Blick zurück zum Hof schweifen lassen und stellte sich einen sehr heldenhaften Merthin vor, welcher die hilfsbedürftigen Menschen mutig voran laufend in Sicherheit brachte. In seiner Vorstellung vielleicht ein bisschen zu übertrieben, aber gewiss war da etwas Wahres dran. Gern hätte Aaron ihn in Aktion erlebt, aber sein beeindruckender Auftritt gegen diesen Unhold letztens lieferte ihm einen guten Eindruck davon, was alles in ihm steckte.

Aaron war wohl etwas zu sehr in seinen Gedanken versunken, sodass er gar nicht mitbekam, wie es einer der Männer schaffte, gefährlich nahe an ihn heran zu kommen. Er spürte nur sehr plötzlich einen Luftstoß und dann einen kleinen Schmerz an der Schulter, wo er sofort seine Hand hindrückte. Seinen Blick richtete er hinter sich, denn dort war der Luftzug hingezogen. Im Boden steckte ein kleiner Dolch. Hastig blickte Aaron nun wieder zu den Männern und sah den einen direkt vor sich, der ganz offensichtlich gerade seinen Dolch nach Aaron geworfen hatte. Zu Aarons Glück hatte er nicht richtig getroffen und die Klinge hatte seine Schulter bloß gestriffen, die Wucht aber war schon etwas beängstigend gewesen, hatte sie doch ziemlich stark die Luft aufgewirbelt. Wenn der Dolch ihn richtig ein Stück weiter unter der Schulter getroffen hätte.... lieber nicht drüber nachdenken.

Schnell richtete Aaron sich auf und wich zurück, denn der Mann sah noch immer gefährlich entschlossen aus. Ein ansteigendes Gefühl von magischer Energie in der Nähe beschlich Aaron, was seine Gedanken wieder zu Merthin driften ließ, als es dann plötzlich gar nicht so weit entfernt eine Explosion zu geben schien. Alle stoppten in ihrer Bewegung und schauten zurück zum Bauernhof, denn von dort schien das Geräusch gestammt zu haben. Gleich darauf waren hohe Flammen zu sehen, die die Scheune immer mehr einhüllten, sodass die lodernden Flammen gar über dem Bauernhaus hinweg zu sehen waren. Aaron machte sich sofort Sorgen um Merthin. Er hätte die Scheune gewiss nicht aus freien Stücken angezündet und damit das Leben der Gefangenen gefährdet. War nur die Frage, wieso es dann eine spürbar magisch ausgelöste Explosion mit anschließendem Feuer gegeben hatte. Hatte der Prinz etwa doch nicht genügend Wachen weggelockt bekommen, sodass Merthin schwer hatte kämpfen müssen?

Zumindest schien diese Aktion die Männer ebenso zu verunsichern, denn sie wandten sich nun von Aaron ab und versuchten auf dem rutschigen Eis zurück zum Hof zu gelangen. Das musste Aaron verhindern, Merthin konnte es gewiss nicht gebrauchen, wenn nun mehr Männer ihm in den Rücken fielen. Aaron wusste ja nicht, was los war und ob Merthin vielleicht sogar Hilfe brauchte. "Sorry", murmelte Aaron und haute einmal mit der flachen Hand auf die Eisfläche, wodurch die obere Eisschicht unter den Füßen der Männer aufbrach und sich das Eis an ihren Beinen hoch arbeitete, sie bis einschließlich zur Hüfte einschloss, wodurch die Männer im Eis gefangen waren. Es gab mehrere Gründe, warum Aaron das nicht hatte machen wollen, erstens dürften die Männer nun wissen, das dies nicht mit normalen Dingen zugehen konnte, zweitens waren sie normale Menschen und kein magisches Übel. Es kam Aaron falsch vor, Magie gegen normales Volk zu verwenden, auch wenn diese Männer gegen sie waren. Und drittens spürte Aaron schon wieder, wie ihm seine eigene Kälte in die Arme kroch. Das war hart an der Grenze dessen gewesen, was Aaron an magischer Energie vollständig kontrollieren konnte. Nur ungern wollte Aaron wieder seine eigenen Hände einfrieren...

Gerade hatte sich Aaron wieder erhoben und einige Schritte Richtung Bauernhof gesetzt, da sah er in der Ferne eine Gruppe Menschen vom Hof flüchten. Vor ihnen Merthin, der zwei Pferde führte, auf denen besonders geschwächte Personen saßen. Erleichtert seufzte er, schien also alles gut gegangen zu sein. Die verärgerten Rufe der halb eingefrorenen Männer hinter ihm ignorierte Aaron, wenn er sie frei ließe, würden sie versuchen die Sklaven wieder einzufangen, das konnte Aaron aber nicht zulassen. Das Eis würde irgendwann von selbst schmelzen, oder sie würden mit Eispickeln befreit werden, aber bis dahin wären die armen Leute längst weg. Ohne ihren Anführer Randolf, den Merthin gewiss besiegt hatte - da war Aaron sich sicher - war ihr Menschenhandelgeschäft eh erstmal zerschlagen. Hoffentlich hatten diese Männer ihre Lektion gelernt, umbringen würde er sie jedenfalls nicht. Solange sie nicht dämonisch waren oder sie einem keine andere Wahl ließen, wollte Aaron nicht töten.

Mit großen Sicherheitsabstand lief Aaron nun an den Männern vorbei zurück zum Hof. Aaron wollte schauen, ob es dort noch etwas gab, was interessant sein könnte - Prophezeiungsabschnitte beispielsweise. Aber auch andere Gegenstände, die den Hintergrund etwas mehr beleuchten würden, würde Aaron gern finden. Außerdem dachte Aaron, dass dies ein guter Punkt wäre, wo er Merthin wieder treffen könnte, nachdem er die ehemaligen Sklaven in Sicherheit gebracht haben würde. Schnell hatte der Prinz den Sandplatz vor der Scheune erneut erreicht und blickte nun auf das brennende Gebäude, das schon gar nicht mehr als Gebäude zu erkennen war. Es war eingestürzt, zerfiel immer weiter und alles, was die Leute darin hatten durchmachen müssen, war symbolisch beendet worden. Ein Stück vor der Scheune auf dem Sand waren dunkle Schatten zu erkennen. Sicher die Stelle, wo die Explosion stattgefunden hatte. Aaron ging näher auf diese dunklen Schatten zu, inmitten des Rußes, der den Sand so schwarz färbte, lag etwas, das Aaron nicht genau erkennen konnte, da es ebenso schwarz verfärbt war. Verwundert bückte er sich danach und berührte es mit seinen Fingern, woraufhin das kleine Ding das schwarz verlor und blau leuchtete, wie auch Aarons Königszeichen auf der Haut eine blaue Farbe bekam. Aaron nahm es nun richtig zur Hand und schaute sich das kleine Ding an, es war so groß wie eine Walnuss, hatte auch eine ähnliche Form, nur prankte auf seiner Vorderseite das königliche Symbol. Ein magischer Gegenstand mit königlichen Zeichen? Obwohl das auf Aarons Haut anders aussah, hatte es dennoch darauf reagiert. War das ein Beweis von Magiern in Corvos Getreuenreihen? Wenn Aaron gewusst hätte, das Randolf eine dämonische Gestalt gehabt hatte, so würde er gewiss schlußfolgern, das dieses Ding ihm ein menschliches Aussehen gegeben hatte, sein Innerstes war dennoch bösartig verdorben gewesen.

Aaron drehte sich nun zum Bauernhaus herum und ging darauf zu. Neugierig blickte er sich um, wollte in das Haus hineintreten, da entdeckte Aaron direkt neben der Tür eine wunderschöne Blume, die nicht nur wunderschön blühte, sondern auch die einzige war, die hier auf dem Hof überhaupt blühte. Die kleine Vase, in der die Blume steckte, wies Verschnörkelungen auf. Etwa....?

Aaron konnte diesen Gedanken nicht weiterdenken, denn da hörte er schnelles Galoppieren zweier Pferde und schließlich erschien Merthin auf dem Hof. Sogleich grinste Aaron erfreut. Er wusste doch, dass Merthin schnell wieder herkommen würde, sobald die anderen Menschen in Sicherheit waren. "Merthin!", sprach Aaron ihn sofort an und lief zur Vase, deutete mit einem Handzeichen zu ihm zu kommen. Dass der Blonde sich Sorgen um Aaron gemacht haben könnte, daran dachte er nicht, immerhin war ja alles nach Plan verlaufen. Naja, zu 90%, wenn er an den kleinen Schnitt an der Schulter dachte. "Ist es nicht seltsam, dass diese eine Blume so schön blüht, während alle anderen eingegangen sind?", grinste er, um Merthin auf seine Entdeckung aufmerksam zu machen. "Sieh nur die Schnörkel...", murmelte er und hockte sich zur Vase, berührte die Oberfläche andächtig. "Wir sollten das prüfen", fügte er nun noch hinzu und schaute wieder Merthin an. "Alles in Ordnung?", fragte Aaron schließlich etwas vorsichtiger. Merthin sah nicht so aus, als ob er gerade so vielen Menschen das Leben gerettet hätte. Gab es.. einen Haken...?
 

Merthin

Merthin spürte, dass sein Herz heftig gegen seine Brust schlug, als er zum Bauernhof zurückkehrte und sich nach Aaron umsah. Die Scheune war mittlerweile bis auf die Grundmauern hinuntergebrannt und wie durch ein Wunder war das Feuer aber nicht auf die anderen Gebäude übergegangen. Dennoch hörte man die verängstigten Tiere im Stall schreien, die den Rauch rochen und sicher Angst hatten. Er würde sie später frei lassen… Jetzt war erst einmal nur eines wichtig: Wo war Aaron? Er lenkte sein Pferd an der Scheune vorbei zu der der Wiese, auf die der andere vorhin gerannt war, wo nun die Wachen waren – in Eis gefroren und bewegungsunfähig. Merthin musste unwillkürlich grinsen. Aaron Kraft war erstaunlich. Dennoch sollte er nicht im Alleingang losziehen. Merthin sah sich nach ihm um. Von dem Prinzen war aber keine Spur. Ob er ihn suchte? Eilig ritt er auf den Hof und dann sah er ihn endlich und auch der Braunhaarige erblickte ihn und rief nach ihm. Merthin ließ sich vom Rücken des Pferdes gleiten und band die Zügel an einen Pfosten. Sie würden die Tiere noch brauchen können… Damit kamen sie schneller voran und sie gehörten nun niemandem mehr. Dann lief er hinüber und wollte schon ansetzen, ihn zu fragen, wo er gewesen sei – doch offenbar schien das Aaron gerade so gar nicht zu beschäftigen. Was redete er da? „Welche gottverdammte Blume meinst du?“, fragte er gegen, nicht verstehend, was ihm der andere sagen wollte. Irgendwie nervte ihn das gerade. Und genau in diesem Moment sah er das blutdurchtränkte Hemd an der Schulter, den Schnitt. Und nun wurde er noch unruhiger. Aaron war verletzt und faselte etwas von Blumen? War das der Schock? Irritiert und mit einer Mischung aus Sorge und Wut sah er zu, wie Aaron die Vase betrachtete. Und offenbar schien der andere jetzt zumindest zu merken, dass gerade etwas nicht stimmte… „Ob alles in Ordnung ist?“, echote er. „Das sollte ich wohl eher dich fragen! Tauchst hier einfach auf, ohne Waffen und ohne Plan, lässt dich mal nebenbei von ein paar Männer mit vielen Waffen verfolgen und wirst ja ganz offenbar auch verletzt – ich möchte glaube ich lieber nicht fragen, womit – und dann rennst du auf den Hof, obwohl das Feuer auch auf das Haupthaus hätte übergreifen können, und faselst du etwas von irgendwelchen Blumen und Vasen?“ Er packte Aaron am Handgelenk und zog ihn zu sich, um ihm einen Moment in die Augen zu sehen, sich vergewissernd, dass es wirklich Aaron war. Aber daran bestand kein Zweifel, als er ihn berührte. Dann umarmte er ihn, als müsste er sich davon überzeugen, dass er wirklich noch lebte. „Du hast vorhin nicht geantwortet, als ich dich gerufen habe“, sagte er nun leiser. „Ich hatte schon Angst, dass dich die Kerle einfach platt gemacht haben. Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen, dich mit so vielen anzulegen? Was, wenn dich einer schlimmer erwischt hätte?“ Er blickte nun auf die verletzte Schulter, zwang Aaron, sich etwas zu drehen und ließ ihn los, um sich die Verletzung anzusehen, die zum Glück nicht schlimm war. „Ich muss das verarzten, bevor es sich entzündet“, murmelte er etwas erleichterter.

„Hast du unsere Sachen mitgebracht?“, fragte er dann. Denn seine Medikamente und das Verbandszeug hatte er in seinem Rucksack. An die Vase dachte er gar nicht mehr.
 

Aaron

Für Aaron schon ziemlich überraschend reagierte Merthin sichtlich angesäuert. Erst war dem Prinzen nicht klar, was genau den Blonden wütend machte, aber das änderte sich, als Merthin ihm eine kleine Standpauke hielt. Es stimmte schon, Aaron war wirklich einfach blind losgelaufen, gleich nachdem er gecheckt hatte, das Merthin sich alleine auf den Weg zu dieser Mission gemacht hatte, aber das hätte ja nicht sein müssen, wenn Merthin von Anfang an die Situation mit Aaron zusammen angegangen wäre und keinen Alleingang riskiert hätte. Aber hier ging es nicht um Verantwortlichkeiten. Bevor Aaron irgendein Wort zu seiner Verteidigung sagen konnte, zog Merthin ihn schon am Handgelenk näher heran und umarmte ihn dann sogar. Die große Sorge, die Merthin verspürt hatte, war in diesem Moment fast greifbar und Aaron legte seine Arme auch vorsichtig um Merthin herum, drückte ihn etwas. Er hatte gerufen? Das hatte Aaron auf der Wiese nicht gehört, genauso wenig wie ihm bewusst gewesen war, dass Merthin gedacht hatte, das er von den Wachen überwältigt worden sein könnte. "Merthin...", murmelte Aaron ganz leise, diese Sorge von ihm zeigte deutlich, dass er jenem nicht egal war und das freute den Prinzen ziemlich. "Ich sah keine andere Möglichkeit, dir den Weg frei zu machen. Ich hätte es mir nicht verziehen, wenn du verletzt worden wärst, und ich nichtmal versucht hätte, das zu verhindern. Also gab es einen Plan und dieser Plan ist aufgegangen", gab Aaron zur Antwort. Merthin war augenscheinlich unverletzt geblieben und das hätte gewiss anders ausgesehen, wenn Aaron in ihrem Nachtlager geblieben wäre und bloß gewartet hätte. "Wir gehören zusammen, so schnell wirst du mich nicht mehr los", versuchte Aaron mit einer etwas lockeren Aussage die Stimmung zu entspannen.

Vollständig Recht hatte Merthin dennoch nicht, immerhin war auch Aaron besorgt gewesen, als er am Morgen alleine hatte wach werden müssen. Kurz ließ Aaron Merthin sich die kleine Wunde an der Schulter anschauen, dann war er es, der Merthin nochmal an den Händen zurückhielt. "Lauf bitte nicht wieder ohne mich los", sprach er schnell, bevor Merthin das Thema wechseln konnte. "Dann kannst du mich nächstes Mal persönlich von solch gefährlichen Ideen abhalten", argumentierte Aaron mit etwas Witz, aber dass er nicht wollte, dass Merthin ihn von solchen Aufgaben ausschloß, war ernst gemeint. Warum hatte er ihn eigentlich nicht mitnehmen wollen? Aaron wollte so gern fragen, aber das wäre eine sehr unpassende Frage in diesem Moment und eigentlich spielte es auch keine Rolle. Aaron würde jedesmal wieder so handeln und solange sich Merthin dessen bewusst war, konnte Aaron schlecht etwas dagegen sagen. Merthin war ein freier Mann, trotz ihrer Freundschaft, ihm vorschreiben zu wollen, wie er zu handeln hatte, war nicht gerecht.

Locker schüttelte Aaron den Kopf, blickte etwas schuldbewusst drein. Das hingegen war seine eigene Schuld, dass er blindlinks losgelaufen war, ohne an ihre Sachen zu denken. "Ich wollte dich so unbedingt finden, da dachte ich nicht mehr an die anderen Dinge", gestand Aaron und hoffte, dass ihre Sachen noch an Ort und Stelle waren, wo sie diese zurück gelassen hatten.
 

Merthin

Die Leichtsinnigkeit des anderen hatte ihn wirklich wütend gemacht. Aaron war kein Kämpfer, hatte nicht Stunden seines Lebens damit verbracht, sich zu trainieren, sich zu verteidigen, anzugreifen und gegebenenfalls auch zu töten. Außerdem hatte er seine Kraft lange nicht benutzt, sie nie für solche Zwecke eingesetzt… Einfach Hals über Kopf loszustürmen, war sicher nicht das Klügste gewesen. Und ja, Merthin hatte sich Sorgen gemacht! Den anderen nun kurz zu umarmen, ihn an sich zu drücken, um zu spüren, dass es ihm gut geht, beruhigte ihn etwas. Er spürte die Hände des anderen an seinem Rücken, spürte die Wärme, die ihn sogleich durchströmte, sog tief den vertrauten Geruch ein und fühlte sich nun wieder etwas beruhigter. Oder war er einfach nur wegen des Kampfes angespannt gewesen und … brauchte Aaron, um wieder runter zu kommen? War es ein wenig so, dass er selbst einfach in den Arm genommen werden wollte? Er fühlte noch immer dieses Wesen an seinem Körper, auf sich sitzen, ihn anknurrend und festhaltend, so dass er gedacht hatte, dass er es nicht schaffen könnte… Seine Handgelenke schmerzten noch immer und erst jetzt entspannte er sich langsam wieder – in den Armen des anderen. Es fühlte sich etwas so an, als ob er ihm die überschüssige Energie, das Adrenalin, die magische Kraft wieder auf ein Normalmaß bringen könnte...

Als sich Aaron erklärte, löste sich Merthin wieder und blickte den anderen streng an. „Und ich hätte es mir auch nicht verziehen, wenn dir etwas passiert wäre“, knurrte er leise. „Ich habe das gelernt - mein Leben lang. Ich bin fitter denn je und weiß, was ich tue…“ Doch mit Aarons nächsten Worten, schwieg er augenblicklich. Wir gehören zusammen! Beschämt blickte er zu Boden. Er wusste das, ahnte das, aber… aber… Und dann kamen die berechtigten Vorwürfe, dass er nicht hätte allein gehen sollen. „Es war meine Idee gewesen, Randolf das Handwerk zu legen. Ich hatte nicht geahnt, dass in ihm… Ja, dass er irgendwie nicht menschlich gewesen ist. Und daher wollte ich dich nicht mit hineinziehen“, erklärte er letztlich wahrheitsgetreu. Und doch wusste er, dass Aaron auch recht hatte. Sie gehörten zusammen, sie verband etwas, etwas Großes und Wichtiges. Die Zeit für Allein-Entscheidungen waren vermutlich vorbei. Auch wenn das für ihn schwierig war.

Dass Aaron ein schlechtes Gewissen hatte, weil er ihre Sachen in der Scheune gelassen hatte, ließ ihn wieder lächeln. „Schon gut, dann holen wir die Sachen noch ab. Wir sind ja jetzt schneller unterwegs…“, lächelte er aufmunternd. Er blickte zur Vase. „Und pack sie noch ein…“, erklärte er. „Offenbar hat Magie einen Sinn für schöne Dinge…“

Es war schwierig, die Tiere aus dem Stall zu lassen, denn die Panik suggerierte ihnen, dass es in ihrem vertrauten Stall sicherer wäre. Doch gemeinsam schafften sie es. Sicher würden sie an anderen Orten eine neue Heimat bekommen. In einem Nebenraum fand Merthin die Sättel der Pferde und sattelte sie. Zudem nahm er im Haus, in dem Merthin im Wohnzimmer eine schon mumifizierte Leiche fand - vermutlich der eigentliche Randolf - Vorräte mit. Dann holten sie ihre Sachen. Den Schnitt am Arm versorgte er sorgsam, dann packten sie die letzten Sachen zusammen und verließen nun Puklan. Wenn sie gut vorankämen, könnten sie an diesem Abend noch bei der Mühle sein. Es kam aber auch auf die Pferde an, wie trainiert sie waren…
 

Aaron

Als Merthin sagte, er hätte es sich auch nicht verzeihen können, wenn Aaron was passiert wäre, stockte Aaron auch einen Moment. Diese Worte waren schön und gaben Zuversicht in ihre Zusammenarbeit. Aaron wollte Merthin vor Schaden bewahren und genauso war es auch umgekehrt, so konnten sie sich gut unterstützen. Mussten aber auch aufpassen, dass ihre Sorge füreinander kein Hindernis wird und sie in entscheidenen Momenten nicht zurückhaltend sein ließ, wo es nicht angebracht wäre. Wieder eine Lehre des Königs. Viel Nähe führte auch zu Schwächen, da man nicht mehr logisch und rational entscheiden konnte, wenn eine geliebte Person in Gefahr war. Fehler waren vorprogrammiert und damit der eigene Untergang, daran glaubte der König ganz fest. Für Aaron hatte diese Aussage zumindest nie Sinn ergeben, schließlich konnte man im Gegenzug auch auf die Hilfe des anderen vertrauen und das war doch eher eine Stärke, als eine Schwäche. Aber zum ersten Mal hatte Aaron auch das Gefühl jemanden zu haben, dem er genau dieses Vertrauen schenken konnte und auch wollte. Ihr Zusammenhalt würde sie stärken, nicht schwächen, Corvo lag falsch.
 

Schnell befreiten sie noch die verängstigten Tiere aus dem Stall, welche sofort das Weite suchten. Hoffentlich hatten sie alleine überhaupt eine Chance, aber das war besser als sie hier eingesperrt zu lassen. Aus dem Stall besorgten sie sich noch alles für Pferde, damit sie die stolzen Tiere besser reiten konnten. Aaron hatte eigentlich eine handvoll eigener Pferde, da es sich als adliger und Prinz so gehörte, schöne, starke und best gezüchtete Pferde im Stall zu haben. Aber wie an so vieles kamen sie an diese momentan nicht ran und die zwei, die Merthin dabei hatte, waren gewiss nicht 'schlechter'.

Aaron nahm sich automatisch das Pferd, das Merthin eben bei seiner Ankunft nur mitgeführt hatte. Ein weißes Pferd mit grauer Mähne und vereinzelten schwarzen Flecken an den Hinterläufen. Nachdem die Pferde gesattelt waren, konnten sie sich auch schon auf den Weg zurück zu ihren Sachen machen. Es war angenehm zu reiten und nicht laufen zu müssen, auch wenn Aaron es vermisste Merthins Hand dabei zu halten. Auf diese Weise kamen sie recht schnell bei ihrem Nachtlager an, wo zum Glück noch ihre ganze Ausrüstung auf sie wartete. Aaron nahm seinen angedachten Rucksack, packte sein Buch, das geheimnisvolle Ding, das er Merthin erst später in aller Ruhe zeigen wollte und die kleine Vase hinein, die Aaron vom Hof mitgenommen hatte. Die Waffen band er etwas unwillig um seine Hüfte, kam sich damit schon ein bisschen seltsam vor, da er es einfach nicht gewohnt war. Auf der anderen Seite fühlte er sich mehr wie ein ganz anderer Mensch, wie ein Abenteurer auf seinen Reisen, das war wieder ein angenehmer Gedanke.

Kurz noch ließ Aaron Merthin die kleine Verletzung an der Schulter verarzten, immerhin wollte er Merthin keine weiteren Sorgen bereiten und gegen ihn kam er auch gar nicht an. Zudem wäre eine Infektion der Wunde in der Tat kein Spaß.

Dann brachen sie auf.

Rückkehr

Aaron

Gut vorbereitet waren sie weitergezogen und kamen dank der Pferde besonders gut voran. Ihr Ziel war 'die Mühle', wo sie Merthins Familie wieder treffen wollten. Sie kamen etwas schneller dort an als geplant, da sie zu Pferd natürlich schneller waren und Aaron hoffte, dass der Trupp auch schon dort war. Direkt hinter der Mühle lag ein kleines, sehr dichtes Waldstück, abgetrennt von einem großen Fluss, an dessen Ufer die Wassermühle kräftig arbeitete. Die Strömung war stark, aber im Uferbereich schwächer, sodass man zwar Schwierigkeiten haben dürfte, den Fluss schwimmend zu durchqueren, aber am Ufer entlang gehen war machbar. Es war Nachmittag und die Sonne färbte die breiten Wiesenflächen rund um den Fluss golden. Wenn es eine andere Situation wäre, wenn sie nicht gerade auf der Hut sein müssten, könnte man hier wirklich seine Sorgen für einen Moment vergessen. Aber wenigstens ein bisschen die Schönheit der Natur genießen zu können, war hoffentlich dennoch drin.

Je näher Merthin und Aaron der Mühle kamen, desto langsamer wurden sie, bis sie schließlich abstiegen und die Pferde zu Fuß weiter führten. "Wo genau treffen wir die anderen denn...?", fragte Aaron leise, während er sich weiterhin vorsichtshalber in der Umgebung umschaute. Gerade hatte Aaron dies ausgesprochen, ertönte ein leises "Hey ihr zwei, hier lang!", einer bekannten Stimme. Monty saß hinter ihnen auf einem Baum. Er winkte ihnen grinsend. Soldaten überwachten den Trupp. Schließlich hatte sich die Spur des Prinzen bei diesem zwischen den Zelten verloren.
 

Merthin

Die Pferde waren fit und wirkten gelöst… Vermutlich hatten die Tiere auch gespürt, dass ihr Besitzer negative Energie ausstrahlte.

Es war schon später Abend, als sie sich der Mühle näherten. „Wir müssen davon ausgehen, dass der Tross von deinem Vater überwacht wird“, sagte er zu Aaron, als er seinen Falben zügelte und abstieg. „Die Mühle liegt an einem Fluss, freie Sicht auf die Umgebung. Nur an einer Stelle ragt der Wald nahe an die Mühle heran, dort werden sie die Pferdekoppel aufgebaut haben. Ich glaube, wir sollten uns darüber einschleichen…“, erklärte er seinen Plan und ergriff wie automatisch die Hand des anderen. „Wir müssen vorsichtig sein…“
 

Und so liefen sie durch den Wald, führten die beiden braven Tiere hinter sich her und Merthin wartete angespannt auf bekannte Vogelstimmen, die ihm unter Umständen Informationen geben würden. Hin und wieder pfiff er selbst, lauschte, ob eine Antwort kam. Aber nichts… Als Aaron fragte, wo sie auf den Tross treffen würden, dachte er gerade darüber nach, die Pferde zurückzulassen, um sich zu Fuß leiser nähern zu können, als er Montys Stimme hörte und er sichtlich erschrak. Der Kerl hatte ihn sicher schon mehrmals gehört und sich den Spaß erlaubt, dass sie unter ihm durchgelaufen waren. Der lange Lulatsch ließ sich vom Baum gleiten und grinste sie an. „Ihr seid ganz schön laut dafür, dass dort vorne schon ein paar nette Freunde im Gebüsch warten…“, sagte er mit einem Grinsen in der Stimme, bevor Merthin auf seinen besten Freund zuging und ihn fest umarmte, ihn einfach ein wenig festhielt. Dieser klopfte auf den Rücken und erwiderte die Umarmung. „Ich hab dich auch vermisst, Kleiner…“ Er brauchte das gerade… „Schön dich zu sehen, Monty!“, sagte er und löste sich von ihm wieder. "Hey Aaron!", begrüßte der Jongleur nun auch den Prinzen. "Schön, dass ihr zusammen hier seid!" Merthin freute sich, dass Monty das so sagte - irgendwie. „Und ihr wurdet überwacht?“, fragte er dann aber nach. „Aber logo! Offenbar fehlt ihnen etwas Kostbares, - Monty blickte Aaron an – oder sie spüren, dass ihr beide Scharlatane seid…“ Monty grinste breit. „Marie meint, dass man euch beide spüren könnte, wenn man ein wenig darauf achtet. Daher hat sie mich heute losgeschickt, auf euch zu warten. Dabei habe ich nicht vor übermorgen mit euch gerechnet… Aber seid ein Par Stunden wusste ich auch, dass ich nicht umsonst warte.“ Monty hatte eine ähnliche Begabung wie Marie, nur noch nicht so stark ausgeprägt. Und er wusste von Merthins Fähigkeiten. Sie waren wie Brüder und hatten keine Geheimnisse voreinander - auch was seine Magie betraf. Und auch Marie redete offen mit Monty. Sicher hatte sie ihm auch erklärt, dass Aaron nicht irgendwer war, sondern auch jemand mit Magie im Blut. Dass er der Prinz war, würde sie aber sicher nicht verraten haben. „Dann will ich euch mal zu den anderen bringen. Ich dachte mir schon, dass ihr euch über die Koppel anschleicht. Das passt gut. Es wird bald dunkel sein, so dass niemand mitbekommt, dass ihr gekommen seid. Das Lager ist so aufgebaut, dass ihr beiden unbemerkt bleiben könnt, solange ihr nicht aus dem Kreis herausgeht…“ Merthin nickte. Einen Moment hatte er Angst gehabt, dass sie gar nicht ins Lager könnten, weil es zu gefährlich war, dass sie gesehen werden könnten. Dabei brauchte er dringend mal wieder eine Erdung durch Marie und Sarah…

Er blickte zu Aaron und lächelte aufmunternd. „Wird Zeit, dass wir mal wieder an einem Ort schlafen, an dem wir keine Angst vor dem Bösen haben müssen… Und ich freu mich schon, dass ich mal wieder etwas Warmes zu essen bekomme. Er ergriff erneut die Hand des anderen und sie folgten Monty zum Rand der Koppel, wo sie die Pferde absattelten und in die Koppel führten. Dann bahnten sie sich den Weg durch die Gruppe Pferde, die friedlich im Sonnenuntergang grasten.
 

Im Lager wurde Merthin freudig von allen begrüßt, aber er hielt sie nicht lange am Feuer auf, um das viele saßen. Er selbst steuerte mit Aaron sein Zelt an, das für sie bereits hergerichtet worden war. Er war müde und erschöpft, aber vor allem unendlich glücklich, zu Hause zu sein. Dennoch nutzte er den Moment Ungestörtheit, um sich zu Aaron umzudrehen und zu ihm zu treten. „Alles in Ordnung?“, fragte er nach und sah ihn fragend an. „Geht es dir gut? Was macht der Arm?“ Doch noch bevor der andere antworten konnte, stürmte Jenna ins Zelt, sprang auf ihn zu und hüpfte ihm kurzerhand auf den Arm. Merthin fing sie erschrocken auf und fand sich in einer innigen Umarmung wieder. Irgendwie war es ihm gerade etwas unangenehm, aber er sagte nichts. Eigentlich freute er sich ja, sie zu sehen. „Schön, dass du wieder da bist, Merthin!“, sagte sie und grinste ihn an, blickte dann zu Aaron und ihr Lächeln erstarb. Merthin ließ sie von seiner Hüfte hinuntergleiten. „Bleibst du?“, fragte sie nun Merthin und sah wieder nur diesen an. Merthin fiel auf, dass sie Aaron gar nicht begrüßt hatte. „Wir werden nicht lange bleiben, aber ein paar Tage Kraft tanken wird wohl drin sein“, erklärte er und sie nickte langsam. „Marie ist bei Falk. Sie würden euch gerne sehen…“, richtete sie ihm nun aus, weswegen sie eigentlich gekommen war. Merthin nickte und sah zu Aaron. „Dann lass uns mal gehen…“
 

Aaron

Auch Aaron erschrak etwas, als jemand sehr unverhofft neben ihnen auftauchte. Aaron hatte die ganze Zeit einfach zu sehr auf die Umgebung und auch auf Merthin geachtet, welcher mit Vogelrufen immer wieder versucht hatte Kontakt zu seiner Familie aufzunehmen. Bisher hatte keiner geantwortet gehabt, doch anscheinend waren seine Bemühungen dennoch nicht umsonst gewesen. Monty hielt sie gerade noch rechtzeitig auf, bevor sie in einen Hinterhalt laufen konnten, den die königlichen Soldaten in der Nähe aufgestellt hatten. Die ganze Schausteller Truppe brachte sich damit in Gefahr, dass sie Merthin und Aaron in ihre Mitte ließen und dennoch schien es in diesem Punkt keinerlei Diskussion zu geben.

Erfreut beobachtete Aaron, wie Merthin seinen Freund umarmte und dieser ganz offensichtlich nicht minder glücklich über ihr Wiedersehen war. Ihre Nähe war offensichtlich und das verleitete Aaron zu einem ebenso glücklichen lächeln. Auch wenn Merthin ein Freigeist war, so hatte er immer ein Zuhause, zu dem er gern zurückkehrte, mit vielen Menschen, die ihm wichtig waren. Wenn man bedachte, dass der Blonde seine wahren Eltern und Wurzeln gar nicht kannte, war dies ein unbeschreibliches Glück für ihn. Ein bisschen überrascht war Aaron, als auch er eine Begrüßung von Monty erhielt, die er sogleich mit einer höflichen Handbewegung erwiderte. Aaron hatte gar nicht nachgedacht, sondern seine erlernte Höflichkeitsbegrüßung angewandt, dabei hatte er gar nicht so distanziert wirken wollen, erst recht nicht, nachdem er gesehen hatte, wie vertraut Merthin mit ihm umging. "Hey..!", erwiderte Aaron daher noch locker, so, wie Monty auch ihn begrüßt hatte, in der Hoffnung, dadurch wieder etwas Distanz rauszunehmen. Aaron wollte sich mit Merthins Freunden und Familie gut stellen, irgendwie war es ihm wichtig, von ihnen akzeptiert und anerkannt zu werden.

Fest umschloss Aaron wieder Merthins Hand und lief hinter ihm und Monty her, direkt über die Koppel, wo sie ihre Pferde zu denen des Trupps stellen konnten. Aaron dachte in diesem Moment auch nicht darüber nach, das dies für sehr aufmerksame Soldaten ein Indiz sein könnte, wenn plötzlich zwei Pferde mehr auf der Koppel standen als die ganze Zeit zuvor. Mit einem guten Gefühl von Sicherheit folgte Aaron danach weiter den beiden anderen über die Koppel auf den Rastplatz der ganzen Gruppe zu. "Ja, das wäre angenehm. Hätte auch ein bisschen Hunger", antwortete Aaron nun ein bisschen verspätet auf Merthins Worte mit einem Grinsen.

Im Lager selbst herrschte eine angenehme Stimmung, die Begrüßung von Merthin war herzlich und auch Aaron bekam nette Worte zum Gruß gesagt. Der Prinz hatte dabei gar nicht das Gefühl, dass er ja eigentlich fremd war und erst das zweite Mal bei der Gruppe als Gast zugegen war. Auch das war ein wesentlich Unterschied zu der Gesellschaftsschicht, aus der er stammte, da blieb man auch nach vielen gemeinsamen Feierlichkeiten auf gewisse Weise immer ein Fremder. Aaron würde wohl noch ein bisschen brauchen, bis er sich daran gewöhnt haben würde, dass das einfache Volk keinen wirklichen Unterschied zwischen den Menschen machte und gewiss wären sie auch gegenüber Adligen anders, wenn die Adelsgesellschaft mehr von ihrer Distanz abbauen würden.

Nach der Begrüßung war Aaron froh, dass er Merthin zu dessen Zelt folgen konnte, wo sie wieder unter sich waren. Sogleich wandte sich Merthin ihm zu und fragte sehr fürsorglich nach Aarons Befinden, was diesen schon ziemlich verlegen machte. Leider kam er nicht zu einer Antwort, denn gerade, als er den Mund geöffnet hatte, stürmte wer anderes ins Zelt, hechtete an Aaron vorbei, wobei dieser ein Stück zur Seite gedrückt wurde und im nächsten Moment sah Aaron bloß noch rotes Haar und eine kleine, schlanke Gestalt eng an Merthin hängen. Nun, Aaron hatte ja nun mehrfach mitbekommen, das man sich hier allgemein näher kam, als die Etikette es besagte, aber das war irgendwie noch eine Stufe mehr. Sachte legte Aaron seinen Kopf schief, während er die Szene vor sich betrachtete und überlegte schon, ob er etwas verpasst hätte, als sie ihren Blick zu Aaron schweifen ließ. Sogleich richtete sich Aaron wieder gerade auf und erhob genau wie bei allen anderen seine Hand zum Gruß, doch anstatt einer Erwiderung der Geste, erstarb ihr Grinsen und sie wandte sich wieder Merthin zu. Verwirrt von dieser Abweisung blieb Aaron still, während die beiden noch kurz redeten. Es war ja nicht so, dass Aaron abweisende Leute nicht schon zu genüge kennen gelernt und mit ihnen umzugehen gelernt hätte, aber im Vergleich zu den anderen im Lager war das ein auffällig anderes Verhalten. Sonderlich angenehm war es zudem wirklich nicht mitanzusehen, wie sie sich an Merthin rangeschmissen hatte, nicht nur, weil es Aaron von Haus aus nervös machte, Intimität in vielen Formen mitzuerleben, da war einfach irgendwie noch was anderes.

Zum Glück wurden sie dann zu Falk Rosario, dem Oberhaupt der ganzen Truppe, gerufen, wo Aaron jetzt wirklich wesentlich lieber war.
 

Merthin

Falk begrüßte sie und machte Aaron klar, dass er hier ein gern gesehener Gast war. Er erklärte ihnen die Lage hinsichtlich der zwei Soldaten, die sie beobachteten. Dann fragte er sie nach ihrer bisherigen Reise. Merthin wusste, dass Marie und Falk mehr wussten, als sie je kommuniziert hatten, dennoch hielt er sich zurück Er hatte noch immer keine Gelegenheit gehabt, mit Aaron darüber zu reden, was jener bereit war, zu verraten. Und irgendwie fühlte er sich im Moment ihm verbundener als Falk. Daher antwortete er nicht konkret auf die Frage, sprach nur davon, dass sie ein paar unschöne Begegnungen gehabt hätten. Er wollte erst mit Aaron alleine reden, was Falk wohl auffiel, denn er entließ sie wieder.

Als sie wieder vor das Zelt traten, hatte er endlich die Möglichkeit und so ergriff er wieder Aarons Hand und zog ihn ein Stück weiter in Richtung Koppel. „Entschuldige“, sagte er leise und blickte den anderen in der Dunkelheit an. Der Mond schien hell und so konnte er im Dunklen gut die Augen des anderen sehen. „Wir haben zu wenig darüber gesprochen, wie du es handhaben möchtest, was das betrifft, was wir erfahren haben und wissen. Und vor allem, wie du mit deinen Fähigkeiten umgehen möchtest. Ich hoffe, ich habe dich nicht schon irgendwie verärgert…“
 

Aaron

Das Gespräch lenkte die Gedanken ab und bot Vertrautes, da Falk immernoch so angemessen höflich mit Aaron sprach, auch wenn dies im ersten Moment seltsam für Aaron war, nach all der lockeren Mundart mit Merthin. Inzwischen ahnte auch Aaron, dass Falk von seiner Herkunft wissen musste, aber vielleicht war das auch ganz gut so. Umso überraschender aber war es, das Aaron von ihm offiziell als willkommener Gast empfangen worden war. Es wirkte nicht wie reine Höflichkeit verbunden mit Loyalität dem Königshaus gegenüber, es musste andere Gründe haben.

Aaron war froh, dass Merthin nicht zu viel verriet und oberflächlich in seinen Erklärungen blieb. Sie würden noch besprechen müssen, wieviel sie anderen mitteilen wollten und was sie lieber für sich behalten sollten. Merthin schien genauso zu denken, denn direkt nach dem wichtigen Gespräch zog dieser Aaron Richtung Koppel, wo sie erneut unter sich sprechen konnten. Die Schönheit dieser Nacht hatte sich vorhin schon angekündigt, denn genauso, wie die untergehende Sonne alles vergoldet hatte, so tauchte der Vollmond die Landschaft nun in sein weißes Licht, das die Dunkelheit soweit vertrieb, sodass Aaron keinerlei Schwierigkeiten hatte, Merthin vor sich zu sehen.

Merthin sprach sanft und fürsorglich, zeigte Achtung und Interesse an Aarons Meinung und bezog ihn mit ein, das beeindruckte Aaron nicht nur, sondern ließ ihn tief aus seinem Innersten Glück empfinden. "Ich würde mich wohler fühlen, wenn nur wenige Menschen von meinen Fähigkeiten wüssten. Seit ich von deiner Magie weiß, gefühlt habe, wie viel Gutes deine Kraft ausstrahlt, habe ich ein anderes Bild meiner eigenen Magie erhalten und so konnte ich sie dir schließlich offenbaren. Doch nicht jeder ist von Magie auf diese Weise berührt wie ich es war und es auch jetzt noch jedesmal aufs Neue bin", sprach Aaron leise und ehrlich. Er hatte das Gefühl vollkommen offen zu Merthin sein zu können, da dieser sich so um ihn kümmerte, in mehrere Hinsicht. Vielleicht trug nicht nur die anmutige Natur dazu bei, dass Aaron nun die Hand des Blonden erhob und sich selbst an die Wange führte, sondern auch dessen offene Zuwendung für den Prinzen. Leicht drückte Aaron sich Merthins Hand seitlich an die Wange, lehnte seinen Kopf in dessen Handfläche, behielt dabei den Blick in Merthins helle Augen, die im leichten Licht vom Mond noch besser zur Geltung kamen. "Ich weiß, du bist immer auf meiner Seite und ich vertraue deinem Urteilsvermögen", begann Aaron zu sagen, schien sich Merthin doch Sorgen zu machen, dass er falsch gehandelt hatte. Aber dem war absolut nicht so. "Du-", wollte Aaron noch klar sagen, dass Merthin richtig gehandelt hatte und sie den dämonischen Part aus ihren Erzählungen an andere lieber raus lassen sollten und Aaron demnach auch nicht verärgert war, als ihm das Wort abgeschnitten wurde. Jenna war zu ihnen getreten und stemmte die Hände in die Hüfte. "Merthin, ich hab dich gesucht", sprach sie nun und Aaron ließ etwas erschrocken die Hand des anderen los. Jenna hatte sich so nahe zu ihnen gestellt und schien sich vor Aaron schieben zu wollen, um im Blickfeld des Blonden zu stehen und so dessen Aufmerksamkeit zu erhalten. Aaron blieb nichts anderes über als einen Schritt zurück zu treten. "Lass uns einen Trainingskampf machen, ich habe eine neue Technik entwickelt, während du unterwegs warst", schlug sie vor. Jenna hatte während dem Treffen mit Falk ein Stück Abseits gewartet und war ihnen gefolgt, als Merthin und Aaron das Zelt des Oberhauptes verlassen hatten. Ob sie von Anfang an vorgehabt hatte, mit Merthin zu trainieren, da sie früher auch gerne mal m Mondlicht noch zusammen trainiert hatten, oder ob sie das nun als Ausrede dafür nahm, den Moment der beiden Magier zu unterbrechen, blieb wohl ihr Gehemnis. Zumindest war offensichtlich dass sie Merthins Aufmerksamkeit haben wollte, besonders in den Momenten, wo er diese Aufmerksamkeit Aaron schenkte. "Wäre nicht morgen besser geeignet?", sprach Aaron. Immerhin war Merthin gewiss auch erschöpft, wollte vielleicht noch eine Kleinigkeit essen und dann ins vertraute Bett schlüpfen. Am nächsten Tag hätte er gewiss viel mehr Konzentration und Kraft für einen Übungskampf als jetzt. Aber Jenna ignorierte das Gesagte des Prinzen, blickte einfach weiter Merthin an, dem sie mit ihrem besten 'Bitte, bitte' Blick in die Augen schaute. "Komm schon, Merthin.", fügte sie nochmal etwas eindringlicher hinzu.
 

Merthin

Es waren kleine Dinge, an denen Merthin deutlich spürte, dass Aaron noch immer unsicher war, wenn es um den Kontakt mit anderen außer ihm ging. Die etwas fehl am Platze wirkende Begrüßung Montys, die stille und höfliche Zurückhaltung bei Gesprächen mit anderen, sein aufmerksamer Blick… Vielleicht lag es aber auch daran, dass Merthin das Gefühl hatte, sich um Aaron kümmern zu wollen, für ihn da zu sein in dieser ihm fremden Welt. Es war anders als beim letzten Mal, wo es ihm fast ein wenig egal gewesen war, ob sich Aaron hier wohl fühlte oder nicht. Damals hatte er ihn als einen von den reichen Schnöseln gesehen, die sich für etwas Besseres hielten. Das war jetzt wahrlich nicht mehr so. Und er war Aaron dankbar dafür, dass er versuchte, auch was seine Familie und Freunde betraf lockerer zu werden. In ihrer ungewissen Zukunft war seine Familie vermutlich das, worauf er sich wirklich verlassen können musste und wem er wirklich vertraute. Aaron hatte auch sein Vertrauen und er würde sich auf ihn verlassen müssen. Aber noch war nicht vergessen, woher jener kam, was ihn sein Leben lang geprägt hatte und auch die Angst, dass der Prinz sich seinem Vater mehr verpflichtet fühlen würde, als er das jetzt vielleicht selbst sagen würde, war noch immer in Merthins Herzen, auch wenn die Furcht davor in den vergangenen zwei Tagen gesunken war. Sie hatten schließlich schon Seite an Seite gegen das gekämpft, war durch König Corvos Machtgier hervorgebracht worden war. Jetzt sah er mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen gerne zu, wie Aaron sich hier bewegte, seinen Freunden gegenüber. Und er rechnete ihm den Willen, sich integrieren zu wollen, hoch an.

Merthin freute sich, wieder hier zu sein, fühlte sich wieder entspannter, sicherer. In den letzten Tagen war er ständig unter Hochspannung gewesen, was ihm aber jetzt, da er einfach mal ausschnaufen konnte, weil er wusste, dass andere auf sie aufpassten, deutlich auffiel. Er spürte, wie müde er war, dass sein Körper dringend Erholung brauchte – und dass er sie hier bekommen würde. Und doch war da auch ein wenig Wehmut danach, allein zu sein mit Aaron. Sie hatte auf niemanden Rücksicht nehmen müssen und wurden auch nicht ständig beobachtet und… unterbrochen. Sie hatten offen miteinander sprechen können, was sie nun aber nachholten. Der Akrobat nickte, als Aaron seine Vermutung bestätigte, dass er nicht zu viel Wind um seine Fähigkeiten machen wollte. Es war generell besser, wenn man ihn vielleicht auch ein wenig „unterschätzte“. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als jener seine Magie als positiv beschrieb und dass er dadurch auch zu seiner Magie eine andere Einstellung erhalten hatte. „Da hast du recht. Zumal ich heute auch deutlich gespürt habe, dass diese Kraft auch unberechenbar werden kann. Das Feuer in der Scheune wütete voll Hass, ich hätte keine Chance gehabt, es einzudämmen oder unter Kontrolle zu bringen, auch wenn ich das Gefühl habe, dass es mich mit den Gefangenen hatte entkommen lassen, bevor es wirklich zerstörend gewesen war." Einen mimen stützte er. Ob in dem Feuer sich die negative Energie des Dämons entladen hatte? War der Dämon ein Feuerdämon gewesen? Hatte die Berührung deshalb so auf seiner Haut gebrannt? Er schon den Gedanken beiseite. "Unsere Magie hat Gutes und Schlechtes an sich. Aber es freut mich zu hören, dass du ein positives Gefühl bei der meinen hast. Wir haben beide ja schon gesagt, dass wir trainieren müssen… Mal sehen, inwiefern das vielleicht sogar hier möglich ist. Aber wir müssen es unbedingt machen, gerade weil du deine Macht so lange unter Verschluss gehalten hast. Als ich jünger war und meine Fähigkeiten erst entdeckt habe, hatte mich Marie gewarnt, sie zu verstecken. Sie sagte, dass die Magie das als Kränkung empfinden konnte und sich dadurch auch gegen ihren Besitzer richten kann. Ich möchte nicht, dass das bei dir passiert und du irgendwann gegen dich selbst kämpfen musst…“ Als Aaron seine Hand an seine Wange führte, war Merthin etwas überrascht, aber es war ihm nicht unangenehm. Er ließ es zu und spürte durch die Berührung jene Ruhe in sich, die Aaron so oft auf ihn hatte. Reflexartig strich sein Daumen sanft über die Wange des anderen, während er seinen Blick erwiderte. „Danke“, sagte er leise, als der andere ihm sein Vertrauen aussprach und erwischte sich dabei, wie er auf die Lippen des anderen blickte und das Gefühl hatte, diese küssen zu wollen. Er schluckte, als er merkte, dass diese Situation hier gerade in eine Richtung lief, die etwas in seinem Inneren kribbeln ließ. Ob Aaron wusste, wie schön er war?

Merthin erschrak fast zu Tode, als Jenna mit einem Mal neben ihnen auftauchte und sich… ja… irgendwie zwischen sie beide drängte. Sein Herz klopfte schwer gegen seine Brust und es fühlte sich ein wenig so an, so als sei er bei etwas Verbotenem erwischt worden. Irritiert, woher sie so plötzlich unbemerkt gekommen war, blickte er Jenna an, während Aaron seine Hand bereits losgelassen hatte und zurückgetreten war. So ganz umriss er die Situation noch nicht, aber er merkte, dass es ihn störte, dass seine langjährige Freundin und Wegbegleiterin hier so auftrat. Doch er wollte sie auch nicht verärgern. Schließlich war sie ihm wichtig. War Monty sein Bruder, so war Jenna seine Schwester – wobei ihm später bewusst werden sollte, dass sie darüber hinaus offenbar sich immer noch mehr erhoffte.

„Jenna“, begann er langsam, unsicher, was er wollte. Tatsächlich interessierte es ihn, welche Technik sie erlernt hatte, aber andererseits wollte er eigentlich heute nur noch etwas essen und dann in sein Bett kriechen… „Das klingt spannend“, sagte er nun und meinte das auch wirklich so, „aber ich bin hundemüde und schon seit Sonnenaufgang auf den Beinen. Du hast keine Ahnung, was ich heute schon erlebt habe und eigentlich will ich einfach nur noch etwas essen und schlafen. Aber morgen früh trainieren wir gleich! Versprochen. Das wird mir gut tun…“ Er lächelte sie an, hatte sich wieder gesammelt und ergriff ihre Hand, um sie ein wenig zu besänftigen, denn ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. „Komm und leiste uns Gesellschaft, während wir essen. Ihr müsst mir noch erzählen, was die Soldaten gemacht haben…“ Merthin sah Aaron an und er fühlte sich etwas komisch. „Lass uns zum Versorgungszelt gehen. Ich habe vorhin gerochen, dass es frisches Brot gibt und bestimmt ist noch eine Suppe da…“ Er lächelte den anderen an und hoffte, dass er auf Jenna nicht böse war… Aber wieso eigentlich? Irgendwie war das eine ungewohnte Situation für ihn, sehr ungewohnt. Was war nur los mit Jenna, dass sie hier so auftrat?
 

Aaron

Magie zu unterdrücken bedeutete eine Kränkung der eigenen Energien im Körper? Konnten so im Grunde positive Energien entarten? Merthins Beispiel mit der brennenden Scheune zeigte, wie überwältigend mächtig die Elemente waren und wie viel Selbstbeherrschung und Power es einem Menschen abverlangte, diese immense Energie unter Kontrolle halten zu können. Wenn sie trainierten, ihre Magie nicht nur kontrollierter einzusetzen, sondern die eigene Kraft auch zu respektieren und diese Macht auch nicht für Anderes zu missbrauchen... wäre es ihnen dann möglich, selbst solch starke Ausbrüche der Elemente unter Kontrolle zu halten? Dass Merthin selbst ein solches Inferno aus Flammen befehligen könnte...? Diese Gedanken waren teilweise beängstigend. Eine solche Macht zu führen, bedeutete Verantwortung und ein Leben im Einklang mit sich selbst. Konnte sein Vater, König Corvo, etwa genau das nicht bringen? War ihm diese Macht zu Kopf gestiegen, die die Magier ihm bieten konnten...?

Die selbst von Aaron herbei geführte Berührung von Merthins Hand an seiner Wange ließ ihn auch diese Sorgen für den Moment vergessen. Merthins Blick und sein leichtes Streicheln mit dem Daumen ließ ihn das Gefühl bekommen, dass sie sich allem stellen könnten, was da noch auf sie wartete. Ja, es war beängstigend. Aber mit Merthin zusammen wollte Aaron sich dieser Angst stellen und sie überwinden. Auch diese Gedanken brachten Aaron näher an Merthin heran, auch wenn der Prinz selbst nicht richtig merkte, wie sehr er Merthin mit jedem Tag mehr heranließ. Auch in diesem Moment hatte sich das Bedürfnis nach Nähe und Halt, doch war ihnen dieser Moment nicht gegönnt.

Jenna hatte die Szene gezielt unterbrochen, wahrscheinlich hatte sie nicht mit ansehen können, wie die beiden Nähe aufgebaut hatten. Aber wie Aaron sich schon gedacht hatte, war auch Merthin dafür, erstmal auszuruhen und das Training auf den nächsten Tag zu verschieben. Das gefiel Jenna sichtlich nicht, aber der Blonde ließ sie dennoch nicht einfach abblitzen, sondern bot ihr an, gemeinsam zu essen. Eigentlich wüsste Aaron keinen Grund, warum er dagegen sein sollte. Jenna mochte sich zwar körperlich zwischen sie drängeln, aber das änderte nichts an ihrer Verbundenheit. Nur... warum fühlte sich Aaron dann trotzdem unwohl? Das kleine Lächeln von Merthin erwiderte Aaron dennoch. Jener sollte nicht denken, dass Aaron sich wegen Jennas komisches Verhalten blöd fühlen würde. Nein, dem war ganz und gar nicht so... kein bisschen...
 

Merthin

Sie liefen schweigend hinüber zum Versorgungszelt und Merthin hatte das Gefühl, dass das hier alles ungut war. Vor dem Zelt, ließ er Jennas Hand los, die diese aber ihrerseits nicht losließ, so dass er sie irritiert wieder ergriff. Sie betraten das Zelt und Merthin sah, dass Monty bereits hier war, und ihnen etwas zu essen noch einmal erwärmt hatte. Sein bester Freund hob eine Augenbraue, als er seine und Jennas Hand erblickte. „Da hat wohl jemand Angst, dass das selbsternannte Eigentum abhandenkommt…“, kommentierte er trocken und Merthin warf ihm einen strafenden Blick zu. Musste er Jenna so direkt angehen? Wobei… Wie meinte Monty das? „Halt du mal die Klappe!“, schnauzte Jenna den hageren Mann auch direkt an. Merthin ließ nun etwas nachdrücklicher ihre Hand los, sah sie nicht an und ergriff den Brotkorb, während Monty zwei Schüsseln mit Suppe füllte. Merthin drehte sich zu Aaron. „Nimmst du uns zwei Becher Wasser mit?“, bat er ihn und lächelte ihn an. Dann wartete er, bis jener das Wasser aus dem Krug eingeschenkt hatte und gemeinsam gingen sie hinaus an einen der Tische. Noch bevor Merthin sich entscheiden konnte, wohin er sich setzen wollte, zog Jenna ihn neben sich auf die Bank und zwar so, dass Aaron sich gewiss nicht würde zu ihm setzen können. Dafür deutete Merthin ihm, er solle sich doch ihm gegenüber setzen. Schließlich war Aaron unsicher, das hatte er gemerkt. Ihn allein stehen zu lassen, nur weil bei Jenna die Hormone verrückt zu spielen schienen, störte ihn. So langsam begriff er, was hier Sache war. Und es überforderte ihn in gewisser Weise. Denn dass Jenna ihm einmal wirklich ein eindeutiges Angebot gemacht hatte, war ihm klar. Aber damals hatte er – so dachte er zumindest – ihr klar gemacht, dass er nicht bereit sei, eine feste Beziehung einzugehen. Warum führte sie sich jetzt so auf, als könnte Aaron ihr irgendetwas streitig machen?

Merthin versuchte Jenna so gut es ging zu ignorieren und aß in Ruhe seine Suppe. Monty kam nun auch dazu und setzte sich neben Aaron. „Ich hoffe, es schmeckt euch“, sagte er, um die Stimmung etwas zu lockern. „Wisst ihr schon, wie lange ihr bleibt?“ Monty war von Sarah und Marie angewiesen worden, dass er die Information streuen sollte, dass Aaron Merthin um Geleitschutz gebeten hatte. Was wirklich hinter all dem steckte, wusste er nicht. Aber er spürte mehr als ihm lieb war und wusste, dass er es lieber auch nicht so genau wissen wollte.

„Mich würde ja vor allem interessieren, warum wir auf unseren besten Feuertänzer verzichten müssen, nur weil Herr Castro – sie sprach es etwas abfällig aus - nicht allein auf sich aufpassen kann“, schaltete sich Jenna ein. „Und mir ist auch nicht klar, wieso ich nicht auch mitgehen darf.“ Merthin seufzte innerlich, blickte dann Monty an. „Wir bleiben maximal drei Tage“, sagte er und sah kurz zu Aaron. „Und die Aufgabe, für die Aaron mich braucht, sollte nicht zu viel Aufsehen erregen. Daher wäre eine Kriegerin sicherlich nichts, was uns hilft, unerkannt durch das Land zu reisen.“ Es klang vermutlich etwas bissiger als beabsichtigt. Aber Merthin war genervt. Dass Jenna sich angegriffen fühlte, war vorprogrammiert. „Nur weil diese beschissene Gesellschaft noch nicht begriffen hat, dass Frauen Männern in nichts nachstehen, errege ich Aufmerksamkeit. Aber mir ist das komplett egal! Ich nehme es mit den meisten Männern mit Leichtigkeit auf!“, fuhr sie ihn direkt an und Merthin blickte nun doch zu ihr. „Das weiß ich, Jenna. Aber darum geht es hierbei gar nicht!“, knurrte er und wollte noch etwas sagen, ließ es aber dabei. Er wollte sie nicht noch mehr verärgern, als er es offensichtlich ohnehin schon tat. Nun sah er kurz hinüber zu Aaron, blickte ihn einen Moment an, als wollte er sich zum einen entschuldigen für dieses Thema, zum anderen abschätzen, ob jener genervt war. Dann wandte er sich wieder der Frau neben ihm zu, die offenbar das Bedürfnis hatte, ihn ständig anzufassen, weil sie begonnen hatte, mit seinem Hemdsaum zu spielen. „Ob du es mir glaubst oder nicht, Jenna. Die Aufgabe, die mir Aaron gegeben hat, ist sehr wichtig. Ich ärgere mich nicht darüber, diese Reise antreten zu müssen.“ Damit aß er weiter und hoffte, dass er nun etwas Ruhe haben würde.
 

Aaron

Aaron folgte den beiden zum Versorgungszelt und fühlte sich ein bisschen wie das dritte Rad am Wagen. Jenna hielt Merthins Hand umfasst und schien nicht gewillt, diese wieder loszulassen. Natürlich könnte Aaron einfach Merthins zweite Hand ergreifen, aber in Anbetracht dessen, das Jenna und Merthin gut befreundet waren, hatte er als Gast weniger Befugnisse. Aaron wollte sich ja auch nicht zwischen die Freundschaft der beiden stellen, diese bestand wesentlich länger als seine eigene Freundschaft mit Merthin, auch wenn Aaron mehr und mehr das Gefühl bekam, Merthin schon wesentlich länger zu kennen. Dass dies auf gewisse Weise sogar stimmte, da sie sich ja bereits als Kleinkinder durch ihre magische Verbindung gefunden hatten, konnte der Prinz jedoch nicht wissen.

Montys Kommentar wegen dem Händchen halten der beiden langjährigen Freunde überraschte Aaron. Vorhin im Wald, als sie von Monty aufgegriffen worden waren, hatten der Prinz und Merthin sich auch an den Händen gehalten, dazu hatte dieser Strahlemann aber nichts gesagt. Und wie hatte er das mit dem 'Eigentum' gemeint? Damit war diese ganze Show, die diese rothaarige Frau an den Tag legte, aber noch lange nicht vorbei. Nun verhinderte sie durch geschickte Platzwahl, dass sich Aaron neben Merthin setzen konnte, was diesen gleich mal verunsicherte. Aaron ägerte sich ein bisschen über sich selbst, dass er so verloren schien, nur weil seine Bezugsperson mit jemand anderem beschäftigt war. Trotzdem ließ Aaron ihn nicht im Regen stehen, sondern deutete ihm den Platz gegenüber, wo sich Aaron auch sogleich hinsetzte. Die beiden Gläser Wasser stellte Aaron auf den Tisch und begann die warme Suppe zu essen, die wirklich lecker war. Seine Blicke konnte er dennoch nicht von der Szene vor sich abwenden, saßen die zwei ja auch direkt in seinem Blickfeld.

Man merkte schon an Jennas Wortwahl und Ausdrucksweise, dass sie keine hohe Meinung von Aaron hatte. Aaron dachte, dass sie wahrscheinlich so verärgert war, weil sie auch wusste, dass Aaron aus dem Adel stammte und es ihr missfiel, dass einer der ihren für ihn arbeitete, mit ihm reiste, sein Leben riskierte, um ihm Schutz zu bieten. Dem Prinzen war diese Geschichte recht, allerdings war es da schwer zu erklären, warum es ausgerechnet Merthin sein musste, den Aaron brauchte. Unbestritten war er auch ohne Magie ein guter und geschickter Kämpfer, aber das traf in gewisser Weise wohl auch auf Jenna zu, die ihren Standpunkt auch sofort mehr verdeutlichte. Sie wollte als Frau genauso anerkannt werden wie jeder Mann mit ihren Fähigkeiten, verständlich, aber darum ging es nunmal wirklich nicht. "Ich brauche Merthin nicht, weil er ein Mann ist. Es ist wie.... du... sagtest, er ist der Beste", mischte sich Aaron nun auch ins Gespräch ein. Er hatte sich sehr zusammen gerissen, Jenna zu duzen. Sie machte es ihm nämlich wirklich nicht leicht diese Distanz zu überwinden, da sie selbst sehr abweisend zu Aaron war. Aber Aaron wollte das nicht noch weiter verstärken, daher seine Bemühungen sie auf höfliche Weise, die nicht zu überzogen wirken sollte, zu beruhigen. "Soll ich mich dadurch jetzt besser fühlen?", pampte Jenna Aaron daraufhin an, welche verärgert war, dass Merthin sie wegen ihrer Weiblichkeit nicht dabei haben wollte. So glaubte sie jedenfalls. Es gab wieder einen Moment, an dem Aaron sein Herz ein bisschen hüpfen spürte, nämlich bei Merthins Aussage, dass die Aufgabe, die Aaron ihm gegeben habe, sehr wichtig sei und er sich nicht ärgere, diese gemeinsame Reise unternehmen zu müssen. Aaron ging es genauso. Mit einem glücklichen Lächeln schaute er Merthin an, welcher aber auch Blicke von Jenna erhielt, die allerdings weniger glücklich ausfielen.

"Wenn die Aufgabe so wichtig ist und du unbedingt reisen willst, dann nimm mich als Verstärkung mit dir!", versuchte sie es erneut. Aaron runzelte ein bisschen die Stirn. Ihm kam es immer weniger so vor, als wolle sie helfen, viel mehr wollte sie wohl in Merthins Nähe bleiben. Immerhin müsste sie, wenn es ihr wahrlich ums Helfen ginge, Aaron anbetteln, sie mitzunehmen und als zweiten Beschützer einzustellen, nicht Merthin. "Was würdest du dann machen, wenn ihr in eine brenzlige Situation geratet und du müsstest entscheiden, ob du Aaron oder Merthin aus der Patsche hilfst? Für den jeweils anderen würde die Zeit nicht mehr reichen", stellte nun Monty eine sehr ruhige Zwischenfrage, woraufhin er sich ziemlich giftige Blicke von Jenna einfing. Ihre Antwort war gewiss klar, sie würde Merthin wählen, ohne Wenn und Aber. Ihr Job als Beschützerin würde aber eine andere Entscheidung verlangen. Natürlich war das eine ungerechte Frage, aber es verdeutlichte ihre Intention hinter diesem Wunsch mitzukommen. "Wenn ich mitkäme, würde es gar nicht erst soweit kommen!", antwortete sie selbstbewusst, aber auch ausweichend. Sie wandte sich wieder Merthin zu. "Wenn ich dich erinnern darf... als wir die Brüder Witschnost erledigt haben, da warst du es, der strikt dagegen gewesen war, einem Mann wie ihm zu helfen. Und jetzt sagst du, dass es eine mega wichtige Aufgabe sei, ihn alleine zu beschützen?", Jenna schien das wirklich ausdiskutieren zu wollen, Merthin überzeugen zu wollen, dass er nicht zu viel Vertrauen in Aaron legen sollte. Sie konnte nicht akzeptieren wieder zurückbleiben zu müssen. Jenna hatte schon lange Gefühle für Merthin, die Abweisung hatte nichts daran geändert. Ihre Hoffnung, mit der Zeit vielleicht doch noch zu Merthin durchzudringen, war groß gewesen. Und jetzt tauchte irgendein milchgesichtiger Oberständler auf und machte Merthin schöne Augen, was sich dieser auch noch gefallen ließ. Nein, der einzige Vorteil eine Frau zu sein, war doch nunmal eine spezielle Beziehung zu einem Mann eingehen zu können, das sollte ihr nicht ausgerechnet auch noch von einem anderen Mann genommen werden! Sah Merthin denn gar nicht, wie er sich in etwas reinsteigerte, das gar nicht existierte?

"Okay, genug geredet", sprach Monty dann, um die Situation abzubrechen, bevor es schlimmer wurde. Jenna würde sonst ewig so weiter machen und außerdem driftete das Gespräch etwas ab. Das sollte Monty vermeiden. "Holt alle erstmal tief Luft, geht schlafen und morgen hat jeder wieder einen kühlen Kopf", fügte er hinzu und erhob sich. Aaron hatte seine Suppe nicht komplett aufgegessen, aber ihm war ehrlich gesagt der Appetit ein bisschen vergangen. Er fühlte sich unwohl dabei zuzuschauen und auch zu merken, wie sehr sie Merthin wollte. Wie sie die ganze Zeit an seinem Hemd und seinem Arm rumnestelte, nahe bei ihm saß, sich in gewisser Weise präsentierte und sich ihm aufdrängte. Aaron drückte seine Lippen aufeinander und erhob sich ebenfalls. "Ich würde mir dennoch gern morgen ein Bild deiner Fähigkeiten machen, wenn ich darf", murmelte Aaron höflich zu Jenna, um sie zu beruhigen und ein Thema zu finden, das sie zu mögen schien - außer Merthin. "Von mir aus", pampte sie wieder, diesmal aber etwas kraftloser, sie war anscheinend doch auch müde. Aber aufgegeben hatte sie gewiss noch nicht.
 

Endlich konnten Aaron und Merthin in Richtung Merthins Zelt gehen, wobei sich Aaron wieder automatisch Merthins Hand nahm. "Entschuldige, ich wollte nicht, dass du Probleme mit deinen Freunden bekommst. Vielleicht sollten wir doch mehr erklären, vielleicht versteht sie dann besser, warum sie nicht mitkann", versuchte Aaron Merthin auch irgendwie ein besseres Gefühl zu vermitteln. Für ihn war es gewiss auch nicht schön gewesen, sich derartig mit Jenna auseinander setzen zu müssen. Das allerdings nicht ihre Reise im Fokus von Jennas Anliegen stand, sondern ganz allgemein eine Eifersucht vorlag, da sie die Nähe zwischen Aaron und Merthin genau spürte, dachte Aaron da noch nicht. Es war irgendwie total verwirrend, das hatte Aaron auch noch nie gefühlt.
 

Merthin

Mit jeder Minute, die verging und in der sich Jenna so ungewohnt nervig verhielt, wurde Merthin gereizter und genervter. Er hatte hierauf gerade so gar keine Lust! Er hatte keine Lust, zwischen den Stühlen zu sitzen und das Gefühl zu haben, sich in irgendeiner Weise entscheiden zu müssen. Warum auch? Was sollte das für eine Entscheidung sein, die Jenna forderte? Zwischen ihr und Aaron? Was hatte das miteinander zu tun? Er liebte sie nicht und das hatte er ihr auch einmal versucht zu sagen. Sie waren befreundet und das würde ihnen niemand nehmen. Zumindest hatte ER nicht das Gefühl, dass Aaron in irgendeiner Weise Interesse daran hatte, sich in seine Freundschaften einzumischen... Und Aaron und er waren über die Magie verbunden. Sie waren durch eine Prophezeiung aneinander gebunden. Das war anders, irgendwie. Er mochte Aaron, sie waren zu Freunden geworden. Er hatte ihn gern in seiner Nähe, war ihm gern nahe und das, was er fühlte und spürte, wenn sie sich berührten, fühlte sich gut an. Er war der erste und einzige, der seine Magie entfesselte und spürte... Aber sie hatten definitiv eine andere Beziehung als eine solche, vor der Jenna Angst zu haben schien... Sie waren ja kein Paar.

Vermutlich lag es an dem fehlenden Wissen, das Jenna hatte. Wüsste sie von dem Hintergrund, würde sie sich anders verhalten. Ganz sicher! Dann würde sie doch sehen, dass zwischen ihm und Aaron eben eine magische Verbindung herrschte und nichts weiter... oder?

Merthin sah zu Aaron, als dieser Jennas Worte aufgriff und sagte, er sei der beste. Nun, er war der einzige Feuermagier. Daher war es nicht schwer, der beste zu sein. Angesichts dessen, dass der andere heute bewiesen hatte, dass er ganz gut auf sich allein aufpassen konnte, brauchte er ihn nur bedingt. Zumindest horchte Jenna auf. Weil er der beste Feuermagier war, brauchte er ihn? Merthin bestätigte ihm bereitwillig, dass er ihn gern begleitete... Er lächelte leicht und einen Moment sahen sie sich an. Dabei bemerkte er, dass auch dem Prinzen die Situation unangenehm war. Er musste das unbedingt irgendwie klären! Sobald wie möglich. Und nicht, wenn der jeweils andere dabei wäre...

Merthin ahnte nun auch, weshalb sich die Rothaarige so an ihn klammerte. Merthin mochte emanzipierte Frauen, er hatte sie darin immer unterstützt. Und gleichzeitig hatte er ihr damit die Partnerwahl schwer gemacht. Es gab wenig Männer, die das akzeptierten. Und ein wenig fühlte er sich dadurch vermutlich auch verantwortlich...

Dennoch rechtfertigte das nicht ihre patzige Zickerei, die sie hier Aaron gegenüber an den Tag legte.

Als Jenna nun den Vorschlag machte, mitkommen zu wollen, hob Merthin erstaunt die Augenbrauen. "Ich glaube nicht, dass ich das den ganzen Tag ertrage, wenn du so zickig bist...", rutschte ihm heraus und er erntete einen Knuff in die Seite. Aber er sah, dass Jenna in ihrer Verbohrtheit unsicherer wurde. Vielleicht würde sie sich dann endlich reflektieren... Monty rettete ihn aus der Situation, denn Merthin wusste nicht, was er sagen sollte. Die Frage war definitiv berechtigt. Angenommen, sie würden sie mitnehmen - was letztlich völlig undenkbar wäre, weil es für Nicht-Magier zu gefährlich war -, würde Aarons und seine Zusammenarbeit sicher nicht funktionieren. Sie mussten ohnehin noch lernen, miteinander und nicht nebeneinander zu kämpfen. Jenna wäre da keine Erleichterung.

Und Monty hatte recht: sie würde vermutlich ihn beschützen wollen, nicht Aaron.

Als sich Jenna an ihn wandte, blickte er aus seinen Gedanken auf und sah sie an. Vielleicht sollte er ihr wehtun, damit sie begriff? Er traute sich nicht. Nicht nur wegen ihr, auch wegen Aaron. Er wollte ihn nicht für seine Ruhe benutzen und in Verlegenheit bringen. "Dinge ändern sich", erklärte er knapp und hart. "Irgendwann wirst du verstehen, dass wir diese Unternehmung machen müssen und es wichtig ist, dass wir allein unterwegs sind. Und bis dahin musst du mir vertrauen, dass ich weiß, was ich tue. Ich vertraue dir schließlich auch, dass ich mich auf dich verlassen kann. Dass du uns alle hier weiterhin beschützt und mit klarem Verstand deinen Pflichten nachkommst. Dass wir hier sind, bringt euch wieder in Gefahr. Ich brauche dich hier, um unsere Familie und unser zu Hause zu beschützen, Jenna!" Seine Augen hatten ihren Blick eingefahren. Merthins Augen leuchteten schier golden und man sah, dass ihm wichtig war, dass sie das verstand. Und auch wenn ihre Grünen erst widerborstig zurückgeblickt hatten, gab ihr Widerwille unter den eindringlichen Worten nach.

Monty ging dazwischen, bevor sie etwas erwidern konnte. Merthin aß die Suppe leer und hoffte inständig, dass diese Diskussion erst einmal beendet war. Und Monty hatte recht. Vermutlich brauchten sie alle einfach Schlaf. Überrascht sah Merthin auf, als Aaron sein Interesse bekundete, morgen beim Training zuzuschauen. Und auch Jenna schien überrascht. Doch sie konnte offensichtlich noch nicht aus ihrer Haut und reagierte erneut pampig.
 

Draußen spürte er wieder Aarons Hand in der seinen und er stellte fest, dass es wirklich etwas anderes war, als Jennas Hand zu halten. Es war erstaunlich anders. Kurz drückte er die Hand aufmunternd, als Aaron begann sich zu entschuldigen. "Mach dir keinen Kopf", sagte er leise. "Sie bekommt sich wieder ein. Es ist nicht leicht für sie...", begann er, ließ Aaron dann aber weiterreden. Der Blonde nickte nachdenklich. "Vielleicht...", bestätigte er ihm. "Aber das sollten wir ihr nicht sagen, sondern sie spüren lassen... unter Umständen ergibt sich etwas beim Training morgen, okay?" Er sah den anderen an und lächelte. Sie waren vor dem Zelt angekommen und Merthin drehte sich zu Aaron. "Ich bin ein wenig der Halt für sie, den sie als starke Frau in einer von Männern dominierten Welt braucht. Sie weiß, dass ich sie bedingungslos akzeptiere, wie sie ist. Und gleichzeitig hat sie Angst, das könnte kein anderer Mann. Sie macht sich Hoffnungen, dass ich mehr möchte, als ein Freund für sie zu sein. Aber das kann und will ich nicht. Ich habe es ihr einmal gesagt und warum sie dich als Konkurrenz sieht, verstehe ich nicht." Er seufzte leicht, dann lächelte er und seine Augen blieben in Aarons hängen. "Uns verbindet etwas, das ist klar", sagte er leiser. "Vielleicht hilft es ihr, wenn sie spürt, was es ist...“ Merthin war sich sicher, dass es für sie einfacher wäre, es zu verstehen, wenn sie spürte, wie stark das war, was sie teilten. "Ich geh noch eine Runde. Ich brauche noch etwas frische Luft und Ruhe...", sagte er und beugte sich vor, um Aaron einen Kuss auf die Wange zu geben. Ein sanftes Kribbeln machte sich wieder in seinem Inneren breit. Was Magie alles bewirken konnte… "Außerdem kannst du dann in Ruhe ins Bett gehen..." Er lächelte leicht und trat dann zurück, die Hand noch nicht gleich loslassend, sondern sie kurz mitziehend, dann langsam aus der seinigen gleiten lassend. "Schlaf gut, Aaron, und schöne Träume!" Die Finger des anderen entglitten ihm schließlich und er drehte sich um, um den Kopf wieder frei zu bekommen.

Dass Marie mit einem Schmunzeln auf den Lippen sich nun zufrieden abwandte, um in ihr Zeit zu gehen, sah er nicht. Und er wusste auch nicht, dass Monty Jenna im Arm hielt, die beschämt von ihrem Verhalten und verwirrt von ihren Gefühlen war.

Er selbst ging zum Fluss hinunter und setzte sich eine Weile ans Ufer, um einfach die tosende Stille der Mühle zu genießen. Was waren das nur für seltsame Gefühle in ihm.
 

Aaron

Verstehend nickte Aaron, als er die Erklärung von Merthin zu Jenna hörte. Das ergab absolut Sinn. Merthin war nicht nur für Aaron eine Bezugsperson geworden, sondern auch für Jenna, welche sich bisher nur von Merthin vollständig verstanden und angenommen fühlte. Gewisse Parallelen zu Aaron waren nicht von der Hand zu weisen, vielleicht hatte auch das ihr das Gefühl gegeben, dass Merthin und Aaron mehr verband als die gemeinsame Aufgabe. Sie wusste schließlich, wie gut Merthin auf andere eingehen konnte und wie sehr seine verständnisvolle Seite, obwohl diese manchmal schamlos ehrlich und direkt war, einen bestärkte. Der Prinz war kein bisschen böse auf Jenna, hatte sogar eher das Gefühl, dass er ihre Gründe verstanden hatte und er wollte sich noch mehr Mühe geben, gut mit ihr auszukommen. Er wollte ihr Merthin ja nicht weg nehmen, auch wenn Aaron ebenso wenig zulassen wollte, dass sie ihn ganz für sich allein beanspruchen würde. Aber soweit würde es gewiss nicht kommen, allein schon weil Merthin niemand war, der sich einnehmen ließ. Das hatte dieser immer wieder betont. "Sie ist wahrlich stark und ich freue mich, das sie dich als Halt hat", antwortete Aaron ehrlich. Wer könnte sie besser bei ihrem Vorhaben, sich unter all den überheblichen Männern dieser Zeit zu behaupten, unterstützen, als Merthin?

Auch war Aaron dafür Jenna spüren zu lassen, welche Kräfte sie verband. Zwar könnte sie die Magie nie auf die Weise nachfühlen, wie Merthin und Aaron sie gegenseitig fühlten, aber sie könnten versuchen ihr einen guten Eindruck zu verschaffen. Gewiss bot ihr Trainingskampf eine Gelegenheit dafür, zumal sie eh ihre Magie etwas trainieren wollten. Das musste nicht nur heißen, die Magie kraftvoll aus dem Körper freilassen zu können, sondern auch unsichtbar, unterstützend einen Fluss herzustellen, der einen Vorteile im Kampf verschaffte. Aaron musste wieder an Merthins Worte denken; Magie zu unterdrücken war eine Kränkung. Aaron wollte daran arbeiten die Magie als einen Teil von sich anzunehmen und ihr einen gewissen Spielraum zu geben, ohne die Kontrolle zu verlieren.

Merthin hatte es mit nur wenigen Worten geschafft, Aarons inneres Durcheinander ein wenig zu glätten, mit den Gedanken zu Jenna ins Reine zu kommen und sich wieder wesentlich wohler zu fühlen. Er nickte wieder, es war verständlich das Merthin seine Ruhe haben wollte und außerdem hatte Aaron dadurch seine Zeit alleine, die er einfach brauchte. Zu mehr als das kam er aber erstmal gar nicht, da sich Merthin da bereits zu ihm beugte. Für einen winzig kleinen Moment hatte Aaron gedacht, Merthin würde seine Lippen küssen wollen. Allein das hatte aufgeregtes Herzklopfen ausgelöst, es war jedoch nicht weniger schön den Kuss stattdessen auf der Wange zu spüren. Leicht drehte Aaron ihm seine Wange hin, genoß das sanfte Gefühl seiner weichen Lippen auf der Haut und das Prickeln, das selbst noch nach seiner liebevollen Berührung mit den Lippen zu spüren war. Aaron hörte auf sich darüber Gedanken zu machen, ob das einzig von ihrer Magie herrührte, oder noch eine andere Art von Magie im Spiel war, es spielte auch keine Rolle. Es zählte nur das Gefühl dabei und das war alles andere als falsch.

Aarons Blick lag in Merthins Augen, während er spürte, wie dessen Hand langsam aus der seinen glitt. "Dir auch eine gute Nacht, später", antwortete er leise, mit einem kleinen Lächeln. "Merthin", fügte er noch leiser hinzu. Aaron mochte es wie Merthin seinen Namen sprach,es hatte sowas Persönliches, etwas Intimes, was gar nicht richtig zu beschreiben war. Glücklich wandte sich Aaron dann auch ab und verschwand im Zelt, ebenfalls ohne mitzubekommen, dass sie beobachtet worden waren. Scheinbar war Jenna nicht die einzige, der ihre Nähe aufgefallen war.
 

Im Zelt lag frische Nachtkleidung auf beiden Betten. In Ruhe zog Aaron sich um, dachte dabei an den Moment eben und auch an den kurz zuvor zurück und freute sich einfach. Diese gute Laune war nicht mehr so leicht zu trüben und Aaron nahm diese Stimmung auch mit in den Schlaf, nachdem er sich ins Bett gekuschelt hatte.

Zweikampf

Merthin

Er spürte eine Hand an einer Stirn, die sein Haar zurückstrich, er fühlte das Streicheln an seiner Wange, schließlich einen Druck an seiner Schulter, ein Rütteln. Doch er hatte so entspannt und tief geschlafen wie schon lange nicht mehr und der Weg aus diesem Schlaf war lang. Als er spürte, dass jemand neben seinem Bett kniete und versuchte, ihn zu wecken, streckte er sich leicht und murmelte den ersten Namen, der ihm einfiel: "Aaron?" "Nein!", zischte es zurück. "Du scheinst ja nur noch an ihn zu denken", hörte er Jennas Stimme. "Meinst du nicht, dass du dich etwas zu sehr in deine Aufgabe reinsteigerst?" Merthin blinzelte und blickte in ihr grinsendes Gesicht. "Steh auf, Faulpelz! Du hast mir ein Training versprochen!!! Ich warte draußen. So schön ist dein Luxuskörper auch nicht, als dass ich ihn mir ansehen wollte..." Damit glitt sie leise wie eine Katze aus dem Zelt. Merthin seufzte und wischte sich durch das Gesicht. Er wusste schon, warum er Männern den Vorzug gab. Frauen waren einfach undurchschaubar und völlig irrational! Oder war das ihre Art, sich zu entschuldigen? Vielleicht.

Er stand auf und zog sich etwas Leichtes an. Etwas Training würde ihm guttun und vielleicht war es gut für sie, wenn sie sich an ihm abreagieren könnte...

Jenna wartete vor dem Zelt. Auf Aarons Bett hatte sich nichts geregt. Sicher würde er jetzt, wo Leben ins Lager kam, bald erwachen und dann wäre er vermutlich eh froh, Platz für sich allein zu haben. "Na dann wollen wir mal", sagte Merthin und wog den Kampfstab in seiner Hand, den er sich noch geschnappt hatte. Gemeinsam gingen sie in einen etwas abgelegenen Bereich, der von Kutschen umgeben war und nahe am Fluss lag. Dort waren die Kisten mit dem Übungsmaterial deponiert. Die kleine Arena diente als Übungs- und Kampfplatz für die Vorbereitungen zu ihrer Show und zum Training ihrer kämpferischen Fähigkeiten. Jenna war eine hervorragende Bogenschützin und kämpfte ebenfalls gern mit ihrem Stab. "Willst du wirklich Nahkampf trainieren?", fragte Merthin sie nun, da sie in der Arena angekommen waren und er seinen Stab abgestellt hatte. Er ließ die Schulter etwas kreisen, dann deutete er ihr mit dem Kopf, ihm zu folgen. Sie joggten immer erst, bevor sie kämpften. So auch heute...

"Du hast doch selbst gesagt, dass ich da besser werden muss...", erwiderte sie nun, da sie nebeneinander her liefen. "Und du hast recht. Ein Bogen und ein Stab sind im Kampf gegen Schwerter nicht immer sinnvoll..." Einen Moment hatte Merthin das Gefühl, als wolle sie noch etwas hinzufügen, doch sie schloss den Mund. Eine schwere Stille herrschte einen Moment zwischen ihnen. Merthin spürte wieder ein wenig den Unmut von gestern und rief sich zur Ordnung. Sicher war es ihr unangenehm. "Es tut mir leid, dass ich gestern so zickig war...", begann sie seine Gedanken auszusprechen. "Ich bin nur irgendwie irritiert..." Er nickte und wartete, bis sie die Worte gefunden hatte, die sie loswerden wollte. „Du bist ein Einzelgänger, der sich nie binden wollte. Du lässt niemanden wirklich an dich heran. Aber wenn du ihn ansiehst, dann wirkt es so, als wäred ihr vom Schicksal auserwählt und das stört mich.“ Merthin schluckte. Jenna wusste ja gar nicht, wie recht sie letztlich hatte. Dennoch sagte er noch nichts. „Monty hat mir gestern gesagt, dass er über euren Auftrag auch nicht viel weiß, aber dass ihr eine gemeinsame Vergangenheit haben könntet. Ich weiß, wie sehr du dein Leben lang schon darauf hoffst, Antworten für die vielen Fragen zu erhalten, die sich um dein Leben ranken. Und das macht mir Sorgen… Ich möchte nicht, dass du dich in etwas verrennst, das nicht existent ist oder das du dir nur erhoffst, aber eben nicht da ist.“ Merthin runzelte die Stirn. Letztlich hatte sie recht und unrecht mit ihren Worten. Ob er und Aaron irgendeine gemeinsame Vergangenheit haben, wagte er zu bezweifeln. Aber dass er sich Hoffnungen machte, über Aaron auch mehr über seine Herkunft herauszufinden war tatsächlich eine Idee von ihm. Und auch die Magie war ein Stück Gemeinsamkeit, das ihn an Aaron band. Und vielleicht hatte sie recht, dass er aufpassen sollte, sich nicht zu verrennen. „Jenna…“, begann er langsam, aber sie hob die Hand. „Ich weiß, dass ich nie eine Chance bei dir hatte und haben werde. Ich… ich hatte es mir nur so sehr gewünscht. Immer wenn ich dich zu all den Huren gehen sehe, wünschte ich mir, du würdest einfach mich nehmen… Aber mit einem Mann kann ich nun mal auch einfach nicht mithalten…“ Sie lächelte ihn traurig an und in ihm machte sich ein beklemmendes Gefühl breit. „Aber sei dir gewiss, dass ich dennoch immer für dich da bin. Ich habe mich gestern schrecklich benommen. Es tut mir wirklich leid. Aber ich mache mir einfach Sorgen um dich. Pass auf dich auf und schalte deinen Verstand ein! Was auch immer Aaron für dich bedeutet und wohin auch immer ihr unterwegs seid. Denke daran, dich aus Sehnsucht nach den Fragen deines Lebens nicht in Gefühlen zu verrennen, die vielleicht keine wahrhaften sind! Die Hoffnungen, Wünsche und Träume suggerieren uns manchmal Dinge, die in Wirklichkeit anders sind. – Da bin ich das beste Beispiel dafür.“ Sie lachte leicht, aber Merthin war nicht zum Lachen zumute. War es wahr? Diese Gefühle in ihm, die ihn so verwirrten? Waren das wahre Gefühle der Verbundenheit? Oder war das nur der Wunsch jemanden zu haben, der sein Schicksal teilte, was die Magie betraf und vielleicht auch darüber hinaus… Vor seinem inneren Auge kamen all die Situationen hervor, in denen er Aaron so nahe gewesen war, in denen er dieses Kribbeln, diese Wärme in seinem Inneren gespürt hatte. War das alles nur Einbildung? War nur der Wunsch Vater der Gefühle? Verrannte er sich in diesem „verbunden-Sein“ in etwas? Versteifte er sich so sehr auf ihr „Schicksal“, die „Prophezeiung“, dass er nicht mehr klar genug sah? Und das, obwohl er selbst Aaron davor gewarnt hatte, sich zu sehr einem vermeintlichen Schicksal zu ergeben?

Dummheit oder Schicksal – Hauptsache zusammen!

War dem wirklich so? Machte er sich nicht damit wieder sehr abhängig? Vergaß er, dass Aaron noch immer mit demjenigen blutsverwandt war, dessen Machenschaften sie eigentlich zerstören wollten? Vielleicht… „Danke, Jenna!“, sagte er nachdenklich. „Ich weiß das zu schätzen.“ Er schwieg kurz. „Sei dir gewiss, dass ich meinen Verstand nicht verlieren werde. Aber ich muss mit ihm gehen, denn du hast recht: vielleicht erfahre ich dadurch mehr über mich. Und das ist mir wichtig.“
 

Sie kehrten zur Arena zurück und begannen damit, einen Trainingskampf zu machen. Merthin fühlte sich befreiter nach ihrem Gespräch und auch Jenna schien es deutlich besser zu gehen. Und so machte es Spaß, sich gegenseitig ein wenig die Grenzen und Schwächen des anderen aufzuzeigen.

Dass sich mehr und mehr Zuschauer auf den Wagen um den Trainingsplatz versammelten, fiel Merthin erst gar nicht auf. Aber eigentlich war es klar gewesen. Sie alle trainierten vormittags. Und wenn jemand Kampftraining hatte, sprach sich das recht schnell rum... Es inspirierte andere und regte zum Nachmachen an. Merthin störte es nicht, auch wenn er hin und wieder den Blick über die Gesichter der Anwesenden gleiten ließ, um zu schauen, ob Aaron käme. Als sie eine kurze Pause machten, stand er bei Monty. "Schön, dass ihr miteinander geredet habt", grinste der Große und Merthin lächelte. Er wusste, dass Monty oft den Menschen den nötigen Schubs in die richtige Richtung gab. Manchmal kam er ihm so vor, als sei er mit Marie verwandt. Merthin trank etwas, als Kyle zu ihm trat. "Wo ist denn dein Mitstreiter?" Merthin zuckte mit den Schultern. "Er wird schon kommen", entgegnete er und blickte Kyle nachdenklich an. Vielleicht sollte er ihn einbinden, um Aaron ins Training zu bekommen... und so bat er ihn, Aaron, sobald er käme, mit in die Arena zu bringen. Das wäre authentisch und vielleicht hätten sie die Möglichkeit, ihre Magie ein wenig auszutesten... Kyle war natürlich einverstanden. Der beste Schwertkämpfer der Gruppe war für Training mit der Aussicht zu gewinnen immer zu haben... Merthin schmunzelte. „Aber sei nicht zu hart zu ihm…“, fügte er hinzu, auch wenn sie nichts zu verlieren hatten. Jeder würde Aaron unterschätzen und das könnte für sie von Vorteil sein... und wenn es nicht klappte, würden alle nur ein: "War ja klar!", murmeln und ihrer Wege gehen. Das war in Ordnung, solange Jenna spüren würde, dass da noch mehr zwischen ihm und Aaron bestand, dass da noch Magie war. Und das würde ihr verdeutlichen, dass es eben jene Magie war, die sie verband – sonst nichts. "Ich schau mal nach ihm", sagte Monty und ging los, um Aaron zu holen. Während Jenna ungeduldig ihren Stab ergriff. "Jetzt mit Waffen!", bestimmte sie und Merthin nickte. "Euer Wunsch sei mir Befehl, Prinzessin Wirbelwind!" Sie streckte ihm grinsend die Zunge heraus und Merthin war wirklich froh, dass die Stimmung zwischen ihnen wieder normal war.
 

Aaron

Auch Aaron schlief sehr ruhig und erholsam, wurde erst wach, als am nächsten Morgen der Trubel vor dem Zelt losging. Erholt setzte sich Aaron im Bett auf und blickte zu Merthins Bett rüber. Er war wieder nicht da, aber diesmal brauchte er sich hoffentlich keine Sorgen zu machen, dass er sich alleine auf den Weg gemacht hatte, das Unheil dieser Welt zu bekämpfen. Aaron gähnte ausgiebig und erhob sich dann, nutzte die Zeit alleine dazu, sich kurz mit dem Wasser aus einer Schale mitsamt etwas Seife zu erfrischen, ehe er wieder die geliehenen Klamotten von Merthin anzog. Neugierig warf er einen Blick aus dem Zelt und sah bereits, wie viele Mitglieder der Truppe Richtung Fluss unterwegs waren. "Morgen, Aaron. Komm, du wolltest doch auch eine Kostprobe von Jennas Kampfkünsten sehen, oder?", wurde Aaron bereits von Monty angesprochen, der gerade auf dem Weg dorthin war, wo ein Übungskampf zwischen Merthin und Jenna stattfand. Kaum einer aus der Gruppe wollte sich das entgehen lassen und jeder wollte sehen, wer die Oberhand hatte.

Aaron erinnerte sich daran, das Jenna Merthin um dieses Übungsmatch gebeten hatte. Das fand also jetzt gerade statt? Natürlich wollte er auch zusehen! So folgte er Monty und den anderen zum Trainingsplatz am Fluss, wo der Kampf bereits im vollen Gange war. Die Leute hatten sich kreisförmig um die Arena gescharrt und feuerten die beiden an. Es war nur zur Übung, dennoch herrschte eine begeisterte Stimmung und auch Aaron schaute mit Interesse zu. Jenna schlug sich gut und konnte auch ein paar ordentliche Treffer landen, kannte sie Merthins Kampfstil schließlich bereits einige Jahre. Aber sie hatte auch was von einer neuen Kampftechnik gesagt und diese wollte sie nun auch Merthin am eigenen Leib vorführen. Recht plötzlich stürmte sie mit ihrem Kampfstab auf Merthin zu, deutete an, springen zu wollen, doch stattdessen hüpfte sie gekonnt zur Seite und verpasste Merthin einen leichten Schlag von hinten gegen seine Schulter. Die Zuschauer schienen recht begeistert. Jenna hatte ganz offensichtlich an ihrem Tempo gearbeitet. Sie war kleiner als die meisten Männer und damit auch wendiger, was sie für sich als Vorteil weiter ausnutzen wollte. Merthin hatte einen ersten Einblick ihrer Trainingsergebnisse erleben dürfen. "Kannst du noch? Ich bin noch nicht fertig", grinste sie Merthin an und Aaron fiel dabei gleich auf, dass der Knoten, den sie am gestrigen Abend geknüpft hatte, irgendwie geplatzt war. Sie schien viel lockerer, ausgeglichener. Hatte sie sich zuvor mit Merthin ausgesprochen? Es wirkte ganz so. Wenn Aaron gewusst hätte, wie die beiden über Gefühle gesprochen hatten, wäre er gewiss nicht mehr ganz so glücklich darüber.

Während Aaron zuschaute trat recht unverhofft Kyle an ihn heran und packte sein Handgelenk. "Wollt ihr etwa alleine den ganzen Spaß haben?", sprach der großgewachsene Mann zu den beiden Kämpfenden und ging dann einfach durch die Zuschauerreihen hindurch, zog Aaron dabei ungefragt mit sich. Dieser kam nichtmal dazu, irgendwie zu protestieren, da befand er sich bereits bei Merthin und Jenna mitten in der Übungsarena. "Morgen...!", sprach Aaron nun leise in die kleine Runde, in der Hoffnung, dass er doch noch ohne Kampf gegen alle vor allen davon kommen würde. "Wir kämpfen zu viert, du mit Aaron, ich mit Jenna.", sprach Kyle herausfordernd und ließ damit Aarons bittenden Blick unerwidert. Der dunkelhaarige Mann grinste bloß zufrieden und zog seine Holzwaffe. Jenna war es recht, so konnte sie auf ihre Weise mit der Geschichte vom gestrigen Abend abschließen. Kurzerhand wurde Aaron ebenfalls eine Holzwaffe zugeworfen, welche vom Prinzen etwas verunsichert aufgefangen wurde. Es war die Tatsache, dass er hier vor so vielen Leuten mit wesentlich erfahreneren Kämpfern, als er es selbst war, kämpfen sollte und sich wahrscheinlich bis auf die Knochen blamieren würde, was Aaron so verunsicherte. Wenigstens schien dies die Gelegenheit zu sein, ihre gemeinsame Stärke zu zeigen, ohne gleich direkt zu verraten, dass sie Magie verwenden konnten.

Kyle und Jenna waren ebenfalls gut aufeinander eingespielt und stürmten sofort los, um mit Jennas Flinkheit und Kyles Schlagkraft gleich zu Beginn punkten zu können. Einen richtigen Plan hatte Aaron nicht, aber es blieb auch keine Zeit einen auszuarbeiten. Er würde einfach handeln. Kurzerhand hüpfte Aaron also hinter Merthin, stellte sich mit dem Rücken direkt an seinen Rücken heran, griff mit seinen Händen hinter sich, direkt an Merthins Seite. Dort ließ er seine Hände aber nur locker ruhen, um Merthin nicht in seiner Bewegungsfreiheit einzuschrenken. Noch hatte Aaron nicht gelernt mit weniger Berührung Magie an Merthin zu übertragen. Oder wollte er ihn auch einfach nur irgendwie berühren..? Indirekt berührte Aaron aber mit seinem Körper Merthins Zeichen für Sicherheit, das Aaron in seinem Rücken warm erglühen spürte, während er das altehrwürdige Wort für eben jenes Zeichen flüsterte. Mit einem tiefen Ausatmen ließ er schnell Magie aus seinem eigenen Körper frei, ließ sie auf Merthin hinüber wandern und sie beide umfließen, nur um die Luft speziell um Merthin herum abzukühlen. Um ihn herum wurde dadurch die Luft mit etlichen kleinen Eiskristallen gespickt, die für das menschliche Auge nicht zu sehen waren. Als Kyle und Jenna nun bei den beiden ankamen und mit ihren Waffen zuschlugen, trafen sie Merthin nicht direkt. Ihre Waffen zerschlugen nur die vielen Eiskristalle in der Luft um Merthin herum, was in der Morgensonne leicht schimmerte. Für die Zuschauer sah es gewiss so aus, als ob Kyle und Jenna in die Luft daneben geschlagen hätten, obwohl diese den Widerstand an ihren Waffen sehr wohl gespürt haben dürften.
 

Merthin

Jenna war verdammt schnell, wendig wie ein Wiesel. Ihre geringe Größe konnte sie perfekt ausnutzen. Aber Merthin war auch nicht ohne… Er war Akrobat und wendig, gelenkig und biegsam. Und wenn sie beide aufeinanderprallten sah es wie ein Tanz aus, bei dem niemand dem anderen etwas schenkte. Und beide landeten ihre Treffer, gezielt, bewusst und damit nicht wirklich schmerzhaft, sondern mit kontrollierter Härte. Einen Moment war Merthin irritiert und er hob die Hand, als Zeichen für eine kurze Pause. Er hatte Aaron zwischen den Zuschauern entdeckt, der neben Monty zum Stehen gekommen war. Sein Blick wanderte zu Jenna, die ihm frech unterstellte, nicht mehr zu können… Doch eigentlich sah er Kyle an und nickte. „Du meinst doch nicht ernsthaft, dass das bisschen mich müde machen würde…“, knurrte Merthin und brachte sich in Stellung. Er hatte seine Magie noch nicht ausgepackt, aber vielleicht wäre nun bald der Moment, um es zu tun. Jetzt, da er wusste, was er sagen musste, um ungeahnte Kraft zu spüren, die ihn noch schneller und wendiger machte…

In diesem Moment trat Kyle mit Aaron an der Hand zu ihnen und Merthin ließ den Kampfstab wieder sinken. Er lächele Aaron an und erwiderte das „Morgen!“, dann sah er zu Kyle. „Kein Problem…“, nickte er und trat neben den braunhaarigen Mann, der nun ein Holzschwert erhielt. Eine Grundausbildung am Schwert hatte er ja zumindest absolviert. Wenn er ihm ein wenig seiner Kraft geben könnte… Vielleicht ließe sich das ja dann verbessern. Merthin drehte sich dem Prinzen zu, als er den Blick des anderen auf seine Holzwaffe sah. Na, besonders zuversichtlich wirkte er nicht… Doch Merthin blieb keine Zeit, ihm etwas zu sagen, sich kurz mit ihm zu bereden. Jenna und Kyle, die oft miteinander trainierten, hatten sich bereits in Kampfstellung begeben und begannen sogleich den Überraschungseffekt zu nutzen, um sie anzugreifen. Der Blonde trat an Aaron vorbei, parierte die beiden und sah im Augenwinkel, wie Aaron hinter ihn sprang. Kurz darauf spürte er die Hände des anderen an seinem Rücken, spürte diese unfassbare Energie durch seinen Körper jagen und seinen Rücken unter dem Mal brennen. Dann geschah etwas Unfassbares. Es kam Merthin vor, dass einen Moment die Zeit verlangsamt wurde, als Aaron seine Kraft entfesselte und um sie herum einen Verteidigungsring aus… Eiskristallen? aufzog… Merthin war perplex – genauso wie die beiden Trainingspartner -, reagierte aber im Reflex und spürte, dass die Eiskristalle das Kämpfen beeinträchtigten. Nun – zumindest das der anderen. Er selbst reagierte prompt bei dieser Erkenntnis und nutzte die schwachen Schläge der anderen beiden, um selbst gezielte Schläge zu landen, um ihnen so zumindest einen Moment Luftholen zu gönnen. Schnell hob Merthin die Hand und ergriff die Aarons. „Nur Mut“, sagte er leise und spürte das Mal an seiner rechten Brust glühen. „Die Vereinigung unserer Kräfte wird uns Stärke bringen… Du bist der Kopf, ich der Körper. Und ich gebe dir von meiner Kraft und Schnelligkeit…“ Pure Energie setzte sich in seiner Hand frei und jagte durch seinen Körper und seine Oberarme, bis sie wieder zurück zu den Händen an seiner Hüfte kam und wieder zurück zu Aaron strömte.

Er lächelte den anderen an, bis der Energiefluss ihn zwang, einen Moment die Augen zu schließen und tief durchzuatmen. Und dann war dieser Moment des Zeitanhaltens wieder vorbei. Merthin öffnete die Augen, spürte diese ungeheure Kraft in sich und entlud sie, indem er das Eis binnen Sekunden schmelzen und verdampfen ließ. Heißer Wasserdampf lag in der Luft und verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war, nur dass nun Jenna und Kyle direkt zurückwichen, um der unangenehmen Hitze zu entgehen. „Na, dann wollen wir mal“, sagte er zu Aaron und begann mit Kyle zu kämpfen, der von eben sehr irritiert war und ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination ansah. Jenna griff im Gegenzug Aaron an.

Mit ungeheurer Kraft und Geschwindigkeit drängte Merthin seinen Freund zurück, der nur noch parieren konnte, ohne wirklich agieren zu können. Irgendwann war die Arena zu Ende und Kyle konnte nicht weiter zurückweichen. Merthin hakte das Schwert des anderen mit seinem Kampfstab fest, dann ergriff er das Schwert und jagte Energie hindurch, so dass Kyle mit einem Aufschrei das Holz losließ. Es war heiß geworden und dort, wo Merthin es angefasst hatte, konnte man nun den Abdruck einer Hand sehen, die sich in das Holz gebrannt hatte. Doch Merthin verlor keinen Gedanken darüber, sondern drehte sich in Windeseile zu Aaron um, der sich versuchte gegen Jennas unfassbar schnelle Angriffe zur Wehr zu setzen. Und er machte das nicht übel… Dennoch sollte Jenna ja ihre Magie spüren, damit sie ahnte, was sie verband. Und so rannte er zu den Beiden, drehte sich elegant in den Kampf, einen Hieb von Jenna abwehrend, die sich nun einen Moment neu sammelte. Merthin ergriff die Hand des anderen. “Vereinigung!“, murmelte er erneut, so als müsse er ihre Verbundenheit selbst noch einmal begreifen, dann fuhren sie fort, zu zweit gegen Jenna zu kämpfen.
 

Aaron

Es war auch für Aaron ein kleines Erlebnis, als sich nicht nur der Schutz aus Eiskristallen aufbaute, sondern auch die Bewegungen von Jenna und Kyle verlangsamt schienen. Es war sehr viel leichter zu durchschauen, wohin sie als nächstes ihre Füße setzen würden und wohin sie ihre Waffe schwenken würden. Auf diese Weise könnte selbst Aaron besser mit den anderen Kämpfern mithalten. Hinzu kam dann der ungeheure Energiefluss, der von Merthin aus durch ihre Körper zog. Aaron merkte, wie mit jedem Wort, mit jedem Zeichen, das Merthin damit aktivierte, es wärmer in ihm brannte. Es gab Aaron nicht nur den nötigen Mut, dessen lodernde Kraft auch seine Brust erfüllte, sondern auch Zuversicht. Er könnte zusammen mit Merthin diesen Übungskampf gewinnen und damit allen zeigen, das sie zusammen jeden Kampf bestreiten könnten, es motivierte Aaron unheimlich. "Ich spüre dich ganz deutlich. Danke!", murmelte Aaron Merthin zu, der ihm wie selbstverständlich seine Kraft lieh. Hatte Aaron nur das Gefühl oder waren ihre vereinten Kräfte mächtiger geworden, seit dem letzten Mal, wo sie sie zusammen verwendet hatten? Das kam gewiss von ihrer gesteigerten Nähe zueinander.

Aaron gab Merthn ebenfalls ein Lächeln, dann widmete er sich Jenna, welche ihn bereits angriff. Dies war das erste Mal, dass er seine Waffe gegen jemand anderen als seinen Kampflehrer von damals erhob, was man ihm wahrscheinlich gerade nicht so sehr anmerkte. Ihre vereinigte Stärke durchströmte Aaron weiterhin, obwohl Merthin seinen eigenen Kampf gegen Kyle kämpfte und verlieh ihm bessere Reflexe, um Jennas schnellen Hieben auszuweichen, sie zu umlaufen und ihr einiges an Konzentration ab zu verlangen, damit sie keinen Schlag von Aaron einstecken musste, die kraftvoller ausgeführt waren, als sie vermutet hätte. Auf diese Weise könnte Aaron sie irgendwann ermüden, denn auch seine Ausdauer war deutlich besser als ohne Verbindung ihrer Kräfte, allerdings könnte das noch dauern, Jennas Blick wurde mit jedem Mal, wo sie ins Leere schlug, immer stärker, immer mehr gefüllt mit Unglauben das ihre Schnelligkeit nicht ausreichte; sie würde nicht so schnell aufgeben.
 

Aaron wollte gerade sein Eis einsetzen, um selbst einen kleinen Angriff zu starten, als sich Merthin sehr elegant in ihren Zweikampf schleuste und Aaron damit Unterstützung gab. Fest drückte Aaron die Hand des Blonden, da ein erneuter Schub vereinigte Kraft aufflammte und seinen Körper ausfüllte. Durch die Gegensätzlichkeit ihrer Fähigkeiten, ihrer Elemente, vereinten sich ihre Kräfte nicht ruhig, sondern kraftvoll, wirbelnd, wild. Jenna hatte sich gesammelt und dachte, dass Aaron gerade mit Merthin abgelenkt war, daher ließ sie ihre Waffe in seine Richtung schnellen, aber durch den erneuten Kraftschub war Aaron schneller. Oder war Jenna eher verlangsamt? Wahrscheinlich war es eher das. Ohne nachzudenken erhob Aaron dennoch die Hand, mit der er noch immer die von Merthin umfasst hielt und so traf Jennas Holzwaffe direkt auf ihre verbundenen Hände. Eine kleine Energiewelle löste sich, ließ einen kleinen Teil der vereinten Energie ruckartig ausströmen und gegen die Holzwaffe drücken. Jennas Waffe und damit auch sie selbst wurden daraufhin zurück gestoßen, was sie einige Schritte rückwärts taumeln ließ. Ihre Holzwaffe dampfte von der Hitze des geschmolzenen Eises, das sich um die Waffe durch den Energietreffer gebildet hatte. Das Holz begann spröde und rissig zu werden, als wäre es sehr heiß gekocht worden.

Aaron ließ nun Merthins Hand los um Jenna nachsetzen zu können. Er hielt sein Holzschwert mit beiden Händen, so wie es ihm sein damaliger Lehrer gezeigt hatte, welches durch die gesammelte Kälte in Aarons Händen fest gefror und damit härter wurde. Schnell holte er aus und traf gezielt die angeschlagene Waffe der toughen und etwas überrumpelten Frau, welche daraufhin in zwei Teile zersplitterte. Auf den nun am Boden liegenden Holzstücken hatte sich Reif gebildet, der sich auch über Aarons Hände zog, je länger er seine gestärkte Magie in seinen Händen konzentriert hielt. Er musste dringend häufiger seine Magie fließen lassen, sie häufiger mit Merthins Magie vereinen, ein besseres Gefühl dafür entwickeln und sie vorallem nicht mehr unterdrücken.
 

Ein anerkennender Applaus ging durch die Reihen der Zuschauer, so einen Übungskampf hatten sie sicherlich noch nicht gesehen und auch Kyle und Jenna waren erstmal platt. Beide waren entwaffnet und damit geschlagen, so schwer das auch zu glauben sein mochte. Aaron ließ sein Holzschwert von Monty abnehmen, der sogleich angelaufen kam um Schulterklopfer zu verteilen. Monty musste merken wie kalt das Schwert von Aaron geworden war und gewiss spürte er auch die Hitze in der Waffe des Blonden, die er ihm ebenfalls abgenommen hatte, aber er sagte nichts. Er wusste von der Magie in Merthin und auch von der in Aaron, weshalb das für ihn wohl keine große Überraschung war. Aaron schüttelte kurz seine Hände, rieb den Reif von seiner Haut und stellte sich dann höflich vor Jenna, hielt ihr kurzerhand seine Hand hin. "Das war ein guter Kampf, ich habe viel gelerntDanke!", sprach Aaron zwar sehr höflich, aber ernst gemeint. Jenna nahm die ihr gereichte Hand entgegen und grinste etwas verschmitzt. "Du bist wirklich komisch, weißt du das? Aber du bist in Ordnung", sprach sie amüsiert und schwenkte ihren Blick dann zu Merthin rüber. Dieser stand gerade bei Kyle, welcher ihn mit Fragen dazu löcherte, wie er es bloß hingekriegt hatte, ihn so dermaßen in Bedrängnis zu bringen und sein Holzschwert zu sehr zu erhitzen, das es fast Feuer gefangen hätte. Auch Jenna fragte sich das, zumal ihr der Reif am Boden und die weiteren Merkwürdigkeiten, sowie diese ausströmende, vereinte Energie spürbar bewusst geworden war. "Ist es das, was du gemeint hattest, Merthin?", sprach sie ihn leise an. Sie hatte die gemeinsame Kraft der beiden gesehen und gespürt, so hatte sie Merthin zuvor nie kämpfen sehen. War es das, warum sie zusammen reisten und was Merthin für Aaron unentbehrlich für den ominösen Auftrag machte?
 

Merthin

Ich spüre dich ganz deutlich – irgendwie gingen Merthin diese Worte nach. Ja, sie berührten sich – gegenseitig –, aber war das gut so? War das nicht doch zu viel? Zu viel Bindung? Zu viel Selbstaufgabe? Wohin würde diese Verbindung führen? War sie wirklich gänzlich nötig? Merthin wusste es nicht, aber es verunsicherte ihn unmerklich. Im Moment war es ok, im Kampf war es ok. Bisher hatte er nicht darüber nachgedacht, sondern ihrer beiden Verbindung genutzt. Aber Jenna hatte vielleicht recht, wenn sie ihn warnte, sich nicht zu sehr in etwas zu verrennen. Was, wenn er seine Kräfte nicht mehr nutzen konnte - ohne Aaron? Merthin schüttelte den Kopf, um die Gedanken loszuwerden und sich zu konzentrieren. Das würde er sehen müssen, würde es in Zukunft austesten müssen. Aber nicht jetzt hier…
 

Zufrieden stellte Merthin fest, dass ihr Energiefluss half, Aaron gegen Jenna wirklich gut aussehen zu lassen. Ehrliche Freude darüber machte sich unwillkürlich in seiner Brust breit. Dennoch wollte er diese Vereinigung weiter austesten. Hier hatten sie die Möglichkeit zu testen, was geschah, wenn sie wirklich gemeinsam kämpften – verbunden miteinander… Auch wenn die Warnung und sein Vorhaben noch präsent waren, sich in nichts zu verrennen. Daher stieg er in den Zweikampf der beiden anderen ein, nachdem Kyle entwaffnet war. Und es war verblüffend, Merthin musste einen Moment innehalten, als er sah, was ihre miteinander verbundenen Hände bewirkten, wie Jenna nach hinten taumelte, wie ihr Schwert … alterte und spröde wurde. Wie Eis und Feuer miteinander agierten, welche Kraft sie eigentlich hatten, welche Macht. Das war heftig und ließ seine Alarmglocken erneut schrillen. Sie mussten wirklich aufpassen, dass sie es nicht übertrieben! Mit unfassbarer Faszination sah er Jennas Schwert bersten und er fühlte ein unfassbares Glück in seinem Herzen – aber ebenso große Furcht. Er war stolz auf Aaron, wie er seine Kraft immer bewusster einsetzte, war auch zufrieden mit sich, wie er ihn unterstützen konnte. Und doch merkte er mehr und mehr, dass sie eine wahnsinnige Verantwortung hatten, diese Kräfte nicht übermächtig werden zu lassen. Sie durften sich nicht zu sehr aufeinander einlassen. Was, wenn die Kräfte sich verselbstständigten? Was, wenn sie sich gegen sie oder andere richteten, wenn sie sich weiterhin so nahe kamen? Er dachte an den Wangenkuss, den er dem anderen am vergangenen Abend gegeben hatte – ohne weiter darüber nachzudenken. Einfach, weil es sich so angefühlt hat, richtig angefühlt hat, gut angefühlt hat, gewünscht angefühlt hat – von ihm – von Aaron auch? Sie… sie mussten aufpassen, dass sie sich nicht zu tief aufeinander einließen. Er durfte niemals Gefühle für den anderen zulassen und vertiefen! Dieser Gedanke ließ seinen Magen zusammenziehen, seine Male mit einem Mal schmerzlich brennen. War das nicht ein deutliches Zeichen, dass er recht hatte? Wenn er schon Magenschmerzen bei dem Gedanken bekam, dass es zu tief gehen könnte? Dass Aaron ihn mehr als nur als Magie-Verbundener berühren könnte? Merthin schluckte bei dem Gedanken, den er so zum ersten Mal zuließ. Er hatte seine Hand an den Hals gelegt, wo das Zeichen für Schicksal schmerzte. War da vielleicht wirklich schon mehr? Zu viel? Er musste sich dringend zurücknehmen!!! „Wie hast du das gemacht?“, hörte er Kyle neben sich, der ihm sein Schwert mit dem Brandmuster seiner Hand zeigte. „Das war unfassbar, so etwas habe ich noch nie gespürt…“ Merthin schüttelte den Kopf und sah Kyle an, noch immer irritiert von dem Gedanken, der ihm soeben bewusst geworden war. „Feuer ist mein Element“, sprach er leise und sah Kyle abwesend an. „Du bist unglaublich stark gewesen, Merthin. So habe ich dich noch nie kämpfen gesehen. Deine Ausstrahlung war furchteinflößend. Du wirktest viel Größer, schneller, wendiger… und dann noch diese Hitze, die du ausgestrahlt hast“, redete dieser weiter, als habe er ihn nicht gehört. Verwirrt betrachtete Merthin nun wie ein Außenstehender die Szene zwischen Aaron und Jenna, die sich offensichtlich gerade geeinigt hatten, sich gegenseitig zu respektieren. Als er Jennas Blick einfing, regte er sich wieder, lächelte zufrieden. Zumindest würde sie jetzt verstehen, warum er mit Aaron allein unterwegs sein musste – auch wenn er sich jetzt fast ein wenig davor fürchtete. Und tatsächlich fragte sie ihn das. Er nickte noch immer etwas erschlagen. „Ja, das ist es“, sagte er leise und irgendwie wurde es ihm selbst gerade auch erst so richtig bewusst: sie hatten eine ungeheure Macht und mussten sehr behutsam damit umgehen!! „Und ich hoffe, dass du verstehst, weshalb ich diesen Weg gehen muss. Auch wenn ich deine Warnung sehr ernst nehme!“, fügte er noch etwas leiser hinzu.

Holzklotz

Aaron

Monty beschloss, dass sie alle erstmal gemeinsam was essen sollten, denn keiner von ihnen hatte gefrühstückt. Zu fünft saßen sie zusammen und aßen, sprachen über den Kampf, über ihre Auftritte, über Belanglosigkeiten. Frisch gestärkt wollten Kyle und Jenna wieder trainieren gehen, um beim nächsten Übungskampf nicht mehr zu verlieren, Aaron hingegen stand gerade mehr der Sinn nach etwas Ruhigem. Die Wärme ihrer Energien war immernoch spürbar und er dachte, dass ein Spaziergang nicht nur die Energien wieder beruhigen könnte, sondern er auch mehr vom Trupp zu sehen bekommen könnte. Natürlich würde sich Merthin als Führer anbieten. Daher hielt Aaron ihm seine Hand hin und grinste etwas. "Machst du mit mir einen Rundgang durchs Lager?", fragte er den Blonden, dabei in keinster Weise darauf bedacht, etwas an ihrer Nähe zueinander zu verändern. Eigentlich wüsste er auch gar nicht wieso.
 

Marie stand dabei gar nicht weit entfernt, da sie eigentlich noch mit Merthin reden und ihm etwas geben wollte. Sie wartete, um einen guten Moment abzupassen, schaute sie Merthin doch gern zu, wie er mit Aaron umging. Bisher waren ihre Beobachtungen nur positiv gewesen, auch wenn natürlich noch nicht sicher war, ob sich ihr Schicksal wirklich gesetzt hatte, oder ob Widrigkeiten dazwischen kommen würden, die ihnen Steine in den Weg legen würden. Aber sie war sich dennoch sicher, dass alles so wie prophezeit passieren würde, ob die Beteiligten es nun wollten oder nicht. Ihr lag Merthins Glück und Erfolg am Herzen und sie wusste instinktiv, dass er auf einem guten Weg war, beides zu erlangen.
 

Merthin und Marie

Das Essen half Merthin wieder etwas ruhiger zu werden. Er war verschwitzt und freute sich schon darauf, später im Fluss ein wenig schwimmen zu gehen – auch um den Kopf wieder frei zu bekommen. Wasser hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf ihn. Nachdenklich lauschte er den Gesprächen der anderen, die über neue Showelemente diskutierten, ohne ihnen wirklich zuzuhören. Sein Blick ruhte auf dem Fluss, der etwas abseits an ihnen vorbeifloss. Als Jenna und Kyle aufstanden, blickte er wieder zu ihnen und schob sich seinen letzten Bissen in den Mund. Kurz blickte er ihnen hinterher und zuckte fast ein wenig zusammen, als Aaron ihn ansprach und ihm die Hand hinstreckte, um ihm vermutlich einfach nur aufhelfen zu wollen. Einen Moment betrachtete er die Hand. Sie sollten auch damit vorsichtig sein…

Er ergriff sie nicht, als er aufstand. „Du hast gut gekämpft“, sagte er zu dem Prinzen und lächelte sacht. „Wir haben wirklich große Macht und müssen weiter trainieren, dass wir sie immer unter Kontrolle haben“, begann er ohne wirklich auf Aarons Frage zu antworten. „Generell müssen wir sehr vorsichtig sein, wie stark wir diese Verbundenheit ausweiten und einsetzten. Die Verantwortung, die wir haben, dürfen wir nicht unterschätzen!“ Er sah den anderen eindringlich an und in ihm zog sich erneut etwas zusammen. Es fühlte sich beängstigend an! Sie mussten den Abstand wahren! „Ich glaube, ich möchte noch etwas schwimmen gehen“, lehnte er daher den Vorschlag des anderen ab. „Jenna hat mich vorhin ganz schön geschafft…“ Er schluckte. Etwas fühlte sich schlecht an und er wollte dieser Situation entgehen. Daher wandte er sich ab und ging in Richtung Zelt, um sich etwas Frisches zum Anziehen zu holen.

Dass hinter ihm Marie die Stirn runzelte und auf Aaron zutrat, bekam er nicht mit. Seine Großmutter lächelte Aaron an. „So ein ungehobelter Holzklotz!“, knurrte sie. Sie hatte die Situation zu spät kommen sehen. Gestern Abend und heute Morgen schien es doch so zu sein, dass Merthin die Nähe des anderen gerne zuließ… „Komm, dann zeige ich dir alles“, sagte sie freundlich. „Merthin hatte schon immer ein Problem damit gehabt, zu viel Nähe zuzulassen. Es verunsichert ihn tief in sich. Ich hoffe, du nimmst ihm seine abweisende Art nicht krumm…“ Tatsächlich machte sie sich jedoch Sorge, dass Merthin sich genau in diese Angst vor zu viel Nähe hineinsteigern könnte. Seit damals, als er sich auf den Falschen eingelassen hatte, obwohl es sich so richtig angefühlt hatte, hatte er nie wieder eine tiefere Verbindung zugelassen. Aber das war schön so lange her! Sie wusste, dass der Blonde die Barrikaden erklimmen würde, sobald er das Gefühl hatte, nicht selbst entscheiden zu dürfen. Und vielleicht war das auch der Knackpunkt. Wenn Merthin das Gefühl haben sollte, dass nicht sein Verstand, sondern sein Körper oder gar die Prophezeiung ihm sein Verhalten diktieren, würde er die Beine in die Hand nehmen und rennen. Dass sein Körper aber Teil seines Verstandes war und diesem manchmal vorauseilte, das sollte jener nicht vergessen…

Gemeinsam mit Aaron gingen sie durch das Zeltlager und Marie erklärte ihm, welche Elemente sie in ihrer Show hatten. Als sie bei den Weiden angelangt waren, blieb sie stehen und musterte Aaron aufmerksam. „Wie geht es Euch?“, fragte sie nun höflich. „Ich weiß, dass ich mich heraushalten sollte. Doch möchte ich, dass Ihr wisst, dass ich euch immer helfen werde, Euch und ihm… Und daher hoffe ich, dass Euch die Situation, in die ihr gerutscht seid, nicht Unbehagen bereitet.“ Sie nahm die Umhängetasche von ihrer Schulter. Eigentlich hatte sie vorgehabt, das ihrem Enkel zu geben. Doch jener schien ja lieber seinen Launen nachzugehen… „Er wird sauer auf mich sein, wenn ich es dir zuerst gebe. Aber das ist es mir wert. Schließlich bist du derjenige, der damit mehr anfangen kann als er.“ Marie überreichte Aaron eine kleine kunstfertig verzierte Schatulle, in der sie ihren Teil der Prophezeiung aufbewahrt hatte. „Ich habe es in einem kleinen Dorf im Westen des Landes erhalten. Es war in dem Jahr, in dem du geboren wurdest, Aaron von Foron. Ich war zu einem Kind gerufen worden. Das Kind war gerade 3 höchstens 4 Jahre alt gewesen. Ein Dämon hatte begonnen sich in dem Körper des Kindes einzunisten… Ich habe es besiegt, obwohl meine magischen Kräfte nicht besonders ausgeprägt sind. Das lag daran, dass Merthin mit einem Mal ins Zimmer gekommen ist. Er war gerade einmal 2 Jahre alt und konnte noch nicht einmal reden. Aber der Dämon hatte Angst bekommen und einen Fehler begangen. Ich erhielt diese Schatulle als Geschenk. Was darin ist, habe ich erst später zugeordnet. Aber seitdem weiß ich, dass die Prophezeiung wahr ist und habe begonnen, alles Wissen darüber zu sammeln. Und ich freue mich, dass Ihr sein Mitstreiter seid!“
 

Aaron

Verwundert zog Aaron seine Hand zurück, als Merthin sie nicht annahm. Das war merkwürdig, nicht nur, weil sie sonst immer Handkontakt pflegten, sondern auch, weil es eine sehr abweisende Geste von dem Blonden gewesen war, was Aaron von Merthin nicht gewohnt war. Hinzu kam, das Merthin gar nicht auf seine Frage einging, sondern gleich mit einer Erklärung antwortete, als ob er sich dafür rechtfertigen wollte, im Moment lieber keinen näheren Kontakt zu Aaron haben zu wollen. Dabei wäre es okay, wenn Merthin den Spaziergang nicht machen, sondern lieber baden wollte, aber die Art und Weise, wie Merthin den Vorschlag ausschlug, ließ Aaron sich zurückgestoßen vorkommen. Das tat ein bisschen weh, war ihre Nähe doch auch für Aaron mehr als reines Verbinden ihrer Magie, auch wenn das noch nicht so klar als Gedanke in seinem Kopf angekommen war.

Merthin hatte aber natürlich Recht mit seinen Worten. Die Kraft, die schier unendliche Macht, über die sie zusammen verfügten, war groß und wuchs stetig, das hatte Aaron auch schon bemerkt. Dass es ihre Aufgabe, ihre Bürde war, diese immense Kraft zu kontrollieren und nur für gute Zwecke einzusetzen, hatte Aaron auch bedacht und Angst hatte er ebenso wie Merthin vor eben jener Verantwortung. Mit nur einem kleinen Unterschied: Aaron wollte die Angst zusammen mit Merthin überwinden und gemeinsam einen Weg finden, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Merthin hingegen wollte es mit sich selbst ausmachen und rannte dabei vor der Verantwortung davon. Und vor Aaron, der ein bisschen wie vor den Kopf gestoßen hinterher schaute, als Merthin alleine davonging. "Ja, die Tragweite ist mir durchaus bewusst. Worauf willst du nur hinaus...?", murmelte Aaron hinter dem anderen her. Ob er es noch gehört hatte oder nicht konnte Aaron nicht feststellen, da dann bereits eine andere Stimme zu hören war. Aaron wandte sich um und erkannte Marie, die Ziehoma von Merthin, welche die Situation anscheinend mitverfolgt hatte. Aaron lächelte sachte, als sie ihren Enkel einen ungehobelten Holzklotz nannte. "Ein sehr liebenswerter Holzklotz", antwortete er ihr leise. Aaron war Merthin nicht böse, da er sich sicher war, dass der Blonde nicht ab jetzt für immer so abweisend bleiben würde. Vielleicht unterschätzte der Prinz dabei Merthins Gedankengänge und seine vorschnelle, übereilte Art, da er selbst mit ruhigeren Kopf an die Dinge ranging. "Danke", kam es leise von Aaron, als sich Marie nun anbot mit ihm durch das Lager zu spazieren. Kurz noch blickte Aaron in die Richtung, in die Merthin verschwunden war und folgte dessen Großmutter schließlich.

Interessiert ließ er sich alles erklären, folgte mit den Augen den Deutungen der älteren Dame und stellte zwischendurch kleine Fragen, um mehr Hintergrundwissen zu erhalten. Es wurde Aaron dabei immer bewusster, warum Merthin so gerne hier war. Auch Aaron mochte es hier und war sehr angetan von der angenehmen Atmosphäre, die hier herrschte. Zusammen mit Marie ging Aaron zu den Feldern und hörte ihren Worten gespannt zu. "Mir geht es gut. Ich hoffe Euch auch?", antwortete Aaron ebenso höflich. Dass sie ihn ihrzte, fiel Aaron gleich auf, aber richtig bewusst wurde ihm der Grund dafür erst, als sie seinen echten Namen verwendete und nicht den, den Aaron fälschlicherweise ganz zu Beginn genannt hatte. Seine Vermutung war also richtig gewesen. Marie und somit gewiss auch Falk wussten, wer er war. Auch wenn Aaron dadurch Sorge bekam, wer noch alles davon wusste, war gerade ein anderes Thema vorherrschend, nämlich die Geschichte vor 24 Jahren, dem Jahr seiner Geburt. "Es gab schon zu dieser Zeit dieses Unheil?", murmelte Aaron überrascht und schaute auf die kleine Schatulle, die sie ihm dann reichte. "Merthin ist auch ohne mich sehr mächtig, wenn er bereits in diesem Alter einen Dämon des Unheils Angst einjagen konnte", murmelte Aaron eher für sich selbst, auch wenn ihn der Gedanke an einen kleinen Merthin lächeln ließ. Er war gewiss ein sehr süßes Kind.

Aaron öffnete die Schatulle noch nicht, das wollte er später in aller Ruhe tun, erstmal widmete er sich weiter dem Gespräch mit Marie, die ihm so weise vorkam. Es erleichterte einiges, dass sie bereits alles zu wissen schien, was Merthin und Aaron selbst erst hatten herausfinden müssen. "Meint Ihr das wirklich?", fragte Aaron nach und blickte die Dame direkt an. Für Außenstehende mochte der Prinz des Landes kein guter Mitstreiter sein, erstmal natürlich wegen seines Standes, aber auch, weil er verwandt war mit dem Urheber des Übels. Auch Merthin hatte seine Bedenken gehabt, was er sehr deutlich gezeigt hatte, nachdem er Aarons Herkunft erfahren hatte. Hatte der Blonde diese Bedenken vielleicht immernoch? Ganz heimlich? In einer Ecke seines Herzens? Vielleicht hatte Aaron deshalb keinen größeren Platz darin, da es voll mit Ängsten und Bedenken war. "Ich wünschte, Merthin würde das auch so sagen", fügte er noch hinzu und merkte da das erste Mal sehr deutlich den Wunsch, von Merthin selbst zu spüren zu bekommen, dass dieser ihn an seiner Seite wollte. "Das hat er doch bereits", antwortete Marie darauf. Auch wenn Merthin es nicht ausgesprochen hatte, so hatten seine Taten in Bezug auf Aaron diese Sprache gesprochen. Bisher hatte Aaron daran wirklich nicht zweifeln müssen, hatte Merthin doch wahrlich nie gegenteilig gehandelt. Die Erinnerung an seine Sorge um den Prinzen bei der Sklavenbefreiung und den Wangenkuss gestern kamen unwillkürlich wieder hoch. Das sollte nicht plötzlich aufhören...
 

Marie

Dass Aaron Merthin als „liebenswert“ bezeichnete, ließ sie lächeln. „Das ist er, auch wenn er alles dafür tut, es sich selbst nicht einzugestehen…“, kommentierte sie und sah ihrem Enkel ebenfalls kurz hinterher. Sie hatte gestern Abend genug gesehen, um zu wissen, dass Merthin Gefühle für Aaron hatte. Und diese Gefühle waren nicht nur freundschaftliche. Sie hatte ihn vorher nie so zärtlich mit jemandem umgehen sehen, hatte nur bei seinen engsten Freunden körperliche Nähe gesehen. Wobei die sich unterschied von dem, was sie eben im Kampf gesehen hatte. Dass Merthin Bedürfnissen nach sexueller Befriedigung nachging, stand dabei auf einem ganz anderen Blatt. Letztlich hatte jener einfach Feuer in sich, Unmengen an Energie, die er auch irgendwie loslassen musste. Und neben dem Training gab es da eben noch andere Bedürfnisse… Aber Marie war auch klar, dass Aaron mit Merthin einen Menschen haben würde, auf den er sich völlig verlassen könnte, wenn er es schaffte, zu seiner Liebe zu stehen. Merthin war eine treue Seele, die sich letztlich nach Beständigkeit und Nähe sehnte. Aber ihm etwas aufzuzwingen war unmöglich. Feuer konnte man nur bedingt kontrollieren…
 

„Ihr seid beide mächtig!“, sagte Marie schnell und sah Aaron eindringlich an, als sie Aarons Gedanken hörte. „Ihr seid beide sehr mächtig, doch hattet ihr in eurem Leben unterschiedliche Voraussetzungen, diese Macht auszuüben. Du hast doch selbst gerade gemerkt, was geschieht, wenn deine eisblaue Aura mit der orangenen von Merthin sich verbindet… König Corvo weiß von all dem, was geschieht. Er hat seine Männer überall und wird euch suchen. Die Angst davor, entmachtet zu werden, wird seine Magie und die Magie, die er freisetzt, immer mächtiger und mächtiger werden lassen… Als du geboren wurdest, hat er sicher gespürt, dass ein mächtiges magisches Wesen – welcher Gestalt auch immer – auf diese Welt gekommen ist. Daher hat sich die negative Energie verselbstständigt. Ich weiß nicht, ob er wusste, dass du dieses Lebewesen bist. Aber er hat sicher versucht, es zu finden. Es war vermutlich dein Glück, dass du als der geboren wurdest, der du bist.“ Sie lächelte ihn aufmunternd an, hob dann aber die Augenbrauen als er seinen Zweifel hinsichtlich seiner Eignung hörte. „Und ob ich das meine!“, sagte sie bestimmt. „Deine Besonnenheit wird ihm im entscheidenden Moment davor bewahren, den Kopf zu verlieren. Deine Ruhe wird er brauchen, um seine Kraft zu kontrollieren. Dein Wissen wird euch helfen, die Dämonen zu besiegen. Deine Herzensgüte wird allen im Land große Hoffnung geben. Ihr seid der Mensch, den sich das Volk ersehnt und dem es folgen wird, wenn es soweit ist.“ Sie lächelte sanft. „Und Merthin hat dir das schon gesagt, indirekt vielleicht, aber er hat dir das schon gesagt. Ich habe nie gesehen, dass er jemanden so ansieht, wie er es bei dir tut. Und auch wenn ihm unter Umständen Zweifel aufkommen, wenn er versucht sich dagegen zu wehren, sich einzugestehen, was euch alles verbindet – hab Geduld mit ihm. Es lohnt sich!“
 

Aaron

Aaron bekam ein frohes lächeln auf die Lippen, als er der Antwort von Marie zuhörte. Es war nett von ihr so liebe Worte zu sagen, das Aarons hohe Geburt kein Hinderniss wäre, sondern vielmehr Glück. Als Sohn eines in Corvos Augen niederen Menschens hätte er keinen Schutz gehabt, jetzt war er sehr behütet vor der Außenwelt aufgewachsen, hatte dafür aber auch verbergen müssen, was in ihm schlummerte. In dem Blickwinkel betrachtet war es auch für Merthin Glück, dass er von den Schaustellern aufgenommen worden war. Hier war er ebenfalls geschützt, hatte aber schon früh seine innere Kraft zum kleinen Teil nutzen können. Es war... als ob auch Merthins Kräfte nur darauf gewartet hatten, dass ihm sein Gegenstück über den Weg lief und sie entfesselte. Vielleicht wäre auch das bei Merthins wahren Eltern unmöglich gewesen und daher hatte das Schicksal diesen harten Weg für Merthin gewählt. Alles Bestimmung....? Immer mehr Puzzelteile deuteten darauf hin.

Beim weiteren Zuhören von Maries Worten kamen Aaron noch weitreichendere Gedanken in den Sinn. Wenn Aaron alleine ebenfalls eine solche Macht besaß wie Merthin alleine und sie durch das Verbinden dieser Kräfte das Ganze mehr als verdoppeln konnten, waren sie dann nicht nur eine potenzielle Gefahr für König Corvo und seine Machtposition, sondern auf der anderen Seite auch ein lukrativer Gewinn für seine Macht? Was, wenn König Corvo gar nicht vor hatte, die beiden Krieger in Rot und Blau zu vernichten, sondern sie auf seine Seite zwingen wollte, um ihre Macht für seine eigenen machtgierigen Zwecke zu missbrauchen? Es machte Aaron gerade mehr Angst zu denken, ihre Macht könnte in die falschen Hände geraten, als dass er und Merthin sie nicht unter Kontrolle halten könnten.

Maries bestimmte Art dann weiter zu sprechen lenkte Aaron von den Gedanken ab und er hörte ihrer Weisheit zu. Sprach sie gerade selbst ein Stück aus der Prophezeiung oder wusste sie einfach, dass es so war? Es klang schön und ihre Worte berührten Aaron auch. Merthin brauchte Aaron, um das ganze, große Übel zu besiegen und Aaron brauchte Merthin, anders ließ es sich aus ihren Worten nicht ableiten. Hauptsache zusammen, genau das war das Richtige. Dieser Gedanke erfreute Aaron tief im Inneren, das Gefühl breitete sich warm in seiner Brust aus, weshalb er sich unwillkürlich mit einer Hand auf die Brust fasste und durchatmete. Wenn Merthin auch so mit diesem Gedanken ins Reine kommen könnte, das würde ihm viele Ängste und Bedenken ersparen.

Hab Geduld mit ihm. Es lohnt sich! - das wollte sich Aaron zu Herzen nehmen, auch wenn er erst eine kleine Ahnung davon bekam, was Marie noch damit meinte, außer die Verbindung ihrer Magie. Da war einfach noch ein anderes Gefühl, etwas ebenso Magisches, ebenso Kraftvolles, noch nie Gefühltes dabei. Etwas, das es wert war festzuhalten.

Kontrollverlust

Merthin

Als Merthin später aus dem Fluss zurück ins Zelt ging, war er froh, dass das Zelt leer war. Das Unwohlsein und die Unruhe, die er seit geraumer Zeit spürte, war noch immer da. Er musste sich weiter ablenken. Und so ging er zu seinen Freunden, die nach dem Training begonnen hatten, sich um die Ordnung rund um die Pferde zu kümmern. Und so fand er sich bald dabei wieder, Sättel und Trensen zu säubern. Wenigstens musste man dabei nicht groß nachdenken…
 

Aaron

Aaron hatte sich nach dem Gespräch von Marie verabschiedet und aus seinem Rucksack das Buch geholt. Mit dem Büchlein, seinem schönen Schreibgriffel, der Vase und der Schatulle ging Aaron auf die Wiese, direkt bei der Koppel zu den vielen Pferden. Hier setzte er sich ins Gras, ließ sich von der Sonne bescheinen und atmete tief durch. War das alles Schicksal, das bereits so viele Jahre vor ihrer Geburt entschieden worden war? Merthin und Aaron hatten sich darauf geeinigt, nicht an das Schicksal zu denken, sondern so zu handeln, wie sie es für richtig hielten, dennoch waren sie immer wieder in anscheinend vorherbestimmte Situationen geraten, als ob sie unterbewusst dennoch den vorgegebenen Pfad folgen würden. Das hieß nicht, dass sie sich einfach zurücklehnen konnten. Sie mussten etwas dafür tun, dass sie weiterhin den richtigen Pfad beschritten und eine Möglichkeit war es, die Prophezeiung zu vervollständigen und sie zu verstehen. Deshalb öffnete Aaron nun die kleine Schatulle von Marie und entdeckte darin Zettelchen, auf denen jeweils vereinzelt alte Schriftzeichen geschrieben standen. Es war nicht nur so, dass sich Aaron regelrecht verpflichtet fühlte, das zu übersetzen, er begrüßte auch die Ablenkung, das Besinnen seiner Gedanken auf anderes. Inmitten dieser herrlichen Natur, die mit den Pferden im Hintergrund die perfekte Umgebung bot, um zum loszulassen. Schließlich war Aaron so auf die Schriftzeichen fokussiert, dass er gar nicht mitbekam, wie Merthins Freunde zu den Pferden kamen und sie versorgten. Aber das war ihm im Moment auch recht so.

Erst als es begann dunkel zu werden, stoppte Aaron seine Arbeit an den Übersetzungen. Er hatte den Text auf den Zetteln entschlüsseln können, aber es ergab dennoch keinen rechten Sinn. Langsam erhob sich Aaron, klopfte die Grasreste von der Kleidung und marschierte zurück zum Lager. Es wurde gerade für alle zum gemeinsamen Abendessen gedeckt und der Prinz hielt nach Merthin Ausschau. Als er ihn inmitten der anderen an einem Tisch entdeckte, ging er dorthin und setzte sich dazu. Merthin hatte neben sich wieder keinen Platz frei, aber auch wenn Aaron lieber neben ihm gesessen hätte, war das in Ordnung, immerhin war Aaron ja auch etwas zu spät gekommen. Während des Abendessens hatte Aaron kaum Gelegenheit zu sprechen, da alle durcheinander quasselten. Jeder wollte etwas erzählen, wollte seine Geschichten zum Besten geben und es wurde viel gelacht. "Hast du gleich noch Zeit für mich?", schaffte es Aaron schließlich Merthin zu fragen und hielt das kleine Buch unauffällig hoch, damit Merthin verstehen würde, dass es um die alte Sprache ging.
 

Merthin

Merthin hatte Aaron eine geraume Weile dort sitzen gesehen. Dort auf der Wiese, vertieft in seinem Notizbuch und in einer anderen Welt lebend. Es hatte schön ausgesehen, dieses Idyll und diese Konzentration, in der sich der andere befand. Und so ertappte er sich immer wieder dabei, dass sein Blick den anderen suchte, obwohl er doch hier gerade mit etwas Anderem beschäftigt war. Dass jener die Schatulle hatte, die seine Großmutter immer als „Schatzkiste“ bezeichnet hatte, hatte er wohl bemerkt. Ein wenig schmerzte es ihn auch, dass sie es nicht ihm gegeben hatte. Aber im tiefsten Inneren wusste er, dass es ohnehin bei Aaron besser aufgehoben war. Dennoch würde er Marie deswegen sicher noch einmal ansprechen… Und vielleicht war das auch der Grund, weshalb er nach getaner Arbeit nicht zu ihm hinüberging und sich neben ihn setzte, sondern mit den anderen ins Versorgungszelt ging. Diese Tatsache und die, dass er ohnehin wieder ein wenig mehr Distanz brauchte. Ihm war klar geworden, dass etliche Situationen in ihm falsche Gefühle ausgelöst haben könnten. Das Händchenhalten, das so untypisch für ihn war, sich aber gut anfühlte; dieses Gespräch über Sex und Körperlichkeit, bei dem er den anderen auf eine Phantasiereise mitgenommen hatte; die Verbundenheit durch ihre magischen Fähigkeiten, die ihn so tief berührte und glücklich machte… Es war wichtig, dass er sich nicht aus dem Gefühl heraus, falschen Illusionen hingab!

Und so saß er bereits beim Essen, als auch Aaron zu ihnen kam. Im ersten Moment freute er sich, den anderen zu sehen, wollte eigentlich auch dafür sorgen, dass sich jener direkt zu ihm setzen konnte, doch dann sah er Jennas fragenden Blick und reagierte nicht weiter. Er konnte sich ja dennoch zu ihnen setzen… Und doch verging ihm der Appetit und er schob irgendwann die halbvolle Schüssel von sich. Als Raven aufstand, um das Geschirr wegzubringen, blickte er zu Aaron, der nun näher zu ihm rutschte. Er nickte. „Na klar!“, sagte er auf seine Frage hin. Die Teile der Prophezeiung waren wichtig. Sie mussten sie übersetzen und Merthin war Aaron dankbar, dass er das übernommen hatte. Sie konnten ja auch nicht ewig hier im Lager bleiben. Ihre Anwesenheit war gefährlich für alle hier, auch wenn das die wenigsten wussten. Daher würden sie bald aufbrechen müssen. Auch darüber sollten sie sprechen. Besonders, wenn sie wüssten, wohin sie gehen sollten… Merthin nutzte die Unterbrechung, die Raven verursacht hatte, um sich gleich von den anderen zu lösen.
 

Aaron

Als sie schließlich vor dem Zelt standen und weiter zu ihrem Zelt gingen, hielt Aaron Merthin die Schatulle hin, die er von dessen Oma erhalten hatte. "Marie gab mir dies", sprach er und öffnete das kleine Kästchen vor Merthins Augen. Die Zettelchen lagen wieder darin, Aaron hatte versucht, sonst nichts daran zu verändern. "Ich habe den Tag über daran gearbeitet sie zu entschlüsseln", fuhr er fort und merkte, dass dieses Thema half, zur Normalität zurückzukehren und nicht mehr an die Geschichte mit ihrer Nähe denken zu müssen. "Dieses Zeichen ist das Wort für 'Unwetter', begann er und deutete auch auf die anderen Schriftzeichen. "Darunter finden sich aber auch Zeichen für 'Kontrolle' und 'entarten'", sagte er und das waren wahrlich keine positiven Worte. "Leider sind es nur Worte, kein zusammenhängender Text. Allerdings glaube ich, dass die Schriftzeichen auf der Vase den Text vollenden können", sprach er weiter, Aaron war gerade voll drin im Thema. In seinem Buch hatte er alle Schriftzeichen hintereinander gereiht, um sie in die richtige Reihenfolge bringen zu können. "Da gibt es noch etwas...", murmelte er dann und stellte sich direkt neben Merthin. Er hielt das Buch direkt vor sie beide, damit sie zusammen hinein schauen konnten. Dann kippte er das Buch leicht, sodass ein anderer Blickwinkel auf das Geschriebene entstand. "So betrachtet ergeben die Zeichen erst richtig Sinn", sagte er, da Merthin wahrscheinlich sonst nicht würde sagen können, wie die Zeichen ansonsten richtig zu lesen wären. In diesem Moment entdeckte Aaron, dass er zwei Schriftzeichen falsch herum sortiert hatte. "Merthin!", sagte er deshalb plötzlich und rückte noch ein Stück näher an den Blonden heran, so nahe, dass sich ihre Schultern nun direkt berührten. "Drei Tage nach der Zusammenkunft der Krieger mit der Weisen...", laß er nun das vor, was er nur durch das Verschieben zweier Schriftzeichen entziffern konnte. "Ist mit 'der Weisen' Marie gemeint? Und drei Tage später soll dieses Unwetter kommen?", fasste Aaron es zusammen, so müsste es gemeint sein. Bei dem Schriftzeichen für Unwetter dachte Aaron sogleich an einen Sturm, aber der eine Strich beim Schriftzeichen machte ihn irgendwie stutzig. Er war nicht deutlich erkennbar und somit vielleicht nur ein verwischter Klecks, weshalb Aaron ihm keine weitere Bedeutung zurechnete. Erst später sollte sich das als Irrtum herausstellen.
 

Merthin

Gemeinsam gingen sie ein Stück und Aaron sprudelte sogleich sein Wissen hervor, sodass Merthin unwillkürlich schmunzeln musste. Er ergriff die Dose, damit der andere sein Notizheft aufschlagen konnte, und strich sacht darüber. Ja, ein wenig war er schon gekränkt, dass sie es nicht ihm gegeben hatte… Doch für solcherlei Sentimentalitäten hatte er jetzt keine Zeit, so dass er seine Augen davon löste und Aarons Erklärungen folgte. Unwetter, Kontrolle , Entarten – Merthin hatte das Gefühl an die Situation heute früh zurückversetzt zu werden. Er hatte auch davon gesprochen, dass sie ihre Kräfte kontrollieren mussten, damit sie sich nicht verselbstständigte. Würde eine Prüfung auf sie zukommen, bei der dies geschehen würde? Würde ihre Energie außer Kontrolle geraten? Aber was hatte das Unwetter damit zu tun? Sie hatten doch nicht wirklich die Macht, eines zu erzeugen, oder? Merthins Stirn legte sich in nachdenkliche Falten, während er dem anderen weiter folgte, der immer näher zu kommen schien. Und je näher er kam, desto besser fühlte sich Merthin irgendwie wieder… zumindest spürte er wieder die Magie, die sie verband und die sich so gut anfühlte. Aber hatte er nicht eigentlich auf Abstand bleiben wollen? Doch Aaron lenkte ihn ab, als er das Buch drehte und mit einem Mal es schien, als würde sich der Text verändern… Irritiert blickte er auf das Buch und versuchte Zeichen zu erkennen… Als Aaron ihn an der Schulter berührte, durchfuhr ihn ein sanftes Kribbeln in seinem Bauch und Merthin schloss einen Moment die Augen, um das Gefühl zu genießen, das ihm irgendwie gefehlt hatte. Und doch wurde ihm gleichzeitig gewahr, dass genau das das Problem war. Er war süchtig nach dem Energiefluss der Magie geworden – so musste es sein. Und das konnte doch nur dazu führen, dass die Magie entartete, oder?

Während Aaron nun den gesamten Text vortrug, ging Merthin wieder ein wenig auf Abstand, um sich wieder zu sammeln. Es konnte doch nicht sein, dass sein Körper ständig so darauf reagierte. Er sollte das wirklich unterbinden! „Könnte sein“, murmelte er auf die Frage, ob Marie die Weise sei. Seine Gedanken ratterten und auch er sah sich die Schriftzeichen noch einmal an. „Könnte dieses Zeichen nicht auch Prüfung heißen?“, fragte er nach. „Und steckt hier in dem Kontrolle das Zeichen von Gefühl drin?“, fragte er nach und sah den anderen an. „Oder spielt es keine Rolle, woraus sie zusammengesetzt sind?“ Seine Augen hingen einen Moment in den blauen des anderen fest und er spürte wieder das Bedürfnis, ihn zu berühren, spürte unvermittelt den Wunsch, ihn küssen zu wollen. Er schluckte und wendete den Blick ab. War es das, was er kontrollieren musste, damit seine Energie nicht entartete? „Gibt es eine Ortsangabe im Text? Wo dieses Unwetter stattfindet? Ganz offenbar scheint es ja so zu sein, dass mit Korntolle die Kontrolle der Magie gemeint ist. Wenn sie zu wenig kontrolliert wird, entartet sie… Vermutlich hast du recht: das Unwetter wird durch die mangelnde Kontrolle ausgelöst. Vielleicht ist mit Kontrolle auch Corvo gemeint und er provoziert das Unwetter…?“ Er seufzte und rückte noch ein Stück weg von Aaron, auch wenn es sich seltsam anfühlte. „Das heißt ja, dass übermorgen etwas Schlimmes passieren könnte. Wir müssen ohnehin bald los, damit wir den Tross nicht weiter gefährden. Vielleicht sollten wir schon morgen aufbrechen… Aber erst sollten wir überlegen, wo wir hinmüssen…“ Er betrachtete noch einmal die Schnipsel der Prophezeiung. Bei einem stutzte er irritiert und hielt ihn näher vor sein Auge. Dann reichte er ihn Aaron. „Sag mal bilde ich mir das nur ein, oder sieht man da im Hintergrund ein Wappen?“, fragte er und deutete auf einen dunklen Fleck, der etwas versetzt von den Schriftzeichen im Hintergrund zu erkennen war. „Es sieht aus wie das Stadtwappen von Dorstaal.“ Dorstaal war eine Stadt in etwa einer knappen Tagesreise von hier. Sie lag am Fuße eines hohen Gebirges, war von hohen Stadtmauern umgeben und wurde früher als Stützpunkt des Königs genutzt. „Vielleicht ist es so, dass in Dorstaal in nunmehr zwei Tagen ein Unwetter aus entarteter Magie auftreten wird.“ Er sah wieder zu Aaron. „Dann sollten wir morgen Vormittag aufbrechen, um dort zu sein und zu helfen, wenn es soweit ist.“
 

Aaron

Aaron merkte genau, während sie beieinander standen und die Schriftzeichen begutachteten, wie Merthin immer weiter wegrückte, je näher er ihm gekommen war. Die kurze Berührung ihrer Schultern hatte es wieder so schön warm werden lassen, jetzt wurde es bloß wieder kühl. Merthin gab ihm mit seiner Nähe genug Wärme, sodass Aaron schon ganz vergessen hatte, wie kühl er aufgrund seines Elementes vorher immer gewesen war. Durch die Distanz, die Merthin recht plötzlich begann aufzubauen, fehlte diese Wärme wieder. Äußerlich und innerlich. Aber Marie hatte ihm geraten geduldig zu sein und das wollte er versuchen umzusetzen.

Zum Glück lenkte Merthin Aarons Gedanken gleich wieder ab, denn er entdeckte noch weitere Zusamenhänge, die Sinn ergaben. "Ja, wenn man das Büchlein noch etwas mehr kippt...", murmelte Aaron, setzte diese Worte in die Tat um und entdeckte, das Merthin mit seiner Vermutung Recht hatte. So betrachtet könnte man eines der Schriftzeichen auch als Prüfung lesen. Dass ein solches Unwetter eine Prüfung war, war wohl unbestritten. Aber Aaron war noch nicht ganz klar, wie es entstehen würde. Ja, sie beide hatten große Kraft, aber hatte das auch solch weitreichende Folgen für die direkte Umwelt? Konnten sie das Wetter beeinflussen? Aaron erwiderte Merthins Blick und brauchte einen Moment, bis er sich dazu besinnen konnte, dessen Frage zu beantworten. Wenn Merthin ihm so fest und tief in die Augen schaute, musste der Prinz wirklich aufpassen, nicht darin zu versinken. "Doch, das spielt natürlich eine Rolle. Durch die Zusammensetzung des Zeichens ergibt sich die wahre Bedeutung", antwortete er und schaffte es schließlich seinen Blick von Merthins hellen Augen zu lösen und nochmal auf besagtes Zeichen zu blicken. Gefühl konnte durchaus mit drin stecken. Kontrolle mit Gefühl... brauchten sie vielleicht noch ein Schriftstück, ähnlich wie es die Vase war, um das zu verstehen? Oder würde sich das an ihrem nächsten Ziel ergeben, wo die Prüfung auf sie wartete?

Erstaunt blickte Aaron wieder zu Merthin, als er ableiten konnte, wo das Ziel überhaupt war. Eine Stadt namens Dorstaal... da klingelte was bei Aaron. Es war ein alter Stützpunkt, von wo aus Könige reisen oder die Verteidigung des Landes organisieren konnten. Ein genaueres Betrachten des Stadtwappens bestätigte das, denn es war eine Mischung aus dem königlichen Wappen und militärischen Elementen. Dass sie dadurch bereits nächsten Vormittag aufbrechen müssten, erschien recht plötzlich, aber Aaron stimmte Merthin mit einem Kopfnicken zu. Sie mussten zu diesem Zeitpunkt dahin, damit sie wenigstens eine Chance haben konnten, dieses Unwetter zu beseitigen. Die Worte der Prophezeiung hatten bisher immer Sinn gemacht, das hier musste also auch etwas bedeuten.

"Vielleicht solltest du Marie davon erzählen?", sprach Aaron nun und kam doch nochmal einen Schritt näher an Merthin heran. Er hielt es für besser, wenn Merthin es wäre, der der älteren Dame von ihrem Aufbruch morgen erzählen würde, denn gewiss hatte sie für Merthin ebenso weise Worte, wie sie diese auch schon für Aaron gehabt hatte. "Und vielleicht bringst du dann auch gleich eine Schere mit?", fügte er verschmitzt grinsend hinzu. Immerhin hatte Merthin ihm zugesagt noch seine Haare zu kürzen und Aaron hielt es für einen guten Zeitpunkt dies zu tun, bevor sie in einen ehemaligen Königsstützpunkt gingen, wo man ihn ansonsten vielleicht leichter erkennen würde. Ein bisschen vorsichtig stupste Aaron mit seiner Hand die von Merthin an. Er wollte sich ihm nicht so sehr aufzwingen, als dass er nun einfach seine Hand ergreifen würde, obwohl er ja wusste, dass Merthin auf Distanz gehen wollte, aber sich ganz zurücknehmen ging einfach nicht. "Ich gehe solange an den Fluss und wasche meine Haare, dann kannst du sie leichter schneiden", sprach er weiter und hoffte, das Merthin zustimmen würde.
 

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Aaron

Seine Haare hatten eine Wäsche dringend nötig, ebenso auch Aarons restlicher Körper. Jetzt am Abend erwartete Aaron jedenfalls keinen der Schausteller am Fluss, hörte man die meisten doch noch im Versorgungszelt lauthals lachen und sich unterhalten. Aaron huschte also schnell zum Fluss und stellte erleichtert fest, dass tatsächlich niemand hier war. Dank der Wassermühle hatte er sogar Sichtschutz, welchen er auch dafür nutzte, um sich zu entkleiden und dann mit der mitgebrachten Seife ins Wasser zu hüpfen. Aaron beeilte sich nicht, achtete aber peinlichst darauf, ob jemand näher kam, um rechtzeitig flüchten zu können. Sowas wie beim letzten Baden mit den Frauen wollte er nicht nochmal erleben. Allerdings... bei der Erinnerung zurück an Merthins Rettungsaktion dort wurde ihm wieder ganz anders. Er hielt kurz inne, ließ es Revue passieren, wie Merthin vor ihm im Wasser gestanden hatte. Mit seiner eigenen Hand fuhr er den Weg von seiner Wange an nach, den auch Merthins Hand genommen hatte, als er ihm schlußendlich die Seife aus der Hand genommen hatte. Das Gefühl, das er dabei verspürt hatte, war noch immer präsent und ausgesprochen angenehm. Es war nicht die Erinnerung an seine Scham, die er durchaus ebenfalls verspürt hatte, an die Aaron sich am meisten erinnerte, sondern dieser Moment der Berührung war es, der in seinem Gedächtnis Eindruck hinterlassen hatte.

Als Aaron einen Moment später merkte, dass er nur mit geschlossenen Augen im Wasser stand und sich selbst merwürdig angenehme Gefühle machte, zuckte er zusammen und machte schnell damit weiter sich zu baden. Gründlich wusch er auch seine Haare und beeilte sich dann wieder aus dem Wasser zu kommen und sich anzuziehen. Erst dann kehrte er mit tropfnassen Haaren zurück zu Merthins Zelt. Ob dieser auch bereits zurück war?
 

Merthin

Letztlich konnten sie nicht komplett lösen, was die einzelnen Zeichen ergaben. Erstaunlich, dass durch das Drehen der Zeichen auch ein neuer Sinn entstehen konnte. Ob das in Zukunft ihnen auch Schwierigkeiten bereiten würde? Oder würden sie das irgendwie nutzen können? Konnte man etwas damit bewirken? Und dass die Zusammensetzung der Zeichen zu einem Wort auch wichtig für die Deutung war, war wieder ein interessanter Hinweis. Was, wenn er nicht seine Zeichen beim Namen nannte, sondern nur Elemente daraus? Würde das genauso wirken? Unwillkürlich erinnerte er sich an das schöne Gefühl in ihm, das das Aussprechen dieser Worte in alter Sprache bei ihm bewirkte. Er erinnerte sich an ihr Treffen in der Bibliothek, an dieses erfüllende Kribbeln. Er erinnerte sich an ihre Nähe, an das gemeinsame Aufwachen, an ihre Wanderungen – Hand in Hand -, er erinnerte sich an jene Situation im Fluss, an ihr Gedankenspiel, an die Sorge um Aaron und das Gefühl, als er sich versichern konnte, dass es ihm gut ging… und er erinnerte sich daran, welche Leere er gespürt hatte, als er so lange darauf hatte warten müssen, bis jener zu ihm gekommen war. Daran, dass das Feuer ihm nicht mehr auf die gleiche Weise hatte gehorchen wollen… Merthin verschob den Gedanken schnell wieder, während er seine Kisten durchsuchte und alles zusammenlegte, was er brauchen könnte. Er hatte sich mit Marie getroffen, die ihm nachdrücklich gesagt hatte, dass er auf Aaron achten musste, dass er ihn nicht im Stich lassen durfte. Es war seltsam gewesen, denn auch wenn er sich gegen diesen Vorwurf gewehrt hatte, hatte es sich doch so angefühlt, als hätte Marie recht und das schlechte Gewissen war hinaufgekrochen und hatte sich in seinen Nacken gesetzt. Aber wieso? Er trainierte mit ihm, er reiste mit ihm, erfüllte seine Aufgabe. Dass er aufpassen sollte, dass sich nicht falsche Gefühle hier einnisteten, nur weil es sich so verdammt gut anfühlte, dem anderen nahe zu sein, war doch nichts Falsches! Aber das Grübeln half gerade gar nichts. Im Moment mussten sie sich auf ihre Abreise konzentrieren und darauf, was auf sie zukam, auch wenn sie nur vermuten konnten, dass bald etwas geschehen würde, weil augenscheinlich die Magie außer Kontrolle geriet… Ob sie nun der Auslöser waren, weil sie sich in ihrer Kraft verschätzten, oder weil es Corvo selbst war, wussten sie nicht. Sie würden vorbereitet sein müssen auf alle Möglichkeiten. Und egal, was der Text nun genau bedeutete, sie mussten zeitnah los, um rechtzeitig da zu sein.

Als Aaron ihm gesagt hatte, er solle sich mit Marie besprechen, hatte er ein „Ja, das muss ich wohl…“ geknurrt. „Meine gesamte Kindheit habe ich diese Schatulle als den größten Schatz, das Kostbarste angesehen… Ein wenig ärgert es mich, dass ich ihn nicht von ihr bekommen habe.“ Er hatte gelächelt – Aaron konnte ja nichts dafür. Er war ihm nicht böse. Marie war Marie und sie hatte definitiv ihren eigenen Kopf.

Merthin hörte auf, Sachen zusammenzutragen und ging hinüber zu der Wasch-Kommode, in der unter anderem auch eine Bürste, ein Kamm und eine Schere lagen… Als Aaron die Schere erwähnt hatte, hatte er den anderen überrascht angesehen. Sicher, sie hatten das besprochen, aber Merthin hatte es schon wieder ganz vergessen gehabt. „Gute Idee!“, hatte er gesagt. Merthin blickte auf seine Hand, die die Schere hielt. Die zaghafte Berührung des anderen, hatte er nur zu deutlich gespürt, denn sie hatte wieder einmal ein Kribbeln in der Hand hinterlassen, das sich in seinem Arm ausgebreitet hatte. Und dieses Gefühl, dass ihm das gut tat, war so heftig gewesen, dass er gar nicht anders konnte, als die Berührung zuzulassen. Er hatte die Hand des anderen kurz ergriffen und leicht gedrückt, dann hatte er sie aber wieder losgelassen, damit nicht noch mehr Magie floss. „Ich bring sie mit…. Und die Farbe auch“, hatte er sanft gesagt. „Aber wie gesagt: keine Beschwerden hinterher!“ Merthin lächelte leicht bei der Erinnerung, dass er Aaron prüfend durchs Haar gestrichen hatte. Dann hatte er die Hand aber doch wieder zurückgezogen, kurz erklärt, dass er zu Marie gehe und war gegangen. Er schluckte. Er spürte, wie sein Magen sich wieder verkrampfte. Was war nur los mit ihm? Warum dieses ständige Wechselbad der Gefühle? Was machte er falsch?

Merthin blickte in den Spiegel auf der Kommode und erschrak etwas. Irgendwie wich immer mehr Farbe aus seinem Gesicht. Er war noch nie besonders dunkel gewesen, aber durch die viele Zeit unter freiem Himmel hatte er immer eine gesunde Gesichtsfarbe gehabt. Aber seit heute Morgen schien diese zu weichen. Er wirkte kraftlos und müde. Merthin öffnete sein Haar und schüttelte den Kopf, bürstete sich und begann dann in ruhigen Schnitten sein eigenes Haar zu kürzen. So, dass er es noch zusammenbinden konnte, es ihm aber nicht mehr über die Schultern hing. Als er fertig war fiel sein Blick auf das Buch, das Marie ihm gegeben hatte. Noch hatte er sich nicht getraut, hineinzusehen. Und auch jetzt würde er es nicht tun. Irgendwie sollte er das gemeinsam mit Aaron tun.

Er stellte einen Stuhl vor den Spiegel, verhängte diesen aber mit einem Tuch. Aaron sollte sich lieber überraschen lassen, als dass er ihn ständig korrigierte und beobachtete. Zumindest würde er ruhiger arbeiten können. Dann rührte er die Paste an, die dem anderen eine dunklere Haarfarbe geben würde. Wie er wohl damit aussehen würde? Sicher verdammt gut. Denn diese hellen blauen Augen würden nur umso deutlicher aus dem schönen Gesicht hervorstechen.

Als er Schritte hörte, blickte er zum Zelteingang und Aaron trat ein. Seine Haare waren nass, sein Hemd an den Schultern daher auch feucht. Es klebte etwas an der Haut, so dass Merthin das Schlüsselbein deutlich darunter gezeichnet sah. Er lächelte unwillkürlich, als sich ihre Blicke trafen und er räusperte sich leicht. „Dann wollen wir mal anfangen", sagte er etwas lauter als nötig, so als wollte er gleich diese kribbelnde Stille durchbrechen, damit sie sich nicht zu mehr aufbauschte, als richtig wäre. Aaron trat auf ihn zu und Merthin lud ihn mit einer entsprechenden Handgeste ein, sich hinzusetzen. Zügig band er seine eigenen Haare wieder nach hinten, damit er ungestört würde arbeiten können. Dann griff er nach einem Handtuch und trocknete dem anderen die Haare noch etwas. „Ich hoffe, du hattest deine Ruhe?“, fragte er, um die wieder entstandene Stille zu durchbrechen, während er hinter Aaron stand und ihm sachte den Kopf mit dem Handtuch massierte.

Doch irgendwann endete das Gespräch und Merthin griff zu Schere und Kamm, begann vorsichtig und konzentriert die Haare zu kürzen. Aarons Haare fühlten sich weich an. Und mit jeder Berührung fühlte sie Merthin wohler, entspannter und zufriedener. Das magische Gefühl, das sich in ihm ausbreitete schien ihm wieder Kraft zu geben und auch wenn er wusste, dass sie Gefahr liefen, ihre Magie ausarten zu lassen, genoss er es. Einmal, nur einmal sollte er das hier noch genießen! Danach würde er sich gewiss wieder mehr unter Kontrolle haben…

Als er mit dem Schneiden fertig war, strich er Aaron prüfend durch das Haar, stellte sich vor ihn, um ihn besser ansehen zu können und nickte zufrieden. „Ich färbe sie dir auch gleich…“, wisperte er leise und seine Stimme hörte sich seltsam rau an. Und dann begann er vorsichtig die Paste aufzutragen. Er achtete darauf, dass er auf der Haut keine Flecken hinterließ, damit Aaron morgen nicht gefleckt herumlaufen müsste… Nach getaner Arbeit lächelte er zufrieden. „Jetzt muss es noch etwas einwirken…“, sagte er leise. „Dann kann ich dir zeigen, was ich von Marie bekommen habe…“ Er ging die paar Schritte zu seinen Sachen, wo das Buch lag, und nahm es zusammen mit einem anderen Stuhl zu Aaron. Dort setzte er sich neben ihn. „Das ist ihr Notizbuch“, erklärte er und blickte kurz in die blauen Augen des anderen, während er es ihm reichte. Es war ein kleines Buch, in dem feinsäuberlich alle Beobachtungen eingetragen und beschrieben worden waren, in dem Gegenstände, Personen, Tiere und Wesen gezeichnet waren, in dem Kartenausschnitte skizziert waren. Alles, was Marie jemals im Hinblick auf Magie jeglicher Art hatte beobachten können, stand darin. Ein Sammelsurium an Kräutern war aufgezeichnet, die bei magischen Verletzungen helfen konnten, Namen von Menschen, die ihnen helfen würden, wenn sie Hilfe bräuchten… „Es ist alles, was sie seit 24 Jahren gesammelt hat. Sie sagte, dass es für uns bestimmt ist, für das, was wir machen müssen und nur wir machen können…“ Er schluckte, als er das sagte und irgendwie fühlte er sich seltsam. „Es wird uns vermutlich in vielen Situationen helfen können… Und ich habe…“ Er nahm es Aaron, der darin geblättert hatte, kurz ab. „… auch etwas zu Dorstaal gelesen…“ Er sucht die entsprechende Seite im Buch und las vor. „In Dorstaal bin ich seltsamen Energien begegnet. Es fühlte sich so an, als sei die Stadt sich im Innersten uneinig. Ich konnte beobachten, dass die Menschen leicht reizbar waren, dass sie häufig wegen Kleinigkeiten stritten. Die schwelende negative Energie war überall zu spüren. Sie führte dazu, dass es schnell zu hitzigen Diskussionen kam. Gleichzeitig herrscht dort aber auch pures Glück, Lachen, Freude, Liebe… Vielleicht sollten hier einmal alle Fronten geklärt werden, damit die Stadt in neuem Licht erstrahlen kann.“ Er sah Aaron an. „Vielleicht ist es eben diese Gewitter, das sie die Fronten klären lässt. Und wir sollten da sein, um dabei zu helfen, dass sie nicht ins Negative schwenkt…“
 

Aaron

Aaron hatte nicht gewusst, dass diese Schatulle von Merthin als größter Schatz angesehen worden war. Da konnte er es absolut nachvollziehen, dass es ihn verletzte, dass Marie diesen Schatz nicht ihm zuerst offenbart hatte und es dann auch noch in Aarons Obhut gegeben hatte. Aber Aaron teilte diesen Schatz und das enthaltene Wissen natürlich mit Merthin, was aber wohl die Situation an sich nicht veränderte. Dennoch hatte sich Aaron sogleich bei Merthin dafür entschuldigt. Wenn er das gewusst hätte, hätte er Merthin vielleicht wenigstens dabei haben wollen, wenn er von Marie die Schatulle bekam, sodass sie sie gemeinsam zuerst entdecken konnten. Aber der Moment war vorbei, das tat Aaron leid. Aber das war noch ein Grund mehr, dass Merthin mit Marie sprechen sollte, was dieser auch bestätigte.
 

Je näher Aaron wieder Merthins Zelt kam, desto langsamer wurden seine Schritte. Es erschien ihm schwierig einfach normal wieder zu Merthin zu gehen, nachdem ihm diese kleine Träumerei 'passiert' war. Es war zu angenehm gewesen, das nachzufühlen, sich nochmal vorzustellen, wie Merthin seine Haut entlang gestreichelt hatte. Wie er ihn so intensiv dabei angeschaut hatte und wie nahe er einfach gewesen war. Gut, die Frauen aus der wahren Begebenheit hatte es in seiner Vorstellung eben nicht gegeben, aber alles andere... Kurz fuhr sich Aaron noch mit seinen Händen über das Gesicht, strich seine Haare nach hinten, verdrängte dabei den aufkommenden Gedanken, dass Merthin vorhin genau diese Bewegung mit seiner Hand durch sein Haar ebenfalls gemacht hatte und betrat schließlich das Zelt. Sein Blick landete sogleich bei Merthin und vielleicht lag es an der kleinen Nervösität, die sich Aaron bei seinen Träumen selbst gemacht hatte, doch es fühlte sich an, als ob etwas in der Luft liegen würde. Es gab dafür kein Wort, keines, das Aaron hätte benennen können. Es war einfach nur... besonders.

Langsam trat der Prinz näher und sah dabei, das Merthin anscheinend bereits Vorbereitungen getroffen hatte. Ein Stuhl stand in Position und der Spiegel war verhangen. Während Aaron der einladenden Geste zum Stuhl folgte, fühlte er sich immernoch in gewisser Weise aufgeregt. Nicht weil er Sorge hätte, das Merthin seine Haare verschneiden würde, sondern durch die ganze Atmosphäre. Sie war aufgeladen mit dem speziellen Etwas und Aaron spürte dies deutlicher, je mehr der Blonde mit dem Handtuch seine Haare trocknete und dabei ganz nebenbei eine Massage seiner Kopfhaut andeutete. Aaron schloss einfach genießerisch die Augen und ließ sich von dem ganzen mitreißen. "Ja, bin ungestört gewesen", antwortete Aaron leise, beeindruckt von Merthins Fürsorge. Viele Worte fielen Aaron momentan überhaupt nicht ein, da er einfach genoss, wie liebevoll Merthins Hände immer wieder durch seine Haare strichen beim Schneiden. In dem Fall war der Prinz ganz froh, dass der Spiegel zugedeckt war, so konnte Merthin wenigstens nicht durch diesen hindurch sehen, wie sich in Aarons Gesicht das Wohlgefühl ausdrückte, das ihn die ganze Zeit durchzog. Es gab einfach keine andere Erklärung dafür, als dass Merthin selbst der Grund dafür war, dass es sich nach mehr als einfachem Haare schneiden anfühlte. Merthin zeigte keinerlei Distanz mehr und auch Aaron nahm diese schöne Nähe gerne an. Im Schloss hatte es extra einen Diener gegeben, der der Königsfamilie die Haare geschnitten hatte, aber das war bei weitem nicht so ein Erlebnis gewesen wie bei Merthin. Dabei tat er gar nichts so spezielles. Er war einfach immer nahe, berührte Aaron viel und schenkte ihm Aufmerksamkeit, das reichte für dieses kleine Herzklopfen, das Aaron inzwischen in seiner Brust spürte.

Ein geseufzter Laut von Aaron sollte Zustimmung ausdrücken, als Merthin so leise und rau sagte, dass er auch gleich die Farbe auftragen würde. Merthins Stimmlage und weil er so leise sprach, gab Aaron nur noch mehr das Gefühl, etwas Besonderes mit Merthin zu tun. Und egal wie es für andere aussehen würde, es war gerade wirklich etwas Besonderes und Aaron hoffte, dass es auch für Merthin besonders war. Er hoffte, dass diese fast schon intime Atmosphäre wahrlich herrschte und Aaron sich das nicht nur so wünschte.

Vertrauensvoll ließ Aaron sich auch die Färbepaste auftragen und nickte schließlich auf die Information, dass die Paste noch einwirken musste. Er holte einmal etwas Luft und schaute sich dann an, was Merthin von Marie erhalten hatte. Es war ein Buch, gefüllt mit Unmengen an wertvollem Wissen. "Das hat sie so viele Jahre stetig weiter geführt?", sprach Aaron bewundernd und blätterte in dem Büchlein. Es gab neben Text auch Zeichnungen zu Orten und Lebewesen, die teilweise wunderhaft anmuteten, aber auch gewöhnlich sein mochten. Besonders interessant fand Aaron die Sammlung an Heilkräutern, die ihnen gewiss gute Dienste leisten würden, sollten sie mal verletzt werden. Ausgeschlossen war dies immerhin bei weitem nicht, bisher hatten sie unwahrscheinliches Glück gehabt. "Was nur wir machen können...", wiederholte Aaron andächtig diese Worte und musste ebenfalls schlucken. Es erinnerte nur wieder an ihre Aufgabe und dass sie nicht scheitern durften, da nur sie es könnte. Aaron schaute Merthin an, als er ihm das hilfreiche Büchlein wieder aus der Hand nahm, blickte weiterhin in dessen Gesicht, während er seinen Worten zuhörte, anstatt auf die entsprechende Seite im Buch zu schauen. Erst als die hellen Augen des anderen wieder zu ihm aufblickten, reagierte Aaron. "Nach allem, was wir nun herausgefunden haben, glaube ich auch, dass die Stadt uns braucht. Die negativen Energien der Stadt könnten ansonsten Überhand gewinnen", sprach der Prinz aus und nickte zustimmend. Das würde ihr nächstes Ziel sein und Aaron war entschlossen, diese Aufgabe zu meistern. Zwar wusste er noch nicht wie, aber sobald sie eintreffen würden, würden sie eine Möglichkeit finden. Gemeinsam.
 

Merthin

Als Aaron das Zelt betreten hatte, bemerkte Merthin nicht, dass jener nervös war. Vielleicht vor allem deshalb, weil er nicht spüren wollte, dass hier mehr in der Luft lag, als nur Magie. Die Furcht davor, die Kontrolle zu verlieren, war tief in ihm: geschürt von dem Wissen, dass Aaron immer noch ein Prinz war, geschürt auch von den Worten Jennas, die ihn gewarnt hatte, den Kopf zu verlieren. Und da war noch tief in ihm eine unbekannte Angst, die er nicht richtig zuordnen konnte. Und so ließ er es nicht zu, all das wahrzunehmen, was Aaron so deutlich bewusst wurde: dass ihre Beziehung zueinander besonders war – und zwar fernab von der Magie. Man sollte nicht sagen, dass sie füreinander bestimmt waren, denn das ließ wieder nur den Gedanken zu, dass es vorbestimmt war. Nein! Sie waren wie füreinander geschaffen und zwar unabhängig von allem anderen! Und wenn Merthin dies alles hier sachlich betrachten könnte, dann würde er vermutlich genau diese Schlüsse ziehen können. Nur leider konnte er das nicht. Er war verwirrt von all den Emotionen, die in ihm herumgeisterten – ausgelöst durch Magie, durch Aufregung und Abenteuer aber eben auch von tiefen Gefühlen für einen anderen Menschen. Und gerade letzteres war auch etwas, was Merthin bisher nie für sich zugelassen hatte. Und dieser Selbstschutz war über eine wirklich lange Zeit aufgebaut worden – so schnell brach er nicht ein.

Und doch konnte er sich nicht dauerhaft gegen diese Gefühle wehren, die hier im Raum standen. Er wurde nach und nach von ihnen eingenommen, schaltete nach und nach seinen Verstand aus, ließ sich mehr und mehr treiben, von der Situation, von den Gefühlen, die damit einhergingen. Aaron so berühren zu dürfen, ohne dass jener gleich errötete und vor Scham den Kopf wendete, war angenehm. Genauso angenehm war es, die leisen Unterhaltungen zu führen. Gemeinsam zu beschließen, nach Dorstaal zu gehen und dort dafür zu sorgen, dass die Magie sich nicht verselbstständigte, tat gut. Sie waren ein Team und das war wichtig. Es war harmonisch, selbst wenn sie schwiegen waren sie sich nahe.
 

„Lehn dich zurück“, sagte er, seitlich versetzt hinter Aaron stehend. Er hatte eine große Schüssel auf den Boden gestellt und einen Krug Wasser geholt, um die Paste aus Aarons Haar waschen zu können. Auf dem Weg vom Fluss zum Zelt hatte er das Wasser mit Hilfe seiner Energie gewärmt, so dass er nun warmes Wasser über Aarons Haar fließen ließ, mit der freien Hand nachhelfend, die Paste zu lösen und ganz auszuspülen. Vorsichtig ließ er das Wasser nach und nach über das Haar fließen, genoss erneut die Berührung, die ja nicht anders möglich war… Schließlich trocknete er die Haare des anderen mit einem Handtuch und löste dieses dann vorsichtig von ihm. Mit der Bürste glättete er die Haare etwas, dann trat er vor Aaron und betrachtete sich, was er geschaffen hatte. Stirnrunzelnd musterte er ihn, nachdenklich, biss sich unentschlossen auf die Unterlippe. „Ich fürchte, das geht so nicht…“, sagte er mit kritischem Blick, bevor er doch schmunzeln musste. Daher trat er lieber zur Seite, ergriff Aarons Hand, um ihn aufstehen zu lassen und lupfte dann das Tuch, das vor dem Spiegel gehangen war. Er hatte die Hand nicht losgelassen, sondern hielt sie noch immer, als er dichter neben den anderen trat, um über seine Schulter zu blicken und ihn auch im Spiegel ansehen zu können. „Ich fürchte“, raunte er leise. „Du siehst viel zu gut aus, als dass wir unbemerkt reisen könnten, Aaron.“
 

Aaron

Langsam lehnte sich Aaron zurück und ließ sich die Paste aus den Haaren waschen. Wieder etwas, das er sehr genießen konnte. Deutlich spürte Aaron Merthins Magie überschwappen, jedesmal, wenn seine Hand ihn berührte, aber seine Wärme berührte ihn innerlich noch tiefer. Immer mehr glaubte Aaron zu merken, was Marie angedeutet hatte als sie sagte, das Aaron und Merthin so vieles miteinander verband. Mehr als Magie. Allerdings machte Merthin Aaron mehr nervös, als dieser so skeptisch und nachdenklich auf Aarons Haare schaute und dann noch sagte, das es so nicht gehen würde. "Was genau meinst du...?", fragte Aaron vorsichtig, nahm aber Merthins Hand, um sich zu erheben und dann gleich einen Blick in den Spiegel zu werfen. Mit erstaunten Blick betrachtete er sich selbst, sah das ungewohnt kurze Haar und die noch viel ungewohntere Farbe, welches beides in Kombination seine aufgesetzt adlige Miene verwegener machte. Sein piekfeines und geordnetes Aussehen wirkte ungezwungener, war verwirbelt worden und in gewisser Weise drückte dies sein Inneres aus.

Aarons Blick wanderte im Spiegel von sich selbst zu Merthin, der hinter ihm stand und über seine Schulter ebenfalls in den Spiegel schaute. Aaron fühlte sich gut mit seinem neuen Schnitt und der Farbe, was sich noch um Längen verstärkte, als Merthin sein Kompliment aussprach. Jetzt verstand Aaron auch was er eben damit gemeint hatte, das es so nicht gehen würde. "Danke", sagte Aaron leise, nicht nur für das schöne Kompliment, sondern auch dafür, dass Merthin ihn so gut hinbekommen hatte. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen wandte sich Aaron herum, wobei er nicht gewillt war, Merthins Hand dafür loszulassen. Deshalb drehte der Prinz seinen eigenen Arm auf seinen Rücken, um Merthins Hand weiterhin festhalten zu können, was gleichzeitig den angenehmen Nebeneffekt hatte, dass Merthins Arm nun um Aaron herum lag und dieser den Prinzen damit halb umarmte. Aaron stand dadurch auch so nahe vor Merthin, dass er sich leicht ein kleines Stück vorlehnen konnte, um an dessen starker Brust zu lehnen. Sein Blick lag in Merthins Augen, welche Aarons Blicke einfach immer wieder einfingen. Seine freie Hand legte Aaron auf Merthins Schulter, fasste ihm sanft in den Nacken und striff dabei unbeabsichtigt sein Zeichen für Schicksal. Ruhige Energie entwickelte sich, umfloss sie beide und verstärkte Aarons Bauchkribbeln. Nie hatte er sich jemandem näher gefühlt als Merthin und ohne über Konsequenzen nachzudenken, ließ er das zu. Aaron hatte das absolute Bedürfnis danach, diese Nähe, diese Umarmung zu bekommen, Merthins Wärme direkt zu fühlen und seinen eigenen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Die Atmosphäre lud förmlich dazu ein und mit Merthins Kompliment war der Moment perfekt. Fast perfekt. Einen kurzen Moment blickten Aarons Augen auf Merthins volle Lippen hinab. Eine unwillkürliche Reaktion. "Mit dir klappt das Reisen doch auch trotzdem", gab Aaron das Kompliment leise und mehr indirekt zurück.
 

Merthin

Dass seine gespielte Zweifel Aaron unsicher werden ließen, quittierte er ihm mit einem Grinsen, als sich ihre Blicke im Spiegel trafen. Aaron sah ohnehin gut aus. Ihn hier mit kurzen schwarzen Haaren zu sehen, wirkte anders – und dennoch war er immer noch verdammt gutaussehend. Und offenbar gefiel es Aaron, denn nachdem er sich kritisch beäugt hatte, vermutlich überrascht von der Veränderung, blickte er ihn jetzt zufrieden an. Und dass er ihm Danke, bestätigte ihm seine Vermutung.

Als sich Aaron drehte und Merthins Hand hinter seinen Rücken führte, hielt dieser den anderen automatisch fest. Seine Augen blickten nun direkt in die Augen des anderen und er spürte mit unerwarteter Wucht die Nähe, die sein Herz schneller schlagen ließ, die ein Kribbeln in seiner Magengegend bewirkte. Er schluckte, als er die andere Hand Aarons an seiner Schulter spürte, wie sie sacht nach hinten in seinen Nacken glitt und der Schauer an Magie, der von seinem Mal aus den Rücken hinunterrieselte, ließ ihn die Sinne schwinden. Es war ein Gefühl von Ruhe und Glückseligkeit, von Wärme und Gelassenheit, von Zuversicht und Zärtlichkeit. Warum fühlte sich das alles hier so gut an? Wieso fühlte es sich so verdammt gewollt an? Aarons schlanken Körper in den Armen zu halten, von ihm im Nacken gekrault zu werden, seinen Atem über sein Kinn rieseln zu spüren… Konnte daran etwas falsch sein?

Merthin wagte es nicht, sich zu rühren. Nicht, um die Umarmung zu verstärken, nicht um die Distanz wieder einzunehmen. Und doch wusste er, wofür er sich gerade wirklich lieber entscheiden würde… Nun zumindest wenn Aaron ihm ein Zeichen dafür gab, dass er es auch wollte… Und das tat er in dem Moment, in dem er auf seine Lippen blickte und ihm indirekt das Kompliment zurückgab. Sollte er darauf noch antworten? Sollte er etwas sagen? Nein! Nichts, was er sagen könnte, würde zu dieser Situation passen. Hier gab es nur eine Sache, die er tun wollte…

Langsam, den anderen weiterhin ansehend hob er die Hand und strich Aaron über die Wange, wo er seine Hand einen Moment liegen ließ. Sein Daumen glitt den schönen Bogen der geschwungenen Lippen des anderen nach und seine Augen folgten dieser Bewegung. Dann sah er wieder auf in das Blau, in dem er sich so gerne verlor und überwand zögernd Zentimeter für Zentimeter, bis seine Lippen endlich die des anderen versiegelten. Und das Gefühl, das von dieser zunächst zaghaften Berührung ausging, war atemberaubend, berauschend… unwillkürlich schloss er die Augen, um zu genießen, was hier gerade vor sich ging. Ein Beben packte seinen Körper, das ihm vor Augen führte, wie sehr er das hier begehrte, wenn er denn darauf hören würde. Doch er war in diesem Moment einfach nur überwältigt und vollkommen perplex von all diesen Emotionen, die auf ihn einströmten. Es fühlte sich gut an, wünschenswert… und er wollte mehr davon. Und so ließ er seine Hand nach hinten gleiten, in den Nacken des anderen, hielt ihn damit fester an sich. Auch die Hand, die noch immer in der des anderen an dessen Rücken lag, zog Aaron näher. Er spürte keinen Widerwillen von Aaron. Und so begann er langsam und vorsichtig die Lippen zu bewegen, den Kuss damit zu intensivieren und erlaubte sich, sich in diesem Gefühl treiben zu lassen. Zitternd atmete er aus, löste den Kuss kurz, um Luft zu holen und blickte Aaron kurz an. Heißer Atem rann über seine leicht geöffneten Lippen und noch bevor er den Fehler begehen konnte, etwas zu sagen, oder gar doch wieder auf Abstand zu gehen, versiegelte er erneut die Lippen des anderen, um ihn nun intensiver, ja fast schon gieriger zu küssen. Leicht öffnete er den Mund, leckte sacht mit seiner Zungenspitze über Aarons Lippen, um um Einlass zu bitten. Und als ihm dieser gewährt wurde, verwickelte er die Zunge des anderen in ein sanftes Spiel.

Sein Körper schmiegte sich an den anderen, seine Hand massierte leicht seinen Nacken, während er Aaron küsste. Erst jetzt kehrten langsam wieder seine Gedanken zurück, ließen ihn sich bewusster wahrnehmen. Und er spürte deutlich, dass das hier nicht spurlos an seinen Lenden vorbeiging. Er spürte die Erregung, spürte das brennende Verlangen in ihm, das seltsamerweise nicht von seinen Malen auszugehen schien, obwohl auch diese deutlich sichtbar wurden, ja leicht zu glühen begannen. Und mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er so etwas, wie das hier, noch nie gespürt oder empfunden hatte. Obwohl er wirklich kein Kind von Traurigkeit war...
 

Wo ist denn da der Unterschied zu dem Begehren, zu dem Sex, wenn man verliebt ist? – hörte er mit einem Mal Aarons Frage in jener Scheune. Dann sah er Flammen, ein Inferno, das versuchte von ihm Besitz zu ergreifen. Mit einem Ruck öffnete Merthin die Augen, löste den Kuss und blickte Aaron erschrocken von seinen eigenen Gefühlen an. Merthin taumelte zurück, fasste sich an den Mund und ließ den anderen los. „Oh nein!“, sagte er mit gebrochener Stimme. „Es tut mir leid… Ich kann das nicht. Es wäre nicht fair dir gegenüber… Entschuldige, ich wollte dir keine falschen Hoffnungen machen…“ Verwirrt blickte er den anderen an. „Das hat nichts zu bedeuten…“, stammelte er weiter, um sich irgendwie aus der Situation zu retten. „Ich sollte jetzt lieber gehen. Es war falsch von mir, mich so gehen zu lassen… Entschuldige!“ Damit wandte er sich um und rannte mehr als dass er lief aus dem Zelt, hinunter zum Fluss, um wieder zur Ruhe zu kommen. Ruhe, die gerade gänzlich aus seinem Körper gewichen zu sein schien.
 

Aaron

Aarons Blick huschte wieder in Merthins Augen, als er die sanfte Berührung an seiner Wange spürte, der er sich leicht entgegen lehnte und so den Kopf etwas schief hielt. Dann wanderte sein Blick wieder zurück auf Merthins Lippen, welche sich stückchenweise langsam näherten. Ohne sich bewusst zu sein, was das Resultat werden würde, sobald diese weich anmutenden Lippen des Blonden bei denen von Aaron angekommen sein würden, ließ dieser sie immer näher kommen ohne zurückzuweichen. Aaron hob im Gegenteil sein Gesicht an, um Merthin ein Stück entgegen zu kommen. Seine Augenlider schloßen sich genauso stückchenweise und waren schließlich ganz geschlossen, als sich ihre Lippen das erste Mal trafen. Mehr Energie entfaltete sich sogleich, umstrich sie aufgeweckter als eben noch, dennoch blieb der Fluss weich. Merthins Lippen fühlten sich so zart an, so unbeschreiblich wohltuend. Ein Glücksgefühl kribbelte von Aarons Lippen ausgehend durch seinen Körper, erreichte sein Herz, was es schneller schlagen ließ, wanderte weiter zu seinem Bauch, dessen flattern sich verstärkte. Allein diese noch recht zaghafte Berührung reichte bereits aus, dass Aaron für einen Moment der Atem stockte. Alles war mit einem Mal so unfassbar unwichtig geworden, nur Merthin und das vor Glück ganz flaue Gefühl in seinem Magen existierten noch. Sachte gab Aaron mit seinen Lippen Gegendruck, hielt Merthins Hand an seinem Rücken fester, lehnte sich ihm mehr entgegen, als könnte er Merthin gerade nicht nahe genug sein. Seine Hand in dessen Nacken massierte die Haut, umspielte einzelne Haarsträhnen, die aus seinem Zopf gerutscht waren. Wenn Aaron nicht gerade verdammt abgelenkt wäre, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass Merthin auch seine eigenen Haare gekürzt hatte.

Die kurze Pause nach der ersten Berührung ihrer Lippen nutzte Aaron dazu kurz Luft zu holen, ehe ihn das wunderschöne Gefühl Merthins Lippen auf den eigenen erneut erfüllte. Diesmal intensiver, tiefer. Das Glücksgefühl in seinem Körper zog weiter hinab, als er schließlich der Zunge des anderen den gewünschten Einlass gewährte und sie kurz darauf sanft gegen seine eigene stupsen fühlte. Auch diese Berührung, dieses zärtliche Spiel erwiderte Aaron gefühlvoll. Der Prinz hatte noch nie jemanden derart innig geküsst und das erstrecht nicht mit so viel Gefühl. Seine Beine begannen weich zu werden und er nutzte die Tatsache, dass sich Merthin anschmiegte, als zusätzlichen Halt. Seine Hand in Merthins Nacken rutschte noch ein Stück höher, mehr in sein zusammen gebundenes Haar, um Merthin so nahe bei sich zu halten. Sein Bauchkribbeln war langsam auch dabei sich zu verselbstständigen und in seinen Unterleib zu ziehen. Aaron war sich sehr sicher, dass diese ganzen Gefühle, die nur dieser Kuss bereits auszulösen vermochte, nicht bei jedem auftreten würde, den Aaron küssen würde. Merthin hatte mehr Wirkung auf ihn als das verstärken seiner Kräfte, das wurde ihm mehr als bewusst. Ganz leicht schimmerte wieder Aarons Symbol auf der Haut im bläulichen Glanz, was den Moment komplettierte.

Doch bekam Aaron keine Gelegenheit, das weiter zu genießen. Mit dem unerwarteten Ruck, mit dem Merthin recht plötzlich zurücktaumelte und alles löste, was sie in diesem Moment verbunden hatten, spürte Aaron auch den sanften Energiefluss aufrucken, der sie seicht umspielt hatte. Es war wie ein Schlag, mit dem auch die Ruhe und Zärtlichkeit des Moments verflogen. Perplex stand Aaron nur da, ließ langsam seine Hand sinken, die bis eben noch Merthins Haut im Nacken berührt hatte, blickte Merthin an, der sehr geschockt aussah und ihren Kuss, ihren besonderen Moment, ganz offensichtlich bereute. Aaron verstand nicht so ganz, was Merthin da redete, warum er sich entschuldigte und das dreimal. Und was war bitte nicht fair? "Aber, Merthin..!", war das einzige, was Aaron noch hervor brachte, bevor der Blonde bereits aus dem Zelt rannte. Ohne den Blick vom Ausgang des Zeltes zu nehmen ließ sich Aaron ein bisschen wie in Trance auf das Bett sinken und blieb dort einen Moment starr sitzen. In seinem Körper wirbelten noch die Emotionen des Moments, seine Lippen kribbelten, seine Atmung ging schneller und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Mit seinem Zeigefinger strich er sich gedankenverloren über die prickelnden Lippen und kam sich gerade sehr einsam vor. Der Kuss hatte ihre Nähe auf ein neues Level gehoben und das so abrupt abzubrechen hinterließ Spuren, besonders, wenn es als 'falsch' bezeichnet wurde. Hatte Merthin das ernst gemeint? Empfand er solche Gefühle als falsch? Hatte der Kuss für ihn wirklich nichts zu bedeuten gehabt? Aber Merthin hatte deutlich gezeigt, dass er ebenso mitgerissen gewesen war, seine Hände hatten Aaron doch ganz fest gehalten, hatten seine Male auf der Haut doch geglüht, sein Atem gezittert. Für Aaron hatte der Kuss eine Bedeutung gehabt! Dass er von Merthins Flucht und Leugnung der Gefühle verletzt war, bestätigte das nur. Gewiss hätte der Prinz die Berührung ihrer Lippen nicht zugelassen, wenn es nichts zu bedeuten hätte. Und dann sagte Merthin einfach, dass Aaron sich keine falschen Hoffnungen machen sollte. Holzklotz.

Schließlich ließ Aaron sich einfach gänzlich auf das Bett fallen, schnappte sich eines der Strohkissen und drückte es sich aufs Gesicht. Erst jetzt stieg ihm die Röte in die Wangen, während er an den Kuss zurückdachte und dabei in sich spürte, was für eine Bedeutung der Kuss für ihn selbst gehabt hatte. So unendlich viel hatte er dabei gespürt, nicht nur Magie, sondern etwas, das jeder Mensch empfinden konnte, nicht nur sie beide. Was nur wir machen können, hallte es in Aarons Kopf aus dem Gespräch kurz zuvor wider, das war Magie. Sich Liebe und Glück schenken zu wollen war menschlich und sie waren neben Magiern auf einer Mission auch immernoch Menschen. Menschen mit Gefühlen außerhalb der Magie. Merthin schien das vergessen zu haben.
 

Merthin

Als er spät in das Zelt zurückkehrte, schlief Aaron bereits – so wie Merthin es gehofft hatte. Leise kroch er selbst unter die Decke und konnte lange nicht einschlafen, dem Atem des anderen lauschend. Wie hatte er sich nur so gehen lassen können? Wieso hatte ihn die Magie nur so verwirren können, dass er Gefühle in das alles hier interpretierte, die nicht real sein konnten. Diese elendige Prophezeiung schien seine Sinne zu verwirren und das war nicht fair. Aaron hatte etwas Besseres verdient, als dass er ihn hier aus einer Laune heraus verführte. Und überhaupt! Wohin sollte das führen, wenn sie sich das Bett teilen würden? Das würde nur in einer Katastrophe enden. Waren die Flammen nicht ein deutliches Zeichen gewesen? Hatten sie ihn nicht gewarnt? Deutlich hatte er darin einen verkohlten Menschen erkannt... war das eine Zukunftsaussicht?

Sie hatten einen Auftrag und den galt es zu erfüllen. Alles andere war nicht zweckdienlich! Ganz und gar nicht!

Ergriffen

Merthin

Er wachte nach einem unruhigen Schlaf schon sehr früh auf. Die Sonne schob sich erst langsam über den Horizont und Merthin schlich sich leise aus dem Zelt, um ihre Pferde soweit fertig zu machen, dass sie bald losgehen könnten. Als er in ihr Zelt zurückkehrte, stand Aaron fertig angezogen da und packte seinen Rucksack. „Gut“, kommentierte Merthin und ging zu seiner Kommode hinüber. „Die Pferde sind fertig“, sagte er und musste sich kurz räuspern. „Ich denke wir sollten schnell etwas essen und dann los…“ Er packte seine Sachen in den Rucksack und spürte die grässliche Stille, die so anders war, als gestern beim Haarschneiden. „Es tut mir leid, dass ich gestern so dreist gewesen bin!“, sagte er daher und blickte Aaron dabei nicht an. „Das war völlig falsch von mir und unprofessionell. Irgendwie hat mir meine Magie wohl die Sinne betäubt, anders kann ich mir das nicht erklären. Schon seltsam, dieses Gefühl, wenn wir uns berühren. Dieser Energiefluss fühlt sich gut an. Aber das darf man nicht mit Gefühlen oder so etwas gleichsetzen. Das ist es nicht. Entschuldige, dass ich dir zu nahegetreten bin und dich aus einer Laune heraus geküsst habe.“ Er sah den anderen über den Spiegel an, dann sah er wieder in den Rucksack, in dem er die letzten Sachen und auch das Buch von Marie verstaute. Irgendwie hatte er das Gefühl, als würden ihm die Eingeweide zerquetscht.
 

Aaron

Es hatte einige Zeit gedauert, bis Aaron in einen leichten, sehr unruhigen Schlaf gefallen war. Die Decke zog er im Schlaf unterbewusst noch enger als sonst um sich herum, hatte er doch das Gefühl zu frieren. Als der Prinz am nächsten Morgen recht früh wach wurde, fiel sein erster Blick wieder zu Merthins Bett herüber. Und wieder lag er nicht darin. Das wurde langsam zur Gewohnheit, dabei hatte Aaron es als sehr angenehm empfunden, mit Merthin zusammen aufzuwachen und sein Gesicht gleich als erstes sehen zu dürfen. Aber das war ihm bisher nicht sonderlich oft vergönnt gewesen. Wenigstens schien er darin geschlafen zu haben und war nicht die ganze Nacht über woanders gewesen. Seufzend erhob Aaron sich und biss sich bei dem Gedanken, dass Merthin jetzt wohl erst recht auf Abstand gehen würde, fest auf die Lippen. Eigentlich hätte eine solche Situation wie gestern mit dem krönenden Abschluß mit dem Kuss ihre Beziehung vertiefen können, doch es hatte sie weiter auseinandergezogen. Zu merken war das besonders gut, als Merthin schließlich wieder ins Zelt kam und die Stille zwischen ihnen drückend wurde. Merthins Nähe war bisher immer angenehm gewesen, nie hatte Aaron Stille zwischen ihnen schlimm gefunden. Sie hatten sich trotzdem verstanden und waren sich nahe gewesen. Jetzt fühlte es sich komisch an. So packte Aaron einfach weiter seinen Rucksack zusammen, horchte erst auf, als Merthin wieder das Thema mit dem gestrigen Erlebnis ansprach. Aaron stoppte in seinem Tun und blickte den Blonden an, der ihn nicht mal mehr direkt anschaute. "Aus einer 'Laune' heraus?", wiederholte Aaron erneut perplex. Bisher hatte Merthin wahrscheinlich immer nur aus 'einer Laune' heraus andere Leute geküsst, jetzt war es mehr gewesen und das war auch für den Blonden neu. Aaron versuchte das zu verstehen und damit Merthins Reaktion nachvollziehen zu können. Würde es helfen Merthin zu sagen, dass Aaron selbst auch mehr dahinter sah? "Nein, entschuldige mich. Sber in diesem Fall habe ich ja wohl deine 'Laune' geteilt. Was war also falsch?", sprach der Prinz nicht ganz so fest, wie er es hatte klingen lassen wollen. "Ich setze unsere Magie nicht mit diesen Gefühlen gleich. Das, was du mich gestern hast spüren lassen, war etwas Eigenständiges. Du sagst selbst, dass sich unsere Berührungen seltsam anfühlen. Konntest du dann nicht rausspüren, welches Gefühl die Magie verursachte und welches aus deinem Herzen kam?", fügte er noch flüsternd hinzu, hoffte dabei inständig, dass Merthin nochmal in sich gehen würde und ehrlich nachschauen würde, was seine Gefühle ihm sagten. Würde er dann immernoch der Meinung sein, dass er nur Magie fühlte und nichts vom Herzen, dann hätte sich Aaron wohl getäuscht und Merthin fühlte doch nicht dasselbe wie er. Aber das durfte einfach nicht der Fall sein...

Das Gespräch wurde unterbrochen als Merthins Freunde ins Zelt platzten. Sie hatten von ihrem Aufbruch gehört und waren davon überrumpelt worden. "Ihr wollt gehen?", fragte Kyle, während Jenna nahe an Merthin herantrat und den Blickkontakt zu diesem suchte. "Ich wollte noch eine Revanche! Könnt ihr nicht doch noch bleiben?", fragte sie bittend, ihr war die Zeit mit Merthin zu kurz gewesen. Monty war im Zelteingang stehen geblieben und merkte wohl als einziger der Hereingestürmten, dass zwischen Aaron und Merthin dicke Luft herrschte. Woher die kam, konnte er aber natürlich nicht wissen. "Wir haben Frühstück fertig. Wollen wir nicht beim Essen darüber reden?", schlug er vernünftig vor.
 

Beim Frühstück selbst blieb Aaron wieder sehr ruhig, er bekam den Kuss einfach nicht aus den Kopf. Wollte Merthin jetzt, dass er die Gefühle vergaß und so tat als wäre es nicht passiert? Das könnte Aaron vielleicht, müsste er als Prinz eigentlich sogar, wenn es denn nur eine 'Laune' gewesen wäre. Aber das war es nicht, es war leider mehr. Aaron hatte diesen Kuss gewollt, obwohl er dabei gegen so gut wie alle Anstandsregeln und sogar gegen ein Gesetz verstoßen hatte. Der Wunsch Merthin nochmal zu küssen war sehr präsent und das war Aaron Zeichen genug.

Als Aaron plötzlich sah, wie ihn alle anschauten, kam er aus seinen Gedanken und blickte verwirrt zurück. "Wir fragten, ob du schlecht geschlafen hast, Aaron", wiederholte Monty nun seine Frage, die Aaron gar nicht gehört hatte. Auch sein Frühstück hatte er noch gar nicht angefasst. Aber sein Hunger war eh nur mäßig. "Ehm...", murmelte er und fasste sich kurz an die Schläfe, um wieder ins Hier und Jetzt zurück zu finden. Es brachte ja nichts darüber nachzudenken, er würde nochmal mit Merthin deswegen reden müssen. Das konnte so nicht stehen bleiben, auch wenn Merthin das wohl gern so hätte. "Nein, alles gut. Bin nur noch etwas müde", antwortete er und spürte dann eine recht ruppige Hand, die durch sein nun struppeliges Haar wuschelte. "Wessen Haare über Nacht eine solche Veränderung durchmachen, der kann ja auch nicht viel geschlafen haben", ertönte dazu eine weibliche Stimme. Es war Jenna, welche hinter den Prinzen getreten war, um sich seine neue Frisur genauer anzuschauen. "Das war gewiss Merthin, richtig?", sie schaute den betreffenden an. "Gehört das zu eurem Auftrag oder war euch einfach die Laune danach?", fragte sie grinsend. Aaron antwortete zuerst nicht, eigentlich müsste er sagen, dass es eine Laune gewesen war, aber das konnte er nicht aussprechen, da er es mit Merthins Aussage nach dem Kuss assoziierte. "Es war keine Laune gewesen! Es war gewollt und ich bereue es nicht", antwortete Aaron schließlich energischer als geplant, auch wenn diese Worte eher an Merthins 'Laune' gerichtet war als an Jennas Frage. Solange Aaron noch den Mut hatte, selbst zu den Gefühlen zu stehen, was Merthin nicht konnte, wollte er ihm das auch klar machen. Aaron hatte Sorge, diesen Mut zu verlieren, wenn sich Merthin stur dagegen sperrte. Was könnte er denn dann auch tun, um sein Herz zu berühren?
 

Merthin

Dass Aaron genervt von seinen fadenscheinigen Ausreden war, merkte Merthin nur zu deutlich. Und er spürte ein enorm schlechtes Gewissen. Sicher, weil er sich so gehen hatte lassen. Er hätte sich nicht dazu hinreißen lassen dürfen, den anderen zu küssen. Das war falsch gewesen! Nun schien jener sauer zu sein – vermutlich zurecht. Er sollte dringend mal wieder ausgehen und ein wenig Dampf ablassen, damit er Aaron nicht weiterhin für deine Bedürfnisse missbrauchte… - so redete er sich das alles zumindest schön.

Als jener jedoch antwortete, schluckte er hart. Er wagte nicht, den anderen anzusehen. Denn dann würde all das, was er sich krampfhaft versuchte einzureden, nichtig werden. Und die Feststellung, was falsch daran war, diese ‚Laune‘ zu teilen, ließ ihn einen Moment in seiner regen Betriebsamkeit erstarren. Hatte es ihm gefallen? Hatte er es genauso gewollt wie er? Er hatte noch nicht gewagt, darüber nachzudenken… Aber offenbar war es so. Denn jetzt, wo er gezwungen wurde, diese Gedanken zuzulassen, spürte er wieder ganz deutlich, dass der andere sich in keiner Weise gewehrt hatte. Seine Lippen waren ihm entgegen gekommen, er hatte sich nicht gescheut, ihre Zungen ein sanftes Spiel spielen zu lassen. Er hatte mit seinem Haar gespielt, hatte sich an ihn geschmiegt. Wenn er ehrlich zu sich wäre, dann müsste er sich eigentlich klar darüber sein, dass das alles Aaron gefallen hatte, dass er vielleicht genauso empfand wie er, dass jener sich ihm gerne hingegeben hätte, wenn Merthin weitergemacht hätte… War auch er so von der Magie gefesselt, dass er diese Bedürfnisse nach Nähe spürte? Doch nun fuhr Aaron fort und Merthin lausche den Worten, erstaunt und mit einer seltsamen Furcht in seinem Bauch. Aaron verwendete ein Wort, das ihm Angst machte: Gefühle

Dieses Wort erschreckte ihn nur noch mehr, tief in ihm. Wie eine alte, unbekannte Angst. Das bedeutete doch zudem, dass Aaron unter Umständen tiefgehende Empfindungen hatte. Dass er sich nicht nur wegen der Magie zu ihm hingezogen fühlte. Dass er ihm auch so nahe sein wollte… Genauso, wie er es empfand - wenn er denn ehrlich zu sich wäre. Gefühle, die unabhängig von Magie waren – welche auch immer es waren… Aber er… Er durfte das nicht. Wie sollten sie… Es konnte doch nicht sein, dass… Merthins Gedanken wirbelten durcheinander und er blickte nun doch auf, um Aaron direkt anzusehen, als mit einem Mal seine Freunde ins Zelt stürmten. Und er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte, oder nicht. Er schluckte, schüttelte leicht den Kopf, um die verwirrenden Gedanken zu vertreiben und atmete tief durch, den Rucksack verschließend und nun fertig für eine Abreise zu sein, die viel Ungewissheit bringen würde.

Er blickte Jenna an und lächelte, ergriff sie an der Hand und zog sie in eine Umarmung. „Wir müssen, meine Gute“, sagte er. „Deine Revanche bekommst du das nächste Mal, wenn wir uns wiedersehen. Ich hoffe, dass das bald sein wird.“ Er wusste, dass er sich gerade völlig danebenbenahm. Aber er konnte einfach nicht zulassen, dass aus einen Gefühlen sich mehr entwickelte, als sein durfte. Es ging nicht! Es würde sie verletzlich machen, angreifbar. Sie würden sich gegenseitig beschützen wollen und jeder Gegner, der sehen würde, was zwischen ihnen war, würde sich das zunutze machen. Und wenn dadurch Aaron zur Zielscheibe werden würde, würde er sich das niemals verzeihen können. Aaron war der Prinz und er würde irgendwann einmal dieses Volk in eine neue Zukunft führen können. Da war kein Platz für einen dahergelaufenen Straßenköter wie ihn, der ihn zu Dingen verführte, die in dieser Gesellschaft ohnehin nicht erlaubt waren. Ja, so war das! Er löste sich wieder etwas von Jenna und mied den Blick von Monty, der sie alle zum Frühstück diktierte. Dabei spürte er seinen bohrenden Blick. Der Kerl kannte ihn einfach zu gut! ‚Ich brauche neue Freunde, meine wissen zu viel von mir…‘, dachte Merthin und seufzte innerlich.
 

Er holte sich etwas Obst, Nüsse und Kekse und kaute appetitlos darauf herum. Monty ließ es sich nicht nehmen, sich neben ihn zu setzen, doch Merthin ignorierte ihn zunächst. Jenna diskutierte mit Kyle darüber, wie sie sie das nächste Mal fertig machen würden und Merthin hörte halbherzig nur zu, ohne zu kommentieren. „Was auch immer zwischen euch ist“, sagte Monty leise zu ihm. „Ihr solltet es dringend klären, denn ihr seht beide nicht so aus, als könntet ihr momentan gemeinsam irgendwas reißen…“ Merthin schluckte und nickte. „Ich weiß“, knurrte er. „Aber ich regle das schon…“ Monty hob die Augenbrauen und sah ihn zweifelnd an. „Das geht aber nur, wenn du auch ehrlich mit dir bist…“, fügte er an und Merthin stellte seine Schüssel etwas heftiger auf den Tisch, als es vermutlich nötig gewesen wäre. „Warum geht dich das was an?“, fauchte er ihn an. „Warum meint eigentlich jeder, dass er alles genau weiß und klarer sieht als ich? Könnt ihr mich nicht damit in Ruhe lassen?“ Bevor Monty noch etwas sagen konnte, blickte Merthin hinüber zu Jenna, die aufgestanden war, nachdem ihnen offenbar aufgefallen war, dass auch Aaron nicht wirklich bei der Sache war. Jenna hatte die Haare des anderen bemerkt und wie es typisch für sie war, konnte sie nicht die Finger davon lassen. Dabei spürte Merthin ganz deutlich das Gefühl in ihm, sie zurechtzuweisen, Aaron nicht anzufassen. Das durfte doch nur er!! Er war schließlich ein Prinz… Merthin war selbst überrascht von seinen dämlichen Gedanken, als er Jennas Frage hörte und Aaron recht patzig darauf reagierte. Eine Laune… Es waren seine Worte gewesen, seine Lüge. Und nun bekam er die Antwort darauf, die er eigentlich nicht hören wollte. "Es war keine Laune gewesen! Es war gewollt und ich bereue es nicht!“ Merthin schluckte und hatte das Gefühl, hier ganz schnell wegzuwollen. Doch er konnte sich nicht rühren und kurz begegneten sich ihre Blicke.

Dafür dass Aaron eigentlich so schüchtern war, schien jenem viel mehr bewusst zu sein, was er wollte, dass er den Kuss nicht als falsch empfand und es gewollt hatte. Und damit war jener vermutlich erwachsener, mutiger und sich selbst treuer, als Merthin es momentan sein konnte. Langsam senkte Merthin seinen Blick. Wieso verstand Aaron nicht, dass es falsch war, sich diesen Gefühlen hinzugeben?! Es ging nicht, so sehr er es auch wollen würde… erneut sah er die vom Feuer verschluckte Leiche vor seinen Augen.
 

Aaron

Merthin wirkte am Frühstückstisch gereizt, aber das konnte man auch von Aaron behaupten, welcher nicht weniger pampig auf Jennas Frage reagiert hatte, wie Merthin auf Montys Ratschlag. Die Stimmung zwischen ihnen war geladen, nur nicht mehr mit diesem gewissen Knistern wie gestern Abend. Aarons und Merthins Blick trafen sich kurz und der Prinz schaute etwas sehnsüchtig, während er in Merthins Blick Verwirrung sah. Drängte er Merthin zu sehr? Aber wenn Aaron jetzt nachließ, würde der Blonde ihm vielleicht entgleiten. Das wollte Aaron nicht, egal wie ungehobelt Merthin sich gerade benahm. Allein schon, dass er Jenna vorhin im Zelt so umarmt hatte und ihr gesagt hatte, dass er hoffte, bald wieder zu ihr zurückkehren zu können. Merthin wusste doch von Jennas Gefühlen für ihn und dennoch sagte er ihr sowas, vor Aaron auch noch, das war auch schon eine Zurückweisung von Aarons Gefühlen für den Blonden. Und seine eigenen schob Merthin damit auch noch beiseite. Aber vielleicht legte Merthin es auch deswegen darauf an, Aaron zu verletzen und deutlich zu machen, dass gar nichts zwischen ihnen war. Alle Gegenbeweise wurden ignoriert.
 

Marie und Falk traten nun recht unverhofft an ihren Tisch und Marie schaute ganz sorgenvoll drein. Sie hatte erst die Aurenlichter harmonisch zusammen fließen sehen und dann gewiss auch den Bruch bemerkt, was sie nun so sorgte. Dass etwas vorgefallen war, konnte man gewiss nicht nur Aaron anmerken. "Euer nächstes Ziel ist Dorstaal, wie ich gehört habe?", begann Falk dann zu sprechen und reichte einen versiegelten Briefumschlag an Merthin. "Sucht wenn ihr dort seid nach einem reisenden Händler namens Delvin, übergebt ihm diesen Brief. Er wird wissen, was zu tun ist", sprach Falk ein bisschen in Rätseln. Aaron hatte diesen Namen nie gehört, aber das war sicher auch kein Wunder. Der Mann reiste wie die Schausteller auch ununterbrochen durchs Land, sammelte Informationen über Unheil und Aktivitäten des Königs und er hatte kürzlich einen Brief geschickt, in dem er von Vorkommnissen berichtet hatte, wo gehäuft Kinder verschwanden. "Er wird euch übermorgen bei Sonnenaufgang am Tor zum Soldatenfriedhof von Dorstaal erwarten. Ihr erkennt ihn leicht, er reist stets zusammen mit einer Feuerfeder", fügte Falk noch hinzu und trat wieder einige Schritte zurück. Feuerfeder wurde ein seltener Vogel genannt, dessen Gefieder die Farbe des Feuers aufwies und wenn er flog, wirkte es wie lodernde Flammen. "Ihr solltet nun aufbrechen", fügte Marie schließlich noch leise gesprochen hinzu.
 

Merthin

Als Falk und Marie eintraten, blickte Merthin erstaunt auf. Dem Blick seiner Großmutter nach zu urteilten, wusste sie bereits, dass der Haussegen bei ihm und Aaron schief hing. Aber irgendwie verbesserte das nicht seine Laune – im Gegenteil! Trotzig hob er den Kopf und erwiderte starr ihren Blick, zumindest bis Falk zu ihm kam und ihm den Brief gab. Er nickte und lauschte den Ausführungen. Er kannte den Händler, sie hatten öfters mit ihm zu tun und Marie war sehr gut befreundet mit ihm. „Machen wir“, erklärte er mit etwas erschlagener Stimme, so dass er sich räusperte. „Danke!“ Er stand auf und war froh, dieser ganzen Situation hier entkommen zu können. „Das machen wir. Es ist höchste Zeit.“
 

Sie holten ihre Rucksäcke, Waffen und Umhänge und gingen zu den Pferden, wo sie sich der Reihe nach von allen verabschiedeten. Als Marie ihn umarmte, murmelte sie ihm ein „Hör auf dein Herz!“ zu und Merthin nickte. War ja klar, dass sie das so sagte. „Vergiss nicht, dass Worte mehrere Bedeutungen haben, als die erst einmal offensichtliche!“ Merthin runzelte die Stirn und sah sie einen Moment an. Er wollte fragen, worauf sie das bezog, ließ es aber bleiben. Vielleicht wollte er das lieber nicht hören… Sich von Monty zu verabschieden, fiel ihm schwer. Irgendwie hatte er das Gefühl, seinen besten Freund noch ein wenig brauchen zu können. Zumindest sagte Monty nichts mehr, sagte nur, dass er sich darauf freute, sie beide bald wieder zu sehen. Ja… sie beide.

Merthin wusste nicht so genau, was er denken und fühlen sollte, als er auf sein Pferd stieg – diesmal wirklich sein eigenes. Sie hatten eher kleine Pferde, gedrungener im Körperbau, aber unglaublich leistungsstark, wenn es um Ausdauer und Orientierung ging. Als er alle verabschiedet hatte, prüfte er noch einmal den Sattelgurt, dann stieg er behände auf das Pferd. Er blickte nun das erste Mal wieder zu Aaron. „Können wir?“, fragte er möglichst freundlich. Am liebsten wäre es ihm, wenn sie das alles vergaßen… Dann ritten sie los, von den beobachtenden Soldaten vermeintlich ungesehen über den hinteren Teil der Koppel in den Wald aufbrechend.
 

Aaron

Auch Aaron wurde von der Truppe verabschiedet, bekam sogar ganz unerwartet einen Drücker von Marie und auch von Monty. Jenna wünschte ihm auch nett eine gute Reise, auch wenn sie mehr auf Merthin konzentriert war. Natürlich, Aaron konnte nachvollziehen wie sie wohl empfand, dennoch könnte sie ruhig mal aufhören, Merthin zu erdrücken und überreden zu wollen, schnell wieder vorbei zu schauen. Marie hatte Aaron dasselbe zugeflüstert wie Merthin und ihn ermunternd angelächelt, was Aaron nur leicht hatte erwidern können. Er merkte, das er nicht nur etwas sauer war, dass Merthin alles leugnete und sich unhaltbare Ausreden ausdachte. Er war auch enttäuscht darüber. Merthin redete so locker von solchen Dingen und wenn es dann ernst wurde, konnte er damit nicht umgehen. Aber das war wahrscheinlich nichtmal Merthins Schuld. Wenn Aaron nicht diese Gefühle für Merthin entwickelt hätte, wäre es nicht soweit gekommen. Aber Schuldzuweisungen brachten genauso wenig wie das ewige darüber Nachdenken. Bei der nächsten Gelegenheit wollte Aaron mit Merthin erneut darüber sprechen, in Ruhe. Merthin hatte schließlich nicht nur grundlose Bedenken.

Aaron nickte zustimmend, als Merthin sich erkundigte, ob sie los könnten. "Bin bereit", sprach er es noch aus, winkte den Schaustellern und folgte Merthin dann auf einem der sehr süßen Pferde Richtung Wald.
 

Merthin

Ihr Schweigen war drückend, zumindest empfand es Merthin so, während sie schon einige Zeit durch den Wald geritten waren. Merthin vermied die offiziellen Wege und orientierte sich am Stand der Sonne. In einem Tag würden sie es nicht schaffen, Dorstaal zu erreichen. Sie würden unterwegs irgendwo einen Unterschlupf finden müssen. Morgen würden sie dann früh aufbrechen, um möglichst lange Zeit zu haben, die Stadt zu erkunden, um das Unheil abzuhalten. Merthin ging in Gedanken immer wieder die Worte durch, die sie hatten. Aber zu einer eindeutigen Lösung kam er nicht… Zumal seine Gedanken ohnehin ständig abdrifteten.

Ich bereue es nicht! Merthin begriff erst jetzt, dass sein Herz bei diesen Worten heftig geschlagen hatte und das Kribbeln in seinem Bauch wieder deutlich gewesen war. Jetzt war ihm hingegen eher schlecht, er fühlte sich erschöpft und müde. Die ganze Energie, die er am vergangenen Abend gespürt hatte, schien wie weggeblasen zu sein. War diese Energie wirklich so abhängig von Aaron? Aber was bedeutete das für sie?

Worte haben mehrere Bedeutungen!

Wie hatte Marie das gemeint? Irgendwie konnte er seine Gedanken nicht auf ein Thema fokussieren… Es war wie verhext.

Er hatte nichts mitbekommen, hatte nichts gemerkt – nicht die Unruhe der Pferde, nicht die Stille im Wald, nicht die Schnur, die sein Pferd zu fall brachte, und ihn genauso. Und als die beiden Soldaten über ihm waren, war es bereits zu spät. „Merthin Rosario!“, erklang eine Stimme. „Du bist wegen Hochverrat, Diebstahl, Entführung eines Mitglieds der königlichen Familie, Überfall einer königlichen Kutsche und Mord an Wachen Ihrer Majestät zum Tode durch Erhängen verurteilt!“ Merthin versuche sich zu wehren, aber der Griff der beiden Soldaten war unbarmherzig. Er roch den Waldboden, auf dem er lag, schmeckte Blut, das vermutlich von seiner aufgeplatzten Lippe herrührte. Und die Wut in sich über seine eigene Dummheit ließ seine Male aufflammen…. "Mein Prinz", hörte er den Offizier sagen,"ich bringe Euch nun sicher nach Hause. Euer werter Vater ist außer sich vor Sorge und wird glücklich sein, Euch wohlbehalten wiederzusehen." Mit einem Mal spürte Merthin, wie eine unbestimmte Panik in ihm hichkroch. Eine Angst, die er kaum fassen konnte. Und es war nicht die Sorge darum, verhaftet worden zu sein, sondern die Angst, Aaron könnte froh sein, zurück in seine gewohnte Umgebung kehren zu können, zu seiner Familie. Der Blonde versuchte den Kopf zu drehen, um Aaron anzusehen, aber er wurde nur noch mehr hinuntergedrückt.
 

Aaron

Aaron ließ Merthin voraus reiten und ließ sein Pferd hinter ihm her schreiten. Seine Gedanken waren ebenso abgelenkt wie die von Merthin, weshalb auch er nicht kommen sah, was plötzlich über sie herein brach. Wie aus heiterem Himmel stürzte das Pferd vor seinem, was natürlich auch dessen Reiter zu Boden beförderte. "Merthin!", rief Aaron reflexartig und besorgt, dass er sich beim Fallen verletzt haben könnte. Aarons Pferd scheute erschrocken, als dann noch die Soldaten aus ihren Verstecken sprangen und den am Boden liegenden Merthin sofort ergriffen. Aaron konnte nur zuschauen, wie sich zwei der wuchtigsten Soldaten Merthins bemächtigten und ihn unbarmherzig zu Boden drückten. Dabei hatten sie seine beiden Arme auf seinen Rücken gedreht, so hoch, dass es schmerzen dürfte. Einer der beiden Soldaten drückte zusätzlich sein Knie auf Merthins Wirbelsäule, um ihn an jeglicher Bewegung zu hindern. Der andere Soldat drückte mit der ganzen Handfläche auf Merthins Kopf, um diesen ebenso fest auf den Boden zu drücken. In dieser Lage könnte sich Merthin ohne Hilfe seiner Magie nicht befreien, aber gerade die sollte er jetzt nicht verwenden, denn sonst käme auf seine eh schon lange Verbrechensliste noch mit das schlimmste oben drauf; Magienutzung. Obwohl das bei der Liste schlimmster Verbrechen gegen die Krone kaum noch auffallen dürfte.

Aaron hatte es geschafft sein Pferd zu zügeln und es zu beruhigen, schnell sprang er vom Pferd und wurde auch gleich schon vom oberen Offizier dieser kleinen Einheit angesprochen. Aarons Blick lag bei Merthin, nicht bei dem Soldaten, der mit ihm sprach. Der Mann in Rüstung sprach angemessen und dennoch ärgerte Aaron es, wie dieser Mann sich ihm gegenüber gebar. Als ob dieser Offizier jetzt der Held der Stunde wäre, der sich haufenweise Gold vom König holen könnte dafür, dass er den Königssohn zurück gebracht und den Übeltäter gleichzeitig geschnappt hatte. Dieser Gedanke widerte den Prinzen gerade sowas von an, was man an seinem Gesichtsausdruck sicherlich sehen konnte. "Genug! Ich werde nicht nach Hause gehen", sprach Aaron als erstes. "Nicht jetzt", fügte er noch leiser hinzu und deutete dann auf die beiden Soldaten, die Merthin sehr grob gefangen hielten. "Ihr werdet Me...-", Aaron hätte fast Merthins Namen ausgesprochen, doch das wäre den Soldaten gewiss merkwürdig vorgekommen, daher versuchte er es schnell zu retten. "-... Meister Rosario unverzüglich volle Freiheit gewähren.", verlangte der Prinz und ignorierte den beinahe fassungslosen Ausdruck im Gesicht des Offiziers. "Aber, Eure königliche Hoheit..-", wollte der Mann widersprechen, aber Aaron fiel ihm ins Wort. "Ihr, ebenso wie mein mich liebender Vater - Aaron sagte dies sehr sarkastisch - seid diesem Mann zu Dank verpflichtet. Er rettete mich selbstlos und tapfer vor den waren Unholden und vor dem Tod." Das war nichtmal gelogen. Die beiden Soldaten, die Merthin festhielten, lockerten ihren Griff ein kleines bisschen, ließen aber dennoch nicht los. Irritiert glitt ihr Blick von ihrem Offizier zum Prinzen hin und her, als ob sie nicht wüssten, wessen Befehl sie eher Folge zu leisten hatten.

Der Offizier machte eine Handbewegung in Richtung der Soldaten, welche Merthin daraufhin an seinen auf den Rücken gedrehten Armen, an seinen Haaren und seiner Kleidung auf die Knie hoch zerrten und ihn zwangen auf den Knien hocken zu bleiben. Den Kopf drückten sie ihm auch in dieser Position hinab, waren stets darauf bedacht, dass Merthin speziell Aaron nicht anschauen konnte. Ein Prinz musste sich nicht von solchen Verbrechern anschauen lassen, daher unterbanden sie jeden Versuch des Blonden seinen Blick zu heben. Aaron stach es ins Herz zu sehen, wie Merthin behandelt wurde. Das musste aufhören, jetzt! Warum hörten die Soldaten nicht auf ihn? "Seine Majestät erwähnte bereits, dass Eure Sinne umnebelt worden sein könnten. Ihr wisst gar nicht mehr, was Euch angetan wird", sprach der Offizier und Aaron war einen kleinen Moment sprachlos. Scheinbar hatte König Corvo vorgesorgt und die Soldaten dazu gebracht, Aarons Wort nicht mehr zu trauen. Deswegen führten sie Aarons Befehl auch nicht aus. Gut, dann eben Plan B.

Diesem Mann schien es vorallem um die Anerkennung und das Gold zu gehen. Das konnte er haben. Merthin jedoch würde er garantiert nicht kriegen! Aaron entnahm einfach einen Federkiel und leeres Pergament der Hand des Schreibers der Armee, der immer zum Protokollieren dabei war. Besonders in einem solch 'glorreichen Moment' war ein solcher natürlich dabei. Ohne auf die verwirrten Gesichter der Soldaten zu achten, lehnte Aaron das Pergament gegen den Sattel eines Pferdes und schrieb mit dem Federkiel ein paar Worte auf die leere Seite. Worte, die an den König gerichtet waren und den Soldaten Gold und Ruhm versprachen. Aaron wollte ja auch nicht, dass diese pflichtbewussten Männer hängen mussten, weil sie so kurz davor waren, ihren Auftrag zu erfüllen und dann doch 'scheiterten'. Hoffentlich erkannte König Corvo die geschriebenen Worte auch an. Das Pergament reichte er dann dem Offizier, welcher mit erhobenen Augenbrauen las, was Aaron geschrieben hatte. Unterdessen schritt der Prinz auf die beiden Soldaten zu, die Merthin immernoch mehr als unsanft, fast schon brutal, festhielten. "Loslassen, jetzt!", sprach Aaron eindringlich und schaute die Soldaten fest an, die nach einem prüfenden Blick zu ihrem Offizier, der ein Nicken von sich gab, nun endlich gehorchten und Merthin aus ihrem unnachgiebigen Griff entließen. Sogleich fasste Aaron den Blonden stützend am Arm, half ihm wieder aufzustehen. "Mein Prinz, ich muss Euch wirklich dringend abraten!", sprach der Offizier nun noch, aber längst nicht mehr so eindringlich wie noch zuvor. Was der richtige Anreiz doch bewirken konnte! "Und ich rate Euch dringend ab, Merthin je nochmal zu nahe zu kommen", antwortete Aaron ruhig aber fest und machte eine Handbewegung zu den Soldaten, das sie endlich verschwinden sollten. Dass er diesmal doch 'Merthin' gesagt hatte, war Aaron gar nicht richtig aufgefallen. Zögerlich stiegen die Soldaten auf ihre Pferde, als ob sie noch auf eine Möglichkeit warteten und hofften, doch noch zugreifen zu können, aber zum Glück hatten sie doch noch Respekt vor Prinz Aaron, auch wenn sie ihn sicherlich noch nicht so entschlossen hatten sprechen hören, war er sonst eher höflich zurückhaltend. "Prinz Aaron, wir werden weiterhin versuchen Euch nach Hause zu holen. Ihr werdet gebraucht", sprach der Offizier schließlich mit ehrlicher Sorge. Viele Bedienstete des Königs fanden, dass Aaron auf den Thron gehörte, auch wenn es sich keiner wagte auszusprechen. Vielleicht war das auch ein Grund, dass die Soldaten besonders motiviert waren, Aaron zu retten, weil er im Gegensatz zu seinem Bruder und dem König herzensgut und gerecht war. Auch in dieser Situation hätte Aaron die Männer mit seinem Eis aufhalten können, hätte sie dem Zorn des Königs ohne sein Schreiben ausliefern können, aber das war nicht Aarons Art, solange es sich nicht vermeiden ließ.

Schließlich ritten die Soldaten davon, das sie König Corvo Bericht erstatten würden war klar und sie würden schnell weiterreisen müssen, nachdem sie das Unwetter besiegt und den Händler getroffen hatten, dem sie noch etwas aushändigen sollten. Aaron wandte sich besorgt Merthin zu. "Alles in Ordnung?", fragte er ihn und ließ seinen Blick über Merthins Körper schweifen, erblickte dabei einige blaue Flecken, Druckstellen des festen Griffs und sein Blick blieb schließlich an seiner aufgeplatzten Lippe hängen. Diese schönen, weichen Lippen, die er gestern noch kurz hatte küssen dürfen. Irgendwie kam dieses Thema immer wieder in seinen Kopf zurück. "Ist unser Nachtlager noch weit? Du solltest dich ausruhen", sprach er weiter besorgt und schaute zu Merthins Pferd, das sich bei dem Sturtz zum Glück nichts gebrochen zu haben schien.
 

Merthin

Merthins Sinne waren gespannt. Jede Chance, die sich ihm bieten würde, würde er ergreifen. Und egal, wofür Aaron sich entscheiden würde – ihn würden sie definitiv nicht bekommen! Und auch wenn er wusste, dass die Magie das letzte wäre, was er verwenden dürfte – er würde es tun, wenn es nötig war. Aber dann dürfte es halt keine Überlebenden geben… Und während er auf seine Chance wartete, hörte er sein Herz hart gegen seine Brust schlagen, das Blut durch seine Ohren rauschen, während er hoffte, über die Geräusche, die der andere machte, herauszufinden, wie jener dachte. Würde er die Gelegenheit ergreifen, ihn zu verlassen? Er könnte es ihm nach dem, wie er sich vorhin benommen hatte, nicht verdenken… Außerdem war es seine Familie zu der er zurückkehren könnte. Er wusste, dass Aaron sich sicher nicht einfach so gegen seine Familie wenden konnte. Auch wenn jener etwas anderes behauptete. Und die Furcht, die mit diesem Wissen einherging, befiel ihn erneut. Denn dieser Gedanke schmerzte so tief in ihm und machte ihm so große Angst, dass er gar nicht recht wusste, wie er damit umgehen sollte. Er schluckte, als Aaron zu sprechen begann und Merthin hörte den Ärger in seiner Stimme. Worüber ärgerte er sich? Über ihre Dummheit? Über seine Unbedarftheit? Über sein schändliches Benehmen? Oder doch über die Wachen? Wie auch immer – zumindest schloss der Prinz zunächst aus, den Soldaten zu folgen. Auch der Befehl an die Soldaten, ihn loszulassen, war eindeutig, auch wenn Aaron mit sich zu kämpfen schien. Offenbar schienen die Wachen seinem Wort aber nicht folgen zu wollen. Merthin versuchte sich aufzurichten, sich aus dem Griff zu befreien, doch vergebens. Das Knie in seinem Kreuz schien noch mehr zu drücken, die Schultern schmerzten nur noch mehr von der unangenehmen Haltung der Arme auf seinem Rücken. Und dann hörte er, wie Aaron ihn als eigentlichen Helden darstellte, dem sie zu Dank verpflichtet seien. Er runzelte irritiert die Stirn und spürte gleichzeitig Erleichterung und Freude in seiner Brust. Doch die gewünschte Reaktion hatte es immer noch nicht auf die Soldaten. Stattdessen wurde er ziemlich unsanft auf die Knie befördert und sein Gesicht immer noch so gehalten, dass er Aaron nicht einfach anschauen konnte. So war das also mit dem Volk und dem Prinzen… Hätte er sich damals im Wald auch so benehmen sollen? Auf die Knie gehen und den Blick nicht heben… Ob sie dann hier so wären? Vermutlich nicht.

Doch weiter darüber nachzudenken hatte Merthin keine Zeit. Denn nun hörte er etwas, das ihm Angst machte. Aarons Vater ließ seinen Sohn als unzurechnungsfähig hinstellen? Die Sinne benebelt? Ging der König davon aus, dass sein Sohn von der Magie verzaubert worden war? Wirklich? In diesem Moment fiel ihm auf, dass die Soldaten Wissen hatten, das so eigentlich nicht weitergetragen hätte werden können, wenn der König nicht über mehr Informationsquellen verfügte, als es augenscheinlich war… Woher sonst konnten die Soldaten wissen, dass er bei dem Überfall auf die Kutsche damals überhaupt zugegen war? Der Gedanke ließ ihn stutzen und in ihm kam wieder etwas herauf, was er schon einmal gedacht, aber verdrängt hatte: Der Überfall der Brüder sah letztlich viel zu gut geplant aus, als dass es wirklich der Plan der eher dummen Männer gewesen hätte sein können. Ob König Corvo seinen eigenen Sohn hatte gefangen nehmen lassen? Hatte jener provozieren wollen, dass Aaron seinen Gegenpart findet? Aber wie hat jener wissen können, dass sie sich dabei begegnen würden? Ob jener mehr von der Prophezeiung wusste? Ob jener ein Teil davon hatte? Merthin verschob den Gedanken erneut und lauschte nun lieber, was Aaron tun würde. Aber da er nichts sah, war es schwer. Denn er hörte nur Papier rascheln – sonst nichts. Was um alles in der Welt tat Aaron gerade? Merthin hörte wieder sein Herz schlagen und wartete… Nun, bis Aaron erneut befahl, dass man ihn loslassen solle. Und endlich lockerte sich der Griff und Merthin war froh, den Druck von seinen Schultern los zu sein. Er massierte sich kurz die Handgelenke und wollte aufstehen, als er schon Aaron an sich spürte, bevor er eine wirkliche Berührung wahrnehmen konnte. Sein Körper schien sich zu freuen, den anderen wieder so nah an sich zu haben, denn der Energiefluss, der sogleich einsetzte, wärmte ihn von innen heraus. ‚Blöder, hinterhältiger Körper!‘, knurrte er innerlich über sich selbst. Gestützt richtete sich Merthin zur vollen Größe auf und blickte die Soldaten, allen voran den Offizier zornig an, der noch einmal versuchte Aaron davon zu überzeugen, dass Merthin kein Umgang für den Prinzen war. Doch der Prinz fiel ihm ins Wort. Merthin sah das Pergament, das der Offizier in den Händen hielt, und runzelte die Stirn. Was jener wohl darauf geschrieben hatte?

Die Soldaten saßen auf, wendeten die Pferde und ritten los. Irgendwie war ihm gerade schleierhaft, was Aaron hatte schreiben können, was diese Männer dem Ruhm vorzogen, einen Schwerverbrecher dingfest zu machen und gleichzeitig den Prinzen nach Hause zu bringen… Doch es hatte funktioniert – vorerst.

Als Aaron neben ihm sprach, wendete er den Blick von den Soldaten ab und Aaron zu. Einen Moment reagierte er nicht weiter, hörte den folgenden Worten zu, ohne sich zu regen, dann senkte er den Blick, als Aaron seine Lippen ansah. Irgendwie war das komisch. So sehr er gerade den anderen umarmen wollte, um ihm zu danken und sich selbst zu beruhigen, so sehr saß ihm noch der gestrige Abend im Nacken. Oder war es das schlechte Gewissen? Er schluckte, dann räusperte er sich. „Danke für deine Hilfe“, sagte er leise, ohne auf irgendetwas anderes einzugehen, „obwohl ich mich vorhin so falsch benommen habe…“ Er blickte nach oben, war merklich unruhig und griff dann die Frage danach auf, ob sie bald beim Nachtquartier wären. „Es geht schon, ich bin fit“, erklärte er nur und wandte sich seinem Pferd zu, um die Fesseln zu untersuchen, die Brust, ob der Sturz dieses verletzt hatte. Aber er konnte nichts erkennen. „Ich führe ihn ein Stück“, erklärte er. „Wir sollten schauen, dass wir hier fortkommen. Nicht, dass sie es sich anders überlegt haben… Auch wenn das, was du da aufgeschrieben hast, einem Goldschatz gleichkommen muss…“ Er konnte nicht direkt danach fragen, aber indirekt musste er fragen, denn er war verdammt neugierig.
 

Aaron

Es wäre ein leichtes gewesen, diese Situation zu nutzen und nach Hause zurückzukehren. Es wäre Aaron vielleicht gar möglich gewesen, Merthin frei zu bekommen und dennoch heimzukehren. Aber davon hätte Aaron nichts. Deswegen wollte Aaron auch nicht heim. Hier fand das wahre Leben statt, hier lernte er wahre Weisheiten, hier hatte er eine sinnvolle Aufgabe. Hier war Merthin. Die Tatsache, dass dieser ihn nicht mehr so nahe an sich heranließ, änderte auch nichts daran, dass Aaron bei ihm sein wollte. Aus Rache gehen und Merthin im Stich lassen kam Aaron keine Sekunde in den Sinn. Er flüchtete nicht vor seiner Aufgabe, vor seiner Verantwortung, vor seinen Gefühlen. Pflichtbewusstsein war einem Mitglied der königlichen Familie angeboren, auch wenn Aaron inzwischen gelernt hatte, wann dies angebracht war und wann nicht. In diesem Fall war es aber nicht Aarons Pflichtbewusstsein, das ihn sich gegen seine Familie entscheiden ließ, sondern sein Wunsch nach Nähe zu Merthin, sein Wunsch ihn zu unterstützen, zu beschützen und ihn nicht alleine zu lassen. Deshalb blieb Aaron an Merthins Seite. Das hieß nicht, dass Aaron seiner Familie komplett den Rücken kehren konnte, irgendwann würde er sich ihnen stellen müssen, aber... Magie war dicker als Blut, seine Gefühle für Merthin stärker.

Es war das erste Mal nach dem Kuss, dass sie sich wieder berührten und Aaron spürte sogleich den Unterschied. Merthins feurige Wärme kroch in jeden Winkel von Aarons Körper und ließ ihn sich gut fühlen. Warum reichte dieses gute Gefühl für Merthin nicht, um die Nähe zuzulassen? Merthin bedankte sich für die Hilfe und Aaron lächelte erfreut, was sich wieder abschwächte, bei dem kleinen Nachtrag. 'Vorhin'...? Meinte Merthin den Kuss vorhin oder seine abweisende Art vorhin? "Immer wieder", antwortete Aaron leise nachdenklich. Darüber grübelnd schaute Aaron zu, wie Merthin sein Pferd untersuchte. Es wäre schlecht gewesen, wenn dieses verletzt wäre, nicht nur weil ihnen dann ein Reittier fehlte, sondern allgemein. Die Pferde der Schausteller waren alle so freundlich und liebenswert, keines verdiente es aufgrund eines Angriffs von Soldaten umzukommen, wofür die Tiere am allerwenigsten konnten.

Auch Aaron führte sein Pferd, während Merthin ihn indirekt fragte, was er dem Offizier aufgeschrieben habe. Es brachte das Grinsen wieder zurück auf seine Lippen, wenn auch nicht mehr tief aus dem Herzen kommend, denn das schmerzte zur Zeit. "Es muss nicht immer Gold sein, was einem Mann mehr wert ist, als der Triumph über einen Gegner", begann Aaron zu sagen. "Nein, sein Schatz ist mehr wert als Gold. Weißt du, Schulen in der Hauptstadt sind nur adligen Kindern zugänglich. Ein Empfehlungsschreiben aus dem Königshaus bildet Ausnahmen", umschrieb Aaron es, dass er genau ein solches Empfehlungsschreiben aufgesetzt hatte, damit die Kinder dieser Soldaten die Schule besuchen durften. Ansonsten wäre ihnen das unmöglich, Bildung und Wissen war einfach den Adligen vorbehalten und auch da nur im begrenzten Maße. Einzig Ausnahmetalente, die dem König bei seiner Machtgewinnung nützlich sein könnten, wurden gesondert unterrichtet. König Corvo wollte nicht, dass die Kinder, vorallem die der niederen Schicht, genug lernten, um sich am Ende noch gegen ihn erheben zu können.
 

Merthin

Vermutlich war es die Energie, die er eben durch ihren kurzen Kontakt erhalten hatte, die ihn etwas besser gelaunt weitergehen ließ. Vielleicht war es aber auch die Tatsache, dass Aaron sich ihm gerade als der offenbarte, der er im Volksmund war: der Gutherzige.

Zugegebenermaßen hatte sich Merthin nie wirklich um das Königshaus und seine Mitglieder geschert, hatte Aaron nie wirklich bewusst wahrgenommen – eben nur Gerüchte gehört. Nun aber, da er hörte, was jener getan hatte, bestätigte das die Gerüchte und Erzählungen… Und irgendwie war ihm deswegen ganz warm ums Herz, sehr warm ums Herz. Er hatte auch den Impuls gespürt, den anderen dafür zu umarmen, sich aber zurückgehalten. Sonst würde das Aaron wieder falsch verstehen… Dafür hatte er in der Bewegung innegehalten, obwohl er bereits hatte loslaufen wollen, und den anderen angesehen. „Kein Wunder, dass sie dich gerne auf dem Thron sehen wollen, Prinz Aaron“, hatte er geantwortet und ihn angelächelt. „Aber es passt zu dir, so wie ich dich kennengelernt habe…“, fügte er leiser hinzu. Dann war er mit einem Lächeln auf den Lippen weitermarschiert. Und das Gefühl, dass er sich glücklich schätzen konnte, dass es Aaron war, der an seiner Seite war, wurde ihm bewusst. Auch wenn gerade andere Dinge verhinderten, dass er dieses Glück einfach genießen konnte. Besonders die Flammen, das Inferno und die verkohlte Leiche, die er bei ihrem Kuss einen Moment gesehen hatte...
 

Aaron

Aaron hatte kurz gemerkt, dass Merthin sich ihm zugewandt hatte und sich dabei gefreut. Aaron hatte auf eine Umarmung gehofft, auf eine liebevolle Geste, die seine Worte und das schöne Lächeln Merthins untermalt hätte. Doch da hatte Aaron vergeblich gehofft. Dennoch lächelte er zurück bei Merthins lieben Worten. Es klang einerseits schön, wie Merthin seinen Titel verwendete, so liebevoll, wie es keiner sonst zu sagen vermochte. Aber auf der anderen Seite auch so ungewohnt, da Aaron in Merthins Nähe so schnell vergessen konnte, dass er ein Prinz war. Für einen Moment hatte Aaron das Gefühl, doch wieder auf einem guten Weg zu sein, sich Merthin wieder anzunähern, diese Barrikade zwischen ihnen zu überwinden. War Merthin denn auch der Meinung, das Aaron König werden sollte? Der Prinz wüsste das gerne, da er selbst noch geteilter Meinung war, aber dafür gäbe es gewiss eine Möglichkeit, um dieses Thema mal anzuschneiden.

Ebenfalls mit deutlich besserer Laune folgte Aaron Merthin weiter zu ihrem Nachtlager. Dass die Stimmung hier aber sehr drastisch kippen würde, ahnten sie beide noch nicht.

In der Bärenhöhle

Merthin

Sie ritten alsbald zügig weiter, legten noch ein gutes Stück in einem flotten Trab zurück, während Merthin sich entschied, ein geheimeres Nachtlager zu wählen, das auf dem Weg nach Dorstaal lag: eine alte Bärenhöhle, in der sie geschützter sein würden, als in der Scheune nahe der Straße, die er vorerst ins Auge gefasst hatte. Auf dem Weg dorthin war ihm komisch zumute. Aaron hatte sich für ihn entschieden – gegen seine Familie, seinen Vater. Er hatte letztlich aufbegehrt gegen diesen. Und irgendwie… ja irgendwie machte ihn das glücklich, sehr glücklich. Seine größte Sorge war zunächst einmal gebannt. Die Sorge, dass Aaron sich gegen ihn stellen würde… Und doch änderte das nichts daran, dass das nagend schlechte Gefühl in ihm schlimmer und schlimmer wurde. Er hatte am vergangenen Abend einen großen Fehler gemacht. So musste das sein. Er hatte ihre Zusammenarbeit aufs Spiel gesetzt, nur weil er dem Gefühl nachgegeben hatte, Aaron küssen zu wollen. Dieser Fehler stellte alles in Frage. Je näher sie der Höhle kamen, desto dunkler wurde es, obwohl die Sonne eigentlich noch lange nicht untergehen konnte. Ob das die Nähe zu Dorstaal war? Vielleicht.

Merthin versorgte die Pferde und sammelte dann Feuerholz, um dieses mit seinen Händen anzuzünden. Jetzt, wo er die Magie einfach zuließ, ging das eigentlich immer besser. Aber gerade dauerte es ein wenig, bis sich seine Magie dazu herabließ, ihm zu gehorchen. Er richtete sich sein Lager und schwieg weiterhin. Es war ihm selbst unangenehm. Aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Wobei…

„Wir müssen morgen früh sehr bald aufbrechen, damit wir rechtzeitig da sind“, warf er in den Raum, ohne Aaron anzusehen. Er saß auf seinem Bett und blickte in das Feuer, das ihn diesmal so gar nicht zu wärmen schien. Er griff nach seinem Spiegel und betrachtete die aufgeplatzte Lippe, die leicht geschwollen war und pulsierte. Dann tupfte er Alkohol darauf und schmierte sie mit Zinksalbe ein, damit sich die Verletzung nicht entzündete. „Wir sollten also bald schlafen… Ich halte erstmal Wache, dann kannst du dich schon hinlegen...“
 

Aaron

Es war merkwürdig, dass sich die Sonne verdunkelte, obwohl sie noch am Himmel stand. Das Unwetter musste bereits nahe sein, dies schienen die ersten Zeichen dafür zu sein. Vielleicht war es aber auch die negative Energie in der Stadt Dorstaal, der sie nun auch recht nahe waren. Oder eine Mischung aus beidem. Aber egal wie man es betrachtete, es war beängstigend.

Als sie bei ihrem Nachtquartier ankamen, staunte Aaron nicht schlecht. Diesmal war ihr Versteck eine kleine Höhle, in der es aber dennoch ähnlich wie in einem Stall roch. Wahrscheinlich hatten hier vor ihnen auch Tiere bereits Schutz gesucht, jetzt schienen sie hier aber alleine zu sein. Langsam ließ Aaron seinen Rucksack von den Schultern gleiten, holte seine Decke daraus hervor und breitete sich auf dem Boden aus, direkt am Lagerfeuer, das Merthin gerade aufbaute. Natürlich in die Nähe von Merthins Schlafplatz, wenn auch nicht so dicht wie es hätte sein können.Seufzend ließ sich der Prinz dann auf seine Decke plumpsen und merkte dabei, dass es ihn gar nicht mehr so sehr störte, dass er sich nicht geziemt setzte. Einen gewissen Teil Anstand bewahrte er sich, das ließ sich auch einfach nicht gänzlich austreiben. Es gehörte zu Aaron, wie auch seine Magie. Magie... sie war ein Segen und ein Fluch, auch in Bezug auf seine Beziehung zu Merthin. Nur... wären sie beide sich wohl nie so nahe gekommen, wenn ihre Magie nicht existiert hätte. Sie hatte den Anfang geliefert und irgendwie hatte sich ihre Nähe dann verselbstständigt.

Aaron saß einfach auf dem Boden auf der Decke, hatte seine Knie angewinkelt und eng an sich gezogen, seine Arme umschlossen seine Beine und sein Kinn war auf seinen Knien gestützt. So blickte er zu Merthin rüber und beobachtete ihn dabei, wie auch er sein Lager aufschlug und danach begann seine eigene Lippe zu versorgen. Gern hätte Aaron das übernommen, dann bräuchte Merthin nicht mit dem Spiegel in der einen und der Salbe in der anderen Hand hantieren müssen, aber Merthin löste seine Angelegenheiten lieber allein. Wie auch das Thema ihres Kusses. Aaron sprach kein Wort, während er dem Blonden zusah, auch obwohl Merthin Belanglosigkeiten für den nächsten Tag aufsagte. Es war zwar dunkel geworden am Himmel, aber die Sonne war doch noch gar nicht untergegangen, also wäre es doch zu früh zum schlafen? Zumal Aaron noch nicht würde schlafen können. Ihm brannte noch immer das Thema ihrer Nähe auf der Zunge. Diese unangenehme Stille zwischen ihnen sollte wieder angenehm werden und Aaron wollte wieder Merthins Magie fühlen, die ihn immer so wohltuend gewärmt hatte. Seit Merthin diese Mauer um sich gebaut hatte, drang auch dessen Magie nur noch schwerlich zu Aaron durch, was ihn wieder frieren ließ, wie so oft vor ihrer Begegnung.

"Wieso kannst du es nicht?", begann Aaron leise wie aus dem Kontext gegriffen das Thema mit einer Frage anzuschneiden, das ihn einfach am meisten beschäftigte, ohne auf die Worte des Blonden einzugehen. Merthin hatte das direkt nach dem Kuss gesagt und seitdem fragte Aaron sich, was er damit gemeint hatte. Auch Merthin musste das Thema im Kopf herum spuken, das sah man ihm an. Er war abgelenkt gewesen auf ihrem Weg hierher, ansonsten hätte er die Soldaten bemerkt, bevor sie ihn derartig hatten überwältigen können. Natürlich war es nicht Merthins Fehler gewesen, niemand und schon gar nicht Aaron, würde Merthin die Schuld geben. Aber auf diese Weise waren sie spürbar schwächer, vielleicht zu schwach, um gegen das Übel weiterhin bestehen zu können. Ein klärendes Gespräch war also nicht nur für ihre persönliche Beziehung notwendig, sondern auch, um ihre Zusammenarbeit zu verbessern. "Ich meine...", sprach Aaron weiter und hob seinen Kopf nun an, schaute Merthin direkt an. Es war Aaron aufgefallen, dass Merthin es immer schwer fiel Aaron richtig anzuschauen, wenn sie über das Thema sprachen, warum war das so? "Was genau kannst du nicht? Was glaubst du ist an der Sache nicht fair mir gegenüber?", stellte Aaron weitere Fragen. Fragen, die er mit sich rumschleppte und die er eigentlich schon hatte stellen wollen, als Merthin den Kuss abgebrochen hatte. Zu dem Zeitpunkt war er nicht dazu gekommen diese Fragen zu stellen, jetzt sprudelten sie aus ihm heraus. "Was glaubst du hat den Kuss bewirkt? Dass unsere Magie entschieden hat, dass es lustig wäre, wenn wir menschlichen Bedürfnissen nachgehen?", wurde Aaron etwas sarkastisch, aber er steigerte sich beim Reden selbst rein, nur seine eigene Ruhe bewahrte ihn davor, lauter zu werden. "Nein, du persönlich warst es, der mich angezogen hat, der mir das Gefühl gegeben hat, das Richtige zu tun, obwohl ich selbst weiß, dass mein Stand das für abwegig halten müsste... Unsere Magie hat auf unsere Taten reagiert, Merthin, nicht umgekehrt. Und jetzt willst du mir einreden, dass es doch falsch war? Ich verstehe das nicht", versuchte Aaron deutliche Worte zu finden. Es war nicht leicht, das alles auszusprechen, offen zu legen, dass man selbst Gefühle verspürte, die einen natürlich verletzlich machten. Aber sie konnten einen auch um so vieles stärker machen, wenn die Grundlage gefestigt wäre. "Liegt es vielleicht an mir? Ich habe keine Erfahrungen gesammelt, so wie du und vielleicht bin ich daher nicht in der Lage, meine Gefühle objektiv zu analysieren, aber ich merke doch, wenn Gefühle da sind, die ich sonst nie gehabt hatte. Hast du denn nichts als Magie gefühlt?", fügte er noch hinzu und fand diese Frage recht wichtig. Noch wollte sich Aaron nicht damit zufrieden geben, dass alles nur durch Magie vorgetäuscht worden wäre und selbst wenn, dass es keine Zukunft für diese Art von Gefühlen geben sollte. Ja, es widersprach allem was Aaron gelernt hatte, aber dies hier fühlte sich so viel größer an, als die Lehren seines Vaters, die zum Großteil eh hohle Worte gewesen waren, was er durch Merthin und seiner Reise mit ihm verstanden hatte. "Was macht dir nur solche Angst...?", setzte er noch sehr leise hinzu. Marie hatte davon gesprochen, dass Merthin Angst haben könnte, war das so? Aaron wollte Merthin verstehen.
 

Merthin

Merthin spürte deutlich, dass Aaron ihm nicht wirklich zuhörte, sondern in Gedanken war. Und in diesen Gedanken blickte er ihn an. Das war ihm ebenfalls mehr als bewusst – und es machte ihn mehr und mehr unsicher. Es stand zu viel zwischen ihnen. Es war nicht nur der Kuss, der bewies, dass da mehr war, als sich Merthin eingestehen konnte und wollte. Es waren so viele Situationen, in denen er Gefühle gehabt hatte, die er so nicht kannte. Und Merthin wusste das, aber er wollte diese Gedanken nicht zulassen. Er griff zu seinem Rucksack und holte etwas Brot heraus, rutschte etwas zu Aaron und legte noch andere Lebensmittel dazu, damit auch jener etwas essen konnte. Dann griff er zu einem Stück Brot und kaute lustlos daran herum. Offenbar schien der andere noch nicht schlafen zu wollen – also könnte er ihn vielleicht mit Essen ablenken. Doch offenbar war Aaron nicht daran interessiert, sondern begann nachzufragen. Und auch wenn Merthin erst etwas verwirrt die Stirn runzelte, weil er die erste Frage nicht gleicht verstand und mit seinen gestrigen Worten in Verbindung brachte, so begriff er nach der zweiten Frage, worauf Aaron hinauswollte. Er atmete hörbar aus und spürte, dass es ihn ärgerte, dass Aaron damit anfing. Warum konnte er nicht einfach akzeptieren, dass er nicht mehr darüber reden wollte?!

"Es war keine Laune gewesen! Es war gewollt und ich bereue es nicht!“

Merthin wusste es nur zu gut, weshalb Aaron es nicht dabei belassen konnte.

Was genau kannst du nicht? Was glaubst du, ist an der Sache nicht fair mir gegenüber?

Und so schloss Merthin schweigend einen Moment die Augen, verschloss sich vor der Wahrheit, die Aaron unbedingt hören wollte. Aber er konnte nicht! Er konnte nicht mit ihm darüber reden. Er konnte nicht, weil er unbegreifliche Angst davor hatte. Er konnte ihm nicht sagen, dass er wusste, dass es keine Lauen war, dass da mehr war, dass er am liebsten den anderen in seine Arme ziehen würde, um ihn zu küssen und noch ganz andere Dinge mit ihm anzustellen.

"Was glaubst du, hat dein Kuss bewirkt? Dass unsere Magie entschieden hat, dass es lustig wäre, wenn wir menschlichen Bedürfnissen nachgehen?"

Aber es ging nicht. Er war nicht der Mensch, auf den sich der Prinz einlassen sollte! Und außerdem… Waren seine Gefühle wirklich echt? Waren das wirklich Gefühle, die er für den anderen empfand? Oder war es nicht nur Selbstsucht? So wie sonst auch? Sucht nach diesem wunderbaren Gefühl, das ihn erfüllte, wenn er Aaron nahe war? Sucht nach diesen unbeschreiblichen Empfindungen, die ihm die Sinne schwinden ließ?

"Nein, du persönlich warst es, der mich angezogen hat, der mir das Gefühl gegeben hat, das Richtige zu tun, obwohl ich selbst weiß, dass mein Stand das für abwegig halten müsste... Unsere Magie hat auf unsere Taten reagiert, Merthin, nicht umgekehrt. Und jetzt willst du mir einreden, dass es doch falsch war? Ich verstehe das nicht."

Aber je länger er schwieg, desto mehr Fragen stellte Aaron, desto mehr bohrte er in dieser klaffenden Wunde, vor der Merthin so dringend versuchte wegzulaufen… Und das war nicht gut! Das war gar nicht gut! Denn die Verzweiflung, die er in sich spürte, die Verzweiflung, die er darüber empfand, dass er sich wie ein räudiger Hund in eine Sackgasse manövriert hatte, aus der es keinen Ausweg gab, die kehrte sich langsam aber sicher in Wut um. Wut, die den Straßenköter beißen lassen würde…

"Liegt es vielleicht an mir? Ich habe keine Erfahrungen gesammelt, so wie du, und vielleicht bin ich daher nicht in der Lage, meine Gefühle objektiv zu analysieren, aber ich merke doch, wenn Gefühle da sind, die ich sonst nie gehabt hatte. Hast du denn nichts als Magie gefühlt?

Merthin schluckte, spürte in sich eine seltsame Mischung aus Wut und Freude. Sein Herz hüpfte vor Freue darüber, dass der andere empfand wie er, aber sein Kopf füllte sich mit Zorn darüber, dass Aaron weiter und weitersprach, obwohl er doch sehen könnte, dass Merthin nicht darüber reden wollte!

Und dann kam die Frage, die ihn ruckartig die Augen öffnen und Aaron aus gelb glühenden Augen anblicken ließ.

Was macht dir nur solche Angst...?

Hatte Marie ihm etwas gesagt? Hatte sie ihm gesagt, dass er Angst hatte?

„Wage es ja nicht, Aaron“, zischte er bedrohlich und das Feuer flackerte deutlich nach oben, „in meinen Kopf hineinschauen zu wollen! Es geht dich nichts an! Hat Marie dir gesagt, dass ich Angst davor habe, mich auf dich einzulassen? Mehr mit dir anzufangen, als befreundet zu sein? Hat sie das?“ Er schnaubte. „Dann hat sie dir doch hoffentlich auch gesagt, weshalb es mir nicht möglich ist, noch einmal eine Beziehung einzugehen, oder hat sie dieses kleine Detail vergessen zu erzählen? Hat sie dir nicht gesagt, dass wegen mir Menschen gestorben sind?“ Er rang nach Atem, selbst erstaunt über das, was da aus ihm herausbrach und unfähig, es aufzuhalten. „Du redest hier so daher, als ob du alles über mich wissen würdest, weil wir uns geküsst haben. Aber du weißt gar nichts! Gar nichts! Was willst du hören, damit du mich in Ruhe lässt? Dass ich nichts für dich empfinde? Dass das alles nur eine Laune war? Dass ich dich nur benutzt habe? Ja, so war es. Ich habe dich benutzt. Weißt du, ich brauche dringend mal wieder einen Mann in meinem Bett und da dachte ich mir: nimm doch Aaron! Mit dem ist es doch sicher sehr nett – unerfahren wie er ist. Und ja! Da ist nichts, als dieses Gefühl von Magie in mir, wenn ich dich berühre und küsse. Nichts mehr! Reicht dir das jetzt, um mich in Ruhe zu lassen?“ Er war aufgestanden und griff nun zu seinem Schwert. „Ich werde mich draußen umsehen!“, knurrte er. Irgendwie schien es gerade noch dunkler geworden zu sein.
 

Aaron

Merthins Feuer ging gerade eindeutig mit ihm durch, hatte er doch die ganze Zeit über, in der Aaron seine Fragen gestellt hatte, kein Sterbenswörtchen gesagt und dann brach es plötzlich aus ihm heraus. Wie ein Vulkanausbruch entließ er unbedachte Worte seinen Lippen, funkelte mit seinen Augen so voller Wut in des Prinzen Richtung. Aaron konnte nur da sitzen, ihn anschauen und seinen Worten zuhören. Dabei begann ihm sein Herz zu klopfen, diesmal nicht aus... Liebe, sondern wegen der Feindseligkeit, die ihm entgegenschlug. Darauf war Aaron absolut nicht vorbereitet gewesen, hatte mit seinen Fragen kein Inferno lostreten wollen, sondern einzig Antworten erhalten wollen, die er nun in aller Deutlichkeit zu hören bekam.

Es stimmte, dass Marie Aaron von Merthins Angst erzählt hatte, aber den Grund dafür hatte sie nicht genannt. Hätte sie erwähnt, dass Merthin anscheinend schon einmal eine Beziehung gehabt hatte und in diesem Zusammenhang sich für schuldig für den Tod anderer Leute hielt, hätte er gewiss nicht so unbedacht gefragt. Was war passiert? Wieso sollten deswegen Menschen sterben? Warum konnten sie nicht in Ruhe darüber reden? Aaron würde ihm doch zuhören, uneingeschränkt, vorwurfslos. Aber es musste zu schmerzlich sein, sodass sein ganzer Schmerz über diese Sache gerade herausbrach und ihn ungerecht gegenüber Aaron werden ließ.

Ebenso erschreckend war es erneut gesagt zu bekommen, dass wirklich alles nur eine Laune gewesen war, Merthin nichts weiter dabei empfunden hatte und.... Aaron benutzt hatte? Seine unerfahrene Art ausgenutzt hatte, um, wie Merthin es ausdrückte, 'mal wieder einen Mann im Bett zu haben'? Aaron glaubte diese Worte keine Sekunde. "Ich glaube dir nicht!", sagte Aaron daher mit fester Stimme, aber noch immer weitestgehend ruhig. "Wenn es so gewesen wäre, hättest du doch nicht so plötzlich aufgehört und hättest dabei nicht so geschockt ausgesehen", argumentierte Aaron dagegen. Wenn Merthin Aaron in diesem Moment ganz gewollt hätte, hätte er das schaffen können. So darüber nachgedacht war es auch von Aaron eigentlich unüberlegt gewesen, sich im Rausch dieser Gefühle so sehr treiben zu lassen, dass er auch mehr in dieser Richtung zugelassen hätte. Aber Merthin wusste doch, dass Aaron unerfahren war, er hätte das nicht auf diese Art ausgenutzt... So rücksichtslos und rüpelhaft, wie sich Merthin gerade selbst darstellte, war er einfach nicht. Normalerweise. Merthin hatte oft genug sein Taktgefühl unter Beweis gestellt.

Der größte Rückstoß aber stellten die Worte dar, die Merthin kurz vor seinem Aufstehen raushaute. "Da ist nichts, als dieses Gefühl von Magie in mir, wenn ich dich berühre und küsse. Nichts mehr!"

Aaron musste sehr schwer schlucken, spürte dabei einen großen Kloß im Hals, der seine innere Ruhe durcheinander brachte. Seine Hände begannen zu zittern, sein schneller Herzschlag wurde schmerzhaft stechend mit jedem Schlag. Das hatte wirklich weh getan. "Ich... also, ich dachte wirklich...", der Kloß im Hals verhinderte ein normales Sprechen, sodass Aaron nicht mehr herausbekam, was er hatte sagen wollen. Seine Stimme zitterte wie seine Hände und er biss sich auf die Lippen, während er seine Beine enger mit seinen Armen umschlang. Es war so eine Ironie. An einem Tag durfte Aaron das unbeschwerte und beflügelnde Gefühl allen Glücks auf der Welt erleben, was er noch nie verspürt hatte, und am nächsten Tag schon wurde all das weggewischt und es tat weh, wie noch nichts zuvor. Merthin schien ein solch gebrochenes Herz schonmal gehabt zu haben, sonst würde er jetzt nicht diese tiefe Verbitterung und Wut in sich tragen, die mit viel Härte hervorbrach, sobald die Gedanken daran hervorgezwungen wurden. Aaron hatte Merthin in gewisser Weise mit seinen Fragen verletzt, da er nun wieder mit den schlimmen Erinnerungen konfrontiert war. Im Gegenzug hatte Merthin auch Aaron verletzt. War nur fair, oder?

So merkte Aaron gar nicht, wie ganz still und leise eine Träne aus seinen Augenwinkeln seine Wange hinabkullerte, der noch Stück für Stück ein paar folgten. Nichtmal, dass es draußen erneut dunkler geworden war und erste dicke Regentropfen einem wolkenbedeckten Himmel entbrachen und hinabprasselten, merkte Aaron richtig. Wenn Merthin doch keine zärtlichen Gefühle für Aaron hatte, hatte er sich dann auch bezüglich seines Taktgefühls getäuscht? Wenn es wirklich von vorne bis hinten ein Ausnutzen gewesen war, zu dem alles, was Aaron innerlich von Merthin berührt hatte, gehört hatte? Das war ein unbeschreiblich furchtbarer Gedanke und Aaron zwang sich dazu, diese Möglichkeit in seiner Gedankenwelt nicht zuzulassen. Leider hatte die ganze Situation keinerlei Antworten gebracht, was sich der Prinz von diesem Gespräch erhofft hatte. Es hatte nur mehr Fragen aufgeworfen, die Aaron alle erstmal nicht mehr stellen wollte, aus Angst davor, noch weiter verletzt zu werden. Merthin hatte Recht, wenn man seine Gefühle offen legte, konnte man schnell sehr verletzt werden, das hatte Merthin ihm sehr deutlich gezeigt. Aber um gemeinsam weiter kämpfen zu können und ihre gemeinsame Stärke weiterhin nutzen zu können, mussten sie nun beide einen Weg finden wieder mit den Gefühlen ins Reine zu kommen. Auf die eine oder andere Art.

Aaron hatte nicht mehr darauf geachtet was Merthin gemacht hatte, nachdem er seine Augen zugekniffen hatte in der Hoffnung, gleich aus einem schlechten Traum zu erwachen. Mit seinen Händen angelte er nach der Decke unter sich, zog sie sich um die Schultern. Ihm war nicht nur innerlich sehr kalt, auch von außen fegte ein kalter Wind durch den Höhleneingang hinein, der kalte Wassertropfen mitbrachte. Das von Merthin entfachte Lagerfeuer war kleiner geworden, der Wind konnte leicht mit den Flammen spielen und sie kraftvoll in alle Richtungen wirbeln.
 

Merthin

Ja, man konnte das, was gerade mit Merthin passierte, durchaus als Vulkanausbruch bezeichnen. Und das, was der Vulkan zu Tage beförderte, war mehr, als er gerade gebrauchen konnte. Denn es wühlten Erinnerungen auf, die tief in ihm vergraben gewesen waren, tief in ihm verschlossen. Es waren Erinnerungen, die durch die Eruption seiner Gefühle wieder an die Oberfläche transportiert wurden und wie glühende Lava über seine Seele rollten…

Doch das begriff er nicht im ersten Moment, konnte es noch nicht fassen, als er diese Schmerzen in sich fühlte, die dieses Gespräch hier mit sich brachte. Zunächst hatte er nur das Bedürfnis, Aaron dafür zu bestrafen, dass er ihn so gängelte, dass er ihn in diese Ecke drängte. Und wie ein Hund, den man in die Ecke drängte, biss auch er zu, indem er ihn verbal attackierte und damit sichtlich verletzte. Doch das half nur bedingt etwas. Denn Aaron sagte ihm mit einer enormen Selbstsicherheit, dass er ihm nicht glaubte. Und das Schlimme daran war: Aaron hatte recht und durchschaute ihn. Es hatte ihm natürlich etwas bedeutet, es hatte ihn natürlich berührt, es hatte ihm gefallen und er wollte mehr davon. Aber genau das – genau dieses Gefühl! – das durfte er nicht haben. Es war viel zu gefährlich. Aber wieso? Etwas nagte in ihm, wollte weiter an die Oberfläche, aber machte ihm eine grauenhafte Angst. Er hatte ein seltsames Gefühl, das Gefühl, als habe sein Gedächtnis etwas vergessen, was sein Körper nicht vergessen hatte. Er würde Aaron gerne sagen, dass er log, dass er ihn berühren wollte, ihm nah sein wollte, IHN wollte… Aber es ging nicht. Und irgendwie würde er ihm auch gerne sagen, dass er ihn damals angeschwindelt hatte, als jener gefragt hat, was bei seinen Malen ausgelöst wurde, wenn Gefühle im Spiel waren… Aber er konnte es nicht – weil er die Antwort selbst noch nicht fassen konnte.

Zudem würde Aaron ihm vermutlich nicht glauben. Niemand konnte das – genau wie er es damals nicht hatte glauben wollen… Aber was war damals? Und anstatt sich dieser vielen Fragen zu stellen, die sein Innerstes spalteten, log er weiter, verletzte den anderen mehr, tiefer. Und da er es bewusst tat, wurde das Gefühl von Übelkeit in seinem Inneren schlimmer und schlimmer.

Etwas schrie in ihm, bäumte sich auf, wehrte sich gegen seinen Verstand. Er musste hier heraus, sonst – so hatte er das Gefühl – würde sein Innerstes zerrissen werden. Und so wendete er sich schließlich ab und verließ die Höhle, und erbrach das wenige, das er gegessen hatte, wieder. Dann rannte er wie von Sinnen davon, den steilen Hang hinab immer weiter und weiter, nur weg von diesem Ort, an dem er gerade sich sein Herz herausgerissen hatte. Wie hatte es nur so weit kommen können?! Aber es ging nicht anders.

Kalter Regen schlug ihm ins Gesicht, der Wind pfiff. Irgendwann blieb er stehen und merkte erst jetzt, dass er weinte. Wieso weinte er? Er blickte nach oben, ließ den Regen über sein Gesicht laufen und weinte, bis er in die Knie sank und kraftlos in sich zusammensackte, darauf wartend, dass es aufhörte. Wieso weinte er? Weinte er, weil er Aaron so verletzt hatte? Vielleicht… ja, bestimmt auch. Aber da war noch etwas anderes… Etwas ganz anderes. Er hatte seit Jahren nicht mehr geweint. Wieso jetzt? Wieso konnte er mit einem Mal wieder weinen? Wann hatte er zuletzt geweint? Vor einigen Jahren, als... Und mit einem Mal strömten unglaublich viele Erinnerungen auf ihn ein. Erinnerungen, an etwas Vergessenes, Verdrängtes. Merthin riss die Augen auf und starrte gleichzeitig in eine weite Ferne, eine Ferne, die 10 Jahre zurücklag… Er sah Fetzen von Erinnerungen in ihm hochkommen, Wortfetzen… Und er spürte eine unglaubliche Hitze.

"Du kannst nichts dafür, Merthin… Mach dir keine Vorwürfe… Es ist nicht deine Schuld… Ich werde dir helfen zu vergessen…“

Deutlich hörte er Maries Stimme in seinem Kopf. Aber die Worte passten nicht zu den Bildern, die vor seinem inneren Auge auf ihn einströmten. Denn diese Bilder zeigten etwas Anderes: ein Haus, ein Gasthaus… Ein Zimmer, viele Gäste, die auf Reisen waren… Ein Gastwirt, der ihnen ein Zimmer anbot… Ihnen? Und dann sah er ihn – einen jungen Mann, in etwa 16 vielleicht schon 17… wie er selbst. Marcuse, war sein Name. Merthin sah ihn so deutlich vor sich, als müsste er nur die Hand ausstrecken, um ihn zu berühren. Er lachte ihn an, mit einem warmen Glanz in den Augen – so wie auch Aaron ihn ansah. Merthin spürte, wie sein Herz sich vor Schmerzen zusammenzog. Wieso hatte er das so tief in sich verschlossen? Diese Erinnerung an seine erste Liebe? Sie hatten sich in ihrem Winterquartier kennengelernt und Merthin hatte sich Zeit genommen, mit ihm ein wenig durch das Land zu streifen… Sie hatten sich verliebt, waren sich nahegekommen, näher als er jemals mit jemand anderem zusammengekommen war. Sie waren in diesen Gasthof eingekehrt, hatten dort ihre erste Nacht verbracht… Er spürte deutlich, die Empfindungen, die er damals gehabt hatte, diese Aufregung, dieses Seelenglück, diese Zweisamkeit, dieses Vertrauen… Und dann sah er die Bilder, als er am Morgen erwachte. Alles brannte – lichterloh. Alles, das ganze Haus, die Scheune, der Stall… Alles brannte und Mensch und Tier mit… Er war das gewesen, das war ihm klar! Er hatte das verursacht. Er war schuld daran! Er hatte diese Menschen auf dem Gewissen – alle, auch Marcuse. Seine Male hatten geglüht vor Verlangen – und er hatte dieses Feuer verursacht. Weil er sich nicht im Griff hatte, seine Emotionen nicht im Zaum hatte halten können. Es war gefährlich, sich auf ihn einzulassen. Er hatte Menschen getötet – seine Liebe getötet… Er war das gewesen. Wie hätte es anders sein können?! Er hatte es gespürt. Und das Feuer hatte ihn verschont. Nicht ein Haar war versengt… Nichts, keine Verletzung. Es musste SEIN Feuer gewesen sein. Wie sonst wäre so etwas möglich?

Und er hatte das all die Jahre vergessen! Wie war das möglich? "Du kannst nichts dafür, Merthin… Mach dir keine Vorwürfe… Es ist nicht deine Schuld… Ich werde dir helfen zu vergessen…“ Er schluckte bei der Erkenntnis. Marie hatte ihn vergessen lassen. Sie war dazu fähig, sie hatte ihm die Erinnerungen genommen, die Schuldgefühle damit versucht zu verdrängen. Und langsam begriff er, warum er sich nie auf jemanden einließ, warum er es auf die Male schob, warum er Angst davor hatte, jemanden an sich heranzulassen, warum er für sich selbst offensichtliche Lügen heranzog, um jeden von sich zu stoßen, der ihm zu nahe kam… Jetzt begriff er, dass er sich selbst belog, um nie wieder diesen Schmerz spüren zu müssen, den er empfunden hatte, als er das verbrannte Gesicht des Menschen neben sich sah, den er aus tiefstem Herzen geliebt hatte.
 

Der Regen hörte auf, während Merthin versuchte, sich aller Erinnerungen bewusst zu werden. Wie lange er da saß, wusste er nicht. Er wusste nur, dass er irgendwann schrecklich fror und sich so leer fühlte, wie noch nie in seinem Leben. Es war bereits dunkel, als er in die Höhle zurückkehrte. Das Feuer war verloschen, Auf Aarons Lager rührte sich nichts. Merthin entfachte wieder das Feuer, ließ es nun stärker aufflammen und zog sich dann aus, wechselte die Kleidung, um sich ebenfalls schlafen zu legen. Doch wirklich zur Ruhe kam er nicht. Es war ihm immer noch unbegreiflich, wie er Mercuse hatte vergessen können. Und gleichzeitig schmerzte sein Herz noch wegen einer anderen Tatsache: Die Notwendigkeit, Abstand von Aaron zu nehmen, war größer als je zuvor. Obwohl er sich in diesem Gefühlschaos bewusst wurde, dass er sich unfassbar danach sehnte, ihm nahe zu sein, ihn zu berühren, diese Wärme zu genießen, die er in ihm auslöste. Eigentlich hatte er seine Magie immer als Geschenk gesehen. Im Moment begriff er sie eher als Fluch…
 

Aaron

Dieser wirklich tragische Hintergrund von Merthins Vergessen seiner ersten Liebe würde auch für Aaron vieles erklären, doch wusste er davon nichts. Genauso wenig wie Merthin bis vor seiner Fragerei nichts mehr davon gewusst hatte, oder sich dieser Erinnerung einfach nicht mehr bewusst war. Marie musste es für unabdingbar gehalten haben, ihm diese Erinnerung fürs erste zu nehmen. Merthin hatte deshalb keine Zeit gehabt das erlebte zu verarbeiten oder auch nur um seinen Freund zu trauern. Allerdings hätte das Wissen um diese Geschehnisse die Beziehung von Merthin mit Aaron in diesem Moment wahrscheinlich auch nicht gerettet, denn Merthin gab sich nach wie vor die Schuld und wollte kein zweites Mal das Leben anderer so leichtfertig in Gefahr bringen.
 

Da das Feuer schwach war, gab es in der Höhle nicht mehr sonderlich viele Wärmequellen, die Wärme spenden könnten. Aaron nahm sich den Umhang aus seinem Rucksack, zog sich diesen noch zusätzlich um die Schultern, ehe er sich auf sein bereitetes Nachtlager legte und die Decke um sich wickelte. Er tat das immer so und immer hatte es ihn davor bewahrt im Schlaf zu frieren, doch jetzt gerade schien nichts genug zu sein, um die Kälte aus seinen Gliedern zu vertreiben.

Da Merthin nicht wiederkam, ließ Aaron es noch länger zu, das salziges Wasser seine Augen verließ, bis nicht nur sein Herz weh tat, sondern auch seine Augen brannten. Vor Erschöpfung vom Weinen und der ganzen Situation schlief Aaron schließlich endlich ein.

Ankunft in Dorstaal

Merthin

Als er am Morgen aufwachte, fühlte er sich gerädert und wie erschlagen. Wann hatte er das letzte mal einfach ausgeschlafen? Er konnte sich nicht erinnern. Dabei schlief er eigentlich gerne lang. Er musste dringend zusehen, dass er seine Balance wiedererlangte. Das Bedürfnis, einfach einmal alles vergessen zu können, war groß. Er packte schweigend seine Sachen und ging dann hinüber zu Aaron, der noch schlief. Einen Moment betrachtete er den schönen Mann, bevor er vorsichtig seine Schulter berührte. Das Gefühl, das er sogleich empfand, war schmerzlich vermisst. Aber es würde so bleiben müssen. "Wir müssen los", wisperte er leise und wartete, bis jener seine Augen öffnete. Dann stand er auf. "Wir werden in einer Stunde in Dorstaal sein."
 

Aaron

Aaron wurde am nächsten Morgen von leisen Geräuschen geweckt wurde. Doch er blieb einfach liegen wie er war, fühlte sich absolut nicht ausgeruht, als ob er die Nacht über wach geblieben wäre. Seine Augen brannten noch immer, seine Brust drückte und sein Rücken schmerzte von der fest eingeigelten Lage, die er im Schlaf eingenommen hatte. So hörte Aaron Schritte auf sich zukommen und nur wenig später wurde eine Hand auf seine Schulter gelegt. Das gute Gefühl dabei, das kurze aufflackern von Wärme, die er dringend benötigte, empfand Aaron in diesem Moment als sehr schön, aber nicht als angenehm. Er sehnte sich zu sehr danach, konnte und wollte Merthin aber nicht dazu zwingen, ihm dieses Gefühl weiterhin zu geben. Es nun doch zu spüren war deshalb quälend. Aaron wollte am liebsten nach der Hand von Merthin greifen und sie nicht wieder loslassen, aber das wäre eigennützig und selbstsüchtig.

Aaron antwortete nicht auf Merthins gewisperten Worte, nickte nur zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Kurz blickte er Merthin nach, nachdem dieser sich erhoben hatte und war innerlich froh darüber, dass dieser zurückgekommen war. Eine große Sorge von Aaron nach Merthins erneuter Flucht war es gewesen, dass der Blonde dieses Mal gänzlich weggelaufen sein könnte. Aaron war ja auch ein verdammt toller Prinz und Freund, wenn er Merthin nun schon zum zweiten Mal in die Flucht geschlagen hatte. War Aaron denn noch Merthins Freund? Rein freundschaftlich... Was hätte Aaron dann nur machen sollen, wenn Merthin nicht wiedergekommen wäre? Es war komisch, das zu denken, aber er brauchte Merthin auch wenn sie sich nicht mehr nahe sein würden. Hoffentlich war wenigstens dieses Gefühl des Brauchens und Gebrauchtwerdens nicht auch bloß einseitig. Aaron war völlig durcheinander.
 

Merthin

Merthin wechselte auf die Hauptstraße, auf der es immer voller wurde, je mehr sie sich der Festungsstadt näherten. Handwerker, Händler, Bauern, Mägde, Soldaten... alle gingen in die Stadt, um ihrem Tagwerk nachzugehen. Die Wolken hingen tief, auch wenn es nicht regnete. Richtig hell schien es heute nicht werden zu wollen. Aber es entsprach Merthin Stimmung. Immer wieder wälzte er das in Gedanken um, was er gestern über sich erfahren hatte. Und was ihm unbegreiflich war: Warum hatte Marie ihn das vergessen lassen? Wie hatte sie das tun können?

In Dorstaal stieg Merthin von seinem Pferd und sah Aaron an. "Lass uns eine Unterkunft suchen und dann können wir uns in der Stadt umsehen...", sagte er tonlos.
 

Aaron

Schließlich befand sich Aaron wieder auf seinem Pferd, trug dabei noch immer den Umhang, dessen Kapuze er sich über den Kopf gezogen hatte. Größtenteils aus Vorsicht, damit ihn nicht doch noch wer erkannte, andererseits auch als Schutz. Das Bedürfnis, sich zu verkriechen und sich vor weiteren Enttäuschungen abzuschirmen, war groß. Aaron wusste einfach nicht, wieso Merthin das alles gestern gesagt hatte, wieso er sich als so niederträchtig hinstellte, was gar nicht hatte sein müssen, weil mindestens die Hälfte davon schlichtweg gelogen gewesen war. Was Merthins wahre Gefühle Aaron gegenüber anging konnte der Prinz sich nicht so sicher sein wie mit der Tatsache, dass Merthin ihn gewiss nicht ausgenutzt hatte. Nochmal nachfragen kam erstmal aber nicht in Frage.

Man merkte schnell, dass sie auf eine größere Stadt zu ritten, denn die Straße wurde voller, die Geräusche lauter und vielseitiger und auch der Geruch nahm zu. Leider nicht nur angenehme Gerüche nach frischen Backwaren, welcher Aaron gerade entgegen wehte, als sie soeben vom Pferd gestiegen waren. Direkt neben ihnen hatte eine kleine Bäckerei geöffnet und es roch angenehm nach Honig. Aaron merkte, dass er gestern gar nichts gegessen hatte, weder beim Frühstück, noch in der Höhle, als Merthin ihm was hingelegt hatte und doch verkrampfte sein Magen bei dem Gedanken etwas zu essen. Langsam wandt sich der Prinz Merthin zu, welcher ebenfalls bemüht schien so etwas wie Normalität aufrecht zu erhalten, aber Aaron war sich sicher, das unter dieser Fassade ebenfalls noch ein weinendes Herz schmerzlich pochte. "Gute Idee", gab Aaron dann zur Antwort. Stimmt, sie waren eigentlich wegen ihrer Mission hier, wegen dem nahenden Unwetter, das heute die Stadt heimsuchen sollte. Aaron hatte schon gar nicht mehr daran gedacht. Es hatte Aaron weniger abgelenkt in gewisser Weise von und mit Merthin zu schwärmen, als sich jetzt so weit weg von ihm zu fühlen.

Kurz fuhr sich Aaron mit einer Hand über das Gesicht. Das durfte sie nicht davon abhalten den Menschen hier zu helfen, denn diese Leute konnten ja nichts dafür. Aaron ging diesmal voraus, führte sein Pferd dicht mit sich durch die nur zum Teil gepflasterten Wege der Stadt und hielt dabei nach einem Gasthaus mit Unterkunft Ausschau. Die Wolken hingen bereits recht bedrohlich tief, aber das war auch gestern Abend schon der Fall gewesen, solange sich das nicht verschlimmerte, hatten sie wohl noch Zeit.

Schließlich entdeckte Aaron ein entsprechendes Aushängeschild an einem großen Gebäude. Es gab vor dem Haus auch Platz für Pferde, wo sie angebunden und mit Wasser versorgt stehen konnten, bis die Reise ihrer Eigentümer weitergehen würde. Aaron deutete auf das Gebäude. "Dort, das scheint ganz brauchbar zu sein...", sagte er nun wieder etwas mehr als den ganzen Tag bis jetzt, versuchte auch ein kleines Lächeln auf seine Lippen zu setzen, was mehr schlecht als recht gelang.
 

Drinnen sah es ganz ordentlich aus und schien gerade auch nicht ausgebucht zu sein. Aaron nahm höflicherweise seine Kapuze vom Kopf, als der Wirt des Gasthauses auf sie zukam. Mit ihren Rucksäcken erkannte sie jeder als Reisende, natürlich war dem Wirt sogleich klar geworden, dass sie ein Zimmer benötigten. "Guten Tag, Reisende", wurden die beiden begrüßt und der Wirt lächelte auch freundlich. Als Aaron etwas erwidern wollte, sah er gerade aus den Augenwinkeln eine kleine Gruppe Soldaten von einem Tisch aufstehen und recht ungehobelt ihren Weg zum Ausgang suchen. Sie schauten Aaron und Merthin direkt an, lachten dann aber bloß und zogen ihrer Wege. Sie hatten den Prinzen nicht erkannt, ein Glück. "Seid gegrüßt. Habt Ihr noch ein Zimmer für eine Nacht frei?", fragte Aaron den Mann vor ihnen höflich, welcher sogleich tüchtig nickte. "Aber sicher, aber sicher!", sprach er und winkte die beiden Reisenden hinter sich her. Langsam folgte Aaron dem Mann zur Theke, wo dieser einen recht alten Schlüssel auf das Holz legte und dabei auch gleich seine Hand ausstreckte, um seine Bezahlung im Voraus entgegenzunehmen. Das wäre Merthins Part, Aaron hatte kein Geld bei sich. Daher trat er beiseite, um Merthin die Bezahlung regeln zu lassen. Aarons Blick schwenkte die Treppe hinauf, wo sich die Zimmer befanden. Sollten sie ihre Sachen wirklich hier liegen lassen, während sie durch die Stadt marschieren würden? Andererseits hatten sie nichts dabei, was sich nicht ersetzen ließ, bis auf Aarons Buch, aber das würde er auf jedenfall mitnehmen, alleine schon, um nochmal den entzifferten Text lesen zu können und so vielleicht doch noch einen genaueren Hinweis darauf zu erhalten, wo sie suchen mussten.
 

Merthin

Merthin war froh, dass Aaron die Suche nach einem passenden Gasthaus übernahm und folgte ihm schweigend. Er hatte Hunger, das spürte er. Er würde sich nachher gleich bei einem Bäcker etwas gönnen. Aber erst einmal mussten sie die Pferde in einem Stall wissen und ein Nachtlager haben, damit sie, wenn sie sich trennten, einen Ort haben würden, an den sie beide zurückkehren könnten. Als Aaron stehen blieb und auf einen Gasthof zeigte, folge Merthin seinem Blick. Das gequälte Lächeln des anderen, schmerzte in seinem Herz. Wie gerne würde er einfach zu ihm gehen, ihn in den Arm nehmen und ihn bitten, wieder fröhlich zu sein. Aber selbst das konnte er nicht. Nicht nur deshalb, weil sie auf einer öffentlichen Straße waren, sondern auch, weil er Angst vor seiner eigenen Reaktion hatte, wenn er ihn berührte. Er hatte es am Morgen gespürt, wie sehr er sich wieder Nähe wünschte – gerade nach all dem, was er gestern erlebt hatte.

Es war ein seltsames Gefühl in ihm, wenn er Aaron ansah. Jener sah wirklich mitgenommen aus und Merthin fühlte sich schuldig. Er hatte ihm übel zugespielt und eigentlich war das so gar nicht seine Art. Eigentlich verabscheute er Leute, die sich so verhielten, wie er es getan hatte. Ob er mit ihm darüber reden sollte, was seine wahren Beweggründe waren? Aber dann müsste er ihm sagen, dass er ihm gerne nahe wäre… Konnte er das so einfach noch tun, nach allem, was er dem anderen gesagt hatte? Würde Aaron ihn nicht auslachen? Er wusste es nicht. Und da er selbst nicht genau wusste, was es mit den Erinnerungen auf sich hatte, die er nicht mehr aus seinem Kopf bekam, konnte er auch nicht darüber reden. Er wusste nicht mehr, wo genau diese Herberge war, die er damals aufgesucht hatte. Er wusste nicht mehr, in welchem Winterquartier sie gewesen waren… Eigentlich müsste er zurück zu Marie reiten und sie zur Rede stellen. Aber da war noch dieser Brief, den er dem Händler geben musste. Er wusste, dass das wichtig war und er das nicht einfach aufs Spiel setzen durfte… Und es war Dorstaal wichtig und ihr Auftrag, diese Stadt vor Schlimmeren zu bewahren.

„Das passt“, sagte er nun und versuchte auch ein Lächeln. Normalität und wieder Zusammenhalt – das war jetzt gerade wichtig. Sie würden schon lernen, mit dieser Situation umzugehen. Aaron war ein sehr pflichtbewusster Mensch, das wusste Merthin. Und auch er wusste, dass das, was ihre Aufgabe war, etwas war, das nicht hinter Gefühlen und Befindlichkeiten hinten anstehen konnte.

Sie banden die Pferde einstweilen draußen an. Hinter dem Haus gab es gewiss einen Stall, in dem die Tiere von Sattel und Trense befreit die Nacht über in Sicherheit waren. Dann betraten sie das Gasthaus, das zu so früher Morgenstunde noch recht leer war. Es saß nur ein Mann am Tresen, der offenbar bereits jetzt lieber hierher verschwand, als sich mit seiner Frau zu Hause auseinandersetzen zu müssen. Und eine kleine Gruppe Soldaten, die aber gerade Aufständen. Vermutlich hatten sie vom Wirt Schutzgeld erpresst.

Auch beim Wirt übernahm Aaron das Reden, so dass Merthin sich kurz im Schankraum umsah. Es roch nach abgestandenem Bier, Tabak und altem Fett. In diesem Moment kam eine Frau herein, die sich daran machte, die Fenster zu öffnen und frische Luft herein zu lassen, um dann weiter den Schankraum aufzuräumen. Vermutlich saßen hier bis spät in die Nacht Menschen, was an sich ein gutes Zeichen für die Herberge war.

Als der Wirt Aaron den Schlüssel gab, trat kurz Stille ein und Merthin drehte sich den anderen beiden Männern zu, sah die Hand und begriff erst jetzt, worum es ging. Sogleich zog er den Lederbeutel hervor, den er an seinem Gürtel trug. „6Rupien die Nacht!“, verlangte der Wirt und Merthin hob die Augenbrauen. „Ich glaube Aaron, mir ist das hier zu teuer. Ich habe beim Schwanenwirt unten am Marktplatz einmal für nur zwei Rupien genächtigt. Ich bin sicher, dass ein Doppelzimmer dort nicht mehr als 3 Rupien macht…“ Er drehte sich um, um zu gehen, als der Wirt grunzte und schnell sagte. „Na gut, dann 3 Rupien!“ Merthin lächelte still in sich hinein und blickte den Wirt an. „3 Rupien“, wiederholte er als, er ihm das Geld gab.
 

Aaron

Überrascht blickte Aaron Merthin an, als dieser erst sagte, dass sie woanders hin gehen sollten. Doch als der Wirt dann knurrend einlenkte und den Preis drückte, verstand auch Aaron, dass dies eine Taktik gewesen war. Beeindruckt schenkte Aaron Merthin ein erstmals etwas wärmeres Lächeln, seit sie den unschönen Wortwechsel gehabt hatten. Merthin war gut darin, kam gewiss von seiner Erfahrung als Schausteller, wo es gewiss auch viele Leute gab, die versuchten sie übers Ohr zu hauen.
 

Gemeinsam betraten Aaron und Merthin schließlich ihr Zimmer für die Nacht. Es war ein nettes kleines Zimmer, etwas spärlich eingerichtet, aber zweckmäßig. Sogleich legte Aaron seinen Rucksack beiseite, versteckte diesen etwas seitlich und sammelte das Buch heraus, ebenso seinen schönen Schreibgriffel. Das Schwert und auch seinen Umhang behielt er um, beides könnte er bei ihrer Suche nach dem Übel gebrauchen. Auch wenn es sich noch immer ungewohnt anfühlte, das Schwert bei jeder Bewegung an seiner Hüfte zu spüren. "Wir sollten zuerst Orte untersuchen, wo sich die meisten Leute versammeln. Dort ist die Wahrscheinlichkeit am größten, das sich Konflikte bilden", begann Aaron etwas andächtig zu sagen und versuchte sich ganz in diese Aufgabe zu steigern, um die negativen Gedanken wenigstens soweit zu verdrängen, dass sie ihn nicht behindern würden. "Oder hälst du es für sinnvoll, dass wir uns aufteilen? Wir könnten wie du mit deinen Leuten über Vogelrufe Kontakt halten und bei verdächtigen Funden können wir uns gleich Bescheid geben", sprach Aaron nachdenklich weiter. Aaron konnte zwar keine besonderen Vögel nachmachen, nicht so wie es Merthin und seine Freunde konnten, aber ein Ruf würde ja reichen, dass Merthin Bescheid wissen würde. Hier in der Festungsstadt gab es keinerlei Vogelgezwitscher, sie könnten sich also gut heraushören. Aaron schaute zu Merthin hin, schaute etwas länger als für einen einfachen Blick nötig in seine Bernsteine, ehe er den Blick mit leicht traurigen Ausdruck wieder abwendete und stattdessen aus dem Fenster schaute. "Wir sollten nicht trödeln."
 

Merthin

Als sie ihr Zimmer im ersten Stock betraten, das nach hinten zum Hinterhof und dem Stall lag, atmete Merthin tief durch. Erst dann blickte er sich um. Es gab ein Sofa, eine Sitzgruppe und ein großes, breites Bett. Merthin hob die Augenbrauen. Er hätte noch weiter hinunterhandeln sollen… Aber gut, dann würde er auf dem Sofa schlafen. Er stellte seinen Rucksack und die Satteltaschen auf den Tisch neben dem Sofa, räumte die nassen Klamotten aus und hängte sie provisorisch über die Stuhllehnen und Bettpfosten. Aaron schien mit dem Zimmer zufrieden und suchte sich gleich seine Schreibsachen heraus. Auch Merthin hatte das Buch von Marie herausgenommen und ließ es nun in eine Umhängetasche gleiten, die er nachher unter seinem Umhang am Rücken tragen würde. Das Buch war zu wertvoll, als dass er es einfach hierlassen würde. Als der Prinz seine Gedanken aussprach, drehte er sich zu ihm und ließ sich auf das Sofa nieder, um sich eine kurze Ruhepause zu gönnen. „Das stimmt“, pflichtete er ihm bei. „Es gibt einen Marktplatz im Zentrum, auf dem täglich viel Leben ist. Dort sind auch etliche Wirtshäuser und das eher zwielichtige Viertel ist auch nicht weit." Auf die Frage, ob sie sich aufteilen sollten, schwieg er nachdenklich, biss sich überlegend auf die Unterlippe. Es war nicht so sehr die Tatsache, dass sie dann unter Umständen schneller finden würden, was sie suchten, als vielmehr die Tatsache, dass er eine Pause von Aaron brauchte, die ihn dazu brachte, zuzustimmen, dass es besser wäre, wenn sie sich trennten. „Vermutlich ist das effektiver“, sagte er daher. Dann musste er grinsen. „Ich glaube nicht, dass wir hier in der Stadt die Vogelrufe hören könnten…“, stellte er fest und sah Aaron an. „Es ist viel zu laut dazu. Aber wir haben doch unsere ganz eigene Art, miteinander zu kommunizieren.“ Merthin hob die Hand und legte sie sich an den Hals. „Schicksal“, sagte er leise und fügte noch ein „Vereinigung“ hinterher, während er an seinen Unterarm griff. Sofort erfüllte ihn sein Körper mit jenen magischen Empfindungen. Und Merthin schluckte, als er merkte, dass das hier wirklich so völlig anders war, als das, was er bei ihrem Kuss empfunden hatte. Es gab da nichts, was man verwechseln konnte! Er hatte es nur glauben wollen – aus dem Wunsch heraus, Aaron zu schützen. Es war schon seltsam, wie die Psyche des Menschen manchmal funktionierte. Er räusperte sich, bevor er mit etwas belegter Stimme fortfuhr: „Ich habe es auch bisher immer gespürt, wenn du eines der Worte gesagt hast. Auch wenn wir nicht direkt beieinander waren…“ Sie sahen sich einen Moment an und der Klos in seinem Hals schmerzte ihn, wenn er in die blauen Augen sah, die heute so ohne Glanz zu sein schienen. Und die schwarzen Haare vertieften diesen Eindruck… Als Aaron den Blick abwendete und erklärte, dass sie keine Zeit zu verlieren hatten, nickte Merthin und atmete tief durch. „Du hast recht“, sagte er und war sich sicher, dass es wirklich besser wäre, wenn sie getrennte Wege gingen. „Lass uns noch die Pferde in den Stall bringen…“

Die Pferde waren schnell im Stall versorgt und als sie auf die belebte Straße traten, wendete sich Merthin Aaron noch einmal zu, der sich umsah und ihn nicht bemerkte. Also ergriff er die Hand und zog ihn sanft aber bestimmt zu sich, um nicht rufen zu müssen. „Ich würde vorschlagen, du näherst dich dem Marktplatz von Norden, ich von Süden. Wir treffen und bei dem Brunnen auf dem Marktplatz, außer wir finden etwas“, sagte er und spürte wie nah sie beieinanderstanden. „Wenn irgendetwas ist, rufst du mich!“ Er lächelte, zögerte und fügte dann noch ein: „Pass auf dich auf, Aaron!“ hinzu. Dann wendete er sich ab und schlug den Weg nach Süden ein, um sich von dort aus ihrem Treffpunkt zu nähern.
 

Aaron

Sogleich presste Aaron seine Lippen aufeinander und zog die Schultern an, als er die Auswirkung auch in sich spürte, als Merthin Schicksal und dann auch noch Vereinigung aussprach. Eigentlich mochte Aaron dieses Gefühl, wie ihre Magie gemeinsam aufstrebte und sich verband, hatte es immer nur zu gern zugelassen, wie ihn dieses Gefühl erfüllte und er sich Merthin dadurch so unendlich nahe fühlte, auch wenn sie körperlich nicht so nahe beieinander waren. Sein Herz schlug dabei immer ein Stück höher und genau das war es, was ihn dieses Gefühl von Magie nur schwerlich ertragen ließ. Sein Herz tat einfach noch weh und er wurde sehr schmerzlich daran erinnert, dass sie sich nicht mehr so nahe waren und es einzig bei diesem magischen Gefühl würde bleiben müssen. Daher wollte Aaron eigentlich lieber nicht diese Methode anwenden und hatte die Vogelrufe vorgeschlagen, aber vielleicht hatte Merthin Recht und sie würden sich nicht hören können. Da musste Aaron dann wohl durch. Er fragte sich, ob und wann sich dieser Herzschmerz je legen würde.

Schnell erhob sich Aaron dann und folgte Merthin hinaus, um die Pferde in den sicheren Stall zu bringen und fertig zu versorgen, ehe sie wieder auf die Straße traten. Aaron war einige Schritte voraus gegangen, schaute sich in der nahen Umgebung um, ob er einen Anfangspunkt ausmachen könnte, als er sehr plötzlich den Griff um seine Hand spürte und dem leichten Zug nachkam, der ihn sehr nahe an Merthin heran brachte. Seine Augen waren größer geworden, während er Merthin anblickte, der seinen Plan aussprach. Merthin lächelte dabei und setzte noch eines oben drauf mit seinen Worten, dass Aaron auf sich aufpassen solle. Noch immer etwas perplex nickte Aaron. "In Ordnung, sei du aber auch vorsichtig", erwiderte er leise und schaute dann Merthin nach, welcher in südlicher Richtung verschwand. Was war denn das gewesen? Aaron bemühte sich extra alle Situationen zu vermeiden, in denen er Merthin auf diese Weise nahe kommen würde und dann zog dieser ihn einfach unvorbereitet in genau eine solche Situation und drückte wieder seine Fürsorge aus. Locker kaute Aaron auf seiner Lippe. Aaron hatte immer gedacht, das alles klar wäre, wenn man sich verliebt hatte, das alles irgendwie seinen Weg gehen würde. Aber in Wahrheit war es verdammt kompliziert und verwirrend. Seine Gefühle für Merthin war doch Verliebtheit...? Oder zumindest eine Art davon, es fühlte sich jedenfalls danach an.

Mit Bestimmtheit schüttelte Aaron dann den Kopf, um diese Gedanken fortzubekommen, ehe er sich entschlossen in die andere Richtung als Merthin aufmachte, um endlich das zu tun, warum sie eigentlich hier waren; das Übel finden und besiegen, bevor es zur Katastrophe kommen konnte.

Marcuse

Merthin

Es war eine seltsame Stimmung in der Stadt, auch wenn es niemandem aufzufallen schien. Er spürte eine schwelende, permanente Gefahr, eine Bedrohung und fast schien es so, als würde eine Kleinigkeit genügen, um hier das völlige Chaos ausbrechen zu lassen. Merthin war zum Bäcker gegangen und hatte sich süßes Gebäck gekauft. Vielleicht würde Zucker seine Stimmung aufhellen. Nun lief er durch die Straßen und blickte sich um. In den Seitengassen standen Huren Spalier. Man merkte, dass es eine Soldaten-Stadt war. Da lohnte sich das Geschäft. Ob er später, wenn alles vorbei war, sich auch ein wenig Ablenkung suchen sollte? Vielleicht würde ihn das einfach mal auf andere Gedanken bringen… Und sicher wäre das auch zuträglich, damit Aaron ein wenig Zeit für sich hatte und wieder mehr zu sich finden konnte. Oder?

Er sah ihn nur im Augenwinkel – doch Merthin blieb abrupt stehen. War das nicht? Aber das konnte nicht… Völlig irritiert blickte er auf den Rücken eines jungen Mannes, der ihm seltsam vertraut vorkam. Im Moment sah er ihn nicht, hatte ihm den Rücken zugedreht. Doch die Statur passte. Der jüngere Mann wischte gerade die Tische vor dem Gasthaus sauber, die vom Regen der Nacht noch feucht waren. Merthin blickte am Haus hinauf und las, dass das hier eine Herberge war. Das Zeichen an der Tür ließ ihn erneut erstarren. Er hatte es gesehen, erst diese Nacht in seiner Erinnerung. Das Bett und der Mond zusammen mit einer Rosenranke als Erkennungszeichen der Herberge… Merthin schluckte und blickte wieder zu jenem jungen Mann. Doch der war verschwunden. Irritiert ließ er das restliche Gebäck wieder in der Tüte verschwinden und er packte diese in seine Tasche. Er sah sicher nur Gespenster. Bestimmt hatten mehrere Herbergen ein solches Zeichen. Und dass der Mann Marcuse ähnlich gesehen hatte, hatte er sicher nur seinen so frischen Erinnerungen zu verschulden. Merthin wollte sich gerade abwenden und gehen, als unmittelbar neben ihm jemand stand. Erschrocken blickte er dem Mann ins Gesicht und nun war er vollkommen erstarrt. Er blickte in die schwarzen Augen des Mannes, den er vergangenen Nacht noch als verkohlte Leiche wahrgenommen hatte… „Merthin“, flüsterte dieser leise, ebenso überrascht. „Merthin…“ Merthin schluckte, suchte seine Stimme. „Marcuse… wie kann das sei?“, hauchte er, bevor er sich in einer Umarmung wieder fand, die er zögernd erwiderte. Wie konnte das sein?!

„Ich dachte, du seist verbrannt“, sprudelte der andere Mann nun los. „Ich hatte nach dir gerufen, aber du warst nirgendwo. Ich bin schließlich bewusstlos geworden, weil der Rauch mir zu viel geworden war…“ Merthin spürte, wie vertraut ihm der Körper des anderen war, wie sich tief in ihm die Gefühle regten, die er so lange vergessen hatte. Aber er konnte noch immer nicht glauben, was gerade geschah. „Wie bist du dem Feuer entkommen?“, fragte Marcuse ihn nun und Merthin zwang sich, wieder gefasster zu werden. „Ich… ich weiß es nicht. Ich hatte etwas gerochen und bin aus dem Fenster geklettert…“, stammelte er. „Ich dachte, du seist verbrannt“, sagte er nun selbst. „Ich dachte, ich hätte dich gesehen, wie du…“ Er schluckte und er merkte, wie seine Augen sich füllten. Irgendwie war ihm das gerade alles zu viel. Er dachte an Aaron und das Leid, das sie sich zufügten. Er sah hier Marcuse vor sich. „Ich hatte das Zimmer verlassen, um mich zu erleichtern…“, erklärte er und so sprachen sie ein wenig weiter… Erzählten sich, von den vergangenen zehn Jahren. Und Merthin spürte erstaunt, dass die Anziehungskraft zueinander nach all der Zeit nicht gänzlich verloren gegangen war. Merthin half dem schwarzhaarigen Mann bei seiner Arbeit und schließlich saßen sie innen an einem der Tische, redeten und… ja: flirteten irgendwie auch miteinander.

Besonders Marcuse, der ihm erzählte, dass er aktuell niemanden an seiner Seite hatte, machte deutlich, dass er ihn noch immer attraktiv fand. Merthin ließ das Flirten zu, genoss es vielleicht auch ein wenig, denn es brachte ihn auf andere Gedanken. Und doch war er gehemmt. Denn da war noch ein anderer, mittlerweile Schwarzhaariger, der in seinem Herzen die schlimmsten Stürme auslöste.

Dass es unterdessen draußen zu regnen begonnen hatte, merkte Merthin gar nicht.
 

Aaron

Während Aaron durch die Gassen wandelte und sich aufmerksam umsah, fühlte auch er eine negative Stimmung in der Luft, etwas Unangenehmes, das sich zu verstärken schien, je weiter Aaron ihrem Treffpunkt mittig der Stadt kam. Doch dort war nichts Auffälliges, weshalb er beschloss Merthin entgegen zu gehen und sich daher ebenfalls südlich vom Marktplatz aufmachte, immer konzentriert, ob er selbst etwas sehen würde oder gar wieder das Gefühl in sich aufsteigen spüren würde, das nur Merthin auslösen könnte.

Das negative Gefühl leitete Aaron weiter, bis er sich vor einer Herberge wiederfand. Diese sah wesentlich edler aus als das Haus, wo er mit Merthin abgestiegen war, aber dementsprechend dürfte es auch mehr kosten. Langsam wollte er sich abwenden und seinen Weg fortsetzen, als sein Blick eines der Fenster striff, durch das er kurz ins Innere blicken konnte. Irritiert blieb Aaron stehen, als er dachte, Merthin dort sitzen zu sehen. Aaron sah genauer hin und dachte schon, dass er jetzt bereits in allen Personen Merthin erkannte, die ihm irgendwie ähnlich sahen, doch dieser Mann dort am Tisch war doch wirklich Merthin? Der Blonde musste in dieser Herberge was gefunden haben, warum sollte er sonst dort sitzen? Sogleich betrat auch Aaron den Gastraum der Herberge und sah tatsächlich Merthin mit dem Rücken zu ihm an einem Tisch sitzend, zusammen mit einem anderen jungen Mann, dessen Haar so schwarz war wie das gefärbte von Aaron, nur das noch ein dunkelroter Schimmer dessen kurzes Haar durchzog. Der Mann hatte sich ein ganzes Stück über den Tisch zu Merthin gelehnt, hielt seinen Kopf mit einer Hand aufgestützt, während er Merthin die ganze Zeit anlächelte. Dessen zweite Hand lag einfach auf der Tischplatte, ziemlich nahe bei der von Merthin. Langsam trat Aaron hinter einen Stützbalken und schaute zu den beiden rüber. Was machte Merthin denn da? Sie wollten doch nach bösen Energien suchen.... Aaron stoppte selbst in Gedanken, als er plötzlich sah, wie der fremde Mann nun die Hand von Merthin ergriff und mit seinem Daumen dessen Haut streichelte, mit den anderen Fingern die des Blonden einhakte. Wieder spürte Aaron sein Herz schmerzlich pochen. Die beiden wirkten so vertraut miteinander, tauschten viele Blicke aus und berührten sich jetzt auch noch leicht. Das erinnerte Aaron ein bisschen an die Gedankenreise, auf die Merthin ihn mal mitgenommen hatte, seine Erzählung hatte in einer solchen Situation begonnen. In einer Bar, Blicke, lächeln... Flirterei und dann.... ja, Aaron erinnerte sich genau an das Folgende. Würde das auch hier folgen? Aber...!!

In diesem Moment erschrak Aaron, denn der fremde Mann hatte einen kurzen Augenblick an Merthin vorbei geschaut und dabei Aaron direkt angesehen. Ein breiteres Lächeln hatte sich auf die Lippen von Merthins Bekanntschaft gelegt, als Aaron schnell ganz hinter den Balken verschwunden war. "Hm, hier wird es langsam zu unpersönlich", begann Marcuse dann leise raunend zu sprechen, während er sich erhob und Merthin an der Hand bestimmend mitzog. "Ich habe hier ein eigenes Zimmer, wollen wir unser... Wiedersehen nicht dort weiter vertiefen?", schlug er zweideutig lächelnd vor und zog Merthin ohne auf eine Antwort zu warten mit sich. Dabei war sein Griff um dessen Hand fester als man erwarten würde, was jeglichen Zweifel ausschließen sollte, dass er keine Ablehnung von Merthin akzeptieren würde. Aaron sah in diesem Moment wieder hin und fühlte sich davon in seiner Vermutung bestätigt. Anstatt dass Merthin sich ihrer Aufgabe widmete, ging er lieber mit einem anderen Typen ins nächstbeste Zimmerchen. Nun, es war wohl Aarons eigene Schuld, dass er Merthin nicht geglaubt hatte, als dieser ihm direkt gesagt hatte, dass er einen Mann im Bett brauchen würde. Toll, dieser da schien's ja mehr zu bringen.

"Du Holzklotz! Halt's wenigstens kurz! Wir haben noch was zu tun, weißt du?!", rief Aaron mit Wut in der Stimme in Merthins Richtung. Dabei ballte er seine Hände zu Fäusten, biss seine Zähne fest aufeinander und machte auf dem Absatz kehrt, um so schnell er es konnte diese Herberge zu verlassen. Der Regen störte Aaron gerade überhaupt nicht, auch obwohl dieser bereits so stark war, dass Aaron innerhalb weniger Augenblicke völlig durchnässt war, während er einfach die Wege entlang lief, ohne ein konkretes Ziel zu haben. Hauptsache weit genug weg, damit er nichts weiter von dem Pärchen sehen oder hören müsste. Warum war er jetzt eigentlich so wütend? Merthin hatte doch das Recht, sich zu suchen wen er wollte. An Aaron hatte er ja kein solches Interesse, das hatte er doch gesagt. Aaron hatte kein Recht sauer deswegen zu sein. Ja, die Wut musste daher stammen, dass Merthin sich lieber vergnügte als die Aufgabe zu erfüllen. Aaron wusste ja nicht, wer der fremde Mann gewesen war, und dass er Merthins erste Liebe war und sie der Brand auf gewisse Weise verband. Besser gemacht hätte das die Situation zwar nicht, aber zumindest würde Aaron dann nicht glauben müssen, dass Merthin vielleicht nur deshalb für das Aufteilen gewesen war, damit er Zeit für sowas hatte.

Aaron war so in Gedanken, dass er die weitere Veränderung des Wetters ebenfalls nicht richtig mitbekam. Es wurde nun fast so dunkel wie nachts, Wind kam auf, pustete durch die Straßen der Stadt, fegte bereits erste Waren von den Ständen der Händler, Kinder wurden von ihren Eltern ins Haus zitiert, Grollen zog über den Himmel und gewiss würde es nicht mehr lange dauern, bis der erste Blitz zu Boden zucken würde.
 

Merthin

Es war wirklich schwer, sich unter diesen Bedingungen gelassen zu geben. Er hatte so sehr in seinem Leben trainiert, Ruhe zu bewahren, doch im Moment rauschten so viele Emotionen durch seinen Körper, dass es ihm schwer fiel, sich dieser Situation wirklich gewahr zu werden. Er spürte, dass seine Male erschienen, dass sie sogar leicht brannten. Eigentlich hätte es ihm hier schon auffallen müssen, dass etwas nicht so war, wie es gehörte. Aber verwirrt wie er war, begriff er es nicht – zumindest nicht in diesem Moment.

Es war schon schön, Marcuse zu sehen, sich mit ihm zu unterhalten. Tief in ihm erwachte das Gefühl, das er so lange vergessen hatte. Ein Gefühl von Wärme und Kribbeln, das er damals wohl für den anderen empfunden haben musste – ähnlich dem, das er bei dem Kuss mit Aaron gespürt hatte. Aber irgendwie war diese Begegnung so überraschend, dass sich auch Scheu meldete, wie ein Warnuruf, den er nicht loswurde. Er war irritiert, denn er sah zu deutlich das Gesicht, das verbrannte Gesicht des anderen vor sich, als dass er es als nichtig abtun konnte. Waren seine Erinnerungen falsch? Waren sie nicht richtig, weil er sie so lange verborgen hatte? Aber er hatte es so deutlich vor Augen… Dennoch, etwas stimmte nicht. Etwas stimmte gar nicht! Und eigentlich musste er Aaron treffen… Er blickte zur Uhr, die hinter dem Tresen hing. Oh, es war schon eine Stunde vergangen, seitdem sich ihre Wege getrennt hatten. Sicher war der andere schon längst am Brunnen und wartete ungeduldig… Er musste zu ihm, dringend. Er wollte nicht, dass jener sich Sorgen machte oder gar dachte, er habe ihn allein gelassen…

In diesem Moment spürte er, wie Marcuse seine Hand ergriff. Und diese Berührung war heftig. Ein Beben fuhr durch seinen Körper, ein tiefgehendes. Und mittlerweile wusste er, dass das nichts mit Gefühlen, mit Lieben oder Begehren zu tun hatte. Das war Magie, pure, starke Magie. Merthin riss die Augen auf und sah den anderen erschrocken an, der ihn noch immer anlächelte. Warum war ihm eigentlich nie aufgefallen, dass die Haare des anderen, diesen roten Schimmer hatte, ja dass seine Augen auch etwas von glühenden Kohlen hatte? Merthin wollte sich der Hand entwinden, aber sein Gegenüber hatte seine Finger fest in die seinen verhakt. Er schluckte, als Marcuse ihn fragte, ob sie auf sein Zimmer wollten. Nein, das wollte er ganz und gar nicht. Aber er hatte gleichzeitig das Gefühl, hier nicht weg zu können, nicht ohne Weiteres zumindest. Denn etwas in seinem Körper schrie danach, diesem Angebot nachzugehen. War das Verlangen? Waren das Bedürfnisse nach Sex? Irgendwie fühlte es sich anders an… So, als würde der magische Teil in ihm das Verlangen haben, Marcuse zu folgen - zumindest ein Teil davon… Und noch bevor er es selbst so richtig realisierte, zog ihn der Schwarzhaarige schon mit sich.

In diesem Moment überschlugen sich die Ereignisse. Er hörte Aarons Worte und drehte sich erschrocken um, fühlte sein Herz schlagen, so als sei er gerade bei etwas Verbotenem ertappt worden. Was machte Aaron hier? Spionierte er ihm nach? Beobachtete er ihn heimlich? Unmut machte sich in ihm breit, Trotz. Aber seine Worte waren auch deutlich: sie hatten eine Aufgabe! Sie mussten diese Stadt davor bewahren, dass ihr Schlimmes wiederfuhr! „Aaron!“, rief er, spürte, wie Marcuse ihn weiterzog und er wurde wütend. „Lass mich los“, fauchte er den anderen an, doch stieß scheinbar auf taube Ohren. Er blickte wieder zu Aaron, der sich aber bereits abgewandt hatte und aus dem Gasthaus stürmte. „Aaron!“, rief er noch einmal, lauter und mit einem deutlich hilflosen Unterton. Doch jener kehrte nicht um, verschwand draußen. Und Merthin spürte, wie sich in ihm alles verkrampfte. Marcuse hatte ihn bereits in den Flur gezogen, in dem es zur Treppe ging, die ins obere Stockwerk führte. Merthins Augen glommen flackernd auf, als er sich zu Marcuse umdrehte und ihn ansah. „Ich hatte gesagt, dass du mich loslassen sollst!“, fauchte er wütend, doch er schien ihn nicht zu beeindrucken. „Der Kerl da war so kalt“, sagte Marcuse stattdessen. „Was kann er dir bieten, was du von mir nicht wesentlich heißer haben kannst?“, fragte er herausfordernd und zog Merthin näher an sich, strich ihm mit der freien Hand über die Wange und küsste ihn. Und ja, Merthin musste zugeben, dass das hier wirklich ein ‚heißer‘ Kuss war. Sein Körper wehrte sich nicht, doch seine Male brannten, glühten regelrecht. Erst als die Hand des anderen über das Mal an seinem Hals strich, kehrte sein Verstand wieder zurück – vehement. Merthin riss sich aus dem Kuss los, sich seine Hand an den Hals legend. Er spürte, dass seine Male wie Feuer glühten, dass seine Magie aufs Äußerste gespannt war, bereit losgelassen zu werden. Er hatte noch nie einen so heftigen Energiefluss gespürt - es war nur sehr sehr dunkle Magie… Erschrocken blickte er Marcuse wieder an, dessen Augen nun wie glühende Kohlen in dem Halbdunkel des Flurs leuchteten. Und in diesem Moment wurde ihm endlich bewusst, was hier los war. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen: Marcuse war selbst ein magisches Wesen.

„Was bist du?“, fragte er verblüfft und musterte Marcuse, der ihn anblickte, als müsste er abwägen, was er sagte. „Ich bin wie du… Und ich habe seit 10 Jahren darauf gewartet, dir wieder zu begegnen, Merthin. Wie beide! Wir beide sind mächtig… Wir passen zueinander und könnten so viel bewirken. Wir könnten dieses Land beherrschen, könnten leben wie Könige! Wir gehören zusammen! Damals wie heute!“ Merthin schluckte. Marcuse war auch ein Feuermagier? Hatte er deshalb auch den Brand überlebt? Was waren das dann für Bilder in seinem Kopf? „Komm mit mir, Merthin!“, sprach jener weiter. „Dann wird alles gut und wie sind wieder vereint. Du sehnst dich doch genauso wie ich nach Liebe und Verbundenheit!“ Liebe und Verbundenheit – Merthins Male pochten heftig, so als sehnten sie sich nach Linderung… Und nun fügte sich sein Bild langsam. „Ich werde nicht mit dir gehen“, stellte Merthin fest. „Es ist Aaron, mit dem ich gehe. Denn seine Kälte ist das, was ich brauche, was mir hilft, ich selbst zu bleiben – nicht deine zerstörende Hitze!“ Er wollte sich abwenden, als mit einem Mal Marcuses Körper sich für einen Augenblick deformierte. Eine Fratze erschien, schrie auf, flog auf ihn zu, um ihn zu packen und in einem Reflex hob er die Hände, um sie abzuwehren, was ihm auch gelang. Merthin blickte erschrocken Marcuse an. „Du bist kein Magier… Du bist ein Dämon…“, stammelte er und nun ergab auch seine Erinnerung wieder Sinn. Es war die Fratze des Dämons gewesen, die er sah. Und jetzt sah er sie wieder, lächelnd – genau wie damals.

Bei dem Versuch, sich zu schützen, hatte sich der Vorhang entzündet. Merthin wich zurück, hörte mit einem Mal, wie die Fensterläden klapperten und blickte hinaus. Draußen war dunkle Nacht, Sturm, ein heftiger Wind, Blitze zuckten. Das Unwetter war da. Woher kam es? Wieso ausgerechnet jetzt? Ob es mit Marcuse zu tun hatte, dem Dämon? Hatten sie das alles hier völlig falsch verstanden? Waren die Worte falsch interpretiert gewesen? Irgendwie dämmerte ihm gerade, dass ihr Weg ein völlig falscher war… Aber er konnte den Gedanken nicht mehr weiter fassen, denn nun rückte ihm der Dämon wieder auf die Pelle. „Wir könnten die ganze Welt beherrschen, Merthin! Dein Kraft ist unermesslich. Damals schon, obwohl du noch nicht die Male in voller Größe hattest… Aber jetzt! Jetzt könnte uns niemand mehr besiegen…“ Merthin spürte ihn sich den dunklen Teil seiner Magie, spürte, dass dieser Teil den Worten gerne folgen würde. Aber ein größerer Teil in ihm wehrte sich dagegen. Es war falsch. Er wollte das nicht, hatte nie nach Macht gestrebt… Aber er hatte ein Gefühl von Ohnmacht, gerade weil sein Körper so zwigespalten war… Er brauchte Hilfe!

Zitternd legte er seine Hand auf Schicksal und murmelte das Wort. Dann murmelte er Vereinigung – und nun blieb ihm nur, Marcuse hinzuhalten und zu hoffen, dass Aaron doch noch einmal zu ihm zurückkehrte, auch wenn er wusste, dass er darauf nur bedingt hoffen konnte.

Der Feuerteufel

Aaron


 

Merthins Rufe waren untergegangen, da Aaron seine Version der Situation bereits im Kopf hatte und nicht davon ausging, dass Merthin eine andere Erklärung dafür hatte als die, die nunmal offensichtlich war. Aaron wollte sich keine Floskeln darüber anhören müssen, wollte davon am besten gar nichts mehr mitbekommen. Daher entging Aaron auch der hilflose Unterton in Merthins Stimme, welcher aber auch vom schlechten Gewissen herrühren könnte. Hoffentlich hatte Merthin wenigstens das...
 

Erst, als direkt vor Aaron der Holzwagen eines Händlers in eine Hauswand krachte, blieb dieser stehen. Mit großen Augen betrachtete er das zusammenfallende Holz des Hauses und auch des Wagens, als dieses durch die Wucht des Einschlages nachgab. Das Haus schien verlassen gewesen zu sein, doch was, wenn dies einem bewohnten Haus passieren würde? Aaron wandte sich um und erkannte da das Ausmaß des Unwetters, in dessen unmittelbarer Zone er sich hier befand. Der heftige Wind fegte Dinge durch die Gegend, machte sie zu gefährlichen Geschossen, wie den Wagen zuvor. Auch zog der Wind an Aarons nasser Kleidung, drückte ihn vom Weg ab und der Prinz musste sich ordentlich anstrengen, nicht genauso wie alles andere hilflos durch die Straßen geschubst zu werden. Schnell suchte Aaron Schutz hinter der nächstbesten Ecke unter einem Vorsprung. Noch immer mit Wut in sich biss er auf seine Lippe, sie waren zu spät. Das hier war es, was sie zu verhindern versucht hatten. Nun schien das Übel dieser Stadt die Kontrolle zu bekommen und Aaron hatte noch nicht einmal eine Ahnung davon, was der Auslöser dafür war. Warum musste Merthin auch ausgerechnet jetzt....? Warum konnte er nicht...? Wieso der und nicht Aaron...? Aaron fasste sich an die Brust, kniff die Augen zusammen und spürte in diesem Moment wieder Magie in sich aufsteigen. Sein Eis geriet in Unruhe und zuerst glaubte Aaron, dass dies von seiner eigenen Wut und Enttäuschung herrührte, doch da war mehr. Das vertraute Gefühl der Berührung mit Merthins Magie erschlich sich Zugang zu seinem Körper und Aaron ließ sich durchströmen, weil er es so vermisst hatte. Fest legte er seine Arme um sich, versuchte diese Wärme in sich zu behalten und sie nicht wieder gehen zu lassen. So, wie er Merthin würde loslassen müssen.

"Schicksal, Vereinigung", murmelte Aaron fast tonlos die Worte, die diese Magie auslöste und riss im nächsten Moment seine Augen auf. Sein Blick richtete sich automatisch in die Richtung, aus der er gekommen war, von wo er davon gerannt war, wo Merthin gewesen war. Merthin hatte ihn gerufen, nichts anderes konnte diese Magieempfindung bedeuten. Mit der Befürchtung, dass Merthin durch den Sturm in Schwierigkeiten geraten war, sprang Aaron sofort aus seinem Versteck hervor und lief so schnell der heftige Wind es zuließ zurück zu der Herberge, wo er Merthin zuletzt gesehen hatte. Egal, wie unmöglich sich Merthin benommen hatte, das war für den Moment vergessen, Aaron musste ihm helfen.

Aaron musste unterwegs vielen umher fliegenden Gegenständen ausweichen, hörte überall panisches Geschrei, was seine Sorge um Merthin nur weiter steigerte. Als er die Herberge erreichte, wurde das Gefühl von entarteter Magie immer stärker. War hier am Ende die Ursache dieser ganzen Katastrophe? Rauch stieg aus einem der Fenster, brannte es etwa? Sogleich sprintete Aaron zu eben diesem Fenster hin und erblickte hinter dem Rauch Merthin, welcher durch Rückwärtsschritte anscheinend versuchte Abstand zu eben jenem Mann zu bekommen, mit dem er eben noch hatte ins Hinterstübchen verschwinden wollen. Doch dieser Mann hatte sich verändert. Funken flogen um ihn herum, sprangen zu Merthin über, dessen eigene Feuermagie davon scheinbar angeheizt, angezogen wurde.

Ohne zu überlegen erhob Aaron seine Hand und richtete sie auf das Fenster, woraufhin die dicken Regentropfen, die vom Wind stetig gegen die Fensterscheibe geweht wurden, zu Hagel vereisten und das Glas des Fensters mit Leichtigkeit zerschlugen. Sofort wurden die Hagelkörner vom Wind auch ins Innere der Herberge geschleudert, trafen dabei den fremden Mann, welcher von der Aktion überrascht wurde. Sonderlich viel Schaden schienen die Eiskugeln allerdings nicht anzurichten, denn der Dämon schickte einen kleinen Feuerschwall Richtung Fenster, wobei er auch Energie von Merthin hinzunahm, die er ihm einfach durch ihre verbundenen Hände stahl. Eine rote Aura sammelte sich sichtbar um ihre Hände, sobald er Energie von Merthin nutzte. Sie verstärkte sein eigenes Feuer immens, obwohl Merthin seine Zustimmung dazu sicher nicht gegeben hatte. Sogleich schmolzen die Hagelkörner, wurden wieder zu Regentropfen, die in der Hitze verdampften. Aber wenigstens hatte es das Wesen kurz von Merthin abgelenkt. Der Blick des Feuerwesens glitt zum zerstörten Fenster, aber Aaron war nicht lange genug stehen geblieben, als dass er ihn hätte erblicken können.

Der Prinz war zum Eingang gerannt und stand wenig später im Flur, wollte sogleich zu Merthin hin, doch der Dämon war schneller. Mit einer raschen Bewegung hatte er sich in den Weg von Aaron gestellt und stieß ihm mit beiden Händen stark gegen den Oberkörper, wobei er Merthins Hand einfach als Hilfe nutzte. Aaron stolperte zurück, gab ein schmerzliches Stöhnen von sich, beugte sich ein Stück vor, während er sich an die Brust fasste. Allein diese kleine Berührung hatte ausgereicht, das Aaron das Gefühl hatte, seine Haut würde brennen. Wahrscheinlich war seine Haut nur deshalb bloß errötet und nicht verbrannt, da er noch vom Regen durchnässt war. Wer oder was war dieser Kerl bitte?!

"Ich dachte, du wärst schlau genug, dich nicht einzumischen, als du eben davon gerannt warst", knurrte der Feuerdämon und nutzte Aarons kurze Atemphase, um seine Feuermagie in der freien Hand zu konzentrieren, wobei glühende Funken kleine Brände auslösten, wo auch immer sie landeten. Als Aaron das mitbekam, sprang er schnell auf und flüchtete sich zur Seite, als an genau der Stelle, wo er eben noch gelegen hatte, Flammen aus dem Boden hochjagten. Erschrocken blickte Aaron die Flammen an, ehe sein Blick zu Merthin wanderte. Auch Marcuse schaute wieder zu Merthin, grinste ihn siegessicher an. Noch immer ließ er keinerlei Versuche des Blonden zu, ihre Verbindung an der Hand zu lösen. Je mehr Energie er sich von Merthin zog, desto schwieriger wurde es für diesen sich zu befreien. Marcuse sah den Unwillen bei Merthin, spürte aber auch den inneren Konflikt, da ein kleiner Teil des Blonden ihm folgen wollte. Und diesen kleinen Teil versuchte er nun anzusprechen, zu vergrößern, mächtiger zu machen. "Sieh nur!", begann Marcuse begeistert zu sagen und fasste mit seiner freien Hand fast schon sanft an Merthins Wange, hielt so sein Gesicht aber eisern fest, damit Merthin ihn anschauen musste. "Würdest du mir deine Kraft freiwillig zur Verfügung stellen, könnten wir alles und jeden in Brand stecken. Wer soll uns dann noch aufhalten?", sprach er weiter und lachte durchtrieben. Er deutete dann auf Aaron. "Ein Eismagier etwa? Bitte! Du denkst doch nicht, dass sein Eis auch nur Sekunden gegen unser Inferno standhalten könnte?!", spottete er um Merthin vor Augen zu führen, dass ein Bund mit Aaron keinen Sinn hatte. Feuer mit Feuer zu vereinen gab viel mehr Kraft! Fest packte Marcuse direkt im Anschluß seiner Worte an Merthins Zeichen am Unterarm, wollte ihn zwingen, mehr Energie mit der seinen zu vereinen. Dabei ließ er wieder Aaron außer Acht, der leise in sich hineingrummelte, weil dieser Dämon Merthin so nahe kam. Und weil er seine Kraft missbrauchte. Diese Fremdeinwirkung an Merthins Zeichen war auch für Aaron spürbar, dessen Unterarm deswegen heiß brannte. Der Prinz hätte es eher wissen müssen. Er hätte schon bei der Begegnung vorhin spüren müssen, das was mit dem Mann nicht stimmte.

"Lass Merthin los!", keifte Aaron den Dämon an, lief zu den beiden hin und fasste direkt auf ihre verbundenen Hände in der Hoffnung, die heiße Energie abkühlen zu können. Der Zusammenprall der drei Energien in diesem Moment löste einen Ruck aus, der alle drei beteiligten von den Füßen riss. Ähnlich wie bei ihrem Übungskampf mit Jenna, nur standen Aaron und Merthin da noch gefestigter zueinander, ihre kürzlich aufgebaute Distanz schützte sie nicht mehr vor der Auswirkung. Aaron rappelte sich wieder halb hoch, schaute zu Merthin, welcher endlich nicht mehr von Marcuse festgehalten wurde. Dieser war sofort wieder auf die Beine gesprungen, fast, als hätte ihn das ebenso wenig beeindruckt, aber so ganz stimmte das nicht. Er wurde wütend, dass es alles nicht so klappte wie er wollte. Zehn Jahre hatte er warten müssen, bis sich diese Chance erneut aufgetan hatte und jetzt wollte er auch, dass Merthin und seine Kraft sich ihm anschloßen. Alles andere wäre doch unlogisch und nicht akzeptabel!
 

Durch die durchnässte Kleidung und da sein Hemd beim Sturz ein Stück hoch gerutscht war, war das blaue Leuchten von Aarons Magie an dessen königlichem Symbol gut sichtbar. "Sieh an, was haben wir denn hier?", grinste Marcuse, als er das Leuchten entdeckte und hockte sich schnell auf Aarons Beine, um ihn am Aufstehen zu hindern. Dann fasste er mit der vollen Handfläche auf eben dieses Symbol, was sofort nicht nur oberflächlich auf Aarons Haut brannte, sondern das brennende Gefühl breitete sich innerlich aus, tat schließlich fast im ganzen Körper weh. Der Prinz verzog schmerzlich das Gesicht, versuchte aber keinen Laut zu machen, auch wenn ihm danach war. Mit seinen Händen versuchte Aaron den Feuerdämon von sich runter zu bekommen, bewegte seine Beine so gut er konnte, versuchte Marcuse dadurch von sich runter zu schubsen und so dem brennenden Gefühl zu entkommen, das einfach nicht aufhörte. "Schon bald sind wir wahre Könige, Merthin!", sprach der Dämon ein bisschen wahnsinnig geworden von der Macht, die er im Begriff war sich zu eigen zu machen. Mit Merthin zusammen und ohne zukünftigen König gehörte die Welt ihnen.
 

Merthin


 

Er musste sich von ihm befreien, irgendwie… Er musste ihre Verbindung trennen. Denn so sehr er das Gefühl hatte, dass seine magische Energie bis zum Bersten gesteigert war, so sehr hatte er auch das Gefühl, dass sich Marcuse seiner Magie bemächtigte, sie sich zu eigen machte. Und das würde in einer Katastrophe enden, in einem Inferno… Draußen tobte ein Sturm, der die Stadt in eine Katastrophe stürzte, wenn dann auch noch ihre Feuermagie außer Kontrolle geriet, entartete, dann wäre das der Supergau! Er erinnerte sich an die Worte ‚Unwetter‘, ‚Kontrolle‘ und ‚entarten‘, die ihnen die Schnippsel seiner Grandma gebracht hatten. Aber er erinnerte sich auch daran, dass die die Worte ‚Prüfung‘ und ‚Gefühl‘ gefunden hatten… War das hier ihre Prüfung? Dass sie zusammenhielten? Sich ihren Gefühlen stellten? War es das, was hier eigentlich von ihnen verlangt wurde? Konnte es sein, dass sie, weil ER nicht ehrlich zu sich war, das hier provoziert hatten? Dass er wegen seiner seine Gefühle negierenden Art das Unwetter heraufbeschworen hatte? War er dafür verantwortlich, dass es soweit kommen musste? Seit er Aaron von sich zurückwies war das Wetter umgeschlagen, hatte sich verschlechtert und verschlechtert… Hatte er nicht eben, als Aaron weggerannt war, den ersten Blitz gesehen, den ersten Donner gehört? Hing das miteinander zusammen? Mit seiner Blockade, die Marcuse vor vielen Jahren bei ihm errichtet hatte? Vielleicht… Doch Aaron war fort. Er hatte ihn von sich gestoßen und verletzt, ihn angelogen… Er würde nicht wiederkommen. Er hatte ihr Schicksal gebrochen, hatte versagt auf ganzer Linie.

Und diese Erkenntnis ließ etwas in ihm brechen, die Barrikade, die Gegenwehr und er spürte, wie mit einem Mal der Energiefluss zu Marcuse überging, wie jener aufflammte mit SEINER Energie. Er spürte, wie er selbst kraftloser wurde, gleichgültig. Aaron war weg… Was hatte das alles noch für einen Sinn?

Als das Fenster hinter ihm barst und Hagelkörner groß wie Wachteleier in den Raum eindrangen, war Merthin erst vollkommen perplex, unfähig etwas zu tun. War das Aaron? War er doch gekommen?

Der Hagel schmolz zwar innerhalb weniger Sekunden, weil Marcuses Energie viel zu mächtig war, aber Merthin spürte wieder den Willen in sich, sich zu wehren, spürte, dass er nicht länger mit Marcuse verbunden sein wollte. Aaron war hier, in seiner Nähe, war für ihn zurückgekommen… Doch seine Kraft reichte nicht, so sehr er auch versuchte, seine Hand von ihm zu lösen, so sehr hatte er das Gefühl, dass ihm diese Kraft, diese Energie direkt entzogen wurde. Marcuse war zu mächtig, mächtiger als er!

Und auch als der Dämon seine Magie gegen Aaron wandte und auf diesen losließ, schaffte er es nicht, es zu verhindern. Tränen der Wut und der Verzweiflung stiegen in Merthin auf, während er weiter versuchte, sich zu lösen. „Vorsicht!“, konnte er nur schreien, als er spürte, dass Marcuse Feuer auf seinen Partner loslassen wollte. Doch Aaron hatte ohnehin schon reagiert. Merthin hatte das Gefühl, immer schwächer und schwächer zu werden, immer weniger Kraft in seinem Körper zu haben. Und als Marcuse ihn zwang, ihn anzusehen, und ihm erkläte, wozu sie alles fähig waren, hatte er das Gefühl, als hätte er keinerlei Kontrolle mehr über diesen Körper. Sein Blick veränderte sich, seine Augen schienen schwarz zu werden. ‚Ich will das nicht!‘, wehrte sich eine leise Stimme in ihm, doch er war kraftlos, hilflos. ‚Ich will das nicht! Ich will das nicht! Lass mich los! Lass Aaron in Frieden! Nimm mich, aber lass ihn in Ruhe!‘ Aber er konnte sich nicht rühren…

Als er Aaron hörte, ging alles sehr schnell. Er wollte den Kopf zu diesem drehen, wollte ihn aufhalten, etwas Dummes zu tun. Aber schon im nächsten Augenblick spürte er, wie er von den Füßen gerissen wurde, nach hinten geschleudert wurde, wo er gegen die Wand prallte und kraftlos in sich zusammensackte. Er kämpfte damit, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Er versuchte, sich wieder aufzurichten, aber es gelang ihm nicht. Er hatte das Gefühl, dass selbst das Atmen ihm schwer fiel… Ein Schleier hing vor seinen Augen, als er aufblickte, um sich nach Aaron umzusehen. Dieser lag ebenfalls am Boden und … ja… leuchtete bläulich. Oder war das nur Einbildung? Dann sah er, dass Marcuse bereits wieder stand. Er spürte die Freude des anderen in sich, als er auf Aaron hinabblickte und sich auf ihn setzte. Merthin spürte, wie sein Körper schmerzte, als würde ein Teil von ihm zerrissen. Das durfte nicht sein! Er durfte sich nicht Aarons Magie bemächtigen! Niemals durfte er das zulassen!!! Merthin rappelte sich auf, wankte zu den anderen beiden Männern und griff nach einem Stuhl. Er hob ihn hoch und schleuderte ihn gegen Marcuse, der tatsächlich abrutschte, leicht von Aaron herunterrutschte. Der Stuhl fing Feuer und Merthin hechtete vor, ergriff diesen, bevor er auf Aaron hinabstürzen konnte. Mit einem Mal hatte er eine Idee… Wenn Marcuse fähig war, sich seiner Energie zu bemächtigen, dann musste er doch auch Energie sich selbst zu eigen machen können. Er blickte auf das Feuer, das um seine Arme tanzte, schloss die Augen, und saugte die Energie dieses Feuers in sich hinein. Dann schmiss er den verkohlten Stuhl neben sich auf den Boden, trat nach Marcuse, der sich gerade dabei war aufzurichten. „Wage es ja nie wieder, Aaron anzufassen, du elendiger Bastard!“, fauchte Merthin und machte sich daran, das Feuer, das hier im Raum immer mehr um sich griff, in sich aufzusaugen. Dabei bückte er sich, streckte Aaron die Hand hin, die jener ergriff, und zog diesen wieder auf die Beine. Einen Moment sahen sie sich an. Merthins Augen waren wieder goldgelb, das schwarz war verschwunden. Marcuse lachte hämisch und rollte sich ab, um sich wieder aufzurichten. „Das ist ja zu niedlich… Feuer und Eis! Dass ich nicht lache…“ Merthin achtete nicht weiter auf ihn, ließ das Feuer in ihm auf ihn achten, sondern blickte nur Aaron an. „Es tut mir leid“, wisperte er leise. „Es tut mir leid, dass ich dich belogen habe und von mir stieß… Das hier ist die Prüfung. Die Prüfung unserer Gefühle füreinander… Wir können hier nicht bestehen, wenn wir unser Schicksal nicht gänzlich akzeptieren, und unsere Liebe zueinander. Es war mein Fehler und es tut mir schrecklich leid, dass ich das nicht erkannt habe. Es tut mir so leid, Aaron!“ Marcuse hatte hinter sich seine Energie gesammelt und hob nun die Hände. „Wenn du nicht an meiner Seite sein möchtest, dann muss ich euch beide eben vernichten!“, sagte er. „Wir hätten so viel erreichen können, Merthin! So viel! Aber die Energie, die ich von dir habe, wird reichen, mich dieser Stadt zu bemächtigen, ihre Seelen mir einzuverleiben…“ Damit ließ er seine Hände sinken und schickte ein zerstörendes Feuer auf sie beide los. „Sicherheit“, wisperte Merthin leise, blickte noch immer Aaron an und hielt noch immer seine Hand, drückte diese nun leicht und die Kuppel aus Energie, die sich um sie errichtete, saugte das Feuer in sich auf. Merthin spürte, wie seine Kräfte nach und nach zurückkehrten, wie er sie wiedererlangte. Nur Marcuse begriff nicht und feuerte immer mehr Energie auf sie ab. „Es ist unsere Vereinigung, die wir niemals wieder aufgeben dürfen, Aaron. Nur dann gelangen wir zu Mut und Stärke“, fuhr Merthin nun fort und beugte sich zu ihm, um ihn sanft zu küssen. Und von diesem Kuss ging eine Welle von Energie aus, die sich kreisförmig um sie herum ausbreitete und alles, was sie berührte beschützte und wieder erneuerte. Stühle richteten sich wieder auf, das Fenster setzte sich wieder zusammen, alles erneuerte sich, was hier durch sie zerstört worden war. Marcuse schrie auf, als er von der Welle berührt wurde, erstarrte in sich. „Warum, Merthin?“, schrie er. „Wir waren füreinander bestimmt! Damals schon! Hätte sie dich nicht mir entrissen, wären wir damals schon die Herrscher über die Welt geworden! Merthin!!!“ Merthin löste den Kuss, strich Aaron sacht über die Wange. „Nie wieder allein“, sagte er leise zu ihm. „Egal ob Dummheit oder Schicksal – Hauptsache zusammen…“ Dann drehte er sich zu Marcuse und blickte ihn an. Die Worte des Dämons lösten das letzte Puzzleteil, das ihm gefehlt hatte: Marie

Deutlich sah er sie nun in seiner Erinnerung vor sich, wie sie ihn vor Marcuse abschirmte, wie sie ihn in Sicherheit gebracht hatte, damit der Feuerdämon ihn sich nicht einverleibte. Damals war er schwach gewesen, hatte seine Energie nicht im Griff gehabt, keinerlei Erfahrung gesammelt gehabt. Heute war das anders. Heute hatte er Aaron an seiner Seite. Aaron, der gutherzige, der ihm hoffentlich verzieh, dass er so dumm gewesen war, nicht zu erkennen, was erkannt hätte werden müssen.

Er brauchte nichts sagen, jedes Wort wäre verschwendet! Niemals wieder würde Merthin es zulassen, dass seine Energie missbraucht wurde, dass seine Magie gegen unschuldige Menschen gerichtet wurde. Niemals würde er sich wieder unsicher sein, welcher Magie er sich widmete – der hellen, guten oder der dunklen, bösartigen… Er griff Aarons Hand fester, hob sie etwas hoch. Dann sah er Aaron an, ob auch dieser bereit sei. „Stärke“, sagten sie gemeinsam und der Dämon sackte in sich zusammen, wurde kleiner und kleiner und irgendwann war sein letzter Schrei verklungen… Eine seltsame Stille senkte sich auf sie, während sie hier standen und auf jenen Punkt blickten, an dem das Feuerwesen verschwunden war. Als mit einem Mal die Sonne durch das Fenster brach und auf sie schien, drehte sich Merthin zu Aaron und blickte ihn an. Tausend Worte lagen ihm auf der Zunge, vieles, was er ihm erklären wollte…

Merthin hob seine freie Hand, zog mit der anderen Hand Aaron wieder näher zu sich. Seine Finger strichen ihm sanft über die Wange, durch das Haar. Einen Moment folgten seine Augen seinen Fingern, als wolle er sich vergewissern, dass es ihm wirklich gut ging. Dann blickte er ihm wieder in die aufgewühlten blauen Augen, bevor er die kurze Distanz zwischen ihnen überwand und ihn erneut küsste.

Und jetzt, wo er dieses Gefühl einfach zuließ, es einfach zulassen musste, spürte er, wie ein Feuerwerk in ihm ausgelöst wurde, das einfach nur unbeschreiblich war. Sie gehörten zusammen – in jeglicher Hinsicht – für immer.

Ein Räuspern erklang hinter ihnen und Merthin drehte sich erschrocken um. Der Schankwirt war mit einem Fass aus dem Keller zurückgekehrt und blickte sie kritisch an. Merthin hob beschwichtigend die Hände und grinste verlegen. „Könnt ihr das nicht woanders machen?“, fragte der Wirt und legte schmunzelnd den Kopf schief. „Mir ist es ja egal, aber die Stadtwachen könnten unangenehm reagieren, wenn sie das sehen…“ Merthin lächelte und nickte. „Danke!“, sagte er und blickte Aaron an, ergriff wieder seine Hand und trat mit ihm nach draußen, wo ihnen die Sonne entgegenstrahlte. Nichts deutete darauf hin, dass hier vor wenigen Minuten noch ein verheerendes Unwetter getobt hatte. Die Menschen gingen ihrem Tagwerk nach, als sei nichts geschehen. „Ich hab‘ Hunger“, wendete sich Merthin Aaron zu. „Lass uns zu einem Bäcker gehen und uns etwas holen. Und dann müssen wir dringend miteinander reden…“
 

Aaron


 

Aaron fragte sich bereits, ob seine Handlung vielleicht zu spät gekommen war, denn Merthin sah nicht nur sehr mitgenommen aus, sondern seine Augen hatten sich negativ verändert. Vom schönen, leuchtenden bernsteingold zu einem dunklen schwarz. So wie die vom Feuerdämon. "Merthin...", hatte Aaron noch gemurmelt, bevor sich der Feuerdämon auf ihn gesetzt hatte und damit all seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

Recht plötzlich traf Marcuse etwas seitlich am Körper, wovon dieser gut erwischt wurde, sodass er zur Seite rutschte. Das Geschoss fing Feuer und drohte auch auf Aaron hinab zu fallen, welcher es bloß noch schaffte reflexartig die Arme über sich zu heben, doch kam Merthin ihm bereits wieder zur Hilfe, indem er den brennenden Stuhl abfing, bevor er Aaron treffen konnte. Erleichtert seufzte Aaron auf, ließ seine Arme wieder sinken und blickte Merthin direkt an. Es war beeindruckend, wie er den brennenden Stuhl einfach festhalten konnte und die Flammen ihn zwar berührten, um seine Arme tanzten, ihm aber doch keinen Schaden zufügten. Es schien fast so, als ob Merthin ein noch besseres Gefühl für das Feuer entwickelt hatte und es besser befehligen konnte als zuvor.

Das drängende Gewicht endlich von seinen Beinen habend und damit auch das feurige Brennen an und in seinem Körper sich abschwächen fühlend, rappelte sich Aaron auf alle Viere hoch, blieb aber noch so hocken. Er musste erstmal durchatmen und sich wieder sammeln. Schnell drückte sich Aaron unterdessen seine Hand auf die Stelle an der Hüfte, wo der Feuerdämon eben noch hingedrückt hatte. Die eisige Magie in seinem Körper hatte von selbst reagiert, indem sie eine schützende Schicht aus Eis über Aarons Haut gebildet hatte, damit die sehr heiße Hand des Feuerdämons wenigstens nicht komplett direkt auf seine Haut drückte. Gewiss hätte Aaron ansonsten jetzt einen eingebrannten Handabdruck auf der Haut, doch stattdessen sah man nur eine Rötung der entsprechenden Hautpartie. Schließlich... war die Eisschicht stetig geschmolzen unter der Hitze, wobei man den schwelenden Dampf hatte sehen können und das kurzzeitig kochend heiße Wasser hatte seiner Haut auch nicht gut getan, bevor es verdampft war, aber das war besser gewesen, als das Feuer direkt abzubekommen. Mit seiner Hand auf dem Symbol kühlte Aaron sich selbst die Haut, was eine große Linderung brachte.

Eine leichte Schwäche hatte sich über Aarons Muskeln gezogen, weshalb er den kleinen Moment zum Luft holen brauchte. Aaron hob seinen Blick wieder, als er Merthins Worte hörte und freute sich darüber, das dieser ihn verteidigte. Es zeigte, dass ihre Zusammenarbeit trotz allem in solchen Notsituationen noch funktionierte, was Aaron Zuversicht gab, genauso wie auch der Anblick von Merthin, der das Feuer aus der Umgebung in sich aufnahm und damit nicht nur sich selbst stärkte, sondern auch die Brände damit beseitigte.

Sogleich ergriff Aaron Merthins Hand, ließ sich von ihm aufhelfen und erlaubte es sich, sich leicht an seiner Hand und Arm festzuhalten, wobei sein Blick automatisch wieder den Weg in Merthins Augen fand. Sie leuchteten wieder, diesmal sogar stärker als je zuvor und Aaron konnte nicht anders als zu lächeln. Merthin war wirklich so hübsch, er konnte den Blick gar nicht mehr von ihm lösen. Das verstärkte sich noch, als Merthin recht überraschend anfing sich zu entschuldigen. Je weiter Merthin sprach, desto fester hielt Aaron sich an dem Blonden fest. Desto größer wurden seine Augen, desto aufgewühlter sein Inneres. Hieß das... er durfte noch Hoffnung haben? Sogar mehr als nur Hoffnung? Marcuse war in den Hintergrund gerückt, seine Worte verpufften im Nirgendwo, Aaron bekam durch diese konkrete Hoffnung seine Sicherheit zurück, dass sie gemeinsam alles schaffen könnten, selbst diesen Feuerdämonen. Aarons Herz pochte nun ohne Schmerz schneller, seine Magie verstärkte sich auf ein höheres Maß als zuvor, als Merthin Liebe aussprach. Ja, genau das fühlte Aaron gerade unsagbar stark. Langsam hob er seine Hand und berührte mit den Fingern Merthins Lippen, strich sie langsam entlang. Die aufgeplatzte Stelle war zugeheilt und gar nicht mehr sichtbar. Aarons Finger wanderten weiter über Merthins markantes Kinn, seinen Hals hinab und schließlich zu seiner Brust, wo er die Hände flach ruhen ließ. "Hauptsache zusammen", wiederholte Aaron mit zitternder Stimme. Aaron war nicht ganz klar, ob all die magische Macht in seinem Körper einzig ihre gesteigerte Magie darstellte, oder durch das Aufsagen der Zeichen kam, aber es erfüllte Aaron mit Glück und seine Wut von zuvor war komplett verraucht.

Der folgende Kuss war wie ein kleiner Erlösungsschlag. Es erlöste Aaron von Traurigkeit und Enttäuschung, von seinem Herzschmerz, von seiner Distanz zu Merthin. Eine seelenheilende Woge erfasste Aaron, sprang über zu Merthin und entfesselte sich zu einer Energiewelle, die stetig von ihnen ausstrahlte. Ebenso sanft erwiderte Aaron den Kuss, spürte diese warme Energiewelle von ihnen ausgehen, die so voller positiver Energie und Glück gefüllt war, dass sie alles, was sie berührte, ebensolches Glück widerfahren ließ. Alles Zerstörte wurde wieder heil, alle Verwundungen der Menschen in der Nähe geheilt, das Gleichgewicht wieder hergestellt. Aaron könnte Merthin ewig küssen und so blieb er ihm auch nahe, ohne den Blick abzuwenden, nachdem der Kuss gelöst war.

Erst die letzten Worte dieses Feuerdämons ließen Aaron stutzen. Sein Eindruck vorhin hatte ihn nicht getäuscht, Merthin und dieser Dämon kannten sich. Aber das würde er den Blonden später fragen, erstmal mussten sie diesen langsam nervenden Schreihals loswerden. Mit einem wissenden Lächeln nickte Aaron Merthin zu und sprach mit ihm im Chor das Wort für Stärke, was ihre heilende Energie, die noch von ihnen ausging, alles Böse in der Umgebung vernichten ließ. Eine unfassbar große Energie hatten sie entfesseln können, welche gewiss noch einige Kilometer weiter spürbar sein dürfte, allein durch einen Kuss aus Liebe, der Beweis, dass diese viel kraftvoller war als alle anderen Energiequellen, denen man sich bedienen könnte.

Langsam klang ihre Magie ab, nachdem das Übel fort war, doch das prickelnde Gefühl im Bauch, die Karusselfahrt von Aarons Gefühlen, blieb. "Merthin...", murmelte Aaron liebevoll, während er sich berühren ließ und dann auch in einen erneuten Kuss mit ihm versank, der keinen Zweifel daran zurückließ, dass das eben wirklich passiert war. Aaron brauchte gewiss noch einen Moment, um das zu verarbeiten, zu verstehen, was da passiert war, zu erkennen, was Merthin bereits gesehen hatte; es war eine Prüfung gewesen, die sie dank Merthins Einsicht bestanden hatten. Ein Tickchen enger schmiegte sich Aaron an Merthin heran, wollte seine Arme gerade fest um diesen schlingen, doch hatte er komplett ausgeblendet, wo sie sich gerade noch befanden.

Urplötzlich ertönte ein Räuspern und auch Aaron erschrak. Man hatte sie gesehen und das ließ Aaron bewusst werden, dass ihre Gefühle zwar wunderschön waren, aber eben bei anderen auf Unverständnis und Abneigung stießen. Doch dieser Mann schien kein Interesse daran zu haben ,sie anzuschwärzen, weshalb sie zusammen, Hand in Hand, die Herberge verlassen konnten. Aarons Blick wanderte auf ihre verbundenen Hände. Sie waren schon häufig Hand in Hand gelaufen, aber jetzt fühlte es sich besonders an. Vorsichtig wagte Aaron es seine Hand in der des anderen ein bisschen zu drehen, um seine Finger zwischen die von Merthin rutschen zu lassen und sich so sachte einzuhaken. Die Leute in der Umgebung schienen, als ob gar nichts passiert wäre. Die Sturmschäden waren einfach nicht mehr da, die Kinder spielten unbesorgt auf der Straße, die Händler priesen wieder lauthals ihre Waren an, die Sonne lächelte ebenso auf sie herab.

Ein Grinsen legte sich auf Aarons Lippen und er war froh, endlich wieder glücklich lächeln zu können. Merthin machte ihn auch gerade einfach nur glücklich. "Ich auch", antwortete Aaron zustimmend und wie aufs Stichwort grummelte sein Magen. Zwar befanden sich in seinem Bauch viele Schmetterlinge, aber die schweren Steine, die ihm zuvor den Appetit genommen hatten, waren abgefallen. Merthin hatte auch Recht, dass sie reden sollten, über das Geschehene, über ihre Gefühle, über Wünsche und Erwartungen. Aaron hatte gelernt, dass einfach nur jemanden zu lieben nicht ausreichte. Man musste auch im Gespräch miteinander bleiben, sich ehrlich sagen, was einen beschäftigte und dann gemeinsam eine Lösung dafür finden.
 

Merthin


 

Dass Aaron den Kuss zuließ, beruhigte Merthin. Dass er ihn nicht wegstieß, nach all dem, was er getan hatte, wunderte ihn. Dass er den Kuss erwiderte, ließ ihn innerlich jubilieren. Es war noch nicht alles kaputt gegangen. Sie hatten noch die Möglichkeit, ihren Weg gemeinsam weiter zu gehen. Und die magische Energie gepaart mit diesem kribbelnden, berauschenden Gefühl war einfach nur unfassbar. Das hier fühlte sich echt und richtig an, begehrt und gewollt. Ja, er wollte diesen Kuss, immer und immer wieder. Und es gab ihnen die Kraft, die sie brauchten. Vereinigung hatte viele Facetten…

Und so konnten sie auch diesen Kampf gemeinsam bestehen, konnten ihn beenden und vernichten, was es zu vernichten galt. Merthin hatte etwas Wichtiges gelernt: seine Magie und die damit verbundene Macht war manipulierbar. Er durfte sich nie wieder selbst so schwächen, dass etwas so Negatives Einfluss auf ihn haben könnte. Und rückblickend betrachtet, hatte er sich immer dann schwach gefühlt, wenn Aaron ihm nicht nahe war. Anfangs, als er nicht wusste, wann und ob sie sich wiedersehen könnten. Zuletzt, weil er ihn auf Abstand gehalten hatte. Im Nachhinein war es ihm schleierhaft, wieso er sich so hatte reinreden lassen. Wobei die Geschichte mit Marcuse eben Auswirkungen gehabt hatte.

Wie auch immer. Dieser war nun zerstört, seine negative Energie von der Erde verbannt. Und sie beide konnten nun Hand in Hand durch die Straßen von Dorstaal laufen, um einen Bäcker zu suchen, der ihm noch einen von diesen leckeren Kringeln verkaufte, nach denen er süchtig war.

Das blaue Mal

Aaron


 

Gemeinsam hatten Merthin und Aaron in der Stadtbäckerei ein paar Leckerein gekauft, die sie mit zu ihrer Herberge genommen hatten, um dort in Ruhe und ungestört zusammensitzen, essen und reden zu können. Bequem saß Aaron im Schneidersitz auf einem etwas verranzten Kissen auf dem Sofa, hatte ein Honiggebäckstück in der Hand und biss mit Appetit davon ab. Dabei lehnte er sich mit der Schulter an Merthin an, irgendwie brauchte er die Nähe zu diesem gerade besonders. "Wie hast du herausgefunden, dass das alles eine Prüfung für uns gewesen war?", fragte Aaron nun zwischen zwei Bissen. Ja, sie hatten die Worte aus der Prophezeiung und wenn man es jetzt betrachtete, ergab alles Sinn. Ein bisschen beängstigend war es dennoch, dass die Prophezeiung auch diese Prüfung vorausgesehen hatte. Wenn sie hier gescheitert wären, wären sie komplett gescheitert. Doch war es richtig zu glauben, dass sie dazu bestimmt waren, diese Prüfung zu bestehen? Nein, so wollte Aaron das nicht sehen. Sie waren einfach füreinander gemacht und deshalb hatten sie wieder zueinander gefunden und mehr Kraft entwickelt als je zuvor. Liebe in dem Sinne gab es auch unter Eltern zu ihren Kindern und unter sehr festen Freunden, ihre Art von Liebe war nochmal anders. Hatte die Prophezeiung auch diese Art von romantischer Liebe gemeint oder war das offen...?

"Als du... gesagt hattest, dass wir unsere Liebe zueinander akzeptieren müssten, hast du da wirklich Liebe gemeint?", fragte Aaron fast nicht hörbar leise. Aaron hatte in diesem Moment das Gefühl gehabt, als ob er Merthins Herzschlag zusammen mit seiner Magie im Körper spüren könnte, als ob sie im gleichen Takt schlagen würden. Wenn Aaron das so bedachte, klang es irgendwie wie aus Balladen, aber so hatte er es wirklich empfunden.

Aaron brannten noch viele Fragen auf der Zunge, doch diesmal hoffte er, Merthin damit nicht wieder in die Flucht zu schlagen. "Kanntest du diesen dämonischen Mann eigentlich?", fügte der Prinz noch eine Frage an. Das waren die zentralsten Fragen in seinem Kopf und diejenigen, die ihn am meisten beschäftigten. Der Prinz hatte noch gut vor Augen, wie vertraut Merthin mit dem Mann umgegangen war, bevor dieser sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Hatte Merthin vielleicht auch nicht gewusst, wer er gewesen war? Dass der Dämon Merthin benutzen wollte und auch benutzt hatte, war offensichtlich gewesen. Aaron bekam immer mehr ein schlechtes Gewissen, da er dieses Interesse des Dämons in Merthin bei der ersten Begegnung für Begierde gehalten hatte. Körperliche Begierde, nicht Machthunger. Oder hatte Aaron doch nicht falsch gelegen und der Feuerdämon hatte beidseitiges Interesse in Merthin gehabt? "Ich dachte wirklich, du hättest vorgehabt, mit diesem Fremden zu schlafen", gestand Aaron Merthin nun leise verlegen lachend, was ihm jetzt im Nachhinein zwar nicht unmöglich vorkam, aber sehr übereilt gedacht. Aaron sollte sich zukünftig nicht mehr vom ersten Eindruck täuschen lassen, sondern Merthin die Möglichkeit geben, seine Sicht der Dinge darzulegen. So wie jetzt. "Ich dachte die Zeichen erkannt zu haben, die du mir sehr anschaulich damals dargestellt hattest", sprach er noch leise hinten an. Ein bisschen Unruhe und Nervösität kam in Aaron hoch, während er sich vorstellte, was die beiden miteinander hätten anstellen können.
 

Merthin


 

Aneinander gelehnt saßen sie auf dem Sofa, aßen schweigend und doch spürte Merthin zu deutlich die vielen Fragezeichen in der Luft, die dem anderen vermutlich um den Kopf schwirrten. Aber er wusste nicht, wie er anfangen sollte, all das zu erklären, was geschehen war. Es war heftig gewesen, ihr persönliches Unwetter, das letztlich er zu verantworten hatte. Und auch wenn die Luft wieder danach klar war und die Sonne schien, so mussten sie über die Ursachen für all das reden, die Merthin aber ja auch noch nicht so lange kannte… Und so brauchte er für sich selbst einfach ein wenig Zeit, um sich der ganzen Situation bewusst zu werden.

Als Aaron die erste Frage stellte, blickte er kurz auf, schwieg dann aber. Bei diesem Punkt war er mit seinen Gedanken noch gar nicht angelangt. Und noch eher er ansetzen konnte, eine sinnvolle und plausible Antwort zu geben, folgte Frage um Frage, so als müsst Aaron sie alle auf einmal loswerden. Und Merthin schmunzelte, als er merkte, in welche Richtung Aaron das Gespräch lenken wollte. Er ließ ihn ausreden, seine letzte Feststellung machen, bevor er den Arm hob und um den anderen legte, um ihn näher zu sich zu ziehen. „Ganz schön viele Fragen, mein Lieber“, seufzte Merthin theatralisch. „Aber ich bemühe mich, sie dir alle auf irgendeine Art und Weise zu beantworten.“ Wieder schwieg er kurz, um sich zu sammeln. „Also, vielleicht fangen wir mit der Frage an, dass ich Marcuse, so hieß der Dämon, tatsächlich kannte. Ich habe ihn vor zehn Jahren kennengelernt. Er war meine erste große Liebe – ich war jung und unerfahren was Männer betraf und fand in ihm jemanden, mit dem ich mich verbunden fühlte. Damals haben sich die Male weiterentwickelt und entfaltet und mir war der Zusammenhang zu meiner Kraft, zu meinem Element nicht bewusst. Marcuse hatte vermutlich bereits da den Feuerdämon in sich und spürte wahrscheinlich bei mir eine Verbundenheit. Schon damals hatte er gehofft, einen Verbündeten zu bekommen. Vermutlich hatte er sich deshalb auf mich eingelassen. Ich dachte jedenfalls, ich hätte die Liebe meines Lebens gefunden- wie man es als unerfahrener Tölpel halt so macht. Als er mir sein wahres Gesicht offenbart hatte, um mich zu prüfen, eilte mir jedoch Marie zur Hilfe, die mich vor ihm rettete und beschützte. Damals sind letztlich auch wegen mir, einige unschuldige Menschen gestorben. Um mich zu schützen, meine Gefühle für Marcuse nicht zu verdammen, hat Marie mich damals alles vergessen lassen. Einzig das Gefühl war geblieben, dass es gefährlich war, sich auf mich einzulassen, weil sonst meine Energie entarten könnte, sich verselbstständigen könnte. Ich hatte unbewusst immer das Gefühl, dass ich mich auf niemanden tiefer einlassen sollte – um ihn vor mir selbst zu schützen. Dass das mit Marcuse zusammenhing, das wurde mir erst gestern Abend bewusst. Ich konnte mich nach all den Fragen und Vorwürfen, die du mir gemacht hattest, mit einem Mal an Manches erinnern, das Marie eigentlich verschlossen hatte. Ihn dann ausgerechnet heute hier wieder zu treffen, hat mich vollkommen aus der Bahn geworfen. Gestern Abend ging ich noch mit dem Gefühl in Bett, vor Jahren einen geliebten Menschen verloren zu haben, und heute läuft mir genau dieser über den Weg. Das war schon mal ein seltsamer Zufall. Und letztlich hätte ich da schon misstrauischer werden sollen.“ Er schwieg kurz, atmete tief durch. „Womit wir schon bei der nächsten Frage wären: ob ich mit ihm gegangen wäre, um mit ihm zu schlafen.“ Er überlegte einen Moment, Aaron dabei ansehend. „Ich muss ehrlich zugeben, dass ein Teil von mir sehr angezogen von Marcuse war. All die Emotionen, die ich damals nicht wirklich verarbeitet hatte, kamen hoch. Meine Magie fühlte sich von der seinigen angezogen. Und da war noch dieses Gefühl in mir, der Welt beweisen zu müssen, dass es nicht du bist, nach dem ich mich verzehre… Als er dann aber meine Hand genommen hatte, war mir mehr als deutlich, dass ich mich nicht auf ihn einlassen dürfte, dass es in keiner Weise richtig wäre, ihm nachzugeben. Zum einen nicht, weil seine Energie dunkel war, dunkler als vor 10Jahren, vollgesogen mit Hass und Neid und Missgunst und Machthunger. Zum anderen aber, weil ich sonst mein eigenes Herz betrogen hätte, das sich nach jemand ganz anderem gesehnt hat…“ Er schmunzelte erneut und blickte Aaron von der Seite her an. Jener saß noch immer eher mit dem Rücken zu ihm und schien einen Moment in der Bewegung innegehalten zu haben. „Womit wir schon beim nächsten Thema wären: Wie habe ich begriffen, dass wir die Worte der Prophezeiung falsch gedeutet haben?“ Während er sprach hatten seine Finger angefangen, sanft über Aarons Bauch zu streichen und auch jetzt taten sie das unbewusst, während er seinen Arm um ihn gelegt hielt. „Als du fort warst, einfach weggelaufen. Und ich wusste, dass du das alles völlig falsch deuten würdest, habe ich eine riesige Angst gespürt. Ich dachte, du kämst nie wieder. Es hat sich in mir alles verkrampft, nur dieser Gedanke hat geschmerzt. In diesem Moment hab ich erst mitbekommen, dass draußen der Sturm bereits tobte. Und da dämmerte mir, dass wir diejenigen sind, die das Unwetter hierhergebracht hatten: weil zwischen uns das Unwetter tobte, tobte es überhaupt auch in dieser Stadt. Marcuse hat mir gezeigt, wozu wir fähig wären, aber mein einziger Gedanke war, dass ich dich beschützen muss, dass du bei mir sein solltest, dass ich zu dir muss, um dich vor diesem Unheil zu bewahren. Und ich begann mich zu fragen, warum ausgerechnet in dieser Situation das Unwetter so heftig geworden war. Im Nachhinein betrachtet, hätte mir schon auffallen müssen, dass das Wetter unsere Stimmung schon seit wir der Stadt nähergekommen waren, widergespiegelt hat. Aber ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mir einzureden, dass es besser für alle war, wenn wir uns nicht näher kämen…“ Er lächelte matt, blickte Aaron an, der sich in seinem Arm etwas gedreht hatte, um ihm nun doch ins Gesicht blicken zu können. Merthins Augen ruhten in denen des anderen, der ihn fragend anblickte. „Die Wahrheit ist nämlich“, sagte er leise, „dass ich mittlerweile weiß, dass uns deutlich mehr verbindet, als nur die Magie. Und es war alles gelogen, was ich dir gestern an den Kopf geworfen habe. Natürlich spüre ich, dass es sich anders anfühlt, wenn wir uns küssen… dass es sich atemberaubend anfühlt… Und dass dieses Gefühl in meinem Inneren mehr ist als nur Freundschaft. Wenn du mich also fragst, ob ich ich wirklich Liebe gemeint habe, dann kann ich mit Gewissheit sagen, dass es so ist. Und ich hoffe, dass ich deine Gefühle nicht zu sehr verletzt habe und wir in Zukunft von einem WIR reden können…“ Er sah ihn fragend an, doch sein Blick glitt dann von seinen Augen auf den Mund des anderen. „Habe ich eigentlich auch so viel Honig um den Mund, wie du?“, fragte er leise und kam etwas näher. „Darf ich mal kosten?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, küsste er Aaron sacht, wobei er ihm dabei sanft über die Lippen leckte, bevor er den Kuss wieder löste. „Hmmmm“, schnurrte er leise und blickte Aaron wieder an, ohne sehr weit von diesem zurückzurutschen. Dann kostete er noch einmal von seinen Lippen. Er lächelte, als er sich wieder löste, wurde dann aber wieder ernst. „Als ich Marcuse auf dir gesehen habe… Ich… es hat mir physisch weh getan…“, wisperte er leise und er sah den anderen dabei eindringlich an. „Ich habe so eine Wut gespürt, dass er dich überhaupt angefasst hat, und gleichzeitig so viel Angst, dass er dich töten könnte, dass es mir ungeahnte Kräfte verliehen hat.“ Erneut küsste er ihn sanft, hob nun seine Hand und strich Aaron über das Haar bis zur Wange und ließ seine Hand dann dort liegen.
 

Aaron


 

Vielleicht lag es in der Natur der Sache, dass Aaron einfach immer Fragen fand, die er stellen wollte. Besonders bei Themen, die ihn besonders nahe gingen und die einen Bezug auf ihn selbst hatten. Es war Aarons Methode bisher gewesen, Fragen zu stellen und damit Wissen zu erlangen. Seine Eltern hatten nie viele Fragen ausreichend beantwortet, hatten ihn mit Floskeln abgespeißt oder ihre immer wieder kehrenden Worte runtergeleiert. Um diese Weltsicht zu haben wie jetzt, hatte es viele Fragen an die richtigen Leute bedurft, daher sprudelten sie auch jetzt hervor.

Während Aaron der detailierten Antwort seiner Fragen lauschte, aß er den Honigkringel weiter, merkte, wie gut es tat, wieder was im Bauch zu haben ohne das negative Gefühl, das ihn nach der offensichtlichen Ablehnung von Merthin befallen hatte. Das wollte er nicht wieder erleben, auch wenn er sich nun bewusst war, dass es auch mal andere Wetterlagen als Sonnenschein geben konnte, selbst wenn man liebte.

Aufmerksam hörte Aaron zu, ließ sich die Geschichte von Marcuse erzählen und verstand nun auch wesentlich besser, wieso Merthin in der Höhle so explodiert war. Es war eine schmerzliche Wunde gewesen, in die er mit seinen Fragen gebohrt hatte und letztlich hatte Merthin wirklich keinerlei Schuld am tragischen Ausgang der Geschichte, auch wenn er sich selbst eine Teilschuld gab. Merthin dachte vielleicht, dass er sich nicht von Marcuse hätte ausnutzen und verführen lassen sollen, aber das hätte er nicht ahnen können, erst recht nicht in seinem jungen Alter zu der Zeit und ohne zur Hilfenahme seine Magie. Zumal es laut der Erzählung eher ihre Feuermagie gewesen war, die sie beide angezogen hatte. Aaron konnte jetzt sehr gut nachvollziehen, wie gern man der geliebten Person nahe sein wollte, es war nur natürlich, dass auch Merthin damals dieses Bedürfnis gespürt hatte. Dass die beiden sich hier wiedergetroffen hatten, hielt Aaron nicht für einen Zufall. Dafür hatten sie schon zu oft erlebt wie vorherbestimmt doch viele Situationen waren, in die sie gerieten. Zumal Marie sicher auch nicht ganz unschuldig daran war.

Dass Merthin nochmal mit seiner Vergangenheit konfrontiert worden war und sie zusammen mit Aaron überwinden konnte, hatte sie nicht nur persönlich wieder zusammenschweißen, sondern ihnen auch für ihre größere Aufgabe die Chance gegeben, diese zu meistern.

Trotzdem sagte Aaron nichts, während Merthin sprach, wollte ihn nicht unterbrechen, auch wenn er etwas mehr hinhörte, als Merthin das Fragezeichen nach körperlicher Anziehung zwischen den beiden behandelte. Aaron hatte da also doch nicht so Unrecht gehabt, als er die beiden so vertraut miteinander gesehen hatte und doch hatte er auch falsch gelegen. Das wurde ihm besonders bewusst, als Merthin eine weitere Person erwähnte, nach der sich sein Herz gesehnt hätte. Aarons Herz machte einen Hüpfer bei dem Gedanken, dass Merthin wahrscheinlich ihn gemeint hatte. Aaron hatte es bei dem Kuss in dieser Situation gespürt, aber es nochmal ausgesprochen zu hören, war ein anderes Kaliber. Leicht legte Aaron seine Hand auf die von Merthin, mit der dieser angefangen hatte über Aarons Bauch zu streichen. Dabei behinderte er ihn nicht in der Bewegung, spürte einfach seine Bewegung mit der Hand nach, um sich selbst bewusster zu machen, dass er sich diese Berührung und das entspannte Gefühl dabei nicht bloß einbildete.

Bei Merthins weiteren Worten drehte sich Aaron dann doch langsam herum, um Merthin direkt anschauen zu können. Er äußerte seine Sorge in dem Moment, dass Aaron nicht wiederkäme und dass er ihn beschützen wollte. Aaron hatte keine Ahnung, dass sein wütendes Fortlaufen Merthin doch so mitgenommen hatte, was ihm jetzt ziemlich leid tat. "Ja, wir beide haben den Sturm verursacht, nicht du alleine", murmelte Aaron nun doch, blickte Merthin dabei in die Augen. Es war Aaron wichtig gewesen hervorzuheben, dass nicht Merthin alleine verantwortlich dafür war, dass der Sturm ausgebrochen war. Auf der anderen Seite war es aber vielleicht auch gut gewesen, dass es so gekommen war, denn ansonsten würden sie sich jetzt nicht näher sein als je zuvor, davon war Aaron überzeugt. Auch Merthin bestätigte dies nur einen kleinen Augenblick später, nachdem Aaron diese Gedanken durch den Kopf gegangen waren. Er hatte wirklich diese Art von Liebe gemeint und sprach gar von einem gemeinsamen Wir, womit er Aaron wieder ziemlich glücklich machte. Die Lippen des Prinzen zeigten ein Lächeln, seine Augen strahlten vor Glück. So nickte Aaron zustimmend, wollte der stummen Frage in Merthins Augen aber auch mehr Antwort geben als das. "Ich gebe zu, was du gesagt hattest, war hart und hat kleine Wunden hinterlassen. Dafür füllst du diese Wunden gerade umso mehr mit so viel Gefühl in mir, dass ich fast überlaufe vor Liebe zu dir.", erst einen Moment nachdem Aaron das gesagt hatte, wurde ihm bewusst, das seine Worte fast genauso vor Honig tropften wie sein Honiggebäck, das er inzwischen aufgegessen hatte. Aber Merthin ließ ihm wenigstens keine Gelegenheit sich in diese Verlegenheit reinzusteigern, denn schon bekam Aaron einen wahrlich honigsüßen Kuss, der aber viel süßer schmeckte als der Honig vom Gebäck. Wohlig seufzend ließ Aaron sich den Honig von den Lippen lecken, küsste im Gegenzug auch die kleinen Reste von Merthins Lippen herab. "Ich hatte auch Angst, das dir was Schlimmes geschieht. Deine Augen waren zeitweise so schwarz geworden", nuschelte Aaron gegen Merthins Lippen, die er schließlich fester zurück küsste, als ob er Sorge hätte, das dies gleich schon wieder vorbei sein könnte. Als Merthin auch diesen Kuss löste, folgte Aaron nochmal mit seinem Gesicht dem des Blonden und stahl sich noch eine kleine und so unfassbar angenehme Berührung von Merthins Lippen. Es war schön zu hören, dass Merthin sich gesorgt hatte, andererseits tat es Aaron auch Leid, dass er ihm solche Sorgen bereitet hatte und er sogar physische Schmerzen gehabt hatte. Vielleicht sollte der kleine Kuss am Schluß zum Teil auch noch irgendwie dafür entschädigen.
 

Merthin


 

Seine Finger spreizten sich etwas, als Aaron seine Hand auf die seine legte, so dass seine Fingerspitzen zwischen seine Finger glitten. Die Finger ineinander verhakt fuhr er fort, ihn sanft zu streicheln, das Gefühl genießend, dass dieser Mann, dieser Körper ihm so nahe war und dass er ihn berühren durfte. Die Ruhe, die Aaron bei ihm bewirkte, war angenehm und erwünscht. Aber die Nähe des anderen wühlten ganz andere Dinge in ihm auf, die er aber zunächst gut beiseiteschieben konnte…
 

Es tat gut zu hören, dass Aaron auch die Verantwortung für den Sturm übernahm, aber Merthin wusste, dass der Prinz m ja nie so aufgewühlt und wütend gewesen wäre, wenn Merthin ihn nicht so von sich gestoßen und dann vermeintlich sich einen anderen gesucht hätte. Dennoch schwieg er, denn darüber zu diskutieren, wer nun wie viel Schuld hatte, war kein sinnvolles Thema. Wichtig war letztlich ja nur, dass sie sich nicht gegenseitig die Schuld geben und ihre eigene Verantwortung abladen wollten.
 

Ein warmes Lächeln erschien auf seinen Lippen, als Aaron ihm seine Liebe wirklich gestand, ihm wirklich sagte, dass er sich in ihn verliebt hatte, ja dass er sogar „überlaufe vor Liebe“. Merthin wusste nicht, was er erwidern sollte. Sicher, er hatte es ihm selbst angedeutet, aber irgendwie war das auch seltsam für ihn, es von jemand anderem zu hören, von jemandem, den man selbst wirklich nahe bei sich wissen wollte, den man berühren sollte, den man küssen wollte – ja, den man lieben wollte. Es berührte ihn auf ungewohnte Weise tief und machte ihn damit auch ein wenig verlegen. Und vielleicht verschloss er deshalb so schnell die Lippen des anderen, um seine eigene, so ungewohnte Verlegenheit zu verbergen. Manchmal war es einfach gut, dass man Worte stehen ließ, ohne sie zwanghaft zu kommentieren. Und dass Aaron selbst von seinen Worten überrascht war, hatte er ja auch deutlich gesehen.
 

Zu hören, dass sich seine Augenfarbe geändert hatte, ließ ihn schlucken. War Marcuse schon so weit in ihn eingedrungen gewesen? Hatte er ihn schon so weit gehabt, dass er etwas Dämonisches in sich getragen hatte. War er so leicht einzunehmen gewesen? Es erschreckte Merthin ein wenig. Und doch stärkte es sein Bewusstsein dafür, dass er nie wieder in eine solche Situation geraten wollte. Niemals wieder würde er es zulassen, dass jemand sich seiner bemächtigte. Und er würde in Zukunft besser auf die Zeichen achte, wenn es doch geschehen könnte... Letztlich musste man aus allen schwierigen Situationen gestärkt hervorgehen. Und das würde er. Doch er ließ auch das unkommentiert, verschloss seine Gedanken zu den Worten des anderen in sich. Viel zu sehr wurde ihm gerade bewusst, dass Aaron ihm gegenüber mehr und mehr die Scheu zu verlieren schien. Aaron küsste ihn, stahl sich Küsse aktiv. Und die Erkenntnis darüber machte ihn zum einen glücklich, ließ ihn zum anderen schmunzeln. Wenn er an den Aaron dachte, der beschämt weggesehen hatte, als er sein Hemd ausgezogen hatte. Oder an den, der mit geröteten Wangen im Fluss gestanden hatte, der ihm erzählt hatte, dass er noch nie einem anderen Menschen nahe gekommen war… Da war es doch erstaunlich, dass er das hier so gut konnte. Und jetzt, wo er darüber nachdachte, war es auch erstaunlich, dass er es mit einem Mann tun konnte… Schließlich war dieses Thema am Hofe des Königs sicher das letzte, über das geredet wurde, oder? Wenn der König ihn jemals wieder in die Finger bekommen würde, wäre der Galgen vermutlich noch das angenehmste, was er hinsichtlich seiner Verbrechen zu erwarten hatte… Aber das schreckte ihn in keiner Weise ab.

Dennoch war Marcuse und dessen handeln noch nicht vergessen...

Sacht löste er wieder den Kuss und blickte Aaron an. „Zeig mir bitte die Stelle, an der er dich berührt hat. Hast du noch Schmerzen, hat er dir deine Haut stark verbrannt? Einen Moment hatte ich das Gefühl, als scheine dein Körper dort blau…"

Als Aaron ihm die Stelle zeigte und Merthin zum ersten Mal das königliche Zeichen auf der Hüfte sah, blickte er Aaron erstaunt und fragend an. „Du hast mir nie gesagt, dass du auch ein Mal hast…“, sagte er überrascht, nicht wissend, dass alle der Königsfamilie eines besaßen. Dann beugte er sich unvermittelt hinab, um ihn genau dort zu küssen, wo Marcuse ihn verletzt hatte.
 

Aaron


 

Einen kleinen Moment stockte Aaron, als Merthin ihn bat, ihm die Stelle auf der Haut zu zeigen, wo Marcuse, wie Aaron nun wusste, wie der Dämon geheißen hatte, ihn berührt hatte. Sein Zögern kam nicht davon, weil er Merthin das königliche Zeichen nicht würde zeigen wollen, es war eher die etwas ungünstige Stelle, wo es auf seiner Haut prankte. Bisher hatte sich Aaron stets Mühe gegeben es eben nicht zu zeigen, besonders nachdem er so weit weg von Zuhause war. Aber auch Merthin hatte Aaron seine Male gezeigt, dieses Vertrauen wollte Aaron erwidern. Zumal sie seit heute mehr verband als bloßes Vertrauen. "Nein, Schmerzen hab ich nicht mehr", antwortete Aaron leise und musste sich leicht aus ihrer gemeinsamen Sitzposition bewegen, um Merthin die Stelle an der Hüfte zeigen zu können. Dazu hockte er sich auf seine Knie auf das Sofa und zog das Hemd an der Hüfte leicht hoch, wodurch Merthin einen guten Blick auf das Symbol bekommen würde. Die Haut war gerötet, beim genaueren hinsehen erkannte man verwaschene Umrisse einer Hand, aber zum Glück hatte Aarons Eis ihn weitestgehend vor mehr Schaden geschützt.

Aaron blickte selbst an sich hinab auf seine Haut, während er Merthin gucken ließ. "Naja, es ist an einer prekären Stelle, ich wollte nicht...", begann Aaron zu antworten, warum er Merthin nichts davon gesagt hatte, brach aber erstmal ab, suchte nach einer passenden Formulierung. "Du hättest es vielleicht sehen wollen", fügte er schließlich noch mit einem kleinen verlegenen Grinsen hinzu. Das erklärte sicher auch für Merthin den Grund und das, ohne dass Aaron direkt sagen musste, dass es ihm unangenehm gewesen wäre, seine Hüfte zu entblößen, auch wenn es nur das kleine Stückchen war. Aber ihre Vertrautheit reichte aus, dass Aaron ihm nun auch diesen Part an sich zeigen konnte und eigentlich auch wollte. "Es weist mich als Mitglied der königlichen Familie von Foron aus. Meine Geschwister und mein Vater haben es ebenfalls... nur erscheint es bei jedem woanders auf der Haut", erklärte Aaron und wollte noch mehr hinzufügen, doch wurde sehr aus dem Konzept gebracht, als sich Merthin sehr unvermittelt und ohne, dass Aaron es hatte kommen sehen, vorgebeugt hatte und seine Lippen jene Stelle berühren ließ, welche zuvor noch mit einem völlig gegenteiligen Gefühl gebrannt hatte. Aaron war kurz überrascht, zog aber nicht weg. Die sanfte Berührung der spürbaren Weichheit der Lippen kribbelte so angenehm auf der Haut, Merthins warmer Atem, der dabei ebenfalls seine Haut striff, verstärkte das Gefühl bloß. Selbst wenn es eben noch geschmerzt hätte, so war sich Aaron sicher, dass er das nun nicht mehr gemerkt hätte. Viel zu angenehm war diese vergleichsweise kleine und zärtliche Geste. Es war Merthins Art dabei, die Aarons Scham in aushaltbare Grenzen hielt und er diese Berührung mit einem tiefen Atemzug anstandslos zulassen und auch genießen konnte. In leichten Ansätzen begann das Mal verhalten blau zu schimmern, allein durch die nicht zu vermeidende kleine Nervösität, die in Aaron bei solch liebevoller Symbolik einfach nicht ausblieb.

Locker legte Aaron seine Hände seitlich an Merthins Kopf, fuhr mit den Fingern durch sein längeres Haar, blickte von oben zu Merthin herab. "Es leuchtet blau, wenn ich Magie nutze oder in meiner unmittelbaren Umgebung Magie genutzt wird", sprach Aaron mit gesenkter Stimme weiter, was fast schon automatisch geschah. "Oder wenn mich etwas nervös macht oder ich sonstwie aus der Bahn gerate.", verwendete Aaron Merthins Worte von damals, als dieser ihm in jener Bibliothek erklärt hatte, wann seine eigenen Male reagierten. In diesem Punkt waren ihre Symbole ähnlich. "Allerdings sieht mein Zeichen etwas anders aus, als die meiner Angehörigen. Ich habe noch nicht herausgefunden, warum das so ist", fügte er noch ebenso leise hinzu, während er seinen eigenen Fingern dabei zusah, wie sie durch Merthins blonde Strähnen fuhren. Aarons Blick wanderte dann von Merthins Kopf weiter seinen Nacken hinab, zu der Stelle, wo sein Schicksal stand, dann weiter hinab seinen Rücken entlang. Fast ohne es zu merken war Aaron den Weg seines Blickes mit einer seiner Hände gefolgt und war mit den Fingern Merthins Nacken zu seinem Rücken hinabgefahren, den er nun leicht mit den Fingern abfuhr. Merthin war vorhin durch den Ruck ordentlich gegen die Wand geflogen, hatte er davon eigentlich noch Schmerzen im Rücken? "Wie steht es bei dir? Hast du Schmerzen oder eine Verletzung davon getragen?", fragte er ihn leise und merkte durch ihr liebevolles Beisammensein mehr als vorher, wie sehr er das gewollt hatte. Einfach mit seinen Händen Merthin berühren zu dürfen, ohne sich erklären zu müssen, tat gut. Da der Blonde ebenfalls diese Nähe suchte, konnte Aaron seine innere Nervösität zumindest soweit in den Hintergrund rücken lassen, dass sie ihn nicht behinderte das zu tun, was er gern tun würde. Zumindest bei solchen Gesten.
 

Merthin


 

Gerade hatte er noch gedacht, dass Aaron seine Scheu verlor, da kehrte die Unsicherheit bereits ein wenig wieder zurück, als Merthin ihn bat, ihm das Mal zu zeigen. Er sah, dass es ihm unangenehm war, als er sich neben ihn aufs Sofa kniete und sein Hemd hochzog. Und er hörte es auch, denn Aaron gab es selbst zu, dass ihn seine Verlegenheit davon abgehalten hatte, es einfach zu erzählen. Merthin hatte unwillkürlich grinsen müssen. Da war er wieder, sein schüchterner Aaron! Vielleicht war das auch der Grund, weshalb er ihn auf das Königs-Mal küsste, um seine Reaktion zu testen, wenn er ‚intimer‘ wurde. Denn ganz ehrlich… Ihn hier so knien zu sehen, seinen flachen, muskulösen Bauch so nah vor sich zu haben… Wer käme da nicht auf „weiterführende“ Gedanken?! Aber es war auch das Bedürfnis, jene Stelle wieder mit Zärtlichkeit zu bedecken, die so in Mitleidenschaft gezogen worden war. Und auch nicht ohne Grund. Das Königsmal war sicher die Stelle an Aarons Körper, die magischer als alles andere war. Wieso hatte die ganze Familie ein solches Mal? Während Aaron erklärt hatte, was das Mal für einen Hintergrund hatte, hatte Mertin es genauer betrachtet. Nach seinem Kuss war es bläulich geworden und Merthin blickte auf, sah Aaron fragend an, der es ihm sogleich erklärte. Dann hatte er sich den bläulichen Schein also wirklich nicht eingebildet… Der blaue und der rote Krieger…
 

Sacht neigte Merthin den Kopf, drückte sich damit der streichenden Hand entgegen und genoss die Liebkosung, die so angenehm war, so begehrt und vermisst. Es fühlte sich komplett anders an, als alle Zärtlichkeit, die er bisher erlebt hatte. Aber dessen war er sich nur bedingt bewusst. Viel zu sehr wurden seine Gedanken nun abgelenkt, als Aarons Finger in seinen Nacken rutschten, über seine Haut strichen, sein Mal, den Rücken hinab… Seine Augen schlossen sich unvermittelt und er wäre er eine Katze, hätte er nun vermutlich angefangen zu schnurren. „Alles in Ordnung. Ich hab‘ schon Schlimmeres erlebt“, antwortete er kurz und genoss das Kribbeln, das von den Fingern des anderen an seiner Wirbelsäule ausging. Sicher hatte er ein paar blaue Flecken und Schrammen, aber das störte ihn nie. „Was ist der Unterschied zu den anderen?“, sagte er, während er genoss. Zumindest zum Teil arbeitete sein Hirn noch, während sein Körper auf ganz andere Gedanken kam. „Es sieht aus wie ein Vogel“, sagte er und zwang sich, seine Augen wieder zu öffnen.
 

Aaron


 

Daran, dass Merthin sich mit dem Kopf Aarons streichelnder Hand entgegen neigte, merkte der Prinz, dass Merthin Gefallen daran hatte, wie er ihn gerade berührte. Das gab Aaron Sicherheit damit fortzufahren, ihm sanft über den Rücken zu streicheln. Da Merthin sich auch nicht weiter verletzt zu haben schien, brauchte sich Aaron wenigstens keine Sorgen zu machen, dass er Merthin beim Streicheln eventuell weh tun könnte, weil er unbedacht eine schmerzende Stelle berührte. "Ja, ein Vogel. Laut der Familienüberlieferung heißt es, das ein großer Vogel, mit eisigem Körper und flammenden Flügeln einst böse Magie und auch allgemein Magie aus der Welt verbannt hätte. Seitdem gilt er als Schutzpatron des Landes, doch es gibt keine Beweise seiner Existenz. Mein Vater sagt, wir wären alle auserwählt und mit seiner Macht gesegnet, daher tragen wir Könige sein Zeichen.", zum Schluß seiner Worte hin rutschte Aarons Stimmlage ins Ungläubige. Er glaubte das so nicht, hatte aber auch keine passendere Theorie, mit der er die Meinung seines Vaters widerlegen könnte. "Nicht alle Könige der Geschichte hatten dieses Zeichen, mein Vater ist seit Generationen der Erste, der es wieder auf der Haut hatte und bildet sich darauf unendlich viel ein", fügte Aaron noch hinzu und deutete dann mit einem Zeigefinger auf die Flügel des Vogels auf seiner Haut. "Bei mir sind die Flügel ausgebreitet, bei meiner Familie geschlossen", gab er noch kurz den Unterschied preis. Das war nicht von Anfang an so gewesen, es hatte sich im Laufe seines Älter-werdens immer weiter verändert und die Flügel hatten sich gar, seit Aaron Merthin getroffen hatte, noch ein Stückchen mehr geöffnet. Das wurde Aaron auch erst in diesem Moment bewusst, wo er sich sein Zeichen nochmal etwas genauer anschaute.
 

Merthin


 

„Dann scheinst du der einzige zu sein, der es schafft, aus seinem goldenen Käfig zu ‚entfliegen‘“, sprach Merthin den ersten Gedanken aus, der ihm in den Sinn kam, als Aaron ihm erklärte, dass er der einzige sei, dessen Vogel die Flügel zum Flug gespreizt habe. „Ich werte das mal als gutes Zeichen dafür, dass wir hier sind…“ Ein Schmunzeln legte sich einen Moment auf seine Lippen, bevor er wieder ernster wurde. „Aber dass dein Vater dieses Zeichen trägt, obwohl seit Generationen keiner es mehr hatte, wundert mich. Schließlich scheint es mit Magie zusammenzuhängen. Und damit macht diese Geschichte keinen Sinn. Eisiger Körper? Flammende Flügel? Das klingt eher nach einem Sinnbild für uns…“ Er betrachtete den Vogel auf Aarons Hüfte und strich noch einmal mit der Hand darüber. „Ich habe dich zwar gefragt, ob du Magier in den Reihen deines Vaters hast, aber nicht ob er selbst auch magische Kräfte besitzt.“ Er sah wieder hinauf zu Aaron. „Wenn er dich so spüren kann, wie ich dich über meine Male spüre, dann weiß er nach der Sache von vorhin sicher ganz genau, wo du gerade bist… und vielleicht auch mit wem.“
 

Aaron


 

Vielleicht hatte Merthin gar nicht so Unrecht und es symbolisierte seinen Ausbruch aus seinem königlichen Leben. Aaron erwiderte das Schmunzeln, in dem Fall würde Aaron es ebenso deuten. Es musste ja was zu bedeuten haben, dass ausgerechnet jetzt das Symbol in ihre Familie zurückgekehrt war und das sich seines verändert hatte. Es war jedenfalls beunruhigend, auf welchen Gedanken Merthin ihn dann brachte. Könnte sein Vater tatsächlich auch Magie durch dieses Symbol nutzen können? Oder zumindest damit eine Verbindung zu allen anderen Symbolen haben? Aber dann müsste doch auch Aaron spüren, wenn Magie von den anderen königlichen Symbolen ausginge. Das erinnerte Aaron wieder an den seltsamen Stein, den er bei der abgebrannten Scheune gefunden hatte. Den musste er Merthin unbedingt mal zeigen, das hatte er bisher noch gar nicht gemacht. Vielleicht war es auch keine Magie, zu was das Symbol seinen Vater bemächtigte. Jetzt wünschte sich Aaron noch Zuhause zu sein, um den König genau diese Fragen stellen zu können, aber andererseits... war er doch gerade nirgendwo lieber als hier mit Merthin.
 

Merthin


 

Seine goldenen Augen ruhten auf dem schönen Gesicht des anderen, während Aaron tief in Gedanken an seine Familie, das königliche Mal und vor allem an seinen Vater gefangen schien, während er noch immer über seinen Rücken streichelte und mit Merthins Haaren spielte. Ohne weiter darüber nachzudenken, hob er die Hände und legte Sie Aaron an die Hüfte, zog ihn tiefer zu sich auf den Schoß. Seine Hände glitten nach hinten, hielten ihn am Rücken, wobei eine Hand leicht unter das Hemd des anderen gerutscht war, und auf der weichen Haut des anderen zur Ruhe kam. Merthin streckte sich und erhaschte die Lippen des anderen, sanft und zärtlich zunächst, dann etwas verspielter und fordernder. Seine Hände glitten die Wirbelsäule empor und zogen Aaron damit noch tiefer in seinen Schoß. „Ist dir bewusst“, wisperte er gegen die Lippen des anderen, als er die Augen öffnete und ihn ansah, „was du in mir auslöst, wenn du mich so streichelst?“

Abwartend, wie Aaron darauf reagieren würde, blickte er ihn an. Er wusste, dass Aaron keine Erfahrungen in diesen Dingen hatte. Er wollte ihn nicht überfahren, ihn in Verlegenheit bringen. Auch wenn sein Körper gerade etwas anderes wollte, würde er darauf Rücksicht nehmen, wenn Aaron nicht die gleichen Bedürfnisse verspürte, wie er – zumindest noch nicht. Denn er hoffte schon, dass Aarons Körper auf den seinigen genauso reagierte, wie seiner auf den des anderen… Und sein Körper machte ihm gerade mehr als deutlich klar, dass er nur zu gerne den anderen erobern wollte!

Zweisamkeit

<em>[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Schauspiel

Merthin


 

Als sie später auf die Straßen traten, war es noch immer wunderschön draußen. Es war warm und die Stadt schien vor Leben zu erblühen. Es war entspannend, einfach durch die Straßen zu laufen. Und es machte Spaß, Aaron dabei zu beobachten, wie er es genoss, genau das tun zu können: einfach durch eine Straße zu laufen, die Menschen bei ihrem Tagwerk zu beobachten, das Leben zu spüren, die Ungezwungenheit. Sie liefen nebeneinander, nahe beieinander, aber sie hielten sich nicht an den Händen. Und auch so wahrte Merthin Abstand. Nicht, weil es ihm unangenehm wäre. Einfach, weil er Aaron nicht so bald wieder so nahe treten wollte, um ihn nicht wieder in Verlegenheit zu bringen. Dennoch nutzte er die ein oder andere Gelegenheit, ihn zu berühren – wie unbedacht, wie nebenbei. Aber doch so, dass er hoffte, dass es Aaron gefiel. Es war nicht so, dass er Aaron auf Biegen und Brechen rumkriegen wollte. Darum ging es nicht. Er wollte nur nicht, dass Aaron aus Scham und vielleicht falscher Scheu verdrängte, dass er genauso erregt gewesen war wie Merthin. So zerbrechlich und in gewisser Weise auch erschrocken über sich selbst Aaron vorhin ausgesehen hatte, hatte Merthin unter der Dusche den Gedanken gehabt, dass er nicht riskieren durfte, dass Aaron sich nun weit zurückziehen könnte… So aber testete er, wie jener darauf reagierte, um zu sehen, wie Aaron mit ihrer neuen Nähe umging. Dabei redeten sie über dies und das. Aaron erzählte ein wenig von sich, Merthin von sich. Und es tat gut mit diesem süßen Nichtstun die Zeit zu vertrödeln.
 

Aaron


 

Merthins Kleidung war mit dem blau und dem Leder schon etwas extravaganter, aber für einen freien Tag in der Stadt, ohne Bewegungsfreiheit für Kämpfe und fürs Reisen zu benötigen, war das sicher angebracht. Aaron bereute es, keines seiner Gewänder zur Hand zu haben, die in seinem Schrank Zuhause warteten. Gern würde Aaron auch was Hübscheres tragen, nichts zu ausgefallenes oder königliches, aber schon von höherer Qualität. Nicht dass er wollen würde, dass Merthin ihn leiden mochte... aber irgendwie war es doch so.

Die Straßen der Stadt Dorstaal waren mit Leben gefüllt, in der Luft hing nur noch positive Stimmung und das sah und merkte man den Menschen hier an. Bei ihrem Eintreffen in der Stadt hatte alles düster und trist gewirkt, die Menschen waren wie festgefahren in ihrem Alltag, doch jetzt zeigte sich ein komplett anderes Bild. Daher machte es Spaß durch die Straßen zu schlendern, Merthin dabei nahe bei sich zu haben und sich die Geschäfte der Leute anzusehen. Ihr Miteinander fühlte sich durchaus verändert an, ungezwungen, frei und warm. Immer, wenn Merthin ihn mit kleinen, wie zufälligen Berührungen bedachte, spürte Aaron ihre neue Nähe besonders. Häufig warf Aaron Merthin einen Blick zu, wenn sie sich wieder wie nebenbei berührten und lächelte dabei glücklich. Berührungen waren unglaublich schön, nicht nur die 'großen' wie auf dem Sofa, sondern auch so kleine Momente ließen Aarons Herz hüpfen. Der Prinz wollte nur versuchen, nicht wieder so unbedacht zu körperlich zu werden, um Merthin nicht wieder an eine kalte Dusche verweisen zu müssen.
 

Merthin


 

Während er über den Marktplatz mit Aaron bummelte, sah er den Prinzen hin und wieder zu den Schneidern blicken, die mit feinen Gewändern ihre Arbeit priesen. Sicher vermisste es Aaron, sich mit seinen sicher sehr feinen Kleidungsstücken einzukleiden und nicht immer nur die gröberen, ohnehin etwas zu großen Hemden zu nehmen, die Merthin ihm gegeben hatte. Er selbst mochte es, Aaron so zu sehen, ihn in seiner Kleidung zu sehen… Und dennoch kam er sich dadurch schlecht vor, weil er sich für sich selbst etwas Schöneres mitgenommen hatte. Merthin nahm sich vor, bei Gelegenheit dafür zu sorgen, dass Aaron die Möglichkeit bekam, etwas Angemessenes und Schönes für sich zu kaufen. Dafür hatte er aber im Moment einfach zu wenig Geld. Dennoch durfte das nicht in Vergessenheit geraten.

Es war bei einem Händler für Antiquitäten, als Merthin Aaron anhielt und sich zu ihm beugte. „Mir ist gerade der Gedanke gekommen, dass wie in dem Gasthaus von heute Vormittag keine alte Schrift gesehen haben, nichts das auf den Zusammenhang mit der Prophezeiung hindeutet… Oder ist dir etwas aufgefallen?“ Er sah ihn fragend an. „Vielleicht sollten wir dorthin noch einmal zurückkehren und nachsehen…“
 

Aaron


 

Merthin wies Aaron schließlich darauf hin, dass sie diesmal zwar die Aufgabe gelöst hatten, aber keinen neuen Prophezeiungsteil erhalten hatten. Da hatte er absolut recht, irgendwo musste ein weiterer Text versteckt sein, der sie weiterbringen würde. Ansonsten hatten sie nach der Briefübergabe kein Ziel mehr, obwohl das ganz große Ziel natürlich klar war. "Nein, mir war auch nichts aufgefallen...", murmelte Aaron nachdenklich, während er in Gedanken nochmal die Bilder vom Vormittag aus seinem Gedächtnis wälzte. Etwas Auffälliges fand sich darin aber nicht. Allerdings war Aaron auch ziemlich abgelenkt gewesen... Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
 

Merthin


 

Dass auch Aaron nichts aufgefallen war, dass nach einem Teil der Prophezeiung ausgesehen hatte, bestärkte ihn darin, dass sie noch einmal nachsehen sollten.
 

Es war bereits abends und die Sonne sank langsam tiefer, als sie zu dem kleinen Platz kamen, an den das Gasthaus angrenzte. Dort hatte eine Truppe eines fahrenden Theaters ihre Bühne aufgebaut und würden bald mit einem Schauspiel beginnen. „Lass uns uns schnell umsehen, ein Bier holen und zusehen, was meinst du?“
 

Aaron


 

So gingen sie zurück zur besagten Herberge und fanden auf dem Platz davor eine Bühne vor, auf der ein Schauspiel aufgeführt werden sollte. Scheinbar sollte es bald los gehen, saßen doch bereits viele Leute auf den Bänken, die vor der Bühne aufgereiht worden waren, und warteten gespannt auf den Beginn. Hinter der Bühne war reges Treiben zu hören, die Schausteller machten sich also auch gerade bereit loszulegen. Gerade hatte Aaron gedacht, dass es schön wäre, sich mit Merthin den Auftritt anzuschauen, als dieser genau das vorschlug. Grinsend nickte Aaron also. "Du kannst Gedanken lesen", antwortete er und beeilte sich, zusammen mit Merthin die Herberge nach irgendwas abzusuchen, das irgendwie an alte Schrift erinnerte oder was Magisches an sich hatte, doch war einfach nichts zu finden. Aaron hoffte, dass nicht Marcuse selbst etwas der alten Schrift an sich gehabt hatte, das bei seinem Verschwinden durch ihren Kuss, verloren gegangen war. Auch das kurze Befragen des Wirtes brachte keine neuen Anhaltspunkte. War das vielleicht noch nicht alles gewesen? Oder weil es eine 'Prüfung' gewesen war, gab es kein weiteres Prophezeiungsteil? Aber wo sollten sie dann nach dem nächsten Teil suchen?
 

Draußen vor der Herberge ertönte schließlich eine Stimme, die das kommende Theaterstück ankündigte. Wenn sie jetzt nicht aufhören würden zu suchen, würden sie das Stück verpassen. Aarons Blick fiel auf Merthin und sogleich traf der Prinz eine Entscheidung. Recht unvermittelt griff er sich Merthins Hand und zog ihn ohne Ankündigung mit sich, rüber zur Theke, wo noch der Wirt stand, der ihnen freundlicherweise erlaubt hatte, seine Herberge zu untersuchen. Ein kurzer Wortwechsel später trugen jeweils Aaron und Merthin einen Krug schäumendes Bier, nur um dann fix zur Bühne zu laufen, um auch nichts zu verpassen. "Wir können hinterher weiter suchen", hatte Aaron mit einem Lächeln zu Merthin gesagt, während er mit dem Bier in der Hand zurück zur Bühne lief und den Blonden mit seiner zweiten Hand weiter entführt hatte. Sie hatten sich gemeinsam dagegen entschieden, ihren Weg von der Prophezeiung abhängig zu machen und Aaron wollte sich diese Erfahrung nicht nehmen lassen, nur weil sie die nächste Prophezeiung noch nicht gefunden hatten. Gewiss lief sie nicht weg, wenn sie denn bis jetzt nicht schon weg war, warum also darauf versteifen?
 

Merthin


 

Doch so sehr sie auch gemeinsam suchten, sie fanden nichts, was auf die Prophezeiung hinwies. Ob sie noch mehr missdeutet hatten? Ob es auch Übergriffe von Dämonen gab, die unabhängig von der Prophezeiung war? Schließlich war Marcuse ja bereits etliche Jahre als Dämon in dieser Welt unterwegs gewesen…Vielleicht war das doch unabhängig davon? „Wirklich verwirrend das Ganze“, sagte Merthin schließlich resignierend zu Aaron und strich diesem sacht über die Schulter. Die Schulter war etwas dreckig, weil jener offenbar irgendwo hängen geblieben war. „Diese ganze Geschichte ist irgendwie noch nicht ganz rund. Zumindest nicht so rund, wie beim Sklavenhändler, bei dem sich ja alles genau aufgeklärt hat.“ Einen Moment blickte Merthin nach draußen, wo die Menschen sich bereits für das Schauspiel versammelten. Als er sich wieder dem Prinzen zuwandte, griff dieser nach seiner Hand und zog ihn mit zum Schankwirt. Merthin grinste, als er sah, mit welchem Eifer Aaron seinen Vorschlag umsetzte. Er wirkte ein wenig, wie ein Kind, das das erste Mal alleine einkaufen ging. Es gab vermutlich in Aarons neuem Lebensabschnitt mit ihm viele erste Male… Und sei es nur, sich beim Wirt Bier zu holen. Als sie schließlich saßen, lächelte er zufrieden. Ein wenig, so fand er, passte der Bierkrug gar nicht so recht zu Aaron. Aber das sollten sie dringend ändern. Und der Anfang für die vielen ersten Male und neue Erfahrungen war gemacht. Aaron hatte gerade zum Beispiel bewiesen, dass man seine Prioritäten auch manchmal ändern musste.
 

Aaron


 

Aaron suchte einen Platz recht mittig vor der Bühne, zum Glück gab es da auch noch freie Plätze. Mit geradem Rücken setzte sich der Prinz auf die Sitzbank, stellte das Bier erstmal neben sich ab, faltete die Hände im Schoß und blickte nach einem kurzen Seitenblick zu Merthin nach vorne, wo das Stück bereits begonnen hatte. Aaron konnte nicht leugnen etwas aufgeregt zu sein. Er war noch nie bei einer solchen öffentlichen Veranstaltung gewesen, hatte nie zwischen so vielen fremden Leuten gesessen und gewiss hatte er dabei nie einen besonderen Menschen direkt neben sich und einen Bierkrug in der Hand gehabt. Selten in seinem Leben hatte Aaron überhaupt Bier getrunken, das galt in Adelskreisen als verpöhnt, man bediente sich da feineren alkoholischen Getränken wie Wein, oder wenn, dann 'gehobenen', nach Meinung der Obrigkeit höher wertiges Bier. Aber genau deshalb - und weil Merthin auch eines trank - wollte Aaron gerade nichts anderes als schönes, niederes, volkstümliches Bier.

Das Stück hatte viele lustige Momente, zumindest schien der Großteil des Publikums diese Scherze zu verstehen, denn viele lachten, andere wurden auch etwas ungehobelter dabei, indem sie ihre Nachbarn kumpelhaft gegen die Schulter stießen, sich heftig mit ihren Bierkrügen zu prosteten, dabei die Hälfte verschütteten oder mit Zurufen aufsprangen. Mit Verwunderung verfolgte Aaron das Verhalten, lief das bei Veranstaltungen des Adels doch immer anders ab, aber manche Momente brachten auch ihn zum Schmunzeln und leisen, verhaltenen Lachen. Doch als schließlich ein neues Stück begann, erkannten sie mit einem Mal Parallelen zu ihrer Geschichte. Ein Paar reiste durch die Welt, erlebte Abenteuer, Leid und auch manche romantische Momente, in denen Aaron meist beschämt den Kopf wegdrehte und dennoch versucht war hinzuschauen, dabei retteten sie eine Bauernfamilie vor dem Tod, zerschlugen einen Sklavenhändlerring und befreiten eine Stadt aus der Trostlosigkeit. Aaron rückte ein Stück näher an Merthin heran, fasste unauffällig nach dessen Hand, um sie sachte gedrückt in seiner zu behalten. Die Geschichte erinnerte ihn einfach sehr an ihre eigene bisherige Reise.

Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch wieder zum Stück gezogen, als das dargestellte Paar auf der Bühne nach der erhellten Stadt in einer Herberge zusammen saß und einer der Schausteller auf seinem verzierten Krug aus alter Zeit Schriften fand, die ins Holz geritzt worden waren. Der Schausteller beschrieb es als 'Aufflammen der Zeichen', als er sie mit dem Finger berührte und ein kleiner Feuereffekt, der daraufhin auf der Bühne pyrotechnisch 'gezaubert' wurde, sollte das sicherlich darstellen. Der Mann las die Schrift vor, allerdings war es nicht ihre bekannte Sprache, sondern Ahnensprache, wie Aaron direkt feststellte. Der Spieler auf der Bühne sprach sie falsch und laienhaft, weswegen Aaron sich konzentrieren musste, um zu verstehen. "Bestandene Prüfung verbindet... Gleichgewicht gilt es zu wahren. Im Wald Frauen nach Kräutern suchen, Kinder geschützt werden müssen vor den Verfluchten", murmelte Aaron eine Übersetzung dessen, was er hatte verstehen können. Manches hatte Aaron durch die lauten Zuschauer auch nicht hören können, weshalb ein paar Worte fehlten. Dennoch klang es verdammt nach ihrem gesuchten Text. Sowas konnten sich die Schausteller doch nicht ausgedacht haben? Auch wenn sie recht spontan waren und gut improvisieren konnten, wenn sie die Schrift des Kruges so kurzfristig in ihr Stück einbauen konnten, den sie erst heute in der Herberge hinter der Bühne gefunden haben mussten.

Aaron blickte nun Merthin direkt an. War das vielleicht ihr gesuchter Gegenstand? Wenn die Schausteller ihn hatten, konnten sie ja lange danach suchen. "Wir sollten mit den Schaustellern sprechen und fragen, ob wir den Krug sehen dürfen."
 

Merthin


 

Bald fing das Schauspiel an und wie so oft wurden Geschichten für das Volk aufgeführt. Tief in sich hoffte Merthin, dass die Königsfamilie nicht zu sehr durch den Kakao gezogen wurde. Es kam schließlich auch mal vor, dass die Anspielungen zum Königshaus nicht zu übersehen waren. Diesmal aber standen andere Geschichten im Vordergrund. Und hatte Merthin anfangs noch gelacht, wurde er bei der zweiten Geschichte immer ernster. Waren das sie? Wie konnte es sein? Mertin beugte sich zu Aaron und flüsterte ihm ein: „Soll das unsere Geschichte sein??“ ins Ohr. Sie sahen sich einen Moment fragend an. „Du siehst eindeutig besser aus, als der…“, sagte er leise erneut zu Aaron gebeugt. Und wie zufällig strich er mit seiner Nasenspitze über die Ohrmuschel. Dann blickte er Aaron grinsend an und zwinkerte ihm zu.

Es dauerte nicht lang, dass Aaron näher zu ihm rutschte. Und Merthin genoss es, ohne aktiv ihre Berührung weiter voranzutreiben. Er musste sich ein wenig schützen. Und vielleicht auch Aaron ein wenig zu provozieren, selbst aktiv zu werden. Als jener seine Hand ergriff, fühlte er sich bestätigt. Und so folgte er weiter dem Geschehen auf der Bühne. Doch je mehr sie von der Geschichte sahen, desto gruseliger wurde es auch. Die Frage, wie es sein konnte, dass diese Geschichte, IHRE Geschichte, bereits jetzt schon die Bühnen füllte, war beängstigend. Sie hatten doch niemand über sich Auskunft erteilt. Die wenigsten wussten von ihnen. Ihre „Taten“ waren viel zu unbedeutend bisher gewesen, waren von kaum jemanden wahrgenommen worden.

Woher hatten die Schauspieler also das Wissen, welchen Weg sie gegangen waren. Misstrauisch blickte er sich um, konnte aber nicht erkennen, dass von irgendwem hier eine Gefahr ausging. Oder war das hier auch fremdbestimmt? War das hier mehr, als ‚nur‘ ein Theaterstück? Sie würden es sehen, wenn sie an die Stelle kamen, an der sie gerade selbst standen. Schließlich konnte es ja auch sein, dass sie dann in ihre Zukunft blickten?

Und nun sahen sie, dass die Schausteller einen Krug mit entsprechenden Schriftzeichen in ihrem Stück eingebaut hatten. Ob das des Rätsels Lösung war? Ob das echt war und nicht einfach eine Requisite? Sie sollten zusehen, dass sie nach der Show hinter der Bühne den Krug einmal selbst in Augenschein nehmen konnten. Merthin blickte erstaunt zu Aaron, als dieser begann die gemurmelten Worte des Schauspielers zu übersetzen. Es klang wie ein neuer Hinweis für sie und machte genau zu ihrer Situation passend Sinn. Noch bevor er etwas sagen konnte, sprach Aaron bereits seinen Gedanken aus. „Das werden wir…“

Das Stück endete damit, dass eine Hexe verbrannt wurde und fiel damit in das Volkstümliche zurück, das zu erwarten war. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass die Zukunft einfach noch zu ungewiss war und noch nicht geschrieben worden ist. Die Menschen zerstreuten sich, füllten die angrenzenden Tavernen. Kinder begannen nachzuspielen, was sie gesehen hatten. „Ich bin der blaue Krieger!“, rief eines und gemeinsam mit einem anderen Kind kämpften sie gegen einen imaginären Feind. Merthin schmunzelte. Sie waren aufgestanden, wobei er Aarons Hand losgelassen hatte. So gingen sie zu dem Wagen der Schauspieler, um zu sehen, ob sie den Krug zumindest ansehen dürften. Die Schausteller waren eine muntere Truppe, ein eingespieltes Team. Merthin konnte sich nicht erinnern, ihnen schon einmal begegnet zu sein, was ihn fast wunderte. Schließlich kannte sich das fahrende Volk meist untereinander. Merthin griff nach zwei Äpfeln und begann damit zu jonglieren. „Oh, ein Bruder!“, sagte eine Frau, die vorhin die Hexe gespielt hatte, und grinste ihn an. Dann schnappte sie ihm einen Apfel weg. „Was wollt ihr?“ Sie blickte prüfend zu Aaron, dann wieder zu Merthin. „Wir wollten uns den Krug ansehen, von dem ihr eben vorgelesen habt…“, sagte Merthin und sie hob erstaunt die Augenbrauen. „Zeig ihn ihnen“, meldete sich nun ein Mann, den Merthin gar nicht bemerkt hatte. Er war alt und saß auf einem Lehnsessel, starrte vor sich hin und blickte in eine unbestimmte Ferne, sich auf einen Gehstock stützend. „Gib ihn ihnen… Er steht ihnen zu, damit wir noch viele so freie Tage erleben…“

Als sie wenig später den Krug in Händen hielten, setzten sie sich etwas Abseits an einen Brunnen. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und die Nacht hielt Einzug. Fackeln und Feuerschalen erhellten den Platz. Musikanten spielten auf und es herrschte eine angenehme Stimmung um sie. „Kannst du es lesen?“, fragte er und rutschte etwas näher, so dass sie sich berührten. Einen Moment beugte er sich hinüber, lehnte sich an Aaron. „Ich kenne die Zeichen glaube ich nicht…“, murmelte er und drehte den Kopf. Einen Moment sahen sie sich an, waren sich sehr nahe. Merthin hob sacht die Hand, strich Aaron über die Wange. „Du scheinst glücklich zu sein…“, murmelte er leise und ließ die Hand wieder sinken. „Es tut mir wirklich leid, dass ich dir die letzten Tage so einen Kummer gemacht habe.“ Er lächelte matt. „Morgen machen wir uns auf den Weg zu dieser ‚Hexe‘ und sehen mal, ob wir weiterkommen…“ Er zog seine Hand zurück und drehte sich weg, streckte sich und blickte sich auf dem Platz um. „Wir sollten nicht zu spät schlafen gehen. Wir müssen morgen früh sehr bald raus.“
 

Aaron


 

Wieder bekam Aaron ein Kompliment von Merthin, als dieser sagte, er sähe besser aus als der Schausteller, der augenscheinlich seine Rolle darstellte. Das Aussprechen dieser Worte kitzelte angenehm Aarons Ohr, genauso die leichte Berührung mit der Nasenspitze. Kurz hatte Aaron die Augen geschlossen, um das auf sich wirken zu lassen. Obwohl es ihn verlegen machte, ein solch angenehmes Kompliment von Merthin zu erhalten, wollte er sich das nicht anmerken lassen. "Das hoffe ich doch", gab er leise zurück.

Merthin lies fast sofort nach dem aufstehen Aarons Hand los und fast kam es dem Prinzen so vor, als mache er das mit Absicht. Man konnte nicht sagen, dass Merthin ihn zurückwies oder so, immerhin gab es Berührungen und er war nett und zuvorkommend wie immer, aber... vielleicht bildete sich Aaron das auch nur ein.

Dass Kinder ihre Geschichte nachspielten war gut, so erfuhren auch andere Erwachsene von der Legende, von der Prophezeiung, ohne dass sie es in Zusammenhang bringen würden. Die Geschichte eines prophezeiten Kriegerpaares, das die Welt vor Übel bewahren wird, war wesentlich unglaubwürdiger als Abenteurer, die einfach Menschen wie die Städter hier in Dorstaal zur Seite standen. Hoffentlich würden auf dieser Basis mehr Leute an sie glauben, ohne die Prophezeiung im Hinterkopf zu haben. Ein bisschen verlegen lächelte Aaron dennoch, als sie an den spielenden Kindern vorbei gingen und der Prinz weiter dem Blonden hinter die Bühne folgte, wo die Schausteller auf ihre gelungene Vorstellung anstießen. Sie sahen nett und fröhlich aus und schienen gleich Vertrauen zu fassen, als Merthin ihnen auf einfache Weise deutete, das er aus dem gleichen Metier stammte wie sie. Der ältere Mann schien jedoch mehr zu wissen, sagte er doch sowas Komisches und sein abwesender Blick wirkte auch seltsam. Aaron hatte sich vorhin gefragt, woher der Schausteller die Zeichen hatte lesen können, immerhin hatte er es nicht richtig sprechen können, es war also eher unwahrscheinlich, dass er sie dann wirklich lesen konnte. War das auch durch die Hilfe dieses älteren Herren bedingt? Aaron hätte gern was zu ihm gesagt, doch wandte sich der ältere Mann bereits wieder von ihnen ab. War er wissend, ähnlich wie Marie? Das würde vieles erklären, aber Aaron wollte auch nicht so unhöflich sein und die Leute mit seinen wieder mal endlos vielen Fragen löchern.

Schnell waren sie wieder unter sich und Aaron hielt den Krug in Händen. Er begutachtete die Schriftzeichen und las das, was er eben schon gehört hatte, auch wenn die fehlenden Worte zu einem zusammenhängenden Satz tatsächlich nicht drauf standen. Merkwürdig war das alle Mal. Kein Wort deutete auf Marcuse hin, nichts beschrieb die Gefahr durch einen Feuerdämonen. Keine Worte priesen ihren Sieg über das dämonische Wesen, als ob es gar nicht vorgesehen gewesen wäre. Ratlos blickte Aaron zu Merthin, welcher so nahe bei ihm saß, wie dem Prinzen erst in diesem Moment auffiel. Er schluckte etwas schwerer, freute sich aber über diese Nähe.

Mit sanften Blick schaute Aaron Merthin an, als ihn dieser an der Wange berührte. "Ich bin ja auch glücklich", antwortete Aaron sogleich mit einem Lächeln. "Bist du denn auch glücklich?", wollte der Prinz auch gern von Merthin wissen. Man schien es Aaron anzusehen, dass er froh über den Verlauf ihrer Beziehung und auch über den ihrer Reise war, Merthin hingegen wirkte noch etwas bedrückt, da er sich noch Vorwürfe machte, Aaron auf diese Art und Weise abgewiesen zu haben. "Dafür machst du mir jetzt doppelt so viel Freude", grinste Aaron zurück. Es war ernst gemeint, dass er jetzt mehr Glück von Merthin bekam als zuvor Kummer, aber abzustreiten, dass es weh getan hatte, konnte Aaron natürlich auch nicht, wollte er auch nicht. Es gehörte jetzt zu ihrer Vergangenheit und sie hatten auch etwas daraus gelernt.

Sie hatten, was sie gesucht hatten, auf ungewöhnlichen wegen, aber sie hatten alles. Die schöne Stimmung auf dem Platz genießend blieben sie noch eine Weile sitzen und kehrten erst später in ihre Herberge zurück.

Dornröschen

Merthin


 

Merthin bestand darauf, auf dem Sofa zu schlafen. Er war sich ziemlich sicher, dass er kein Auge zubekommen hätte, wenn er neben Aaron hätte liegen müssen, der sich womöglich noch an ihn gekuschelt hätte... Nicht nachdem er hatte kosten dürfen, wie süß diese Lippen schmeckten, wie weich sich seine Haut anfühlte, wie erregend es sich anhörte, wenn ein Keuchen, ein Stöhnen über seine Lippen glitt, wie gut sich sein Schoss in den seinigen einfügte...

Auch auf dem Sofa kehrten die Bilder zurück und ließen seine Nacht nicht so ruhig verlaufen, wie sie hätte sein können.

Gerädert stand er in der Frühe auf, wisch sich und weckte dann Aaron. "Wir müssen los, Dornröschen!", stichelte er, weil Aaron sich zunächst nicht rührte.
 

Aaron


 

Es verwunderte Aaron schon, das Merthin sich dagegen sperrte, mit Aaron zusammen auf dem Bett zu schlafen. Es wäre groß genug für sie beide und natürlich hatte sich Aaron erhofft mit Merthin kuscheln zu können. Aaron mochte es doch so gern warm und Merthins Körper als Wärmequelle nahe bei sich liegen zu haben, stellte er sich verdammt angenehm vor. Aber der Prinz versuchte auch nicht den Blonden zu zwingen, auch wenn er anfänglich durchaus noch Versuche gestartet hatte, Merthin umzustimmen. War das eine Art Ausgleich dafür, das Aaron ihr 'Rummachen' abgebrochen hatte? Bei dem Gedanken beschämte sich Aaron selbst, weshalb er wohl in diesem Moment seine Versuche, Merthin überreden zu wollen, einstellte.

Aaron saß noch auf dem Bett, hatte eine Kerze auf dem kleinen Nachttisch brennen und begutachtete den Krug erneut, den sie vorhin von den Schaustellern erhalten hatten. Nebenbei hatte der Prinz sein Büchlein liegen, in dem er wieder fleißig zu schreiben begann. Wenn er schon nicht richtig schlafen konnte, so konnte er zumindest etwas Sinnvolles tun und die Schriftzeichen mit Übersetzung ihren Notizen hinzufügen. Daraus wollten sie später immerhin ein Gesamtbild formen, da durften auch diese Zeichen nicht fehlen. Es blieb abzuwarten, ob die Zeichen vom Krug tatsächlich zur Prophezeiung gehörten. Aber der blinde, ältere Mann unter den Schaustellern hatte den Eindruck gemacht, als ob das in irgendeiner Weise mit ihnen zusammenhing.
 

Da Aaron einige Zeit mit dem Text gearbeitet hatte, schlief er erst recht spät ein und war am nächsten Morgen dementsprechend noch sehr müde. Das Merthin bereits erwacht war und sich schon fertig machte, bekam Aaron daher gar nicht mit. Auch den ersten Weckversuch des Blonden verschlief der Prinz, erst die Stichelei nahm er bewusst wahr, als er langsam aus dem Schlaf in die Realität zurückkehrte. Ein amüsiertes Grinsen schlich sich im ersten Moment auf seine Lippen. Das Märchen von Dornröschen hatte er als Kind von seiner Mutter öfters erzählt bekommen, aber hätte Merthin ihn in dem Fall nicht mit einem Kuss wecken müssen? Aaron erwischte sich bei dem Gedanken nach Merthins Hemdkragen greifen und ihn zu sich hinabziehen zu wollen, nur um sich diesen verdienten Guten Morgen Kuss nachträglich selbst abzuholen. Doch irgendwas hielt seine Hand von diesem Vorhaben zurück und er drückte stattdessen seine Lippen aufeinander. Seit dem Sofaerlebnis merkte Aaron genau, dass er mehr Bedürfnis danach hatte, Merthin zu berühren und zu küssen und auch... selbst berührt zu werden, dass es ihm zu wenig wurde, nur Händchen zu halten. Wo kam das nur her? Es wurde schlimmer dadurch, das Merthin ihn zwar immer mal wieder leicht berührte, aber eben nie... genug. Diese Nacht alleine hatte dies dem Prinzen ebenfalls verdeutlich. Denn Aaron hatte doch mehrfach den Impuls verspürt, sich einfach zu Merthin aufs Sofa zu kuscheln, wenn dieser schon nicht zu ihm ins Bett kommen wollte. Nur war die Liegefläche einfach zu klein für zwei Personen, was der einzige Grund war, warum Aaron auf seinem Bett geblieben war. Die Beschäftigung mit der alten Sprache hatte seine Gedanken immerhin etwas davon abgelenkt.

"Sagt derjenige mit den schönen blonden Haaren", murmelte Aaron noch halb im Schlaf, ansonsten wären ihm diese Worte peinlich gewesen. Aber es war nur wahr, war doch auch Dornröschen in der Erzählung seiner Mutter blond und schön gewesen, wie Merthin auch. Langsam stand nun auch Aaron auf, machte sich in dem Badezimmer fertig, was ihn erst richtig wach werden ließ, und stand schließlich erfrischt und angezogen bereit, um ihre Reise fortzusetzen.
 

Merthin


 

Zufrieden stellte Merthin fest, dass sein Vorhaben zu fruchten schien. Sicher, es fiel ihm nicht leicht, immer wieder auf Abstand zu gehen. Aber letztlich war es auch Selbstschutz, dass er Aaron nicht zu viel Nähe schenkte. Denn noch einmal in eine Situation zu kommen, in der er anschließend kalt würde duschen müssen, um wieder Herr über seine Sinne zu werden, wollte er so bald nicht. Er wollte auch nicht auf Biegen und Brechen versuchen, Aaron rumzukriegen. Das empfand er als völlig falsch. Es musste von jenem ausgehen. Gerade beim ersten Mal (und dann noch mit einem Mann…) sollte man das aus völlig freien Stücken tun.

Dennoch wollte er Aaron nahe sein, ihm zeigen, dass nichts zwischen ihnen stand. Aber eben nur so weit, dass es für ihn selbst gut war. Und als Aaron ihm erklärte, dass er glücklich war, dass er – Merthin – ihm Freude mache, freute er sich. Das war die Basis dafür, dass sie sich näher und näher kommen würden. Und bis dahin würde er sich gedulden. „Glück“, so hatte er Aaron ins Ohr geflüstert, als er sich nach ihm und seinen Gefühlen erkundigt hatte und bevor er sich ihrer Nähe wieder etwas entzogen hatte. „Glück ist das falsche Wort dafür, was ich empfinde… Es ist eher ein Gefühl von Ganzheit… Es fühlt sich an, als sei ich erst jetzt ganz Ich. Und dass mich das auch glücklich macht, daran besteht kein Zweifel.“ Und damit log er nicht, oder übertrieb. Er hatte den Dämon seiner Vergangenheit besiegen können – zusammen mit Aaron. Er hatte den Alptraum hinter sich gelassen, den die Nähe zu einer anderen Person in ihm vor Jahren heraufbeschworen hatte. Er war gestärkt daraus hervorgegangen und die Blockade, die sich damals gegen jede Art von intimer Bindung in ihm aufgebaut hatte, war wie weggeblasen. Er fühlte sich freier denn je – obwohl er gebunden war. Und er sah ihre Beziehung als etwas mit Bestand an. Er wollte Aaron an seiner Seite wissen. Und so unfassbar das alles war, was mit ihnen geschah, so schön fühlte es sich auch an. Lieber nicht zu genau darüber nachdenken…

Dass sie in getrennten Betten schliefen, war ebenfalls mehr als nur Selbstschutz. Allein der Gedanke an den Körper des anderen, der sich womöglich des Nachts an den seinigen anschmiegen würde, bewirkte in ihm ein Kribbeln, eine Erregung, die er lieber nicht entfesseln wollte. Er wusste, dass er definitiv friedlicher schlief, wenn er am Sofa für sich alleine schlief… Schon seltsam, wie anders er sich hierbei verhielt. Sonst zog er los, um sich die Befriedigung zu nehmen, die er brauchte. Aber hier ging es um etwas Kostbares, ein weiterer gemeinsamer Schritt, auf den zu warten sich lohnte.
 

Merthin lachte leicht, als Aaron ihn auf seine langen Haare ansprach. „Nun, vielleicht hast du recht“, überlegte er mit einem Grinsen in der Stimme. „Seit ich dich kenne, mein Prinz, sind meine Nächte wesentlich schlafloser geworden… Allerdings war unsere erste Begegnung weniger das, was ich als romantisch bezeichnen würde…“ Mit einem Schmunzeln auf den Lippen packte er zusammen, während Aaron im Bad war. Und im Gegensatz zum vergangenen Morgen, sah er wieder das Ziel, das er verloren gehabt hatte: ihren gemeinsame Weg, den sie gehen mussten. Vereinigung – das war das wichtige. Und offenbar war in diesem Hinblick mehr vorgesehen gewesen, als nur einander als Verbündete gefunden zu haben. Es war wichtig, dass sie sich auch emotional aufeinander einließen – nur dadurch wird es ihnen möglich sein, alles zu geben, was nötig sein würde. Auch wenn die Risiken dadurch andere waren… Sich emotional an jemanden zu binden ließ einen sicher auch in manchen Dingen unüberlegter werden. Setzte sich sein Zeichen für Liebe, das scheinbar nicht mehr von seiner Haut weichen wollte, nicht aus den Worten für Gefühl und Verstand und wertvoll zusammen? Nun, dann war es doch klar, oder?

Zudem vertraute Merthin darauf, dass auch in diesem Punkt die Prophezeiung ihnen zur Seite stand. Nur wenn sie einander mehr bedeuteten, würden sie das, wozu sie da waren, schaffen können. Und diese Erkenntnis machte ihn zufriedener, glücklicher, vollkommener…
 

Aaron


 

Die Antwort von Merthin ließ Aaron erröten, da es ein wunderschönes Kompliment war zu hören, dass man jemanden komplettierte. Einfach, weil man existierte und zu der Person stand. Bedingungslos. Und genau das wollte Aaron auch. Dieser Gedanke stärkte Aaron und sein Band zu Merthin weiter.

Merthin hatte durchaus Recht, sonderlich romantisch war ihre erste Begegnung nicht unbedingt gewesen. Aber mit den jetzigen Gefühlen von Aaron für Merthin betrachtet, empfand der Prinz jedoch schon das Potenzial für Romantik, immerhin hatte Merthin ihn damals sehr eindrucksvoll gerettet. Schon der erste Blick in Merthins Augen hatte Aaron fasziniert, da er so viel Stärke im Blick gehabt hatte. Das hatte sich bis jetzt kein bisschen geändert, nur lag jetzt auch etwas Liebevolles im Blick von Merthin, wenn dieser ihn ansah. Und einmal gar ein ganz spezieller Ausdruck, wie Aaron noch nie zuvor angesehen worden war und was ihm prickelnde Schauer über den Rücken jagte.

Es war noch immer ungewohnt, Merthin ihn 'mein Prinz' nennen zu hören, doch steckte da in mehrerer Hinsicht Wahrheit drin, als wenn das andere zu ihm sagten. Es war schön, machte aber auch gleichzeitig ein bisschen Angst, da Aaron befürchtete, Merthin irgendwie zu verlieren, wenn ihre Aufgabe erfüllt war und er selbst kein Prinz mehr wäre, sondern König. Aber das schob Aaron noch beiseite, das schien alles noch so weit entfernt.

"Wie hättest du eine erste Begegnung denn romantisch gefunden?", interessierte Aaron. Es war nie verkehrt zu erfahren, welche Vorstellung von 'romantisch' sein Gegenüber hatte, dem man eben solche romantischen Gefühle entgegen brachte. Außerdem war Aaron immer froh, mehr über Merthin in Erfahrung zu bringen und ihn somit stetig immer besser kennen zu lernen. Auf diese Weise war es für Aaron auch immer leichter den Umstand für sich selbst unwichtig werden zu lassen, dass er sich in nur wenigen Tagen ausgerechnet von einem Mann, einem künstlerischen Freigeist, das Herz hat stehlen lassen. Aber Aaron wollte hier nicht denselben Fehler wie bei seiner Magie begehen. Diese hatte er aus Angst vor Konsequenzen und weil es ja verboten war, in sich verschlossen. Nur, weil es ihm eigentlich ebenso verboten war Merthin zu lieben und das auch noch auszuleben, würde er sich nicht davon abschrecken lassen wollen. Wenn seine Familie nur verstehen könnte, wie unsagbar richtig sich dieses Gefühl anfühlte...
 

Merthin


 

„Wie ich unsere erste Begegnung als romantisch erachtet hätte?“, fragte Merthin gegen und musste dann leise lachen. „Ein kleiner Romantiker, was?“ Er grinste den anderen an. „Um ehrlich zu sein, habe ich mir über solche Dinge nie Gedanken gemacht“, fuhr er dann nachdenklich fort. „Ich hatte noch kein Bedürfnis nach Romantik. Ich glaube aber, Romantik ist nichts, das man planen kann. Es passiert einfach. Aber einen Überfall, bei dem einige Menschen einfach abgeschlachtet werden, ist sicher nicht sehr romantisch.“ Er lächelte den anderen an. „Vielleicht lässt sich eine romantische Begegnung ja einmal nachholen…“
 

Aaron


 

Vielleicht ließe sich das wirklich... Nur dann wirklich ohne Barbaren, ohne Waffen und ohne Blut. Denn natürlich war das so gar nicht romantisch, Aaron konnte sich da schönere Situationen vorstellen. Aber es war nicht so, dass er eine romantische Situation forcieren wollte, aber er hätte absolut nichts dagegen, ein bisschen in Romantik zu schwelgen, wo er doch jetzt erfahren hatte, wie schön das im Bauch kribbelte. Ein bisschen war es wohl auch Trotz gegenüber seinem Vater. Der würde das niemals gut heißen und Aaron hatte nicht mehr vor, ihm alles Recht zu machen. So gab es ihm einen erneuten Schub positiver Energie genau das zu tun, was er selbst wollte und was dem König gegen den Strich ging. Das funktionierte jedenfalls solange, wie Aaron nicht in direkter Nähe seines Vaters war. Könnte er das auch noch, wenn er Corvo in die Augen blicken würde? Es war eben doch nicht so einfach wie gedacht.

Delvin

Merthin
 

Wenig später führten sie die Pferde aus dem Stall, führten sie durch die Stadt. Die Straßen waren leer. Bäcker gingen bereits ihrem Tagwerk nach, vereinzelt sah man Bauern in den Ställen. Die Luft war kühl, leichter Nebel war vom Fluss aufgestiegen. Als sie am Soldatenfriedhof ankamen, war noch niemand da. Schweigend warteten sie, noch war Zeit und nichts deutete darauf hin, dass es hier gefährlich wäre.

Schließlich hörten sie ein Fuhrwerk kommen und Merthin erkannte den Wagen, auf dem ein kleiner rundlicher Mann saß, der ein Liedchen pfiff. Als er sie erblickte, hob er die Hand zum Gruß.
 

Aaron
 

Die Sonne ging gerade erst auf, als sie schließlich die Pferde holten und zum Treffpunkt mit dem Händler gingen. Eng hatte sich Aaron seinen Umhang um die Schultern gezogen, war es doch recht frisch. In der Ferne sah der Prinz den Schaustellertrupp vom gestrigen Abend, welche bereits ihre Sachen zusammen gepackt hatten und weiterzogen. Es erschien Aaron seltsam, das die Truppe anscheinend nur für diesen Auftritt in Dorstaal gewesen waren, oder hatten sie die Gruppe am Tage ihres Eintreffens in der Stadt einfach nur nicht gesehen und die Schausteller waren eigentlich schon länger hier? Aber es gab gerade anderes, worauf es sich zu konzentrieren galt, nämlich den Händler nicht zu verpassen, dem sie noch den Brief geben sollten.

Kaum waren sie am Treffpunkt angelangt, der einen Friedhof mit Soldatengräbern darstellte, bog der entsprechende Händler bereits um die Ecke. Ganz wohl fühlte sich Aaron mit dieser Umgebung nicht, aber es half ja nichts. Auch Aaron hob höflich die Hand zum Gruß, als er die Geste bei dem Mann sah, welcher sich mit seinem Wagen näherte. Als er bei ihnen ankam, sprang er sehr schwungvoll und auffallend beweglich herunter und trat auf sie zu. Dabei strich er sich eine lange, intensiv rote Haarsträhne aus dem Gesicht hinters Ohr, während er grinste. "Du musst Falks Sohn Merthin sein", sprach er den Blonden an und blickte dann zu Aaron rüber. "Und das unser verschollener Prinz Aaron", sprach er etwas leiser, grinste dabei aber noch immer breit. Er schien ein Mann von stetig guter Laune zu sein, wies sein rundes, schon etwas älteres Gesicht doch einige Fältchen an Augen und Mund auf, die durch das viele Lachen entstanden. Doch Aarons Aufmerksamkeit ruhte erstmal auf den Umstand, das auch dieser Mann von seiner Identität wusste. Eigentlich war das jedoch nicht verwunderlich, war er doch einer der besten Informanten für das versteckte Netzwerk der Freiheitsbewegung, der unter anderem auch viele Händler und Schausteller angehörten. "Ihr habt doch sicherlich etwas für mich, richtig?", sprach der Mann dann weiter und blickte abwechselnd Aaron und Merthin an.

Während Merthin den Brief hervor holte, den Falk ihm für den Händler mitgegeben hatte, schaute Aaron auf einen der etwas kargeren Bäume in der Nähe. Auf einem seiner Äste saß ein kleiner, gerade mal handflächen großer Vogel, der zu ihnen herüberschaute. Sein Gefieder war leuchtend rot und als er losflog, wirkten seine Flügelschläge wie lodernde Flämmchen. Doch der Vogel flog nicht davon, sondern auf die drei Personen zu. Aaron zog etwas reflexartig den Kopf ein, doch der kleine Frechsachs landete auf Merthins Schulter, wo er einfach hocken blieb und seinem Menschenfreund dabei zusah, wie er gerade den Brief von Falk las, den Merthin ihm eben ausgehändigt hatte. Man sagte dieser fast ausgestorbenen Vogelart eine Affinität für Feuer nach, scheinbar war ein Fünkchen Wahrheit dran, so, wie er Merthins Nähe gesucht hatte.

"Verstehe", sprach der Händler schließlich und steckte den Brief zurück in den Umschlag, nur um ihn dann unter seiner Kleidung zu verstauen. "Weiter südlich von hier, nahe dem Regensee, gibt es ein Bauerndörfchen, sehr nettes Örtchen mit der besten Taverne des Landes, Tal heißt es", begann der Mann etwas ausschweifend zu erzählen. "Seit einigen Jahren schon soll im Waldstück eine Hexe hausen, die die Dörfler mit ihren Kräutermixturen und Zauberei verwirren soll. Nichts Ernstes... doch jetzt verschwinden Kinder aus dem Dorf, viele Kinder. Keiner wagt es, im Wald zu suchen, da dort die Hexe lebt und jeden verflucht, der ihr zu Nahe kommt. Nachts hören die Menschen seltsame Geräusche aus den Wäldern, sehen Schatten umher huschen und Kinderweinen soll vom Wind übers Land getragen werden", beschrieb er weiter und Aaron schüttelte es. Das klang gruselig und die Tatsache, das sie hier auf einem Friedhof standen und es kalt um sie herum war, verbesserte die Situation nicht gerade. Der Händler schien sich aber auch extra Mühe zu geben die Geschichte gruselig klingen zu lassen, grinste er doch als er sah, dass es Wirkung zu zeigen schien. Der Mann trat auf Merthin und Aaron zu. "Werdet ihr euch der Sache annehmen, Merthin, Hoheit?", fragte er fast ein bisschen theatralisch, woraufhin sein kleiner Vogel leise zu tschirpen begann.

"Wenn wir helfen können, werden wir das tun", antwortete Aaron und schaute dann direkt Merthin an, um sich von ihm die Bestätigung zu holen, dass er auch einverstanden war, dass sie sich die Sache mal ansehen sollten. Zwar war Aaron nicht wohl bei dem Gedanken an eine eventuelle Waldhexe, aber den Kindern musste geholfen werden, das stand einfach fest. Daher war sich Aaron eigentlich auch sicher, das Merthin da ähnlicher Ansicht sein dürfte.
 

Merthin
 

Merthin konnte sich an den Mann erinnern, an den Wagen und auch an den Vogel. Aber die Erinnerung schien sehr weit her zu sein. Und doch war sie fest und sicher. Er hatte Bilder im Kopf, wie Marie lange mit ihm geredet hatte. Oder war da noch mehr gewesen? Auf dem Bild, das in ihm hochkam, hielt seine Großmutter die Hand des kleinen Mannes. Sie gingen gemeinsam weg, während er mit dem Vogel spielte… Doch er hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn Delvin trat auf sie zu und ließ unmissverständlich klar werden, dass er Aaron kannte. Etwas irritiert runzelte Merthin die Stirn, sagte aber zunächst nichts. „Delvin“, begrüßte er nun seinerseits den Händler. „Mein Vater gab mir den Brief für euch“, erklärte er und überreichte den Brief, als Delvin danach fragte. Kurz wog der kleine Mann den Brief in seiner Hand, schien zu überlegen, ob er ihn gleich öffnen solle, entschied sich dann dafür und öffnete den Brief. Merthin kam nicht dazu, noch etwas zu sagen, als mit einem Mal etwas auf seiner Schulter landete und er etwas erschrocken den Vogel betrachtete, der dort nun saß. Die Berührung ließ seine Male erscheinen, ließ sie aufleuchten. Kurz musste er lächeln, betrachtete das so leuchtende Gefieder und bemerkte seine wachen, schier intelligenten Augen. Er hatte noch nie einen ähnlichen Vogel wie diesen gesehen. „Na, kleiner Feuervogel“, wisperte er leise, kaum hörbar und hob die Hand, an die sich der Vogel sogleich zu schmiegen schien, als er ihn streichelte. Das Gefühl von Magie, das ihn durchströmte, fühlte sich gut an.

Als Delvin zu reden begann, lenkte das jedoch Merthins Aufmerksamkeit wieder auf den Händler. Sie mussten also nach Tal zum Regensee, um ihre nächste Aufgabe zu bewältigen? Oder würde diese Hexen-Geschichte nichts mit ihrer eigentlichen Prophezeiung zu tun haben? Die Beschreibung, die Delvin ihnen gab, ließ ihn schaudern. Wenn Kinder im Spiel waren, war das nichts Gutes… Kinder waren zu beschützen, und jeder, der ihnen schadete, ihre vermeintliche Schwäche ausnutzte, war aufs strengste zu verurteilen! Als Aaron versprach, dass sie sich die Sache ansehen würden, nickte auch Merthin und er sah Aaron an. Als sich ihre Blicke trafen, musste er unwillkürlich schmunzeln, denn in den Augen des anderen stand genau das, was er eben gedacht hatte: Kindern mussten geholfen werden! „Dann lass uns keine Zeit verlieren“, sagte Merthin. „Der Regensee ist gut in einem Tag zu erreichen. Wir können uns heute Nacht schon ein eigenes Bild von der Situation machen…“ Er drehte sich wieder zu Delvin, während Aaron zu seinem Pferd ging, um aufzusitzen. Merthin beugte etwas die Schulter und fast ein wenig widerwillig tribbelte der Vogel von seiner Schulter auf Delvins ausgestreckte Hand. „Sagt, Delvin“, sagte Merthin nun etwas leiser, in der Hoffnung, Aaron würde nichts hören. „Du hast Aaron vorhin den verschollenen Prinzen genannt. Weißt du, wie der König reagiert hat? Was weiß die Öffentlichkeit? Wo müssen wir uns in Acht nehmen?“ Delvin blickte ihn mit ernsten Augen an und schien seine Antwort abzuwägen. „Der König formiert sich. Niemand weiß offiziell, was los ist. Aber der König ist sehr leicht reizbar. Er lässt ihn suchen – rigoros und unerbittlich. Aus Kara kommen die ersten Gerüchte, dass die Hochzeit der beiden aufgehoben wurde. Hier verhärten sich gerade die Fronten. Ich vermute Corvo wird Kara auch militärisch einnehmen, wenn es sein muss. Ihr solltet vermeiden, von wem auch immer erwischt zu werden. Ich fürchte, du bist gerade sein größter Feind.“ Delvin klopfte ihm väterlich auf die Schulter und lächelte ihn an. „Aber seid euch immer gewiss, dass ihr nie alleine seid!“ Merthin nickte und lächelte matt. „Pass auf ihn auf und traue niemandem außer euch und eurer Verbindung!“

Regendorf

Merthin
 

Merthin führte sie fernab der Wege sicher durch den Wald in Richtung Süden. Die letzten Informationen, die er erhalten hatte, hatten einen herben Beigeschmack. Sie würden wirklich aufpassen müssen, wem sie begegneten, wem sie vertrauten. „Hast du noch mehr gefunden auf dem Krug als das, was du gestern schon gehört hattest?“, fragte er Aaron irgendwann und gemeinsam redeten sie über die Worte, die letztlich ja auch auf den Wald hindeuteten. Verfluchte… Frau… Kräuter… Kinder schützen… Das klang doch sehr passend. Ob die Hexe die Kinder unter einem Vorwand mit sich lockte? Ob sie die Kinder jemandem opferte? Denn wer waren die Verfluchten? Sie überlegten gemeinsam, aber so richtig klar wurde das Bild nicht für sie.

Als sie am späten Nachmittag nach Tal hineinritten, spürte Merthin sofort eine seltsame Stimmung. Es war eine kleine Ortschaft, bei der eine Kapelle das Zentrum bildete. Es waren einige Handwerkerhäuser da, das meiste aber waren Bauernhäuser. Die Menschen hier gingen ihrer Arbeit nach, man hörte neben Hühnern, Kühen, Schweinen auch die Schmiede. Sie saßen vor dem einzigen Gasthaus des Ortes ab, als Merthin bewusst wurde, was hier fehlte: es waren die Kinder. Kaum eines sah man, keines spielte auf der Straße. Zudem spürte man eine immanente Angst, die die Menschen heimgesucht hatte. Ein Ort ohne Kinderlachen wirkte trist, ohne Lebensfreude. Aber neben dieser Angst, spürte Merthin noch etwas, das er nicht so recht benennen konnte. Da war noch etwas anderes in diesem Ort. Im Stall wartete Merthin, bis Aaron sein Pferd abgesattelt hatte, dann zog er ihn zu sich. Hier würde sie wenigstens niemand belauschen können. „Du hast es auch gemerkt, oder?“, sagte er leise zu ihm und spürte die Nähe des anderen unwillkürlich. Wirklich erstaunlich, wie sein Körper auf Aaron reagierte… Seine Hand hielt die des anderen, er hatte sich vorgebeugt und automatisch roch er den ihm mittlerweile so vertrauten Geruch. „Wir müssen herausfinden, was hier nicht stimmt. Und wir müssen die Leute fragen, wo ihre Kinder sind, wie viele es überhaupt sind…“
 

Aaron
 

Zustimmend nickte Aaron, wenn sie wirklich in so kurzer Zeit dort sein konnten, sollten sie tatsächlich keine Zeit verlieren. Es bestand vielleicht noch Hoffnung, die Kinder lebend wieder zu finden, was ein großer Wunsch war. Zumindest wollte Aaron die erst kürzlich verschwundenen Kinder wohlbehalten zurückbekommen, auch wenn es für die schon länger verschwundenen weniger Hoffnung gab. Aber ganz aufgeben wollte der Prinz diese Hoffnung dennoch nicht.

Daher war Aaron fix zu seinem Pferd vorausgegangen, während Merthin noch den Vogel zu Delvin zurückkehren ließ und sich auch noch kurz mit diesem unterhielt. Worüber, das konnte Aaron nicht richtig verstehen, aber er belauschte das Gespräch auch nicht, hatte er auch keinen Grund anzunehmen, das sie etwas hinter seinem Rücken bereden würden, das für ihn selbst auch interessant sein könnte.

Leider brachte es sie nicht weiter, dass sie unterwegs nochmal über die Worte der Prophezeiung sprachen, aber es half die Gedanken auf das Bevorstehende zu konzentrieren. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto aufmerksamer schaute sich Aaron in der Umgebung um. Einerseits um vielleicht Anhaltspunkte zu finden, wo die Kinder sein könnten, aber auch ein bisschen aus Sorge vor dieser angeblichen Hexe. In der Prophezeiung und auch in den Worten des Händlers kamen Kräuter vor. Sie sollten sich also vielleicht auch vor Getränken und Nahrungsmitteln in Acht nehmen, in denen Kräuter verwendet werden.

Diese Gedanken waren aber erstmal beiseite geschoben, als sie schließlich in das kleine Örtchen ritten. Das Dörfchen lag direkt am Regensee und viele Stege mündeten in den recht großen See. Eindrucksvoll war die dunkle Wolke über dem See, welche immer dunkler wurde, je näher sie dem Sonnenuntergang kamen. Seitlich am See waren Nebelschwaden zu sehen, welche langsam lichter wurden. Mit dem Nebel gelangten tagsüber viele Wassertropfen hinauf in die Wolke, weswegen sie zur Nacht hin voller Wasser war, welches am Nachmittag in einem Gewitter zurück in den See gelangte, nur damit dieser Kreislauf zum Sonnenaufgang von vorne beginnen konnte. Daher kam auch der Name des Regensees. Aaron hatte gehört, das früh morgens immer ein prächtiger Regenbogen zu sehen sein solle, sobald der Zyklus von vorn begann. Aaron wollte dieses Phänomen gern beobachten, was wieder frühes aufstehen bedeutete.

Erstmal aber ritten sie zu dem kleinen Gasthaus, welches direkt am Marktplatz gelegen war, wo auch eine kleine Kapelle stand, welche immer zum Beginn und Ende des Regens über dem See ein schönes Glockenspiel ertönen ließ. Viele Leute hielten das Phänomen des Regens über ihrem See für Magie, auch wenn sie es nicht so aussprechen durften. Obere Priester predigten, dass dies eine göttliche Macht wäre, die zur Lobpreisung ihres geschätzten Königs dem Dorf unendlichen Wasservorrat beschert hatte, wodurch keiner von ihnen je Durst leiden musste und die Natur in der Umgebung mit der größten Artenvielfalt in ganz Foron gesegnet war. Es ergab Sinn gerade hier eine Kräuterhexe zu suchen.

Leider wirkte der Rest des Dorfes gedrückt und voller Zorn, was Aaron sofort spürte. Die Leute grüßten nicht, wandten die Blicke ab und liefen mit hängenden Köpfen durch die Gegend. Es mochte daran liegen, dass wirklich die Kinder auf den Straßen fehlten, die mit ihrer Fröhlichkeit und Offenheit Sonne ins Dorf brachten, welche durch den stetig nächtlichen Regen immer recht wenig Licht spendete.

Aaron folgte Merthin in den Stall des Gasthofes, welcher recht klein ausfiel, aber für die wenigen Gäste wohl ausreichte. Nur ein weiteres Pferd war hier untergebracht, anscheinend würden sie keine Probleme bekommen, hier ein freies Zimmer zu ergattern.

Aarons Blick landete sogleich in Merthins Augen, als dieser den Prinzen dann zu sich zog und leise Worte sprach. Welche Worte das waren, die Merthin ihm gerade zutrug, war in diesem Moment irgendwie unerheblich, es war diese tief versteckt ersehnte Nähe, die Wirkung zeigte. Ohne den Blick abzuwenden hörte Aaron zu, hatte aber ein paar andere Gedanken im Kopf. Der Gedanke des verpassten Kusses vom Morgen schwirrte noch immer in seinem Kopf und Merthins Lippen waren gerade verführerisch nahe, was das Bedürfnis drängender machte. Aarons Blick rutschte nun automatisch hinab zu Merthins Lippen, schaute ihnen beim sprechen zu. Merthin hatte doch gesagt, dass Aaron mit ihm machen durfte, was er wollte, oder? Also auch einfach in einer Situation wie dieser einen Kuss einfordern? Einen ausgewachsenen Kuss bitte... Es war jedoch noch genug Zurückhaltung vorhanden, sodass Aaron Merthin nicht einfach überrumpeln konnte, sondern sich eher etwas anschleichen wollte. Direkt, aber vorsichtig.

"Ja, hier liegt eindeutig etwas in der Luft", antwortete Aaron nun genuschelt und ein bisschen wie nebenbei. Eigentlich hatte er noch das Gespräch weiterführen wollen, bevor er seinem Wunsch nachkommen wollte, aber Merthin hatte gerade eine größere Anziehungskraft. Etwas fester umgriff Aaron Merthins Hand, als ob er ihn festhalten wolle, während seine zweite Hand ihren Weg an die Brust des Blonden fand. Flach ließ Aaron seine Handfläche hier ruhen, ließ das wunderbar warme, sowie auch das magische Gefühl dabei einfach zu. "Wir könnten zu den Häusern der Familien gehen und die Mütter, sowie die Großmütter als erstes befragen.", begann Aaron immernoch leise zu sagen, während er den Abstand zwischen ihnen stetig verringerte. Erst noch locker lehnte Aaron sich beim sprechen weiter zu Merthin hin, bis er mit dem Oberkörper gegen den des Blonden lehnte. Stetig baute er mehr und mehr Nähe zu Merthin auf, indem er sich nun fester an dessen Körper schmiegte und das mit dem gesamten Körper, nicht mehr nur mit dem Oberkörper. Direkt hinter Merthin befand sich eine Stallwand, gegen die er sich lehnen könnte, wenn Aarons Druck gegen ihn zu groß werden würde, allerdings hätte Aaron diese Aktion unabhängig dieser Möglichkeit gebracht, da ihn der Wunsch nach solch enger, körperlicher Nähe zu diesem Mann gerade ein Stück weit das nachdenken erschwerte. Mit dem Gesicht kam er dem von Merthin ebenfalls näher, hielt die Lippen dabei ein kleines bisschen geöffnet und schwebte mit ihnen dicht vor Merthins Lippen, ohne diese jedoch zu berühren. Dabei empfand er es als angenehm und prickelnd, dessen Atem seine Lippen streifen zu spüren und die Wärme dabei in sich aufzunehmen. "Die Väter finden wir später gewiss in der Taverne...", Aarons Stimme wurde immer leiser und schließlich eher wispernd. Aaron wollte seinen Plan eigentlich noch weiter ausführen, doch verlor er gerade den Faden. Es war nur noch ein kleines Stückchen, nur noch eine kleine Kopfbewegung nach vorn, dann hätte der Prinz das, was er gerade nur zu gern wollte. Aaron setzte dazu an, seinen Kopf etwas zur Seite zu neigen, um dann wirklich das letzte Stück zu Merthin noch zu überwinden, als plötzlich die Stalltür geöffnet wurde und fremde Stimmen den Raum erfüllten. Erschrocken zog Aaron zurück, obwohl sie noch in der Box eines ihrer Pferde standen und damit nicht sofort zu sehen waren. Ein bisschen durcheinander fasste sich Aaron an die Schläfe und blickte Merthin entschuldigend an. "D-das hätte ich mir anders gewünscht", murmelte der Prinz leise, während zu hören war, wie das einzige andere Pferd im Stall von den beiden hereingeplatzten Männern hinaus geführt wurde. Aaron war zu langsam vorgegangen, hatte zu lange gebraucht, sich Merthin anzunähern und ihm zu verdeutlichen, was er von ihm haben wollte. Außerdem... hatte er sich auch ein bisschen mehr gehen lassen als gedacht, aber zu wenig, um ans Ziel zu gelangen. Merthin brachte Aaron ein bisschen um seinen Kopf.

"Lass uns vielleicht erstmal ein Zimmer für die Nacht sichern und dann die Notizen deiner Großmutter nach Hinweisen durchsuchen. Vielleicht haben wir dann ein paar Argumente in der Hand, mit denen wir die Befragungen der Leute hier effizienter gestalten können", sprach Aaron und versuchte sich damit auch selbst zum eigentlichen Thema zurück zu bringen. Die Gedanken an den Regensee brachten Aaron aber auch noch auf was anderes. "Weißt du, ob man in dem See baden darf? Ich würde das zu gern ausprobieren, zumal ein Bad eh mal wieder fällig wäre.", fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu.
 

Merthin
 

Während Merthin mit Aaron redete, fiel ihm auf, dass jener ihm so gar nicht recht zuzuhören schien… Vielmehr sahen die Augen es anderen so verklärt aus, hingen an seinen Lippen. Und als Aaron ihm antwortete, musste er innerlich schon sehr grinsen. Offenbar zeigte sein ‚Liebesentzug‘ Wirkung auf den anderen. Merthin tat sogleich, als würde er nichts merken und redete weiter, ließ Aaron näher rücken und genoss es, dass Aaron die Initiative ergriff. „Das ist eine gute Idee; zumindest sollten wir uns ein wenig umhören. Jede Information könnte hilfreich sein. Wobei vielleicht die Kinder sogar die besten Informationen haben…“, überlegte er weiter und wich nicht zurück, als er spürte, dass Aaron sich an ihn schmiegte, reagierte aber auch weiter nicht darauf. „Da können wir später noch hingehen…“, pflichtete er dem anderen bei, wobei seine Stimme auch leiser und etwas rauer geworden war, während seine Augen auf dem Gesicht des anderen ruhte. Es war zu süß zu beobachten, wie Aaron dem Bedürfnis nachgeben wollte, ihn zu küssen, und gleichzeitig sich an ihrem Gespräch zu beteiligen. Und dass ihn die Nähe des anderen kalt ließ, das konnte er nicht sagen. Daher wollte er ihm gerade doch für einen Kuss entgegenkommen, als die Stalltür aufging. Aaron war zu schnell zurückgewichen, als dass er seine Hand ergreifen konnte, um ihn zurückzuhalten. Die Hand des anderen hätte er immer noch loslassen können, falls jemand zu ihnen gesehen hätte. Vielleicht wurden sie ja gar nicht bemerkt. Schließlich standen sie in der Box ganz hinten. Er legte den Finger auf den Mund und wartete, selbst ein wenig durchatmend. Als er die gemurmelten Worte hörte, grinste er leicht. „Das war mir klar...“, erwiderte er ebenso leise, lauschte weiter und hörte, wie die Männer den Stall wieder verließen.

Endlich wieder alleine, nickte er zu den Worten, die Aaron sagte, betrachtete den schönen Mann, der so unsicher wirkte und streckte ihm die Hand hin, die jener nun zögernd ergriff. Sacht zog er ihn in seine Arme, strich ihm mit der freien Hand über die Wange und versank in den blauen Augen. Auf Abstand zu bleiben, war für ihn nicht minder eine Qual… Vielleicht sogar die größere. Sanft küsste er Aaron, genoss das Gefühl, das ihn durchströmte und von dem er so gern so viel mehr hätte…

„Das machen wir so“, sagte er schließlich leise und küsste ihn noch einmal sanft. „Und ob man in dem See baden kann, weiß ich nicht. Er scheint mir sehr magisch und sehr mächtig zu sein. Und sicher sollte man nicht im Wasser sein, wenn das Gewitter sich nachmittags entlädt. Aber auch das können uns die Kinder sicher verraten…“ Er entließ Aaron aus seinen Armen, wich nun zurück, um wieder etwas Luft zwischen sie zu bringen und widmete sich seiner Satteltaschen, die er mit in ihr Zimmer nehmen würde.
 

Aaron
 

Noch ein bisschen zögerlich ergriff Aaron Merthins Hand, welche dieser ihm entgegenstreckte. Gern ließ er sich wieder näher an den Blonden heranziehen und blickte ihm in die Augen, was seine Unsicherheit, ausgelöst durch die Störung, ein Stück weit auflöste. Merthins Blick gab Aaron Hoffnung darauf, dass er trotz seines Fehlversuches seinen Wunsch erfüllt bekommen könnte. Nur einen Augenblick später bestätigte sich dies und der Prinz durfte sich über einen schönen, sanften Kuss von Merthin freuen. Seinen freien Arm schlang Aaron sogleich um Merthins Körpermitte, drückte sich enger an ihn heran, während er den Kuss ein kleines bisschen drängend und auch leicht fordernd erwiderte. Das sanfte war unglaublich schön und Aaron verspürte ein wohliges Kitzeln dabei im Körper, aber das schien sein Bedürfnis nicht zur Gänze zu stillen. Daher versuchte Aaron noch ein bisschen mehr aus der Situation heraus zu bekommen, als Merthin ihm gerade gab. Darüber hatte Aaron nichtmal nachgedacht, sondern hatte einfach gehandelt und merkte dabei mehr und mehr, wie unwahrscheinlich angenehm das war. Aaron drückte sich noch etwas mehr an Merthin heran, als er gar noch einen zweiten Kuss erhielt, den er am liebsten noch etwas länger gehalten hätte. Doch Merthin ging recht bald wieder auf Abstand und behielt diesen konsequent bei, auch, als sie bereits im Zimmer standen. Nun, der Stall war wohl wirklich kein besonders guter Ort um derartige Liebelein auszutauschen und jetzt hatten sie ja auch erstmal wieder eine Aufgabe.
 

Merthin
 

Im Zimmer verstauten sie ihre Sachen. Merthin achtete darauf, Aaron nicht zu nahe zu kommen. Der Kuss eben im Stall hatte wieder dieses unbändige Gefühl in ihm geweckt, mehr zu wollen. Aber er durfte ihm nicht nachgeben. Nicht, solange Aaron es nicht wirklich wollte. Er griff schließlich zu dem Notizbuch seiner Großmutter und setzte sich auf einen der Stühle, die an einem Tisch standen, um in dem Buch zu blättern. Interessiert las er, was Marie zum See und dem Dorf aufgeschrieben hatte. „Sie schreibt, dass der See einer Legende nach heilende Wirkung haben soll. Angeblich soll er Krankheiten heilen, wenn der Kranke ‚auch zu den Kleinsten gut war‘ – so steht das hier zumindest drinnen. Menschen, die ‚unlauter sind und ihre Hand gegen Schwache erheben‘, können diese Kraft jedoch mindern oder blockieren. Der Ort, so steht es hier, wirke auf sie ‚von eigenen Gedanken und Taten verflucht‘. Nur die ‚kleinen Spatzen‘ seien hier ehrlich und aufrichtig.“ Merthin runzelte die Stirn und blickte Aaron an. „Wie immer schreibt sie in Rätseln. Weißt du, was sie damit gemeint haben könnte?“ Dass der See etwas Besonderes war, konnte man sehen. Aber hatte das auch mit den verschwundene Kindern zu tun? Irgendwie sah er keinen Zusammenhang.
 

Aaron
 

Es ergab Sinn, dass es vielleicht keine gute Idee wäre, in dem See zu baden, wo dieser doch magisch war. Aber genau das war es doch eigentlich, was Aaron ausprobieren wollte. Er selbst und auch Merthin waren ja auch in gewisser Weise magische Wesen, warum sollte es ihnen also nicht bekommen? Doch Aaron stimmte zu, dass sie erstmal nach weiteren Informationen suchen sollten, bevor sie ein solches Wagnis eingingen. Dennoch hatte Aaron kein schlechtes Gefühl bei dem Gedanken dort zu baden, aber wer wusste schon, ob er sich da nicht täuschte?

Aaron setzte sich zu Merthin an den Tisch im Zimmer, blickte zu ihm rüber und hörte zu, was er aus dem Buch seiner Oma herausgelesen hatte. "Heilende Wirkung für Kranke, die gut zu den Kleinsten waren?", wiederholte Aaron nachdenklich, hörte dabei weiter zu und runzelte etwas die Stirn. Marie hatte wirklich wieder in Rätseln geschrieben. Wen genau meinte sie mit 'den Kleinsten'? Kinder? Kleine Tiere? Beides? Oder was völlig anderes; was Magisches? Die Aussage aber, dass der Ort verflucht wirke und die heilende Wirkung dieses Wassers blockiert sein könnte, da es hier Leute gab, die 'ihre Hand gegen Schwächere erhoben', schien schon mehr Sinn zu machen. Ganz offensichtlich war hier wirklich etwas negativ Magisches im Gange und dafür waren sie beide genau die richtigen.

"Das klingt, als wäre dein Vorschlag, erst die übrigen Kinder hier zu befragen, genau das richtige", murmelte Aaron nachdenklich. "Marie wird mit 'Spatzen' gewiss nicht die Vögel gemeint haben, viel eher die Kinder, die in diesem Ort eine größere Rolle zu spielen scheinen", murmelte Aaron immernoch nachdenklich. "'Da hier ausgerechnet Kinder verschwinden, erscheint es mir logisch, dass diese Tatsache etwas mit dem Übel zu tun hat, das hier grassiert. Vielleicht finden wir es wirklich heraus, wenn wir eben diese Kleinsten um Rat fragen", sprach der Prinz weiter und war sich fast sicher, dass das der Weg war, um hier weiter zu kommen. Sie könnten natürlich auch das Risiko eingehen und selbst in den Wald gehen, um diese Kräuterhexe zu suchen. Aber bisher erschien das wenig hilfreich, da ihnen Informationen fehlten. Aaron erhob sich vom Stuhl, griff sich sein eigenes kleines Büchlein und steckte es in den Bund seiner Hose, ließ das Hemd drüber fallen und wäre damit gut gerüstet. "Lass uns anfangen", sprach Aaron motiviert grinsend. Sie sollten mit den Befragungen beginnen, bevor es zu spät am Abend werden würde, denn die Kinder würden ansonsten nicht mehr draußen spielen, sondern von ihren Eltern Zuhause abgeschirmt werden, was es ihnen sehr schwer machen dürfte, mit den Kleinsten, den 'Spatzen' des Dörfchens, zu sprechen.

Ein seltsamer Ort

Merthin
 

Merthin merkte ganz genau, wie Aaron ihn ansah, wie er im Stall seine Nähe genossen hatte. Und wenn es nach ihm ginge, müsste die riemenlänge Abstand nicht sein. Aber es war vermutlich im Moment besser, wenn sie sich auf ihre Aufgabe hier konzentrierten. Vielleicht hätten sie danach ja ein wenig Ruhe, gemeinsam miteinander Zeit zu verbringen. Es war schon seltsam… Normalerweise lief doch so etwas anders ab, oder? Man lernt sich kennen, verbringt miteinander Zeit, verliebt sich ineinander und vergisst für eine Weile die Welt um einen. Zumindest war es so bei Caleb und seiner Frau gewesen, und auch bei Raven und Kyle. Und wie gerne würde er mit Aaron gerade alles um sie herum vergessen. Schließlich war ihre Zuneigung füreinander noch so neu, und so unwirklich… Merthin wusste, was er empfand, aber dennoch schien ihm alles noch fragil, so zart, so zerbrechlich. Es gab noch so viel, was sie nicht voneinander wusste, sie mussten sich noch besser kennenlernen… Und doch hatte er das Gefühl, dass sie sich schon ewig kannten, dass sie einfach zusammengehörten. Für alles andere würde die Zeit noch kommen. Dass Aaron auch der Meinung war, sich zunächst an die Kinder zu wenden, freute ihn. „Ja, ich glaube auch, dass der Schlüssel zu dem Rätsel die Kinder sind. Und falls wir hier welche finden, hoffe ich, dass wir die nötigen Informationen erhalten.“ Auch Merthin stand auf und bewaffnete sich mit seinem Stiefeldolch. Er wollte nicht unbewaffnet gehen, aber es sollte auch nicht jeder gleich sehen, dass er kämpfen gewohnt war. Zudem steckte er drei der Jonglierbälle in seine Manteltasche. Bei Kindern konnte man nie wissen, ob man sie nicht brauchen könnte…
 

Aaron
 

Gemeinsam verließen Aaron und Merthin das Gasthaus und folgten dem Weg ein Stück in der Hoffnung, noch Kinder spielen zu sehen. Es dauerte ein bisschen, dann wehte Kinderlachen zu ihnen herüber, welches aus einer versteckten Gasse zu kommen schien. Es war wahrlich ungewohnt, das zu hören - war doch sonst im ganzen Dorf nichts Fröhliches wahrzunehmen. Weder Lachen von Kindern oder Erwachsenen, noch Musik gab es hier. Aaron griff sich Merthins Hand und bog in die zugegebenermaßen recht dunkle Gasse ab, aus der das Lachen zu kommen schien. Am Ende der Gasse erstreckte sich ein größerer Platz, der von Häusern umgeben war und nur durch diese kleine Gasse zu erreichen war. Am Ende wurde diese verdammt schmal, so dass sich Aaron schon ein bisschen hindurchquetschen musste, um zwischen den Hauswänden auf den Platz treten zu können.

Belohnt wurde diese kleine Strapaze aber durchaus. Hier spielte eine Gruppe von fünf Kindern mit einem Ball, dem sie fröhlich lachend hinterher liefen und ihn sich mit den Füßen zuspielten. Aaron blieb einen Moment am Rande stehen und schaute zu. Die Fröhlichkeit war ansteckend und es brachte ein Lächeln auf Aarons Lippen. Nach einigen Augenblicken entdeckten die Kinder sie, was sie in ihrem Spiel stoppen ließ. Man sah ihnen an, dass sie sich erwischt fühlten. Scheinbar war dieser Ort nicht für Erwachsene bestimmt, was wohl auch die Strapaze erklärte, die man als Erwachsener hatte, hier überhaupt her zu kommen.
 

Merthin
 

Fast schien es ihm, als würden sie keine Kinder treffen. Der Tag war schon weit vornageschritten und die Sonne neigte sich gen Horizont. Der Regen auf dem See war beeindruckend, kräftig. Dennoch spürte Merthin, dass ihn dieser Regen auch irgendwie schwächte. Oder war er einfach nur müde von dem langen Ritt heute? Wohl eher das… In den Gedanken versunken, hatte er die Anzeichen für Kinder auf der Straße nicht gehört und war überrascht, als Aaron seine Hand ergriff und ihn mitzog. Irgendwie konnte er sich nicht recht konzentrieren… Sie sollten später bald ins Bett gehen.

Nachdem Aaron sich vor ihm durch die enge Gasse gezwängt hatte, folgte ihm Merthin und er musste sich auch ganz schön dünn machen, um hindurch zu passen. Dafür öffnete sich nun ein Platz vor ihnen, auf dem eine Gruppe Kinder spielten. Merthin trat hinter Aaron, der die Szene beobachtete, während Merthin auf die schöne Halsbeuge des Prinzen blickte, die er gerade zu gerne küssen würde. Als die Kinder innehielten, blickte er auf und sah sofort das Misstrauen, das diese ihnen entgegenbrachten. War das Misstrauen? War das nicht vielmehr so etwas wie… Angst? Furcht? Aber wovor?

Merthin lächelte die Kinder an, versuchte sie damit zu beruhigen, während Aaron bereits mit ihnen sprach, um ihre Absichten den Kindern zu nennen. Dann ergriff er die Jonglierbälle und ließ sie durch die Luft fliegen, so dass die Kinder interessiert schauten und langsam die Angst verloren. Gerade wollten die Kinder näher kommen, als sie die Rufe hörten und zusammenzuckten. Sofort stieg die Angst wieder in ihre Augen und sie rannten los, um zu ihren Eltern zurückzukehren… Alle, bis auf eines.
 

Aaron
 

Aaron trat einen Schritt auf die Kinder zu und kniete sich dann zu ihnen herunter. "Keine Angst, wir verraten nichts", begann Aaron zu sagen, was die Kinder aber nicht beruhigte. Sie schwiegen und blickten weiterhin ängstlich drein. "Wir sind hier, um es euch zu ermöglichen, wieder freier in eurer schönen Stadt zu spielen. Wir wollen helfen", fügte Aaron noch in der Hoffnung hinzu, dass die Kleinen Vertrauen fassen könnten. Aber so leicht war das gewiss nicht, waren doch alle Erwachsenen hier vergrämt und sicher nicht mehr sonderlich liebevoll zu den Kindern. Aaron hatte zudem keine Erfahrungen mit Kindern, war sich daher nicht sicher, ob er gute Worte finden konnte, die für Kinder angemessen waren.

Als nächstes war lautes Rufen von außerhalb zu hören. Namen wurden gerufen und die Kinder schauten sogleich erschrocken auf. "Unsere Eltern rufen. Wir müssen heim", sprach eines der älteren Kinder, woraufhin alle bis auf eines losliefen. Nicht, weil sie froh wären, Merthins und Aarons Gespräch mit ihnen zu entkommen, sondern weil sie augenscheinlich Angst davor hatten, was ihnen blühte, wenn sie nicht auf das Rufen ihrer Eltern reagierten. Eines schien dadurch wirklich klar zu werden: die Eltern, die Erwachsenen des Örtchens waren dem Übel bereits verfallen und vielleicht war dieser böse Befall das, was Marie als 'von eigenen Gedanken und Taten verflucht' beschrieben hatte. Aber ohne Antworten von den Kindern war auch das bloß eine Theorie.

Aaron wollte sich schon wieder Merthin zuwenden, als das einzige Kind, das zurückgeblieben war, auf sie zutrat. Ein kleines Mädchen mit zwei Zöpfen stand vor ihnen, drückte ihren Plüschhasen an sich, den sie augenscheinlich schon sehr oft sehr arg gedrückt hatte und begann gedruckst etwas zu stammeln, was zu leise war, als dass Aaron es verstanden hätte. Wieder hockte er sich hin und blickte das Kind an. "Was wolltest du sagen?", fragte Aaron leise nach aus Angst, das Mädchen zu verschrecken. "Ihr werdet Mama und Papa helfen, oder?", begann sie dann zu sagen und es wirkte so, als ob sie verstünde, dass etwas mit ihren Eltern nicht stimmte, dass sie nicht wirklich böse waren, sondern 'nur krank'. "Und auch meinem Bruder Piet?", fügte das Kind noch hinzu. Vielleicht war ihr Bruder eines der verschwundenen Kinder? Es war jedenfalls ein bisschen rührend zu sehen, wie dieses Kind indirekt nach Hilfe fragte. "Ja, allen Eltern und Geschwistern. Auch deinen. Weißt du etwas, das uns helfen könnte?", sprach Aaron leise und das Mädchen lächelte ein bisschen erleichtert. Dann nickte sie. "Piet wollte dem Zuckerweg folgen, bevor er verschwand. Das ist ein Weg durch den Wald, an dessen Wegrand lauter Süßigkeiten an den Bäumen wachsen!", sprach das Kind weiter, wobei etwas Faszination mitschwang. "Der Weg erscheint, sobald das Glockenspiel zum Beginn des Regens läutet. Piet kam nicht wieder", sprach sie weiter und jetzt sah man ihre Traurigkeit, da ihre Augen feucht wurden. Sie wischte sich die Tränen weg und schluchzte leise. "Ist er jetzt im Zuckerland...?", fragte sie schließlich, ehe ein sehr wütender Ruf von hinter ihnen ertönte. Das Kind schaute erschrocken auf, sicher galt der Ruf ihr. Aaron blickte Merthin an, wenn sie das Mädchen länger zum Befragen hier festhalten würden, würde es zu Hause Ärger bekommen und das wäre unfair.
 

Merthin
 

Merthin nickte zu diesem, als Aaron sich zu ihm drehte und gemeinsam gingen sie in die Hocke, um dem kleinen Mädchen auf gleicher Augenhöhe zu sein. ‚Sie hat oft Angst… Ob die blauen Flecken am Oberarm von einem Sturz sein konnten?‘ Der Gedanke, der ihm soeben gekommen war, erschreckte ihn. Dieses kleine Mädchen war so süß, dass es einem das Herz erweichte. Wie konnte man ihm Gewalt antun? Hier musste etwas Grausames sein Unwesen treiben… Gebannt lauschte er den Worten des kleinen Mädchens. Seine Stirn zog sich zusammen und Maries Worte machten mehr und mehr Sinn. Ob auch sie mit den Kindern gesprochen hatte? Bestimmt, aber sie hatte nicht helfen können. Sicher war die Situation heute noch viel schlimmer, was man an der seltsamen Atmosphäre hier gut spüren konnte. Merthin spürte schier, dass sie beobachtet wurden, scheele Blicke, die die Erwachsenen hinter ihren Gardinen ihnen zuwarfen. Wovor hatten sie Angst? Und dann gab das Mädchen auf Aarons Nachragen hin, eine Wegbeschreibung, die seltsamer nicht sein konnte. Der Zuckerweg? Süßigkeiten am Wegrand? Ob jemand das absichtlich tat, um die Kinder wegzulocken? War das die Masche des Dämons? Aber warum waren dann die Eltern so bösartig? Aber Piet schien genau wegen dieses Weges verschwunden zu sein. Sie würden diesen Weg morgen finden müssen, sofern es ihn wirklich gab. Leider würden sie erst nachmittags darauf stoßen, denn erst dann würde der Regen vermutlich wieder einsetzen. Am liebsten würde er sogleich versuchen, diesen Kindern zu helfen. Aber einfach so loszustürmen ohne Hoffnung auf ein Gelingen, war dumm. Auch wenn der traurige Blick aus diesen schwarzen Knopfaugen Merthins Herz bluten ließ. „Sicher ist er dort und es geht ihm gut“, sagte Merthin schnell und hob den Arm, dem Mädchen einen seiner Jonglierbälle hinhaltend. „Er ist dort sicher und wartet darauf, zu dir zurück zu kehren, wenn auch hier alles wieder sicher ist. Und dafür sorgen wir. Mein Freund und ich werden helfen, damit ihr bald wieder gemeinsam spielen könnt. Ich verspreche, alles dafür zu geben!“ Das Mädchen blickte auf und sah ihn an. Dann griff sie zögernd zum Ball und nahm ihn an sich. „Wenn ich ihn dir bringe, dann bekommst du auch die anderen beiden von mir, ok?“ Sie nickte und ein Lächeln huschte über ihre Lippen. „Und jetzt geh, bevor du noch mehr blaue Flecken bekommst…“ Er sah sie ruhig an und sah, wie ihre Augen kurz größer wurden und sie den Hasen fester an sich drückte, während sie den Ball in ihrer Tasche verschwinden ließ. Dann nickte sie, drehte sich um und verschwand.

Merthin blickte ihr hinterher und ein tiefes Seufzen hob und senkte seine Brust. Dann stand er auf und blickte Aaron an. Erneut hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. „Wir sollten gehen und später darüber reden“, wisperte er leise und sie sahen sich einen Moment an, bevor sie einen anderen, einfacheren Weg hinaus aus dem Häusergewirr wählten. „Lass uns ans Wasser gehen…“, schlug er vor und sie gingen die Straßen hinab ans Ufer des Sees. Die Blicke folgten ihnen, die Frauen gingen ins Haus, wenn sie vorbeiliefen, die Männer betrachteten sie misstrauisch. „Ich glaube, dass die Kinder, die verschwinden, nicht wegen des Dämons verschwinden. Wenn dem so wäre, würden die Erwachsenen nicht verflucht sein, oder? Vielleicht gibt es jemanden, der die Kinder vor ihren Eltern beschützen will und deshalb die Kinder mit Süßigkeiten weglockt? Aber was macht diese Menschen hier so aggressiv? Hast du den Arm des Mädchens gesehen?“ Letzteres hatte er lauter gesagt, als er eigentlich wollte. Er blickte sich schnell um, konnte aber niemanden sehen. Kurz schloss er die Augen. „Mich macht es rasend, wenn erwachsene Menschen sich an Kindern vergreifen…“, zischte er nun leiser. Er hustete leicht und spürte, wie ihn schwindelte. Irgendetwas hier bekam ihm nicht. Ob er vielleicht etwas essen sollte? „Vor Morgen können wir nichts tun. Wir sollten im Gasthaus etwas essen und dann bald schlafen, damit wir ausgeruht sind…“ Er blickte auf das Wasser. „Jetzt haben wir ganz vergessen zu fragen, ob man in dem Wasser baden kann, oder nicht…“, sagte er und lächelte Aaron an. „Magst du es probieren und den Finger hineinhalten?“
 

Aaron
 

Aaron folgte Merthin zum See, versuchte die Bewohner zu ignorieren, welche wahrlich misstrauisch reagierten. Aaron war es zwar gewohnt, dass nicht alle freudig jubelten, wenn jemand der Königsfamilie tatsächlich mal einen Fuß auf die Straße setzte, aber das hatte gewiss andere Gründe als hier. Besorgt schaute der Prinz Merthin an, als dieser hustete, er wirkte kraftlos und mitgenommen. Es schien ihn wahrlich sehr mitzunehmen, was den Kindern hier angetan wurde. Merthin war ganz offensichtlich unwahrscheinlich kinderlieb, das hatte sein Umgang mit der Kleinen eben auch verdeutlicht. Es war Aaron eine Freude gewesen zuzuschauen, wie der Blonde mit dem Mädchen umgegangen war, wie er ihr seine Jonglierbälle geschenkt und versprochen hatte, alles zu geben. Bestimmt hatte er dem Kind seit langer Zeit mal wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern können und der Prinz hätte seinen Freund, wie dieser ihn auch bezeichnet hatte, was Aaron genauso sehr gefreut und ein angenehmes Gefühl in seinem Inneren ausgelöst hatte, am allerliebsten sofort umarmt und wieder geküsst. Aber so einfach war ein solches Vorhaben leider nicht.

"Vielleicht hast du Recht. Es wäre ein tröstlicher Gedanke, dass die verschwundenen Kinder es besser haben als hier", murmelte Aaron und meinte das ehrlich so. Wenn es jemanden gab, der die Kinder beschützen wollte und sie deshalb aus dem Dorf lockte, dann hatten die Kleinen es bei dieser Person gewiss besser als bei ihren verblendeten Eltern. Allerdings schürte das Verschwinden der Kinder den Zorn der Erwachsenen hier nur weiter. Sie mussten dringend die Quelle finden, das, womit die Misere hier überhaupt erst angefangen hatte. Nur dann könnten sie dem ein Ende setzen.

Aaron legte Merthin eine Hand auf die Schulter, wollte seine Unterstützung kundtun, da er gerade das Gefühl bekam, dass Merthin wieder dabei war, alle Probleme hier alleine sich aufzuladen und deshalb so angeschlagen wirkte. "Wir helfen den Kindern, gemeinsam", murmelte er und versuchte Merthin damit wieder etwas aufzubauen.

Merthin wechselte das Thema und Aaron nickte eifrig. Stimmt, das hatte er in der Sorge für Merthin ganz vergessen! "Ja, mal sehen was geschieht", grinste Aaron und hockte sich ans Ufer, nur um dann seine Hand in das überraschend warme Wasser zu tauchen. Sofort als seine Hand die Wasseroberfläche durchbrochen hatte, merkte Aaron magisches Kribbeln auf der Haut, was sich über seinen Arm hin zum Rest des Körpers ausbreitete. Ohne dass Aaron bewusst seine Magie befehligen würde, floß seine eisige Energie auf das Wasser über, erkaltete dieses, fror es stückchenweise um seine Hand herum ein. Sogleich zog Aaron erschrocken seine Hand zurück und das Eis schmolz fast direkt wieder. "Sieht nicht aus als wäre baden eine gute Idee...", murmelte Aaron etwas verschmitzt grinsend zu Merthin und blickte dann seine Hand an. Irgendwie fühlte er sich gestärkter, zuversichtlicher als eben noch. Ob das an der magischen Eigenschaft des Wassers lag?
 

Merthin
 

Als Aaron Mertin kurz berührte, ihm den Arm als tröstende, aufmunternde Geste auflegte, spürte er, wie die Magie floss, wie es ihm besserging. Oder bildete er sich das ein? Doch nun war er gespannt, was passieren würde, wenn Aaron das Wasser berührte. Dass das Wasser unmittelbar reagierte, wunderte ihn nur bedint. Er hatte damals in seinem Zelt gesehen, wie das Wasser sich schier den Fingern des Eismagiers entgegengereckt hatte. Wieso sollte es hier anders sein? Doch dass das Wasser auf Aarons Haut einfror, war schon seltsam. Hatte Aaron das bewusst so gewollt? Als dieser jedoch die Hand zurückzog und es für keine gute Idee befand, ins Wasser zu gehen, kannte der Blonde die Antwort: Aaron hatte das Wasser ohne Magie berührt, doch weil der See selbst magisch war, hatte es Aaron Magie entlockt. „Vermutlich“, murmelte er nachdenklich und blickte auf das Wasser. Ein seltsamer Ort…

Seltsame Menschen

2Seltsame Menschen
 

Merthin
 

Als sie später das Gasthaus betraten, um noch etwas zu Essen zu bestellen, verstummten die Gespräche der Männer an den Tischen und am Tresen. Sie setzten sich und es dauerte nicht lange, als sie die Gespräche wieder aufnahmen, leise, flüsternd. Immer wieder blickten sie zu ihnen hinüber. Ob sie dachten, dass sie etwas mit dem Verschwinden der Kinder zu tun hätten? Aber das war absurd! Sie waren doch erst heute gekommen. Es war kein Wunder, dass die Angst der Männer dazu führte, dass sie gewalttätig wurden. Auch wenn das nichts verzieh… Merthin verging der Appetit, noch bevor er den Eintopf gegessen hatte. „Lass uns hochgehen…“, sagte er zu Aaron. Sie hatten kaum gesprochen, vor allem, weil sie Angst hatten, dass jemand etwas belauschen und missverstehen könnte.
 

Aaron
 

Am Tisch in der Gaststube zu sitzen fühlte sich unendlich beklemmend an. Die Männer hier hatten getrunken, in den meisten Fällen bereits viel zu viel und das machte sie unberechenbar. Das ihre Köpfe von der negativen Spannung im Dorf verändert waren, konnte man an ihren Blicken sofort erkennen. Der billige Alkohol schaltete wahrscheinlich noch den letzten Rest Zurückhaltung aus, die diese Herren noch übrig hatten. Wahrscheinlich würden sie ihre Aggressionen bei ihrer Familie Zuhause ablassen, leider hatten die blauen Flecken auf der Haut des kleinen Mädchens vorhin genau das bewiesen.

Seufzend löffelte der Prinz wenige Bissen des Eintopfes, der nichtmal sonderlich lecker schmeckte, ehe auch er den Löffel beiseite packte. Die bohrenden Blicke der Männer, die ihnen die Schuld an allem hier zuzuschieben schienen, war zu mächtig. Das Unwohlsein zog Aaron durch die Glieder und ließ ihn erschaudern. So drückende negative Energie hatte es selbst in Dorstaal nicht in dieser Form gegeben. Aaron verstand immer mehr die Notwendigkeit, dass er zusammen mit Merthin durch die Gegend reiste und Orte wie diese aufsuchte. Auch wenn dadurch ihre eigene Zweisamkeit zu kurz kam. Aber vielleicht war das auch Bestandteil dieser 'Prüfung'? Merthin hatte geschlußfolgert, dass das besiegen von Marcuse, das schaffen einer Basis ihrer Beziehung, eine Prüfung gewesen war. Auf dieser Basis jetzt etwas aufzubauen, das auch wirklich Bestand haben konnte, gehörte gewiss auch dazu, hatten sie doch nicht wie andere Paare die Möglichkeit ihrem Alltag zu entfliehen und einzig für sie beide etwas rein aus Spaß zu unternehmen.

Kraft tanken

Merthin
 

Merthin war froh, endlich in ihr Zimmer zu kommen. Er schloss die Tür und stellte noch einen Stuhl unter die Klinke. Er fühlte sich nicht wohl. Wer weiß, ob nicht doch jemand Aaron erkannt hatte. Dieses Dorf war ihm unheimlich… und es schwächte ihn. Der Gedanke kam ihm deutlich, als er versuchte, die Lampe am Tisch zu entzünden und dazu etwas Geduld brauchte. Etwas lähmte ihn hier. Er sollte bald schlafen. Sie hatten zwei Betten. Sicher konnte er so besser schlafen als vergangene Nacht. Er ging zum Waschtisch und begann sich zu waschen. „Ich bin wirklich gespannt, was da morgen auf uns zukommt…“, sagte er halblaut.
 

Aaron
 

Aber auch schließlich im Zimmer angekommen konnte der Prinz noch nicht wirklich aufatmen. Die drückende Atmosphäre blieb und Aaron schlang seine Arme um sich, während er Merthin dabei zuschaute, wie dieser die Tür zusätzlich mit einem Stuhl blockierte. Er fühlte ganz offensichtlich Ähnliches wie Aaron, traute hier auch keiner einzigen Person aus Tal. Allerdings machte sich Aaron auch weiterhin Sorgen um Merthin, wirkte dieser doch wahrlich erschüttert von dem, was sie in der kurzen Zeit ihres Aufenthaltes hier bereits herausgefunden hatten und dazu mischte sich eine seltsame Unruhe. Seine Magie fühlte sich gar nicht mehr so im Gleichgewicht an, was auch daran zu sehen war, dass er kleinere Schwierigkeiten hatte, das Feuer ihrer Lampe zu entzünden. Aaron schaute Merthin noch kurz weiter zu, wie er begann das Gesicht zu waschen, ehe sich der Prinz schließlich abwandte. Merthin war beschäftigt und das konnte Aaron schnell nutzen, um seine Kleidung zu wechseln. Da er keine Gelegenheit bekommen hatte zu baden, brauchte er wenigstens frische Kleidung und auch noch etwas Wasser aus der Schale. Aber da geduldete er sich, bis Merthin fertig sein würde.

"Ich auch", antwortete Aaron nun und stellte sich etwas Abseits hin, mit dem Rücken zu Merthin. Noch immer konnte er sich nicht einfach mitten in den Raum stellen und sich offensichtlich umkleiden, auch wenn er in Merthins Beisein schon ruhiger geworden war. Allerdings lag gerade nichts schön Knisterndes in der Luft, was es ihm erleichtert hätte. Diese negative Energie hier beeinflusste auch das. Im Raum mit Merthin zu bleiben, war aber dennoch in Ordnung. Schnell zog sich Aaron die Wechselkleidung über, die er sich wieder von Merthin stibitzt hatte. Zum schlafen eigneten sich Merthins Klamotten für Aaron am allerbesten. Da sie ihm ein Stückchen zu groß waren, waren sie wesentlich bequemer als seine passend gebundenen Gewänder von Zuhause. Außerdem gaben sie Aaron zumindest ein bisschen das Gefühl von mehr Nähe zu Merthin, obwohl sie auch jetzt noch getrennt voneinander schliefen, schließlich rochen die Stoffe so angenehm nach ihm. Wenn er sich schon nicht an den echten Merthin kuscheln durfte, dann wenigstens tief in dessen Kleidung. Diese Nacht dürfte es nicht anders werden, gab es hier doch bereits zwei getrennte Betten.

"Aber was auch immer es ist, ich bin fest entschlossen die Quelle des Übels hier zu finden und dafür zu sorgen, dass die Kinder es hier wieder gut haben", sprach Aaron entschlossen. Seit er vorhin das magische Wasser berührt hatte, hatte er eine Zuversicht in sich, dessen Ursprung er nicht so benennen konnte. Er fühlte sich einfach gestärkt, sich mit diesem Schrecken im Dorf auseinander zu setzen. Gern würde er Merthin etwas davon abgeben, aber das ging wohl nicht mit Worten.
 

Nachdem auch Aaron die Möglichkeit gehabt hatte, sich kurz mit dem Wasser zu erfrischen und dabei versucht hatte, ohne seine Kleidung komplett zu durchnässen, auch etwas mehr seiner Haut abzuwaschen, stiegen sie bereits in ihre jeweiligen Betten und Merthins mühsam entzündete Lampe wurde wieder gelöscht.
 

Merthin
 

Dass Aaron die Stimmung im Schankraum zugesetzt hatte, sah er deutlich. Oder ging es dem anderen wie ihm? Dass er sich kränklich anfühlte, so als brüte er eine Grippe aus? Ausgerechnet jetzt… Merthin hoffte inständig, dass er durchhielt, bis dieser Ort - von was auch immer - befreit war. Jetzt krank zu werden und Aaron nur eine Last zu sein, wäre äußerst ärgerlich. Hoffentlich war das bald vorbei – der Kampf und die Erkältung. Um Aaron nicht größere Sorgen zu machen, als jener eh schon hatte, sagte er lieber nichts, ließ jenem den Platz, sich umzuziehen, ohne zu schauen, wobei er es sich nicht verkneifen konnte, durch den Spiegel dem anderen einen kurzen Blick zuzuwerfen, als jener sich das Hemd ausgezogen hatte. Wie gerne würde er das Muskelspiel am Rücken des anderen nachzeichnen… Er seufzte lautlos und blickte wieder weg. Alles zu seiner Zeit. Und sicher eh nicht, solange er kränkelte.

„Das bin ich auch“, bestätigte Merthin, als er sich umdrehte, um Aaron die Waschschüssel zu überlassen. Dann zog auch er sich zügig um und kroch in sein Bett. Vielleicht würde es ja reichen, wenn er einfach nur gut schlief. Die Tür war abgeschlossen und verbarrikadiert. Und die Dorfbewohner würden schon nicht ein Progrom gegen sie beginnen… Wieso auch? Sie hatten nichts mit dem Verschwinden der Kinder zu tun. Definitiv nicht. Merthin blickte zur Wand, ließ Aaron seine Privatsphäre, die jenem wichtig war und die er respektierte. Er schloss die Augen, spürte, wie ihn fröstelte, wie ihm die Glieder weh taten. „Schlaf gut“, wisperte er in das Dunkel, als die Lampe gelöscht wurde.
 

Aaron
 

Obwohl Aaron müde war, konnte er dennoch nicht schlafen. Mühsam hielt er seine Augen geschlossen, zwang sich an etwas Schönes zu denken, damit er vielleicht doch bald würde einschlafen können, doch es schien einfach nichts zu bringen. Er lag eine ganze Weile wach in seinem Bett und versuchte weiterhin zu schlafen. Es gelang ihm allerdings überhaupt nicht. Ihm machte die Atmosphäre hier im Dorf auch große Sorgen, diese schien noch weiter ins Negative gerutscht zu sein, nachdem sie beide ins Dorf gekommen waren. Die Erwachsenen schienen zu merken, dass mehr Magie im Dorf herrschte, dass es hier plötzlich Fremde gab, die nicht nur etwas zu bewirken vermochten, sondern dies auch wirklich versuchten. Vielleicht hielten sie die beiden auch für die Urheber dafür, dass ihre Kinder verschwanden. Welches Übel es auch immer war, der hier alles durcheinander brachte, es hatte bereits Notiz von ihnen genommen und das spürte Aaron, genauso wie offensichtlich auch Merthin. Es war gerade diese Nacht schade, dass sie sich wieder keine Schlafgelegenheit teilten, Aaron wollte ihm auch Zuversicht geben, wollte ihm auch auf andere Weise zu spüren geben, dass er einen Teil seines Unwohlseins auf Aaron laden könnte, dass die Last zusammen nur halb so schwer auf ihren Schultern lastete. Außerdem....- Aaron schaute zu Merthin rüber, welcher mit dem Rücken zu Aaron gedreht lag. Ob er schon schlief? ...

Es war wie ein innerer Anstoß, der Aaron ruckartig dazu brachte, extra leise von seinem Bett aufzustehen und zu dem von Merthin hinüber zu schleichen. Leise krabbelte Aaron dann auf allen Vieren auf Merthins Matratze, schlüpfte langsam unter seine Decke und versuchte dabei so wenige Bewegungen wie nur möglich zu machen. Aaron ging davon aus, dass Merthin bereits schlief und er wollte ihn nicht aufwecken. Da Merthin mit dem Rücken zu Aaron lag, konnte der Prinz nicht kontrollieren, ob er da richtig lag, aber er war entschlossen Merthin nicht alleine zu lassen. Und er selbst brauchte auch dessen Nähe. Vorsichtig legte sich Aaron auf die Seite und rutschte nahe an Merthins Rücken heran. Kurz hielt er inne, blickte Merthin an, dann schmiegte der Prinz seinen Kopf an Merthins Nacken heran, legte einen Arm über seine Seite um seinen Oberkörper und fischte nach Merthins Hand, die er dann sanft umgriff und festhielt. Ein wohliges Gefühl zog durch Aarons Körper und er konnte endlich seine Anspannung ein Stück weit loslassen. Die Magie des heilenden Wassers, das sich in Aaron gesammelt hatte, ging so auch auf Merthin über, floss zusammen mit ihrer eigenen Magie durch sie beide, floss wie warmer Honig über eine Wunde und linderte so verkrampfte Muskulatur und erzürnt schnell schlagende Herzen. Aaron seufzte leise, da es so wohl tat, und Merthins Körperwärme trug ihr übriges dazu bei, das Aaron bereits wenige Augenblicke später eingeschlafen war.
 

Merthin
 

Erstaunlicher Weise konnte er schnell einschlafen – auch wenn ihn kein erholsamer Schlaf erwartete.

Wobei das nicht ganz stimmte. Er träumte viel und wirr und aufreibend – bis ihn mit einem Mal eine unfassbare Ruhe ergriff, bis er spürte, dass ihn etwas hielt, ihn etwas umarmte, ihn etwas an der Hand nahm und für sich einnahm. Und damit kehrte endlich die Entspannung ein, die ihn sich wieder besser fühlen ließ. Etwas nahm seinen Körper ein, was ihm gut tat. Wie ein frischer Wind, der muffige, abgestanden Luft aus einem Keller herauswehte. Und mit diesem Moment konnte er sehr gut schlafen.

Der Zuckerweg

Aaron
 

Leider verlief der Morgen nicht so ruhig wie die Nacht. Direkt nachdem der Mond verzogen war, die Sonne begann, über den Horizont zu kriechen und den Nebel einzudämmen, versammelten sich vor dem Gasthaus an der Kapelle die Männer des Dorfes. Sie trugen Waffen, allerdings waren das ihre Arbeitsmaterialien, die sie als solche missbrauchten: Heugabeln, Schmiedehämmer, Schafscheren wurden in die Lüfte gerissen und mit lautem Gebrüll angekündigt, diejenigen endgültig zu bestrafen, die für das Verschwinden der Kinder verantwortlich waren. Aaron wurde von den lauten Rufen wach, doch sein erster Blick galt Merthin. Allerdings konnte sich Aaron nicht daran erfreuen so aufgewacht zu sein, denn die Rufe von draußen drangen bis zu ihnen durch. Die Männer verlangten Strafen für die beiden Fremden, die ihr Dorf 'heimsuchten' und drohten auch an, es selbst in die Hand zu nehmen, wenn ihre Geistlichen nichts unternähmen. Dabei brüllten die Männer so sehr, das keiner mehr den anderen verstand und somit auch keine leisen Gegenstimmen gehört wurden, welche leider nicht sonderlich zahlreich waren.
 

Merthin
 

Ganz automatisch hatte er sich in der Nacht gedreht, hatte sich der Quelle für diese Wärme, für diese Wohltat zugedreht und seine Arme fest um den Körper neben sich geschlungen. Ganz autmatisch hatte er den schlafenden Aaron an sich gezogen und vollkommend selig geschlafen – nun, zumindest bis laute Stimmen zu ihm durchdrangen und seine Alarmglocken ihn aufschrecken ließen. Irritiert, da er sooo tief geschlafen hatte, blickte er sich um, einen Moment nicht wissend, wo sie waren – bis er begriff, dass er sich wohl getäuscht hatte. Sein Blick glitt zu Aaron und ihm wurde erst jetzt bewusst, dass jener sich in sein Bett geschlichen hatte. Fragend blickte er ihn an. „Wäre uns etwas mehr Romantik bestimmt, würde ich deinen nächtlichen Besuch mit einem morgentlichen Kuscheln belohnen… Aber ich fürchte, der Mop, der sich aufgrund von Unwissen und Furcht gegen uns erhebt, sollte uns nicht auch noch so sehen…“ Er grinste leicht, fühlte sich wieder ausgeruhter, gestärkter, auch wenn er später im Rückblick merken würde, dass mit seinem Aufstehen bereits die Wirkung nachließ und sich das Gefühl von Erschöpfung alsbald wieder in seinem Körper breit machen sollte. Aber noch war dem nicht so und er zog sich schnell etwas an.
 

Aaron
 

Dem fragenden Blick von Merthin begegnete Aaron mit einem kleinen Lächeln. Klar dass der Blonde sich wunderte, war Aaron doch ohne dessen Wissen einfach in dessen Bett gekrabbelt. Aber es war schön so direkt bei Merthin wach zu werden und das Wissen im Hinterkopf zu haben, so umarmt geschlafen zu haben, auch wenn er es leider nicht bewusst gemerkt hatte. Aber sein guter Schlaf sprach bereits Bände. "Dann schuldest du mir jetzt ein morgendliches Kuscheln“, antwortete Aaron ebenfalls mit einem Grinsen. Schön dass Merthin nicht böse auf ihn war, sondern im Gegenteil eine Belohnung vergeben wollte, doch natürlich hatte er Recht, sie sollten so nicht gefunden werden. Es gab bereits genug, was diese Leute gegen sie hatten, da musste nicht auch noch dieses Thema dazukommen. Aber der Prinz hoffte, dass sie vielleicht an einem günstigeren Morgen das nun verschobene Kuscheln nachholen könnten. Die Aussicht darauf bescherte Aaron Energie, welche das Negative dieses Dörfchens ein kleines Stück weit aus seinen Gedanken vertrieb. Zumindest solange, bis sich die wütenden Menschen eindrucksvoll in sein Gedächtnis zurückriefen.
 

"Merthin, ich glaube-", wollte Aaron gerade anmerken, dass sie vielleicht erstmal das Dorf verlassen sollten und im Wald nach der Ursache suchen sollten, als es plötzlich an ihrer Tür rüttelte. Es war gut, dass Merthin den Stuhl unter die Klinke gestellt hatte, denn dieser sicherte die Tür gerade gut ab. War nur die Frage, wie sie jetzt aus dem Zimmer hinaus gelangen sollten, immerhin gab es keine weitere Tür zu ihrem Zimmer. Zumindest waren alle Männer vom Platz vor dem Gasthaus hineingelaufen und polterten nun gegen ihre Tür, wobei sie die Fremden dazu aufriefen, die Kinder wieder rauszurücken und sich ihre Bestrafung abzuholen. Es würde gewiss nichts bringen, mit den Leuten reden zu wollen, zu aufgebracht waren die Männer, zu versteift waren sie in der Idee, dass Aaron und Merthin die Schuldigen waren. Sie wollten unbedingt ihre Kinder wieder haben, wollten sie am Leben wissen und beschützen, doch der unbändige Zorn, der das Dorf heimgesucht hatte, ließ sie völlig aus der Bahn geraten. Als die Meute vor der Tür gar anfing, Versuche anzustellen, die Tür gewaltsam einzutreten, stand endgültig fest, dass sie hier nicht bleiben konnten.

Aaron schnappte sich sofort seine Sachen und blickte sich gehetzt im Raum um. Es blieb nur das Fenster zur Flucht. Aber war das nicht zu hoch? Aaron war sich nicht sicher, ob er über das Dach klettern könnte, unter dem sie hier unmittelbar hausten. "Was machen wir jetzt?", fragte Aaron ein bisschen hilflos. Ihre Magie würde wohl auch nicht weiterhelfen, konnten sie doch die Leute nicht einfach angreifen, auch nicht zur Verteidigung. Und ihnen zu zeigen, dass sie Magie beherrschten, würde gewiss nicht dazu beitragen ihre Unschuld zu beweisen.
 

Merthin
 

Der Gedanke, dem anderen ein „Kuscheln“ zu schulden, gefiel ihm und er musste schmunzeln. Zu gerne würde er mit ihm kuscheln… Und vielleicht hätten sie irgendwann auch mal wirklich die Zeit dazu. Jetzt aber gewiss nicht.

Er zuckte etwas zusammen und ergriff sein Schwert, als er die dumpfen Faustschläge gegen die Tür hörte. Dann blickte er zu Aaron. Einen Moment überlegte er. Sicher waren diese Menschen nur deshalb so aufgebracht, weil sie manipuliert wurden. Sie mussten den ausmachen, der das tat. Und dazu mussten sie ohnehin am besten nach oben, um einen Überblick zu erlangen. „Wir müssen nach oben aufs Dach und die Menge ansehen. Der Dämon wird sich unter den Menschen befinden und ihren Hass genießen. Sicher ernährt er sich von ihnen. Wir müssen uns beeilen, sonst wird es immer schwieriger, ihn zu besiegen. Er stärkt sich von dem Hass, der Wut, der Missgunst.“ Mertin war an das Fenster getreten, hatte es nach oben geschoben und den Kopf hinausgestreckt, um nach oben zu blicken, wie sie hier verschwinden könnten. Ihr Zimmer ging zum Hinterhof, in dem sie niemanden erblicken konnten. Nun kehrte er ins Zimmer zurück. „Da ist ein Fenstervorsprung. Auf den müssen wir steigen, um dann die Leiter zum Schornstein hinauf nehmen zu können.“ Er sah Aaron an. „Geh du zuerst. Ich kann die Meute noch aufhalten, falls sie durchbrechen. Wir sollten dann auf den Dächern Richtung Süden laufen. Ich wette, der Dämon hat sich unter das Volk gemischt, um so viel Energie abzusaugen, wie möglich.“ Das Klopfen und Schlagen gegen die Tür wurde immer lauter. „Beeil dich...“, drängte nun Merthin und hielt noch immer das Schwert in der Hand, das er nun fester umgriff, während Aaron hinausstieg und bald darauf fort war. Merthin band ein Seil am Bettpfosten fest und ließ es dann aus dem Fenster. Dann trat er an dieses und kletterte Aaron hinterher. Sie hatten die Pferde noch im Stall. Aber wenn sie den Dämon besiegten, würden sie diese auch wieder abholen können… Aaron war bis zum Dachfirst geklettert und hatte dort gewartet. Unten hörte man nun, wie die Tür barst. Eilig hechtete Merthin vor, packte Aaron und duckte sich mit ihm hinter den Schornstein. So würde sein Plan, die Meute vom Dach abzulenken, hoffentlich funktionieren.

Er spürte, wie sein Herz gegen seine Brust schlug. Und er spürte, wie ihn nur diese kleine Aktion bereits wieder zu ermüden schien.
 

Aaron
 

"Aufs Dach? Aus diesem Fenster?!", wiederholte Aaron in der kleinen Hoffnung, das falsch verstanden zu haben. Doch eigentlich war ihm ja selbst bewusst das es keine andere Möglichkeit mehr gab. Aaron war nicht wie andere Jungs als Kind über Bäume geklettert, hatte somit absolut keine Erfahrung und befürchtete daher hinunterzufallen. Merthins Aufruf zur Eile brachte schließlich Bewegung in ihn. Anstatt hier zu zweifeln, ob er das schaffen könnte, sollte er lieber Merthins Beispiel folgen und es einfach so gut er konnte machen. Es musste einfach irgendwie gehen, eine andere Wahl gab es nicht.

So nickte Aaron entschlossen und kletterte vorsichtig aus dem Fenster, nur um sich dann weiter hinauf auf das Dach zu ziehen. Es war anstrengend und Aaron merkte, dass ihm körperliche Kraft fehlte, die er vielleicht anfangen sollte aufzubauen. Dennoch schaffte er es unter Anstrengung auch das letzte Stück hinauf und wartete oben angespannt und etwas schwerer atmend auf Merthin. Man hörte, wie die Leute drängend gegen das Holz der Tür schlugen, es würde gewiss nicht mehr lange standhalten. Schließlich sah Aaron Merthin ebenfalls hochkommen, während das passierte, was passieren musste; die Tür zu ihrem Zimmer gab nach und ließ die wütenden Einwohner ins nun leere Zimmer stürmen. Aaron folgte überrascht dem Zug von Merthin, hockte sich mit ihm hinter den Schornstein und versuchte dabei so eng wie möglich bei diesem zu sein, einfach aus Sorge, das die Männer ihnen auch hierher folgen würden. Doch war nur zu hören, wie die Männer das Zimmer auseinander nahmen und riefen, dass sie aus dem Fenster geflüchtet wären, doch keiner kam hier herauf. Da Aaron so nahe bei Merthin hockte, spürte er dessen schnellen Herzschlag und legte ihm daher kurz die Hand auf die Brust. Aaron war nicht minder aufgewühlt, aber ein kurzer Moment zum Luft holen ohne Worte war nötig.
 

Merthin
 

Dass Aaron Angst hatte, als er ihn bat, aus dem Fenster zu klettern, um aufs Dach zu klettern, irritierte Merthin erst, dann aber schalt er sich innerlich selbst einen Dummkopf. Aaron war in einer Welt aufgewachsen, in der man solcherlei Dinge nicht tat. Und fast rührte sich wieder sein schlechtes Gewissen, dass er ihm solcherlei Dinge zumutete. Aber sie hatten nun mal keine andere Wahl, so dass er ihn zur Eile rief, damit jener sich bewegte. Es gab gewiss schwierigere Aufgänge, als diesen. Aber Merthin war auch bewusst, dass es für jemanden, der es nicht gewohnt war, in luftiger Höhe herumzuklettern, auch wirklich nicht einfach war. Dennoch begleitete ihn Sorge, als er Aaron verschwinden sah und er war erleichtert, als er oben ankam und jener wohlbehalten auf dem Dachfirst angekommen war. Und umso lieber hielt er ihn fest an sich, während sie sich vor den Blicken der Meute duckten, um Aaron die Zuversicht zu geben, die jener brauchte, um das hier gut zu überstehen. Dass er selbst es war, der eigentlich Energie brauchte, begriff er erst viel später…

Sie warteten, bis es wieder ruhig wurde, dann gingen sie vorsichtig den First entlang, stiegen von Dach zu Dach, den Schreien und Rufen lauschend, die die Dorfbewohner von sich gaben. Offenbar glaubten jene, dass sie sich in Luft aufgelöst hätten, dass sie Zauberer waren, die ihre Kinder auffraßen. Aus allen Informationen, die sie darüber hinaus belauschen konnten, bekamen sie noch eine, die Merthin erschrocken innehalten ließ: in dieser Nacht war noch ein Kind verschwunden – ausgerechnet jenes Mädchen, das mit ihnen gesprochen hatte. Vielleicht hatten die Leute recht und sie hatten Schuld… Seine Zähne knirschten, als sich sein Kiefer wütend schloss. Was war da nur los?!

„Da!“, hörte man ein Rufen. „Da sind sie…“, schrie jemand und Merthin erschrak so, dass er daneben trat und abrutschte. Im Reflex versuchte er sich an irgendwas festzuhalten, bekam aber nichts zu fassen, so dass er die Ziegel des Daches hinabrutschte, bis seine Füße die Regenrinne erreichten und er endlich zum Stillstand kam. Unter ihm liefen die Menschen zusammen. „Nun, so versammeln sich wenigstens mal alle“, dachte er noch, während er überlegte, wie er wieder hinauf zu Aaron käme. In diesem Moment hörte er neben sich auf den Ziegeln etwas aufprallen und blickte hinüber, sah einen Ast, einen Prügel, der kurz auf den Ziegeln tanzte, bevor er wieder hinunterkullerte. Ein Glück, dass der ihn nicht getroffen hatte…

Langsam begann er mit den Fingern zu tasten, ob er irgendetwas greifen könnte. „Aaron!“, rief er, ohne jenen anzusehen, um keine falsche Bewegung zu machen. „Schau, ob du jemanden ausmachen kannst, der sich auffällig verhält…“, wies er ihn an und hielt einen Moment inne, als er etwas hörte, was nicht gut war. „Ihr Bastarde! Gebt mir meine kleine Lisbeth wieder!“ Merthin schloss einen Moment die Augen – zumindest bis knapp neben ihm, wieder etwas gegen das Dach prallte. Die Mutter und der Vater des Mädchens schienen hier zu sein. „Wieso nehmt ihr uns beide Kinder weg? Warum lockt ihr sie mit Süßem? Sind sie im Zuckerwald? Gebt sie uns zurück!!!“ Offenbar hatte die Kleine ihren Eltern auch von jenem Weg erzählt. Merthin blickte nach unten und sah, dass das Vordach eines Ladens nicht weit war. Vielleicht sollten sie sich trennen?
 

Aaron
 

Sie setzten ihren Weg über das Dach langsam fort und Aaron hatte gerade vorsichtig den Gedanken zugelassen, das alles nochmal gut gegangen zu sein schien, als er plötzlich den lauten Ruf hörte, der deutlich machte, das sie entdeckt worden waren. Der Prinz wandte soch zu Merthin um, sah dabei, wie dieser am abrutschen war. Sofort beugte er sich vor und angelte nach Merthin, bekam ihn aber nicht mehr zu fassen. "Merthin, nein!", rief Aaron dabei erschrocken und musste zusehen, wie Merthin fast gänzlich vom Dach rutschte. Zum Glück bekam er gerade noch Halt, was Aaron aber nur bedingt erleichterte. Sogleich ging er vorsichtig in die Hocke und blickte besorgt zu Merthin. Dabei huschte sein Blick über das Dach direkt bei Merthin, um vielleicht etwas zu entdecken, was dem Blonden helfen könnte, wieder hoch zu klettern. Aaron konnte ihn von hier oben nicht erreichen und machte deshalb einen vorsichtigen Schritt die Schräge hinab, versuchte dabei möglichst nicht zum Boden zu gucken. Nicht nur, weil er sonst Angst wegen der Höhe bekäme, sondern weil dort auch die vielen Leute versammelt standen, die ihnen an den Kragen wolllten. Fast einen Augenblick später schlug etwas neben Merthin auf das Dach. Die Leute begannen Merthin zu bewerfen, was Aaron doch sehr besorgte und er mehr versucht war, zu Merthin zu gelangen. Das nun noch ausgerechnet das Mädchen von gestern verschwunden war, erschreckte auch Aaron. Aber das war nicht ihre Schuld...! Hoffentlich stimmte Merthins Vermutung und der Weg führte zu jemanden, der helfen wollte und nicht direkt in die Falle dieses Dämonen, der das Dorf bereits vollständig unter seiner Kontrolle hatte. Was war eigentlich mit dieser besagten Kräuterhexe...? Wie passte sie ins Bild?

Aaron hielt erst in seiner Bewegung und Gedanken inne, als Merthin ihn ansprach. Sollte Aaron nicht lieber zusehen, dass er Merthin half? Danach konnten sie immernoch nach dem Übeltäter Ausschau halten, welcher gewiss nicht so schnell verschwinden würde, wo der Zorn der Leute doch gerade überlief und er damit ziemlich viel Nahrung von ihnen bekam. Dabei ließ Aaron außer Acht, dass dies gleichzeitig bedeutete, dass der Dämon immer stärker wurde, mit jedem bisschen mehr Wut, die er sich von den Dörflern zog. Aber das alles wäre eh nichtig, wenn Merthin jetzt abstürzen und sich schlimm verletzen würde.

Wieder wurde etwas gegen das Dach geworfen, weswegen Aaron vor Schreck fast ebenfalls das Gleichgewicht verloren hätte. Aaron konnte sich einfach nicht darauf konzentrieren, den Dämon zu suchen, wenn er die ganze Zeit um Merthin besorgt war. Es brauchte eine schnelle Lösung und Aaron wurde gerade klar, das er Zeit damit verschwendete hier zu hocken und sich zu überlegen, was er machen sollte. Es brachte jedenfalls nichts, Merthin brauchte magische Hilfe, zumindest sah Aaron keine andere Möglichkeit mehr. Nicht weit von ihm stand das nächste Haus, dessen Vordach für Merthin vielleicht erreichbar war, aber bekam Merthin wirklich genug Schwung, um es dort rüber zu schaffen? Mit Aarons Hilfe hoffentlich schon. So legte Aaron seine Hand auf die Dachziegel und ließ Magie fließen, welche ihm anstandslos gehorchte. Blitzschnell stob eine Eisfläche von Aarons Hand ausgehend das Dach entlang, an Merthin vorbei und als schmaler Eispfad rüber zum Dach des Geschäftes. Das Dach des anderen Hauses lag etwas abschüßig, sodass Merthin sich nur am Eissteg festhalten müsste, um hinab zu rutschen und dann hoffentlich sicher auf dem Vordach zu landen, um von dort ganz hinab zum Boden gelangen zu können.

Im nächsten Moment wurden die Stimmen in der Meute lauter und Aaron blickte kurz zu diesen hin. Zwei Mütter waren augenscheinlich ohnmächtig umgekippt, vor Erschöpfung und fehlender Energie, die sich der Dämon bereits einverleibt hatte. Als sie die Magie von Aaron gesehen hatten, hatte sich ihre Wut vergrößert, ihre Angst um die Kinder verstärkt, für einige zartere Gemüter scheinbar zu viel, sog der Dämon doch immer gieriger die Energie der Leute ab. Jetzt wurde es langsam wirklich dringend, weshalb Aaron sich nun wieder erhob und damit einen guten Überblick über alle hatte. Da Merthins Lage für Aaron nicht mehr so aussichtslos schien wie eben noch, konnte er seine Gedanken besser auf das Finden des Übeltäters fokussieren.

Fest biss sich Aaron auf die Lippen, als er schließlich den Blick von Merthin abwandte und durch die Menschenmenge blickte. Aufgeregt liefen sie durcheinander, warfen noch immer Sachen zum Dach, schimpften und schienen nun fast gänzlich außer Rand und Band. Schließlich entdeckte Aaron einen Mann, welcher ein Stück Abseits der Meute stand und von dem keiner Notiz zu nehmen schien. Um ihn herum schien es dunkel zu wabern und sein Grinsen war unnatürlich verzerrt. "Hab ihn!", rief Aaron automatisch, deutete zu ihm hin und sogleich richtete sich die Fratze des Dämons auf ihn, was Aaron ganz schön schaudern ließ. Der Dämon hatte sich voll gesogen mit Bosheit und war offensichtlich noch nicht satt. Der Dämon zuckte nur einmal mit dem Kopf und im nächsten Moment entstand eine gewaltige dunkle Energiewelle, welche auf Aaron auf dem Dach zuflog. Sie war praktisch nicht zu sehen, einzig dunkle Nebelschwaden flogen durch die Luft und alles in deren Weg wurde fort geschleudert. Einige Dachziegel flogen vom Dach, als die Energiewelle über dieses hinter den Schornstein flüchten können. Auch er musste vom Dach runter, wenn er nicht am Ende selbst hinunter fallen wollte.

Der Dämon hatte inzwischen aber auch Merthin entdeckt und warf ihm mit seiner dämonischen Fratze einen herausfordernden Blick zu, dabei noch immer voller Überlegenheit grinsend.

"Habt ihr mich endlich gefunden? Ihr seid viel zu spät dran!", flüsterte der Dämon zwar bloß, aber dennoch gelangten diese Worte bishin zu Merthin und auch zu Aaron auf dem Dach. Der Dämon schien eine immense Kontrolle über die vom Nebel in der Luft liegenden Wassertröpfchen zu haben, dass sie gar Töne über weite Strecken transportieren konnten. Das könnte jedenfalls eine Erklärung für viele der Dinge sein, die ihnen der Händler erzählt hatte, was hier Gruseliges vor sich ging. "Ihr könnt mich nicht mehr aufhalten!", rief der Dämon nun laut, was die Tröpfchen in der Luft vibrieren ließ und es daher schon ziemlich in den Ohren weh tat. "Aber versucht es ruhig, ihr unterhaltet mich bisher so exellent. Bestimmt wollen auch die Kinder eine kleine Show sehen", fügte er wieder leise und herausfordernd hinzu. Dann verschwand der Dämon in einem dichten Nebel, den er um den Platz hervorbrachte.

Hatte Aaron das gerade richtig verstanden? War der Dämon auf den Weg zu den verschwundenen Kindern? Dieser Dämon war durchgedreht und machte das alles nur aus Spaß, umso wichtiger war es, ihn aufzuhalten. Zumindest wussten sie nun, wo sie den dämonischen Übeltäter suchen mussten; im Wald, hinter dem Zuckerweg. Und das so schnell wie möglich.

Kurzentschlossen ließ sich Aaron über seine eigene Eisspur hinab rutschen, wobei er schon ordentlich Herzklopfen hatte vor Angst zu fallen. Doch das Eis unter seinen Füßen gab ihm Halt, sodass er es unbeschadet rüber schaffte und auf das Vordach hinabsprang. Zum Boden war es aber noch ein Stück weiter hinab, was Aaron wieder stocken ließ. Er schloß die Augen, zählte innerlich bis drei und hüpfte dann auch hier hinunter in der Hoffnung, gut zu landen.
 

Merthin
 

Jetzt begriff er, dass er Energie bräuchte, Aarons Energie - aber da hing er bereits am Dach, kurz davor, hinab zu stürzen, wenn er eine falsche Bewegung machte. Er sah, dass Aaron Angst hatte und hoffte inständig, dass jener keine Dummheiten machte, nur um ihn zu retten. Der Prinz schien besorgt, aber auch verwirrt. Die ganze Situation war noch immer undurchsichtig. Ob hier wirklich jener Dämon war, war fraglich. Auch ihre Vermutung, die Kinder seien verschwunden, um sie vor dem Zorn der Eltern zu schützen, war noch lange nicht bestätigt. Umso wichtiger war es, dass sie weiterkämen, dass Aaron zusah, denjenigen zu finden, den sie bekämpfen mussten. Allerdings schien Aaron das anders zu sehen. Merthins Blick verdüsterte sich. Wieso musste er ihn retten, wenn es doch wahrlich Wichtigeres gab? Er sah, wie Aaron die Energie fließen ließ, wie das Eis sich seinen Weg bahnte, spürte als bald dass er dadurch stabiler stand, dass er leicht angefroren war an der Stelle, an der seine Füße standen und sich die Brücke festigte. Und doch merkte er auch etwas anderes: er spürte selbst nichts. Normalerweise spürte er innerlich immer, wenn Aaron Magie verwendete. Aber diesmal? Nichts! Merthin war vollkommen irritiert und blickte schließlich fragend auf, als Aaron endete. Dieser schien sich aber nun endlich der Aufgabe zu widmen, die entscheidender war.

Merthin blickte sich nach hinten um, sah, wohin die Brücke führte. Mit aller Kraft rief er nun seine Magie, spürte, wie ihm ein wenig wärmer wurde, aber es dauerte etwas, bis seine Füße freikamen. Was war nur mit seiner Kraft los? Verlor er sie gerade? Irgendetwas stimmte hier doch nicht! Als Aaron rief, dass er den Dämon gefunden habe, blickte er wieder auf, folgte automatisch dem Blick des anderen. Und dann sah er ihn auch. Das hämische Grinsen des Dämons stach aus der Menge hervor. Aals sich ihre Blicke trafen, schien es Merthin, als würde ihm jegliche Energie ausgesaugt werden, die er besaß. Das Eis schien nicht weiter zu schmelzen, die Flamme in ihm schien, wie gelöscht. Merthin stutzte. Wieso hatte er nicht viel früher daran gedacht? „Kraft“, wisperte er leise, kraftlos. Da spürte er, wie Energie von Aaron wieder zu ihm drang, weniger als zuvor, aber immerhin. Etwas schien sie und ihre Verbindung zu blockieren. Oder war ihre Verbindung einfach nicht stark genug? War sie zu angreifbar? Sie waren zusammen, waren vereint… aber irgendwie schien diese Verbindung noch nicht so fest zu sein, dass sie nicht gestört oder unterbrochen werden konnte. Ob der Dämon dazwischenfunkte? Er blickte wieder auf, sah jenen an und duckte sich in der nächsten Sekunde weg, die Energie fühlend, die jener auf sie zuließ. Energie vollgefüllt mit Zorn und Hass, Wut und Gewalt. Merthin traf es heftig und erneut fühlte er sich kraftloser. Aarons Energie hielt ihn aber noch immer an den Füßen. Er musste hier herunter, dringend!!! Er erzitterte, als er die dämonische Stimme vernahm, spürte Hoffnungslosigkeit in ihm hinaufkriechen. Aber was der Dämon sagte, durfte nicht sein. Es war anders bestimmt. Der Blonde konzentrierte sich auf seine Energie, wärmte seine Füße und löste sich endlich von der Brücke aus Eis.

Dann rutschte er hinunter auf das Vordach des Ladens und hechtete von dort hinunter auf den Platz. Dort sah er, dass Aaron ihm kurze Zeit später gefolgt war. Die Meute würde nicht lange auf sich warten lassen. Er blickte sich kurz um, merkte, dass sie bereits am Rande der Stadt angekommen waren. Dann sah er hinauf. Gerade rechtzeitig, um Aaron aufzufangen, der blind hinabsprang. Merthin schüttelte grinsen den Kopf. „Schade, dass du dich immer nur in ungünstigen Situationen in meine Arme fallen lässt, mein Herzblatt“, sagte er mit einem Grinsen auf den Lippen. „Entweder, wenn ich selig schlafe oder eine Horde fremdgesteuerter Menschen hinter uns her ist…“ In diesem Moment hörte er Musik und drehte sich abrupt um. Jetzt begriff er endlich, was mit dem Zuckerweg gemeint sein könnte… Es war ein Brunnen, der am Wegesrand stand und dessen Becken mit Wasser gefüllt war. Zu jeder Stunde ergoss sich das Wasser und löste damit ein Glockenspiel aus. Gleichzeitig offenbarte die kippende Schale den Blick auf eine Skulptur, die einen Regenschirm darstellte, aber eigentlich eher aussah wie eine zu große Zuckerstange… In der Phantasie der Kinder konnten all diese Dinge eine andere Bedeutung haben, als die, die man selbst hatte. Merthin musste fast selbst lachen, als er endlich begriff. „Aaron!“, sagte er halblaut. „Sieh… Er zeigt in diesen Wald. Ich denke, dort sollten wir weitermachen…“ Er sah den Prinzen an, der seinem Blick gefolgt war und in diesem Moment sah er die Fratze des Dämons. Jener war auf den Platz gekommen, war vor der Meute hier und lockte sie sicher hinter ihnen her. „Ihr habt mir endlich verraten, wohin ich gehen muss…“, zischte er und rannte los. Merthins Augen weiteten sich panisch. Hatten sie gerade einen großen Fehler begangen? Wie konnte es sein, dass der Dämon den Weg nicht kannte. Hatte er also wirklich nichts mit dem Verschwinden der Kinder zu tun? Merthin schluckte. „Wir müssen hinterher! Schnell!“
 

Aaron
 

Eigentlich hatte Aaron eine unsanfte Landung erwartet, doch spürte er bloß kräftige Arme, die ihn auffingen. Sogleich öffnete er seine Augen wieder und blickte direkt in die von Merthin. Kurz nutzte er die Gelegenheit seine Arme um dessen Nacken zu schlingen und sich seine Worte anzuhören. "Das macht doch erst den Reiz aus, findest du nicht?", antwortete Aaron scherzhaft mit einem Grinsen. Es hatte ihn verlegen gemacht, dass Merthin 'Herzblatt' gesagt hatte, auch wenn er es nur im Scherz gesagt hatte. Aber irgendwie klang es schön, derartige Spitznamen zu hören, fühlte er in diesem Moment doch wieder bewusst, dass sie eben mehr als Freundschaft verband. Die witzige Antwort sollte auch etwas über die Verlegenheit hinweg täuschen.

Das Gespräch aber konnten sie eh nicht weiter führen, da Merthin schließlich der entscheidende Hinweis auffiel. Aaron folgte der Deutung und erkannte den Zusammenhang fast im selben Moment. Aaron öffnete seine Lippen, um Merthin für seine Entdeckung zu loben, da mischte sich bereits wieder der Dämon ein, der auch erst jetzt zu begreifen schien. Hatte er nicht gewusst wo die Kinder waren? Dann war es doch wer anderes gewesen, der die Kinder fortgelockt hatte? Leider waren die Kinder jetzt nicht mehr sicher, da sie beide gerade ungewollt dieses Geheimnis des Zuckerwegs an den Dämonen verraten hatten. "Ja, schnell!", stimmte Aaron zu und lief mit Merthin los, griff sich seine Hand, um ihre Energien zu nutzen, vor dem Dämonen anzukommen. Aaron hatte keine Sorgen, dass sie sich verlaufen würden. Der Weg war für Kinder gemacht, durfte dementsprechend auch nicht zu kompliziert sein.

Die Kräuterhexe

Merthin
 

Der Wald war feucht und neblig, obwohl die Sonne bereits aufgegangen war. Merthin hustete, spürte wie er kraftlos war, aber er zwang sich, weiter zu rennen. Aaron ergriff irgendwann seine Hand, wodurch es besserging. Aber der Gedanke, dass etwas ihre Verbindung blockierte, blieb. Vorsichtshalber hatte Merthin sein Schwert gezückt und ihr Weg führte sie tiefer und tiefer in den Wald. Die kalte Spur des Dämons war deutlich zu spüren. Dennoch wusste Merthin nicht mehr, ob sie wirklich richtig waren. Gerade wollte er seine Unsicherheit aussprechen, als sich der Wald lichtete und sie auf eine Wiese kamen. Die Sonne schien, der Nebel lichtete sich und gab auf einen Ort der Ruhe den Blick frei. Denn auf der Lichtung stand ein großes altes Bauernhaus, in dessen Garten viele Spielsachen zu sehen waren.

Sie drosselten das Tempo, blieben schließlich stehen und blickten zu dem Haus. In diesem Moment hörte man ein gellendes Schreien. Das Schreien kleiner Kinder. Merthin schluckte. „Was will er mit den Kindern?“, fragte er wütend. „Wir müssen hinein! Er wird ihnen sonst etwas antun!“ Angst breitete sich in seiner Brust aus, Angst und große Wut. Der Gedanke allein an dieses Mädchen, das ihn mit Knopfaugen angesehen hatte, voll Hoffnung, sie könnten ihr helfen… Sie hatten es versprochen! Ohne weiter nachzudenken, ließ er Aarons Hand los, umfasste den Griff seines Schwertes fester und rannte wutentbrannt auf das Haus zu. Noch bevor er dort war, trat eine ältere Frau hinaus. War das die Kräuterfrau? Etwas Dunkles umgab sie, etwas Böses. Merthin hielt inne, blickte auf die Frau. Ob doch sie das Übel war? Im Moment sah es danach aus. Aber wieso hatte der Dämon dann vorhin nicht den Weg gewusst? Wie hing das alles miteinander zusammen? Wie konnte das sein? Mit einem Mal erklang ein höhnisches Lachen. Merthin atmete schwer, spürte wieder, wie die Kraft nachließ. Er würde sich beeilen müssen, wenn er effektiv kämpfen wollte. Lange würde er nicht mehr aushalten… Sein Feuer erlosch schon wieder. „Wenn ich die Kinder erst getötet habe, dann werde ich lange von dem Hass der Eltern leben können!“, lachte die Frau. Mit einem Aufschrei lief Merthin los, auf die Frau zu. Er hob das Schwert, wollte die Frau bekämpfen, als er mit einem Mal ein Gesicht am Fenster sah. Ein Gesicht, das ihm wohlbekannt vorkam, das ihn mit großen Rehaugen ansah und ihm deutlich machte, dass es nicht die Frau war, die er bekämpfen durfte. Er sah es gerade rechtzeitig, damit er die Bewegung stoppen konnte. Die Wut auf den Dämon, dass er sich an Kindern vergehen wollte, hatte ihn überrannt, hatte ihm den Blick auf das Wesentliche genommen. Er war dem Dämon geradewegs in die Falle gelaufen. „Na, kleiner Feuermagier? Bist du schon am Ende deiner Kräfte?“, hörte er die zischelnde Stimme. „Feuer schmeckt einem Wasserdämon wie mir besonders gut… Hass und Feuer ernähren mich am besten…. Und dein Feuer ist voll Wut und Verzweiflung… Einfach zu köstlich!“ Merthin blickte in das Gesicht der Frau und wusste nicht, was er tun sollte. Denn eines war ihm gerade mehr als sicher geworden: mit Magie würde er hier gar nichts erreichen – mit dem Schwert aber auch nicht.

Und diese Erkenntnis war es, die ihn mehr als angreifbar machte. Denn nun erhob der Dämon seine Hand, packte ihn am Hals und hob ihn spielend leicht in die Höhe.
 

Aaron
 

Trotzdessen, dass Aaron Merthins Hand hielt und mit ihm durch den Wald lief, wie sie es zuvor bereits getan hatten, fehlte ihm das Gefühl von Merthins Magie in sich. Die Wärme an der Hand war spärlicher als sonst, der Austausch ihrer Magie, der Fluß durch ihre beiden Körper verlief stockend. Aaron fühlte seine eigene Magie ganz deutlich in sich, fühlte, wie sie versucht war Merthin zu erreichen, aber nicht in dem Maße durchdrang, wie er es gewohnt war. Es steigerte Aarons Besorgnis, sie standen sich doch näher als je zuvor, wieso dann diese Blockade? Hatten sie etwas übersehen, oder falsch gedeutet? Sie würden das - nachdem die Kinder gerettet waren - zusammen herausfinden müssen. Eines stand aber schon fest: es würde schwieriger werden den Dämon zu besiegen. Dennoch war Aaron entschlossen und er wusste, dass auch Merthin sein Bestes gab.

Nur einen Augenblick später erreichten sie eine Lichtung, in deren Mitte die Sonnenstrahlen auf ein altes Bauernhaus schienen. Dennoch lag das Haus in einem dunklen Schatten. Hier müssten sie richtig sein. Ein Blick zu den Fenstern des Hauses bestätigte dies, dort blickten nämlich kleine Kinderaugen hinaus, ängstlich, aber auch neugierig was geschehen würde. Hinaus kam aber nicht der Mann von eben, den der Dämon magisch als Gefäß seines wahren Selbst geformt hatte, sondern eine ältere Dame. Sie war umgeben von ebenso dunklen Schatten, der sich wie ein Schleier um sie gelegt hatte. Sie stand unter der Kontrolle des Dämons, war aber nicht das Übel selbst. Merthin aber sah sich ganz offensichtlich genötigt zu handeln, ohne dass Aaron ihn davon hatte abhalten können. "Warte!", rief Aaron nur hinter Merthin her, folgte ihm einige Schirtte, doch Merthin hielt noch rechtzeitig von selbst an, stand nun aber gefährlich nahe vor der Frau. Nur weil sie nicht der Dämon selbst war, war sie nicht minder gefährlich. Sie wusste nicht mehr, was sie tat, war mit dem Dämon verbunden, der ihr Kraft verlieh. War sie ein Werkzeug für ihn? Dass es den Kindern aber soweit noch gut zu gehen schien, passte da jedoch nicht ins Bild. Oder war sie stark genug gewesen die Kinder vor den dämonischen Kräften zu schützen, die sie befallen hatten?
 

Erst als diese teuflische Gestalt durch die Frau preisgab, dass er ein Dämon des Wassers war, begann Aaron zu verstehen. Merthin wurde ebenso die Kraft geraubt wie den Menschen hier auch, nur dass der Dämon bei ihm seine Feuermagie entzog und damit begonnen hatte, auch bei ihm Zorn zu schüren. Zorn auf diejenigen, die die Kinder bedrohten. Merthin war als Feuermagier ein gefundenes Fressen und ein wütender, zorniger Feuermagier musste das Sahnehäubchen auf des Dämons Menüplan sein. Hinzu kam, dass dieser Dämon unbändige Freude daran hatte zu sehen, wie Menschen wüteten und schließlich hilflos ohne Kraft zu seinem Spielball wurden. Aaron ballte seine Hände zu Fäusten, wie schnell der Dämon die Schwächen eines jeden erkannte und diese ausnutzte war unverzeihlich.

Gerade hatte Aaron dies mit Schrecken gedacht, da packte der Dämon seinen Freund am Hals, was an sich schon unangenehm genug sein dürfte, doch dann hob er ihn zusätzlich in die Lüfte, demonstrierte damit, dass die Frau nicht nur unter dem Einfluss des Dämons stand, sondern komplett von diesem gesteuert wurde. Wie sonst sollte eine so zarte, ältere Frau genügend Kraft aufbringen, um einen kräftigen jungen Mann wie Merthin einzig mit einer Hand am Hals in die Lüfte zu heben und dort scheinbar ohne Probleme zu halten? Aber es war sicherlich nicht die Zeit, sich über diese Frage Gedanken zu machen.

Aaron dachte nicht mehr nach, er hob seine Hände, streckte sie der Frau entgegen und pustete kräftig gegen beide Handrücken. Die eisige Kälte, die sich um seine erhobenen Hände gebildet hatte, wurde nun mit hoher Geschwindigkeit zur Frau geweht, deren lange Haare und Kleidung im kalten Wind wehten. Aaron hoffte sie so dazu zu bringen, Merthin loszulassen, denn sie richtig anzugreifen wäre das letzte Mittel. Mit einem kleinen Schrecken stellte Aaron fest, dass er sehr wohl gewillt war, die Frau härter anzugreifen, wenn er Merthin damit beschützen könnte. Aber die Frau war nicht sie selbst, sie zu verletzen wäre der falsche Weg. Für Merthin aber....
 

Die besessene Waldbewohnerin ließ sich davon aber nicht beeindrucken, lachte bloß und verstärkte nur ihren Griff an Merthins Hals, grinste dabei und über ihrem Gesicht blitzte das dämonische Antlitz auf, das von ihr Besitz ergriffen hatte. "Oma!", war recht plötzlich leise von den Fenstern zu hören, die Kinder im Haus wollten auch, dass sie aufhörte. Für einen kurzen Moment verschwand das dämonische Grinsen und waberte dunkel um sie herum. Aaron nutzte die Gelegenheit auf den dunklen Wassernebel zuzulaufen, doch kämpfte sich der Dämon bereits in ihren Verstand zurück. "Nicht so schnell!", rief sie und schleuderte Merthin dann mit Wucht gegen Aaron, welcher den Blonden zwar fing, aber nicht genügend Kraft hatte, um auch die Wucht abzufangen. Aaron fiel, Merthin landete quer über ihm, doch bekam Aaron keine Gelegenheit, irgendwas zu machen, denn da war der Dämon bereits in seiner eigentlichen Form, einem verzerrten Bild eines Menschen, vor sie getreten. Er lachte, schnippte mit den Fingern und warf dann eine ganze Strömung Wasser direkt in Aarons und Merthins Richtung, wodurch sie mitgerissen wurden und ganz nach dem Willen des Dämons über den Boden geschwemmt wurden. Aaron versuchte Merthin festzuhalten, doch der Wasserstrahl war so immens stark, dass er den Halt komplett verlor. Sie wurden getrennt, da half es leider auch nichts, dass Aaron Merthins Namen rief. Sie rollten über den Boden, dann kam Aaron zum Liegen, aufstehen konnte er nicht. Es war, als würde das Wasser wie Tentakel um seine Beine fließen, ihn festhalten und ihn am sich bewegen hindern.

Während der Wasserstrahl Aaron einzig in Schach zu halten schien, wurde Merthin weiter vom Dämon mit Wasser befeuert. Von jedem weiteren Treffer mit dem Wasserstrahl wurde Merthin erneut umher geschleudert, über den Boden geschliffen und wie Spielzeug mitgerissen. "Stop!", rief Aaron verzweifelt und er merkte schon, wie seine Magie im Inneren anfing, sich zu sammeln. Aaron spürte sein Herz dabei immer schneller pochen. Nicht nur, weil sein Körper voller Adrenalin gepumpt war, sondern weil auch die Magie in ihm anstieg und er Angst um Merthin hatte. Aaron spürte es deutlich. Mit jedem Herzschlag stieg seine Magiekonzentration, während er auf Merthin blickte, dem er verzweifelt helfen wollte. Unbedingt. Jetzt.

Mit dem nächsten Wasserstrahl, der Merthin traf, zuckte Aaron zusammen und schlug mit der Hand gegen die Wasserschläuche, die ihn hielten, woraufhin diese sofort gefroren. "Du wirst Merthin nichts mehr antun und allen anderen Menschen auch nicht!", entkam es Aaron laut und klar. Das schien den Dämonen nicht zu passen, erst recht nicht, dass nicht alles genau nach seinem Plan verlief. Er verzog sein Gesicht dennoch zu einem amüsierten Grinsen, glaubte er doch trotzdem nicht daran, dass er aufgehalten werden könnte. "Dann halt mich doch auf, Anfänger", wisperte er belustigt und stürmte dann umgeben von Wasser auf den am Boden liegenden Merthin zu. Aarons Blick wurde erschrocken. Nicht wieder auf Merthin!! Sofort und ohne nachzudenken, sprang Aaron auf, hechtete zu Merthin und erreichte ihn knapp vor dem Dämon. Aaron stellte sich breitbeinig über Merthin, ein Fuß links von dessen Körper, der andere Fuß rechts vom Blonden, dann riß er bloß noch die Hände hoch, mit dem innigsten Wunsch Merthin zu beschützen. Einen Plan hatte Aaron überhaupt nicht und auch nicht mehr genug Zeit sich was zu überlegen. Der Dämon durfte Merthin einfach nicht weiter weh tun! Kurz bevor der Dämon sie beide erreichte, geschah doch noch etwas, das ohne Aarons bewusstes Zutun passierte. Mit Aarons nächstem Herzschlag pochte seine Eismagie ruckartig aus seinem Körper hervor, füllte die Umgebung mit so eisiger Kälte, dass sofort das Wasser gefror, das den Wasserdämonen umgab, was diesen kurz überraschte. Diesen Moment nutzte Aaron, indem er mit der Hand reflexartig direkt in den dunklen Nebel fasste, welcher daraufhin genauso zu gefrieren begann, wie sein magisch erzeugtes Wasser zuvor. Das Eis breitete sich von innen aus, erfasste schließlich den ganzen Nebel und ließ auch den Dämonen erbost und zornig schreiend komplett zu einer verzerrten Statue gefrieren.

Aaron stand noch einen Moment angespannt dar, als würde er erwarten, dass gleich doch noch was kam, doch einige Augenblicke passierte gar nichts, bis die Eisstatue vom nebligen Dämonen plötzlich zersplitterte. Überrascht schaute Aaron auf die schuldige Person; die befreite Kräuterfrau hatte sich eine Schaufel geschnappt und das Eis von hinten zerschlagen. Damit dürfte der Spuk endlich ein Ende haben.

Erschöpft ließ sich Aaron hinab sinken, nicht mehr dran denkend, wie seine Position gewesen war, weshalb er nun auf Merthins Beinen zum sitzen kam. Aber das zählte gerade nicht, Aaron sorgte sich noch immer um Merthin, über den er sich sogleich auch mit dem Oberkörper beugte. Seine Augen wanderten Merthins Gesicht und Oberkörper ab, seine Hände fassten ihm an die Wangen, die kleinere Kratzer aufwiesen. "Merthin, bist du verletzt? Hast du schlimme Schmerzen?", fragte Aaron aufgebracht vor Sorge und zog etwas ungestüm, da das ganze Adrenalin noch durch seine Adern floß, dessen Hemdkragen beiseite, um sich die Handabdrücke an dessen Hals genauer anschauen zu können. Der Blonde hatte blaue Flecken am Hals von den Fingern, die deutlich zu sehen waren. Aaron biss sich auf die Lippen, strich vorsichtig über diese Rückstände, spürte dabei wie seine Finger zitterten. "Kannst du aufstehen?", fragte er ihn schließlich, ohne sich von diesem runter zu bewegen. Die Kräuterfrau hatte einen Moment zugesehen, sich dann aber abgewandt und war zurück zum Haus zu den Kindern gegangen, die sie nun alle in den Arm schloß und beruhigend zuredete.
 

Merthin
 

Die eiskalte Luft, die auf ihn einströmte, ließ Merthin aufschreien, doch sein Schrei wirkte erstickt. Wieso konnte er Aarons Magie nicht in sich aufnehmen? Wieso schmerzte sie ihn? Wieso erschien es ihm gerade so, als würde auch diese Magie, die ihm sonst so viel Gutes gab, gegen ihn arbeiten? Wo lag der Fehler? Wieso wirkte der Energiefluss nicht mehr? Wieso war die Verbindung von seiner Seite her getrennt? – Doch genau diese Frage war es, die ihn auf die Antwort brachte: weil er auf Abstand gegangen war! Er hatte sich zurückgezogen, um nicht zu fordernd zu werden. Dabei hatte er eine Barriere aufgebaut, die der Dämon vermutlich gerade freudig ausnutzte… Er schluckte, spürte, wie die Hand fester und fester an seinem Hals drückte. Er wollte schreien, konnte es aber nicht. Seine Hände hatten sich um den Arm, der ihn hielt gelegt, doch waren kraftlos. Er versuchte zu treten, aber auch das half nichts. Er merkte, wie ihm mehr und mehr die Luft ausging, wie seine Lebensenergie nachließ. Er sah, wie Aaron überlegte, wie er handeln konnte, ohne die Frau zu verletzen. Denn dass diese nicht dafür verantwortich war, sondern vielmehr die Kinder zu schützen versuchte, war mehr und mehr klar. Doch es war eine schier aussichslose Situation. Merthin hatte viel zu viel Energie verloren, hatte sie dem Dämon hingeworfen, Aaron wollte die Frau zurecht nicht verletzen und der Dämon sog daraus mehr und mehr Kraft für sich. Merthin wollte gerade mit dem Aufgebot seiner letzten Kraft sich noch einmal versuchen zu wehren, als eine Kinderstimme erklang und der Dämon innehielt… Oder war es die Frau? Besaß sie die Kraft, dem Dämon Einhalt zu gebieten?

In diesem Moment kam Bewegung in Aaron und auch Merthin wollte sich befreien. Doch der Dämon war nicht besiegt und schleuderte ihn auf Aaron zu. Er versuchte noch, sich so zu drehen, dass Aaron nicht gänzlich von ihm umgerissen wurde, doch es war zu spät. Gemeinsam gingen sie zu Boden. Sein Körper sackte zusammen, japsend sog er die Luft ein, die nun wieder in seine Lungen strömte, doch der Schmerz an seinem Hals ließ ihn keuchen. Rasselnd sog er Luft ein, das seltsame Geräusch verriet ihm, dass der Druck auf seinen Hals irgendetwas bewirkt hatte. Er bekam auch weierhin schlecht Luft. Ihn schwindelte, als er versuchte sich aufzurichten. Aber schon schoss ein Wasserstrahl auf sie zu, schleuderte ihn von Aaron hinunter, so dass er etwas weiter vom anderen liegenblieb. Er hörte Aarons Ruf, doch war unfähig sich zu rühren. Er hatte genug damit zu tun, genug Luft zu bekommen…

Das Wasser brannte auf seiner Haut, schmerzte ihn zudem und schien ihm jegliche Kraft zu nehmen. Wie betäubt spürte er, wie das Wasser nun begann sein Spiel mit ihm zu spielen. Wie ein willenloser Spielball wurde er von den Fontänen durch die Luft geschubst. Er stieß sich, schürfte sich die Haut auf, knallte hart auf den Boden, so dass sein Fußgelenk verdreht wurde. Merthin versuchte zu schreien, aber nur ein heiseres Krächzen war zu hören. Hilflos hob er die Arme, versuchte seinen Kopf vor einem Aufprall zu schützen. Hoffentlich war das einfach bald vorbei…

Als er Aarons Stimme hörte, regte sich etwas in ihm. Aaron… Nein, er durfte nicht einfach denken, dass es bald vorbei sein sollte. Er musste ihm doch helfen… Er musste für ihn da sein! Er musste nachholen, was er ihnen verwehrt hatte… Er hob träge den Kopf, versuchte zu schauen, wo sein Freund war und sah, wie jener sich, von seinen Fesseln befreit hatte und sich dem Dämon stellen wollte. Doch der schien Aaron nicht ernst zu nehmen und wollte gerade erneut ihn malträtieren, als der Prinz zu ihm hechtete, sich schützend über ihn stellte. Merthin drehte sich auf den Rücken, blickte Aaron an, der ihn beschützen wollte. „Vereinigung und Sicherheit!“, sagte er lautlos, schrie er in Gedanken. Und vielleicht half es ja, denn im nächsten Moment schien jener über sich selbst hinaus zu wachsen, griff den Dämon direkt an und ließ ihn zu Eis gefrieren. Vollkommen erstaunt ob der Kraft, die jener aufbrachte, blickte er nach oben. Ein zufriedenes und auch dankbares Lächeln legte sich auf Merthins Lippen und er schloss einen Moment die Augen, noch immer zischend atmend, froh darüber, überhaupt Luft zu bekommen. Als er den heftigen Schlag hörte, das Splittern des Eises, riss er jedoch wieder die Augen auf. Hatte sich der Dämon befreit? Hatte er die Fesseln des Eises sprengen können? Doch es war die Frau, die vermeintliche „Kräuterhexe“, die letztlich den Dämon bezwang. Das Eis splitterte umher und löste sich noch im Flug in Rauch auf. Der Dämon war eindeutig besiegt. Merthin blickte irritiert auf, denn dafür, dass der Dämon nun weg war, verdunkelte sich der Himmel zusehens, was hatte das zu bedeuten?

Doch weiter darüber nachzudenken, schaffte er nicht, als er spürte, wie Aaron auf ihm zusammengesackt war, nun in einer Position auf ihm saß, die ihn etwas erstaunt die Augenbrauen heben ließ. Noch immer rasselte jeder Atemzug und Merthin wollte etwas sagen, als Aaron sich hinkniete, um sich über ihn zu beugen, um ihn anzusehen. Doch es kam kein Ton heraus, nur ein Zischen, das mit viel Glück an ein „Mein Hals…“, erinnern könnte. Unabhängig von den blauen Flecken und Schrammen, die er sicher überall am Körper hatte, und auch abgesehen von dem Knöchel, der hoffentlich nicht gebrochen war, war es vor allem sein Hals, der ihm Angst machte. Er schmerzte, er fühlte sich geschwollen an. Luft zuholen war noch immer schwer. Seine Augen ruhten in den blauen des anderen, der nun etwas pansich sein Hemd hinunterzog und den Hals betrachtete. Im Spiegel seiner Augen sah auch er die Handabdrücke und runzelte die Stirn. Die streichelnde Hand, verursachte ein kleines Kribbeln. Aber das war noch immer ein Abklatsch davon, was er eigentlich kannte…. Als ihn der andere fragte, ob er aufstehen könne, schüttelte er den Kopf, hob die Hand und ließ sie in Aarons Nacken gleiten. Ohne darüber nachzudenken, wer ihnen dabei zusehen würde, zog er Aaron zu sich und küsste ihn sanft, vereinigte sich auf diese Weise wieder mit ihm. So, wie er es viel öfter tun sollte – auch wenn das Sehnsüchte wecken würde, die er nicht so bald befriedigen könnte. Er durfte nicht weiter ihre Nähe unterbinden. Durfte nicht mehr zurückhalten, was er empfand, wenn er Aaron ansah, wenn er ihn berührte.

Er spürte die Überraschung des anderen, spürte, dass jener erst zögernd war, sich dann aber doch darauf einließ. Und er spürte noch etwas: er spürte, wie die Energie endlich wieder zu fließen begann, wie sie ihn erfüllte und ihm seine Kraft zurückgab. Er spürte sie in den letzten Winkel seines Körpers strömen und ihm seine Kräfte wiedergeben. Eine blau-rote Aura umgab sie, voll Energie und Liebe. Und da merkte er, wie überfällig der Kuss gewesen war. Auch seine Stimme kehrte langsam zurück, aber noch war es nicht verheilt… Als er sich löste, entließ er Aaron nicht zu weit von sich, blickte ihn aus Augen an, die sicher nicht frei von Lust waren. Allein diese Position! Merthin traute sich nicht, seine Hände über diesen schönen Körper auf ihm streichen zu lassen. Nicht jetzt, nicht hier... Er schluckte bei dem Gedanken, strich sanft mit seiner Nasenspitze an der des anderen entlang und küsste ihn erneut, nur kurz, ganz sanft. „Es hat definitiv seinen Reiz, dich immer wieder in gewissen Positionen bei mir zu spüren, Herzblatt“, griff er nun Aarons Spruch von vorhin auf. „Sei dir gewiss, dass ich mich jetzt nicht mehr in Zurückhaltung üben werde…“
 

Aaron
 

Aaron bemerkte Merthins rasselnde und schwere Atmung, zudem bekam der Blonde kein Wort heraus. War er etwa doch schwerer verletzt worden? Jetzt noch besorgter schaute Aaron erneut an dessen Hals. War etwa der Kehlkopf seines Freundes verletzt? Erschrocken von dieser Vermutung schaute Aaron wieder in Merthins Augen, wie könnte er ihm da helfen? Doch lange brauchte sich Aaron diese Frage nicht stellen, denn als Merthin mit einem Kopfschütteln die Frage danach verneinte, ob er aufstehen könne, konnte sich der Prinz schon denken, dass nur noch ein Arzt weiter helfen könnte.

Noch während Aaron dieser Gedanke in den Kopf kam, spürte er eine Hand in seinem Nacken. Aaron folgte und ließ sich tiefer zu Merthin hinabziehen, blickte ihm dabei die ganze Zeit in die Augen. Mit den Ellenbogen stützte sich Aaron nun neben Merthins Kopf auf dem Boden ab, griff ihm mit den Händen in sein offenes, verwuscheltes Haar, wobei er vorsichtig auch den Rest seines Körpers auf ihm ablegte. Einzig Merthins Brust versuchte Aaron frei zu lassen, damit er weiterhin Luft bekommen konnte. Ihre Lippen fanden wieder sanft zueinander, was Aaron erst zögern ließ. Merthin bekam schlecht Luft, da würde ein Kuss ihm das Atmen gewiss nicht leichter machen. Aaron wollte ihm nicht noch die letzte Luft rauben, die Merthin zur Verfügung stand. Doch er sah, dass Merthin die Augen geschlossen hielt und die sanfte Zärtlichkeit zog Aaron schließlich mehr und mehr in seinen Bann. Immer mehr ließ er sich mitreißen von dem angenehmen Gefühl, das ihn bei jeden ihrer Küsse durchströmte. Dieser hier wurde aber dadurch besonders, dass Aaron endlich wieder spüren konnte, wie Merthins inneres Feuer entfachte und auf ihn übergriff. Aaron lief Gefahr ebenfalls Feuer zu fangen, so sehr sog sein Körper Merthins Magie auf, ließ sich davon durchziehen und an jeder Stelle seines Körpers erwärmen.

Wohlig seufzte Aaron, als sie den Kuss schließlich lösten. Die Blockade war gebrochen, Aaron spürte Merthins Magie wieder in sich und die Berührung ihrer Körper in dieser doch recht engen Position wurde ihm nur umso bewusster. Aaron öffnete die Augen, während er Merthins Worten zuhörte. Es machte ihn erneut verlegen, aber Aaron versteckte dies wieder hinter einem Lächeln. "Anders will ich es auch gar nicht", antwortete Aaron leise.

Zurückhaltung verursachte einen Bruch ihrer Verbindung und Aaron wollte doch auch spüren dürfen, dass er geliebt und begehrt wurde, wenn auch nicht gleich im vollen Ausmaß. Aber irgendwann.... ja.

Kinder!

Merthin
 

„Was machen die da?“, hörte er eine kleine Stimme und andere Kinder kicherten. „Die haben sich lieb“, sagte ein kleines Mädchen. „Die knutschen!“, ertönte es wieder von einem anderen. „Igitt, wie eklig!“, riefen vor allem die Jungs. Merthin musste grinsen und drehte sich etwas zu der Gruppe an Kindern, die noch immer um die ältere Frau herumstanden, die nun das Wort ergriff. „Sie haben uns unser Leben gerettet, Kinder“, sagte sie sanft. „Zudem sind sie jene Krieger aus den Geschichte, die ich euch so oft erzählt habe. Ihre Liebe wird uns alle vor allem Bösen retten. Und ihr könnt ihnen dankbar sein, dass sie für uns ihr Leben aufs Spiel setzen!“

Merthin lächelte die Frau an, die so voll Güte zu sein schien, dass es ihn glücklich machte und einen Moment seine Schmerzen vergessen ließ. Diese Frau war es gewesen, die die Kinder vor dem Dämon in Sicherheit wissen wollte… Aaron löste sich von ihm und Merthin blickte automatisch auf. Er wollte sich bewegen, sich aufrichten, aber die Schmerzen ließen ihn zurück sinken.

In diesem Moment sah man einen Blitz und es donnerte unmittelbar danach. Sie erschraken, blickten alle nach oben, als ein gewaltiger Regenguss auf sie herniederging. Doch das Wasser, das über ihn lief, war unerwartet warm, fühlte sich weich an, wohltuend. Binnen weniger Sekunden waren alle durchnässt, doch keiner fror. Vielmehr fühlte es sich an, als ob dieser Regen sie alle reinwaschen würde. Merthin schloss die Augen, öffnete den Mund und trank das Wasser, das seinen Hals umschmeichelte, diesen abschwellen ließ. Er spürte, wie er wieder mehr Luft bekam, das Rasseln aufhörte. Sein Knöchel kribbelte, aber der Schmerz ließ nach und bald darauf fühlte er sich wieder gut an. Auch die Schrammen in seinem Gesicht, seinen Armen, seinen Knien verschwanden. Aaron war aufgestanden und nun stand auch Merthin auf. Sie blickten sich um, sahen, dass die große Gewitterwolke, die sich sonst nur über dem See ergoss offenbar von der Magie hier angezogen worden war. Eines war ihnen gewiss: sicher wurde auch das Dorf gerade vom Regen erfasst.

Merthin lächelte zufrieden. Wenn das Wasser ihm so geholfen hatte, so würde es sicher auch den Dorfbewohnern helfen, die Spuren des Dämons loszuwerden.
 

Aaron
 

Direkt erhielt Aaron einen zweiten süßen Kuss von Merthin geschenkt und blickte danach auf Merthins Wange hinab, welche ihm zugedreht wurde, als der Blonde zu den Kindern schaute, die ihre kindlichen Kommentare dazu gaben. Nebenbei hörte Aaron das, aber ihn durchfuhr das Bedürfnis, enger mit Merthin verbunden sein zu wollen. Zu merken, dass ihr Magieaustausch wieder funktionierte, seine Wärme intensiver wahrnehmen zu können, zu merken, dass es ihm gut ging. Seine Stimme hatte Merthin wieder, aber seine Atmung klang noch immer nicht gut. Leicht beugte Aaron seinen Kopf wieder zu Merthin hinab und setzte ihm kleinere Küsschen auf seine Wange, um diesem Bedürfnis zumindest zum kleinen Teil nachzukommen und um Merthin Zuversicht zu verschaffen, dass Aaron weiterhin für ihn da war und eine Möglichkeit finden würde, um seinem Hals Besserung zu verschaffen.

Als sich Aaron danach allerdings aufsetzte, übernahm bereits das magische Wasser des Sees diese Aufgabe, indem es überraschend auf sie und auch auf die Dörfler hinabregnete und ihnen Heilung, sowie Ruhe für die Seele verschaffte. Aaron schaute wieder Merthin an, dessen Kratzer im Gesicht sichtbar heilten, auch seine Atemzüge schienen sich zu normalisieren. Der Prinz erinnerte sich unterdessen an das Gefühl, als er die Hand in den See gehalten hatte, jetzt fühlte er ähnlich. Die Wassertropfen, die auf Aaron landeten, vereisten in diesem Moment, was ein leichtes, eisiges schimmern verursachte, dass sich auch um Merthin sammelte, nur schimmerte es bei ihm rötlich. Das stellte gerade sehr gut dar, wie unendlich froh und erleichtert der Prinz war, dass Merthin Besserung erfuhr. Erleichtert erhob sich Aaron dann und half Merthin ebenfalls hoch, auch wenn er eigentlich keine Hilfe benötigte. Hätte Aaron gewusst, dass eigentlich auch Merthins Knöchel verletzt gewesen war, hätte er nur umso mehr Sorge um Merthin gehabt, aber auch dieser war vom reinigenden Regen gesegnet worden.
 

Merthin
 

„Kommt rein“, sagte die Frau mit einem Mal. „Wir müssen uns aufwärmen und etwas essen…“

So gingen sie alle gemeinsam mit den Kindern in das wunderschöne Haus, das einen so gemütlichen und kuscheligen Eindruck machte, dass man sich sofort wohl fühlte. „Ihr könnt euch oben im Bad frisch machen…“, sagte die Frau. „Ich bringe euch Kleider von meinem verstorbenen Mann.“

Merthin stieg mit Aaron die Treppen hinauf. Im Bad fanden sie Handtücher, mit denen sie sich trocknen konnten und schon kam die Frau, die ihnen die Kleidung hineinreichte. Merthin entledigte sich seines Hemdes, das an seinem Körper klebte und hielt dann inne. „Weißt du, Aaron“, sagte er und sah den anderen an. „Ich glaube, ich habe unseren Energiefluss geblockt. Das hat mich angreifbar gemacht. Der Dämon hat ein leichtes Spiel gehabt, ich habe es ihm leicht gemacht…“ Er war etwas näher getreten, damit er nicht so laut reden musste. „Ich werde daher meine Gefühle für dich und dazu gehört auch mein Begehren, nicht zurückhalten. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich…“ Er hob die Hand und strich Aaron über das Haar, blickte es mit einem Mal irritiert an. Dann musste er grinsen. „Der reinigende Regen hat dir deine eigentliche Haarfarbe wiedergegeben…“, murmelte er lächelnd. „Nur die Länge ist geblieben…“ Er sah wieder in die Augen des anderen. „So gefällst du mir doch am besten…“
 

Aaron
 

Es war freundlich von der Dame, dass sie Merthin und Aaron dann in ihr Haus einlud und ihnen gar Kleidung geben wollte. Da diese wohl von ihrem verstorbenen Ehemann stammten, mussten sie ihr in gewisser Weise auch etwas bedeuten, was diese Geste noch bedeutungsvoller machte. Zusammen standen Merthin und Aaron im recht kleinen Badezimmer des Hauses. Auch dieser Raum war äußerst geschmackvoll eingerichtet, mit viel Liebe zum Detail, wie auch der ganze Rest des Hauses. Gewiss hatte der Mann dieser Dame das Haus selbst gebaut und sie hatte es eingerichtet. Ein schöner Gedanke.

Allerdings wurden Aarons Gedanken recht schnell abgelenkt, da er die Situation erst richtig realisierte, als er zusehen durfte, wie sich Merthin sein klatschnassen Hemd vom Körper zog. Es war nun beileibe nicht mehr das erste Mal, dass Aaron ihn so hatte sehen dürfen, aber noch immer war da ein Rest Schamgefühl, ein Rest Gedanken darüber, dass es ihm nicht erlaubt war hinzuschauen. Allerdings hatte Merthin ihm durchaus die Erlaubnis zum hinschauen gegeben, weshalb Aaron seinen Blick bewusst nicht abwandte, sondern stattdessen in Merthins Augen blickte, welche ihn ebenfalls ansahen. Auf diese Weise... war es gar nicht so schwierig relativ ruhig stehen zu bleiben. Was Merthin aber sagte, verwunderte Aaron schon. Er sah sich in der Schuld? "Du hast dich doch aber nicht zurückgezogen, weil du unsere Verbindung nicht hättest haben wollen, sondern weil du einfach der rücksichtsvollste und beste Freund bist, den man nur haben kann", antwortete Aaron ein bisschen leiser, aber voller Ernst. Er wollte Merthin aufzeigen, dass ja keine Absicht dahinter gesteckt hatte. Allerdings wollte Aaron Merthin nicht nur mit Worten entgegen kommen, weshalb er auch einen Schritt auf ihn zutrat, ungeachtet der Tatsache, das dieser noch immer kein Oberteil trug. Erst kurz vor dem anderen blieb Aaron stehen, behielt seinen Blick fest in Merthins Augen gerichtet. Nicht mehr nur, um etwas anderes zum Anschauen zu haben, als dessen ansehnliche Brust, sondern auch, um selbst einen Punkt zum Orientieren zu haben. Sich an Merthin zu orientieren war das Richtigste, was er machen konnte. Dass Merthin so offen sagen konnte, dass er sein Begehren nicht mehr zurückhalten würde, machte Aaron wieder verlegen, aber es half sicher, dass der Prinz nicht die ganze Tragweite dieser Aussage begriff.

"Ich vertraue dir auch weiterhin. Und natürlich freue ich mich, wenn ich mich diese Nacht nicht zu dir ins Bett schleichen muss", sprach Aaron daher mit einem kleinen Grinsen aus. Für Aaron hieß dessen Aussage vorallem, dass sie nicht mehr in getrennten Betten schlafen würden, und das war in seinem Denken erstmal eine gute Sache.

Gern ließ sich Aaron durchs Haar fahren und vernahm dabei das Kompliment, das ihn sehr glücklich lächeln ließ. Nichts war schöner als gesagt zu bekommen, dass man so wie man nunmal war und aussah am besten gefiel. Aaron wollte das eigentlich auch bloß einzig von Merthin hören, andere Adlige würden ihn mit dieser Frisur eh bloß mit gerümpften Nasen betrachten. Noch immer lächelnd ließ Aaron seinen Kopf nach vorne sinken, direkt auf Merthins Schulter. So verdeckte er die kleine Röte, die ihm nun doch hochkam. Bis jetzt hatte er sich gut im Griff gehabt, aber das hatte ihm den Rest gegeben. Aaron fiel nichtmal mehr eine Antwort ein, um die Wirkung abzumildern, die diese lieben Worte bei ihm hatten. Er hatte Herzklopfen und das nicht zu knapp. "Wieso findest du bloß immer passende Worte, um mir die Sprache zu verschlagen?", murmelte er stattdessen gegen Merthins Haut an der Schulter, setzte wie zum Dankeschön einen zarten Kuss auf die Haut, ehe er seinen Kopf langsam wieder hob.

Einen kurzen Moment stand Aaron bloß vor Merthin, immernoch recht nahe, blickte ihn an und merkte dabei, wie er versuchen wollte, eine eigene Blockade zu überwinden. Merthin hatte auch bereits zwei seiner Blockaden auflösen können und jetzt gerade fühlte sich Aaron von Merthin bestärkt ebenfalls einen Schritt in diese Richtung zu gehen. Es konnte ja eigentlich nichts passieren. Wenn Aaron ehrlich war, wüsste er nichtmal genau, wovor er solche Sorge hatte, was passieren könnte. So fasste er innerlich den Entschluß es einfach zu wagen und sich etwas zu trauen. Langsam griff Aaron also mit beiden Händen überkreuzt an den Saum seines ebenfalls nassen Hemdes. Dann zog er es sich ohne nochmal zu zögern über den Kopf, behielt es allerdings noch in der Hand, einfach nur, um etwas in der Hand zu haben. Sein Blick landete wieder bei Merthin, dessen Augen er einfach immer wieder suchte. Vielleicht mochte es für jeden Bürger des Landes lachhaft sein, wie Aaron aus dem Entblößen seines Oberkörpers ein kleines Ereignis machte, aber für ihn war es nicht selbstverständlich, das vor den Augen anderer zu tun. Diesmal hatte sich Aaron bewusst und aus eigenem Antrieb dazu entschieden, direkt vor Merthin stehend das Hemd vom Körper zu ziehen, was er vor anderen Menschen gewiss noch immer nicht tun würde.

Aaron schluckte etwas schwerer, warum machte ihn diese Situation nervöser als gedacht? So wandte der Prinz schließlich seinen Blick von Merthin ab, hängte sein geliehenes Hemd von Merthin über das Holzregal, auf dem die Handtücher lagen. Allerdings griff er sich davon keines, sondern schaute direkt auf die frische Kleidung. "Mh, meinst du, die Kleidung von ihrem Mann passt...?", versuchte Aaron das Thema zu wechseln, was zugegebenermaßen nicht sehr originell war, aber was anderes fiel dem Prinzen nicht wirklich ein. So angelte er etwas ungelenk nach einem der Hemden, welches eigentlich recht schick aussah. Das wollte die Dame ihnen wirklich überlassen? Er hielt sich dieses am Oberkörper an und schaute an sich hinab. "Könnte passen, oder?", murmelte er und nahm es von sich ab, nur um es dann an Merthins Oberkörper zu halten. "Ist fast so schick wie dein blaues von neulich...", murmelte Aaron wie in einem Selbstgespräch, wollte aber eigentlich Merthin wieder mit einbinden, in der Hoffnung, dass dieser seine Nervösität nicht bemerkte, welche längst nicht mehr nur daher rührte, dass er ohne Oberbekleidung vor ihm stand und agierte.
 

Merthin
 

Dieser schöne Mann hier vor ihm war ein Phänomen. Merthin konnte es nicht anders beschreiben. Wie gut hatte er noch vor Augen, wie jener sich schier panisch von ihm abgewandt hatte, als er sich damals im Zelt so unbedacht ausgezogen hatte. Und seit diesem Moment schien jener einen Kampf zu kämpfen, der jahrelange Gewohnheiten ablegen sollte, der etwas verändern sollte, das ihm sicher eingebläut worden war: ein Schamgefühl, das anerzogen worden war. Merthin hätte es nie für möglich gehalten, dass man einem Menschen eine so große Scheu vor dem eigenen Körper und dem anderer anerziehen konnte. Aber offenbar ging es. Vielleicht war das bei Aaron ja auch ganz bewusst so gemacht worden. Wieder kam ihm der Gedanke, dass der König mehr wusste, als Aaron ahnen mochte. Ob Corvo die Prophezeiung kannte? Hatte er daher seinen Sohn so erzogen? Oder stand jemand anderes dahinter? Merthin wusste es nicht, aber er würde es herausfinden müssen, gemeinsam mit Aaron. Doch ihn hier jetzt zu fragen, während jener einen Kampf focht, der ihm viel abverlangte, wäre falsch gewesen. Viel lieber hielt er dem Blick des anderen stand, half ihm vermutlich dabei, zu schaffen, was er schaffen wollte. Zumindest blickten die Augen nicht mehr so angsterfüllt, wie vorhin auf der Wiese, als Aaron ihn mit so großer Sorge angesehen hatte, dass ihm ganz warm ums Herz geworden war. Aaron hatte wirklich Angst gehabt – um ihn. Das hatte er auch in gewisser Weise gehabt. Aber zu sehen, dass es dem anderen auch so ging, hatte unheimlich gutgetan. Schließlich zeigte das, wie viel er ihm bedeutete. Das konnten keine Worte, das konnten einzig allein Blicke und Gesten zeigen. Auch als die Kinder sie schon unterbrochen hatten, war es Aaron wichtiger gewesen, ihn noch einmal auf die Wange zu küssen, ihm damit zu zeigen, wie besorgt er gewesen war. Dabei war es einfach nur ihr Kuss gewesen, der seine Heilung angestoßen hatte. Ihre Vereinigung… Wenn nur ein Kuss solche Macht besaß. Was würde erst passieren, wenn sie über Händchenhalten und küssen hinauswuchsen…?

Aber bis dahin würde noch ein langer Weg sein, wenn er das hier vor sich bedachte. Zumindest hatte er nicht wieder beschämt weggesehen, angesichts seines entblößten Oberkörpers. Aber Aaron war auch so treu ihm in das Bad gefolgt. Vielleicht hätte er höflicher sein müssen und ihm den Vortritt lassen sollen. Allerdings hatte er ihm auf der Wiese gesagt, dass er sich nicht mehr in Zurückhaltung üben würde. Und Aaron hatte ihm geantwortet, dass er es anders nicht mehr wolle… Also war er hier genau richtig, halb nackt vor ihm. Dass er hier nicht über Aaron herfallen würde, war ihnen sicher beiden klar. Aber allein dieser Blick löste etwas in ihm aus, dass er Aaron am liebsten gepackt hätte, ihn irgendwohin getragen hätte, um ihn nur für sich zu haben… Er sagte doch: ein Phänomen. Denn dieses Gefühl hatte er bei noch keinem Menschen gehabt. Es war so tief, so fest, so sicher…

Und ob diese Gedanken wirklich so rücksichtsvoll waren? Vermutlich würde Aaron die Beine in die Hand nehmen, wenn er seine Gedanken lesen könnte… Er hatte sich über die Worte gefreut, hatte gelächelt und seine Verlegenheit mit einem „Na, aber besonders klug war das dennoch nicht gewesen“, überspielt. Nein, besonders klug scheint es wirklich nicht gewesen zu sein. Er hatte wieder einen Fehler hinsichtlich ihrer Beziehung gemacht und sie damit in Gefahr gebracht. Und auch wenn er den Gedanken nicht mochte: die Prophezeiung schien ihm genau zu sagen, was er tun sollte, was sie tun sollten: zusammen sein, ein Paar sein, vereint sein. In Dorstaal hatte er eine Lektion hinsichtlich seiner Gefühle erhalten, hier hatte er eine Lektion hinsichtlich falscher Zurückhaltung bekommen. Sicher, er war ein Anfänger, was feste Beziehungen betraf. Aber würde diese blöde Prophezeiung auch noch sein zukünftiges Liebesleben generell bestimmen? Ihm sagen, wann er was zu tun oder zu lassen hatte? Er hoffte nicht. Das würde ihn nämlich ziemlich nerven…

Wobei ihm immer klarer wurde, dass ihnen keine normale Liebesbeziehung vergönnt war. Allein schon, wenn er diese Unschuld hier vor sich sah. Welches Paar zog gleich zusammen und setzte sich Situationen aus, bei denen es um Leben und Tod ging? Keines. Jedes Pärchen ließ es langsam angehen (außer man hatte mehr Erfahrung und wusste, was man wollte – was hier nicht zutraf). Aber sie wurden zusammengeworfen und Aaron musste damit klarkommen, sich mit all diesen Erfahrungen, an die man sich langsam herantastete und über die man normalerweise einfach Zeit hatte nachzudenken, gleich von Anfang an konfrontiert zu sehen. So wunderte es Merthin nicht, dass Aaron seine Worte vermutlich nicht so verstand, wie sie gemeint waren. Er vertraute ihm. Und er würde dieses Vertrauen nicht missbrauchen… Aber dass das nebeneinander im Bett liegen, bei ihm weit mehr auslöste, als das Gefühl, irgendwann mit vollkommener Ruhe schlafen zu können, war jenem sicher nicht bewusst. Allerdings war es auch diese naive Unbedarftheit, die ihm gerade das Gefühl vermittelte, ihn packen zu wollen und irgendwohin zu bringen, wo er Aaron für sich allein hatte… Er seufzte leicht, sagte aber nichts, was Aaron desillusionieren würde. Dass jener hier so nahe zu ihm kam, jener so beschämt zu Boden blickte, als er ihm sagte, dass er ihm mit seinen braunen Haaren am besten gefiel, das war schon gut so… Es gefiel Merthin.

Überrascht spürte er, wie Aaron den Kopf an seine Schulter lehnte und Merthin lächelte zufrieden. Er lauschte den Worten, wobei der Atem des anderen ein leichtes Kribbeln auf seiner Haut auslöste. Er überlegte gerade, was er sagen sollte, während seine Hand sacht über den Arm des anderen stich, während er den Kopf drehte, um jenen an die Schläfe zu küssen, während er die Wärme im Inneren genoss, als der Prinzip sich schon wieder löste und seinen inneren Kampf nun endgültig beendete, indem er sich das Hemd über den Kopf zog.

Aarons Haut fühlte sich zart an, ohne dass Merthin sie auch nur berühren musste. Er war makellos, hatte keine Narben, keine Male, bis auf den Phönix, der diesem Körper nur noch mehr Schönheit verlieh. Doch Merthin wagte kaum, seinen Blick über den Oberkörper gleiten zu lassen, während Aaron ihn nun wieder ansah. Aaron war nervös genug, wenn er ihn nun auch noch mit lüsternem Blick ansehen würde, würde er nur schnell dafür sorgen, dass diese Situation beendet war. Offenbar war die Verlegenheit so groß, dass er sie kaschieren musste. Etwas irritiert folgte Merthin Aarons Blick, der zu einem Hemd griff, es erst sich, dann ihm hinhielt. Und dann sah er schließlich an dem Kleidungsstück hinab, das Aaron vor ihn hielt. Sie waren noch immer klatschnass, hatten nasse Haare und nasse Hosen. Wieso griff er jetzt schon zu den zugegebenermaßen schönen Kleidungsstücken?

Merthin sollte vielleicht diese intime Stimmung unterbrechen… Er griff zu einem Handtuch, entwendete Aaron sanft aber bestimmt das Hemd. „Du musst dich erstmal abtrocknen, sonst liegst du morgen mit Fieber und einer Erkältung im Bett, mein Herzblatt!“, tadelte er ihn und legte ihm das Handtuch über den Kopf, begann sacht die Haare massierend zu trocknen, dann ließ er das Handtuch auf die Schultern gleiten und nahm eine Ecke, um die letzten Tropfen aus dem Gesicht des anderen zu tupfen. Wollte er die Situation nicht ändern? Irgendwie wirkte Aaron nur noch näher vor ihm als eben…

Sein Blick glitt auf die Lippen des anderen. Dann sah er ihn wieder an. „Weißt du, warum ich immer die richtigen Worte finde?“, kam er nun zu jener Frage zurück, die er vorhin unbeantwortet gelassen hatte. „Weil ich dich nur ansehen muss, so dass sie mir automatisch zufliegen…“ Er küsste ihn sanft, zärtlich. Keine Zurückhaltung mehr! Er sollte nicht noch einmal riskieren, dass ihre Verbindung blockiert werden konnte. Die Hand, die eben noch das Handtuch verwendet hatte, um Aaron das Gesicht trocken zu tupfen, glitt in den Nacken des anderen, um ihn tiefer in den Kuss zu ziehen. Vorsichtig löste er ihn wieder. „Trockne dich ab, Aaron“, wisperte er gegen die Lippen und zwang sich, wieder etwas zu entfernen. „Sonst holst du dir den Tod. Ich beeil mich, dann hast du deine Ruhe.“ Er drehte sich gerade weg, um sich selbst ein Handtuch zu nehmen, als es klopfte und die Herrin des Hauses durch die Tür sprach. „Wenn ihr soweit seid, möchte ich euch etwas zeigen.“

Merthin drehte sich von Aaron weg, kehrte ihm den Rücken zu, trocknete sich bereits ab. „Wir sind gleich soweit“, sagte er mit fester Stimme. Sie sollte nicht denken, dass sie in ihrem Bad übereinander herfielen… Kurzerhand zog er sich das Hemd drüber, entledigte sich seiner Hose und Unterkleidung und zog sich etwas Frisches an. Dann verließ er das Bad, damit Aaron sich alleine umziehen konnte.
 

Aaron
 

Es half ungemein, dass Merthin weniger Aufsehen um die Tatsache machte, dass Aaron kein Oberteil trug. Er ordnete das kleine Chaos, ausgelöst durch Aarons Nervösität und richtete den Fokus zurück auf ihr eigentliches Tun. Zumindest anfänglich, denn seine folgenden Worte und der erneute Kuss brachten auch erneute Nervösität zurück, wenn auch nicht mehr aus Scham. Der Kuss verhinderte zumindest, das Aaron in seiner Nervösität Blödsinn reden konnte, da die Erklärung, wie Merthin es hinbekam ihm so schöne Worte zu schenken, in ihm nur erneute verlegene Sprachlosigkeit auslöste. So brauchte Aaron nichts sagen und konnte einfach den zärtlichen Kuss liebevoll erwidern. Aaron merkte, wie ihm dabei Nervösität von den Schultern fiel und die Kleiderfrage irgendwie unwichtig wurde.

Während Merthin sich fertig umzog rieb sich Aaron mit dem Handtuch im Gesicht, um sich nicht der Peinlichkeit aussetzen zu müssen, nicht zu wissen, wo er hingucken sollte. Erst als er die Tür hörte, stoppte Aaron dies und seufzte. Es war unendlich lieb von Merthin, dass dieser so mitdachte und Aaron war dankbar dafür, doch wollte er diese Scheu auch irgendwann zu überwinden lernen. Hoffentlich hatte er mit seiner Aktion heute wirklich einen Schritt geschafft und würde nicht das nächste Mal wieder zögern müssen. Aaron beeilte sich damit, sich ebenfalls gut abzutrocknen und sich die frische Kleidung überzuziehen.

Heimkehr

Merthin
 

Gemeinsam gingen sie wieder zurück zur Herrin des Hauses, die in der Küche eine kräftigende Suppe aufgesetzt hatte. Die Kinder spielten im Wohnraum und waren umgezogen und trocken. Sie sahen sie mit großen Augen an, wobei das Mädchen vom vergangenen Abend aufstand und zu ihnen ging. „Ihr habt euer Wort gehalten“, sagte sie und lächelte sie an. „Bekomme ich nun die beiden andren Bälle?“

„Jetzt nicht, Lisbeth“, wies die Heilerin das Mädchen an. „Das macht ihr, wenn wir nachher zurück zu euren Eltern gehen…“ Das Mädchen wollte protestieren, aber Merthin war in die Hocke gegangen. „Du bekommst sie von mir, versprochen. Aber erst später. Ich habe es aber nicht vergessen. Und wenn du möchtest, dann zeige ich dir auch ein paar Tricks, ja?“ Sie sah ihn mit großen Augen an und nickte freudestrahlend, ging zurück zu einem Jungen, der unverkennbar ihr Bruder sein musste.
 

„Ich bin Serafina“, stellte sich die Frau nun vor, als sie das Schlafzimmer nebenan betraten. „Ich habe vor langer Zeit den liebenswertesten Menschen geheiratet, den es je gab. Ich hatte Glück, dass die arrangierte Ehe mir dieses Glück bescherte. Das ist nicht selbstverständlich.“ Sie sah Aaron an und lächelte, dann blickte sie auch wieder zu Merthin. „Man spürt, wie sehr ihr euch verbunden fühlt, wie aufrichtig, eure Gefühle füreinander seid. Das ist schön anzusehen und nur das hat es auch vermocht, das Wasser umzuleiten…“ Sie ging zu einem Gemälde von ihr und ihrem Mann, am Tage ihrer Hochzeit. „Damals kam eine Frau zu uns und sagte, dass sie von weitem unser Glück hatte spüren können. Ich hielt sie für verrückt, doch heute habe ich auch gespürt, was sie damals vermutlich gespürt hat. Die Dame bat mich, denjenigen einen Brief zu geben, bei denen ich auch dieses Gefühl hätte. Sie sagte: Irgendwann bekommt das Paar den Brief, das es am wichtigsten braucht…“ Sie reichte Aaron den Briefumschlag, den sie aus einer Schublade gezogen hatte. „Ihr seid dieses Paar. Wenn nicht, so ist es eure Aufgabe es zu finden… Doch ich sehe – in Aarons Hand war ein Schriftzug auf dem Umschlag erschienen. ‚Dem Blauen und dem Roten‘ stand nun darauf – „Ich sehe, das auserwählte Paar hat den Brief erhalten…“ Sie lächelte sie an. „Kommt zum Essen. Dann müssen wir die Kinder ihren Eltern zurückbringen…“ Damit wandte sie sich um und ließ sie allein zurück in dem Schlafzimmer. Merthin blickte Aaron schmunzelnd an. „Wollen wir nachsehen, was darin ist? Oder lieber erst später?“, fragte er ihn.
 

Aaron
 

Bereits beim Hinuntergehen war die gute Suppe zu riechen, die die Dame gerade für alle in ihrer hübschen Küche köcheln ließ. Ihre verwendeten Kräuter vermischten sich im Geruch mit dem Gemüse zu einem sehr wohlriechenden Duft, der eine Entspannung in einem hervorrief, die zuvor noch nicht da gewesen war. Aaron freute sich darauf etwas davon probieren zu dürfen, gehörten doch auch neue Geschmackserlebnisse zu Aarons regelrechter Entdeckungsreise. Was Aaron in den Tagen seit dem Überfall seiner Kutsche und besonders in der folgenden Zeit zusammen mit Merthin unterwegs schon alles Neues erlebt und erfahren hatte, war wesentlich mehr, als was er beim Heranwachsen hatte erleben dürfen. Nicht nur magische Erlebnisse gehörten dazu, auch eigentlich völlig alltägliche Dinge, die für andere Menschen selbstverständlich waren, hatte Aaron kennenlernen können. Allein dafür war er schon dankbar und das jetzt noch viele romantische Erfahrungen dazu kamen, war für ihn wahres Glück. Natürlich wäre es einfacher gewesen, wenn sie sich ohne Prophezeiung, ohne Schicksal begegnet wären und sich verliebt hätten, aber wahrscheinlich wäre es nie soweit gekommen, wenn es ihnen nicht so bestimmt gewesen wäre. Obwohl sich Aaron schon ein bisschen fragte, ob aus ihnen was geworden wäre, wenn Aaron kein Prinz wäre und sie sich eines Tages einfach auf der Straße getroffen hätten. Aber das konnte man eh nicht so einfach vergleichen. Einen bitteren Beigeschmack hatten diese Gedanken dennoch. Sie waren zusammen, da es ihnen bestimmt war, zusammen zu kommen und auf diese Weise genügend Kraft zu entwickeln, um die Aufgaben zu erfüllen. Aber was war, wenn sie erfolgreich gewesen waren? Die Frage brachte den Prinzen schon etwas ins Wanken. Aber Aaron sollte sich nicht mit der 'was wäre wenn...?' Frage aufhalten, wartete doch noch so viel anderes Neues!

Es war süß zu sehen, wie nun Lisbeth, das Mädchen von gestern, auf sie zukam und ihnen sagte, dass sie ihr Wort gehalten hätten. Ja, das hatten sie. Für sie und ihren Bruder und für die anderen Kinder. Die großen Strapazen des Kampfes gegen die Bosheit des Wasserdämonen war fast vergessen, wenn Aaron so in das Gesicht des Kindes schaute, das Merthin nach den versprochenen Bällen fragte. Zum Glück waren sie in der Lage gewesen den Kindern zu helfen.
 

Aaron folgte Serafina, wie sie sich ihnen gerade vorgestellt hatte und blickte etwas irritiert drein, als sie von ihr in das Schlafzimmer geführt wurden. Hier drin waren vorhin auch die Kinder gewesen, was ein kurzer Blick aus dem Fenster bestätigte. Allerdings... war es Aaron unangenehm im fremden Schlafzimmer zu stehen. Das war doch der privateste Raum im ganzen Haus! Ein kurzer Blick auf das frisch bezogene Bett verriet, dass die Dame zumindest früher mit ihrem Ehemann hier genächtigt hatte, denn eine Seite des Bettes war mit einer anderen Bettwäsche bezogen als die andere Seite und auf dem Kopfkissen lag ein Bild, auf dem zwei Menschen zu sehen waren. Aaron wandte den Blick ab, bevor er genauer erkennen konnte, wer darauf zu sehen war, er konnte sich schon denken, dass dies die Schlafseite ihres Mannes gewesen sein musste. Es war traurig, das zu sehen, und ließ Aaron sich nur noch unwohler fühlen.

Als Serafina zu sprechen begann, blickte Aaron sie an und hörte ihr zu. Der Blick, den sie ihm zuwarf, kam ihm vor, als würde sie ihre Aussage ein bisschen auf seine Situation übertragen. Immerhin hätte er auch eine arrangierte Ehe eingehen sollen, mit der er aber wohl weniger Glück gehabt hätte als diese Frau, was sie mit ihrem Blick offensichtlich auch hatte andeuten wollen. Kurz warf Aaron Merthin einen Seitenblick zu, der Blonde hatte das schließlich verhindert. Erst durch die 'Entführung', dann, indem er so unverschämt gut zu Aaron gewesen war, woraufhin er dem Prinzen so verdammt wichtig geworden war. Egal was die Zukunft bringen mochte, eine weitere arrangierte Ehe kam für Aaron jedenfalls nicht in Frage. Aber es war auch erleichternd zu hören, das manche mit diesen Arrangements auch einen Goldgriff hatten und ihren Herzensmenschen auf diese Weise tatsächlich bekamen.

Recht unwillkürlich fasste Aaron nach Merthins Hand, hielt diese ein bisschen verdeckt hinter sich fest. Die Frau sprach von ihrer Verbundenheit und dass man ihnen das Glück ansehen könne, das Aaron auch wirklich verspürte. Auch das war nicht selbstverständlich, und es musste Serafina eigentlich auch klar sein, dass dieses Glück gegen geltenes Recht verstieß. Aaron verdrängte diesen Gedanken bisher erfolgreich, zu sehr wollte er an Merthin und ihrem Glück festhalten. Vielleicht suchte Aaron auch deshalb gerade wieder den Kontakt zu Merthin. Erst als Serafina einen Brief an Aaron reichte, ließ er Merthins Hand wieder los, um den Umschlag gebührend entgegen zu nehmen. Mit beiden Händen nahm Aaron das Papier entgegen, wie es sich höflicherweise gehörte. Sogleich, als seine Hände den Brief berührten, erschien ein Schriftzug, den Aaron leise vorlas. "Dem Blauen und dem Roten", las er vor und blickte nochmal die ältere Dame an. "Vielen Dank, gute Dame. Ich freue mich für Euch, das auch Euch ein solches Glück vergönnt war. Die gute Seele Eures Mannes ist im ganzen Haus spürbar", sprach er höflich und hoffentlich auch etwas tröstlich für die Frau, welche ihren Seelenverwandten bereits verloren hatte. Immerhin schien dieser Brief seit Jahren, seit die Prophezeiung existierte, von einem Schicksalpaar zum nächsten weiter gereicht worden zu sein, die jeweils füreinander bestimmt waren. Diese Menschen mussten ähnliches Glück und ähnlich große Liebe empfunden haben, das selbst ihre Auren für andere Menschen spürbar gewesen waren. Serafina und ihr Mann waren eines dieser glücklichen Paare. Doch ihre Zeit war vergangen, die seine mit Merthin hatte erst begonnen. Irgendwie gab dieser Gedanke Aaron etwas Zuversicht. Sie hatten vielleicht nicht so viel Zeit sich aneinander zu gewöhnen wie andere Paare, aber dennoch hatten sie gemeinsame Zeit und die galt es auszunutzen.

Serafina verließ den Raum und Aaron wandte sich Merthin zu. "Ich würde gern einen Blick hinein werfen", antwortete er mit einem kleinen Grinsen. Er war neugierig, was so viele Jahre auf genau diesen Moment gewartet hatte. Andächtig lösten seine Finger den nur leicht verklebten Knickstreifen des Umschlages und öffneten diesen. Zum Vorschein kam ein handgeschriebenes Stück Pergament, das erstaunlich gut erhalten war. Der Text war in alt ehrwürdigen Schriftzeichen verfasst, was nochmal bewies, dass dieser Brief wahrlich sehr alt war. Es war schon etwas aufgregend... ein Brief aus so alter Zeit, an sie adressiert, ohne dass der Verfasser des Briefes wahrlich wusste, wer der blaue und rote Krieger in der Zukunft sein würde. Ob ihre Vorfahren überrascht wären zu sehen, dass ausgerechnet er und Merthin nun hier standen?

Ein bisschen theatralisch räusperte Aaron sich, bevor er begann zu lesen, was dort geschrieben stand. "Liebe ist,.... miteinander wachsen. Liebe ist, sich allen Herausforderungen zu stellen. Liebe ist, fest beieinander zu stehen. Meistert die Prüfungen auf Eurem Weg weiter aufeinander zu und stärkt damit eure Verbindung. Auch die friedlichsten Waldbewohner bedürfen Hilfe. Im Herzen des Waldes, einem uralten Baum, haben sie ihr Zuhause. Ihre Dankbarkeit soll euch eine Unterstützung auf eurem langen Pfad sein", las Aaron andächtig vor. Im Gegensatz zu anderen Prophezeiungstexten war dieser Brief in einfachen Schriftzeichen verfasst und nicht verschlüsselt. Aaron ließ den Brief wieder in den Umschlag gleiten und blickte Merthin an. "Klingt als stünden noch viele Prüfungen mehr zu unserer Verbindung an", murmelte Aaron und lächelte Merthin dann zuversichtlich zu. "Heute hat gezeigt, dass wir Blockaden überwinden können, und ich verspreche dir, dass ich zu dir halte, egal welche Schwierigkeit uns vor die Füße geworfen wird", wollte Aaron Merthin versichern. Er fühlte sich gerade gestärkt und war so voller guter Dinge, dass er sich fest vornahm, sich allem zu stellen. Aaron sah noch den verletzten Merthin vor sich, wie er dort schwer atmend und außer Stande zu sprechen auf dem Boden gelegen hatte. Eine Stärkung ihrer Verbindung könnte so etwas in Zukunft verhindern und das wollte Aaron vor allem erreichen. Angst und diese Bilder steckte Aaron dennoch tief in den Knochen, mit diesem Tatendrang überspielte er diese festsitzende Angst, Merthin nochmal verletzt zu sehen.
 

Merthin
 

Bei allen Göttern, er hatte schon gefühlt eine Ewigkeit keine so gute Suppe mehr gegessen. Marie kochte ähnlich, aber diese hier war nochmal um einiges besser! In Gedanken entschuldigte er sich bei seiner Großmutter, auch wenn er wusste, dass sie ihm deswegen nicht sauer wäre. Wohl eher dafür, dass er aufgrund seiner Beziehungsunfähigkeit und seinem Unvermögen, die Situation mit Aaron richtig einzuschätzen, diesen wieder einmal in Gefahr gebracht hatte. Gut, er war gerade etwas hart mit sich. Und er bemühte sich ja, diesem ein guter Freund zu sein. Aber wenn sie ihn die letzten Tage gesehen hätte, hätte er sich sicher eine Standpauke anhören dürfen. Er schob den Gedanken bei Seite, während er mit dem frisch gebackenen Brot die letzten Reste aus der Schüssel wischte und zufrieden in die Gesichter der Kinder blickte, die mindestens ebenso glücklich waren. Allerdings glaubte er nicht, dass sie nur annähernd so glücklich sein konnten, wie er.

Aaron war vorhin so anhänglich gewesen, hatte seine Hand ergriffen und Merthin hatte sie gerne gehalten, hatte die Position der Hände dafür genutzt, Aaron näher zu sich zu ziehen. Körperkontakt war gut, tat gut, ließ ihn immer mehr zu Kräften kommen. Und es wärmte sein Herz zu sehen, dass Aaron genauso fühlte wie er. Und so fühlte es sich noch richtiger an, dass ihnen der Brief gegeben wurde. Liebende… Das waren sie, auch wenn das alles irgendwie so schnell ging. Und auch wenn manch einer denken mochte, dass sie sich doch kaum kannten, dass sie aus völlig verschiedenen Welten kamen, die nie langfristig einen Weg finden konnten… Nichts hatte sich jemals so richtig angefühlt, wie jetzt Aaron neben sich zu spüren. Und das bestätigte ihm auch der Umschlag, dessen Schriftzug nur sie ausgelöst hatten.

Merthins Blick glitt kurz neben sich zu Aaron, der auch mehr als zufrieden mit der Suppe zu sein schien und sich gerade noch etwas nachnahm. Seine Augen sahen so glücklich aus, wie die eines kleinen Kindes, das gerade sein Weihnachtsgeschenk bekam. Sicher vermisste er das gute Essen bei Hofe, das da sicher üppiger und besser war, als das, was er ihm sonst zu bieten hatte. Das Rätsel, das jener vorgelesen hatte, hatte ihn ein wenig genervt. Aber nicht wirklich ernsthaft. Er wusste ja, dass es immer Rätsel waren. Diesmal passten die Worte wieder perfekt zu ihrer Situation. Es sprach ihre Verbindung an, ihre Liebe zueinander. Von ihnen beiden ging viel aus. Sie beeinflussten alles, an ihnen orientierte sich alles. Und sie wurden von der Prophezeiung scheinbar zu Prüfungen geschickt, um genau diese Verbindung wachsen zu lassen. So kam es ihm zumindest vor. „Da hast du recht“, hatte er geseufzt, als Aaron dieselbe Feststellung machte. Dann hatte er lächeln müssen. Ja, sie würden alles schaffen, da war er sich sicher. Und das Gefühl, dass sie beide das gemeinsam schaffen würden, war gut. Und zu gerne hätte er Aaron wieder in den Arm genommen, um diese unsagbar schönen Lippen zu küssen. Aber es kam ihm falsch vor in diesem Zimmer, in dem alles an den Mann erinnerte, den Serefina so geliebt, aber verloren hatte.
 

Nun saßen sie da uns erzählten. Erst die Kinder, die die Umstände ihres Verschwindens erläuterten. Dann aber auch Serefina, die ein wenig von ihrem Leben erzählte. Schließlich berichtete auch Merthin den Kindern Geschichten aus seinem Leben als Gaukler. Er hatte gelernt, Geschichten zu erzählen. Und er machte das gerne. Die Kinder fanden das spannend und lauschten gebannt. Allein diese Knopfaugen zu sehen, machte ihn glücklich. Kinder waren etwas Schönes und Kostbares.
 

Aaron
 

Das gemeinsame Essen mit Serafina und den Kindern wurde wirklich spaßig und interessant. Die Kinder erzählten von der älteren Dame und wie sie ihnen Schutz vor dem Bösen geboten hatte, das ihr Dorf heimgesucht hatte. Sie erzählten von ihren Eltern, die eigentlich gut auf sie Acht gaben, aber eines Tages angefangen hatten, ungerecht zu werden. Die Kinder hatten sich nicht wehren können, bis sie nacheinander vom Zuckerweg erfuhren, dem sie zu Serafina gefolgt waren und hier alles bekommen hatten, was sie gebraucht hatten. Auch Serafina erzählte etwas von sich, erzählte von ihrem fundierten Wissen in der Kräuterkunde und überreichte Aaron und Merthin jeweils ein Beutelchen mit verschiedenen Pflanzenblättern und Blüten darin. "Wenn ihr mal verzweifelt nicht weiter wisst", hatte sie gesagt und gelächelt.

Nach dem leckeren Essen machten sich alle langsam auf den Weg zurück zum Dorf. Merthin und Aaron gingen voran, hinter ihnen die Kinder und zum Schluß Serafina. Die Suppe hatte einfach köstlich geschmeckt, gern hätte Aaron etwas davon mitgenommen und später wieder aufgewärmt, doch erstens hielten die Kräuter in der Suppe nur wenige Stunden, bevor sie ihren guten Geschmack verloren und zweitens war auch gar nichts von der Suppe übrig geblieben, was sie hätten mitnehmen können. Aber Serafina versprach ihnen mit Freuden eine weitere Suppe zu kochen, wenn sie sie auf ihrer Reise mal wieder besuchen kämen.

Es dauerte nicht lange und sie schritten aus dem Wald hinaus. Vor dem Beginn des Zuckerweges standen nun bereits die Elternpaare und blickten sehnsüchtig in den Wald hinein. Als sie Merthin und Aaron sahen, flüsterten sie, doch diesmal nicht boshaft, sondern voller Hoffnung, dass dies bedeutete, dass ihre Kinder sicher waren. Als die Kleinen dann hinter den Magieren auftauchten, brach das Eis komplett und sie liefen auf die Kinder zu, zielgerichtet auf jedes einzelne und schloßen es in die Arme. Es war keine Bosheit mehr spürbar, die Eltern sprudelten über vor Erleichterung, Scham über ihr für sie unerklärliches Verhalten den Kleinen gegenüber und Schuldgefühlen. Sie entschuldigten sich bei den Kleinsten, traten auch auf Serafina zu, der sie eine ebensolche Entschuldigung entgegen brachten, da die Kinder von ihrer Freundlichkeit berichteten. Aaron stand nahe neben Merthin etwas abseits des Geschehens. Noch war keiner der Eltern auf sie zugekommen und Aaron würde das auch gern so belassen. Sie waren nicht der Mittelpunkt dieser Geschichte, hatten ihren Dank bereits von den Hauptpersonen, den Kindern, erhalten und das musste für sie reichen. "Lass uns gehen..", flüsterte Aaron Merthin mit einem Lächeln zu und nahm sich dessen Hand, um mit ihm langsam und leise davonzugehen. Sie mussten noch ihre Pferde holen und dann einen schönen Ort im Wald suchen, wo sie nochmal zusammen darüber nachdenken konnten, was mit den friedlichen, hilfsbedürftigen Waldbewohnern gemeint gewesen sein könnte. Wenn diese Bewohner wirklich Hilfe brauchten, sollten sie dorthin, die Menschen hier konnten den Rest gut untereinander ausmachen.
 

Merthin
 

Dass sie von der Kräuterfrau noch Heilkräuter bekamen, war eine gute Sache. Besonders mit dem Hinweis, ahnte Merthin, dass diese Kräuter nicht nur Thymian oder Eisenwurz waren, sondern etwas Magisches umgab. Er bedankte sich ausgiebig dafür und nahm sich vor, die Kräuter auch Marie zu zeigen.

Als sie ins Dorf zurückkehrten, spürte Merthin deutlich, wie ihn die Szene berührte. Weinende Eltern, die ihre Schuld erkannt hatten. Weinende Kinder, die alles bereit waren zu vergeben, weil ihre Herzen so rein waren und frei von Argwohn.

Lisbeth war noch einmal zu ihm gekommen und er hatte sein Versprechen eingelöst. Er gab ihr die Bälle, zeigte ihr ein Kunststück. Doch man merkte, dass sie zu ihren Eltern zurückkehren wollte. Sie drückte ihm ein Küsschen auf die Wange. „Wenn du noch einmal Hilfe brauchst, dann ruf mich mit Hilfe der Bälle. Ich versuche so schnell zu kommen, wie es geht.“

Mit einem Lächeln auf den Lippen blickte er ihr nach. „Mit so einem Töchterchen, wäre ich ein glücklicher Mann.“
 

Als Merthin ihm zuflüsterte, dass sie gehen sollten, riss er sich von der Szenerie los und folgte ihm. Seine Finger mit denen des anderen verhakt habend. So mit Aaron zu laufen, war so selbstverständlich geworden. Und doch war es auch kostbar. Das sollten sie nie vergessen. Er hob ihre Hände an und küsste Aaron auf den Handrücken. Vorhin im Bad hätte er es fast gesagt. Fast hätte er ihm gesagt, dass er nur die richtigen Worte fand, weil er ihn liebte. Aber diese Worte waren so groß. Und auch wenn es sich genau so anfühlte, wollte er nicht verschwenderisch mit ihnen umgehen.
 

Aaron
 

Der unerwartete Kuss auf den Handrücken hatte Aaron erfreut zu Merthin blicken lassen. Es machte ihn ebenso glücklich zu spüren, dass auch Merthin seine Nähe mit solchen kleinen Gesten suchte und sie ihnen beiden bewusster machte, selbst bei inzwischen alltäglichen Dingen wie das Hand in Hand laufen. Selbst solche kleinen Zwischenmomente nur für sie beide waren kostbar und Aaron sog so viele positive Gefühle wie er nur konnte aus diesen Zärtlichkeiten.

Lächelnd hatte Aaron die Szene beobachtet, wie Lisbeth nochmal auf sie beide zugekommen war, Merthin ihr die Bälle überreicht hatte und sie ihm dann gar ein Küsschen auf die Wange gedrückt hatte. Allerdings verschmälerte sich das Lächeln wieder, als er Merthins Aussage vernahm. Er wäre mit einem Töchterchen wie ihr ein glücklicher Mann... War er denn im Umkehrschluß ohne eine Tochter kein solch glücklicher Mann? Das Aaron dies auch gerade etwas falsch verstehen könnte, kam dem Prinzen dabei gar nicht so in den Kopf. Dennoch konnte Aaron nachvollziehen, was Merthin meinte. Der Gedanke eines aufgeweckten Kindes, das einen voller Vertrauen und Dankbarkeit anlächelte, war etwas Schönes und Aaron könnte sich auch vorstellen selbst eines zu haben, nicht nur, weil er so erzogen war die königliche Blutlinie aufrecht zu erhalten, sondern auch aus eigenem Antrieb heraus. Und weil er Merthin glücklich wissen und sehen wollte.

"Ja, du würdest sie absolut verhätscheln", witzelte Aaron wieder über seine Unsicherheit hinweg. Dass Merthin kinderlieb war und sich gern mit ihnen beschäftigte, hatte Aaron bereits gemerkt und er schätzte diese Eigenschaft sehr an ihm, aber war es dann überhaupt wirklich in Ordnung für ihn, mit Aaron zusammen zu sein, wenn er sich selbst ein Kind wünschte? Das tat er doch, so wie er das gerade mit dem 'Töchterchen' gesagt hatte..? "Hättest du denn gern Kinder, Merthin?", musste Aaron ihn schließlich fragen. Aus Neugierde und aus seiner Unsicherheit heraus.
 

Merthin
 

Etwas irritiert ob des Untertones blickte Merthin Aaron an, als dieser ihm unterstellte, ein eigenes Töchterchen zu verhätscheln. Es war nicht der Inhalt des Gesagten – vermutlich hatte Aaron recht – es war eher dieser Ton, den er meinte herauszuhören. Was dachte dieser hübsche Kopf wohl gerade? Da kam auch schon die Frage, die ihn ahnen ließ, was Aaron wohl hinsichtlich seines Kommentars gedacht haben könnte. „Ja klar, ich hätte gerne einmal Kinder um mich. Ich liebe Kinder“, sagte er direkt und seine Augen ruhten auf dem Gesicht des anderen. „Aber dabei ist es mir nicht wichtig, dass es von mir gezeugte Kinder sind. Es gibt genügend Kinder, die sich Eltern wünschen und keine haben. Und da könnte ich mir schon vorstellen, dass sie mit dir und mir zufrieden sein könnten…“ Er zwinkerte dem anderen zu und blickte noch einmal Lisbeth hinterher. Ein Schmunzeln lag auf seinen Lippen. Eine seltsame Vorstellung: Aaron und er als Eltern… Aber wieso nicht? Im Moment fühlte sich diese Idee gut an. Auch wenn sie die Umstände dafür erst noch schaffen mussten. „Aber erstmal retten wir die Welt, was meinst du?“
 

Aaron
 

Aarons Augen wurden mit jedem Wort, das Merthin sprach, immer größer. Erst, weil Aaron schon ungute Befürchtungen hatte, nachdem Merthin so klar ausgesprochen hatte, das er tatsächlich Kinder haben wollte, dann jedoch, weil er Aaron positiv überraschte. Merthin drückte aus, dass er sich Kinder auch zusammen mit Aaron vorstellen konnte, ein Gedanke, der auch Aaron gefallen würde. Klar, die nötigen Umstände waren nicht erfüllt und so einfach würde das dank Aarons sozialen Standes und weiterer Begebenheiten auch nicht werden, aber schon alleine die Vorstellung war schön. Das Zwinkern von Merthins Bernsteinen gab dem Prinzen schließlich den Rest. Seine Wangen glühten vor lauter Glück. Merthin hatte Aaron damit die Sorge genommen, hatte ihm mit seiner Antwort gar gedeutet, dass ihm ihre Beziehung durchaus ernst war. Das war es sicher, was Aaron gerade besonders glücklich machte, den nachdenklichen Aspekt dieser Idee verschob Aaron auf später, lieber ließ er sich von dem Glücksgefühl durchfahren, das ihn nun breit zum lächeln brachte. "Jetzt erst recht", stimmte Aaron zu und nickte sachte. Sie mussten doch eine Zukunft schaffen, in der die Kinder überhaupt sorgenfrei aufwachsen konnten.

Herz des Waldes

Merthin
 

Sein Knöchel fühlte sich noch etwas komisch an, auch wenn er wusste, dass alles in Ordnung war. Die Pferde waren außerdem ausgeruht. Er blickte Aaron an und lächelte. „Dann wollen wir mal. Der Wald, der nun kommt, ist wunderschön – traumhaft – wie im Märchen. Du kannst dich auf einen schönen Weg freuen. Und irgendwo mittendrin ist eine Hütte, soweit ich mich erinnere. Marie hat sie erwähnt, als sie über Tal geschrieben hat.“

Sie ließen das Dorf hinter sich und auch den See. Aaron hatte jetzt doch nicht mehr gebadet. Das konnten sie sicher irgendwo anders nachholen, wenn es ihn überkam. In dieser Gegend gab es genug Seen, Flüsse oder Bäche. Doch anders als es Merthin in Erinnerung hatte kam kein schöner Wald. Sie waren eine Stunde in etwa unterwegs, als Merthin das Gefühl nicht loswurde, dass der Wald immer trübsinniger und öder wurde. Es stank nach fauligem Wasser, die Bäume schienen im Begriff zu sterben. Man hörte keine Tiere. Sie waren verstummt, blickten sich besorgt um. Ob auch hier teuflische Mächte am Werk waren? Sollten sie gleich in ihre nächste Prüfung stolpern?

„Auch die friedlichsten Waldbewohner bedürfen Hilfe. Im Herzen des Waldes, einem uralten Baum, haben sie ihr Zuhause. Ihre Dankbarkeit soll euch eine Unterstützung auf eurem langen Pfad sein“, zitierte Merthin die Worte aus der Prophezeiung. „Manchmal wünschte ich ja schon, dass die Schriftstücke einfach sagen, was sie wollen. Wer ist mit „friedlichste Waldbewohner“ gemeint? Hast du eine Idee?“ Merthin sah zu Aaron und einen Moment bildete er sich ein, hinter diesem etwas in der Luft gesehen zu haben. Irritiert sah er ihn an. „Wir sollten vorsichtig sein.“ Er sah sich um, konnte aber nichts mehr entdecken. “Sicherheit“, murmelte er und spürte ihren Energiefluss. Doch gleichzeitig merkte er auch, dass diese Energie hier in diesem Wald etwas auslöste. Was, konnte er nicht sagen. Aber es hörte sich an, als würde etwas Surrendes sich auf sie zu bewegen. Es klang wie das Geräusch eines Bienenschwarms, nur voluminöser. „Ob mit den friedlichsten irgendwelche Tiere gemeint sind?“, fragte er vorsichtig und seine Hand legte sich auf seinen Schwertknauf. Die Pferde schienen nicht unruhig zu werden, was an sich eine gute Sache war. Merthin aber spürte eine deutliche Unruhe in sich.
 


 

Aaron
 

Die Aussicht auf einen Märchenwald zum durchreiten klang magisch und Aaron freute sich auf diesen Weg. Zu all dem negativen, was sie in letzter Zeit erlebt hatten und all der Bosheit, die die Menschen verzerrt hatte, war ein schöner Wald eine willkommene Abwechslung. Eine Hütte im Wald klang erstrecht malerisch, bestimmt ein guter Ort um Rast zu machen, sich zusammen zu setzen und über ihr nächstes Ziel zu fachsimpeln. Immerhin hatte die Prophezeiung wieder mal in Rätseln gesprochen. Außerdem wollte Aaron den Brief in sein gebundenes Buch übertragen. Bei all den Gedanken daran, die Prophezeiung zusammen zu tragen, kam ihm auch der Gedanke, vielleicht ein Tagebuch zu schreiben. Eine Aufzeichnung ihrer Reise anzufertigen, das sie und alle nachkommenden erfahren würden, welches Übel Machtgier auf die Welt brachte und damit hoffentlich alle daraus lernen konnten. Zudem war es sicher interessant später in die Anfänge der Reise erneut hinein zu blättern. Nicht umsonst war das schreiben Aarons Gebiet.

"Dann führe uns zu dieser Hütte. Wir brauchen eh einen Ausgangspunkt, von dem aus wir systematisch suchen können.", sprach Aaron und grinste Merthin zu, während er sein Pferd neben dem von Merthin her lenkte. Aaron war auch erleichtert, das Merthin diese Hütte erwähnte, hatte er sich schon ein bisschen Sorgen gemacht, wo sie die Nacht verbringen wollten. Offen, ohne Unterschlupf im Wald zu nächtigen hätte Aaron gewiss nicht viel Spaß bereitet.

Der malerische Wald entpuppte sich jedoch nur am Anfang als wahrlich zauberhaft. Je tiefer sie vordrangen, desto mehr schienen die Farben zu verblassen, die Luft modriger zu riechen, der Boden weicher zu werden. Ganz offenbar war das der Grund, warum diese Waldbewohner Hilfe brauchten, ihr Lebensraum ging allmählich zugrunde, doch der Grund dafür wiederum war nicht sofort ersichtlich. "Hm, Waldbewohner sind meistens ja Tiere...", sprach Aaron nachdenklich. Es war vielleicht eine besonders friedliebende Tierart gemeint, die nur im Wald lebte. Allerdings fragte sich Aaron, wie der Dank dieser Tiere ihnen weiter helfen könnte. Nächstes Problem war auch die Tatsache, das es hier keine Tiere mehr zu geben schien. Es waren weder Vögel zu hören, noch raschelten die vertrockneten Büsche in der Nähe, noch geschah sonst etwas, das auf die Präsenz von Tieren schließen ließ.

Zumindest bis gut hörbare, surrende Geräusche ertönten, direkt nachdem Merthin ihre Energie zur Sicherheit gerufen hatte. Das Geräusch schien auf sie zuzukommen, wirkte dabei bedrohlich, wegen des recht monotonem Gesurre, das sich schnell näherte und das aus verschiedenen Richtungen auf sie zusteuerte. Doch ihre Pferde blieben weiterhin ruhig, was eher ein positives Zeichen war.

Recht plötzlich spürte Aaron etwas seine Haut am Arm streifen, weshalb er sich erschrocken zur Seite umwandte und da erst erblickte er die Urheber des Geräusches. Ein kleiner Schwarm großer....? Ja, was für Wesen waren das? Sie waren so groß wie der halbe Unterarm, in ihrer Form und Masse unterschieden sie sich; manche waren ganz schmal, andere wiederum rund und gedrungen. Und auf dem Rücken trugen sie Flügel wie Bienen. Wild und aufgebracht flogen die mehr oder weniger kleinen Wesen nun um Merthin und Aaron herum, berührten immer wieder deren Haut an den Armen und zogen an ihrer Kleidung, als wollten sie ihnen mitteilen, das sie ihnen folgen sollten. Sprechen taten die Wesen nicht, dafür ertönten leise Glöckchen Geräusche, die ganz aufgebracht durcheinander klangen.

Aaron blickte Merthin an, mit der großen Frage im Blick, auf was für wundersame Wesen sie hier gestoßen waren. Vielleicht hatte Merthin mit seiner Aussage, dies hier sei ein 'Märchenwald', mehr Recht gehabt, als Aaron gedacht hatte. "Sie wollen anscheinend, das wir ihnen folgen.", stellte Aaron das inzwischen sehr offensichtliche fest, denn je länger die beiden Menschen zögerten, desto dringlicher versuchten die fliegenden Wesen sie zum mitkommen zu bewegen.
 


 

Merthin
 

Was auch immer auf sie zukam, bewegte sich mit einer ungeheuren Geschwindigkeit. Merthin blickte sich gespannt um, alle Sinne geschärft. Und dann hörte er etwas… Etwas Zartes und doch Eindringliches… Glöckchen?! Merthin hob verwirrt die Augenbrauen und blickte sich um. Und dann sah er sie auch. Ein Schwarm kleiner Wesen mit Flügeln… Er könnte nicht behaupten, dass er wahnsinnig überrascht war. “Marie? Gibt es Elfen?“, hatte er seine Großmutter als kleiner Junge einmal gefragt. „Solange du nicht beweisen kannst, dass es sie nicht gibt, existieren sie wohl. Aber sie zeigen sich uns nur in großer Not – Not für dich oder Not für sie.“ Und dass diese kleinen zierlichen Wesen ganz offensichtlich aufgebracht, ängstlich und nervös waren, konnte man nur zu deutlich sehen. Der Blonde nickte auf Aarons Worte hin und trieb sein Pferd an. „Dann zeigt uns mal, was los ist…“, sagte er und die Elfen nickten eifrig, flogen eilig voraus, umsurrten sie, damit sie ihnen auch ja folgten durch diesen Wald, der zu sterben drohte.
 


 

Aaron
 

Die Magier folgten den faszinierenden Wesen schließlich, die mit einigem Tempo voraus flogen. Merthin und Aaron mussten etwas schneller durch die Wälder reiten, um mithalten zu können, während die Wesen die beiden immer tiefer in den Wald hinein führten. Die Umgebung wurde zusehends öder, es gab immer wieder kahle Bäume und der Boden war voller schmarotzender Pilze. Schließlich landeten sie auf einer Lichtung, die gewiss wunderschön gewesen sein musste, bevor der Wald begonnen hatte zu zerfallen. Eine verdorrte Wiese breitete sich vor ihnen aus, vereinzelt standen noch ein paar Blumen, doch sie ließen den Kopf hängen. Und inmitten all dem stand ein wahrlich imposanter Baum. Er war groß, stämmig, breit, mit vielen Ästen und einem dichten Blätterwerk. Die Farbe der Blätter erinnerte an ein kräftiges Türkis, doch segelten auch hier sichtbar immer wieder verdorrte Blätter hinab, die sofort zu Erde zerfielen, sobald sie den Boden berührten.

"Was ist hier geschehen...?", fragte Aaron schließlich leise und mitgenommen vom Zustand dieses eigentlich herrlichen Waldes und dieser Lichtung, die man nur als Herz dieser Wälder bezeichnen könnte. Leider schien irgendwas diesem Herz die Kraft zu rauben und damit diese Trostlosigkeit überall auszulösen, das sich immer weiter nach außen ausbreitete.

Nun stiegen sie von ihren Pferden ab, banden diese kurz in der Nähe an und folgten weiterhin den Wesen, die sie dichter an den mystischen Baum heran führten. Je näher sie kamen, desto mehr mischte sich ein weiteres Geräusch zu dem Gesurre und Geklingel der Wesen; ein schluchzen?
 


 

Merthin
 

Je näher sie jenem Baum kamen, der offenbar das Herzstück des Waldes darstellte, desto drückender war die Stimmung. Merthin blickte Aaron auf dessen Frage hin an. „Ich weiß es nicht“, antwortete Merthin tonlos. Es machte ihn selbst traurig das hier zu sehen. Er erinnerte sich noch so gut, dass dieser Wald ihm so zauberhaft vorgekommen war, als sie zuletzt hier hindurch gereist waren. Aber jetzt? Nur Ödnis und Verderben, Leblosigkeit und Trauer, Mutlosigkeit. Er schluckte und sah den schönen Baum an, der vermutlich das Herz des Waldes ausmachte. „Ich weiß, dass Bäume mit anderen Bäumen über Pilzsysteme kommunizieren“, erklärte er leise, während er sich umsah. „Etwas scheint hier alles angegriffen zu haben.“

Gemeinsam liefen sie zu dem Baum, vor dem man trotz seines Zustands Ehrfurcht hatte. Die Elfen brachten sie zu jener, die hier offenbar das Oberhaupt war. Auch sie war voll Traurigkeit und Wehmut. Oder war sie Ursache für das Verderben? Ein Schicksalsschlag? Bedingte ihre Traurigkeit Die Ödnis, oder machte sie der Zustand des Waldes traurig?
 


 

Aaron
 

Als Aaron nun mit Merthin direkt am uralten Baum stand, erblickte er die Quelle des schluchzen. Eines der Wesen, offensichtlich ein weibliches mit einem Blumenkranz auf dem Kopf, saß in sich zusammen gesunken auf einer hervorstehenden großen Wurzel des Baumes und weinte. Die Wesen, die die Magier hergeholt hatten, flogen nun direkt zu ihr und setzten sich um sie herum, ließen dabei ebenso bekümmert den Kopf hängen. Erst da blickte das weinende Wesen auf, wischte sich aber sogleich die Tränen von den Wangen und erhob sich. Sie war etwas größer als der Rest, hatte prächtigere Flügel und es glitzerte ein bisschen, wenn sie diese bewegte.

"Willkommen.", sprach sie mit gedrückter, aber bemüht selbstsicheren Stimme. Aaron war erstaunt sie sprechen zu hören, auch wenn ihre Stimme ebenso glöckchenhaft klang, so war sie scheinbar in der Lage auch Worte zu nutzen. "Bitte verzeiht den Zustand unseres geliebten Waldes, aber ich kann einfach nicht aufhören zu weinen...", gestand sie ganz offen und begann erneut zu schluchzen. In diesem Moment knarzte es in der Umgebung und als Aaron den Kopf zur Seite wandte, sah er, wie gerade ein weiterer Baum verdorrte und sich dabei knarzend verdrehte. Das weinen dieses Wesens, ihre Traurigkeit ließ den Wald absterben, es musste wirklich etwas passiert sein, das ihr Herz schmerzen ließ und damit auch das buchstäbliche 'Herz des Waldes' zu brechen begann. Warum aber sprachen die anderen Wesen nicht?

"Um ehrlich zu sein, waren wir auf der Suche nach Euch und eurem friedlichen Volk.", sprach Aaron das Wesen an und senkte dabei die Stimme. Er vermutete, das dies die friedlichen Lebewesen waren, die ihre Hilfe benötigten und tat deshalb so, als wüsste er es hundertprozentig sicher. Auf diese Weise würden sie gewiss herausfinden, ob seine Vermutung richtig war. Das weinende Wesen hob wieder ihren Kopf und etwas Hoffnung blitzte in ihren verweinten Augen auf. "Dann hatte meine Mutter, Hüterin des Waldes und seiner Bewohner, Königin der Elfen, Recht und uns ward Hilfe gesandt.", sprach sie wie für sich selbst, ehe sie ihre Flügel schneller schlagen ließ und sie damit mehr auf der Höhe der beiden Menschen flog. "Ich bin Mina, Prinzessin der Elfen und neue Hüterin unseres wertvollen Bruders Wald. Wisset, das wir zwei Elfenstämme im Wald haben, mein Stamm, der tief verbunden mit dem uralten Baum und unseren alten Sitten lebt, sowie einen wilderen Stamm, welcher eher am Fluß, der durch die Wälder zieht, lebt. Ihr Oberhaupt ist der Ansicht, das wir alles altes ablegen müssen, uns weiter entwickeln müssen, aber wir können alte Traditionen nicht einfach verkommen und in Vergessenheit geraten lassen. Wir beschützen den Wald seit Jahrhunderten mit unseren Ritualen und Gebräuchen, was wird aus den Tieren, den Bewohnern, wenn wir damit aufhören?", begann sie zu erklären und blickte hinter Merthin in den Wald. In dieser Richtung dürften die anderen... Elfen... leben. Aarons Blick war bei der Nennung dieses Namens zu Merthin gehuscht. Hatte der Blonde gewusst, das es in seinem Märchenwald tatsächlich Elfen gab? Elfen mit scheinbar verdammt menschlichen Problemen.

"Trotz unserer Differenzen lebten wir in Frieden miteinander, waren sogar auf dem Weg uns wieder zusammen zu schließen, einen Weg zu finden, wie wir unsere verschiedenen Ansichten zusammen legen könnten. Morin, ein sehr tapferer Elf und mein Gefährte, ist losgezogen um das Gespräch mit dem Oberhaupt des anderen Stammes zu suchen. Doch er ist nicht zurückgekehrt und es gibt keine Spur auf den Verbleib der anderen Elfen außer uns.", sprach sie und brach erneut in Tränen aus. Die anderen Elfen flogen nun auch zu ihr hinauf, versuchten sie zu trösten, was leider wenig Erfolg zu bringen schien.

Aaron betrachtete sie mit einem Kloß im Hals. Sie weinte so bitterlich, das es ihn regelrecht ansteckte. Wahrscheinlich erging es auch den anderen Elfen so, weshalb diese nicht sprachen und nur ihr glöckchenspiel erklingen ließen. "Wir suchen Eure vermissten Elfen. Und wir werden unser bestes geben herauszufinden, was mit ihnen geschehen ist.", sprach Aaron mit leiser Stimme, damit nicht so auffiel, das er von der Geschichte betroffen war. Wieder suchte sein Blick den von Merthin um auch seine Meinung zu dem Ganzen zu erfahren. Das sie aber helfen mussten war klar, ansonsten betraf es nicht nur die Elfen, sondern den gesamten Wald mit allen Bewohnern darin. Das konnten sie nicht ignorieren, selbst wenn es keine von der Prophezeiung vorgesehene Aufgabe sein sollte.
 


 

Merthin
 

Merthin war zu erstaunt, um seine Gedanken in Worte zu fassen und sah Aaron dankbar an, als er erklärte, weshalb sie hier waren. Und offenbar waren sie erwartet worden?! Nun, es gab viele Prophezeiungen… Die Elfe stellte sich vor und erklärte, was los war. Merthin spürte die tiefe Traurigkeit, die Betroffenheit auslöste. Doch er spürte auch noch etwas anderes, etwas, das sich zunächst falsch anfühlte. Ihr zuzuhören, klang seltsam und doch irgendwie… heilsam? War das komisch? Vermutlich… Aber obwohl dieses Wesen so traurig war, fühlte er bei ihrem Anblick einfach Glück. Er konzentrierte sich wieder auf das Wesentlich und hörte ihrer Erklärung hinsichtlich des anderen Elfenstammes an. „Traditionen sind wichtig“, sagte er, den Blick Aarons nicht bemerkend. Mit einer Elfe zu sprechen war sicher nichts Gewöhnliches, aber dass es solche Wesen gab, hatte er immer geahnt. „Aber manchmal müssen neue Gegebenheiten Dinge verändern. Ein Kompromiss aus Neuerung und Altbewährtem kann sicher sehr produktiv werden. Die Zeiten ändern sich und man muss sich an neue Gegebenheiten anpassen, ohne zu vergessen, woher man kommt, was einen groß gemacht hat, woher der persönliche Reichtum herrührte. Man darf nie das Ziel aus den Augen verlieren. Und wenn ich mir den Wald ansehe, scheint genau das passiert zu sein. Du sagst, ihr schützt den Wald. Offenbar scheint etwas genau das zu verhindern…“ Die Elfe musterte ihn einen Moment und nickte dann, bevor sie erklärte, dass sie dennoch gut miteinander hatten leben können. Noch bevor er ihre Hilfe zusagen konnte, hatte Aaron das Wort ergriffen und Merthin nickte bestätigend. „Wir werden sicher helfen können“, fügte er hinzu und diesmal sah er Aaron an, dem anzusehen war, dass ihn diese Situation ziemlich mitnahm. Unwillkürlich hob er die Arme, umarmte Aaron und zog ihn an sich, um ihn sanft zu drücken. „Wir bekommen das schon wieder hin. Ich hab dir schließlich einen zauberhaften Wald und ein gemütliches Nachtlager versprochen“, lächelte er, um ihn aufzumuntern. Dann wendete er sich der Elfe wieder zu, die sie mit großen Augen anstarrte. „Feuer und Eis – zwei mächtige Elemente. Kein Wunder, dass eure Magie uns Zuversicht gegeben hat, uns euch zu zeigen.“ Sie lächelte einen Moment und dieser Moment reichte, um zu erahnen, welche Kraft das Wesen haben konnte, wenn alles stimmte. „Ich gebe euch Nikkos mit. Er wird euch begleiten…“
 


 

Aaron
 

Aaron drückte sich selbst in die Umarmung, die Merthin ihm zukommen ließ und blickte ihm bei seinen aufmunternden Worten in die Augen. Ein lächeln zeigte sich auf seinen Lippen und er nickte bereits zuversichtlicher. Mina hatte die Fähigkeit, Emotionen zu transportieren und an andere weiter zu geben. Normalerweise flutete sie den Wald und damit alle Bewohner und passierende Reisende mit Glückseligkeit, sodass nur positive Gefühle entstanden. Momentan jedoch war sie dazu nicht in der Lage und verbreitete Trostlosigkeit und Mutlosigkeit, was Merthin durch seine aufmerksame, liebe Geste und erneut passend gewählten Worten bei Aaron in Zuversicht umwandeln konnte. Merthin war eben doch einfach der Beste. "Ich weiß.", murmelte Aaron vertrauensvoll. Glücklich darüber blieb Aaron in Merthins Umarmung solange es nur ging.
 


 

Merthin
 

Als sie kurz darauf nur noch zu zweit und mit dem Elfen durch den Wald schritten, hielt er wieder Aarons Hand. Die Energie tat nach den Vorkommnissen am Morgen gut. Sie schwiegen, vermutlich weil die Stimmung gedrückt war. In diesem düsteren Wald verstummte jede Freude. Als der Elf langsamer wurde, blickte sich Merthin aufmerksamer um. Sie waren zu einem schönen Flusstal gekommen. Doch das Wasser war trübe und roch streng. Die Pflanzen waren abgestorben, wie vergiftet. Sie sahen sich um, aber man konnte niemanden sehen. „Die Elfen, die hier gelebt haben, haben ihre Unterkünfte in den Höhlen hinter dem Wasserfall“, erklärte er und deutete ein Stück flussaufwärts. „Ich traue mich nicht weiter“, gestand er. Merthin blickte in Richtung Wasserfall, dann sah er den Elf an. „Wie können wir euch erreichen?“, fragte er nach und der Elf sah ihn einen Moment erstaunt an. „Ihr seid doch Magier..“, erklärte er. „Wir sind auch magische Wesen. Die Bäume sind unsere Verwandten…“ Dann drehte er sich kopfschüttelnd um.

Merthin blickte ihm kurz nach. „Na klar!“, sagte er genervt. „Da hätte ich ja gleich drauf kommen können.“ Er schnaubte. „Irgendwie komme ich mir gerade dämlich vor…“ Er drehte sich wieder Aaron zu. „Dann sollten wir mal hinter den Wasserfall gehen. Wobei ich mir etwas Schöneres vorstellen kann, als in diese ekelhafte Brühe zu steigen… Und du hattest dir ein Bad sicher auch angenehmer vorgestellt.“
 


 

Aaron
 

Mit Merthin an der Hand folgte Aaron schließlich dem Elfen Nikkos schweigend zum Fluß, den man nur noch schwerlich als solchen bezeichnen konnte. Das Wasser war verschmutzt und roch übel. Es sah hier aus wie auch im Rest des Waldes, absolut lebensunfreundlich und es machte jede Hoffnung von Aaron zunichte, hier vielleicht ein nachträgliches Bad nehmen zu können. Denn in dieser Brühe würde er gewiss nicht sauber werden, höchstens krank. Dieser Gedanke brachte Aaron auf die Idee, das den vermissten Elfen vielleicht genau das passiert sein könnte. Allerdings erklärte das nicht, wieso sie 'verschwunden' sein sollten und irgendwie hoffte Aaron auch nicht, das die Elfen krank waren. Aber irgendwas musste ja mit ihnen geschehen sein...

Ihr Begleiter Elf wollte ganz offensichtlich nicht weiter mitkommen und antwortete auch nicht sonderlich höflich auf die Nachfrage des Blonden. Merthin tat seinen Unmut darüber auch bereits kund; zurecht. Der Elf hätte wirklich freundlicher sein können, immerhin wollten sie nur helfen. Mit einem leichten grinsen legte Aaron seinem Freund eine Hand auf die Schulter, klopfte locker. "Dann sind wir beide dämlich, ich hätte dieselbe Frage gestellt.", wollte Aaron Merthin das schlechte Gefühl nehmen, welches diesem beschlichen hatte. Der Prinz selbst hätte es auch nicht besser gewusst, Merthin brauchte sich deswegen also nicht dämlich zu fühlen, denn das war er gewiss nicht. Aber Merthin hatte Recht: große Lust durch das Wasser zu waten hatte auch Aaron nicht, weshalb er zustimmend nickte und ein Seufzen hören ließ. "Wäre angenehmer, wenn wir auch solche Flügel hätten.", grinste er ein bisschen scherzhaft in der Hoffnung, wenigstens einen Moment von der unschönen Brühe ablenken zu können.
 


 

Merthin
 

Dass Aaron sein Gefühl von Unwissen teilte, war süß. Nun, sie würden schon gemeinsam herausfinden, wie sie die anderen Elfen wieder kontaktieren konnten, wie sie sie finden könnten. Nun mussten sie aber erst einmal helfen. Alles andere würde sich dann geben. Als Aaron bemerkte, dass es einfacher wäre, wenn sie auch Flügel hätten, musste Merthin lachen. Dann blickte er breit grinsend und Aaron musternd an. „Du mit Flügel…“, murmelte er mit einem amüsierten Unterton. „Sicher sehr hübsch… und sexy.“ Eine seltsame Vorstellung, wenn Aaron ein Elf wäre. Aber irgendwie auch gut.
 


 

Aaron
 

Aaron hatte es für einen Scherz gehalten, als Merthin festgestellt hatte, das Aaron mit Flügeln hübsch und sexy aussehen würde. Ein solches Kompliment zu erhalten erschien ihm zu hoch gegriffen, auch wenn er sehr wohl in sich merkte, das er es gern hörte, wenn Merthin solche Sachen sagte. Daher hatte Aaron aber auch leise ebenso amüsiert gelacht, bekam auch ein Bild von Merthin mit solchen Flügeln in den Kopf. Aber es wäre gewiss schön, mit Merthin zusammen über den Wolken zu fliegen und einfach alles hinter sich zu lassen, was alles böses auf der Welt unter ihnen geschah. Aber auch ohne diese Möglichkeit gab es immer wieder Glücksmomente für sie beide und dieses Gefühl auszustrahlen machte tatsächlich sexy. "Du brauchst dafür nicht mal Flügel.", entkam es Aaron sehr leise murmelnd bei diesen Gedanken.

Reinigung

Merthin
 

Gemeinsam liefen sie bis zum Wasserfall und blickten sich um. Niemand war zu sehen. Wie sollten sie hinter ihn kommen? Gab es überhaupt ein „dahinter“? Doch je näher sie kamen, desto deutlicher sah man einen Felsvorsprung, über den man tatsächlich dahinter kommen konnte. Vorsichtig traten sie näher und Merthin bemerkte, dass das Wasser, das von oben kam, eine seltsame Farbe hatte. Es war rötlich braun und trüb, so als seien viele Schwebstoffe darin enthalten, die aber größer waren, als normale Bodenpartikel. „Ich geh zuerst…“, erklärte Merthin und schlüpfte hindurch, dabei versuchend, so wenig das Wasser zu berühren wie nur möglich. Dahinter öffnete sich eine große Höhle. Und es reichte ihm ein Blick, dass er wusste, was Mina vorhing gesagt hatte. Das „neumodische Zeug“ waren von Menschen gefertigte Gegenstände die zu einer Skulptur zusammengefasst worden waren. Die Quelle, die weiter oben entsprang, wurde umgeleitet und zu einem Wasserfall umfunktioniert, so dass die Eingänge zu ihren Höhlen nicht mehr gesehen werden konnten. Doch das Material war rostig. Und sicher waren auch Farbstoffe verwendet worden, die mit dem Wasser zusammen sich zu einem Gift entwickelten. „Ich glaube, ich weiß, warum der Wald stirbt…“
 


 

Aaron
 

Schon ein bisschen angespannt schaute Aaron zu, wie Merthin voran ging und hinter den Wasserfall verschwand. Dicht folgte er ihm und tat ebenfalls sein Bestes, nichts von dem Wasser abzubekommen. In der kleinen Höhle dahinter roch es nicht besser als außerhalb und Aaron hielt sich gar die Nase zu. Eigentlich war er ziemlich reinlich und hatte auf der Reise bisher schon ein paar Dinge einstecken müssen, die gegen seine Nase gegangen waren, aber schlimmer als hier war es eigentlich nur in der Kloake von Manjak gewesen. Mit großen Augen schaute Aaron sich um und entdeckte die vielen Zeugnisse der Neumodischen Welt, denen sich diese Elfen angeschlossen hatten. Aaron war ja auch der Meinung, das Neues nicht unbedingt schlecht war und man nicht nur auf altbewährtes festsitzen sollte, doch das war schon zu viel des Guten. Als Merthin bemerkte, warum hier alles zugrunde ging, folgte Aaron seinem Blick und sah die verrostete Konstruktion, die zwar diese Höhle vor ungebetenen Besuch schützte, aber dafür das Wasser mit für die Umwelt giftigen Partikeln verschmutzte. So nickte er und überlegte, wie sie dieses Problem lösen könnten. Eigentlich müsste der erste Schritt sein, das sie den Ursprung dieser giftigen Partikel entfernten und das war den Rost zu entfernen. Allerdings würde das Material immer wieder nach rosten, da es stetig vom zum Wasserfall umgeleiteten Wasser überspült wurde. Also blieb nur das ganze Material zu entfernen, bevor der Wald noch weiter vergiftet werden würde. Allerdings hing das Material zu weit oben, als das es so einfach zu erreichen wäre. Aarons Blick wanderte von der verrosteten Konstruktion über ihnen hin zu Merthin und in diesem Moment kam ihm eine Idee. Merthin war ein kleines Stück größer als Aaron, allerdings auch nicht ganz groß genug, aber zusammen....

Entschlossen marschierte Aaron auf Merthin zu und stellte sich hinter ihn. "Du hilfst mir doch mal kurz?", war das einzige, was er grinsend sagte, bevor er dann seine Hände von hinten auf Merthins Schultern legte und dann mit ein bisschen Schwung auf seinen Rücken huckepack hüpfte. Dabei vertraute er darauf, das Merthin ihn festhalten würde. Mit den Armen stützte er sich auf Merthins Schultern etwas höher, versuchte sich so lang zu machen wie er nur konnte und griff dann mit einer Hand nach dem überstehenden Stück verrosteten Materials, musste dafür mit der Hand auch in das eklige Wasser greifen. Es dauerte einen Moment, in dem Aaron mit der Hand versuchte Halt zu finden, da er durch das sprudelnde, dunkle Wasser nicht sonderlich viel sah. Schließlich bekam er es zu fassen und zog daran, wodurch sich die Konstruktion löste und schließlich ganz auseinander fiel. Wasser spritzte auf sie hinab, bekleckerte sie teilweise mit der ekligen Brühe, ehe Aaron reflexartig auch seine zweite Hand hinauf streckte und Magie aus dieser Hand fließen ließ, welche das Wasser augenblicklich gefrieren ließ, bevor es sie gänzlich durchnässen konnte. Ein paar kleinere Stücken Material fielen dabei hinab, das größere Stück hatte Aaron noch in der Hand und er achtete auch darauf es nicht unkontrolliert fallen zu lassen. Nun mit beiden Händen hielt er das schwere Teil fest, schwenkte es zur Seite und ließ es dann neben ihnen mit recht lautem poltern zu Boden fallen. Erschöpft von der Anstrengung, in die sich auch die Anstrengung vom ganzen Tag mischte, ließ sich der Prinz dann gänzlich auf Merthins Rücken sinken, ließ seine beiden Arme sich um Merthins Schultern schlingen und schmiegte seinen Kopf seitlich an den von Merthin heran. Leise atmete er tief durch, denn fertig waren sie noch nicht. Die Pause später bräuchte Aaron dann aber wirklich.
 

Merthin
 


 

Bei dem Gestank war es eigentlich kein Wunder, dass die Elfen krank geworden waren. Und dass dieses Wasser den Wald verseuchte, war auch vollkommen logisch. Sie würden diese Konstruktion zerstören müssen, um etwas zu verändern. Und hoffentlich würde das den gewünschten Effekt bringen, damit die Elfen wieder aufwachten. Merthin verkniff sich ein Lachen, als er sich zu Aaron umdrehte und sah, wie wenig ihm das hier gefiel. Sicher, er würde sich auch freuen, wenn er mal wieder baden konnte. Aber ihn störte der Dreck im Moment nicht soo sehr.

Sie blickten sich um. Wie konnten sie diese ganzen Sachen entfernen? Und was würde geschehen, wenn sie es täten? Nicht dass das Wasser die Höhle flutete… Und selbst wenn sie die Dinge entfernten, die das Wasser schädigten, dann würde es noch nicht sauber sein. Und noch eine Frage geisterte in ihm herum. Woher hatten die Elfen das ganze Zeug? Das waren Gegenstände, die ein Trödler vermutlich versuchte zu verscherbeln. Ob ein Mensch sie getäuscht und hintergangen hatte? Doch während er dastand und Fragen formulierte, die vermutlich erst später beantwortet werden konnten, überlegte Aaron wirklich, was sie tun könnte. Und im Gegensatz zu ihm, kam er zu der einfachsten Lösung. Er spürte die Hände auf seinen Schultern und reagierte automatisch, hielt dessen Beine an seiner Hüfte fest. Schließlich war er es gewohnt, lebendige Pyramiden zu bauen… Aaron war nicht sehr schwer. Er wog ihn kurz auf seinem Rücken, dann umfasste er seine Beine so, dass Aaron sich gut abstützen konnte, um noch höher greifen zu können. Und dann begann Aaron alles zu zerstören, alles abzubauen. Und Merthin war froh, dass er darauf achtete, ihn nicht mit den teilweisen schweren Gegenständen, die zu Boden fielen, zu treffen. Erschrocken blickte er auf, als das Wasser drohte, sich über sie beide zu ergießen. Er wollte sich schon ducken, um es nicht direkt ins Gesicht zu bekommen, als er einen heftigen Magiefluss spürte. Als das Wasser gefror, fröstelte es Merthin augenblicklich. Die ganze Atmosphäre hier in der Höhle hatte sich um einige Grad abgekühlt. Aarons Magie war wirklich faszinierend. Man konnte im Eis genau sehen, was im Wasser herumgeschwommen war. Doch zunächst einmal mussten sie alles abbauen, was sie erreichen konnte. Schwere Brocken fielen neben ihm zu Boden. Sicher, er trug Aaron. Und doch kam er sich etwas nutzlos vor. Als er merkte, wie Aaron die Kraft verließ, und er sich auf seinen Rücken sinken ließ, lächelte er. Hoffentlich würden sie heute noch irgendwo entspannen, sich richtig ausruhen können… Er küsste sacht die Hände, die er auf seiner Schulter spürte und die er erreichen konnte, wenn er den Kopf drehte. Dann lehnte er sich etwas nach vorne, um Aaron sicher auf seinem Rücken zu wissen und so quasi ein wenig mit ihm zu schmusen. „Nachher werde ich dich etwas massieren, mein Schmusebär“, sagte er leise. „Ich hoffe, wir haben es bald geschafft… Wir müssen nur noch das Wasser sauber bekommen.“
 

Aaron
 


 

Aaron spürte die sanften Küsse auf seinen Händen, schmiegte sich so bloß enger an Merthin heran. Dessen Zuneigung zu spüren war selbst in einer Situation wie dieser wunderbar. Seine Lippen waren so sanft und weich, das Aaron sich auch einen Kuss auf die Lippen wünschte. Hoffentlich hatten sie später noch Zeit für ein bisschen mehr kuscheln.

„Wir könnten mit unserer Magie versuchen das Wasser zu reinigen.", sprach Aaron dann leise und ließ Merthin schließlich los, um wieder von seinem Rücken hinab zu rutschen. Es war unwahrscheinlich angenehm gewesen, aber Aaron konnte sich vorstellen, das er mit dieser Empfindung alleine dastand. Immerhin hatte Merthin sein Gewicht tragen müssen und auch wenn er nicht so schwer war, so war Merthin doch sicher auch noch erschöpft und da konnte jedes Gramm zu viel sein. Aaron hockte sich an den eingefrorenen Fluß, hielt seine Hand drauf und ließ so das Eis langsam wieder verschwinden, sodass das kontaminierte Wasser wieder fließen konnte. Dann fasste er sanft nach Merthins Hand, hielt diese einen Moment fest, ließ seine Magie bewusst über diese Verbindung zu Merthin fließen und nahm im Gegenzug auch dessen Magie auf. "Wenn wir es zusammen versuchen, kriegen wir das Wasser sauber.", sprach er voller guter Hoffnung zu Merthin und drehte seine Hand dann in der des Blonden, sodass sein Handrücken in Merthins Handfläche ruhte. Ihre Finger verhakte er ineinander und tauchte sie dann zusammen in das noch verdreckte Wasser. Aaron versuchte sich dann darauf zu konzentrieren, was er hier machen wollte. Magie reagierte auf das, was der Magier machen wollte, fügte sich seinem Willen und erfüllte den Wunsch des ausführenden. Aarons Wunsch war es die Giftstoffe im Wasser mit seinem Eis zu umschließen, ohne dabei das eigentliche Wasser zu beeinträchtigen. Merthins Feuermagie dahinter sollte die in Eis eingeschlossenen Partikel zerschmelzen, am besten auch ohne das Wasser zu verdampfen. Es war Fingerspitzengefühl gefragt, keine grobe Gewalt, was die Sache schwieriger machte. Kontrollierte Magie im richtigen Maße freisetzen...

Das Gefühl ihres gemeinsamen Energieflusses und ihr beider Wille etwas gutes zu bewirken, ließ Aarons Plan schließlich aufgehen. Oder war es ihre Vereinigung, ihre tiefe Verbundenheit, die den Ausschlag gab? Die Stelle im Wasser jedenfalls, in der ihre beiden Hände ins Wasser tauchten, erglühte blau und rot, deren ausstrahlende Energie sich ruhig verwirbelte und damit das Wasser im ganzen Fluß durchzog. Giftstoffe wurden verglüht, was das Wasser langsam wieder klarer werden ließ. Leicht biss sich Aaron dabei aber auf die Lippen, kniff seine Augen fest zu, spürte er doch, wie viel Energie es ihren Körpern kostete, diese doch recht große heilsame Macht freizusetzen. Aber sie konnten nicht aufhören, bis nicht auch das letzte Giftpartikelchen verdampft war, nur dann hätte ihre Aktion auch wirklichen Erfolg gebracht.
 

Merthin
 


 

Daraufhin ließ sich Aaron von seinem Rücken gleiten. Gleich fühlte sich die Luft in der Höhle an seinem Rücken noch kälter an. Der Blonde seufzte. Doch er sagte nichts. Er konnte ja Aaron schlecht bitten, wieder auf seinen Rücken zu steigen… „Mit unserer Magie?“, fragte er irritiert nach, als Aaron den Vorschlag machte, so das Wasser zu reinigen. Könnte seine Energie das?

Er ließ sich gerne von Aaron führen, schien dieser ja zu wissen, was er tat. Sie verhakten ihre Finger ineinander und Aaron führte ihre Hände ins Wasser. 'Das Wasser reinigen', war automatisch sein Gedanke. Ob das so einfach war?

Das Wasser war kalt, doch in der Berührung mit ihren Händen, schien es sich zu verändern. Es wurde heller, klarer, sauberer, wärmer. Merthin spürte natürlich Ihre Magie, Aarons wie seine, dennoch war er auch irritiert. Dann blickte er genauer hin und sah, dass der Dreck sich bündelte und dann einfach verschwand. Verdunstete das? Er erinnerte sich automatisch an das Wesen in dem Bauernhaus, das auch einfach sich aufgelöst hatte. War das normal für negative Energie? Dass sie quasi einfach wieder ins Chaos verschwand? Vielleicht. Aber das bedeutete auch, dass sie wieder erweckt werden konnte. War das der Grund, warum der König der Verursacher von all den Gegebenheiten war, wo Menschen, Tiere und Fabelwesen litten? Weil durch seine Machtgier die negative Energie sich aus dem Chaos lösen und Form annehmen konnte?

Merthin schloss die Augen, fasste Aarons Hand fester und ließ Energie fließen, ohne genau zu wissen, wie er das machen müsste. Doch es funktionierte auch so und das Wasser wurde sauberer und sauberer.

Was auch immer es war – es klappte. Und mit jedem bisschen frischeren, sauberen Wasser wurde die Luft auch besser. Mit einem Mal krachte neben ihm auch andere Konstruktionsteile hinunter , an die sie gar nicht hinkommen hätte können, und schienen ebenso zu verschwinden und sich aufzulösen. Plötzlich brach das Wasser aus, rann an den Seiten der Höhle hinunter und ließ Licht in die Höhle dringen, Licht und frische Luft. Etwas regte sich hinter ihnen, doch sie waren noch nicht fertig. Merthin spürte, dass Aarons Kräfte weniger wurden und drehte den Kopf, blickte ihn an. Erschrocken merkte er, wie jener immer mehr in sich zusammensank. Augenblicklich unterbrach Merthin den Energiefluss und drehte sich zu Aaron, um ihn in den Arm zu nehmen, ihn zu stützen. „Übernimm dich nicht“, wisperte er. Dabei spürte er, dass er selbst auch ziemlich müde war, erschöpft, ausgelaugt. Sie hatten heute schon einen heftigen Kampf gehabt – besonders Aaron. Und nun ließen sie noch einmal viel Energie. „Übernimm dich nicht“, wisperte er noch einmal und hielt Aaron so, dass jener sich an ihn lehnen konnte. Sacht küsste er ihn auf das Haar, das er erreichen konnte, strich ihm mit seiner Hand über den Rücken. „Wir sollten eine Pause machen…“
 

Aaron
 


 

Obwohl Aaron merkte, das ihn das freisetzen der Magie mehr und mehr anstrengte und es zu viel zu werden drohte, hörte er nicht auf zu versuchen, wirklich alles böse aus dem Wasser zu filtern. Es musste getan werden und Merthin gab auch alles, Aaron wollte da nicht schwächer erscheinen. Dennoch war er anscheinend nicht sehr gut darin dies zu verstecken, denn Merthin bemerkte seine immer weiter zunehmende Schwäche und stoppte ihre Aktion schließlich. Doch etwas erleichtert aufatmend lehnte er sich an Merthin und schloss kurz die Augen. Dem Kuss auf seinem Kopf lehnte er sich weiter entgegen, wollte unterbewusst noch mehr dieser Zärtlichkeiten, wollte sich mehr an Merthin schmiegen, wollte eine Decke über sie ziehen und dann schlafen. Ohne den nächsten Tag wieder früh aufstehen zu müssen, ohne das eine wütende Meute sie aufs Dach eines Hauses trieb. Merthin schuldete ihm ein kuscheln, ob vielleicht die Möglichkeit bestand, dieses einzulösen? Aaron fasste blind nach einer von Merthins Händen und hielt diese einfach locker fest, als Dank, das sich Merthin sorgte.
 

Merthin
 


 

Gemurmel hatte sich in der Höhle breit gemacht, aber erst jetzt drang es zu Merthin durch. Er löste sich leicht, um zu sehen, was los war, und merkte dabei, dass die Sonne in die Höhle schien und die Schlafnischen erhellte, die man nun überall in den Wänden erkennen konnte. Darin hatte es begonnen sich zu bewegen und die Elfen, die aus ihrer Starre erwacht waren, kamen murmelnd und Glöckchen klingelnd zu ihnen. Er sah wieder hinaus, dorthin, wo eben noch der Wasserfall gewesen war. Nun hatte man einen schönen Blick auf das Flussbett und dabei fiel auf, dass sich die Landschaft um den Fluss merklich von der Farbe her veränderte. Merthin lächelte bei dieser Erkenntnis, hielt Aaron noch immer fest, da er das Gefühl hatte, dass er noch immer sehr kraftlos war. „Ich glaube, wir haben es geschafft…“, wisperte er und blickte Aaron an. „Geht es dir gut?“
 

Aaron
 


 

Kurz schaute auch Aaron auf, als wieder das Glöckchen klingeln zu hören war, das von den Elfen gekommen war. Eine Schar Elfen kam aus dem hinteren Teil der Höhle, sahen teilweise verschlafen und noch etwas angeschlagen aus, aber soweit schien es ihnen gut zu gehen. Erleichtert seufzte Aaron und ließ sich wieder gegen Merthin sinken, an den er sich kraftlos lehnte. "Ja, dank dir bin ich in Ordnung.", antwortete Aaron und lächelte Merthin zu. Er war es schließlich, der Aaron aufgehalten hatte noch mehr Energie aus seinem Körper fließen zu lassen und welcher ihn jetzt stützend hielt. "Und du? Bist du auch erschöpft?", gab Aaron die Frage zurück.
 

Merthin
 

„Ja, aber es ist alles gut“, hatte Merthin nur knapp noch auf die Frage des anderen geantwortet. Aaron war so fertig, so ausgelaugt und wirkte so zerbrechlich, dass Merthin ihm nicht noch Sorgen um sein Wohl aufbürden wollte. Und an sich war es nicht gelogen. Er war auch ziemlich fertig, aber es ging ihm dennoch gut genug, um hier nicht umzufallen… Bei Aaron war er sich nicht so sicher.

In diesem Moment sah man unterhalb der Höhle eine Gruppe von Elfen, die sich ihrem Ort näherten. Bald erkannte man Mina, die allen voran zu ihnen flog. „Mina!“, hörte er einen Elfen hinter sich und die beiden begrüßten sich überschwänglich. Ob es jener Bote gewesen war? Vermutlich. Auffällig war nur, dass durch diese Umarmung noch mehr Licht, noch mehr Farbe in den Wald zurückkehrte. Die Elfen, die Mina gefolgt waren, traten zögernd näher. Ebenso verhielt es sich mit denen, die hier in einem Zustand der Vergiftung erstarrt waren. Einen Moment herrschte eine unangenehme Stille, dann durchbrach ein Elf diese: "Ein Glück, dass ihr uns gerettet habt." Die Elfen fielen sich in die Arme, tanzen vor Freude und waren so glücklich, dass Merthin in sich auch dieses Gefühl deutlich spürte. Er drückte Aaron fester an sich. Sie hatten helfen können!
 

Die Königin der Elfen drehte sich schließlich zu ihnen. An ihrer Seite war die Königin der Flusselfen, die sich dankbar vor ihnen verbeugte. „Aaron und Merthin!“, begann Mina lächelnd. „Ihr habt es tatsächlich geschafft, diesem Ort zu altem Glanz zu verhelfen! Dafür seid euch unseren ewigen Dank sicher!“ Sie griff in ihre Tasche und zog ein Armband heraus, das sie Aaron überreichte, da Merthin keine Anstalten macht, diesen loszulassen. „Falls ihr jemals Hilfe von uns benötigt, zögert nicht, mich mit Hilfe dieses Armbandes zu rufen!“, erklärte sie weiter. „Und bitte seid nun meine Gäste! Ihr müsst euch ausruhen!“
 


 

Aaron
 

Das dann auch Mina mit ihren anderen Elfen dazu kam hätte Aaron fast nicht mitbekommen, doch die Wiedersehensszene wirkte so ehrlich berührend, das es Aaron freute, diese Strapazen auf sich genommen zu haben. Die Fröhlichkeit der Elfen ergriff die Herzen der beiden Magier und auch das des Waldes, wodurch sich die Natur bereits sichtbar weiter erholte. Es sah schon fast wieder gut aus, wie ein Blick nach draußen verriet. Der Rest würde gewiss mit der Zeit auch noch kommen, wenn die Elfen diese Fröhlichkeit beibehielten. Aaron nahm das Armband entgegen, wobei er auch überhaupt nicht gewillt war sich aus den schützenden Armen seines Freundes zu winden. Es gab ihm langsam Kraft zurück, die Erschöpfung in seinen Gliedern blieb jedoch. "Ein wertvolles Geschenk, seid Euch auch unseres Dankes gewiss.", murmelte Aaron rein aus Höflichkeit, während er sich das Armband ums Handgelenk knotete.
 


 

Merthin
 

Merthin nickte. "Danke! Ein Ort zum ausruhen und Kräfte sammeln, wäre gut", lächelte er und Mina sprach sogleich weiter. „Das Haus der Menschen ist nicht weit. Ihr werdet dort alles finden, was euer Herz begehrt… Sybil und ich werden euch geleiten...“ Kurzerhand hob er Aaron hoch, wog ihn kurz auf seinen Armen. "Gut, dass du so leicht bist", sagte er leise und lächelte Aaron an. Dann gingen sie los, den beiden Elfen folgend.
 

Es war wirklich nicht weit. Das Haus lag auf einer sich regenerierenden Wiese und sah sehr gemütlich aus. Sollte ihnen das wirklich alleine heute gehören?! Das wäre ja wirklich wie im Paradies! Als sie näher kamen, sahen sie, dass ihre Pferde auf der Koppel am Stall nebenan standen. Das Haus war klein, vermutlich nur ein Raum, aber darauf kam es nicht an. Separat stand ein Haus an einer Quelle, ob man darin baden könnte? Sie stanken noch immer und Merthin würde froh sein, wenn er auch seine Klamotten einmal waschen konnte.

Sie folgten den beiden Elfen ins Haus. Er musste schmunzeln bei dem Gedanken, dass er Aaron gerade über eine Schwelle trug. "Dabei trägt doch der Prinz die Prinzessin über die Schwelle.", rutschte ihm heraus. Er erinnerte sich noch gut daran, dass Aaron ihn wegen seiner längeren Haare zur Prinzessin deklariert hatte.
 


 

Aaron
 

Gern würde Aaron noch einen Moment sitzen bleiben wollen und durch schnaufen, doch schienen die Elfen bereits losziehen und ihnen die Hütte zeigen zu wollen. Bevor Aaron aber den Schwung gesammelt hatte, um sich zu erheben, überraschte ihn Merthin bereits mit einer wortlosen Geste.

Gerade hatte sich Aaron hoch rappeln wollen, als er plötzlich spürte, wie er den Boden unter sich verlor und in die Höhe gehoben wurde. Automatisch fasste er mit beiden Armen um Merthins Nacken, welcher ihn soeben überraschenderweise vom Boden gesammelt hatte und ihn nun mit sich trug, immer den beiden Elfendamen hinterher. "Wirklich?", fragte der Prinz leise, ob er wirklich leicht genug war. Aarons Blick hing in Merthins Augen, welche er einen Moment einfach beeindruckt anschaute. So fühlte es sich also an, wenn man jemanden hatte, der sich ehrlich um einen sorgte und sich für einen interessierte? Die Dienerschaft bei Hofe kümmerte sich auch um einen, versuchte einen die Wünsche von den Augen abzulesen, aber da fehlten solche Überraschungsmomente, solche Gesten, die einem Gänsehaut verschafften. Und Herzklopfen. Wie jetzt gerade bei Aaron, als dieser wohlig seufzend seinen Kopf an Merthin schmiegte und sich einfach freute, das dieser so auf ihn achtete. Ganz entspannen konnte sich Aaron aber nicht, denn wenn Merthin sich schon die Mühe machte ihn den ganzen Weg zu tragen, obwohl er selbst gewiss auch erschöpft war und sich auch ausruhen wollte, so wollte Aaron es ihm wenigstens nicht schwerer machen. Daher ließ er sich nicht hängen, sondern versuchte sich leichter zu machen. Zumindest bis zu dem Moment, indem sie das Haus betraten und Merthin ihn über die obligatorische Schwelle trug. Das Merthin diese Symbolik überhaupt in den Sinn kam zeigte schon, wie lieb und fürsorglich er Aaron gegenüber war. "Und wie schauts bei einem Mann, hübscher als eine Prinzessin, aus, welcher einen Prinzen über die Schwelle trägt?", fragte Aaron leise nach. Immerhin kam es wohl nicht wirklich oft vor, das ein Prinz seine Prinzessin so trug, das war viel zu nahe, viel zu unrühmlich anzusehen. Eine Frau hochzuhalten, sodass man ihre Beine sehen konnte, ging einfach nicht. Es war eindeutig wahrscheinlicher, das ein einfacher Mann seine einfache Frau derartig trug, als Mitglieder des Adelsstandes.
 


 

Merthin
 

Als er Aaron in den Armen hielt und stützte wurde ihm seine Sorge über Aarons Zustand auch bestätigt. Und so war es ein leichtes für ihn, die Kraft aufzubringen, Aaron bis in die Hütte hinein zu tragen. Er lächelte, als er Aarons Worte hörte. Er sollte hübscher als eine Prinzessin sein? Vorhin schon, als es um die Flügel ging, hatte Aaron ihm letztlich gesagt, dass er ihn hübsch fand. Es freute ihn, dass Aaron so von ihm dachte. E wärmte ihm das Herz. Ob Aaron früher auch andere Männer schon attraktiv gefunden hatte? „Der würde sich glücklich schätzen, das tun zu dürfen…“, sagte er leise und lächelte Aaron an. Seinen Gedanken hielt er zurück. Es würde sicher einmal unter anderen Umständen eine Situation geben, bei der er ihn dahingehend befragen konnte. Dass Aaron noch keine Liebesbeziehung gehabt hatte, noch nie mit jemandem geschlafen hatte und keine Erfahrung in solchen Dingen hatte, wusste er. Aber er hatte ihn noch nie gefragt, ob er schon früher gewusst hatte, dass eine Liebe zu einem Mann möglich war.
 

Merthin blickte sich um und ließ Aaron langsam hinunter.

In der Stube wirkte alles sehr gepflegt und wohnlich. In der Hütte gab es tatsächlich nur einen Raum, der jedoch größer war, als es von außen wirkte. Darin befanden sich ein Kamin, vor dem ein Sofa stand, ein Schlafnische mit großem Bett, ein Küchenbereich mit einer Eckbank zum Tisch. Auf dem Tisch standen Speisen und Getränke. „Wenn ihr noch etwas begehrt, müsst ihr nur daran denken. Dann wird es euch gewährt“, erklärte die Königin der Flusselfen und Merthin nickte. „Euer Gepäck findet ihr hier.“ Mina blickte sie lächelnd an. Nun fand Merthin wieder seine Sprache. „Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken kann…“, begann er zu erklären, doch Mina unterbrach ihn mit einer abwehrenden Geste. „Ohne euch wäre das ein Ort der Ödnis gewesen. Daher genießt es, hier zu sein. Ihr habt euch das verdient!“

Irgendwie hatte Mina recht. Sie sollten es genießen und sich richtig ausruhen. Vielleicht waren ihnen ja auch zwei Tage hier vergönnt… Er blickte zu Aaron und lächelte ihn an. „Sieht aus, als hätten wir uns eine Pause wirklich verdient…“
 


 

Aaron
 

Ein kleines bisschen widerwillig ließ sich Aaron wieder von Merthins Armen gleiten und ließ seinen Blick durch den einzelnen Raum gleiten. Hier war es zwar etwas kühl, aber die Ausstattung des Raumes gab einem trotzdem ein warmes Gefühl. In der Luft lag ein zur Abwechslung sehr angenehmer Geruch nach frischen Essen und Seife. Auf dem Weg hierher hatte Aaron nebenan noch ein kleines Häuschen gesehen, direkt an einer weiteren Wasserquelle gelegen. Das Wasser dürfte weitestgehend gereinigt sein und hatte von weitem schonmal ganz gut ausgesehen, das war gewiss die erste Station, die Aaron aufsuchen wollte. Ein Bad war jetzt wirklich überfällig. Danach ein ordentliches Menü mit all den Leckerein auf dem Tisch und danach irgendwann wäre es gewiss schön auszutesten, ob die Schlafnische so bequem war, wie sie aussah. Dort lagen so viele Kissen aus kuscheliger Wolle, das es Aaron fast an sein eigenes Bett in seinem Gemach erinnerte. Dort hatte er auch unendlich viele Kissen und Decken zum drin einrollen und sich wärmen. Nichts war für Aaron schöner als eine kuschelige und warme Schlafmöglichkeit. Naja, fast nichts. Obwohl Aaron jetzt Merthin bevorzugte, so hatte die magische Wunscherfüllung der Elfen anscheinend bereits reagiert und die Schlafnische dementsprechend hergerichtet.

"Vielen Dank, Hoheit.", bedankte sich auch Aaron bei Mina für dieses Geschenk. Gemeinsame Zeit mit Merthin war ein größeres Geschenk als alles materielles, was sie ihnen hätte schenken können. Diesen Dank gab Aaron auch an die Königin der Flusselfen, neigte dabei leicht den Kopf, wie er es auch im Gespräch mit menschlichen Königinnen getan hätte. Wie es bei Hofe angebracht gewesen wäre. Während die beiden Elfendamen die Hütte verließen, drehte sich Aaron weiter in den Raum hinein, schaute auf den Tisch mit den Leckerein. Neugierig ging er näher heran und überblickte schon etwas hungrig das Angebot. Dort standen viele Dinge, die der Prinz gern mochte und was er seit seiner 'Flucht' von Zuhause nicht mehr gegessen hatte. Darunter eine recht exotische Frucht, die es nur in einem entfernten Land gab und die extra für den Hof geliefert wurde. Kein bürgerlicher könnte sich das leisten, daher war diese Frucht gewiss im Volk kaum bekannt, Aaron mochte sie aber unheimlich gern. Sie war klein wie eine Walnuss, von kräftig gelber Farbe und schmeckte süß wie Honig. Daher hießen die Beeren auch Honigbeeren. Aaron nahm sich eine und steckte sie sich genüßlich in den Mund. Dabei pflückte er eine zweite vom Strauch ab, behielt sie kurz in der Hand.

Noch kauend wandte sich Aaron Merthin zu als er dessen Stimme vernahm und nickte zustimmend. Die zweite Honigbeere hielt er dann Merthin hin, damit er sie probieren könnte. Kurz aß er die Frucht in seinem Mund auf, während er seine Hand vor den Mund hielt, damit Merthin ihm nicht direkt beim kauen zuschauen musste. Erst nach dem schlucken setzte er zur Antwort an. "Ja, wenn wir schon die Gelegenheit bekommen...!", setzte er hinzu und grinste dem anderen erschöpft zu. "Wie möchtest du die Freizeit hier verbringen?", fragte Aaron den Blonden interessiert. Merthin hatte einfach mehr Ahnung davon, wie man seine Freizeit im 'Freien' verbringen konnte, Aaron hatte seine eigenen freien Stunden eher mit Einzelbeschäftigungen verbracht. Nur wollte Aaron jetzt auf keinen Fall alleine dasitzen und schreiben, wenn er doch zusammen mit Merthin Zeit verbringen konnte. Außer... baden gehen, das war dann doch immer noch eine Einzelbeschäftigung. "Dein Angebot mich zu massieren steht auch noch?", wollte Aaron sich vergewissern, denn eine Massage von Merthin wollte er sich nicht entgehen lassen. Aaron hatte sich über das Angebot gefreut, hatte Merthin in der Höhle in diesem Moment einfach einen Kuss auf die Wange gedrückt. Merthin hatte außerdem 'Schmusebär' gesagt, wahrscheinlich hatte er damit Recht. Blieb nur zu hoffen das er es in Merthins Augen nicht übertrieb, denn klammern wollte Aaron eigentlich nicht. Allerdings verleitete seine Erziehung ein bisschen dazu, doch er konnte ja nicht für alles seine Erziehung verantwortlich machen.

Aus Erfahrung war für Aaron aber klar, das immer nur die Schultern und der Kopf massiert wurden, da es dazu nicht nötig war sich zu entkleiden. Und daher dachte Aaron auch bloß an eine solche Massage, auch wenn sein Rücken gewiss auch nichts gegen eine Lockerung einzuwenden hätte. "Wenn du möchtest, würde ich dir diesen Gefallen auch gern erwidern.", fügte er noch hinzu. Merthin hatte Aaron immerhin getragen, da konnten seine Muskeln gewiss auch eine Massage vertragen.

"Als erstes würde ich jedoch gerne baden, das tut wahrlich Not.", sprach Aaron schließlich mit einem verschmitzten lächeln. Zwar hatte Aaron frische Kleidung über, dank dem Geschenk der Kräuterdame, doch die Stoffe hatten den üblen Geruch der verwesenden Pflanzen und des giftigen Wassers angenommen. Auch sie mussten gewaschen werden, ebenso wie die Haut. Merthin hatte sich bisher immer darum gekümmert, das sie frische Wechselkleidung hatten, wie machte er das eigentlich? "Vielleicht könntest du mir dann auch gleich zeigen, wie man die Kleidung im Wasser so schön rein und duftend bekommt.", schlug Aaron also ehrlich interessiert vor. Zuhause hatte er sich nie mit derlei Dingen beschäftigen müssen, hatte auch nie daran gedacht etwas in der Richtung zu lernen, aber auf dieser Reise wollte sich Aaron auf jedenfall auch nützlich machen. Und frische Kleidung war für ihn selbst ebenso wichtig wie für Merthin. Das baden hatte noch einen Vorteil; er würde danach wieder Klamotten von Merthin anziehen können, was ihm besser gefiel als die geschenkte Kleidung. Ja, die jetzige Kleidung passte ein Stück besser, war etwas modischer, war feiner verarbeitet, als die einfachen Hemden von Merthin. Allerdings fehlte ihnen der typische Geruch nach Merthins Art die Stoffe zu waschen und auch der Geruch nach Merthin selbst fehlte einfach.
 


 

Merthin
 

Merthin spürte deutlich, wie eine enorme Anspannung von ihm abfiel, als die Elfen das Haus verließen und sie einfach alleine waren. Allein und ohne Verpflichtungen. Sie hatten unverhofft einfach die Möglichkeit bekommen, sich ausruhen zu dürfen. Und was noch viel wichtiger war: Zeit miteinander zu verbringen. Es war wie ein Urlaub, bei dem sie austesten konnten, ob ihre Beziehung wirklich funktionierte. So wie es Pärchen auch manchmal taten, um zu sehen, ob wirklich alles zwischen ihnen passte. Der Gedanke erschreckte Merthin nur bedingt. Er merkte, wie die Freude darauf, einfach mal alles um sie herum vergessen zu können, ihn freute. Als Aaron sich zu ihm umdrehte und ihm die Honigbeere hinhielt, war er kurz überrascht. Aber die Augen des anderen leuchteten so, dass er schmunzeln musste und vorsichtig die Frucht aus Aarons Finger nah, um sie zu essen. Der Geschmack war gut. ‚Fast so süße, wie Aaron, wenn er mich so ansieht‘, schoss ihm durch den Kopf und einen Moment, während jener mit der Scham des voreinander Kauens offenbar ein wenig überfordert war. Diese höfischen Sitten waren nicht zu begreifen. Und so hob Merthin die Hand und zog Aaron die Hand vor dem Mund weg, um diese zu küssen. „Versteck dich nie vor mir, Aaron“, sagte er leise, ohne auf die Frage des anderen gleich eingehen zu wollen. Doch nun überlegte er, Aarons Hand an seine Wange legend und kurz durchatmend. „Mir fallen viele Dinge ein, die wir tun könnten…“, sagte er leise und sein Blick verriet, dass es nicht nur Dinge waren, die mit Bücherlesen und Spiele spielen zu tun hatten. Als er glaubte, dass auch Aaron begriff, was ihnen ihre unverhoffte Freizeit wohl auch ermöglichen könnte, wusste er, dass er das aber nicht forcieren würde. Aaron war nicht so weit. Er hatte es bisher nur geschafft, sich das Hemd vor ihm auszuziehen. Daher sollte er nicht einen Gedanken daran verschwenden, dass das hier zu mehr führen könnte, als kuscheln und Händchen halten. Das störte ihn auch nicht. War es falsch von ihm, immer wieder daran zu denken, wie gerne er diesen Körper erkunden würde? Eigentlich hatte er eine gesunde Einstellung zu Sexualität. Aber momentan hatte er das Gefühl, vielleicht ein wenig zu viel daran zu denken. Oder lag das an Aaron? Weil er so… ja fast schon verängstigt war, was das betraf?

„Aber das wichtigste ist, dass wir uns erholen. Und dass wir uns haben, dass wir Zeit miteinander verbringen, ohne dass man ständig das Gefühl hat, etwas tun zu müssen. Ich glaube, ich bin schon glücklich, wenn wir uns gemeinsam auf das Sofa setzen und lesen. Und für alles andere sehen wir weiter. Lass uns keinen Plan machen, lass uns einfach zusammen sein, ok?“

Der Blonde lachte leicht, als Aaron nach der Massage fragte. „Na klar“, sagte er und lächelte. „Und gerne darfst auch du mich massieren. Aber dafür ist es sicher besser, wenn du erstmal baden gehst. Ich möchte dann auch gerne noch den Gestank loswerden.“ Allein der Gedanke, Aaron nachher auf dem Bett den Rücken zu massieren, brachte ihn aber leider schon wieder auf ganz andere Gedanken… Er drehte sich zum Essen und griff nach einem Apfel, in den er biss, bevor er zur Bank hinüberging. Als Aaron sagte, er wolle erklärt bekommen, wie man Wäsche wusch, musste Merthin lachen. „Da will wohl jemand das Leben auf der Straße lernen. Löblich, mein Prinz. Sehr löblich…“ Er grinste und griff zu seinem Rucksack, um Kleidung für Aaron heraus zu holen. „Das können wir machen. Aber nicht mehr heute. Ich mag mich heute einfach nur noch ausruhen und schlafen. Ich habe das Gefühl, als hätte ich das seit Ewigkeiten nicht mehr getan. Und nun geh, und bade dich. Dann kann ich auch gehen… Er hatte ihm Klamotten herausgesucht und reichte sie ihm. „Ich bereite derweil was Essbares vor und schüre den Ofen an. Heute Nacht wird es sicher kühl…“
 


 

Aaron
 

Aaron stockte, als Merthin ihm die Hand vom Mund wegzog, als er eigentlich sein kauen vor ihm hatte abschirmen wollen. Etwas sagen konnte er gerade aber auch nicht, da es sich genauso wenig mit etwas im Mund zu sprechen ziemte, wie so nahe beieinander stehend zu kauen. Aaron hatte aufgehört zu kauen und schluckte die Frucht etwas schwerer herunter, bei dieser Aussage, zusammen mit dem Kuss auf den Handrücken. Nicht verstecken klang nicht nur nach Dingen wie den Mund beim essen nicht mehr zu verdecken, sondern bei Merthins Blick dachte Aaron auch noch an das verstecken unter Kleidung. Gewissermaßen versteckte Aaron sich schon unter den Stoffen und wenn er das nicht mehr tun würde, hätten sie gewiss bereits... intensiver gekuschelt. Es war ja nicht so, das Aaron das nicht wollen würde, nicht auch ein gewisses kribbeln in seinem Körper Richtung Süden wandern spüren würde, nur müsste er irgendwie diese eingetrichterten Gedanken abschütteln, lockerer werden und vor allem keine Sorge mehr davor haben, das irgendwas passieren würde, wenn er sich dem vollständig hingeben würde.

Aaron stimmte Merthin zu und machte sich mit den frischen Wechselklamotten schließlich auf den Weg zum Wasser, freute sich trotz seiner vielen Gedanken auf das gegenseitige massieren und aufs gemeinsame herumliegen.
 

Die Worte von Merthin gingen Aaron noch im Kopf herum, während er nun im erstaunlich warmen Wasser lag und seine Haut von den Spuren des Kampfes und dem Gestank befreite, die ihm der ganze Tag bisher auferlegt hatte. Keinen Plan machen, einfach zusammen sein. War das so einfach? Wo der Prinz nun so darüber nachdachte merkte er schon, das es schwer war, einfach nichts zu machen. Aaron bekam dabei das Gefühl nicht aufregend genug zu sein, nicht interessant und nicht bemerkenswert zu sein. Man musste immer auf dem Sprung sein, immer was bieten. Dabei schien es gar nicht notwendig zu sein einen perfekten Abend geplant zu haben, sich genau überlegt zu haben, was wann gemacht werden sollte und sich tausend Dinge zu überlegen, die man abarbeiten könnte. So war es im königlichen Leben aber. Alles war durch getaktet, durch organisiert und fest an Pläne gebunden. Als Prinz hatte er noch mehr Freiheiten, was als Kind anders gewesen war, mit dem vielen Unterricht, den die Königskinder erhalten hatten. Allerdings hatte er es hautnah bei seinem Vater erlebt, welcher von einem Termin zum nächsten läuft, da er unglaublich viel zu regeln hatte. Wahrscheinlich war Corvo ein besonders schlimmer Fall von einem verdammt ungeduldigen Perfektionisten, entstanden durch seinen unersättlichen Hunger nach Macht, die er am besten sofort haben wollte und die es somit einzig mit viel Arbeit zu erlangen galt. Der König lehnte sich nicht zurück, sondern tat viel um seine Macht auszubauen, behielt alles und jeden im Blick... bis auf Leute, die es in seinen Augen nicht wert waren. Dazu zählte der Großteil seines Volkes und bis auf Aiden und seine Enkel auch die eigene Familie.

Schwer seufzend tauchte sich Aaron komplett unter Wasser, nur um dann beim wieder auftauchen über sein Gesicht zu reiben und so zu versuchen diese Gedanken fort zu bekommen. Dann wusch er seine Haare, ehe er sich danach locker zurück an den Rand lehnte, sich hinter sich mit den Armen abstützte und die Augen schloss. Für heute stand wirklich nichts mehr an. Kein Dämon, kein Kampf, kein ritt durch die Gegend, keine anderen Leute... es war unfassbar entspannend hier ohne Kleidung im Wasser liegen zu können, ohne Angst haben zu müssen, das wer um die Ecke kommen könnte. Merthin vertraute er genug um sich sicher zu sein, das er nicht unbemerkt reinplatzen würde und selbst das wäre nur halb so schlimm wie ein fremder Besucher. Seine Gedanken brachten Aaron aber gerade wieder auf was anderes, nämlich, das sie wieder noch kein Prophezeiungsteil erhalten hatten. Gerade wollte Aarons Kopf anfangen zu überlegen, wo sie diesen herbekommen könnten, da zog der Prinz schon selbst die Reißleine, indem er prompt aus dem Wasser stieg. Darüber wollte er doch gar nicht nachdenken, das hatte Zeit bis später; bis einen anderen Tag. Es war eigentlich sogar ganz gut, das sie die nächste Prophezeiung noch nicht hatten, sonst würden sie sich bestimmt doch damit beschäftigen und sich eben keine Zeit nur füreinander nehmen.

Kurzerhand trocknete Aaron sich ab, hatte diesmal auch die Ruhe dies einigermaßen ordentlich zu tun und musste sich dabei nicht hetzen. Dann schlüpfte er in die sehr wohlriechenden Klamotten und durchkämmte seine nassen Haare mit der Hand, ehe er den kurzen Weg zurück zur Hütte antrat. Als er diese betrat roch es bereits noch intensiver nach Essen, Merthin hatte in der Zwischenzeit ganz offensichtlich wirklich damit begonnen ein Abendessen für sie zu bereiten. Schade, das Aaron nicht dabei gewesen war, er hätte gern mit Merthin zusammen gekocht. Aber das ließ sich bestimmt auch noch wann anders machen. Sie hatten noch Zeit zusammen, auch über diesen freien Abend hinaus, sie brauchten nichts überstürzen. Eine Botschaft, die Merthin Aaron vorhin schon versucht hatte zu vermitteln. Aaron begann mehr und mehr die Bedeutung davon zu verstehen und damit auch innerlich selbst lockerer zu werden. Seine ganzen Überlegungen brachten nichts, einfach durchatmen und alles auf sich zukommen lassen.
 

Während nun Merthin baden war, wollte Aaron es ihnen sogleich gemütlicher machen, auch wenn das kaum noch zu übertreffen war, in dieser eh schon fast etwas heimeligen Hütte. Trotzdessen, das auch dies nicht dem Standard nahe kam, der bei Hofe herrschte, so mochte Aaron gerade lieber hier als dort sein. Die Atmosphäre war viel schöner, viel wärmer als Zuhause. Und so begann Aaron damit die Kerzen im Raum zu entzünden, dann brauchte Merthin seine Magie nicht dafür verwenden, auch wenn ihn das nicht allzu viel Kraft kosten dürfte, so sollte auch ihre magische Energie für diesen Abend mal ruhen. Dann durchsuchte er die Kochnische nach Geschirr, welches er auf den Tisch platzieren konnte, zusammen mit ein paar Kerzen. Kurz war Aaron aus der Hütte hinaus getreten und hatte auf der Wiese ein paar hübsche Blütenblätter gesammelt, wobei er extra nur eine Blume pflückte, um die sich gerade erst regenerierende Natur nicht zu beschädigen. Die Blätter verteilte er auf dem Tisch, platzierte die Blume mittig und ließ dann doch eine kleine Menge Magie fließen, einfach um die Blätter der Blume leicht mit Reif zu überdecken, was sie nicht nur länger frisch hielt, sondern auch einen hübschen Effekt zauberte.

Neugierig warf Aaron dann einen Blick in den Ofen, wodurch ihm sogleich ein ordentlicher Schwall leckerer Geruch entgegen schlug. Im nächsten Moment erklang wieder Merthins Stimme, weshalb sich Aaron wieder ihm zuwendete. Der Blonde sah auch erfrischt aus, das konnte Aaron gut nachvollziehen. „Ja, Wein würde mir gefallen.“, gab Aaron zur Antwort und stellte noch Weingläser mit auf den Tisch, bisher hatte Aaron lediglich normale Trinkgläser gedeckt gehabt, zu denen er die hübschen Weingläser nun stellte. Es verstand sich von selbst, dass das Geschirr gerecht der Etikette gedeckt war. Eine Glaskaraffe mit Wasser hatte schon vorher auf dem Tisch gestanden - ebenso wie Obst und Früchte, die Aaron auch ein bisschen seitlich hatte stehen lassen - was schon sehr edel aussah. Die Hütte hatte tatsächlich alles, was das Herz an solchen Dingen begehren könnte.
 


 

Merthin
 

Und hatte er seinen Worten Taten folgen lassen. Er bereitete ein Gemüsegratin vor, das im Ofen gar werden konnte, während er selbst im Bad war. Als Aaron zurückkehrte, mit nassen Haaren aber ziemlich glücklich, wieder einmal einfach ausgiebig gebadet zu haben, ging er direkt hinterher in die Wanne. Er ließ sich Zeit, aber nur so viel, dass er wusste, dass das Essen nicht verbrannte. Als er ebenso frisch aus dem Bad zurückkehrte, fühlte er sich auch wieder besser. Aber er war noch immer erschöpft und freute sich jetzt darauf, den Abend einfach nur zu genießen. Draußen war es bereits dunkel, innen aber hatte Aaron die Kerzen entzündet. Der Ofen hatte den Raum schön warm gemacht, das leise Prasseln des Feuers war angenehm und das Essen duftete mittlerweile. „Magst du einen Wein trinken?“, fragte er, als er seine Sachen auf den Haufen legte, den sie morgen waschen würden. Erst jetzt bemerkte er, dass Aaron den Tisch gedeckt hatte. Darauf fanden sich Blumen und die Teller waren mit dem Besteck fein säuberlich hingestellt worden. „Sieht schön aus“, lächelte er und trat an den anderen heran, um ihn in eine Umarmung zu ziehen und ihn einfach sanft zu küssen. Er hielt den Kuss einen Moment, hob dabei die Hand und strich Aaron sacht durchs Haar, während seine andere Hand an seinem Rücken entlangstrich. „Es fühlt sich gut an, einfach mal so zusammen zu sein“, sage er leise, als er den Kuss löste und in die schönen blauen Augen des anderen blickte. „Es ist wunderbar, hier mit dir zu sein.“
 


 

Aaron
 

Merthins Lob freute Aaron sehr, weshalb er den sanften Kuss mit einem lächeln erwiderte. „Weißt du, das dies ein paar der schönsten Worte waren, die mir je gesagt wurden?“, antwortete Aaron mit einem immer noch großem lächeln, ehe er zusah, wie Merthin das Gratin aus dem Ofen holte und die dampfende Tonschale mit dem überbackenem Gemüse mittig neben die Blume auf den Tisch abstellte, an den sie sich dann beide setzten und Merthins Kochkünste genossen.
 


 

Merthin
 

Aaron hatte sich wirklich bis ins kleinste Detail Mühe gegeben, den Tisch so schön wie nur irgendwie möglich zu decken. Sogar die Blumen, die er gepflückt hatte, schienen besonders zu sein, auch wenn Merthin erst später bemerkte, wie sie Aaron so hatte werden lassen. Merthin griff zu einer Flasche Rotwein und entkorkte sie, goss sich einen Schluck ein, um ihn zu testen – was er sich hätte sparen können. Denn der Wein war einfach nur perfekt. Er goss Aaron etwas ein, und sich selbst nach, dann reichte er dem anderen sein Glas, seines hinhaltend. „Auf einen schönen Abend, eine schöne Zeit hier“, sagte er lächelnd, während sie anstießen. „Das haben wir uns verdient…“

Das Gratin schmeckte gut. Während sie aßen unterhielten sie sich über die Menschen, denen sie im Dorf geholfen hatten, machten sich ein wenig Gedanken darüber, warum die Dämonen so ein leichtes Spiel hatten, ich Unwesen zu treiben. Merthin hatten die Kinder leidgetan. Und auch Aaron schien zufrieden, dass sie es geschafft hatten, diesen wieder ein friedvolles Zuhause zu verschaffen. Sie stellten fest, dass es sich gut anfühlte, diese Dinge geschafft zu haben. All das Leid, das sie bisher aus der Welt hatten vertreiben können, hatte währenddessen aber auch dafür gesorgt, dass sie näher aneinander gerutscht waren. Alles schien seinen Sinn gehabt zu haben. Alles hatte zum Guten geführt. So wie es Aaron damals, als Merthin wegen dessen Standes Sorgen gehabt hatte, prophezeit hatte: er war dazu da, dem Volk zu dienen und ihm Gutes zu tun. Und nun, da sie über die Dinge sprachen, spürte Merthin auch, dass er in gewisser Weise einfach sehr stolz auf Aaron war, der so viel dafür aufgegeben hatte, der so viel neu hatte lernen müssen, der so viel entbehrte. Bei Gelegenheit würde er ihm das einmal sagen müssen…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ihr Lieben!
Gefällt es euch bisher?
Ich würde mich über Feedback freuen :)
LG! Amber Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wie versprochen diese Woche zwei Kapitel :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Bin vom 4.-22. im Urlaub.
Werde da vermutlich nichts hochladen...
Müsst euch also gedulden ;)
Ich schau, dass ich diese Woche noch ein zwei Kapitel schaffe...
LG! Amber ^^/

Ps: Wem langweilig ist, der ARD gern in meine anderen beiden FFs reinlesen... ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier noch ein Bild...
https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/originals/14/9c/36/149c3604e6d7ba7479dcebee651926ae.gif

So ähnlich könnte der Kuss für Marie ausgesehen haben ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel wird sich für den Leser sicher einiges klären... für die zwei Jungs leider noch nicht.
Ich hoffe, ich schaffe es heute noch, es Korrektur zu lesen und hochzuladen ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hab es noch geschafft!! :D
Kein Happyend erstmal, aber eine Erklärung für Merthins Verhalten...

Bin jetzt erstmal im Urlaub und werde zwei Wochen nichts hochladen...
I'm sorry! >.< Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Mit lieben Grüßen aus Italien;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, dafür gleich zwei Kapitel :)

Wer Langeweile hat, darf gern auch in meine anderen FFs hineinlesen ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (51)
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Von:  Fle
2018-05-22T13:58:59+00:00 22.05.2018 15:58
Auf jeden Fall eins meiner Lieblingskapitel! So super geschrieben! Das habt ihr beide echt toll hinbekommen, ich war beim lesen total gespannt wie es weiter geht 🙈
Besonders Aarons Position war dieses Mal echt aktionreich :3
Viel Spaß im Urlaub Amber, ich freu mich aufs nächste Kapitel ❤️
Antwort von:  rotes_pluesch
04.06.2018 15:06
Vielen lieben Dank ❤️
Wir freuen uns dass das Kapitel auch so gut bei dir angekommen ist^^

Welche Szene ist denn bis jetzt dein Favorit?^^~

Danke das du weiterhin so treu dabei bist <3
Es lohnt sich wirklich weiter gespannt zu bleiben^^~
Antwort von:  Fle
12.06.2018 00:24
Hey hey, verspätete Antwort, ich weiß :D
Na ja, das Bade Kapitel gefällt mir bisher am besten. Der Anfang der Geschichte ist ja schon ne Weile her, aber so wie ich mich erinnere, war die Stelle wo sie sich begegnen auch toll, die auf der Kutsche im Heu und der Streit, den die beiden mal hatten, wegen diesem Dämon-Ex :D
Und da gab es so eine Szene im Wald, als die beiden bei Merthins Familie waren, die habe ich als sehr romantisch in Erinnerung :3
Von:  Fle
2018-05-18T22:03:09+00:00 19.05.2018 00:03
Am Anfang des Kapitels habe ich auch kurz überlegt, ob die Hexe nicht sogar gut sein könnte. Aber ich habe dachte das es klassisch kommt 🙈
Herzblatt ist übrigens mein Lieblingskosename 😍
Ich hoffe, hoffe, hoffe wirklich, dass das nächste Kapitel schnell rauskommt :/
Liebe Grüße ❤️
Antwort von:  rotes_pluesch
20.05.2018 02:13
❤️
Es ist gut das dich die Story zum überlegen und mitraten animiert hat :) Wir hören auch immer wieder gern Überlegungen und Gedankengänge, da uns das ein super Feedback vermittelt, wie wir die Story aufbauen^^~ Daher danke ich dir nochmal, das du uns deine Gedanken immer mitteilst <3
Bleib gerne gespannt wie sich das Ganze nun wirklich darstellen wird xD
Und das mit dem Kosenamen passte dann ja richtig xD Es werden noch verschiedene folgen, bin gespannt wie du diese dann finden wirst xD~

Wir bemühen uns nicht zu lange Wartezeiten entstehen zu lassen, wir wollen ja schließlich auch wissen, wie ihr die Storyentwicklung findet, die wir uns ersonnen haben x3

Ganz liebe Grüße retour <33
Antwort von:  -Amber-
20.05.2018 07:24
Na, da will ichmal nicht so sein ;)
Die nächsten drei Kapitel sind auch in Vorbereitung.
Bin jetzt aber im Urlaub und weiß noch nicht genau, wie ich dazukomme.

Danke für die lieben Kommentare! ❤️😘
Von:  Fle
2018-04-04T19:25:36+00:00 04.04.2018 21:25
Vielleicht keimt das schlechte in den Leuten auf, weil der See alles gute aus der Luft nimmt? Oder ist es doch die Hexe? :o
Ich freu mich auf das nächste Kapitel! :3
Antwort von:  -Amber-
04.04.2018 21:40
*G*
Ich schweige :3
Nächstes Kapitel vielleicht schon am Wochenende ;)
Von:  Fle
2018-03-26T18:51:30+00:00 26.03.2018 20:51
Schön das gleich zwei Kapitel rausgekommen sind!:)
Na da freu ich mich ja schon auf die nächsten, die Badestelle in dem damaligen Kapitel, ist eine meiner liebingsstellen! Da kann das ja nur gut werden :D
Eigentlich ganz cool, dass Merthin Aaron jetzt ein bisschen zappeln lässt, weil er sonst nicht an sich halten kann...das macht die ganze Sache interessant, höhö, na mal gucken wie lange Aaron das aushält :D
Schön das die Story hier auch im Vordergrund steht, so macht es jetzt wieder einen Satz nach vorne, find ich gut :)
Alsoooo meine Idee wie es weiter geht...hm.
Ich denke es kommt vielleicht ein ziemlicher boss fight, wo einer schwer verletzt wird. Wegen dem See der auch heilen kann und so, ist mir zumindest in den Sinn gekommen.
Was auch sein könnte, ist das Merthin bei Aaron vielleicht auch ein Stück übertreibt, eben weil er doch nicht so gut an sich halten kann. Aber Aaron ist nicht sauer weil ers an sich ja selbst will und eins führt zum anderen und am Ende haben sie sich wieder lieb. Obwohl das wahrscheinlich eher was ist, was ich eher gern lesen würde, als das es passiert :D
Aber was ich auch vermute ist, dass noch mal etwas wegen der Prinzessin kommt, die Aaron ja mal heiraten sollte. Vielleicht heist es später mal, entweder Hochzeit oder Krieg und dann wirds schwierig, weil Aaron sich sicher nicht für Krieg entscheiden würde

Naja also es kann sein das ich nichts getroffen habe aaaber das ist mir so in den Sinn gekommen :3

Wie ihr seht, ich bin gespannt! :D
Was glaubt ihr denn, bis wann ihr das nächste Kapitel schafft? ❤️
Antwort von:  Fle
26.03.2018 21:01
Ach und Amber ich würde gerne deine anderen FFs lesen, ich hatte mal mit Intrigo e amore angefangen, dann ist aber der dreiste blonde (Fin glaube ich) gestorben...den fand ich so klasse. Und da musste ich dann erstmal Pause machen, jetzt tu ich mich schwer wieder reinzukommen. Kannst du mir denn eine empfehlen? Nach meinen ganzen Kommentaren kennst du ja meinen Geschmack vielleicht :D
Antwort von:  -Amber-
28.03.2018 20:13
Hey!
Ich hoffe, dass ich am Wochenende dazu komme, das nächste Kapitel online zu stellen ^^
Tut mir leid, dass ich euch so lange warten lasse. Wie schon geschrieben: habe momentan recht viel um die Ohren.

Wegen der Empfehlung:
Hm, Fin ist damals rausgegangen, weil die beiden Schreiberinnen sich in die Wolle bekommen haben. Keiner wollte bei seinem Charakter einen Kompromiss eingehen, so dass es irgendwie nicht mehr funktioniert hat :(

Aber die Story mit Kieran und Nico ist wirklich schön und später kommen noch Charaktere hinzu, die wirklich schöne Pairings ergeben. Lies doch mal ab den Kapiteln London 1 weiter. Ich glaube, da kommt man ganz gut wieder rein =)
Ansonsten: die anderen beiden sind auch schön, aber vom Pairing her ganz anders aufgestellt, als dieses RPG hier.
Blood Deal ist abgeschlossen, eine fertige Geschichte, die wirklich viele Fans gewonnen hat. Die Love-Story ist auch sehr schön =)
Volatile ist eine Filmbasierte FF über eine wirklich ungesunde Beziehung letztlich, aber eigentlich auch herzerwärmend schön, weil die Charaktere einfach so vollkommend verschieden sind, dass sie sich lieben und hassen gleichermaßen.
Ähnlich wie diese Geschichte hier, sind sie aber beide nicht ^^°
Würde mich dennoch freuen, wenn du auch da mal reinliest ^^
Von:  Fle
2018-03-16T22:19:14+00:00 16.03.2018 23:19
Ich hoffe es geht bald weiter und vielleicht auch wieder regelmäßiger ❤️
Antwort von:  rotes_pluesch
19.03.2018 22:00
Wir arbeiten weiter daran und ich kann dir sagen, das auch ihr als Leser bald weiter lesen könnt, wie es mit den Beiden weiter geht x3 Da kommt noch so einiges; abenteuerliches und auch viel fürs Herz x3

Hättest du eine Ahnung, eine Idee oder einen Wunsch, wie es weiter verlaufen könnte?^^

Danke für die treue Geduld soweit, es wird sich gelohnt haben ❤️
Antwort von:  Fle
26.03.2018 09:47
Oh Danke für die liebe Antwort :o :3
Ja ich bin echt Fan der Geschichte und solange ihr sagt, dass sie weiter geschrieben wird, ist alles gut! ❤️
Ich lese grade die neusten Kapitel, einen Tipp wie es weiter gehen könnte gebe ich dann dort ab :3
Einen Wunsch? Ohhhh :3 najaaaa, ich mag es halt lieber etwas kräftiger. Vielleicht noch einen neuen Charakter, der dann Aaron auf die pälle rückt :D ihr versteht
Bei Merthin denke ich mir auch die ganze Zeit, jetzt sei mal nicht so nett und nimm ihn dir halt einfach, aber eigentlich ist alles toll so wie es ist und mit jedem Kapitel, freu ich mich dann mehr aufs nächste!
So und nun genug geschrieben, ich will ja noch weiter lesen :D
Lg <3

Antwort von:  rotes_pluesch
26.03.2018 14:41
x3
Das freut uns sehr zu hören und damit gibst du uns viel Motivation und pusht uns positiv, vielen lieben Dank
dafür ❤️

Bezüglich deiner Wünsche will ich natürlich nicht zu viel vorweg nehmen, doch flüstere ich dir mal leise und heimlich, das in einzelnen Situationen für den Verlauf der Geschichte und der Beziehung der Beiden bei uns einiges im Gespräch ist, darunter auch etwas, das deiner Vorstellung ähnlich kommt x3 Also lass dich gern überraschen was da kommen mag x3
Ich teile deine Meinung das es gut so ist wie es ist und das auch Merthin ist, wie er ist. Dadurch, das er wirklich lieb und nett mit Aaron umgeht wird all das, was noch folgen wird, erst möglich. Auch wenn es sicherlich schön zu lesen ist wenn er sich einfach durchgesetzt hätte und Aaron gewiss nicht gelitten hätte, so war das der richtige Weg den Merthin eingeschlagen hat um eine stabile Beziehung aufzubauen, in der in Zukunft wirklich alles möglich wäre. Vielleicht auch etwas forscheres Vorgehen? Lass dich überraschen ❤️

Wir wünschen dir natürlich viel Spaß beim lesen der Neuen und auch zukünftigen Kapitel und hoffen, das sie dir auch weiterhin gefallen werden x3
Ganz liebe Grüße retour <3~
Von:  Fle
2017-09-16T01:43:21+00:00 16.09.2017 03:43
Wann kommt denn das nächste Kapitel 😱
Antwort von:  -Amber-
16.09.2017 06:59
Dauert noch ein bisschen. Die letzten Wochen waren etwas stressig ^^•
Vielleicht am Sonntag ;)
Von:  Fle
2017-09-01T12:24:56+00:00 01.09.2017 14:24
Da hätte sich Merthin eben ranhalten müssen :D
Spaß, ich mag es das ihr so die Spannung aufbaut :3
Antwort von:  rotes_pluesch
01.09.2017 18:01
xDD Dankeschön x3
Es wird sich auszahlen, das Merthin so rücksichtsvoll ist ღ
Stay tuned :)
Von:  Fle
2017-08-26T19:29:10+00:00 26.08.2017 21:29
Wann kommt das nächste Kapitel??? 😱😍
Antwort von:  -Amber-
26.08.2017 21:50
Da musst du dich eine Woche gedulden... >.<
Von:  Laila82
2017-08-25T20:24:33+00:00 25.08.2017 22:24
Es wird wohl romantisch. Ich bin auf Aarons Antwort gespannt. Bitte keine Stürme Armeen und sonstiges. So ein richtig kitschiges/schnulziges Kapitel wäre auch mal schön.
Antwort von:  -Amber-
25.08.2017 23:37
XD Kitsch und Schnulz kommen bald... aber nicht im nächsten Kapitel - oder nur ein bisschen ;)
Eine Armee oder ein Sturm kommen aber auch nicht. *lach*
Von:  Fle
2017-08-20T10:10:49+00:00 20.08.2017 12:10
Na endlich 🙈 Nach der Aufregung und dem Streit in den letzten Kapiteln, ist das wirklich ein beruhigendes Kapitel :)
Ich freu mich auch schon auf das neue 💕


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