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Lorem Ipsum

Sommerwichteln '17 "Fremde Ufer"
von

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„Du bist wie eine Mami zu uns, Ben, hat dir das schon mal jemand gesagt?“ Mit glänzenden Augen durchstöberte Gretchen die eckigen Boxen, aus denen es himmlisch würzig nach Erdnusssoße und Chili roch.

Ben grinste schief. Ihm war gerade wieder eingefallen, dass Scott ihm gesagt hatte, bloß nichts aus dem Restaurant mitzubringen. Er klopfte erneut gegen Scotts Haustür. Etwas lauter dieses Mal.

„Ich liebe Garnelen!“, rief Gretchen in diesem Moment und hielt eines der weiß-rosa glänzenden und nach frischem Knoblauch duftenden Tierchen in die Höhe.

Ben klopfte ein drittes Mal an. Doch der Flur, den man hinter dem schmalen Glasfenster in der Tür sehen konnte, blieb weiterhin dunkel. Langsam wurde er nervös.

Gretchen sah Ben dabei zu, wie der um das Haus herumging und dabei in jedes Fenster im Erdgeschoss schaute, und hinter jedem Fenster war es dunkel. Als er an der Hintertür ankam, klopfte Ben auch dort an.

„Hat er uns versetzt oder hast du vergessen ihm Bescheid zu sagen?“ Gretchen war Ben um das Haus herum gefolgt. Sie stellte die Boxen mit dem Essen auf die oberste Treppenstufe und gesellte sich zu Ben, der wieder an die Hintertür anklopfte.

Ben schwieg. Das passte nicht zu Scott. Nicht zu dem Scott, den er bis vor einer Woche gekannt hatte zumindest.

Gretchen gefiel Bens Gesichtsausdruck überhaupt nicht. Er sah ungewohnt ernst aus. Die steile Falte zwischen seinen Augen war normalerweise nicht dort.

„Sag mir, dass das nichts mit dieser Nummer aus der Toilette zu tun hat“, presste Gretchen mühevoll hervor. Sie ahnte die Antwort darauf schon, ohne dass Ben sie aussprechen musste. Ihre Kehle war seltsam eng geworden. Dieser verfluchte Idiot...

Ben sagte kein Wort. Er hielt sich beide Hände wie ein Schild neben die Augen und versuchte einen Blick durch das Fenster in die Küche zu werfen, doch ein dünner Vorhang verhinderte sein Vorhaben.

Erschrocken zuckte Ben zusammen, als Gretchen mit einer Faust neben ihn gegen die Tür donnerte.

„Scott, du verdammtes Rindvieh!“, brüllte Gretchen wütend das dunkle Haus an.

„Danke, Gretchen, der war neu“, lachte es plötzlich hinter ihnen auf.

Gretchen und Ben fuhren herum. Auf dem schmalen Weg aus Steinplatten, der aus dem Garten zur Hintertür führte, stand Scott und grinste breit. Ohne, dass sie ihn gehört hatten, musste er ihnen gefolgt sein.

 

„Mann, ich habe mir fast in die Hose gemacht“, lachte Ben erleichtert, als er seinen Freund erkannte.

Nur Gretchen fand das nicht sonderlich witzig. Sie raffte die Boxen an sich und stolzierte wortlos und mit finsterem Blick an Scott vorbei, der aufseufzte.

„Kommt schon, ihr seid hier die mit den Paras, nicht ich.“

„Sich sorgen ist nicht paranoid“, zischte Gretchen verärgert und betrat das Haus.

Scott verdrehte die Augen. „Ich soll euch 'nen schönen Gruß ausrichten. Pervers wäre er übrigens nicht – oder sie.“

„Du hast Antwort bekommen?“ Bens ungläubig aufgerissene Augen musterten Scott, der ein paar Flaschen auf den niedrigen Wohnzimmertisch stellte.

„Was heißt hier er oder sie?“, hakte Gretchen misstrauisch nach. Sie öffnete die Boxen mit dem Essen und ließ sich neben Ben auf dem Boden nieder.

Gutgelaunt trank Scott einen Schluck Bier. Es konnte nicht schaden, seine Freunde ein bisschen auf die Folter zu spannen, erst recht nicht, weil sie sich seit Sonntag entweder über ihn lustig machten oder ihn als Spinner bezeichneten.

„Na los, sag schon, was hat er – oder sie – dir geschrieben?“ Wo Gretchen eher argwöhnisch schien, wirkte Ben nun doch neugierig. Wie ein Kind am Weihnachtsmorgen sah er Scott aus großen Augen an, der ihm gegenüber saß und die Spannung noch etwas genoss.

„Die Nummer gehört tatsächlich zu dem Bild und dem Satz“, gab Scott schließlich ein bisschen an Information preis. „Und ich weiß auch den Namen dieser Person.“

„Echt jetzt?“ Ein breites Lächeln zog sich über Bens Gesicht. Bis ihn Gretchen mit dem Ellenbogen anstieß.

„Und wie ist der Name?“, grummelte Gretchen vorsichtig. Ihre Blicke fixierten Scott.

„Vic“, verriet Scott.

„Toll“, war Gretchens lahme Antwort. „Vic wie Victor oder Vic wie Victoria? Hat Vic auch einen Nachnamen?“

„Keine Ahnung.“ Scott zuckte mit den Schultern und schob sich eine Portion Reis mit Hühnchen in den Mund.

Ben rutschte nervös auf seinem Sitzplatz hin und her. Wie konnte Scott nur so ruhig bleiben bei dieser Eröffnung? Er selbst hielt die Spannung kaum noch aus und beugte sich nun etwas weiter vor, um möglichst nichts von Scotts Erzählung zu verpassen. „Und was ist der Grund für diese seltsamen Augen?“

„Hat Vic mir nicht verraten.“

„Oh natürlich nicht, wie überraschend...“ Gretchen pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie trank einen Schluck und ignorierte Scotts bitteres Lächeln. Ja, sie war schon froh, dass Scott endlich wieder gelöster wirkte, als die vergangenen Tage seit Sonntag, aber das war echt lächerlich. Und am schlimmsten war Ben, der eher den Eindruck machte, als sei das hier ein Detektivspiel.

„Verstehst du jetzt etwa keinen Spaß mehr?“, wandte sich Scott an Gretchen.

„Doch“, widersprach ihm die junge Frau. „Ich weiß nur nicht, ob das auch Spaß bleibt.“

„Ich bin alt genug, Gretchen“, wies Scott seine Freundin freundlich auf dieses wichtige Detail hin.

„Mag sein, aber wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass Vic dich irgendwann bittet, dass ihr euch mal trefft.“

Scotts unwillkürlich ertapptes Gesicht ließ Gretchen den Kopf schütteln. Dabei stimmte ihre Vermutung noch nicht mal. Nicht alles davon jedenfalls.

„Verstehst du das nicht, Scott?“ Gretchen klang nun versöhnlicher. „Genau so fangen Geschichten über Serienkiller an.“

Mit vor Erstaunen halb offenem Mund sah Scott die junge Frau an. Er wollte gerade in lautes Lachen ausbrechen, als sein Handy vibrierte.

 

 

Stumm las Scott die Nachricht und tippte dann seine Antwort. Er fühlte die Blicke von Gretchen und Scott auf sich wie Ameisen, die über seinen Körper krochen.

„Vic?“, fragte Ben vorsichtig nach.

Doch zu Bens Enttäuschung schüttelte Scott den Kopf. „Meine Eltern“, log er. „Ich habe zwei Tage Zeit, das Haus wieder in Ordnung zu bringen, bevor sie zurück sind.“

Gretchen, die jede noch so winzige Veränderung in Scotts Mimik beobachtete und registrierte, versuchte zu lächeln. „Sag mir nur eines, Scott: du hast Vic nicht verraten, wo du wohnst, oder?“

Scott schüttelte vorsichtig den Kopf. „Keine Sorge.“

Gretchen schien besänftigt zu sein – vielleicht wollte sie auch nur endlich ihre Ruhe vor diesem Thema haben –, und trotzdem musste er aufpassen, nicht mit einem unbedarften Satz wieder ihr Misstrauen zu erwecken.

Scott schob sich noch eine Gabel voll Reis in den Mund, obwohl sein Magen bereits wie verrückt schmerzte. Die Krämpfe waren kaum noch auszuhalten und Scott wäre am liebsten aufgesprungen und ins Bad gerannt. Er spürte, wie sich kalter Schweiß auf seiner Stirn ausbreitete und nutzte einen unbeobachteten Moment, um ihn wegzuwischen.

Gretchen und Bens Stimmen klangen seltsam verzerrt zu ihm durch. Wie defekte Lautsprecherboxen, die die Höhen und Tiefen nicht mehr richtig halten konnten. Ihr Lachen kroch in seine Gehörgänge und hallte dort unangenehm wider. Ein paar Mal schon wollte seine Hand instinktiv zu seinem Ohr hin, um es sich zuzuhalten, doch Scott widerstand diesem Zwang in letzter Sekunde.

Die Luft hier drin war stickig. So kam es Scott zumindest vor. Jeder Atemzug, den er tat, schien nicht wirklich etwas zu bringen. Er fühlte sich wie nach einem Halbmarathon oder einem fiesen grippalen Infekt; ausgelaugt und energielos.

Er war heilfroh, als sich Ben und Gretchen endlich verabschiedeten. Kaum waren die beiden zur Tür hinaus, rannte Scott los.

 

Er schaffte es gerade noch rechtzeitig, den Deckel der Toilette hochzuheben, ehe sein Magen endgültig alles loszuwerden versuchte, was er in den vergangenen Stunden aufgenommen hatte. Und weil er weder Gretchen noch Ben hatte beunruhigen wollen, war das eine ganze Menge an chinesischem Essen und Bier gewesen.

Schließlich war sein Magen absolut leer und Scott sank erschöpft vor der Toilette zu Boden. Das war schlimmer als jeder Kater, den er bisher so gehabt hatte.

„Das ist normal.“

Ohne den Blick zu heben, nickte Scott. „Weiß ich.“

„Es liegt nur an dir, wie lange du das Theater noch mitmachen möchtest.“

Scott nickte erneut. Auch das wusste er.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Abys
2019-06-02T13:41:24+00:00 02.06.2019 15:41
Huhu.

Schöner Schreibstil. Immernoch.
Ich lasse dir mal liebe Grüße da. Eventuell erinnerst du dich noch an mich. :)
Von: abgemeldet
2017-12-27T16:32:19+00:00 27.12.2017 17:32
Dieses Kapitel führt die Spannung auf ihren Höhepunkt, finde ich. Scott hatte eine Antwort vom mysteriösen Künstler erhalten, aber was war danach passiert? Hat Scott geantwortet? Irgendwas war auf jeden Fall, denn Scott ist sehr seltsam drauf. Ich habe ja die Vermutung, dass Vic mit ihm etwas angestellt hat und ich tendiere ganz stark zu einer Verwandlung zum Vampir. Die „Symptome“ lassen ja nicht soooo viel anderes zu. Aber, ha! Ben war doch ziemlich neugierig wegen dem Künstler. Am Ende war seine Neugierde ja doch größer als seine paranoiden Sorgen!


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