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Katherine

Die Geschichte einer Mörderin
von

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Eine kleine Pause

Katherine atmete schwer und musste eine Pause einlegen, denn diese Erzählung war sehr kräfteraubend. Nicht das Reden alleine raubte ihr die Energie, sondern es waren vor allem die Erinnerungen. All die schrecklichen Bilder, die sie ihr Leben lang verfolgt hatten, wirkten so lebendig wie noch nie und ihr war, als würde sie alles noch mal durchleben. Es war ein schreckliches Gefühl und sie erinnerte sich vor allem an die Hilflosigkeit, die Wut und Verzweiflung. Wie oft hatte sie als Kind Tränen vergossen für das Leid, das ihr angetan worden war? Und wie oft hatte die Einsamkeit und das Wissen sie zerfressen, dass sie die Einzige war, die jemals Tränen um sie vergossen hatte? Doch jetzt waren die Dinge anders. Sie war nicht mehr das schwache kleine Mädchen von damals, das nichts tat als um Gnade zu betteln und vor Angst zu weinen. Nein, ihr Herz war kalt geworden und ihr Wesen verbittert. Sie hatte gelernt, all diese Grausamkeiten zu ertragen und wäre sie wieder in dieser Situation in der sie damals gewesen war, dann hätte sie nicht mehr still gehalten. Stattdessen hätte sie zur Waffe gegriffen und ihrem Vater und ihrem Bruder erbarmungslos den Schädel eingeschlagen und mit Sicherheit auch einigen anderen Leuten, die ihr das Leben schwer gemacht hatten. Sie würde nicht mehr schreien, wenn sie missbraucht oder blutig geprügelt wurde. Nachdem ein Teil von ihr unheilbar zerbrochen war, konnte sie alle Schmerzen ertragen. Zwar spürte sie Schmerzen genauso wie damals, aber sie hatte gelernt, damit umzugehen und sie zu ertragen. Selbst wenn ihr die Knochen gebrochen wurden, war sie weiterhin klar bei Verstand und konnte weiterkämpfen. Es war wirklich ironisch, dass der jahrelange brutale Missbrauch ihres Vaters sie so abgehärtet hatte, dass das Einzige, was sie im Erwachsenenalter wirklich in die Knie gezwungen hatte, ein akutes Magengeschwür und der Bauchspeicheldrüsenkrebs waren. Und es erschreckte sie, dass sie sich so sehr verändert hatte. Aber hätte sie es verhindern können oder wollen? Nein, es war der einzige Weg gewesen, um zu überleben.

Ihre Besucherin, die geduldig gewartet hatte, reichte ihr noch ein Glas Wasser, welches Katherine ohne großen Dank annahm. „Und was ist als nächstes geschehen?“ fragte sie. Doch die Todkranke schüttelte seufzend den Kopf und legte den Kopf zurück ins Kissen. „Ist es wirklich nötig, all die belanglosen Details während der nächsten drei Jahre nach dem ersten Missbrauch durch meinen Vater zu erzählen? Im Grunde ist in dieser Zeit nicht viel passiert. Ich war die Sklavin und das Sexspielzeug meines Vaters und wenn ich nicht gerade zuhause behandelt wurde als wäre ich ein Stück Vieh, dann haben mich diese verdammten Kinsley-Bengel schikaniert. Ich habe es wie immer schweigend hingenommen, um keinen Ärger mit der Schulleitung zu bekommen. Aber als Lyndon mich damit aufgezogen hat, dass meine Mutter sich selbst auf dem Scheiterhaufen verbrannt hat, habe ich die Beherrschung verloren und ihm einen Zahn ausgeschlagen. Und erwarte nicht, dass ich mich dafür entschuldige. Ich bedaure es nur, dass er nicht noch mehr Zähne verloren hat.“

Die Frau mit den rubinroten Augen senkte bekümmert den Blick und schwieg. Sie wirkte traurig darüber, aber nicht wegen der mangelnden Reue der Sterbenden. Es schien eher an der Fehde zwischen Katherine und den Kinsley-Cousins zu liegen. „Es tut mir wirklich leid, dass diese Clanfehde dich noch zusätzlich belastet hat. Das alles hätte nie passieren dürfen.“

„Es tut dir leid…“, wiederholte Katherine verächtlich und ihr Gesicht verzog sich zu einer hasserfüllten Fratze. „Deine Entschuldigungen nützen mir rein gar nichts! Hast du eine Ahnung, in was für einer Hölle ich aufgewachsen bin? Die Lehrer haben gewusst, was für ein Mensch mein Vater war und es war ihnen egal. Wenn ich mich zur Wehr gesetzt habe, war ich immer die Schuldige weil ich eine Cohan war und ich wurde wie ein Monster behandelt, obwohl ich nichts Böses getan hatte. Ich war ein Kind und jeder wusste, was mein Vater mit mir gemacht hatte. Und was haben sie gemacht? Sie haben mich dafür ausgelacht! Nenne mir auch nur einen Grund, warum ich sie nicht dafür hassen oder auch nur einen Funken Reue empfinden sollte! Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, dann wäre ich nicht einfach so abgehauen. Nein, ich hätte ihnen allesamt die Schädel eingeschlagen!“

„Dein Zorn und dein Hass sind durchaus berechtigt“, pflichtete die Frau in Schwarz ihr bei und wirkte immer noch sehr betrübt. „Die Missstände in Annatown dauern schon viel zu lange fort und weder ich noch meine Schwester vermochten etwas auszurichten. Und es tut mir im Herzen weh, dass vor allem die Unschuldigen leiden müssen.“

„Spar dir dieses Gewäsch“, entgegnete Katherine gereizt und legte den Kopf zur Seite um den Blick von ihrer Besucherin abzuwenden. „Im Grunde hast du doch auch nichts getan, um das Ganze zu beenden. Deine vermeintliche Hilfe kam viel zu spät.“

„Ich darf mich in meiner Position nicht in die Angelegenheiten der Lebenden einmischen“, kam es zurück, doch es war auch deutlich hörbar, dass sie sich dennoch schuldig fühlte. Nun, es machte auch keinen Sinn, unnötig darauf herumzureiten. Im Grunde genommen war sie ja nicht diejenige, die die Leute dazu angestachelt hatte, die Cohans allesamt wie Monster und Aussätzige zu behandeln. Es war die ganze Stadt, die durch und durch verdorben war. Außerdem war es eh zu spät. Sie war erwachsen, hatte Annatown bereits vor Jahren verlassen und sie würde heute sowieso sterben. Also was würde es schon für einen Unterschied machen, wenn sie jetzt all ihren Hass und ihre Verbitterung an der Person ausließ, die ihr damals geholfen hatte, Annatown zu verlassen? Egal wie sehr sie es auch wollte, sie konnte die Zeit nicht mehr zurückdrehen.
 

Nachdem sich Katherine wieder beruhigt hatte, atmete sie tief durch und schloss die Augen. Tief in ihrem Inneren überkam sie der Wunsch zu weinen, doch sie wehrte sich dagegen. Sie hasste dieses Gefühl. Weinen war ein Zeichen von Schwäche und sie hatte sich geschworen, nie wieder schwach zu sein. Und vom Weinen würde rein gar nichts besser werden. Sie hatte als Kind oft genug geweint und sie hatte um ihre kaputte Ehe geweint. Und was hatte es gebracht? Im Grunde war danach alles nur noch schlimmer geworden. „Alles was ich wollte, war nur eine Familie“, sagte sie schließlich. „Ich wollte bloß einen Mann, der mich nicht schlägt und der mich anständig behandelt. Und ich wollte Kinder haben, die ich lieben konnte und die frei vom Stigma der Cohans waren. Du kannst schlecht von mir behaupten, dass meine Wünsche unrealistisch waren. Im Grunde genommen wollte ich doch nur das, was eine normale verheiratete Frau hat! Aber…“

Hier hielt Katherine wieder inne und öffnete ihre Augen. Das Goldgelb ihrer Iris wirkte matt und glanzlos. Dennoch war erkennbar, dass ein ungebrochen starker Wille in diesem Körper lebte. Doch nun lag kein Zorn mehr darin, sondern so etwas wie Besorgnis. „Sie hat mich immer davon abgehalten, normal zu sein.“

„Sie?“ fragte ihre Besucherin neugierig. Katherine schluckte und wurde unruhig. „Ich glaube es fing an, nachdem ich meine Mutter auf dem Scheiterhaufen brennen sah und zu Molly gefahren bin. Als ich mich von dem Auto überfahren lassen wollte, da habe ich etwas gesehen. Und da ist es mir scheißegal, was die Ärzte behaupten. Ich habe mich selbst gesehen! Ein anderes Ich, das mich davon abgehalten hat. Und die Stimme, die mir zugeflüstert hat, ich solle meinen Vater töten… das war kein traumabedingter Stress gewesen. Ich weiß genau, dass das der Beginn meiner Krankheit war. Die Ärzte nennen so etwas Schizophrenie. Am Anfang war es noch relativ selten, aber… da war immer diese Stimme in meinem Kopf, die mir zuflüsterte, ich solle Menschen töten.“

„Und diese Halluzination sah aus wie du?“

„Ja. Ich vermute mal, dass ein Teil von mir vollkommen verrückt geworden ist und ich mir einfach nicht eingestehen wollte, dass ich drauf und dran war, den Verstand zu verlieren. Also hat sich der kaputte Teil meines Verstands eigenständig gemacht und immer wieder versucht, die Kontrolle zu übernehmen. Anfangs war es noch einfach, weil wir dieselben Feinde hatten. Lyndon, Derian, mein Vater… aber es hörte nicht auf. Egal wie viele Menschen ich gequält und getötet habe, dieser andere Teil in mir konnte nicht aufhören. Stattdessen wollte es auch die Menschen töten, die mir gar nichts getan haben. Jahrelang habe ich damit verbracht, dieses Monster in mir unter Kontrolle zu halten und bis zu meiner Einweisung ins Hospiz habe ich Nacht für Nacht Alpträume gehabt, wie ich meine eigenen Kinder umbringe.“
 

Hier konnte sie nicht mehr an sich halten und eine Träne rann ihre kalkweiße Wange hinunter. „Was ist nur aus mir geworden, dass ich sogar den Drang verspürt habe, meine eigenen Kinder zu töten?“

Hier beugte sich die schwarzhaarige Frau mit den rubinroten Augen vor und strich ihr sanft über den Kopf um sie zu trösten. „Du hast doch tapfer gekämpft“, versuchte sie sie zu beruhigen. „Und du bist ihnen eine gute Mutter.“

„Nein…“, widersprach Katherine und wischte sich die Träne aus dem Gesicht. „Dafür habe ich ihnen was genauso Schlimmes angetan. Wegen meiner Abstammung ist mein ältester Sohn genauso verrückt wie Nigel und mein Vater und mein jüngster Sohn… er ist gerade mal sechs Jahre alt und beginnt sich Stimmen einzubilden. Eine gute Mutter vererbt ihren Kindern nicht so etwas Abscheuliches. Dank mir müssen sie den Rest ihres Lebens mit diesem Stigma verbringen. Ich dachte, es würde ihnen besser ergehen, wenn sie eine bessere Kindheit haben als ich es tat. Stattdessen habe ich sie ins Unglück gestürzt, nur weil sie meine Gene erben mussten. Ich habe ihr Leben zerstört schon bevor sie überhaupt geboren wurden.“

„Nur weil sie deine Gene haben, muss es nichts Schlechtes sein“, beschwichtigte ihre Besucherin sie. „Immerhin hast du dich nicht genauso entwickelt wie dein Vater. Er hat seinen Wahnsinn an seinen Kindern ausgelassen, du hast deine Kinder liebevoll aufgezogen. Das andere steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Und nur weil sie krank sind, bedeutet es nicht, dass sie keine Hilfe bekommen können. Die psychiatrische Behandlung besteht nicht nur aus Lobotomie und Zwangsjacke. Und ich bin mir sicher, dass ihnen bald geholfen werden kann.“

„Nicht wenn sie genauso enden wie ich oder meine Familie“, erwiderte Katherine. „Es gibt kein Heilmittel dafür, ein Cohan zu sein.“

„Natürlich gibt es das nicht. Was hast du denn gedacht?“ Die Augen der Sterbenden weiteten sich vor Entsetzen, als sie wieder diese Stimme sprechen hörte… ihre eigene Stimme. Seit Tagen hatte sie sie nicht mehr gehört, warum kehrte sie ausgerechnet jetzt wieder zurück? Katherine biss sich auf ihre spröde Unterlippe und versuchte sie zu ignorieren, doch es fiel ihr schon schwer genug, eine Stimme zu ignorieren, die wie ihre eigenen Gedanken klang. „Und obwohl ich dir immer und immer wieder gesagt habe, es ist besser, wenn du deine Kinder von diesem Leid erlöst. Aber du hast ja nicht auf mich gehört. Stattdessen lässt du sie weiterleiden, damit sie genauso als psychisches Wrack enden wie du. Ja, du hast richtig gehört. Du bist für ihr Leid verantwortlich und es ist deine Schuld, dass sie mit deinem Wahnsinn leben müssen.“

„Hör auf damit und halte endlich mal die Schnauze!“ rief Katherine, nur um dann wieder in ein heftiges Husten zu verfallen. „Lass endlich meine Kinder aus dem Spiel oder ich…“ Sie schaffte es nicht mehr weiterzuschreien. Ihre Stimme versagte und sie bekam nur noch schwer Luft. Die Tür ging auf und eine der Pflegekräfte schaute besorgt herein. „Mrs. Evans, brauchen Sie…“

„Verschwinden Sie und lassen Sie mich alleine!“ keifte die Sterbende wutentbrannt, trotz ihrer schlechten Kondition. Es grenzte fast an ein Wunder, dass sie immer noch die Energie zum Schreien fand. Blanker Zorn lag in ihren goldgelben Augen und ihre abgemagerten Hände krallten sich in die Decke. Sie wirkte, als wollte sie jeden Augenblick aus dem Bett stürzen und der Pflegerin an den Hals springen. Doch glücklicherweise hielt sie ihre schlechte körperliche Verfassung davon ab und sie sank nach Atem keuchend zusammen. Ihre Besucherin legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter und wandte sich an die Pflegerin. „Es ist alles in Ordnung. Sie ist nur etwas aufgewühlt. Falls wir etwas brauchen, lassen wir es Sie wissen.“

Etwas zögerlich verließ die Pflegerin daraufhin den Raum und schloss die Tür wieder. Kaum, dass die Tür ins Schloss gefallen war, sank Katherine wieder erschöpft in ihr Kissen zurück und brauchte eine Weile um wieder zu Atem zu kommen. Ihr Kreislauf hatte vollkommen den Geist aufgegeben und ihr war speiübel, außerdem tat ihr Bauch höllisch weh. „Atme tief durch und beruhige dich erst einmal“, riet ihre Besucherin. „Du tust dir nur selbst weh, wenn du dich zu sehr aufregst.“

„Verdammt frustrierend, dass mir selbst zum wütend sein die Kraft fehlt“, kam es missmutig von Katherine zurück. „Ich habe gelernt, mit Schmerzen umzugehen und ausgerechnet mein Magengeschwür und der Krebs müssen mich in die Knie zwingen. Ich wünschte, ich wäre wenigstens geistig genauso angeschlagen. Dann würde ich mich gar nicht mehr darüber aufregen können, dass ich in so einer Verfassung bin. Und ich hätte wenigstens Ruhe vor ihr. Naja, ich sollte aufhören, die ganze Zeit zu jammern. Es gibt Wichtigeres zu tun. Immerhin wirst du mich ja nicht erlösen, bevor ich nicht mein ganzes beschissenes Leben offenbare. Du verlangst aber auch viel von mir und wofür? Nur damit ich endlich abtreten kann?“

„Ich möchte, dass du dein Leben reflektierst, damit du deinen Seelenfrieden finden kannst“, erklärte die Besucherin geduldig und zeigte sich unbeeindruckt von Katherines Wutausbruch und ihrer Verbitterung. Doch Katherine lachte bloß verächtlich. „Seelenfrieden? Ist es das, was du willst? Pah, als ob ich jemals Frieden finden könnte, wenn ich genau weiß, dass ich meine Kinder einem narzisstischen und selbstsüchtigen Hurensohn wie Lionel überlassen muss. Michael und Jordan sind schon alt genug um ihn zu durchschauen, aber Leron ist noch ein Kind. Er ist sechs Jahre alt! Lionel wir ihn benutzen wie es ihn beliebt und ich werde nicht mehr da sein, um ihn zu beschützen. Einen Scheißdreck gebe ich auf den Seelenfrieden. Und wenn ich mich als verrottete Leiche aus dem Grab herausbuddeln muss, ich werde nicht eher Frieden finden bis ich nicht weiß, dass mein kleiner Liebling nicht als Spielfigur seines Vaters enden wird!“

„Ich verstehe“, murmelte die schwarzhaarige Schönheit nickend und faltete ihre Hände auf dem Schoß. „Wenn es das ist, was dich noch ans Leben klammern lässt, dann gebe ich dir folgendes Versprechen: ich werde dafür sorgen, dass Leron frei von jeglichen Einflüssen aufwächst und sein Leben so lebt wie er es sich wünscht. Und im Gegenzug erzählst du mir deine Geschichte weiter.“
 

Für einen Moment wurde Katherine stutzig und traute dem Braten nicht so ganz. Warum sollte diese Frau ihr so ein Versprechen geben? Warum war es ihr so wichtig, dass sie ihren Seelenfrieden fand? Etwa, weil sie glaubte, ihr rachsüchtiger Geist könnte die Welt der Lebenden heimsuchen? Nun, soweit sie gehört hatte, glaubten die Kinsleys zumindest an so etwas ähnlichem. Allerdings glaubten sie eher, dass es die negativen Gefühle und Erinnerungen waren, die in der sterblichen Welt zurückblieben und nicht die Seele selbst. Sie selbst hatte nie an diesen Quatsch geglaubt. Für sie war das alles nur primitiver Aberglaube gewesen und sie hatte schon immer jegliche Art von Glauben aufs Tiefste verabscheut. Immerhin war es der Glaube gewesen, der ihre Mutter dazu getrieben hatte, sich lebendig auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Und es hatte noch Schlimmeres angerichtet. Sie war fernab von Religion aufgezogen worden und sie hatte den Pfarrer, der sie besuchen gekommen war, ins Gesicht gesagt, dass er sich zum Teufel scheren und sie mit diesem religiösen Schwachsinn verschonen sollte. Ganz gleich ob er gute Absichten hatte oder nicht, im Grunde war dieser verdammte Pfaffe doch nur daran interessiert, einen weiteren Bauerntrottel zu finden, den er konvertieren konnte. Es war ohnehin äußerst geschmacklos, dass er erst dann kam, wenn sie bereits im Hospiz war und nicht schon vorher, als sie noch Hilfe gebrauchen konnte. „Wenn dir das Seelenheil der Sterbenden so wichtig ist, warum schickst du nicht einfach irgendwelche Pfaffen vorbei?“ scherzte sie mit Herablassung, doch auch das vermochte ihre Besucherin nicht sonderlich aus der Fassung zu bringen.

„Seelenfrieden und Seelenheil sind verschiedene Dinge“, erklärte sie ruhig. „Ich will deine Seele nicht retten, das steht auch nicht in meiner Aufgabe. Und ich bin nicht hier um deine Sünden zu hören, damit dir vergeben werden kann. Ich will nur deine Geschichte hören, damit du dich leichter vom Leben lösen kannst, frei von Angst und Schmerz.“

„Ach so läuft der Hase“, murmelte Katherine stirnrunzelnd. „Also hast du tatsächlich Angst, dass mein rachsüchtiger Geist die Menschheit heimsuchen könnte? Ich glaube ja nicht an so einem Schwachsinn, aber nun gut. Du hast mir ein Versprechen gegeben und hast mir geholfen. Ich denke, ich bin es dir zumindest schuldig, dir den Rest meiner Geschichte zu erzählen.“

„Nimm dir ruhig Zeit. Du musst dir deine Kraft gut einteilen.“

Ein wenig genervt seufzte die Todkranke, denn es passte ihr ganz und gar nicht, dass sie bevormundet wurde. Und mit aufmunternden Worten konnte sie schon gar nicht umgehen. Aber sie wollte nicht schon wieder eine Diskussion anfangen, vor allem weil es eh nichts bringen würde. Ihre Besucherin war hartnäckiger als Wespen im Sommer und sie würde nicht gehen, bevor sie bekommen hatte was sie wollte. „Das ist das Netteste, das jemals irgendjemand zu mir gesagt hat, der nicht dafür bezahlt wurde, mir in den Arsch zu kriechen. Wenn sich mein Bastard von Ehemann je dazu durchgerungen hätte, so etwas zu mir zu sagen, dann hätte ich ihm wahrscheinlich nicht das Messer in den Bauch gerammt.“

Ein leicht vorwurfsvoller Blick kam zurück und Katherine seufzte genervt und verdrehte die Augen. „Hey, ich hatte einen gebrochenen Arm und ein gebrochenes Herz! Und im Gegensatz zu mir liegt dieser Hurensohn nicht in einem Bett, in welchem was weiß ich wie viele Leute elendig verreckt sind wie ich nachher.“

„Na zumindest scheinst du noch genügend Energie übrig zu haben, um ihn selbst auf deinem Totenbett zu verfluchen.“

„Dafür reicht meine Kraft immer aus!“ Katherine versuchte zu lachen, doch sie verfiel nur wieder in ein heftiges Husten und bekam kaum noch Luft. Ihre Besucherin gab ihr daraufhin noch etwas zu trinken um ihr zumindest ein wenig zu helfen. Schließlich aber kehrte die Krebskranke wieder zu ihrer Geschichte zurück und versuchte den roten Faden wiederzufinden. „Also wo waren wir? Ach ja… meine Mutter ist verbrannt und mein Vater begann mich daraufhin zu missbrauchen. Das Ganze lief bis ich 14 Jahre alt war… Dann änderte sich alles komplett für mich. Und der Auslöser war, dass ich von meinem eigenen Vater schwanger wurde. Ich hatte mir zwar Kinder gewünscht. Aber das… das war für mich der wohl größte Alptraum von allen. Anstatt, dass sich anfühlte als würde ein Leben in mir heranwachsen, war es mir, als würde ein bösartiger Tumor in meinem Unterleib wachsen, der mich mit einer Krankheit infizierte. Und als wäre das nicht genug, wurde dieser Alptraum immer schlimmer… Jahrelang hatte ich die Misshandlungen ertragen und mich benutzen und herumschubsen lassen. Und ausgerechnet das hat dafür gesorgt, dass ich komplett durchdrehe. Was für eine bittere Ironie…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Arya-Gendry
2021-02-26T12:22:53+00:00 26.02.2021 13:22
Huhu^^
Ich hoffe dir geht es gut man hat lang nichts mehr von dir gehört. ;)
Ich hoffe das du noch weiter schreiben wirst hier und in The Lover Contract?
Lg.
Von:  Arya-Gendry
2018-12-25T19:06:33+00:00 25.12.2018 20:06
Hi
Super das es auch hier weiter geht. Nun werde mir noch mehr erfahren. Sie kann einen auf einer Seite echt leid tun. Bin schon auf das nächste Kapitel gespannt.
Kg.


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