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Way Down

von

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Neal | Too good to be true

Irgendwo auf seiner langen Reise schien er die Grenze zwischen der Realität und einer Traumwelt überschritten zu haben, ohne dass er es bemerkt hatte. Das, was sich vor seinen Augen auftat, was sich vor ihnen abspielte - das konnte so einfach nicht real sein. Entweder er war längst verdurstet und halluzinierte nur noch oder er war in die größte Falle getappt, die sich ihm hätte bieten können. Es gab nichts dazwischen. Es konnte nichts dazwischen geben. Erst Tali, dann der kleine Junge, Joel, der Doktor ... und er war mitten drin, ohne dass er es hatte verhindern können. Vielleicht hatte er es gar nicht versucht. Wenn er sich die letzte Stunde wieder vor Augen führte, glich das alles eher einem Film, den man sah, als dem, was tatsächlich passierte. 

 

Neugierig und gleichzeitig ängstlich folgte er dem fremden Mann in das große Zelt. Neal spürte die Anspannung in jeder Faser seines Körpers in dem Moment, als Joel die Plane beiseite hob und sie ihm auf hielt, als er den letzten, entscheidenden Schritt machte. 

Blicke ruhten auf ihm. Er zählte die Gesichter nicht, war urplötzlich wie benebelt von dem Duft nach frisch gebackenem Brot und wusste für einen Moment tatsächlich nicht mehr, ob er wirklich wach war. Als er die Fliegerbrille nach oben schob und das Halstuch tiefer, wurde der Geruch noch intensiver und sein Magen reagierte darauf. So laut, dass es nicht verborgen blieb. 

»Da hat jemand ordentlich Appetit mitgebracht.« Die Frau von eben - Joels Mutter - trat an ihn heran und streckte ihm freundlich lächelnd die Hand entgegen. »Laureen Malone. Es freut mich wirklich sehr, Sie kennenzulernen. Entschuldigen Sie meinen Sohn. Er hätte Sie gleich herbringen sollen.«

»Mum ...« Der, um den es gerade ging, zog sich die Schutzbrille vom Gesicht und entfernte das Halstuch. Neal staunte nicht schlecht, als sich der Mann als wesentlich jünger entpuppte, als er angenommen hatte. Und er ... sah ziemlich gut aus. »Jemand sollte wirklich draußen auf dem Turm sein und die Umgebung im Auge behalten.«

»Schatz. Die Welt ist schon untergegangen. Eine halbe Stunde wird keinen Unterschied mehr machen.«

»Aber ...«

»Jetzt setz dich hin und iss!« 

Neal wusste nicht, was er gerade lieber tun wollte. Lachen oder weinen. Eine intakte Familie. Dass so etwas noch existierte ...

Die Aufmerksamkeit seiner Gegenüber verlagerte sich wieder zu ihm. »Sie müssen wirklich sehr hungrig sein. Setzen Sie sich doch einfach zu uns, ruhen sich aus und vergessen die wüste Welt da draußen. Denken Sie, Sie bekommen das hin?«

»Ich ... weiß nicht«, antwortete Neal wahrheitsgemäß, doch er tat es Joel gleich, nahm die Fliegerbrille ganz ab und wickelte auch das Tuch gänzlich von seinem Kopf. Ein Raunen ging durch den Raum, auf das flüsternde Gespräche folgten, die sich offensichtlich um ihn drehten ... und vielleicht auch um den Gitarrenkoffer auf seinem Rücken, den er vor dem Abstieg vom Turm wieder aufgesetzt hatte. Er hörte da sehr leise die Frage, ob da wohl wirklich eine Gitarre drin war. Das war ... zu viel auf einmal. Etwas mehr als zehn Menschen waren hier und sie verhielten sich so normal, wie man es aus der Vergangenheit kannte. Ein Thanksgiving Essen da, eine Weihnachtsfeier dort.

 

Normalität - sie schmeckte so bitter wie Galle und sie zog ihm den Boden unter den Füßen weg. 

 

Kräftige Arme waren da, als Neal schwarz sah. Es war ein flüchtiger Moment, in welchem sein Körper den monatelangen Strapazen einfach nachgab. Ein, zwei Atemzüge lang wirklich so schwach sein, wie er sich tief im Inneren fühlte. 

»Hoppla!« Er hörte Joels Stimme. Die Arme mussten zu ihm gehören. Da war eine weitere Hand, die sich auf seine Schulter legte und er hörte Laureen. Sie wandte sich nicht direkt an ihn, als sie sprach.

»Der arme Junge. Das hier muss ihn schlichtweg überfordern. Setzen wir ihn dort zu Malia und Dave.«

 

Neal hatte das Gefühl, keinen Schritt selbst zu tun, aber letztendlich saß er neben einer jungen Frau mit rotem Haar, das zu einem Zopf geflochten über ihrer linken Schulter lag. Auf ihren Wagen prangten so viele Sommersprossen, wie der Himmel Sterne zu bieten hatte, und sie roch leicht nach Wacholder. Jemand nahm ihm den Gitarrenkoffer vom Rücken. Ein anderer stellte ihm eine Schüssel mit dampfender Brühe hin und legte zwei Scheiben Brot daneben. Der Duft der einfachen Mahlzeit stieg ihm so intensiv in die Nase, dass Neal es langsam tatsächlich glaubte. Das hier bildete er sich nicht ein. Es geschah wirklich. 

»Ich glaube, jetzt hat er es«, murmelte ein Kerl ihm gegenüber, der genau so rote Haare hatte wie die Frau neben ihm. Neal blinzelte, sah von einem zum anderen, dann wieder auf sein Essen hinunter. 

»Das ... riecht wirklich gut«, gab er leise zu und griff nach dem Löffel. Er befürchtete, dass er sich nicht würde beherrschen können, wenn er von der Mahlzeit kostete. Er hatte sich in den letzten Wochen vorwiegend von Konserven ernährt. Irgendwann schmeckte alles gleich, hatte immer dieselbe Konsistenz. Da spielte es keine Rolle mehr, was auf dem Etikett stand. Wichtig war nur noch das Verfallsdatum. Und selbst das wurde nebensächlich, wenn man Hunger hatte. Etwas Frisches hatte Neal schon sehr lange nicht mehr gegessen. Er nahm sich eine Brotscheibe, füllte den Löffel und führte ihn an seinen Mund. 

Die Brühe war dünn, aber sie schmeckte und im Zusammenspiel mit dem Hirsebrot wurde es zum besten Essen seit langem. Er bemerkte nicht, wie amüsiert und neugierig er angesehen wurde. Selbst Randeindrücke konnte er nicht mehr sammeln. Ihm war nicht bewusst, dass er an einem einfachen Campingtisch saß und der Hocker unter seinem Schoß seine besten Zeiten längst hinter sich hatte. Er achtete nicht auf die anderen Tische oder den Kessel, der über einer mehrfach abgesicherten Feuerstelle hing, die munter vor sich hin prasselte. 

Er war gestorben und das hier war der Himmel. 

Das musste es sein. 

 

Obwohl Neal noch immer darauf bestand, dass er nicht hierbleiben würde, erfuhr er letztlich doch so gut wie alles über die kleine Truppe. So wurde ihm erzählt, dass Malia und Dave Geschwister waren, die Joel in Junction aufgesammelt hatte, kurz nachdem sie Ian und Brook aus Fredericksburg rausgebracht hatten. Er erfuhr, dass Sofia und Charles Brown das Ehepaar waren, das vom Außenposten der Richter in Victoria berichtet hatte und dass James, der wohl der Älteste hier war, in seinen jüngeren Jahren als Architekt gearbeitet hatte und so maßgeblich zum Bau der Solarkuppel beigetragen hatte. So viele Namen. Er selbst hatte sich nicht noch einmal offiziell vorstellen müssen. Das hatte Joel für ihn übernommen, kurz bevor der wieder nach draußen verschwunden war, um den Posten auf dem Wachturm zu besetzen. Es waren so viele Gesichter, die Neal sich merken wollte, aber einfach nicht konnte, denn er war sich darüber im Klaren, wie schnell sie verblassen konnten, wenn sie erst einmal tot waren. Den Gedanken sprach er aber nicht laut aus, denn abermals trat Laureen an seine Seite und zeigte auf den Mann an der ihren. 

»Das ist mein Mann Alexander. Wir ... haben uns gefragt, ob Sie uns nicht erzählen möchten, wie Sie es da draußen so lange allein geschafft haben. Ich kann es immer noch nicht glauben. Gehörten Sie einer größeren Gruppe an?«

»Laureen ... ich glaube nicht, dass wir ihn mit noch mehr Fragen behelligen sollten. So neugierig du auch bist, aber ich glaube, der Junge braucht erst einmal Ruhe.«

 

Joels Vater schien ruhiger zu sein, als seine Frau es war. Freiwillig hätte er den Kontakt zu Neal wohl nicht so schnell gesucht, aber wenn man seiner besseren Hälfte nichts abschlagen konnte, ergaben sich solche eher unangenehmen Situationen. Neal fand das weniger schlimm. Er hatte es endlich geschafft, die vielen Eindrücke irgendwie zu sortieren. Er wusste nun um die Existenz einer größeren Gruppe, was von Vorteil sein konnte. Sie würden ihn nicht zwingen, dass er hierblieb, was ihn also nicht unter Druck setzte. Aber leugnen, dass sie das vielleicht auch gar nicht mussten, konnte er mittlerweile nicht mehr und das war wohl die einzige Angelegenheit, mit der er noch nicht ganz klar kam. Fakt war - diese Menschen hatten Informationen, die ihm fehlten. Sie kamen aus unterschiedlichen Gegenden Texas‘. Er war hier im Grunde der Außenseiter. Nicht nur, weil er der Neuankömmling war, sondern auch, weil er aus einem ganz anderen Staat stammte.

 

»Es ist schon okay«, murmelte Neal schließlich, als er die Hände im Schoß faltete und zu den beiden hochsah. 

»Ihr könnt euch auch setzen«, erklärte der Rotschopf ihm gegenüber plötzlich, als er aufstand und auf die frei gewordenen Sitze deutete. »Ich werde mal nach Joel sehen, sonst langweilt der sich vielleicht noch.«

»Danke, Dave.«

Die beiden setzten sich und Neal bekam von dem Rothaarigen noch einen letzten Blick zugeworfen, der mit einem kurzen Zwinkern endete, bevor sich der stark Tätowierte abwandte. Da waren überall dunkelbunte Zeichnungen zu sehen, wo kein Stoff die sommersprossige Haut bedeckte. 

»Und ich werde dir mal noch eine Schüssel Brühe holen. Du hast sicher länger nichts gegessen als wir alle.«

Auch Malia erhob sich, berührte ihn flüchtig an der Schulter, als sie nach seiner Schüssel gegriffen hatte und an ihm vorbei zum Feuer ging. Neal sah ihr kurz hinterher, dann fokussierte er wieder die beiden älteren Leute vor sich. 

»Es ist sehr lange her, dass ich jemandem begegnet bin. Auf meiner Reise habe ich die ein und andere Gruppierung getroffen, aber ich habe mich keiner angeschlossen. Vermehrt deshalb, weil sie nicht in die Richtung gewandert sind, in die ich wollte. Aber auch weil man irgendwie niemandem mehr trauen kann. Seit der Attacke der Richter ... ist mir das sehr schwergefallen.«

»Attacke?« Laureen hob die Hand an die Lippen - ihre Augen waren entsetzt geweitet. »Joel hat nur angedeutet, dass Sie mit ihnen Kontakt hatten, aber ... nun ... das tut mir wirklich sehr leid.«

»Wie lange ist das her?«, hakte Alexander nach. Aus Höflichkeit. Nicht, weil er es wirklich wissen wollte. Neal spürte das. Nur die Ursache dafür blieb ihm verborgen, aber es war beruhigend, dass er hier nicht der einzige Skeptiker zu sein schien. Er war schließlich genauso ein Fremder für die Gruppe, wie sie für ihn. Er könnte ein verkorkster Psychopath sein (was er nicht war, aber jeder Eindruck konnte täuschen). Er musterte den Mittfünfziger flüchtig, ehe er leise seufzte und zu seinem Hemd griff, um unter dem Stoff nach dem Medaillon zu suchen und es zu umfassen. Das beruhigte ihn immer wieder. 

»Zu lange, um noch eine Rolle zu spielen, aber ... ich kann nicht aufhören daran zu denken. Ich muss die Männer finden, die das getan haben. Eher finde ich keine Ruhe.«

»Also hielten Sie nur die Rachegedanken am Leben?«

»Laureen ... du stellst zu viele Fragen«, wurde das Gespräch von einer weiteren Stimme unterbrochen. Sie gehörte nicht zu Malia. Die stand aber unmittelbar hinter der anderen Person, die sich als Tali entpuppte, als er aufsah. Sie blickte nicht auf ihn hinunter, sondern beobachtete Joels Eltern. Irgendetwas in ihrem Blick war seltsam und Neal dämmerte langsam, dass diese Truppe einen stabilen und organisierten Eindruck machte, interne Spannungen aber immer vorhanden waren, egal, was die Umstände dazu zu sagen hatten. Die bekam man nie raus, wenn so viele unterschiedliche Menschen aufeinandertrafen. 

»Lasst ihn bitte erst einmal ankommen. Vielleicht wird er auch gar nicht hierbleiben.« Ihre Worte klangen etwas harsch. Der Klang änderte sich, als sie sich Neal zuwandte. »Ich wollte nach Douglas und Adam sehen. Möchtest du vielleicht mitkommen?«

Neal bemerkte verspätet, dass da zwei weitere Schüsseln mit Brühe waren, ebenso wie Brotscheiben. Verpflegung für den Doktor und den Kleinen. Neal nickte und lächelte dem Ehepaar entschuldigend zu, als er sich erhob. Malia trat hinter Tali vor und reichte ihm seine eigene Schüssel, die wieder gefüllt war. 

»Die kannst du auf dem Weg dahin trinken«, war ihre Erklärung dazu. Neal verstand nicht ganz, was hier gerade passierte, was nicht ausschloss, dass er es wohl gleich erfahren würde. Tali wirkte etwas rastlos. Vielleicht interpretierte er gerade auch zu viel. Es war wirklich lange her, dass er sich mit zwischenmenschlichen Interaktionen auseinandergesetzt hatte.

 

Tali sprach nicht direkt mit ihm über das, was eben passiert war. Doch Malia, die ihr wie ein kleiner Schatten folgte, sprach sie von selbst darauf an und Neal, der ein, zwei Schritte hinter ihnen lief, hörte alles. 

»Sie wachsen hier langsam wirklich fest! Sie sollten selbst mal wieder raus und sich mit ihren eigenen Augen davon überzeugen, was aus der Welt geworden ist, anstatt jeden auszuquetschen, der neu in unsere Gruppe kommt.«

»Tali, Herzchen ... beruhige dich. Du kennst das doch. Was regt es dich so auf?«

»Weil sie das immer tun! Denk daran zurück, wie sie James damals ausgequetscht haben. Der arme Kerl. Und jetzt dasselbe bei ...« Sie zögerte und erinnerte sich wieder daran, dass Neal direkt hinter ihnen lief und alles hören konnte. Sie sah flüchtig über ihre Schulter. »Verzeih ... das ist eine eher interne Sache, aber irgendwie betrifft sie dich ja gerade.«

»Schon gut«, erklärte Neal und lächelte leicht. Der Sturm hatte zum Glück etwas nachgelassen. So sah er ihre dunklen, durchdringenden Augen. Im Kontrast dazu die strahlend grünen ihrer Begleiterin. Die beiden wirkten sehr vertraut miteinander, aber vermutlich passierte das irgendwann, wenn man eine Gemeinschaft formte. Das entzog sich Neals Erfahrungsschatz. Es wurde Zeit, dass er seinen Horizont erweiterte. Oder dass er schnellstmöglich von hier verschwand. Sein Blick wanderte zum Wachturm, den sie hinter sich gelassen hatten. Die zwei Männer auf ihm sahen in seine Richtung. Der Rotschopf hob flüchtig die Hand und drehte sich dann wieder in Richtung Wüste. Ob er noch unter Beobachtung stand? Neal wunderte es nicht. Er würde nicht anders handeln. Und wenn Joel tatsächlich der Anführer dieser Gruppierung war, stand er wohl hauptsächlich unter dessen Obhut - vorerst. 

»Warum ist Joel der Anführer und nicht seine Mutter oder eines der anderen älteren Mitglieder?«, drängte sich ihm die Frage auf und so stellte er sie auch gleich. War es nicht so, dass immer die Alten und Weisen die Führung übernahmen? Vielleicht hatte auch das in solchen Zeiten keinen allzu hohen Stellenwert mehr.

»Weil er es voll drauf hat«, erklärte Malia überschwänglich, während sie sich vorsichtig bei Tali einhakte, damit diese die Brühe nicht verschüttete. Neal sah auf seine Eigene hinunter und nahm einen Schluck von ihr, während sie sich immer weiter vom zentralen Punkt des Camps entfernten. 

»Es ist so«, fing Tali an und blieb stehen, damit er zu ihr und Malia aufschließen konnte. »Er hat eine militärische Grundausbildung, er hat gelernt, wie man Menschen etwas beibringt - so als Lehrer. Und er ist entschlossen, hat einen Plan, er sorgt gut für uns. Letztlich war es eine demokratische Wahl, die es festgemacht hat, aber der Anführer war er schon immer. Er hat alles aufgebaut. Er hält es am Laufen.«

Neal war beeindruckt von der Ansprache und der Art und Weise, wie sie über Talis Lippen gekommen war. Da schwang Bewunderung mit und vielleicht mehr. »Dabei ist er kaum älter als ich.«

»Das macht keinen Unterschied. Es sind die Taten, die für ihn sprechen. Ohne ihn ...«

»Tali ...«

Das kurze Schweigen offenbarte Hintergründe, die unausgesprochen blieben, aber definitiv vorhanden waren. Etwas in Neal wollte nachhaken, mehr erfahren und die Neugier befriedigen. Aber der rationale Teil in ihm behielt die Kontrolle und hinderte ihn daran. 

»Ihr müsst auch sehr viel durchgemacht haben«, murmelte er leise und sah sich um. Hier gab es nichts mehr. Der Zaun reichte noch weiter und einige Meter vor ihnen tat sich eine einsame Hütte auf. Sie sah nicht aus wie eine von denen, die er zuvor gesehen hatte. Sie war von Hand aufgebaut worden, nachdem alles zum Erliegen gekommen war, und hatte wohl schon immer dem Zweck gedient, Kranke vom Rest abzuschirmen. Ein sehr einsamer Ort. Neal war nicht wohl dabei, dass Adam und Douglas hierbleiben sollten, aber es war ja auch nur für einen Tag. Das würden die beiden verkraften.

 

»Douglas!«

 

Es dauerte, bis sich die Tür zur Hütte nach Talis Ruf öffnete. Das leicht gerötete Gesicht des Doktors tauchte im Spalt auf. Die braunen, lockigen Haare hingen ihm in die Stirn.

»Nicht so laut. Der Kleine ist endlich eingeschlafen.«

»Entschuldige.« Tali lächelte leicht und reichte Douglas die Schüsseln. »Als Verpflegung. Auch für den Kleinen. Willst du wirklich die ganze Zeit hier bei ihm bleiben?«

Douglas nahm die Brüheschalen entgegen und Malia legte in jede zwei Brotscheiben. »Ja. Es ist sicherer, wenn ich mich nach dem Kontakt mit ihm von euch fernhalte. Ihr wisst, wie aggressiv die Infektion ist.«

Die beiden Frauen nickten langsam. Ihr Zögern war fast spürbar. Dr. Cameron zu verlieren, hätte schlimme Folgen für die ganze Gruppe, aber das war nicht der einzige Grund. Sie hatten einander liebgewonnen. Neal seufzte leise. Das kannte er alles nicht. Und wieder zeigte sich, dass die Gefahr an jedem noch so schönen Ort weiterhin präsent war. Vieles konnte hübsch aussehen und doch übel enden. Er wünschte es dem Doktor nicht. Und dem Kleinen auch nicht, der sein ganzes Leben noch vor sich hatte. Aber konnte man das, was ihnen in Zukunft bevorstand, noch als Solches bezeichnen? 

 

Wer wusste das schon?

 

»Und? Was hältst du von diesem Ort?«

Neal begegnete Talis aufmerksamen Blick, als sie sich auf den Rückweg machten. Ehrliche Neugier sah er in ihren dunklen Augen und auch Malia sah an ihr vorbei und beobachtete ihn. Was wollten die beiden hören? Nun ... er würde ganz ehrlich sein. 

»Ich frage mich noch, wo der Haken ist, um es freundlich zu formulieren.«

»Muss man denn in allem etwas Schlechtes sehen?«, murmelte Malia, ehe sie anfing, leise zu pfeifen. »Wollen wir nicht lieber über die Gitarre in deinem Koffer reden?«

»Malia ... du bist furchtbar.« Tali stieß die kleinere Frau von sich und grinste dabei schief. Die Rothaarige torkelte davon und schmunzelte. Die schwarzen Locken wackelten noch, als Tali Neal wieder ansah und die Schultern hob. »Kein Haken. Ich kann mir zumindest keinen vorstellen. Aber ich denke, Joel wird sicher noch irgendwann mit dir reden wollen. Wie es für dich weitergehen soll. Ob du bei uns bleibst. Solche Sachen. Da mussten wir alle durch.«

»Ihr geht wirklich davon aus, dass ich bleibe, oder?«

»Nun ... du wärst irre, wenn nicht. Wer bleibt denn freiwillig allein da draußen?« Malia machte keinen Hehl daraus, was sie von Neals Einstellung hielt. Und frech wie sie war, streckte sie ihm die Zunge raus und huschte dann davon. 

»Oh, du Miststück! Nun, sieh dich ruhig weiter um und überlege es dir. Wir könnten dich hier wirklich gut brauchen.« Tali lief ein Stück rückwärts und winkte ihm dann zu, ehe sie der Rothaarigen nachsetzte.

 

Ein schönes Bild, das musste Neal zugeben. Aber nun, da er zurückgelassen worden war, kreisten seine Gedanken wieder und sortierten sich neu. War es tatsächlich sinnvoll, wenn er hierblieb? Nach allem, was er über jene erfahren hatte, die seine Familie auf dem Gewissen hatten, wäre es Irrsinn, das allein durchziehen. Dafür aber andere in Gefahr zu bringen, passte ihm genauso wenig. 

»Ach, verflucht ...«

Er musste wohl tatsächlich mit Joel reden. Neal hatte das Gefühl, dass es da noch so einiges gab, dass der Blonde ihm nicht gesagt hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  SamAzo
2018-05-13T15:12:03+00:00 13.05.2018 17:12
Die schräge Normalität...
Da einen Haken zu sehen, ist vollkommen normal, vor allem wenn man nur noch einsame Wüste kennt.

Ich mag wie Malia und Tali miteinander umgehen. <3
Von:  Votani
2018-03-17T17:50:56+00:00 17.03.2018 18:50
Niedliches Kapitel, das einen besseren Einblick in das Camp und seine Bewohner gibt. Ich wuerde sehr gern mehr ueber Malia erfahren und bin gespannt. Sind Dave und sie Geschwister? Es wurde nicht gesagt, aber ich hatte so den Eindruck, weil sie sich recht aehnlich sehen und auch gemeinsam gegessen haben. Ich mag Geschwisterkisten sehr gern. *-* Auf jeden Fall scheint Malie definitiv lockerer als Tali drauf zu sein, gute Mischung!
Neal waere wirklich ein Idiot, wenn er nicht da bleiben wuerde. :'D Mehr gibt es dazu eigentlich gar nicht zu sagen. Ich freu mich schon aufs Weiterlesen!


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