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Kapitel 33 - Wer ist hier beleidigt?

Montags hatte Professor Flitwick sie schließlich zum ersten Unterricht der Woche begrüßt und verkündet, dass sie nun endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, mit den praktischen Übungen beginnen würden. Sofort wurde aufgeregtes Gemurmel laut als beinahe alle Anwesenden gleichzeitig zu ihren Stäben griffen und diese erwartungsvoll hoben. Und obwohl Evelyn sogar in Erwägung gezogen hatte ihren eigenen Stab dort zu lassen, wo er das Wochenende verstaut gewesen war, fanden ihre Finger nun die Wölbung ihres Umhangs, wo der Stab gegen den Stoff drückte.
 

"Ist das aufregend", flüsterte eine glückliche Millicent, die ungeduldig ihre dunklen Haare zurück band, so als bereitete sie sich auf eine schwere Aufgabe vor, was Evelyn nur mit einem Nicken kommentierte. Für eine Zauberschule hatte sie bisher nur wenig Leute gesehen, die tatsächlich einen Zauberstab hielten, so sah sie auch Millicents Stab zum ersten Mal: ein schlankes, fast filigranes Exemplar, das so gar nicht zu ihrer eher pummeligen Hand passen wollte, mit hellem Schaft und fast weiß matt-schimmernden Linien. Millicent fing Evelyns neugierigen Blick auf und schob ihr das Holz entgegen.
 

"Erle, 10 Zoll, Drachenherz", rezitierte sie stolz. "Meine Urgroßtante hatte auch Erle." Eine seltsame Information, fand Evelyn und es hatte den Anschein, als würde diese Information nur jemandem nützen, der wusste, wer ihre Urgroßtante war. Evelyn machte daher große Augen und tat so, als wäre sie beeindruckt, da diese Reaktion anscheinend von ihr erwartet wurde. Dabei zückte sie eher beiläufig den eigenen Zauberstab, da sie dies nun nicht mehr hinauszögern konnte, woraufhin Millicents Miene sich versteinerte und sich Evelyns Stimmung anpasste.
 

"Was ist das denn?" Sie zeigte mit einem angedeuteten Naserümpfen auf das Holz in Evelyns Hand.
 

"Sieht zwar nicht so aus, aber das ist meiner", erklärte Evelyn mit wenig Begeisterung.
 

"Das sieht aus wie ein Stock, funktioniert der?"
 

"Manchmal", gab Evelyn trocken zurück und drehte den groben Stab in den Fingern. Sie konnte es Millicent nicht verübeln, dass sie so herablassend von ihm sprach. Ihre Gedanken waren ähnlich gewesen, als Ollivander ihn zum ersten Mal präsentiert hatte. Millicent schien ihre knappe Antwort ebenfalls so zu deuten, dass Evelyn sich wegen des Aussehens schämte, obwohl das Gegenteil der Fall. Es hätte der schönste Stab aus poliertem Mahagoni sein können, er hätte sich genauso wie Sandpapier auf ihrer Haut angefühlt.
 

"Für die erste Übung möchte ich, dass Ihr eure Stäbe zum Reagieren bringt; Funken, Blasen, Scheinen, egal was", durchstach Flitwicks hohe Stimme den Raum. "Bevor wir mit den einfachen Zaubern beginnen, müsst Ihr lernen eure Magie fließen zu lassen." Dies waren Flitwicks Worte gewesen, mit denen Evelyns Leidenszeit begonnen hatten.
 

Illusionen hatte sie sich nie gemacht und Ollivanders Warnung, der Zauberstab würde womöglich nicht immer zuverlässig sein sprach für sich, doch was Evelyn nie erwartet hätte war, dass sie derart versagen würde, wie in dieser Stunde Zauberkunst. Es war nicht peinlich, es war vernichtend gewesen. In einer Unterrichtseinheit voller Ravenclaw und Slytherin hatte es nicht lange gedauert bis der Raum voll von Sternschnuppen, bunten Blasen, ja sogar pfeifenden Tönen war, die aus den Zauberstäben eines jeden quollen. Bei jeder neuen Reaktion war Flitwick aufgeregt aufgesprungen und lobte den Schüler, schon beinahe zu sehr für eine so banale Zurschaustellung von Magie. Mit jedem neuen Lob hatte es in Evelyn, die selbst daran kläglich scheiterte, mehr gebrodelt.
 

"Atme ruhiger, konzentrier dich", versuchte Pansy mit knappen Anweisungen zu helfen, die als eine der ersten die Übung erfolgreich absolviert hatte. Doch jedes Wort der anderen machte es schlimmer und Evelyn bemühte sich irgendwann nicht einmal mehr ihre Frustration zu verstecken.
 

Was auch immer sie tat, es passierte nichts, weder eine Reaktion des Stabes, noch ein Gefühl der Magie überkam sie. Selbst als sie Zauber versuchte, die ihr bereits in der Vergangenheit gelangen, passierte nicht die kleinste Regung, was sie mehr und mehr beunruhigte. Irgendwann war sie gezwungen gewesen stumm zuzusehen, wie die anderen ihren ersten Zauber lernten; den Lumos.
 

"Jeder hat einen schlechten Tag, Miss Harris. Üben Sie, nächste Stunde dürfen Sie es mir vorführen."
 

Evelyn hätte am liebsten laut los gelacht, als Flitwick sie und die anderen mit dem Versprechen entließ, dass sie sich nächste Stunde erneut zum Affen machen durfte. Wütend auf sich selbst warf sie den Stab in die Tasche.
 

"Wo waren deine Gedanken heute? Das war ja peinlich", tönte Draco, der seinen Stab erhellen und erlöschen ließ, wie es ihm passte, während sie durch die Gänge gingen.
 

Das weiß ich selbst, Malfoy, danke, dachte sie sauer, biss sich jedoch auf die Lippen um es nicht laut zu sagen.
 

Dass sie es nicht einmal geschafft hatte, wenigstens den kleinsten Funken zum Sprühen zu bringen, nagte sehr an Evelyn und ihrem Selbstbewusstsein. Wenn sie sich nicht sicher gewesen wäre zumindest ein wenig Talent für die rudimentärsten Zauber zu haben, hätte sie nun arg an ihrer Fähigkeit Magie zu benutzen gezweifelt. Umso unverständlicher war für sie nun die vehemente Weigerung des Stabes irgendeine Art von Magie zu zeigen.
 

"Weiß einer den Weg zum Eulenturm?", fragte sie in die Menge hinein um das Thema zu wechseln.
 

"Solltest du nicht lieber üben? Morgen ist schon die nächste Stunde und Flitwick hat gesagt-"
 

"Ich weiß, was er gesagt hat, Millicent", sagte sie kraftlos und hob abwehrend die Hände. Evelyn schluckte und versuchte sich zu beruhigen. Millicent konnte nichts für ihr Versagen. "Tut mir leid, aber ich will den Brief für Ollivander endlich abschicken."
 

Sie hatten einige Stunden frei, ehe sie zur nächsten Unterrichtseinheit mussten, wo Professor McGonagall mit Sicherheit für die zweite Blamage des Tages für Evelyn sorgen würde. Das dachte sie zumindest.
 

"Ich bring dich hin, ich wollte sowieso dort mal vorbei schauen", meinte Zabini und überraschte Evelyn damit. Sie hatte nicht erwartet ausgerechnet von ihm Hilfe zu bekommen, doch Millicent hatte ähnlich unwissend ausgeschaut, als es um die Eulerei ging. "Wir gehen in die Große Halle", sagte Daphne mit einem Schulterblick. "Kommt einfach nach, wenn ihr fertig seid."
 

Zu zweit sonderten sie sich ab und machten sich auf den Weg in den Eulenturm, den Evelyn ohne einen Führer in den drei Stunden, die ihr zur Verfügung standen, nicht gefunden hätte. Treppen, Gänge, Übergänge und sogar ein Durchgang waren nötig, um vom Süd- in den Eulenturm zu gelangen, an dessen höchsten Punkt sich die Eulerei befand. Evelyn hatte das Gefühl, dass es einen sehr viel einfacheren Weg geben musste, doch sie war nicht in der Position zu zweifeln. Die meiste Zeit zog es Zabini vor stumm den Weg zu weisen, was ungewöhnlich für ihn war. Bis er sie das zweite Mal an diesem Tag überraschte.
 

"Ich kann dir helfen bei der Sache mit deinem Zauberstab." Jede Silbe kam schwer über seine Lippen, als er nur kurz mit Atmen aussetzte, um zu sprechen. Sie befanden sich bereits mitten im Anstieg zur Spitze des Turmes und kletterten nun eine dünne Holztreppe nach oben.
 

Evelyn, die bisher in ihren eigenen Gedanken versunken war, schaute irritiert auf. "Helfen? Wie willst du das machen?"
 

"Ich kenne da ... ein paar Tricks."
 

Tricks? Das klang für Evelyn nicht unbedingt überzeugend, weshalb sie nur abwertend schnaubte.
 

"Alleine schaffst du das bis morgen nicht", beharrte er, als er kurz inne hielt und sich seine schmerzende Seite hob. "Ich bring's dir bei, Slytherin-Ehrenwort."
 

Auch Evelyn blieb nun einige Stufen unter ihm stehen und fing seinen Blick auf, war aber noch immer nicht überzeugt. "Wo ist der Haken?"
 

Blaise fasste sich empört an die Brust. "Was denkst du? Ich möchte einer jungen Dame nur helfen."
 

"Blaise, was willst du im Gegenzug?"
 

Er ließ die Hand fallen und zuckte mit der Schulter. "Na schön. In der letzten Zaubertrankstunde musste ich festsellen, dass ich gewisse Defizite habe. Mein Trank war ... nicht ganz so wie er hätte sein sollen."
 

"Es war die erste Stunde, was hast du erwartet? Das heißt noch gar nichts."
 

"Hast du dir selbst zugesehen? Du wusstest, was du tust, trotz erster Stunde."
 

Evelyn presste als Antwort nur ihre Lippen zusammen, sodass Blaise fortfuhr. "Wir würden beide profitieren. Ich zeige dir bis morgen, wie du Magie lenkst, zumindest soweit um Slytherin nicht noch mehr zu demütigen, und du bist später mein Trankpartner; am besten die ganze Woche."
 

Evelyn überging den Seitenhieb. "Trankpartner? Und was ist mit Draco? Das hat doch ziemlich gut mit ihm funktioniert, oder nicht?"
 

Gut funktioniert war untertrieben wenn man bedachte, dass Dracos Arbeit von Snape in höchsten Tönen gelobt worden war; und damit eigentlich auch Blaise selbst, als sein Braupartner.
 

"Draco ist ein Malfoy", erwiderte er schlicht, ohne es als etwas Schlechtes klingen zu lassen. "Der Trank war falsch, das habe ich gesehen. Die Wellhornschnecken hat er viel zu lange schmoren lassen, sodass sie völlig vertrocknet waren, nur um eine Sache zu nennen."
 

"Snape sagt da was anderes."
 

"Natürlich sagt er das. Draco ist ein Malfoy."
 

Darauf konnte Evelyn nichts erwidern, also sprach Blaise ruhig weiter. "Ich will nur die Grundlagen lernen, Harris. Das kann ich nicht, wenn Draco dabei ist. Ich habe nicht vor in irgendeinem Fach zu versagen, also tu ich was dagegen. Wärst du an einer solchen Partnerschaft interessiert?"
 

Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete sie Zabinis Hand, die er ihr entgegenstreckte und darauf wartete, dass sie einschlug. Die Stille wurde durchbrochen vom vereinzelten Geschrei von Eulen, die irgendwo in der Ferne zu hören waren.
 

"Bis morgen kannst du es mir beibringen?", fragte sie skeptisch, als sie ihre Hand kurz vor der seinen inne halten ließ.
 

"Versprochen."
 

Mit einem Ruck schlug sie ein. Sein Tränkeparner für die Woche zu sein war nicht schwer, allerdings hoffte sie, dass er Wort halten würde und sie lehren könnte, was sie bis morgen wissen musste.
 

Zabini zog grinsend zurück und wirkte erleichtert."Phew, ich dachte, das würde schwieriger werden."
 

Evelyn schubste ihn, damit er endlich weiterging. Je höher sie kamen, desto zugiger wurde es. Außerdem war bereits der säuerliche Gestank von Eulenkot zu riechen, weshalb sie hier schnell wieder weg wollte. "Das Schwierige kommt erst, keine Sorge", erwiderte sie, als sie sich wieder in Bewegung gesetzt hatten.
 

"Was, deinen Zauberstab zum Leuchten bringen? Quatsch, das geht ganz schnell." Sei dir da mal nicht so sicher, dachte sie, blieb ihm jedoch eine Antwort schuldig.
 

Das Holzgerüst um sie herum vergrößerte sich, bis sie schließlich auf die ersten Federn traten, die auf den Strohbedeckten Stufen lagen. Als sie ihre Köpfe in die Eulerei steckten, überwältigte sie beinahe der Geruch nach säuerlich Verwestem und anderen Hinterlassenschaften der Tiere. Das Rauschen schlagender Flügel war selbst über den Wind zu hören, der durch die vielen Öffnungen pfiff und an ihren Umhängen zog. Sie wagte einige Schritte hinein in den Eulenbau, wobei beinahe unter jedem Tritt etwas knirschte. Glücklicherweise bedeckte Stroh das meiste, sodass sie nicht sehen musste, was sie zertrat.
 

Ein langer, zum Ende hin hochgezogener Pfiff durchschnitt die Luft, der von einem Schrei hoch oben beantwortet wurde. Ein braunes Tier mit schwarzen Tupfen und schneeweißem Gesicht, aus dem die schwarzen Augen funkelten, segelte zu ihnen hinunter auf den ausgestreckten Arm von Zabini. Die Eule knabberte an dem Finger, den er ihr entgegen hielt und schließlich schmiegte sie ihren Kopf in seine Handfläche.
 

"Nikora", meinte er schlicht, als er sah wie Evelyn ihn beobachtete. "Sie ist ein Weißwangenkauz."
 

"Schönes Tier."
 

Evelyn hingegen hatte nicht den Luxus einer eigenen Eule – nicht, dass sie ihn gewollt hätte – und so musste sie sich eine Eule leihen. Fragte sich nur, wie sie das anstellte? Hauseulen und Privattiere lebten hier gemeinsam. Sie konnte sich nicht einfach eine Eule nehmen und darauf hoffen, dass sie niemandem gehörte.
 

"Nimm einen Keks da drüben." Zabinis Worte ließ sie den Blick von den Tieren über ihr abwenden und nach dem Ort suchen, den er anzeigte. An der Wand, hinter einem dünnen, rostigen Gitter, befand sich ein Behälter voll mit trockenen Keksen, von denen sie sich schnell einen herausfischte. Sofort brach Tumult unter den Eulen aus, als einige zu ihr herab flogen und sich anboten.
 

Den Keks eng an die Brust gepresst beobachtete sie die Tiere, wie sie um sie herumflogen mit einer Mischung aus leichtem Ekel und aufkommender Neugier. Vögel waren in ihren Augen schmutzige Tiere und der beißende Gestank gab ihr recht. Es kostete sie einiges an Überwindung den Brief mit einer dünnen Kordel an einem Bein einer der Eulen zu befestigen, während sie ständig versuchte nicht allzu genau die Krallen anzuschauen, an denen noch Reste des Eulen-Frühstücks hingen.
 

"Ehm, Vogel? Hi?", meinte sie vorsichtig, um die Aufmerksamkeit der Eule zu bekommen, die mit ihren großen Augen nur den Keks in Evelyns Hand fixierte. "Garrick Ollivander, Winkelgasse, hast du verstanden? Bring ihn zu Garrick Ollivander, Zauberstabmacher in der Winkelgasse."
 

"Er hat verstanden, gib dem Armen endlich den Keks", meinte Zabini amüsiert, der ihr dabei zugeschaut hatte. Sie warf den Keks in die Höhe, wo die Eule ihn im Flug auffing und schließlich durch eine Öffnung verschwand.
 

"Noch nie 'ne Eule gehabt, oder?"
 

"Nie."
 

Sie war froh endlich den Turm verlassen und zurück zu den anderen gehen zu können. Eine Frage brannte Evelyn jedoch noch auf der Zunge, seit sie von Zabini auf dem Weg hierher zum dritten Mal durch denselben Gang geführt worden war.
 

"Du warst noch nie hier oben gewesen, oder?"
 

"Nie", gab er scherzhaft zurück.
 

Zumindest erklärt das den seltsamen Umweg durch das gesamte Schloss.
 

"Ihr wart ja ewig unterwegs, habt ihr euch verlaufen?", wurden sie von einer ungeduldigen Daphne begrüßt, die gerade versuchte sich Crabbe vom Leib zu halten, der sie um ihre Verwandlungshausaufgaben anbettelte. Zabini schmiss sich dazwischen und verwickelte Crabbe in ein Gespräch, während Evelyn sich setzte.
 

"Blaise wollte etwas besprechen."
 

"Besprechen?"
 

"Ja, wie es aussieht will er mich als Tränkepartner, dafür will er mir mit meinem Problem helfen." Sie hob das Kinn und sprach nun lauter. "Womit wir auch gleich anfangen sollten!" Sie hoffte Zabini hatte sie gehört und den Wink verstanden.
 

"Er hilft dir? Das ist ja super, seine Mutter ist eine begnadete Zauberkünstlerin", meinte Millicent anerkennend. Pansy hatte allerdings eine für sie viel wichtigere Information aufgeschnappt.
 

"Merlins Bart, Blaise ist dein Trankpartner? Dann ist Draco frei?", sprach sie aufgeregt und drehte sich erwartungsvoll zu den Jungs, die von ihrem Gespräch nichts mitbekamen.
 

Evelyn zuckte mit den Schultern. "Denke schon", sie wandte sich an Millicent, "ist nur diese Woche, nächste Woche arbeiten wir wieder zusammen." Das hoffte Evelyn zumindest.
 

Ehe Millicent etwas erwidern konnte, war Pansy aufgesprungen und zu Draco gerannt.
 

"Sieht aus, als hätte meine Partnerin mich gerade auch versetzt", schnaubte Daphne belustigt, den Kopf auf ihre Hände gestützt, als sie Pansy nachschaute. Tatsächlich schien Draco derjenige zu sein, der den Wechsel am schlechtesten verkraftete. Sein beleidigtes Gezeter war kaum zu überhören, was Pansy kaum störte.
 

"Morgen haben wir Flugstunde", meinte Daphne plötzlich, als sie ihre Feder absetzte und den letzten Absatz prüfte, den sie gerade geschrieben hatte.
 

Evelyns Herz machte einen kurzen Aussetzer. "Morgen?", sagte sie heiser. Sie hatte gewusst, dass der Unterricht bevorstand, jedoch nicht schon so bald.
 

Auch Millicent stöhnte und senkte den Kopf. "Ich hasse fliegen. Wieso müssen wir überhaupt fliegen lernen, so ein Blödsinn." Evelyn gab ihr recht, doch Daphne war anderer Meinung.
 

"Sei keine Memme, oder hättest du lieber noch eine Doppelstunde Geschichte stattdessen?"
 

"Kannst du schon fliegen?", meinte Evelyn, als Millicent nichts erwiderte.
 

"Nein, nicht mit einem richtigen Besen. Ich hatte einen als Kind, der ist nur ein bisschen geschwebt." Es entging Evelyn nicht, dass ihre Augen leuchteten, als sie von ihrem Kindheitserlebnis berichtete. Sie war sich sicher, dass Daphne zu denen gehörte, die den Besenflug lieben würden.
 

Ein Klopfen auf die Schulter verlangte ihre Aufmerksamkeit und hinter ihr stand Zabini. "Wir sollten anfangen."
 

Statt gleich ans Üben zu gehen, stellte Zabini zunächst Fragen, deren Sinn Evelyn nicht wirklich begriff, sie jedoch trotzdem so ehrlich es ihr möglich war beantwortete. "Wie lange hast du den Stab?", "Hast du ihn oft benutzt?", "Was war die erste Reaktion des Stabs auf sie gewesen" und "Was für ein Wesen hat er?"
 

"Wesen, also wirklich, Blaise, woher soll ich das Wesen kennen?"
 

"Hat ein Zauberstab ein Wesen?", fragte Millicent, die ebenfalls zugehört hatte.
 

"Natürlich, jedes magische Holz ist beseelt, also auch die Zauberstäbe."
 

Millicent machte ein skeptisches Gesicht, doch Zabini fuhr unbeeindruckt fort. "Ich denke das Problem liegt darin, dass du keine feste Bindung hast."
 

Das ist dein Trick? Evelyn lehnte sich zurück und schloss die Augen. "Natürlich hab ich eine Bindung, sonst hätte der Stab mich nicht gewählt."
 

Blaise schüttelte den Kopf. "Manche Stäbe sind sehr stur und eigenwillig."
 

"Du redest wie ein Zauberstabmacher."
 

"Ich denke, dein Exemplar ist von der eigenwilligen Sorte." Das wusste Evelyn schon vorher, allerdings war sie noch immer keinen Schritt weiter.
 

"Hast du in letzter Zeit Wut gespürt, oder Frustration, wenn du den Stab in den Händen gehalten hast?"
 

Nun verdrehte Evelyn die Augen. "Heute Morgen in Zauberkunst, Blaise, ja! Wie hätte ich mich sonst fühlen sollen?"
 

"Hast du dem Stab die Schuld gegeben?"
 

"I-Ich", sie stockte und dachte nach. Hatte sie dem Stab die Schuld gegeben? Nein, sie wusste, dass sie selbst Schuld hat, wenn ein Zauber nicht funktioniert. Oder, wusste sie das wirklich? Zabini nahm ihr Schweigen als Antwort.
 

"Ein Stab macht das, was der Zauberer ihm vorgibt. Sanfte Stäbe vergeben Fehler und gleichen sie aus. Sture Stäbe müssen überzeugt werden und eigenwillige Stäbe können sehr schnell beleidigt sein."
 

Evelyn überkreuzte die Arme vor der Brust. "Hat dir das alles deine Mutter beigebracht?"
 

"Nein, Ehemann Nummer Vier, Frank hieß er glaub ich." Er hatte nach einem belegten Brot gegriffen, das zusammen mit verschiedenen Obstschalen vor ihnen auf den Tischen stand, und biss ein großes Stück ab.
 

"Gut, dass du dich an seine Lehren erinnerst, aber nicht an seinen Namen", amüsierte sich Millicent, die das Gespräch noch immer interessiert verfolgte.
 

"Du willst also sagen, der Stab ist beleidigt?", führte Evelyn die Unterhaltung wieder auf wichtigere Gefilde.
 

"Wäre meine Vermutung, ja."
 

Sie wandte sich ab und fixierte das Wappen über der Feuerstelle am anderen Ende des Raumes. So abwegig klang seine Erklärung nicht und Evelyn hatte das Gefühl, dass Ollivander etwas Ähnliches bereits in der Vergangenheit erzählt hatte. Innerlich rekapitulierte sie, wie sie in den letzten Tagen mit dem Zauberstab umgegangen war, weil sie den Anblick nicht ertragen konnte.
 

"Der Stab ist beleidigt", schloss sie trocken, als sie Zabinis Blick auffing. "Und was jetzt, soll ich mich entschuldigen?" Darin war sie ganz gut geworden, sie tat praktisch nichts anderes, seit sie in Hogwarts war. Zu ihrem Schrecken zuckte er nur mit den Schultern.
 

"Manchmal reicht das, manchmal muss man sich auch den Stab neu verdienen, das kann ich dir nicht sagen."
 

Sie spitze die Lippen und nickte. "Gut, also müssen er und ich ein ernstes Gespräch führen." Ihre Worte hatte sie sarkastisch gemeint, doch dieser Sarkasmus schien die anderen nicht erreicht zu haben.
 

"Solltest du am besten bis morgen machen." Zabini klopfte ihr aufmunternd auf den Rücken. "Das schaffst du schon." Kann nicht einfach mal etwas funktionieren?, dachte sie resigniert, den Blick auf den Zauberstab gerichtet. Du hast ja unbedingt nach Hogwarts gewollt.
 

An ihrer Situation konnte sie momentan nichts ändern, auch nicht am Voranschreiten der Zeit. Mit Verpflegung in der Hand machten sie sich auf den Weg zum nächsten Unterricht, von dem Evelyn ein ähnliches Ergebnis erwartete, wie am Vormittag. Sie freute sich sogar schon auf den Zaubertrankunterricht, denn dort war der Zauberstab in ihrer Tasche so nutzlos, wie sie sich momentan vorkam.
 

Doch Professor McGonagall schien ihre stummen Gebete erhört zu haben, denn obwohl Flitwick nun mit praktischen Übungen eingestiegen war, dachte sie noch nicht einmal daran die Schüler sich an einer Transfiguration versuchen zu lassen. Erneut stand Theorie auf dem Plan, für die Evelyn unendlich dankbar war und die sie bis zur letzten Minuten aufsog wie einen Schwamm. Zabini hingegen konnte es kaum erwarten endlich zur Zaubertrankstunde zu gehen und ließ sich auch von einem eingeschnappten Draco, der nun mit Pansy zusammenarbeiten durfte, die Laune nicht vermiesen.
 

"Also, womit fang ich an?" Er war voller Tatendrang und saß unruhig auf seinem Schemel, während Evelyn die Zutaten ausbreitete.
 

"Rezept lesen", meinte sie schlicht, schob ihm das Buch zu und griff sich das Raupensekret.
 

"Wie zu erwarten, war kaum ein Trank der letzten Woche auch nur annähernd zu gebrauchen", sagte Snape mit großer Enttäuschung, die ihm Evelyn jedoch nicht abnahm. "Außer Mr Malfoy sehe ich kein Talent in diesem Raum."
 

Evelyns Kopf schoss in die Höhe und fixierte den Rücken des Tänkeprofessors, der bereits begonnen hatte durch die Gänge zu marschieren. Ihr Ernst?!



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