Zum Inhalt der Seite

Lamiak

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Von Kämmen und Küssen

Alexis Leah Pitt verschlang das Buch über die baskische Mythologie in nur wenigen Tagen. Sie fraß es buchstäblich auf. Am späten Freitagnachmittag betrat Arantxa ihr Zimmer und fand eine halb verzweifelnde Alexis vor sich. Diese zog Kleidungsstücke im Sekundentakt aus ihrem Schrank und rief ihrer Freundin zu.

„Was soll ich nur anziehen?! Hilf mir!“ Shirts und Röcke flogen ihr entgegen.

„Ah ist heute deine Verabredung mit Colin?“ sie funkelte die Amerikanerin an und begann breit zu grinsen.

„Jaaaa…“ stöhnte diese. „Ich kann mich nicht entscheiden was ich anziehen soll und dabei wollte ich vorher noch einmal in die Bibliothek!“ Arantxa hob einen dunkelbraunen knielangen Rock und ein weißes T-Shirt vom Boden auf.

„Nimm das, das sieht hübsch an dir aus.“ Sie hielt die Kleidungstücke vor Alexis Nase. Diese zog sich flink um, knotete ihre glatten Haare halb aus dem Gesicht und rief im rauslaufen laut „Daaanke, Ari! Bis später!“. Und weg war sie.

Diese machte nur eine winkende Handbewegung und ließ sich schnaufend auf ihr Bett fallen.

„Na klasse, und was mache ich nun heute Abend? Vielleicht hat Nael etwas Zeit.“ Sie legte die Arme unter ihren Kopf und schloss die Augen für ein paar Sekunden.

Lexi schaute zur Uhr. Genau zwei Stunden bis sie sich mit Colin treffen würde. Genug Zeit für mehr Leselektüre. Die alten Geschichten der Basken hatten sie in ihren Bann gezogen und Lexi war durstig nach mehr Informationen. Sie setzte sich an einen großen dunklen Holztisch in einem der Lernräume und schlug ihre Bücher auf. Die Zeit verstrich. Der Abend legte sich über das Internat und den See. Es klopfte an der Tür des Mädchenzimmers.

„Hallo Arantxa, ist Leah da? Ist sie fertig?“ Er wirkte etwas nervös vor Vorfreude.

„Tut mir leid, die ist vorhin wie ein geölter Blitz in die Bibliothek abgezischt. Ich dachte sie wäre bereits zurück. Du findest sie sicherlich noch dort! Eure Verabredung würde sie sich niemals entgehen lassen.“ Die Baskin zwinkerte ihm aufmunternd zu. Er schnaufte einmal, als hätte er es schon geahnt und machte sich auf den Weg in die alte Bibliothek.

Als Colin die Halle betrat war es seelenruhig, es waren kaum noch Leute hier. Er durchforstete jeden Gang und gelangte schließlich zu den Lernräumen. Diese besaßen große Fenster. Er ging forschend an jedem einzelnen vorbei und fand wenig später wonach er suchte. Alexis saß in ein Buch vertieft an einem großen Tisch, nur sie und ihre Bücher. Auf dem Tische eine kleine Kerze die ein wenig mehr Licht spendete und das zerknüllte Papier eines Fruchtriegels. Sie war so vertieft in ihre Lektüre, dass sie nicht einmal aufsah und den am Fenster stehenden Colin erblickte. Er klopfte sanft an die Scheibe, Alexis hob verwirrt den Kopf und ließ die Kinnlade fallen als sie ihren Fehltritt realisierte. Er ging zu ihr.

„So, du verbringst lieber deinen Freitagabend mit staubigen Papier als mit mir, hm?“

„Oh du meine Güte, Colin…Es tut mir so leid! Ich habe die Zeit völlig vergessen! Entschuldige vielmals!“ Er lächelte nur, da er genau diese Seite an ihr so mochte. Er schob einen Stuhl dichter an den ihren und setzte sich.

„Dann zeig mir doch mal für was du mich versetzt hast.“ Er grinste um sie zu ärgern.

Sie schmunzelte schuldig und wandte sich dem aufgeschlagenen Buch zu. Sie strich über die Seiten und schlug eine zurück. Auf dieser war ein Bild einer hübschen jungen Frau erkennbar.

„Lamia.“ Sagte Lexi und ihre Augen funkelten vor Neugier. Sie zeigte mit ihrem rechten Zeigefinger auf die Frau auf dem Bild. Bei genauerem Hinsehen erkannte man, dass diese Frau auf einem Felsen eines Flusses saß. Ihre Füße waren mit Schwimmhäuten versehen und kleinen Krallen. Sie sahen der einer Ente sehr ähnlich. Sie trug langes, wallendes Haar, welches ihr bis zu den Oberschenkeln reichte. In den Händen hielt sie einen Kamm. Er sah beinahe goldig aus und besaß Verzierungen.

„Noch mehr Legenden?“ Er zog einen Mundwinkel hoch. Es gefiel ihm wie energisch Lexi sich auf diese Geschichten stürzte.

„Es ist fantastisch. Und gruselig zugleich…“

„Okay, ich war auf so etwas vorbereitet.“ Grinste er und zog eine Thermoskanne mit Kaffee und zwei Bechern aus seinem Rucksack. Darauf folgten etwas Obst und zwei Sandwiches. Alexis staunte über ihn. Sie funkelte ihn lieblich an und versuchte ihr Lächeln etwas zu unterdrücken. Colin packte die Verpflegung auf den Tisch.

„Es ist zwar nicht was ich eigentlich im Sinn mit `Abendessen´ hatte, aber…“ Alexis unterbrach ihn.

„Es ist perfekt.“ Sagte sie dankend und schaute ihn liebevoll an.

Colin lehnte sich an und legte einen Arm über die Rückenlehne von Lexis Stuhl.

„Also, was hast du über diese Lamia rausgefunden?“ Alexis blickte wieder auf die Abbildung der Frau und begann zu erzählen.

„Diese elfenartigen Frauen sind sehr schön und nobel. Manchmal lockten sie mit ihrer Schönheit Männer an. Sie besitzen diese Kämme und fahren sich damit durch ihre langen Haare. In dem Buch steht auch, dass die Menschen, wenn sie einer Lamia begegneten, oft von ihren Kämmen angezogen wurden. Sie sollen aus puren Gold sein. Wenn ein Mensch sich dem Kamm näherte, erzürnte er die Lamia. Stahl ein Habgieriger einen, heißt es, würden die Lamia ihm solange Leid zufügen bis sie den Kamm wieder in ihren Händen halten. Allerdings soll es auch vorgekommen sein, dass Männer die einer Lamia halfen, belohnt werden.“ Sie schaute wieder auf. „Ist das nicht unfassbar?“ Alexis sprühte vor Aufregung über die Geschichte.

„Ja es ist…gruselig.“ Lachte Colin. Er reichte Lexi eine Tasse mit heißem Kaffee. Dann ließ er sie eine Weile weiter über andere Dinge erzählen die sie in dem letzten Buch gelesen hatte. Wenn sie begeistert von etwas redete, konnte er nicht anders als sie anzuschauen. Er bewunderte ihre Leidenschaft für das Gelesene. Dann plötzlich unterbrach er sie.

„Hey, Leah.“ Alexis stoppte und sah ihn leicht irritiert an. Er setzte sich etwas vorgebeugt auf seinem Stuhl zurecht und schaute das Mädchen mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sie schaute nur erwartungsvoll zurück. Dann legte er seine Hand an ihr Kinn und zog es zu sich um sie zu küssen. Lexi ließ dies zu, dann lächelte sie.

„Womit habe ich das denn verdient?“

„Ich wollte es eben.“ Gestand er selbstsicher. Lexi biss sich etwas auf die Unterlippe und schaute wieder auf ihr Buch. Die beiden verbrachten den gesamten Abend in dem kleinen Raum der Bibliothek und erzählen sich Geschichten bis tief in die Nacht. Colin begleitete sie zu ihrem Zimmer, gab ihr einen kleinen Abschiedskuss und sie verabschiedeten sich voneinander. Als Alexis in ihr Zimmer trat, war sie allein.

„Nanu?“ wunderte sie sich. Wo war ihre Mitbewohnerin? Es war spät in der Nacht, Arantxa’s Bett war zerwühlt, aber sie befand sich nicht darin. Wo konnte sie stecken?

Arantxa hatte das Zimmer schon vor einer Weile verlassen. Sie erwachte erneut aus einem Alptraum. Aber es war ein anderer als beim letzten Mal. Nicht Mari verlangte nach ihr, sondern ein anderer Dämon. Es handelte sich um eine uralte siebenköpfige Schlangenfigur namens Herensuge. Der Geist kam aus der Tiefe und dürstete nach Blut. Er tötete und verwüstete alles in seinem Weg und Arantxa war mitten drin. Angst ließ sie aus dem Traum schrecken. Nun wanderte sie wie auch schon in Madrid durch die Gänge. Unbewusst strich sie durch den Gebäudeteil in dem die Unterrichtsräume lagen. Sie ging weiter und schaltete ein kleines Licht in der Musikhalle an. Dort war wieder dieser wunderschöne, schwarz glänzende Flügel. Sie ging hinüber und setzte sich auf den Hocker vor dem Instrument. Leise und langsam begann sie zu spielen. Ihre Schultern entspannten sich und ihr Gesicht nahm einen weniger verkrampften Ausdruck an. Kleinlaut hallte die Melodie durch den Unterrichtsflügel.

Auch Luken erwachte in der Nacht ohne ersichtlichen Grund. Er setzte sich auf die Bettkannte und schaute aus dem Fenster seines Zimmers. Die anderen schliefen tief und fest. Von seinem Fenster konnte er auf eine Fensterfront der Lehrräume schauen. Er stellte fest, dass eines von ihnen erleuchtet war. Neugierig tapste er noch etwas verschlafen hinüber. Schon im Gang vernahm er leise das Klingen des Flügels. Er runzelte seine Augenbraunen und schritt voran. Leise näherte er sich der Tür die einen kleinen Spalt offen stand und lugte hinein. Arantxa entlockte dem Flügel die schönsten Melodien. Es erstaunte und überwältigte ihn was er sah. Er wandte seinen Blick auf den Boden, lächelte zaghaft und ging zurück auf sein Zimmer ohne sie zu stören.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück