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Track or Treat.

Auf deiner Spur?
von

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Lieber

‚Tonight, the foxes hunt the hounds

And it's all over now

Before it has begun

We've already won

We are wild

We are like young volcanoes‘ ~ Fall Out Boy, „Young Volcanoes“ (2013)
 

Der Rest der Woche zog sich dahin. Ich ignorierte das aufgeregte und peinliche Flattern in meinem Magen, wegen dem Treffen mit Vins und Kim am Samstag. Wenn Kim nicht gerade, anscheinend noch aufgeregter als ich, darüber quasselte.
 

Immer wieder erinnerte sie mich daran, dass ich ja nicht mit müsse, aber sie so froh sei, dass wenigstens einer ihrer Freunde Vins eine Chance geben würde. Er wäre ja eigentlich ein ganz lieber Kerl und so weiter und so fort…
 

Als wüsste ich nicht selber, dass Vins wundervoll war! Deshalb wollte ich ja mit. Obwohl ich Kim verteidigen musste, sie wusste ja schließlich nicht, dass ich in ihren Freund verschossen war, was vielleicht aus besser so war…
 

Ehrlich gesagt, hielt ich es auch für eine schreckliche Idee und war mir ziemlich sicher, dass das ganze arges Eskalationspotenzial hatte. Aber andererseits musste ich mir die Frage stellen, wann ich wieder eine Chance kriegen würde mit ihm was zu machen. Obwohl das bedeutete, dass ich sie beide als Pärchen ertragen müsste, aber was, wenn sie sich stritten… Vielleicht auch wegen mir. Sehr wahrscheinlich wegen mir. Was wenn er Kim dumm an machte, was wenn sie ihn dumm an machte oder er mich dumm an machte… Scheiße!
 

Immer wieder überlegte ich abzusagen, doch wenn Kim fragte, sagte ich, dass ich bei meiner Zusage blieb. Ich Vollidiot!
 

Am Freitag erreichte Kim schließlich neue Höhen ihrer Paranoia oder was auch immer sie für eine Panik schob wegen unserem Treffen. Den ganzen Tag textete sie mich entweder verbal oder per Chat voll. Schließlich als ich gerade zu Hause nach dem Sondertraining rein war, rief sie mich sogar über FaceTime an..
 

„Was?“, begrüßte ich sie sehr viel schärfer, als beabsichtigt. „Ich weiß, dass du morgen nicht mit willst!“, sagte sie kleinlaut. Sie war in ihrem Zimmer, hinter ihr blinkte eine Flamingolichterkette, die ich ihr vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte.
 

„Kim…“, ich versuchte nicht mal das Augen verdrehen zu unterdrücken, „Ich hab langsam das Gefühl, dass du nicht willst, dass ich mitkomme…“ „Was?! Nein, nein! Ich will unbedingt, dass du mitkommst, aber…“ „Du bist meine beste Freundin!“, sagte ich nun entschieden, kramte meine Trainingssachen aus der Tasche und warf sie auf einen viel zu großen Haufen Dreckwäsche. Mom würde nicht erfreut sein, „Also wenn du willst das ich deinen Pöbelprinz kennenlerne, dann mach’ ich das...“, sie kicherte bei dem nicht sehr schmeichelhaften Kosenamen, den ich Vins gab, „Außerdem brauche ich sowieso neue Laufschuhe. Bei meinem alten Paar schält sich die Sohle ab…“ Einhändig versuchte ich meine Matheaufgaben zu ordnen und dabei noch entschiedener gleichgültig zu wirken.
 

Selbst der nahende Tod der gesamten Menschheit durch einen Asteroiden hätte mich nicht davon abhalten können, morgen um Eins in der Mall zu sein. Weil ich dumm,egoistisch und masochistisch war, aber vor allem dumm.
 

„Wenn ich ehrlich bin…“, seufzte Kim, „Hatte ich ja damit gerechnet, dass er absagt oder du…“ Ich ehrlich gesagt auch. Selbst jetzt noch war ich mir nicht sicher, ob er morgen auftauchen würde.
 

„Aber er ist sogar noch sturer als du irgendwie…“ Ich runzelte die Stirn. „Er holt mich morgen sogar ab und wir gehen zusammen. Er hat sogar gefragt, ob wir dich mit einsammeln…“
 

Vins wollte mich treffen? Wahrscheinlich wollte er nur verhindern, dass ich alleine mit Kim war. Unsicher verknoteten sich meine Gedärme. Warum ich auch in der Schule die beiden immer so angaffen musste. Natürlich dachte alle, das ich in Kim verschossen war… Und dann auch noch die bescheuerten Gerüchte von Becky, dem Fischkopf!
 

„Vielleicht ist es besser, er weiß nicht wo ich wohne…“, nuschelte ich, als Kim irritiert von meinem Schweigen schon ansetzen wollte. Sie lachte und fuhr sich durch die Haare, kurz sah ich nur ihren Ellenbogen.
 

„Ich meinte, wir sollten deine Nerven nicht überstrapazieren…“, sie seufzte, „Ich weiß, ich nerv’ dich die Woche ziemlich, aber ich hab echt schiss, dass ihr euch nicht mögt…“ Nun seufzte ich. „Ich weiß, ich weiß. Aber du bist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, wenn nicht der Mensch!“, sie lächelte gequält, „Aber Vins…“, sie sah kurz durch ihr Zimmer und suchte nach Worten. „Er ist toll, und ja, manchmal ist er ein Arsch, aber ich glaube…“, sie sah mich nun noch gequälter als zuvor an, „Du wärst ein guter Einfluss!“ „Ich habe ja jetzt prinzipiell auch nichts gegen ihn!“, sagte ich sofort, und musste fast lachen bei der offensichtlichen Untertreibung, „Weil, du mir ja auch wichtig bist, sehr!“
 

Und weil ich Vins verflucht heiß fand! Es gefiel mir viel zu sehr, dass Kim mich für einen guten Einfluss hielt. Insgeheim dachte ich das selbst…
 

Wenn ich und Vins, wir… Ich schalte mich selbst in Gedanken, es gab kein „wir“. Ich und Vins waren momentan noch nicht mal Freunde. Und ehrlich gesagt, wusste ich auch nicht, ob ich ein Freund sein könnte. Wahrscheinlich war ich die ganze Zeit so Panne verliebt, dass er mich für geistig behindert hielt.
 

„Man kann aber auch nichts erzwingen. Ich werde mich benehmen, wenn er es auch tut! Und dann werden wir sehen…“ „OSCAR“, kam es laut von unten. Mom hatte das Abendessen fertig.
 

„Ich muss Schluss machen Kim, es gibt Essen!“ „Oh!“, sie kratzte sich die Nase, „Grüß deine Eltern und wir schreiben nochmal, oder ich rufe nochmal durch oder…“ „Kim!“, knurrte ich. „Wir sehen uns morgen. Ich muss eh noch Bio machen!“, hastig winkte sie ab. „Bis morgen…“, damit legte ich auf.
 

Als ich die Treppe runter in die Küche kam, saß Dad, in seiner dunkelblauen Uniform, schon am gedeckten Tisch und lass Zeitung. Vor ihm stand ein dampfender Becher Kaffee. Er hatte die Woche über Nachtschicht.
 

Mein Vater war für die meisten Officer Sprout, der Freund und Helfer in der Nachbarschaft. Für mich war er der Typ mit dem schlechtem Musikgeschmack und unnützem Wissen über auch wirklich alles.
 

Als ich mir ein Glas Eistee nahm, sah er kurz über den Rand der Zeitung zu mir rüber und grinste. Er sah aus wie alle Väter in dem Alter wohl aussehen. Er hatte ein rotes Gesicht und einen Schnurrbart, der genau die gleiche dunkelblonde Farbe hatte wie sein langsam schwindendes Haupthaar.
 

Doch ich hatte nicht nur die Haarfarbe, sondern auch die braunen Augen von ihm geerbt, sowie die dürren langen Storchenbeine, wie meine Mutter sie immer nannte. An sich denke ich, mein Dad wird früher eine ähnliche Statur wie ich gehabt haben. Nur langsam bekam er einen Bauch, der wie ein kleiner Medizinball aus ihm herausragte.
 

„Alles klar, Kumpel?“, fragte er mich und nippte an seinem Kaffee, „Wie war das Training?“ „Die Staffel steht…“, sagte ich und schob die Salz- und Pfefferstreuer zur Seite, als Mom eine riesige Lasagne auf den Tisch wuchtete. Sie war eine unglaublich kleine und rundliche Frau, mit dem, wen man meinem Vater Glauben schenken durfte, schönsten Lächeln auf der Welt.
 

Sie ging Dad nur bis zur Brust und hatte rote, kurze Locken, die auch meine Schwester Nathalie nicht geerbt hatte. Dafür hatte meine Erzeugerin jedoch ihre blauen Augen zumindest an eines ihrer Kinder weitergegeben. Das einzige was ich von meiner Mom mitbekommen hatte, waren ein Paar Sommersprossen, die sie jedoch in rauen Mengen hatte. Unser angeblich irisches Erbe.
 

Als ich klein war, meinte mein Dad, dass jede einzelne Sommersprosse ein Kuss von Mom wäre. Wenn ich traurig sei, weil sie wieder eine Nacht arbeiten musste, sollte ich sie zählen, damit ich wusste, wie oft sie mich aus der Ferne küsste…
 

Ich liebte diese Geschichte, aber ich würde lieber nackt zur Schule gehen, als sie jemals irgendwem zu erzählen!
 

„Henry läuft als Letzter?“, fragte Dad und sog begeistert die Oregano und Basilikum geschwängerte Luft ein. „Ne…“, meinte ich schlicht und reichte Mom meinen Teller. Ich musste mir ein breites Grinsen verkneifen. „Wen will er, denn dann als letzten Sprinter aufstellen?“, mein Vater schien verwundert, dann grinste ich doch breit. „Mich!“ „Wirklich?“, Mom verwuschelter mir die Haare und reichte mir gleichzeitig meinen nun vollbeladenen Teller. „Jup, Henry läuft als Zweiter und ich komm’ dann als Letzter…“ „Kommt Henry, den mit zwei Übergaben klar?“, mein Vater nahm nun ebenfalls seinen vollen Teller entgegen. „Coach will’s ausprobieren, er meinte ich würde unter Druck noch mal ‘ne Schippe drauflegen können.“, ich stopfte gierig Lasagne in mich rein. „Kaum zu glauben, was?“, lachte Dad auf und sah seine Frau an, „Unser Hühnerbeinchen…“ „Das hat er von mir!“, nickte Mom wissend und tat sich nun selbst auf. „Sowieso! Er hat alle guten Sachen von dir!“, nickte mein Vater nun auch entschieden, Und das ist wieder köstlich, meine Schöne!“ „In diesem Haus benutzen wir Messer und Gabel!“, sagte besagt Schöne jedoch nur schlicht. Dad und ich nahmen beide hastig die Gabel in die andere und das Messer in die jetzt freie Hand.
 

„Apropos Laufen…“, sagte ich zwischen zwei Bissen, „Kann ich Geld für neue Turnschuh kriegen? Bei meinen alten schälen sich langsam die Sohlen ab…“ „Ich hab schon vor drei Woche gemeint, dass du neue bestellen sollst!“, sagte Mom sofort und zeigte anklagend mit ihrer Gabel auf mich. „Ich geh’ morgen in die Mall, dann kann ich sie die nächsten Tage einlaufen…“, zuckte ich entschuldigend mit den Schultern. „Kann der Rasen es ertragen, dass du morgen shoppen gehst?“, fragte Dad erstaunt und ich unterdrückte es die Augen zu verdrehen. „Ich mähe den Rasen am Vormittag, ich treff’ mich erst um Eins mit Kim…“ „Kim Daniels?“, fragte Dad nach, als würde ich seit Jahren acht verschieden Kims kennen. „Welche Kim sonst?“
 

„Hübsches Mädchen ist das geworden!“, wischte Dad sich Tomatensoße aus dem Schnäuzer. „Ein sehr Hübsches!“, stimmte ihm Mom zu und nun verdrehte ich wirklich die Augen. „Ich könnte schwören, dass ihr das beide schon mal erwähnt habt… ein paar hundert Mal…“ „Und ich schreib‘s dir gerne auch auf, Hühnerbein…“, sagte Dad weise, „Wir wissen beide, dass sie an sich zu hübsch für dich ist, aber vielleicht weiß sie es ja noch nicht!“

„Danke… und wir sind nur Freunde!“, ich kratzte die Tomatenreste auf meinen Teller zusammen, „Außerdem ist morgen auch ihr FREUND mit dabei…“, betonte ich entschieden.
 

„Dyliah ist von ihm nicht begeistert!“, sagte nun Mom. „Sie hat ihn ihren Eltern vorgestellt?“, fragte ich völlig überrumpelt. Das Letzte was ich mir vorstellen konnte, war Vins bei Dyliah und Kevin auf dem in Schutzfolie eingepackten Sofa. „Eben nicht!“, tat sie etwas zu pikiert, „Er hat sich nicht vorgestellt und bringt sie zu spät nach Hause und ist im Allgemeinen… Nun ja…“ „Hast du nicht immer gesagt, man soll nicht nur nach Gerüchten gehen…“, antwortete ich eine Spur zu verteidigend. „Kennst du den Jungen?“, fragte Dad nun und musterte mich wissend. „Ich weiß nur, dass viel Scheiß über ihn erzählt wird. Und ich bin mir sicher, mehr als die Hälfte ist Humbug!“ „Und die andere Hälfte?“, Dad nahm einen Schluck Kaffee, wahrscheinlich wusste er längst mehr über Vins als ich.
 

Die Eltern von Miguel hatten das Reihenhaus neben uns. Sein Dad hatte zwei Tage nach der Nachricht das Miguel tot war, meinem Dad einen verflucht ernsten Besuch abgestattet. Danach hatte ich auch ein verflucht langes Gespräch mit meinen Eltern gehabt.
 

Einerseits wegen Drogen und andererseits, weil ein Junge in meinem Alter gestorben war, mit dem ich mal befreundet war, und sie Angst hatten, dass mich das emotional zu stark tangierte. Mom hatte sogar aus der Klinik einen Zettel mitgebracht von einer Psychologin, falls ich mit jemand anderen reden wollte. Das ganze saß noch immer tief und ich hatte den kleinen Dino, den Miguel mir mal geschenkt hatte, wieder ausgekramt und ins Fenster gestellt. Aber ich wusste nicht, was ich fühlen sollte wegen des ganzen Themas und da würde mir irgendeine Therapeutin auch nicht helfen…
 

„Ich treffe ihn morgen eigentlich auch das erste Mal richtig…“, nuschelte ich unentschlossen. „Du bist ein guter Kerl und Kim sollte sich auf dich verlassen können!“, sagte Dad schließlich ernst, Mom nickte zustimmend. „Wenn er so mies wäre, hätte ich längst was gesagt!“, seufzend räumte ich meinen Teller in den Geschirrspüler.
 

„Ruhige Schicht, Dad!“, sagte ich noch und stieg dann die Treppe wieder hoch.
 

In meinem Zimmer angekommen, schaltete ich meinen Laptop an und suchte nach ‘ner passenden Playlist um die Hausaufgaben erträglicher zu machen. Unschlüssig wechselte ich zwischen den Liedern hin und her, als schließlich Fall Out Boy aus den Boxen dröhnte und mein Handy vibrierte. Immer noch mit meiner Musik beschäftigt, ging ich unüberlegt ran. „Hey, wegen vorhin nochmal…“, ertönte es und ich stöhnte: „Oh verdammt, Kim…“
 

Es war Zehn vor Eins am Samstag, als ich meinen roten Lieblingspulli glatt zog und mit viel zu flattrigen Herzen die Rolltreppe erklomm. Wahrscheinlich würde es sowieso ein grauenhafter Tag, wenn Vins überhaupt erschien.
 

Ich hatte die Nacht natürlich vor Aufregung kaum ein Auge zu gekriegt und war dann irgendwann nach um zwei eingepennt, nur um um Fünf von einem sehr feuchten Traum geweckt zu werden. Wenn ich nur dran dachte, was in dem Traum abging, wurde mein Mund trocken und zu viel Blut schoss in Körperteile, die ich gerade nicht benutzten wollte.
 

Teenagerkörper sind das Letzte!
 

Nachdem ich den Rasen gemäht und noch einen Teller Lasagne verspeist hatte, würgte ich Leonie am Telefon ab. Sie wollte unbedingt, dass ich ihr einen persönlichen Live-Ticker zu unserem Treffen einrichtete. Schließlich war ich duschen gegangen.
 

Und ja, ich hatte mir auf Vins unter der Dusche einen runtergeholt… Weil… verflucht ich war 16 und hatte einen Penis! Was macht man wohl sonst unter der Dusche - ganze 20 Minuten!
 

Am Treffpunkt war von Kim oder Vins noch nichts zu sehen, also checkte ich peinlicher Weise mein Outfit nochmal in der spiegelnden Glasfront hinter mir.
 

Ich trug nicht oft ein Cappy, aber das rot und schwarz passte zum Pulli. Darunter trug ich ein weißes Longshirt, zu einer engen Jeans und meinen weißen Nikes.
 

Unentschlossen drehte ich mich kurz hin und her. Ich hatte zu Hause gefühlt alles was ich besaß aus dem Kleiderschrank gezerrt und hätte sehr gerne Kim um Rat gefragt, aber… Aus naheliegenden Gründen war das keine Option. Leonie erst recht nicht und da alles was man Ruth erzählte, Leonie unweigerlich auch erfuhr, schied sie auch aus. Von Bob und seiner Unfähigkeit zwei gleiche Socken anzuziehen, wollte ich erst gar nicht anfangen…
 

Tatsächlich hätte ich fast meiner Schwester auf dem College eine Nachricht geschickt, aber manche Sachen bezahlte man einfach zu teuer…
 

Ich guckte auf mein Handy, ob Kim vielleicht geschrieben hatte, als ihre Stimme schon durch die Passage hallte. „Ey, Pflaume!“
 

Grinsend kam sie mit Vins Händchen haltend auf mich zu. Sie trug ebenfalls ein weißes Shirt und ein Holzfällerhemd in Braun- und Beigetönen lässig darüber, dazu Jeans und weiße Chucks. Sie sah gut aus und Vins… Ich schluckte.
 

Vins weißes Shirt war schwarz bedruckt und ergab in wirren Mustern eine gruselige Maske,.Er hatte dazu eine zerrissene schwarze Jeans und schwarze Boots an. Anstatt seiner Lederjacke trug er heute eine hellblaue, viel zu große Jeans Jacke. Er sah unverschämt gut aus. Sofort kam ich mir zu gewollt und schuljungenhaft vor. Verdammt…
 

„Mensch, siehst ja richtig gut aus!“, sagte meine beste Freundin und pfiff lasziv, bevor sie mich umarmte. „Nettes Mützchen…“, war Vins Begrüßung. „Ich dachte mir, es ist so einfacher mein Gesicht vor den Überwachungskameras zu verbergen, wenn wir zusammen im gleichen Geschäft sind…“, eigentlich wollte ich ihn nicht an pöbeln, aber ich wollte vor ihm auch nicht wie ein Weichei wirken und… Kim trat mir auf den Fuß und meinte dann viel zu gutgelaunt. „Also ich will jetzt erstmal ‘nen Frozen Yogurth!“
 

Gleichzeitig setzten wir uns in Bewegung. „Du willst noch Schuhe kaufen, oder?“, meinte Kim, die zwischen mir und Vins lief. Ich nickte. Es war schwierig lässig zu tun, wenn ich am liebsten sofort mein Cappy in den nächsten Mülleimer geworfen hätte.
 

„Turnschuhe fürs Training!“, konkretisierte ich. „Ich wusste gar nicht, dass man hier Ballettschuhe kaufen kann?“ „Oh doch…“, schoss ich zurück, „Aber nur in den Geschäften, in die du nicht mehr reindarfst!“ „Jungs…“, knirschte meine beste Freundin mit den Zähnen. „Alles gut, Babe…“, lächelte Vins viel zu aufgesetzt, „Ich und Oscarlein machen nur Spaß!“ „Genau!“, sagte ich nicht minder gespielt lächelnd und Kim bestellte sich seufzend ihr Eis.
 

Wir liefen weiter zu dem einzigen Laden, der die Sneakermarke verkaufte, die ich beim Training gebrauchen konnte. Während Kim ihre Meinung äußerte, welche Farbe am besten zu meinen Augen passte, schlenderte Vins schweigend durch die Regale. Ich versuchte ihn nicht zu sehr zu beobachten. Was natürlich nicht funktionierte! Während diesem schier unmöglichem Unterfangen probierte ich ein Paar nach dem anderen an. Doch ich konnte mich einfach nicht entscheiden…
 

Für gewöhnlich war ich ziemlich schnell beim Schuhe kaufen. Ich hatte meinen Fuß einmal ordentlich vermessen lassen und wusste, auf was ich achten musste um genug Halt zu haben. Aber heute … Vins ständiger Blick im Nacken, machte mich ganz Banane.
 

„Ich finde die toll!“, hielt mir Kim nun ein rotes Paar vor die Nase. „Hm…“, sagte ich unbestimmt dazu. Plötzlich landete ein hellblauer Schuh vor mir. Verdattert sahen Kim und ich Vins an.
 

„Wenn das hilft, das Ganze zu Beschleunigen…“, zuckte er mit den Schultern und wirkte wie üblich genervt und gelangweilt zu gleich. Ich nahm den Schuh und tat abwertend, doch er gefiel mir natürlich gleich viel zu sehr.

„Hast du Angst, dass die Kameras dich erfassen?“, nuschelte ich dem Größeren zu, während ich betont gleichgültig den Schuh probierte. „Die Farbe steht dir, fast die Farbe von deinem einem Hemd…“, meinte Kim nachdenklich.
 

„Er sitzt gut…“, ich machte ein paar Schritte und war tatsächlich sehr zufrieden. Kim wuselte los um den zweiten zu besorgen. „Nimmst du den jetzt wirklich?“, fragte Vins etwas irritiert. „Ja, er sitzt gut! Danke!“, ich lächelte zu ihm hoch und hoffte nicht völlig idiotisch auszusehen.
 

Kim kam mit dem anderen Schuh wieder. Vins runzelte die Stirn. Anscheinend hatte ich mich doch völlig idiotisch angestellt. Noch nicht mal einen Schuh bekam ich vernünftig ausgesucht…
 

Ich zog den anderen an und lief die Regale ab. „Ja, ich nehme die…“ Kim tätschelte Vins Schulter, „Fein gemacht!“
 

Ich ging zur Kasse und bezahlte viel zu viel Geld für das bisschen Gummi und Stoff.
 

Schließlich gingen wir drei weiter. „Ich glaub, ich will bei Olympus rein…“, sagte sie, „Wartet ihr hier?“ Der Laden war klein, aber stets gut besucht. Als wir Kim von außen dabei zusahen wie sie versuchte vorbei an zwei braunhaarigen Mädels an ein schwarzes Shirt ranzukommen, überlegt ich fieberhaft, was ich sagen könnte.
 

Ich würde so gern mit Vins mal ein normales Gespräch führen, irgendwas Unverfängliches… Irgendwas, was mich nicht wie einen Stalker aussehen ließ oder ein Vollidiot, oder beides im schlimmsten Fall…
 

Warum machte mich dieser Typ so fertig und warum war ich so peinlich? Eigentlich war ich gut im Small Talk. Egal mit wem ich ein Projekt machen musste, ich kam klar mit ihm oder ihr.
 

„Warum eigentlich nur die Marke?“, kam es plötzlich von der Seite. „Was?“, verdutzt sah ich den anderen an. Vins sah starr geradeaus, aber stupste leicht gegen die Tüte in meiner Hand, „Warum nur die Marke?“ „Oh…“, sagte ich, „Ähm… Sie passt am besten…“ Er nickte. „Also…“, setzte ich wieder an, „Als ich in den Kader gekommen bin, meinte der Coach ich müsste meinen Fuß mal vermessen lassen, einfach das ich mehr Halt im Schuh hab… Und da jede Firma eine andere Form hat, passte der Schuh für meinen Fuß am besten. Ich hab recht kleine, schmale Füße… Ja…“ Super ich redete über meine Füße. Bravo, Oscar…
 

„Kim meinte, du bist ziemlich gut…“, redete Vins jetzt weiter und sah kurz zur Seite, „Sie meinte, du bist der Schnellste…“ „Bei Staffel ist nicht nur Geschwindigkeit wichtig…“, sagte ich und seufzte, „Der entscheidende Punkt ist die Übergabe, dass du dich auf das Tempo des anderen anpassen kannst und den Stab unter Kontrolle hast…“ „Hast du die, also Kontrolle?“, fragte er und sah mich direkt an. „In der Staffel? Ja… Sonst… Naja…“ Er grinste, ein schmales Lächeln, was sonst Kim immer bekam. Mein Herz schlug schneller.
 

Besagte Blondine kam mit genervter Miene und leeren Händen aus dem Laden , als sie plötzlich eine Brünette von der Seite ansprang. „Kimmi!“, kam es viel zu hoch und gekünstelt. Becky Fisher persönlich. „Becky…“, panisch sah Kim zu uns beiden und ich tat so, als würde ich mich übergeben. Vins lachte neben mir.
 

„Ist das nicht deine Ex, oder so…“, setzte er an und ich schauderte gespielt. Becky indes nahm Kim völlig in Beschlag. Besonders neugierig quetschte sie sie aus, als sie sah, dass sie mit mir und Vins, die angeblichen Erzfeinde, unterwegs war.
 

„Sam meinte, du hättest sie flachgelegt…“, tat Vins mir nun den Klatsch kund, den ich bereits kannte. „Sam denkt auch, ein Dreieck hat vier Seiten…“, antwortete ich gereizt. „Ich schätze das heißt nein…“, Vins lachte. „Ich würde lieber Glas essen, als die zu vögeln…“, meinte ich entschieden „Mensch, du kennst erwachsenen Wörter.“, tat er erstaunt. „Das Weib ist einfach widerlich…“, tat ich seine Beleidigung ab, „Außerdem kann ich es nicht leiden, wenn Leute Scheiße hinter dem Rücken von anderen labern… Entweder man sagt es der Person ins Gesicht, oder hält die Fresse!“ Vins grünen Augen sahen in meine Natürlich musste ich rot werden. Stur verschränkte ich die Arme vor der Brust.
 

Vins tat es mir nun gleich und verschränkte die Arme, „Ich würde ja auch für kein Geld der Welt über die rüber rutschen…“ „Ich würde lieber Säure trinken…“, tätigte ich das nächste Beispiel. „Ich würde mich eher überfahren lassen…“, warf nun Vins ein. „‘Ne öffentliche Toilette ablecken…“, sagte ich nun wieder. „Wo ist der Unterschied…“, fragte Vins nachdenklich und ich lachte, „Aber ich würde lieber nackte durch Stacheldraht kriechen…“ „Ich würde eher Cher bumsen!“ „Trump!“, setzte Vins noch einen drauf.
 

45 Minuten später hatte Kim sich von Becky längst losgeeist und wir saßen im Burgerladen der Mall. Und noch immer überlegten Vins und ich, was wir lieber tun würden, als mit Becky zu schlafen.
 

„In einer Wanne voller Blutegel liegen!“ „Das ist wie mit Becky zu schlafen…“, meinte nun ich, und Vins zuckt nachdenklich mit den Schultern, als er in seinen Burger biss. „Hm, ich würde eher einem Tiger versuchen die Zähne zu putzen…“ „In einen aktiven Vulkan springen…“ „Spuckeimer des Footballteams austrinken!“ „Ich würde lieber…“ „Ich würde lieber über was anderes reden, bitte!“, genervt ließ Kim den Kopf auf die Tischplatte knallen. Sie sah aus, als würde sie entweder uns beide oder sich selbst gerne im Milchshake vor ihr ertränken.
 

Vins und ich grinsten scheinheilig. „Ich glaube, ich will doch nicht, dass ihr befreundet seid…“, murrte die Blonde und ich fragte, „Was wäre dir denn lieber, als dass wir Freunde sind…“ Vins prustete in seine Pommes. „Arschgeige!“
 

Ich wusste selbst nicht genau, wie das passiert war, aber das Eis zwischen Vins und mir war gebrochen.
 

Wir blödelten noch eine Weile im Burgerladen rum und waren viel zu laut, so dass sich die anderen Gäste über uns beschwerten, weswegen wir noch lauter wurden.
 

Wir liefen durch die Geschäfte, suchten die hässlichsten Klamotten, die wir fanden und zwangen die anderen sie anzuziehen. Kim glänzte in einem pinken Paillettenkleid und Vins und ich trugen passende Hawaihemden dazu.
 

„Ich glaube, ich hab noch nie beschissener ausgesehen…“, Kim drehte sich vor dem großen Spiegel. Das Pink stand ihr überhaupt nicht und die Pailletten ließen sie 10 Kilo dicker wirken, als sie war. „Ich kenne dich schon ‘ne Weile, ich enthalte mich dementsprechend…“ Vins gluckste, er trug ein orangenes Hemd mit grünen Kakteen rauf. Es war schwere Überzeugungsarbeit nötig gewesen, ihn überhaupt in das Hemd zu kriegen. Meins war kotzgrün, wie Vins es genannt hatte, mit verschiedenen Tieren in Neon drauf. „Badehose!“, sagte Kim nur und zeigte anklagend mit dem Finger auf mich, „Bobs 14. Geburtstag!“, drohte ich zurück.
 

Sie lachte und boxte mir gespielt in den Bauch und nahm mich dann in den Schwitzkasten. „Beweg deinen hübschen Arsch her!“, meinte sie nun zu Vins, der uns in einer Mischung aus Belustigung und Unverständnis beobachtet hatte, „Ich will ein Bild von uns dreien machen!“ „Oh bitte nicht…“, sagte Vins, kam jedoch zu seiner Freundin. „Dabei hab ich das Hemd extra für dich ausgesucht!“, tat ich verwundert.
 

Tatsächlich fand Vins es ganz witzig uns dabei zuzusehen, wie wir uns in fürchterliche Klamotten zwängten, wollte aber erst selbst nicht mit machen. Schließlich jedoch hatte er sich unserem Willen gebeugt und fühlte sich eindeutig sehr unwohl! Was ich fürchterlich niedlich fand und nicht sollte…
 

All das hier gerade war wundervoll und schrecklich.
 

Der Tag war nicht im Geringsten so verlaufen, wie ich dachte, dass er werden würde. Dafür aber genauso wie ich immer gehofft hatte, dass es mal sein könnte. Doch Vins war Kims Freund und nicht meiner und die beiden schienen… glücklich. Sie hatten sich den ganzen Tag über nicht einmal in den Haaren gehabt…
 

Und jetzt standen wir zu dritt vor dem großen Spiegel in diesem übertrieben hippen Laden. In den hässlichsten Klamotten, die ich je anhatte und Kim kramte ihr Handy vor um ein Bild von uns zu machen. Sie legte die Arme um uns und Vins küsste tatsächlich ihre Schläfe. Ich verzog das Gesicht, als würde ich finden das beide eklig rochen. Kim lachte schallend.
 

Ich würde lieber sterben, als nicht mehr mit Kim befreundet zu sein.
 

Vins Hand legte sich auf meinen Hinterkopf. Er drückte mich spielerisch nach vorne, während er mir die Haare verwuschelte, als Kim das nächste Foto schoss.
 

Würde ich Vins jemals lieber als Kim sein?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich mag die beiden als Freunde, in den nächsten Kapitel gibts daher erstmal Männerfreundschaft, bevor es Drama gibt! :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Maginisha
2018-07-04T13:57:28+00:00 04.07.2018 15:57
Also ich muss ja fragen: Guckst du viel fern oder warst du schon mal ein Austauschjahr in Amerika? Oder vielleicht ist das auch einfach nur so, wie ich mir vorstelle, dass es genau so sein müsste. Sehr genial.


Ansonsten hoffe ich für Oscar, dass das jetzt nicht auf so eine Situation herausläuft, wo man zehn Jahre später kurz vor dem Klassentreffen so denkt: Man, wäre ich doch damals einfach mal viel cooler gewesen, als ich es in Wirklichkeit war.


Mein Lieblingssatz war übrigens der mit dem "aber manche Sachen bezahlte man einfach zu teuer". :D
Antwort von:  Usagi_Jigokumimi
04.07.2018 23:35
Nee. Ich war noch nie bei den Amis, und gucke kein Fernsehen. Aber Dokus und Serien auf netflix und ja... ich denke einfach, dass müsste so sein, und dann mach ich das so... Und hoffe meine Überzeugung überzeugt! :D

Oscars Schwester hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen und ich hoffen, man wird sie so mögen, wie ich sie mag... Sie ist Satan! :D


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