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Track or Treat.

Auf deiner Spur?
von

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Brauchen

‘And all of the nights and all of the days

Yeah we’re watching them fading away

And oh what a life when you’re rolling the dice

When you’re gambling all of the time

And all of the nights and all of the days

Yeah we’re watching them fading away

And oh what a life when you’re rolling the dice

When I’m gambling all of the time

Because I don’t need your love

I just need you now

And I don’t need your love

I just need you now‘~ Dean Lewis, „Need You Now“ (2017)
 

Unruhig wälzte ich mich hin und her.

Eigentlich müsste ich durch den ganzen Stress des Tages und dem viel zu vielen Alkohol im Körper schlafen wie ein Stein, doch das Gefühl von Vins Lippen auf meinen und das viel zu eindeutige Ziehen in der Mitte meines Körpers machte es mir unmöglich einfach so einzuschlafen.
 

Ich war aber auch bescheuert! Ich war ein fucking männlicher, schwuler Teenager! Natürlich bekam ich einen Ständer von dem Mist! Wie viel Hirn hatte ich mir in einem Abend weggesoffen?
 

Was hatte ich auch erwartet, würde passieren, wenn ich ihn heimlich küsste?

Das er wie Dornröschen aus seinem Schlaf erwacht und der Fluch der Heterosexualität wäre gebrochen! Die Village People fangen an zu singen und auf einem glitzernden Regenbogen reiten wie auf einem Einhorn in den Sonnenuntergang?
 

Willkommen in der wirklichen Welt hatte Nathalie zu mir gemeint, ja, ich sollte endlich in der Realität landen! Vins und ich würden niemals mehr als gute Freunde sein! Niemals! Und dafür sollte ich dankbar sein! Er hatte selbst gesagt, wenig Freunde zu haben, und ich versaute ihm das Ganze auch noch…
 

An sich konnte ich auch mehr als froh sein, dass er nicht wirklich aufgewacht war. Wahrscheinlich hätte er mir welche gelangt. Oder schlimmer, wäre einfach nur angewidert gewesen und gegangen.
 

Ich schluckte merklich. Ich glaubte nicht, dass Vins wirklich was gegen Lesben und Schwule hatte. Er war immer für die Minderheit, aber ich war mir auch ziemlich sicher, dass er es nicht witzig fand, dass ihn ein Typ einfach so ableckte im Schlaf.
 

Seufzend drehte ich mich auf den Bauch und vergrub das Gesicht im Kissen, so merkte ich jedoch noch mehr das Problem in meiner Shorts, also drehte ich mich wieder auf den Rücken.

Ich angelte so leise wie möglich nach meinem Handy. Gott sei Dank hatte ich immer ein paar Kopfhörer in Griffweite, ich verkabelte mich und mein Telefon und schloss die Augen.
 

Entschieden konzentrierte ich mich auf nichts anderes als das Lied, versuchte jede Note nachzuvollziehen und jede Silbe, die gesungen wurde.
 

„Because I don’t need your love. I just need you now.“
 

Warum zum Henker kam jetzt dieses Lied?

Entschieden skippte ich weiter, irgendein Popsong erklang und erneut, versuchte ich, die nun nicht sonderlich vorhandene Tiefe des Songs zu entschlüsseln.
 

Irgendwann verloren die Wörter ihren Sinn, die Melodie schien leiser zu werden und ich schlief endlich ein.
 

Ein lautes Geräusch weckte mich unsanft auf.

Meine Playlist war auf Shuffle gestellt und irgendein sehr lauter Thrasher plärrte mir in die Ohren. Völlig erschlagen und eindeutig nicht bereit die Augen zu öffnen drehte ich mich um, sodass ich nach meinem Handy greifen konnte, um den Mist auszuschalten, und strangulierte mich plötzlich halb mit meinen Kopfhörerkabeln.
 

Murrend zerrte ich die unnütze Kabelei hervor und warf sie zur Seite, als ich jemand reden, schluchzen, hörte. Verwirrt richtete ich mich auf, und merkte, dass der Restalkohol in meinem Körper das für eine sehr dumme Idee hielt. Alles drehte sich und mein Magen gekonnt in die andere Richtung.
 

Ich sah in meinem dunklen Zimmer umher, es war noch stockfinstere Nacht. Kurz überlegte ich, ob ich mit dem Fernseher an eingeschlafen war, doch dann sickerte in mein Hirn, dass Vins, der auf meinem Sofa schlief, sich verkrampft hin und her warf. „Nein…“, murmelte er ängstlich, seine Stimme war nur noch ein Wimmern, „Bitte! Nein!“
 

„Vins?“, meine Stimme klang rau und verschlafen. Ich räusperte mich schnell, rieb mir den Schlaf aus den Augen, „Vins!“ Er reagierte nicht, ich machte die Nachttisch Lampe an und stolperte aus meinem Bett.
 

Noch immer hatte Vins die Augen festgeschlossen, doch sein Atem ging jetzt hektisch, er wälzte sich herum. „Vins!“, sagte ich nun lauter, griff ihn bei der Schulter, er war eiskalt, nass vor Schweiz und der Pullover, den er noch immer trug, hatte sich verdreht um seinen Körper geschlungen. Er schien in ihm gefangen, wie in einer schwarzen Zwangsjacke, und nicht in der Lage sich zu befreien. „Hey!“, ich rüttelte ihn, wusste sonst nicht, was ich tun sollte, „Vins! Es ist alles gut!“
 

Panisch riss er seine schönen Augen auf. Das Feuer, das sonst in ihnen brannte, mich verbrannte, schien erstickt, gelöscht von tränennasser Angst.

Ruckartig richtete er sich auf und sah sich völlig verwirrt um, er wusste nicht, wo er war, oder warum ich hier war. Sein Atem war noch immer nur stoßweise, ich könnte die harten Schläge seines Herzens gegen seinen Brustkorb förmlich hören, spüren. Sein Körper erzitterte unter den viel zu groben Schlägen.
 

Schließlich tat ich das Erste, was mir einfiel, und packte ihn, wie er mich damals nach der Sache mit Lucas, am Arm und schob meine andere Hand in seine Nacken. Ich zog ihn an mich, presste, wie er damals, meine Stirn gegen seine und versuchte so ruhig wie möglich ihn im Hier und Jetzt zu halten. „Es ist alles gut!“, sagte ich, „Ich bin hier!“
 

Die Panik in seinen Augen wich dem erkennen und ich spürte das stummen Schluchzen über mein Gesicht rollen, als er die Augen schloss. Heiße Tränen mischten sich mit dem kalten Schweiß, der ihm übers Gesicht lief. „Einfach Atmen!“, wiederholte ich seine Worte von damals.
 

Er hob zittrig die Hände, erst hatte ich Angst, dass er mich wegstoßen würde, doch er hielt sich an mir fest, verkrallte sich im dünnen Stoff meines Shirts. „Ich bin da!“, wiederholte ich.
 

Ich wusste nicht, wie lange wir so da saßen, doch irgendwann beruhigte sich sein Herz und sein Atem wurde gleichmäßig. Er räusperte sich, noch immer hatte er die Augen geschlossen. Schließlich ließ er mich los und drehte er sich von mir ab. Grob wischte er sich übers Gesicht.
 

Ich lies ihn ebenfalls los und versuchte seine Körpersprache zu lesen, versuchte zu deuten, was er nicht sagen konnte.
 

Was brauchte er jetzt? Was brauchte er von mir? Was musste ich ihm geben? Was konnte ich ihm geben?
 

Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe und rutschte ein Stück von ihm weg, wollte ihn nicht einengen.
 

„Ich wollte dich nicht wecken!“, sagte er schließlich, seine Stimme klang nicht nach ihm selbst, „Entschuldige, dass ich anscheinend hier eingepennt bin ich…“
 

„Alles gut, wir waren ja alle ziemlich betrunken!“, tat ich viel zu beschwingt ab und versuchte ihn mit der Verallgemeinerung aus der Ecke, in die er sich gerade selber stellte, heraus zu ziehen, „Ich bin mir auch immer noch nicht sicher, ob ich vielleicht nicht noch kotzen muss, und du hattest mehr als ich, also…“, ich sah ihn entschieden an, „Und meine Couch ist ja auch nicht sonderlich bequem!“
 

Er seufzte leise, seine Lippen verzogen sich leicht zu dem Lächeln, das ich so liebte, wenn es auch seine schamerfüllten Augen nicht erreichte. „Ja, es war zu viel durcheinander…“, nahm er meine Ausrede schließlich an. Er rieb sich über die Arme, schauderte in seinen klammen Sachen.
 

„Ich Idiot!“, noch immer war ich viel zu bemüht, „Ich hab dich vorhin zugedeckt, aber in Klamotten und mit Decke ist es hier viel zu warm! Du hast dich zu Tode geschwitzt!“, log ich nun einfach weiter und stand auf, „Ich kann dir ein T-Shirt leihen…“
 

Ich ging zu meinem Kleiderschrank, aus dem die Hälfte rausfiel, als ich ihn öffnete, „Hier ist bestimmt was, in das du reinpasst. Ansonsten bauchfrei ist gerade In.“ Ich hörte ein schwaches Lachen, „Danke!“ Ich erstarrte kurz in meiner Bewegung, ich wusste, dass das nicht meinem Moderatschlag galt.
 

„Ich schick dir meine Rechnung!“, scherzte ich weiter, obwohl ich noch immer nicht wusste, ob es richtig war, was ich tat. Sollte ich ihn wirklich nicht fragen, was gerade los war? Was hatte er geträumt, dass ihm solche Angst gemacht hatte?
 

Ich zog nun eins meiner alten Sportshirts hervor und warf es ihm zu. „Guck mal, ob du da reinpasst?“ Er fing das Shirt auf, packte es sich auf die Knie und zog sich den Pullover ungelenk und mit einem schmerzverzerrten Gesicht über den Kopf.
 

Zischend zog ich die Luft ein. Seine grünen Augen brannten sich in meine, schnell drehte ich mich wieder zu meinem Kleiderschrank. „Wenn… Wenn das nicht passt, finde ich bestimmt ein anderes!“, versuchte ich weiter unbedarft zu klingen, doch der Anblick seines geschundenen Oberkörpers war unwirklich und erschreckend zugleich. Unwillkürlich ballten sich meine Hände zu Fäusten und ich schlug hart die Zähne aufeinander.
 

Wie viel Wut und Zorn und Hass musste in den Händen gesteckt haben, die ihn so gezeichnet hatten?
 

Abgesehen von den vielen kleinen Blauenflecken, die ich auf die schnell gar nicht hatte alle zählen können, war seine rechte Schulter gänzlich in einem fast schwarz wirkenden Bluterguss umschlossen, als hätte er sich die Schulter erst vor Kurzem heftig geprellt. Wie hart musste er auf dem Boden aufgeschlagen sein, dass seine Schulter so aussah, wer hatte ihn so zu Boden gestoßen?

Über dem Bauch erstreckte sich ein grüngelber, also nicht mehr frischer, aber dennoch riesiger Bluterguss.

Ich hatte mal unerlaubterweise Polizeiakten von Dad gesehen, wo jemand zusammengeschlagen worden war, der Fleck ähnelte dem des Opfers viel zu sehr, diesem hatte man mehrmals hart in den Bauch getreten. War das Vins auch passiert? Hatte er schon am Boden gelegen, als jemand nachgetreten hatte? Immer wieder?
 

„Das Shirt passt!“, kam es nun hinter mir und ich versuchte, meine Gesichtszüge wieder zu kontrollieren, bevor ich mich umdrehte.

Vins war auch aus seiner wohl ebenfalls vollgeschwitzten Jeans gestiegen und sah fürchterlich verletzlich aus, wie er so in dem etwas zu kleinem T-Shirt auf meiner Couch saß. Die Decke und auch das Kissen, waren wahrscheinlich genauso klamm, wie seine Kleidung. Er hatte die Arme verschränkt, und schien zu frieren. Die Kälte kam von innen.
 

„Also… Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo Mom noch extra Bettzeug hat!“ Das war natürlich eine fette Lüge, aber ich wusste sonst nicht, wie ich sagen sollte, was ich sagen wollte.

„Wenn‘s dich nicht total stört…“, ich kratzte mir verlegen den Kopf, mit anbahnenden Kater, war das schwieriger, als es im Suff gewesen wäre, „Mein Bett ist viel bequemer als die Couch und meine Decke ist riesig und ich hab gefühlt hundert Kissen… Also…“

Vins Lippen zuckten das erst mal ehrlich zu einem Lächeln. „Okay“, sagte er und ich seufzte erleichtert.
 

„Ich entschuldige mich jetzt schon, falls ich panisch über dich drüber krabbele, weil ich doch noch kotzen muss!“, ich ging zu meinem Bett, zog die Kissen vor, und legte mich nach hinten. Vins folgte mir zögerlich. Vorsichtig setzte er sich auf die Matratze, als hätte er Angst, sie würde unter ihm wegbrechen, und machte die Nachttischlampe aus.
 

Kurz war alles schwarz, Vins verschwand im Dunkeln, bis sich meine Augen an das spärliche Licht von der Straßenlaterne vorm Haus wieder gewöhnt hatten. Ich zog meine Decke so über mich, dass der äußerte Rand mich bedeckt und schob ihm den Rest zu. Er deckte sich zu, spann sich fast wie in einen Kokon ein, und drehte mir seufzend den Rücken zu. „Nacht!“, kam es leise. „Schlaf gut…“, erwiderte ich genauso leise.
 

Unsicher starte ich ihm Löcher in den Rücken. Einerseits war ich fürchterlich aufgeregt, weil Vins in meinem Bett lag, anderseits war mir nicht nur wegen dem Alkohol schlecht.
 

Hatte ihn sein Vater so verprügelt?
 

Wie alt waren diese Blutergüsse? Warum waren sie mir nicht früher aufgefallen? In Sport versuchte ich ihn absichtlich nicht anzustarren, aber wie hatte ich das nicht mitkriegen können? Er musste doch auch Schmerzen haben? Also so Richtige! Bestimmt hatte er deswegen vorhin so angespannt geguckt. Also… Ach verdammt! Und ich lass mich auch nicht wie einen nassen Sack auf ihn fallen!
 

Meine Gedanken rasten. Ich konnte das einfach nicht verstehen. Wie konnte man ihm, Vins, so wehtun?
 

„Dir ist schon bewusst, dass ich sehe, dass du mich anstarrst?“, fragte Vins nun plötzlich in meine wirren Gedanken und ich zuckte ertappt und überrumpelt zusammen.
 

„Sorry… ich… Was?“
 

Ein leichtes Lachen vor mir und Vins legte den Kopf schräg. Im Dunkeln und mit der Decke bis zum Kinn, hatte ich fälschlicherweise angenommen, er hätte mir den Rücken zu gedreht. Dabei sah er mich genauso an, wie ich ihn.
 

„Ich…“, setzte ich nun wieder an, „Ich weiß, ich soll nichts zu sagen, aber…“
 

Seufzend schloss ich kurz die Augen. „Ich weiß, ich soll nichts zu sagen und ich weiß, dass du nicht drüber reden willst, aber du kannst, wenn du willst, du…“ „Ich weiß.“, unterbrach er mich leise, „Aber ich wüsste auch gar nicht, was ich sagen sollte. Es gibt dazu nichts zu sagen.“
 

Er drehte dich auf den Rücken, immer mehr gewöhnten sich meine Augen an das wenige Licht und ich sah, wie bitter sein Gesichtsausdruck war.
 

„Das glaub ich nicht!“, sagte ich nun leise. „Was würdest du den sagen wollen, wenn du könntest?“, fragte er nun, sah noch immer starr an meine Zimmerdecke, er klang beinah herausfordernd.
 

Würde ich diese Herausforderung meistern können?
 

„Ehrlich?“, auch ich drehte mich auf den Rücken, betrachtete die unbestimmten Tiefen vor mir, „Ich weiß nicht, was man dazu sagt!“, ich entschied mich, ehrlich zu sein, vielleicht würde er es dann auch sein, „Ich war fast ein bisschen erleichtert, als du meintest, ich soll nichts zu sagen. Es gibt, glaube ich nichts, dass das besser macht… Oder erträglich. Niemand sollte so was durchmachen. Niemand… Du solltest das nicht durchmachen müssen…“, ich seufzte, „Wenn ich dich so sehe, wenn ich sehe, wie viel Angst du hast, wenn ich…“, entschieden holte ich Luft. „Es macht mich einfach so unglaublich wütend und… traurig!“
 

„Du hast Mitleid.“, Vins schien fürchterlich bestätigt, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich… Ich hab Mitgefühl!“, meinte ich entschieden. „Das ist das gleiche!“ „Nein!“, schüttelte ich den Kopf erneut, „Meine Mom meinte mal, dass sie in ihrem Job kein Mitleid haben darf, Mitgefühl ja, aber kein Mitleid!“

Vins drehte sich nun leicht zu mir, die grünen Augen voller Fragen.
 

„Mitleid, bedeutet, dass man mit erträgt, was der andere ertragen muss und das kann ich nicht!“, ich sah ihn nun ebenfalls an, „Ich kann mitfühlen, kann versuchen zu verstehen, aber… Mitleid lässt dich mit erstarren, Mitgefühl lässt dich handeln!“, wieder ballten sich meine Hände wie von selbst zu Fäusten, „Ich würde gerne handeln! Irgendwas für dich tun! Es ist irgendwie besser machen- Dir helfen! Und wenn ich nur zu deinem Vater gehe und ihm erkläre, dass er seine…“
 

„NEIN!“, Vins Stimme war scharf wie eine Rasierklinge, „Nein!“ Er richtete sich auf, perplex sah ich ihn an. „Das wirst du niemals tun, du wirst niemals…“, seine Brust hob und senkte sich. Was war das Gerade, welches Gefühlt tobte in ihm? War das Wut, war das Angst?
 

„Du wirst niemals in seiner Nähe sein! Niemals! Ich will noch nicht einmal, dass er weiß, das du existierst!“
 

Er sah auf mich hinab. Ich schluckte, versuchte dieses merkwürdige und überflüssige Gefühl der Zurückweisung hinunter zu schlucken und anderseits gegen die klamme, schleichende Angst zu kämpfen.
 

„Okay“ Meine Stimme war nur ein Flüstern.
 

„Verdammt!“, Vins rieb sich entnervt übers Gesicht, „Deswegen kann ich nicht darüber reden! Besonders nicht mit dir!“, er lachte auf, der Witz ging auf meine Kosten, „Du bist so ein dummer Held, du würdest wirklich mit ihm reden wollen!“
 

Ich sagte nichts. Presste die Lippen aufeinander, lag steif neben ihm und versuchte, einfach nicht zu heulen.
 

„Du hast keine Ahnung, wer er ist, wer… was er tut, was…“, Vins rang mit den Worten, nach Luft, „Du hast keine Ahnung, was passieren würde, wenn ihr aufeinandertrefft, das ist…“, wütend atmete er aus, „Nein!“
 

„Okay“, wiederholte ich nur, und meine Scheiß Stimme brach, ein Kloß setzte sich in meinem Hals fest und meine verfluchten Augen brannten so sehr, dass ich die Tränen kaum zurückhalten konnte.
 

„Oscar“, Vins sah auf mich herab, er wirkt genervt, „Du… Was? Weinst du?“
 

„Nein, ich…“, meine Stimme brach erneut.
 

Gott, wie lächerlich konnte ich mich eigentlich anstellen? Er hielt mich sowieso schon für einen Vollidioten, einen dummen Helden, jetzt auch noch eine Heulsuse dazu?
 

„Oscar!“, sagte Vins erneut und ich wollte mich von ihm wegdrehen, ich wollte nicht, dass er mich weinen sah, dass er sah, wie dumm und verliebt ich wirklich war. Doch genau in dem Moment, in dem ich mich leicht aufrichtete, um mich zur Seite drehen zu können, lehnte er sich zu mir runter. Unsere Köpfe knallten gegeneinander.
 

„Verdammt!“, fluchten wir gleichzeitig. Schmerzerfüllt presste ich eine Hand auf meine Stirn und er an die linke Schläfe.
 

Wir sahen uns an, wie wir da saßen, unfähig über das zu reden, was wichtig war. Ich schaffte es tatsächlich einen peinlichen Moment, noch lächerlicher zu machen.
 

Langsam setzte ich mich auf und ließ meine Hand nun von meiner Stirn über meine Augen gleiten, frustriert gluckste ich in mich rein. „Was?“, Vins schien verwirrt, doch ich begann einfach richtig zu lachen. „Ich hab gerade irgendwas nicht mitgekriegt, ich… Oscar?“
 

Mich schüttelnd vor Lachen und immer noch mit Tränen in den Augen sah ich den anderen an und meinte dann todernst: „Ich bin wirklich ein dummer Held!“ Jetzt lachte auch Vins.
 

„Ich würde wahrscheinlich wirklich irgendwas Dummes machen, wenn ich auf deinen Vater treffen würde! Ich denke einfach selten nach, bevor ich was mache!“, gestand ich halb seufzend, halb lachend. „An sich ist das ganz liebenswert, Spinnenbein!“, sagte Vins mit einem tatsächlich sehr liebevollen Blick.

Das Blut schoss mir natürlich sofort in die Wangen und ich war dankbar, das es zu dunkel für ihn war zu sehen, was seine Worte anrichteten.
 

„Aber du solltest…“, er überlegte kurz, „Du darfst nichts machen!“ Er wurde wieder ernst. „Er ist nicht einfach nur ein schlechter Ehemann und ein schlechter Vater- Er ist ein schlechter Mensch!“
 

Ich nickte, unsicher biss ich mir auf die Unterlippe. „Was ist mit meinem Dad?“, fragte ich nun. „Was sollte mit dem sein?“ „Naja“, setzte ich wieder an, „Du würdest so was nicht sagen, wenn du es nicht so meinst, aber mein Dad ist ein Cop. Also willst du mit ihm reden?“

Vins Gesichtsausdruck wurde gequält. „Nein…“, ich verstand das Wort, aber nicht den Ton in dem er es sagte, „Nein. Ich denke nicht, dass das gut für deinen Dad ausgehen würde…“ Ich schluckte, Vins grüne Augen brannten sich in meine. „Oder für mich!“
 

Ich erschauderte.
 

Er konnte das nicht… Er meinte das nicht… Er meinte das doch nicht wirklich ernst?
 

Vins fuhr sich durch die Haare und wirkte plötzlich wieder verloren, die ganze Anspannung von eben schien ihn nun zu verlassen, so erschöpfend, war nur die Wahrheit.
 

Und erneut handelte ich instinktiv. Ich legte meine Hand auf seinen Oberarm, versuchte mit der Berührung zu sagen, was ich mir niemals trauen würde auszusprechen. Sein Blick legte sich auf die Hand, folgte meinem Arm hinauf und schließlich sah er mich direkt an.
 

„Ich werde nicht mit deinem Vater reden, oder mit meinem deswegen! Ich…“, ich wollte ihm so gerne sagen, wie viel Angst mir seine Worte machten, wie sehr ich mir wünschte, dass er keine haben müsste, „Nur…“, wieder biss ich mir auf die Unterlippe, „Nur wenn du nicht mehr kannst zu Hause, wenn- Ich weiß auch nicht! - wenn einfach nichts mehr geht, kannst du herkommen. Immer!“ Er sagte dazu nichts. „Also, wirklich, egal…“
 

Fast wie in Zeitlupe hob er die Hand, und strich mir mit sanften Fingern über die Wange, bevor sie flüsterzart über mein Kinn glitten, meine Lippen streiften. Unwillkürlich stockte mir der Atem. Ich schluckte merklich und schauderte erneut, doch jetzt aus einem ganz anderen Grund.
 

Seine Finger waren warm und rau, und doch irgendwie ganz weich. Schließlich stoppte er in der Bewegung, sein Daumen schwebte über meinen rechten Mundwinkel.
 

Er berührte mich und berührte mich zu gleich nicht. Das Ganze machte mich wahnsinnig, das Blut rauschte in meinen Ohren, rauschte in meiner Körpermitte. Zittrig öffnete ich meinen Mund. Ich wusste selbst nicht, ob, oder eher, was ich sagen wollte. Auch Vins Lippen bewegten sich, seine Zungenspitze fuhr fast hypnotisch über seine Unterlippe.
 

Wie würde sie sich in meinem Mund anfühlen?
 

Er wollte etwas sagen, ich spürte die Worte in der Luft hängen, doch ihn verließ kein Ton, zaghaft lehnte er sich nach vorn.
 

Würde ich die Worte erraten können, wenn meine Lippen auf seine gepresst wären?
 

Ruckartig, so grob, wie zuvor sanft ließ er mich los, verschränkte die Hände im Schoß. Keuchend lachte er auf und sah auf seine Hände. „Spinnenbein versucht wirklich für jeden da zu sein!“, scherzte er.
 

„Ja…“; stimmte ich in sein Lachen noch atemloser mit ein. Ich hatte keine Ahnung, was da gerade passiert war, oder eher nicht passiert war!
 

„Vie… vielleicht sollten wir endlich schlafen?“, meinte ich nun und ließ enttäuscht die Hand an seinem Arm hinabgleiten. Was hatte ich auch erwartet?
 

Doch bevor ich mich ihm ganz entziehen konnte, den Körperkontakt endgültig beenden würde, griff er nach meiner Hand. „Schlaf klingt gut!“, sagte Vins entschieden. Ich hatte das Gefühl, dass er mit Absicht nicht unsere verschränkten Hände ansah.
 

Wir legten uns hin. Meine Hand wurde regelrecht heiß in seiner. Er drehte sich wieder auf den Rücken, ich auf die Seite, das Gesicht ihm zugewandt.
 

Seine Finger verschränkten sich fast wie von selbst mit meinen, und viel mutiger als ich mich eigentlich fühlte, rutschte ich näher an ihn heran. Ich legte meine freie Hand nun auf die Stelle, wo die andere zuvor gewesen war, und lehnte meine Stirn an seine Schulter, suchte und gab Halt zugleich.
 

Er seufzte, fast erleichtert, und drehte sich schließlich zu mir. Sein Arm legte sich um mich und ich ließ meine Hand von seinem Oberarm zu seinem Nacken wandern. Immer dichter krochen wir aufeinander zu und schließlich presste er seinen Kopf gegen meine Brust, fest umschlangen ihn meine Arme.

„Ich…“, er räusperte sich, seine Stimme klang anders, vielleicht besser, „Ist das okay, nur für heute?“ Als Antwort zog ich ihn noch näher an mich.
 

Ich wollte ihm so gerne sagen, dass es immer okay war, dass er sich an mich anlehnen konnte, wann immer er wollte, dass wenn er jemand brauchte, der ihn umarmte, ich da wäre- Doch ich sagte es nicht, ich sagte gar nichts. Was hätte es auch gebracht?
 

Ergebend und müde schloss ich die Augen und lauschte unsere immer ruhiger werdenden Atemzügen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Happy Birthday to meeeee~ xD

Huhu und einen schönen Dienstag morgen! :D

Ich hatte gerade mein Geburtstagsfrühstück und dachte mir, lade ich mal schnell das versprochene letzte Geburtstagskapi von Oscar hoch! :3

PS: Das Lied zum Kapitel: https://www.youtube.com/watch?v=GonYKToxSeA&list=PL8Iu_vx3jzK5Q0otQulq-hQc2qw0b2FF5&index=16

PPS: Für mehr Infos zwischendurch meine FB-Page! :3 https://www.facebook.com/UsagiJigokumimi/

Ich hoffe es gefällt euch und ihr verflucht mich hier nach nicht zu sehr, die beiden haben es mir mit dem Kapitel nicht sehr leicht gemacht! :D

Und ja, ich war kurz davor meinen Plot über den Haufen zu werfen und die beiden einfach mal machen zu lasssen, aber ich glaube, dass wäre nicht gut ausgegangen... XD

Beste Grüße und ich bin auf eure Meinung gespannt, Usagi :3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Maginisha
2018-07-24T10:54:13+00:00 24.07.2018 12:54
Uff, was für ein Kapitel. Ist ja ganz schön harter Tobak. Ich finde, du hast das aber sehr gut rübergebracht, wie die beiden sich verhalten. Es war nicht übertrieben und die Reaktion von Oscar ebenso verständlich wie die von Vins. Man, was für Ein Arschloch...der Vater meine ich. Vor allem könnte man ja denken, ok, lass das doch mal die Polizei regeln, aber die kommen dann halt auch erst mal Fragen und gehen dann wieder und dann hat Vins den Salat. Kacksituation.



Das anderen...öhm ja. Also so richtig nur freundschaftlich war Vins' Reaktion jetzt aber nicht. Ok, wenn man grad noch ein bisschen betrunken ist und sowieso aufgewühlt macht man bestimmt manchmal komische Sachen, aber das war definitiv was anderes als einfach nur Umarmen oder meinetwegen auch Rumtragen. Das fällt jetzt nicht mehr unter kumpelhaftes Rumbalgen, mein Lieber. Nur dass das mal klar ist. Da hilft dann auch kein plötzliches Zurückrudern mehr!

Na da bin ich ja mal gespannt, wie der Morgen weitergeht. Bestimmt ähnlich quälend für mich und Oscar wie dieses Kapitel. Man, man, man. Und dann rückt ja auch noch der Freitag näher und unser Spinnenbein hat immer noch keinem seiner Romeos abgesagt. Oder sagen wir mal einem Romeo und einem...Artus. Das Problem, das Oscar hat, hat ja schon irgendwie was von dem von Lancelot aus dem Film "Lacelot, Ritter der Königin", finde ich gerade heraus. Nur das der halt nicht schwul war. :D

Jetzt müssen wir nur hoffen, dass Nathalie nicht noch einen auf Mordred macht und ihn verrät. Huch, das wäre ja was...

Ich freue mich schon auf Sonntag und wünsche dir noch einen ganz tollen Geburtstag!
Antwort von:  Usagi_Jigokumimi
24.07.2018 14:51
Es freut mich, dass das Kapitel quälend war, das war meine Absicht! :D (Nochmal Danke für deinen Hinweis zum Tipfehler... Hust)

Nee, ähm... Ja, es ist halt nicht einfach und ja, da hast du recht, die Polizei fragt erstmal und wenn Mami schon sagt, nein, das stimmt nicht und Vins steht da... Tja, dann kriegt er erst richtig welche vor...

Und ja, das Freitagsdate ist, jaaaaa.... Das hat Oscar gerade ein bisschen verdrängt und verdrängt es auch noch ne weile. Die woche ist auch noch sehr lang und ich hab mir noch was ausgedacht, was alles nicht besser macht... XD

Was Vins Reaktion angeht, nein, so reagiert man wirklich nicht freundschaftlich, aber ... man traut sich ja nicht zu reden... XD

Danke für die lieben Geburtstagsgrüße und ich werde mir jetzt ein großes Eis gönnen! :D

Bis Sonntag! :3


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