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Wiedersehen im Frühling

FW 2018 für _Natsumi_Ann_
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Wiedersehen im Frühling

Kapitel o5
 

Wieder lag sie mit dem Gesicht nach unten im Kissen, rang schnaufend nach Atem und spürte den Druck seiner Hände noch immer auf ihren Hüften. Ihr Körper prickelte bis in den kleinsten Winkel, war erfüllt von Energie, purer Glückseligkeit und nicht zuletzt den Nachwehen ihres Treibens.

Wohlig seufzend ließ sie sich von ihm auf die Matratze sinken, umklammerte das Kissen und linste daraus hervor zu ihm auf. »Ich werde mich nie wieder beschweren, wenn meine Nachbarn vögeln!«

Nicks Hände glitten über ihren Rücken, hinauf zu den Schultern, ehe er ein Zischen von sich gab.

»Kate«, krächzte Nick und schien wahrlich um Beherrschung bemüht. »Kate, ich stecke noch immer bis zum Anschlag in dir, würdest du bitte aufhören so zuzupacken!«

Ein letztes Mal noch ließ sie ihre Muskeln um ihn zucken, dann tat Kate ihm den Gefallen. »Und was hast du jetzt damit vor?«, grinste sie erwartungsvoll.

Kaum, dass ihre Provokation die Lippen verließ, hatte Nick sich ihrer entzogen, packte sie erneut bei den Hüften und warf sie auf den Rücken.

»Hey!«, klagte Kate und versuchte mit dieser, ihr nicht zusagenden Position zurecht zu kommen.

Es gelang ihr nur vage, das Mienenspiel auf seinem Gesicht auszumachen, obschon die Sonne allmählich ihre Fühler ausstreckte und ersten Frühjahresboten den Tag begrüßten.

Nick langte nach ihren Fesseln und Kate spürte die feine, leichte Schwere des Kettchens, das durch sein Tun an ihrem Fuß hinabrutschte. Er wandte sich erst ihrem rechten Bein zu, küsste sich über ihre Zehen bis hin zum Fußrücken und hinterließ eine feuchte Spur an ihrem Schienbein, ehe sich Nick dem linken Bein widmete und ihm ebenso eine intensive, sanfte Behandlung schenkte. Kate wand sich unter den zarten Berührungen, spürte seine Knie an ihrem Gesäß.

»Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten«, bot er an und Kate zwang sich zur Konzentration, auch wenn ihr dies, basierend auf den zarten, streichenden Fingern seinerseits, nur schwer gelang. Mit heißen Wangen und glühendem Blick sah sie zu ihm auf, empfing das Zerren ihres Verlangens und begegnete ihm wohligem Seufzen. Etwas grob, aber bestimmend griff er nach ihren Gelenken, beugte sich ein wenig nach vorn, um diese in einem Nacken zu überkreuzen.

Kate bemerkte das Ziehen ihrer Muskeln und betete, dass dieser verdammte Krampf in ihrem Schenkel schnell verschwand. Nick legte für einen flüchtigen Moment den Kopf schief.

»Ist okay«, sagte er nur, löste den Knoten ihrer Fesseln und ließ ihre Beine bis zu den Kniekehlen auf seine Arme sinken. »Wir sollten dich wirklich ein bisschen besser trainieren.« Kate vernahm das Grinsen in seiner Stimme.

»Ich bin keine zwanzig mehr!«, murrte sie halb wartend, halb empört, dass er sich über sie lustig machte.

Nick kam ihr näher und öffnete ihr die Schenkel. Statt in seinem Nacken, verweilten ihre Beine nun über seinem Steißbein. Zitternd rang sie nach Atem, als er sich wiederholt in Stellung brachte und Kate genoss jede Sekunde, die ihre Zusammenkunft andauerte.
 

Mit amüsiertem Grinsen, lauschte er Kates regelmäßigen Atemzügen. Viel Zeit um auszuruhen, hatte er ihr nicht gelassen. Sein Blick glitt zum Fenster und der kleine Spalt zwischen Jalousie und Fensterrahmen zeigte ihm, dass der Tag hart und unbarmherzig an die Tür klopfte. Nick holte lang und gedehnt Luft. In nicht weniger als einer Woche würde er die Familie seines Vaters zum ersten Mal kennenlernen. Es war seltsam, dass er gerade jetzt, nach einer mehr als ausfüllenden und aufregenden Nacht mit einer ihm völlig fremden Frau, daran dachte. Dass es bisher nie zu einem Treffen kam, wusste er sich auch nicht zu erklären. Entweder waren seine Brüder und er für diese strapaziöse Reise zu klein, oder man hatte sie ins Ferienlager verfrachtet. Und irgendwann waren die Jungs dann zu alt und zu cool, um mit Mum und Dad in den »Urlaub« zu fahren. Ebenso schien ein Flug über den Großen Teich, mit einer Horde Pubertierender an Bord, nicht standesgemäß genug, zudem hatte sich die Urlaubsplanung seiner Eltern schon immer schwer gestalten lassen.

Nick schnaubte und fixierte ein Staubkörnchen, das auf dem Weg in Richtung Boden dahinsegelte. Ein knappes Ziehen in seinen Haaren, das sich kurz darauf in eine Massage wandelte und seine Kopfhaut prickeln ließ, hob ihm die Mundwinkel.

»Hey«, bei dem kleinen Wörtchen wandte er den Kopf nach oben. Nick hatte es sich an ihrem Becken bequem gemacht, nachdem er Kate zuvor auf bestialisch-erotisch-erfüllende Weise den vermeintlich letzten Funken Verstand raubte und diese mehr als erschöpft zu keiner Regung mehr fähig war. Er ließ seine Nase über ihre Haut wandern, sog ihren Duft in seine Lungen und arbeitete sich allmählich zu ihr empor.

»Hast du was?«, fragte Kate, ohne auf seine Avancen einzugehen.

»Ist das so offensichtlich?« Seine Stimme schien seit der letzten Nacht rau und kratzig und Kate bemerkte die leichten Bartstoppeln, die ihr über Schenkel, Bauch und Brust rieben, je näher Nick ihr kam.

Kate blinzelte ihm entgegen, als er an ihrer Schulter hielt und dort den Kopf ablegte. »Hey, du … hast ja braune Augen ...«

»Das fällt dir erst jetzt auf?«, schnaubte er mit erhobener Braue. »Schaust du jedem deiner Sexpartner erst danach in die Augen?«

»Entschuldige bitte, aber gestern Abend war es zu dunkel und als wir es wie die Karnickel getrieben haben, hatte ich meine Augen die meiste Zeit geschlossen«, verteidigte sich Kate knurrend.

»Oder im Kissen«, giggelte Nick. »Au!«, murrend rieb er sich den rechten Arm, als ihre Faust auf seinen Muskel traf.

»Tut mir leid, aber der Schlag war nötig«, rechtfertigte ihre leicht brutale Aktion. »Also, sagst du mir jetzt, was dich quält? Gewissensbisse wegen letzter Nacht? Oder den letzten drei Stunden?«

»Weder noch«, grinste Nick. »Wenn ich's bereuen würde, hätte mich schon nach dem zweiten Mal klammheimlich davongemacht. Oder vielleicht nach dem dritten ...«

»Was bin ich doch für eine glückliche Frau«, brummend streckte sich jene auf dem zerwühlten Laken aus. Als Nick jedoch nichts erwiderte, schoben sich ihr fragend die Augenbrauen zusammen.

»Es geht um meine Familie«, gestand er. In seinem Gesicht erkannte Kate die Zerrissenheit, die ihm zusetzte.

»Was ist mit ihr?« Kate machte sich wieder an seinen Haaren zu schaffen und begann Kopf und Nacken zu kraulen.

»Eigentlich nicht viel, nur … habe ich die Familie meines Dads noch nie gesehen«, murmelte er, rutschte an ihr hinab und bettete seine Lippen an ihrem Rippenbogen. Nun war es Kate, die schwieg. Da Familie eine sehr heikle Angelegenheit war, hielt sie sich diesbezüglich zurück.

»Mein Dad, er … na ja, er ist nicht mein richtiger Dad.« Kate überfiel ein Schauer, als seine warme Hand über ihre Hüfte strich.

»Also ist er dein Stiefvater?«, murmelte sie und spürte ihren Körper unter seinen Berührungen erneut weich werden.

»Ja und nein. Es ist etwas kompliziert. Aber da ich nur ihn kenne, stört mich das nicht.« So, wie Nick es sagte, schien er sich bereits lang genug damit arrangiert zu haben, grübelte sie.

»Und, wie ist deine Familie sonst so?«, da Kate nicht wusste, inwieweit sie sich vorwagen durfte, schien ihr zu viel Neugierde unangebracht. Also würde sie sich an vagen, belanglosen Fragen orientieren.

»Mum ist … sie ist Mum. Sie wuselt ständig um einen herum, wie eine Glucke. Hat ihr gar nicht gefallen, dass ich nach New York gezogen bin«, ein leises Lachen begleitete seine Worte.

»Und Geschwister? Ich meine, hast du welche?« Ihre Finger glitten aus seinen Haaren.

»Noch zwei Brüder, aber die wohnen noch bei Mum und Dad.« Nick bettete seine Lippen an der Wölbung ihrer Hüfte und ließ seine Finger über ihre Haut tänzeln.

»Dann bist du also der Einzige, der ausgezogen ist«, sinnierte Kate. »Sind sie älter, jünger …?«

»So wohl, als auch ...«, gab Nick, mit einem Anflug eines Lachens, zurück. »Du bist ziemlich neugierig ...«

Kate verzog schmollend die Lippen. »Hm, mag sein«, räumte sie ein, ehe sie mit der nächsten Frage womöglich eine Grenze zu überschreiten drohte: »Also, was bedrückt dich dann so?«

Zu ihrer Überraschung schien sich Nick nicht daran zu stören. »Ich soll sie nächste Woche besuchen. Meine Großeltern. Dads Eltern. Die gesamte Familie wird da sein, sagt Dad. Aber irgendwie ...« Ein leises Seufzen seinerseits folgte.

»Hast du keine Lust darauf, hm?«, schmunzelte Kate verstehend.

»Nein«, gab Nick wahrheitsgemäß zu.

»Dann fahr nicht«, sagte sie schlicht und war versucht, die Schultern zu zucken. »Du bist erwachsen, oder zumindest hoffe ich das ...«

Nick schnaubte und schüttelte den Kopf.

»Okay, lass uns … lass uns das Thema wechseln, denn einen grüblerischen, melancholischen Nick will ich in meinem Bett nicht haben ...« Kate machte eine scheuchende Bewegung, dann jedoch wurde ihre Hand von seinen Fingern umschlossen. Schwer schluckte sie.

»Na gut, Themenwechsel. Was willst du wissen? Und frag bitte nicht, ob mein Penis nur zur Dekoration da war, Lady, ich versichere dir, er hat schon viele Mädels glücklich gemacht.« Kate lachte bei seinen Worten, ihr gesamter Körper geriet dabei in Wallung.

Schniefend kam sie kurz darauf wieder zur Ruhe. »Und womit verdienst du dein Geld?«

»Mit Gelegenheitsjobs.« Nick zuckte die Schultern. »Was soll man hier auch sonst machen?!«

»Und was sind das für Jobs? O nein!«, rief sie alarmiert aus und setzte sich auf.

»Was?« Nicks verwirrtem Gesichtsausdruck konnte sie dennoch nichts entnehmen.

»Sag nicht, du dealst mit Drogen!?« Ihre Augen waren schreckgeweitet.

Er warf den Kopf in den Nacken und lachte feierlich. »Ich bin doch nicht verrückt!«

»Nimmst du Drogen?«, verlangte sie zu wissen. »Wie alt bist du?!«

»Nein, und … in drei Tagen werde ich einundzwanzig«, schmunzelte Nick. »Ist mein voller Ernst. Guck nicht so ungläubig! Soll ich dir meinen Ausweis zeigen?«

»Was? Ähm, nein, also ... Meinen Glückwunsch ... vorträglich?« Kate spürte, dass ihr Gehirn all die kleinen Informationen des ihr Unbekannten irgendwie ordnen musste. »Wann hast du Geburtstag?!«

»In … drei Tagen?«, grinste er amüsiert. »Am sechzehnten ...«

»Einen Tag vorm St. Patricks Day«, nuschelte sie und versuchte sich nicht von der Hand ablenken zu lassen, die soeben in tiefere Gefilde abzugleiten drohte.

»Vor was?«, kicherte er.

»St. - St. Patricks Day ...«, provokant langte sie abermals nach seinen Haaren.

»Ah, du meinst den irischen Nationalfeiertag?«, sinnierte Nick und tat, als habe er Kates Versuch, ihn zu ärgern, nicht bemerkt.

»Als wenn du das nicht wüsstest. Da bist du doch bestimmt ohnehin nicht mehr ansprechbar ...«, murmelte sie, fiel wieder in die Kissen zurück und schloss die Augen.

»Könnte sein. Und, Lady, was sind deine Laster? Ich meine, abgesehen von jungen Typen, die dich vor wirklichen Lastern retten, verdammt gut aussehen und dich die ganze Nacht wachhalten?« Das schelmisches Grinsen seinerseits verriet den Schalk jedoch.

»Kaffee ...«, nuschelte sie und versuchte sich dennoch wieder aus dem Bett zu quälen.

»Hey, wo willst du hin?«, murrte er widerwillig und gab die Frau, die eben noch zwischen seinen Fingern vergangen wäre, frei.

»Kaffee, hab ich doch gerade gesagt«, Kate zuckte die Schultern. »Willst du auch einen?« Sie musste dringend Abstand zwischen sich und diesem Exemplar bringen!

»Nein, danke. Aber sag mal, kochst du dir immer splitterfasernackt Kaffee?« Fassungslos schüttelte er den Kopf.

Kate, soeben im Begriff von der Diele in die Küche zu treten, hielt inne und warf ihm einen irritierten Blick über die Schulter zu. »Ich habe auch Milch da, wenn dir das lieber ist?«

»Kakao?« Nun legte Nick den Kopf schief und grinste, als ihr Lachen durch die Wohnung hallte.
 

Ungläubig blinzelte Kate gegen die Zeiger der Uhr an.

»Erst kurz nach sieben?« Eine kleine Grübelfalte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen, ehe sie dürftig das zerzauste Haar zusammenfasste.

Mechanisch und routiniert befüllte sie die Kaffeemaschine, laut begann diese den Brühvorgang, als Nick in die Küche schlurfte. Er legte den Kopf schräg und betrachtete die Rückansicht, mit der Kate ihn beglückte, mit einem zerknirschten Ausdruck auf dem Gesicht. Rasch hatte sie sich den Pulli sowie die Hose von gestern Abend übergestreift, ihre Mähne war nun zu einem losen Knoten gebunden.

Nick verweilte im Türrahmen und besah sich ihr Tun. Und obwohl er eine gewisse Übung ihrer Bewegungen zu erkennen glaubte, erschien Kate ihm fahrig und ein wenig nervös.

»Alles okay?« Seine Stimme ließ sie zusammenfahren. Kate warf ihm einen Blick über die Schulter zu und stellte mit Enttäuschung fest, dass Nick in Aufbruchstimmung schien. »Oh du ... gehst schon?«

Natürlich würde er gehen! Nick konnte es offenbar gar nicht abwarten, so schnell wie möglich von ihr wegzukommen. Kalte Angst und Unbehagen ballten sich in ihrem Magen zu einer Kugel, die ihr die Kehle hinaufkroch. Kate kostete es wahrlich große Mühe, das Gemisch aus Frust, Furcht und Entsetzen nicht emporkommen zu lassen.

»Sag mal, gibt's hier irgendwo eine Apotheke?«, fragte Nick, dessen Mundwinkel leicht mitleidig zuckten. Irritiert blinzelte Kate, dann schluckte sie und spürte, wie ihr sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich.

»Kate? Hallo? Apotheke?« Nick gehörte wohl nicht zu den geduldigsten Naturen. Dieser Umstand war ihr innerhalb der letzten Stunden schlicht entgangen.

Knapp wand sie den Kopf und versuchte das unangenehme Gefühl abzuschütteln. »Lex - Ich meine, in der Lexington Ave gibt es eine.«

»Und sagst du mir auch, wie ich dort hinkomme? Ich kenn' mich in der Upper East leider nur begrenzt aus.« Dass seine Lippen ein mildes Lächeln zierte, wusste Kate nicht einzuordnen.

Zittrig rang sie nach Luft, umfasste die Kante der Arbeitsplatte um ihre Wut zu zügeln, während die Kaffeemaschine protestierend gurgelte.

»Nach Norden. Du musst einen Block nach Norden, kannst es nicht verfehlen …« Kate schalt sich für die Schwäche, die ihre Stimme vibrieren ließ. Sie hatte sich blamiert!

»Alles in Ordnung?« Beinahe hätte sie bei den sorgenvollen Worten Nicks hysterisch aufgelacht.

»Klar.« Kate zwang sich zu einem Lächeln. Die Abscheu gegen sich wuchs mit jeder Sekunde, die er blieb.

»Ich hab nichts, keine Krankheiten, wenn dir das Sorgen macht«, warf Nick schnell ein, nicht begreifend, was diese Situation plötzlich so unangenehm hatte werden lassen.

»Schön zu hören.« Ruhe, sie musste die Ruhe bewahren! »Ich auch nicht.«

Dass Nick sie aus geschmälerten Augen betrachtete, entging ihr. Kates Fokus lag auf den braunen Maserungen in den Bodenfliesen. Als ihr Blick verschwamm, seufzte sie und starrte dann, bemüht schnell, zur Zimmerdecke auf.

»Wir sehen uns.« So schnell, zu schnell waren die Worte gesagt und Nick gegangen.

Ihr gelang es kaum, Atem zu holen, zu verwirrt, zu überrumpelt, zu verletzt war sie.

»Wehe, du brichst jetzt zusammen, du dumme Kuh!«, schluchzte Kate, fuhr sich dennoch fahrig über die Augen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie musste von allen guten Geistern verlassen und nicht mehr bei klarem Verstand sein!

»Ich bin so bescheuert!« Ihr Fluch blieb ungehört. Immer wieder schüttelte Kate den Kopf, als könne sie nicht begreifen, was in den letzten Stunden mit ihr geschehen war. Tief rang sie nach Luft, barg ihr Gesicht in den Händen. Mittlerweile wiesen die Zeiger auf halb acht.

»Er will zur Apotheke?«, schnaubte sie und schluckte schwer. »So ein Blödsinn!«

Kate wusste, dass sie sich an das wütende Gefühl klammerte, dass die Enttäuschung mit sich brachte. Duschen … Sie würde die vergangene Nacht erst einmal von sich waschen und sich dann mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass Nick ihr Ritter und Retter in der Not gewesen sein mochte, er jedoch wenig mit deren hochgelobten Tugenden gemein hatte.

Eiligst verdrängte Kate jene Tugenden, die sie vor Verzückung hatten aufschreien lassen. Sie musste zu ihrer alten Stärke zurückfinden und durfte sich nicht von einem One Night Stand aus der Bahn werfen lassen! So etwas passte nicht zu ihr, so jemand war nicht Kate!

Und auch wenn Nick nicht wiederkam, so hatte seine Anwesenheit dennoch etwa frisches, erfrischendes, lebendiges zurückgelassen. Und auch wenn er ihren Ausrutscher mit dem Prädikat »nur aus Mitleid« versah, dann …

»Es sollte mir egal sein. Es ist mir egal!«, murmelte Kate fortwährend, als sie das Bad betrat.
 

Das Handtuch zu einem Turban-ähnlichen Gebilde auf dem Kopf zusammengezwirbelt, ließ sich Kate mit dem Anziehen der Kleidung ausreichend Zeit. Es war keine Seltenheit, dass sie an einem Samstag so früh auf den Beinen durch die Wohnung streifte. Kate hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, den Tag mit einer Tasse Kaffee vor dem Fernseher zu beginnen, um den Kreislauf erst einmal auf Touren zubringen, ehe sie sich dem Haushalt widmete. Dass diese Gewohnheit nun jedoch ein wenig aus der Form geriet, würde sie nicht davon abhalten, sich auf dem Sofa zu lümmeln. Sie brauchte Ablenkung!

Auf leisen, nackten Sohlen tapste sie erst in die Küche, schnappte sich die obligatorische Tasse und trat dann ins Wohnzimmer. Ein Geräusch war es, dass ihre Ruhe störte und so gar nichts mit den Lauten gemein hatte, die ihr sonst zu Ohren kamen. Ein Brummen, energisch, und missgestimmt, von dem kleinen Couchtisch herrührend. Ein Handy, allerdings nicht Kates.

Skepsis zierte ihr Gesicht, als sie die Tasse abstellte und vorsichtig nach dem Telefon griff. Nick musste es vergessen haben. Kate wusste nicht, ob aus Eile, Schusseligkeit, oder vielleicht …?

Sie schüttelte den Kopf. Ob Nick das Mobiltelefon absichtlich zurückließ?! Kate erwartete, dass ihr der Name auf dem Display verriet, wer ihre Begleitung so dringend zu sprechen wünschte. Sie wurde nicht enttäuscht.

»Nicks Telefon, Kate am Apperat«, verkündetet Kate dem Anrufer. Erst blieb es still, dann vernahm sie das Getuschel einer Stimme. Einer weiblichen noch dazu.

»Äh, Kate? Ben hier. Ich wusste nicht, dass Nick ...« Ben, der vermutete Football-Spieler. Kates Lippen zierte ein schiefes Grinsen, die Worte des jungen Mannes am anderen Ende ließen ihre Stimmung jedoch wieder rapide gen Süden schnellen.

Das Gemurmel der Frau konnte Kate nicht verstehen, doch ein unerfreuliches Seufzen war zu hören.

»Kate?«, holte Bens Stimme sie aus den tiefen ihrer Gedanken. »Ist Nick zu sprechen?«

»Äh, nein, er … er ist kurz weggegangen. Ist es wichtig?« Unsicher suchten ihre Augen die Wohnung ab, glitten in Richtung Diele. »Ich weiß nicht, wann er wiederkommt.«

»Kein Problem, kannst du ihm sagen, dass ich angerufen habe? Die Jungs machen sich schon Sorgen.« Den letzten Satz begleitete eine Heiterkeit, die Kate nicht erwartet hatte. Das Gegröle im Hintergrund verriet allerdings, dass Ben mit den Mitbewohnern zusammensitzen musste.

»Ist in Ordnung, ich sag's ihm«, erklärte sie sich bereit. Sollte er wiederkommen.

»Hat mich gefreut, Kate und … richte Nicky aus, dass seine Mom uns bereits den ganzen Morgen terrorisiert. Bis dann ...« Das monotone Tuten am Ende zeigte deutlich, dass das Gespräch für beendet erklärt worden war.

Es gehörte sich nicht, und doch fiel Kates Augenmerk auf die Anzeige des Telefons, die sieben verpasste Anrufe preisgab. Das Klingeln an der Haustür schreckte sie auf. Das Handy glitt ihr aus der Hand und landete, zu ihrem Glück, auf den mit Teppich besetzten Boden.

Sie schüttelte den Kopf, legte das Telefon zurück auf den Tisch und eilte zur Gegensprechanlage.
 

Mit vor der Brust verschränkten Armen, nahm sie den Störenfried in Empfang. Grinsend, und mit einer Brötchentüte in der Hand, kam Nick die Stufen hinaufgehetzt.

»Öffnest du jedem so die Tür?« Über seinen neckenden Versuch konnte Kate nur milde lachen. »He, was ist los?«

Kate trat beiseite und gebot ihm Einlass.

»Kate?« Nick wandte sich zu ihr um. Es war ziemlich offensichtlich, dass er sich keinem Fehler bewusst war. Er hielt die Tüte in die Höhe. »Croissants?«

Sie schmälerte die Augen. »Was wird das?«

»Ich habe uns Frühstück mitgebracht«, verdutzt blieb Nick zwischen Diele und Küchenbereich stehen.

»Du hast dein Handy vergessen«, sagte sie, ohne auf sein Angebot einzugehen.

Nick legte den Kopf schräg, dann verrenkte er sich beinahe den Hals, um einen Blick auf den Wohnzimmertisch zu werfen. »Hab ich nicht.«

Ihre Augenbraue zuckte. »Ach nein?«

»Hast du gedacht, ich mach mich einfach aus dem Staub?«, kombinierte er messerscharf. »Oh, das hast du wirklich gedacht?!«

Seine Miene verzeichnete Bestürzung und ließ Bedauern erkennen. Nick legte die Tüte auf die Arbeitsplatte, dann kratzte er sich verlegen am Hinterkopf, ehe er sich ihr wieder zuwandte. »Kate, es tut mir leid. Ehrlich. Hör mal, ich … ich bin echt nicht der Typ, der ...«

»Der was?« Kate musste sich zusammenreißen. Sie durfte ihm jetzt nicht barsch und herrisch über den Mund fahren. Ihr Blick jedoch schien ihn bis an die nächste Wand zu heften.

»Ich verpiss mich doch nicht einfach, nach einem One Night Stand. Okay, manchmal schon ...«, gab er zu.

Immerhin war er ehrlich.

Dass er ihre gemeinsame Nacht jedoch als eine einmalige Sache abtat, an der definitiv nichts einmalig gewesen war, schmerzte ihr dennoch in der Brust.

Kate schloss die Augen und versuchte sich an einer beruhigenden Atemübung. Yoga war nie ihr Steckenpferd, und mehr als ein paar Techniken zur Entspannung hatte sie aus dem Schnupperkurs nicht mitgenommen. Aerobic lag ihr da schon eher, doch fehlte ihr dafür leider die nötige Freizeit.

»Wenn ich dir sage, dass ich mein Handy absichtlich hätte liegen lassen, würdest du mir glauben?« Nick betrachtete das Mienenspiel in ihrem Gesicht.

»Keine Ahnung«, sagte sie die Schultern zuckend. »Würdest du die Wahrheit sagen?«

Nick schnaubte leise.

»Es wäre mir gar nicht aufgefallen hätte die Vibrationsfunktion das Ding nicht fast vom Tisch gefegt«, murmelte Kate und rieb sich die Augen. Dann ließ sie ihn in der Küche allein zurück und begab sich ins Badezimmer, um ihr Haar in Ordnung zu bringen. Sowie das Handtuch ihre Mähne freigab, langte sie nach einem Kamm, und versuchte dem Wirrwarr Herr zu werden.

Im Augenwinkel bemerkte sie ihren Gast, der sich ein wenig nervös vor der Tür herumdrückte.

»Ben, er … er wollte dich sprechen. Es tut mir leid, dass ich an dein Telefon gegangen bin«, gestand Kate, schlang das Haar zu einem Zopf zusammen.

Nick horchte auf.

»Er sagte etwas davon, dass sich die Jungs Sorgen machen und dass deine Mutter angerufen hätte, und ihnen damit wohl ziemlich auf die Nerven ging«, fuhr sie fort und drängte sich an ihm vorbei. Es gelang ihr nicht, in seinem Gesicht zu lesen. Dass ihn etwas beschäftigte, stand jedoch außer Frage. Wortlos folgte er ihr ins Wohnzimmer, langte nach dem Telefon.

Wie lang Nick bereits das Gerät anstarrte, das, nach Kates Auffassung, mindestens eine halbe Dekade alt sein musste, konnte sie nicht sagen. Erst, als sie sich eine zweite Tasse Kaffee gönnte, und Nick noch immer nicht reagierte, nahm sie dies zum Anlass, Fragen zu stellen.

»Nick?« Dass sich Sorge in seinen Namen schlich, konnte Kate nicht verhindern.

»Ich schreib schnell eine SMS«, bemerkte er und ließ seine Finger über die Tasten huschen.

»Eine SMS? Ich dachte, dass wir in einem Zeitalter der regeren Kommunikation leben würden«, kicherte sie leise, doch dann verstummte Kate, da Nick sie mit einem bösen Blick bedachte.

»Ich brauche diesen Schnickschnack nicht«, erklärte er und legte das Telefon zurück auf den Tisch. Das Display blieb dunkel. »Im Übrigen ...«, hob Nick abermals an und wühlte in den Taschen seiner Jeans, ehe eine Packung Kondome zum Vorschein kam. »Habe ich keine Ahnung, was du vorher, oder gerade jetzt, in diesem Moment, von mir denkst ...«

Irritiert blinzelte Kate, warf einen knappen Blick auf die Packung, dann sah sie zu ihm. Nick zuckte jedoch nur mit den Schultern. »Weil wir so viel Spaß miteinander hatten, dachte ich … Na ja, okay, also ich hatte Spaß. Aber du warst vorhin so komisch, dass ich dachte, das es dir vielleicht auch gefallen hätte und deshalb ...«

Kate schwieg, dann wandte sie den Kopf von einer Seite zur anderen. »Du hast extra ...«

»Na ja, ich hab doch keine mehr, und ohne … Ich will nicht, dass was daneben geht«, erklärte er, ehe ihr Lachen abermals durch die Wohnung hallte.
 

Wenn man sie nach ihrem Wochenende fragte, würde Kate schweigen. Grinsen, aber schweigen. Dass sie die letzten Tage mit einem wesentlich jüngeren Mann verbracht hatte, würde ihr wohl niemand abnehmen. Himmel, sie glaubte es ja selbst kaum.

Als Nick ihr jedoch am späten Sonntagnachmittag eröffnete, dass es für ihn an der Zeit sei, zu gehen, verspürte Kate dennoch ein tiefsitzendes Gefühl der Eifersucht, des Verlusts und der erneut aufkommenden Einsamkeit.

Schweigend hatte sie ihm einen Zettel mit Adresse und Telefonnummer in die Hosentasche geschmuggelt, weder wissend, noch ahnend, ob es ihm überhaupt Recht war. Doch sie ließ ihn ziehen. Und auch wenn es ihnen nun an nichts mangelte und sie ihre Zeit nicht nur im Bett, sondern auch außerhalb dessen verbrachten, überkam sie Wehmut. Es hatte ihr gefallen und gut getan, die Verbindung zu einem Menschen, zu einem Mann, der ihr zwar fremd, aber dennoch vertraut geworden war.

Sie erzählten einander von der Arbeit.

Nick schlug sich mit ungeliebten Jobs durch, denn die Wohnung, welche er mit Ben, Mick und Tom bewohnte, wollte bezahlt werden. Da sich die anderen Drei wegen ihrer Stipendien um die Miete weniger sorgen mussten, blieb Nick nichts anderes übrig, als anderweitig an Geld zu kommen. So war er bereits als Fahrradkurier tätig, half in einem Lebensmittelgeschäft aus, packte auf dem Fischmarkt mit an. Doch wirklich sesshaft schien er nicht werden zu wollen. Seine Freunde strebten Karrieren an: Anwalt, professioneller Football-Spieler, Arzt, Ingenieur …

»Sich nur in eine strickte Richtung zu bewegen, bringt mir nichts«, hatte Nick erklärt und die Hände hinterm Kopf verschränkt. Kate lag bauchlings neben ihm auf der Matratze, den Kopf auf den Armen gebettet und ihn von der Seite her betrachtend.

»Manchmal denke ich, dass ich zu viel will. Zu viel wissen, zu viel kennen will, dass es kaum für ein Leben reicht.« Kate horchte auf, lächelte leicht.

»Daran ist doch nichts auszusetzen«, sagte sie und strich ihm eine verirrte Strähne des kohlrabenschwarzen Haares aus der Stirn.

Nick schnaubte. »Sagst du … Meine Eltern sehen das etwas anders. Ich soll etwas aus meinem Leben machen, schon klar, aber was bringt es mir, wenn ich todunglücklich bin?«

»Bist du das denn?«, hakte Kate vorsichtig nach.

»Nein, allerdings … will ich nicht feststecken. Feststecken in einem Job, der monoton und langweilig ist … Feststecken in einer Beziehung, die sich irgendwann kaputt fährt ...«

»Hast du so etwas denn schon erlebt?«, ihre Augenbraue schnellte empor. Kate tat sich schwer damit, sich vorzustellen, dass ihm Derartiges bereits widerfahren war.

Er linste neben sich. »Kate ...«

»Hey, du hast damit angefangen ...«, gab sie protestierend von sich.

»Natürlich nicht, allerdings sieht man so etwas doch ständig«, erklärte er. »Es fehlt das Feuer, die Unabhängigkeit, die Überraschung ...«

Wieder entkam ihr ein Laut des Klagens. »Wenn es dir hilft, mich hast du überrascht. Vorhin sogar zwei Mal hintereinander ...«

Leise schnaubte Nick bei ihren Worten.

»Es ist in Ordnung, Nick, wirklich. Und wer weiß? Wenn du alles erlebt hast, vielleicht denkst du dann anders darüber«, murmelte sie.

»Wie alt warst du noch mal, Lady?«, kicherte er.

»Ich werde einunddreißig«, gab Kate ungern, aber dennoch knurrend zu. »Glaub aber nicht, dass ich völlig ahnungslos bin!«



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  JO89
2018-07-03T19:02:06+00:00 03.07.2018 21:02
Ach es tut mir so leid, dass ich dir erst zu diesem Kapitel einen Kommentar schreibe, aber ich konnte mich einfach nicht losreißen. Ich war so neugierig zu erfahren, wie es weitergeht. Und ich liebe diese Geschichte total. ❤️
Ich bin gespannt wie es weitergeht
Es gibt ja noch ein paar Zeilen zu lesen 😉

Glg Jo
BTW die Geschichte kommt zackig auf meine Favoriten-Liste
Antwort von: irish_shamrock
03.07.2018 21:05
T///T
Ach, meine liebe JO89,
hab vielen, vielen lieben Dank für deinen Kommi + Favo~❤
Von:  _Natsumi_Ann_
2018-07-01T21:40:45+00:00 01.07.2018 23:40
Erst habe ich gedacht was soll dieses Gespräch plötzlich, aber im Nachhinein deutet es ja auf soviel hin XDD Eigentlich richtig genial schon Hins gesetzt XD

31 und 20, von mir aus hätte es noch extremer sein können xD

finde ich ja irgendwie süß dass er noch bleiben will ♡♡ manche dinge im leben sind vielleicht wirklich Schicksal, immerhin fühlen sie sich ja zu einander sehr hingezogen nach kurzer Zeit ♡♡ wäre da nicht der bittersüße Nachgeschmack der noch kommen wird...


♡♡


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