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Land unserer Väter

Magister Magicae 1
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich musste nochmal ein paar Tatsachen abändern, weil mir da ein Fehler mit den verschiedenen Arten von Magie unterlaufen war. Also nicht wundern, ihr Lieben, wenn euch das hier zum Teil schon bekannt vorkommt. :) Komplett anzeigen

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Duellant

[Moskau, Russland]
 

Ein Kind schnappte im Vorbeigehen Mischkas Pausenbrot und rannte lachend damit auf und davon. Mischka sprang stinksauer von seiner Schulbank hoch und nahm die Verfolgung auf. „Gib mir sofort mein Essen zurück!“, schrie er.

Sein Klassenkamerad Igor lachte gehässig und flüchtete den ganzen Gang hinunter, auf die Jungentoilette.

„He, Kinder, ihr sollt hier nicht rennen!“, rief ein Lehrer ihnen nach, aber er fand natürlich keine Beachtung.

In einer Kabine endete die Verfolgungsjagt. Mischka stand breitbeinig in der Tür, sein Kollege hielt das Brot lachend über das offene WC. Beide waren vom Rennen aus der Puste. Aber Mischkas gesunde Gesichtsfarbe rührte eher von der Wut als von den Sporteinlagen her.

„Jetzt werfe ich dein Essen ins Klo!“, kündigte der Junge an.

Mischka verengte drohend die Augen. „Wenn du das machst, dann ...“

„Ja? Was dann!?“

„Dann ... Dann hau ich dir eine auf´s Maul!“, platzte es so unfein wie mutig aus Mischka heraus. Igor war immerhin einen ganzen Kopf größer und gut doppelt so breit wie er selber. Aber die große Klappe haben konnte man ja trotzdem erstmal. Ob man es dann wirklich durchzog, konnte man später immer noch entscheiden.

Sein Klassenkamerad überlegte sichtlich, statt zu lachen. Er wusste, daß Mischka sich noch nie vor einer gehörigen Prügelei gedrückt hatte, auch nicht gegen eine Überzahl. Ganz unrealistisch war diese Drohung also nicht. Andererseits hatte der Hämpfling bei all seinen Schlägereien auch denkbar selten gewonnen. Igor nahm Haltung an, verschränkte die Arme samt dem Pausenbrot in der Hand, und reckte das Kinn. „Das wagst du ja doch nicht!“, zog er Mischka auf.

„Und wie ich das wage!“

„Na, dann los!“, legte der Mitschüler provokant nach und kam einen Schritt auf Mischka zu. Wieder aus der Klokabine heraus. „Komm schon, tu´s doch!“ Noch zwei feste Schritte auf Mischka zu, Mischka selbst wich bereits eingeschüchtert zurück, dann prallte Igor plötzlich mitten in der Bewegung zurück, als wäre er mit Wucht gegen eine Glasscheibe gerannt.

Mischka sah noch das Blut aus Igors Nase schießen, bevor dieser das Essen fallen ließ und sich die Hände stattdessen brüllend ins Gesicht presste. Die rote Suppe quoll sofort haltlos zwischen seinen Fingern heraus. Schockiert ging Mischka auf Abstand.

Sein Klassenkamerad ging rückwärts zu Boden und wälzte sich dort, immer noch schreiend, herum.

Ein Lehrer platzte herein, stürzte fluchend zu Igor und zog ihm die Hände fast gewaltsam aus dem Gesicht, um erkennen zu können, was los war. Igor hatte derweile schon sein halbes T-Shirt vollgeblutet.

Mischka war unfähig, sich zu rühren. Weitere Personen stürmten herein, angelockt von dem Theater, und wollten wissen, was los war. Irgendwo ging ein Wasserhahn los. Jemand brachte eine Ladung Papierhandtücher, die sich der Junge auf die blutige Nase pressen konnte.
 

Eine halbe Stunde später kam Boris Bogatyrjow in die Schule. Er war angerufen worden, daß er seinen Sohn bitte abholen solle. Dazu hatte er eher von der Arbeit verschwinden müssen und der Anraunzer, den er dafür von seinem Chef kassiert hatte, besserte seine Laune auch nicht gerade.

Inzwischen war wieder etwas Ruhe eingekehrt. Mischkas Klassenkamerad war schon längst mit dem Krankenwagen abtransportiert worden. Igor hatte eine gebrochene Nase, offensichtlich in Folge einer Gewalteinwirkung. Mischka saß im Sekretariat der Schule und heulte immer noch Rotz und Wasser, als sein Vater herein kam.

Nachdem er kurz mit dem Direktor der Schule gesprochen hatte, um sich über die Ereignisse und eventuell zu befürchtende Konsequenzen aufklären zu lassen, zog er mit seinem Kind von dannen. Mischka war für den Rest der Woche vom Unterricht ausgeschlossen worden. Ob es einen Schulverweis geben würde, wusste man noch nicht. Das war noch zu beratschlagen, nachdem es eine größere Aussprache mit einem Schulpsychologen, dem betroffenen Kind und dessen Eltern gegeben hatte. Boris Bogatyrjow sagte lange nichts und lief nur düster schweigend neben seinem Sohn her, während sie auf dem Weg nach Hause waren.

„Papa, ich war das wirklich nicht!“, ergriff Mischka also irgendwann als erster das Wort. Irgendwas musste er einfach sagen.

Sein Vater funkelte ihn böse aus dem Augenwinkel an. „Ich habe die Nase voll von deinen ständigen Kapriolen!“

„Aber ich habe Igor nicht geschlagen!“

„Willst du etwa sagen, dein Klassenkamerad hätte sich die Nase selber gebrochen? Du hast ihn in eine Klokabine eingesperrt und damit gedroht, ihn zu verprügeln! Und es war niemand anderes da!“

„Ich hab ihn gar nicht eingesperrt! Und es war ein Unfall! Ich kann das nicht erklären! Seine Nase hat plötzlich ganz von alleine ...“

Der Vater zischte sauer, um ihn zu unterbrechen. „Du bist schon oft genug in Pausenhof-Schlägereien verwickelt gewesen. Dir traue ich so viel Gewaltpotential durchaus zu.“

„Aber ...“

„Halt jetzt den Mund. Ich will deine billigen Ausflüchte nicht mehr hören.“

Mischka begann wieder zu weinen.

„Ja, heul nur. Hausarrest bekommst du trotzdem! Sei froh, daß ich dir nicht den Arsch voll haue, du Tölpel! Du gehörst in ein Erziehungslager, wo man dir mal ein paar Manieren beibringt! Ich hab deiner Mutter immer wieder gesagt, daß sie euch Kinder nicht so verhätscheln soll. Und das haben wir jetzt davon: einen gewalttätigen Sohn. Als nächstes rennst du wahrscheinlich mit einem Messer in die Schule. Ich sollte dich besser gleich auf eine andere Schule schicken, bevor der Direktor dich rausschmeißt.“

„Nein!“, jaulte Mischka verzweifelt auf. Wer sollte denn seine Schwester Inessa beschützen, wenn er nicht mehr da war?
 

Am nächsten Vormittag stand Mischka schlecht gelaunt in der Gemeinschaftsküche und spülte Geschirr. Er war zwar für den Rest der Woche vom Unterricht ausgeschlossen und musste daheim bleiben, aber das hieß ja nicht, daß seine Eltern deswegen auch zu Hause bleiben konnten. Die mussten auf Arbeit. Also hatten sie ihren Sohn gehörig mit Hausarbeiten eingedeckt, um ihn bei Laune zu halten, solange er alleine in der Wohnung saß. Damit er keinen Blödsinn anstellte, hatten sie gesagt.

Frau Beloussov, die alte, griesgrämige Witwe mit dem weiß-braunen Hündchen, erschien in der Küchentür und blieb irritiert stehen. „Mischka. Es ist Mittwoch. Solltest du nicht in der Schule sein?“

„Nein. Ich hab Hausarrest“, gab der blonde Junge wortkarg zurück.

Die Alte machte ein Geräusch wie ein quietschendes Türscharnier, womit sie für gewöhnlich ausdrückte, daß sie gerade schwer am Denken war. „Hast du etwa was ausgefressen?“

„Ich hab einem Mitschüler die Nase eingeschlagen. ... Jedenfalls denken das alle.“

„Ah. Und was denkst du selber?“

Mischka stellte den letzten Teller ins Abtropfgestell und zog den Stopfen aus der Spüle, um das Wasser abzulassen. „Es war ein Unfall. Er ist gegen ein Hindernis gerannt. Ich habe nicht genau gesehen, was es war. Ich war es jedenfalls nicht.“

Frau Beloussov beobachtete aufmerksam das Spülwasser, das strudelnd im Ausguss verschwand, während sie weiter nachdachte. „Aber du hast es gesehen!?“

Mischka rieb sich unmotiviert die Augen. „Ich hab keine Ahnung. Es war, als ob er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen ist, oder so.“

Frau Beloussov nickte verstehend. „Das war kein Unfall, Junge. Das war schiefgelaufene Magie.“

„Was!?“

„Ein typischer Fall von gerade frisch erwachtem und deshalb komplett unkontrolliert eingesetztem, magischen Talent“, bekräftigte sie nochmals. Wahrscheinlich Bann-Magie, ein versehentlich heraufbeschworener Schutzschild, oder sowas. Aber das heraus zu finden, oblag nicht ihr. Darum mussten sich Mischkas Eltern schon selber kümmern. Mit einem schiefen Lächeln hinkte sie zum Kühlschrank, um sich etwas zu essen heraus zu nehmen, und dann wieder aus der Küche hinaus, und verschwand in ihrem Zimmer der Kollektivwohnung.
 

Als seine Eltern am Nachmittag mit Inessa nach Hause kamen, hatte sich im Wohnzimmer der Bogatyrjows nicht sonderlich viel getan. Es war immer noch alles unordentlich. Die Betten waren nicht frisch bezogen, nicht einmal aufgeschüttelt, die Fenster waren nicht geputzt, die Schränke nicht entstaubt, der Linoleum-Boden nicht gewischt, überall lagen noch Sachen herum. Mischka saß am Tisch und starrte verträumt in eine leere Kaffeetasse.

„Solltest du nicht aufräumen?“, wollte seine Mutter wissen. „Was hast du denn den ganzen Tag hier gemacht?“

Mischka schaute sie an und strahlte wie ein Honigkuchen. „Mama!“, grüßte er begeistert. Ein breites Grinsen von einem Ohr bis zum anderen. „Schau mal was ich kann! Versuch mal, die Tasse hochzuheben!“

Hinter ihr trat auch sein Vater noch ins Zimmer ein.

Mit einem brummigen Ton kam seine Mutter also näher und schnappte die Tasse vom Tisch. Oder versuchte es zumindest. Sie pappte wie Bombe auf der Tischplatte fest und ließ sich keinen Millimeter verrücken. „Mischka, was hast du getan!? Hast du die Tasse mit Sekundenkleber auf den Tisch geklebt?“ Sie zog fester an dem Porzellan, in der Hoffnung, es irgendwie wieder lösen zu können. Ihr Gesicht wurde dabei schlagartig finsterer. Das fand sie überhaupt nicht lustig.

„Ich bin magisch begabt! Ein Magier!“, erzählte Mischka stolz wie Bolle und machte eine kryptische Handbewegung. Daraufhin gab die Tasse plötzlich nach und seine Mutter geriet von dem so unvermutet fehlenden Widerstand beinahe ins Straucheln.

Seinen Eltern schliefen synchron die Gesichter ein. „Ach du Scheiße ...“, hauchte seine Mutter entsetzt. „Er ist ein Freak.“ Sie wechselten verunsicherte Blicke.

„Kann man dagegen irgendwas machen? Ist das behandelbar?“, wollte der Vater leise von ihr wissen.

„Ich weiß nicht. Wo kommt sowas denn her?“

„Mama? Papa?“, hakte Mischka nach, in seiner Freude schlagartig massiv gedämpft. Er hatte gedacht, seine Eltern würden das cool finden und stolz auf ihn sein. Immerhin hatte er den ganzen Tag mit der Tasse geübt, um dieses Kunststück hin zu bekommen. Aber ihre Reaktion wirkte eher fassungslos, als wäre das etwas ekelhaftes, krankhaftes.



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