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Land unserer Väter

Magister Magicae 1
von

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Single

[London, England]
 

“Liebster Ruppert,
 

Unser Rendezvous gestern war wunderschön und ich möchte mich nochmal dafür bedanken. Du bist ein lieber Kerl. Ich mag dich wirklich sehr. Und auch mit deiner magischen Begabung könnte ich leben. Aber ich muss dir leider sagen, daß ich mir mit dir keine dauerhafte Beziehung vorstellen kann. Ich kann nicht damit umgehen, daß du zu jeder Tages-und-Nacht-Zeit, wo auch immer du gehst und stehst, Edd um dich hast. Im Moment mag es mich noch nicht stören, wenn er bei jedem unserer Dates dabei ist, aber ich denke weiter. Irgendwann wird es peinlich werden, wenn er uns bei unseren romantischen Liebesgesprächen zuhört oder uns beim Küssen beobachtet. Wenn wir irgendwann ein gemeinsames Haus haben, soll er dann etwa mit bei uns wohnen? Mit in den Urlaub fliegen? Mit in unsere Familienangelegenheiten eingeweiht werden? Ich werde dich nie für mich allein haben. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich mit dir eine Nacht verbringen soll, wenn er dabei im Nachbarzimmer sitzt.

Es tut mir leid. Unter einer Beziehung stelle ich mir etwas anderes vor. Ich weiß, du kannst nichts dafür und ihr habt beide keine Wahl. Als Magi musst du einen Schutzgeist haben, das ist nicht zu ändern. Aber ich komme damit nicht klar. Ich brauche mehr Intimsphäre. Ich hoffe, du bist mir nicht böse. Und ich hoffe, du findest ein liebes Mädchen, das mit deiner Situation leben kann und mit dem du glücklich wirst.
 

Deine Kiki.“
 

Etwas verbittert las Ruppert wieder und wieder diese e-mail. Er hatte einen Korb bekommen. Mal wieder. Jedes verdammte Date endete so. Jedes einzelne! Und er konnte nichtmal was dafür. Es war Edd. Dieser verdammte Genius war an allem Schuld. Riesengroßer Mist! Dabei hatte er Kiki so süß gefunden. Er hatte wirklich gehofft, daß es mit ihr ernst werden könnte.

Der Genius platzte ganz selbstverständlich ins Zimmer herein und warf einen Arm voll Wäsche auf Rupperts Bett. Wenn er Langeweile hatte, half er manchmal der alten Haushälterin beim Zusammenlegen der gewaschenen Kleidung, oder sowas.

Ruppert stand von seinem Computer-Drehstuhl auf und kam mit zum Bett herüber. „Lass die Pfoten von meinen Sachen. Wie oft muss ich dir das noch sagen?“, maulte er und nahm Edd die erste Hose wieder aus den Händen.

„Oh, der Herr hat schlechte Laune“, stellte der Genius näckisch fest.

Ruppert packte ihn unvermittelt am Schlawittchen und zerrte ihn zum Computer hinüber, so rigeros und grob, daß der gar nicht wusste, wie ihm geschah. „Noch ein Wort und du erlebst meine schlechte Laune erst so richtig, das verspreche ich dir!“, zischte er dabei. Er drückte Edd fast gegen den Bildschirm.

Erschrocken überflog Edd schnell, was in der immer noch offenen e-mail stand, auf die er buchstäblich mit der Nase gestoßen wurde. Er war sich im ersten Moment nämlich gar keiner Schuld bewusst. Er wusste nur, daß Ruppert wirklich ekelhaft bis hin zu grausam werden konnte, wenn ihm irgendwas nicht passte.
 

Als Magi hatte Ruppert das Sagen und war der Boss, zumindest nach alter Schule. Sein Schutzgeist hatte zu gehorchen. Das wusste Ruppert, machte vollumfänglich Gebrauch von diesem Recht, und nutzte es bisweilen auch regelrecht aus. Eigentlich widerten Genii ihn nämlich an. Aber als magisch begabter Mensch – auch das wusste er – musste er wohl oder übel einen Genius an seiner Seite dulden.

Normalerweise waren Magi von Geburt an über ein silbernes Band mit dem Schutzgeist verbunden, der zu ihnen gehörte. Der Schutzgeist, der Genius Intimus, spürte diese Verbindung und kam ihn suchen, sobald bei seinem Schützling die magische Begabung zum ersten Mal zu Tage trat. Das geschah für gewöhnlich schon in den Kindertagen, irgendwann um die einsetzende Pubertät herum. Bei Ruppert lag das ebenfalls schon 11 Jahre zurück. Dumm war nur, daß sein Genius Intimus nie aufgetaucht war. Sein Vater hatte Ruppert sogar zu einem anderen Hellseher geschleppt, um das silberne Band zurückverfolgen zu lassen und den Schutzgeist selber zu suchen. Aber Rupperts silbernes Band war gekappt gewesen. Es gab schlicht und ergreifend keinen Genius Intimus, der mit Ruppert verbunden gewesen wäre. Daraufhin hatte sein Vater einen ungebundenen Genius als Bodyguard angeheuert, der den eigentlichen Schutzgeist ersetzen und auf Ruppert aufpassen sollte. Als 'Babysitter', wie Ruppert es immer verächtlich nannte. Genug Geld dafür hatte Edelig Senior als Bankenbesitzer ja glücklicherweise. Nur war Ruppert alles andere als froh darüber. Er empfand seine 'Babysitter' nicht als Beschützer oder Freunde, die da waren, um ihm zu helfen, sondern als pure Überwachung, als Bevormundung und Einschränkung seiner Freiheiten.

Soviel Edd wusste, war er bereits der dritte Genius, der als 'Babysitter' für diesen garstigen Rotschopf eingestellt worden war. Die beiden vor ihm hatten die Segel gestrichen, weil sie es nicht mehr ausgehalten hatten, wie grob und verächtlich Ruppert mit ihnen umgegangen war. Aber Edd hatte ein dickes Fell, er ließ sich nicht so leicht ins Boxhorn jagen. Da er auch ein paar Jahre älter als sein herablassender Schützling war, konnte er den ganz gut im Zaum halten. Und die Bezahlung war gut. Weniger in Zahlungsmittel-Währungen, sondern vielmehr in puren Goldklumpen und -barren. Greifen liebten Gold. Sie galten schon seit jeher als die Hüter und Wächter von Goldmienen und dergleichen und kleideten sogar ihre Nester mit Gold aus. Einen Greifen konnte man immer mit Gold ködern. Aber ob er sich diesen Job jetzt wirklich für den Rest seines Lebens antun wollte, wusste Edd trotzdem noch nicht so genau. Solche Situationen wie diese hier ließen ihn immer arg daran zweifeln. Das Leben als ungebundener Genius war doch irgendwie angenehmer, schon weil man da nicht 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche im Dienst war. Die meisten Genii, also Fabelwesen, waren ungebunden. Nur wenige hatten ein menschliches Gegenstück, mit dem sie verbunden waren.
 

„Tja ...“, meinte Edd vorsichtig, nachdem er die e-mail zu Ende gelesen hatte, und richtete sich wieder in eine gerade Körperhaltung auf. Aufrecht stehend war er noch ein paar Zentrimeter größer als Ruppert selbst. Er hatte lange, dunkle Dreadlocks, die er nach hinten zu einem Zopf band, und einen Kinnbart entlang des gesamten Unterkiefers. Zusammen mit den feinen Business-Anzügen, die im Bankgeschäft eben üblich waren, bot das eine äußerst interessante Mischung. „Schade, daß das Mädchen ein Problem damit hat“, kommentierte er.

„Das ist DEINE Schuld!“, pflaumte Ruppert ihn an, inzwischen schon damit beschäftigt, seine Klamotten mit Wut selber zusammen zu legen.

„Jetzt übertreibst du.“

„Ist es zuviel verlangt, ein normales Leben führen zu wollen? Ich will doch nichts weiter als eine Frau heiraten, vielleicht Kinder haben, und einem ganz normalen Job nachzugehen! Wie jeder normale Mensch!“

„Du bist aber kein normaler Mensch, Ruppert. Du bist ein Magi. Du bist zu was Höherem geboren. Damit wirst du dich abfinden müssen.“

„Das will ich aber nicht!“, motzte Ruppert. „Ich will normal sein! Du zerstörst mir mein ganzes Leben! Und da wundern sich immer alle, warum ich was gegen Genii habe.“

Edd musste sich beherrschen, um nichts Falsches zu sagen. Diese Ansage war jetzt alles andere als erwachsen gewesen. Von einem inzwischen 23-Jährigen hatte Edd sich irgendwie mehr Verstand erhofft. Er konnte doch nicht die ganze Welt dafür verantwortlich machen, daß seine Angebeteten ihm immer absprangen. Überhaupt, was konnten denn all die Genii da draußen dafür, daß er eine magische Begabung hatte? „Hast du schonmal darüber nachgedacht, dich nach einem Mädchen umzusehen, das auch magisch begabt ist und selbst eine Genia Intima hat? Die würde mit so einer Form des Familienlebens sicher besser klarkommen.“

„Wenn du mir sagst, wo ich eine finde!?“, trotzte der Student schlecht gelaunt herum.

Also, DABEI hätte Edd ihm helfen können. Wenn Ruppert sich mal für einen magischen Studiengang entschieden hätte und auf einen Magister Magicae studiert hätte, statt sich auf Bankwesen zu stürzen, hätte er auch andere magisch Begabte in seinem Alter kennen gelernt. Jungen wie Mädchen. Aber das sagte er nicht laut, sonst flippte der miesepetrige junge Mann ihm noch komplett aus. „Los, lass uns in die Kneipe gehen und einen trinken, damit du wieder runter kommst“, schlug er stattdessen stoisch vor.

„Nichts dagegen. Mich zu besaufen klingt gerade nach einem super Plan. Du bezahlst! Du bist ja schließlich an allem Schuld!“

„Meinetwegen ...“, seufzte Edd augenrollend.
 

Edd spazierte schon seit einer ganzen Weile schweigend neben seinem Schützling her und beobachtete ihn unauffällig von der Seite. Der Weg zur Bar zog sich etwas. Ruppert hatte eine verschlossene, introvertierte Miene und brütete dumpf vor sich hin. Man musste ihn beinahe am Ärmel festhalten, damit er nicht blind vor ein fahrendes Auto lief, so gedankenversunken war er. „Rob?“

„Hm“, machte der nur, auch wenn er die Kurzform 'Rob' statt 'Ruppert' nicht mochte. Ein Zeichen dafür, wie nieder er wirklich war. Ihn 'Rob' zu nennen, war für gewöhnlich ein garantierter Zünder, um ihn hochgehen zu lassen wie eine Stange Dynamit. Aber jetzt sah er auch weiterhin nicht auf.

„Verrätst du mir etwas?“

„Hm.“

„Was hast du wirklich gegen Genii?“

Ruppert fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. „Du hast die e-mail doch vorhin gelesen, oder etwa nicht?“, grummelte er müde.

„Aber das kann doch nicht alles sein. Ja, immer einen Genius Intimus bei sich haben zu müssen, macht Rendezvous nicht gerade einfach. Und ich sehe ein, daß du trotzig bist und dich ärgerst, wenn du eine Abfuhr kriegst. Aber das ist doch kein Grund, alle Genii der Welt so zu verteufeln. Zumal es so viele verschiedene Arten von ihnen gibt. Du hasst Genii. Und dieser Hass sitzt bei dir tiefer. Da steckt mehr dahinter. Ich würde einfach gern verstehen, was es ist. Hat dir mal irgendein Genius was angetan?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ach ja, ich vergaß zu sagen: Nicht wundern, wenn die Charaktere im Laufe der Zeit immer mal eine Idee älter werden. Diese Story hier spielt nicht gerade binnen 3 Wochen. Komplett anzeigen

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