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Land unserer Väter

Magister Magicae 1
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier ebenso: inhaltliche Änderung aufgrund Fehler meinerseits.
Danke an Salix für den entsprechenden Hinweis. ^^ (Aber die Szene mit dem Feuerlöscher musste einfach da bleiben! Die habe ich zu sehr geliebt. XD) Komplett anzeigen

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Helfer

[Moskau, Russland]
 

„Wie, Sie haben keine Arbeit?“

„NOCH nicht“, betonte Waleri. „Ich bin vor ein paar Tagen erst wieder in Russland angekommen. Ich werde mir natürlich eine Arbeit suchen. Aber das geht schlecht, solange ich keine feste Wohnanschrift habe.“

„Wenn Sie kein geregeltes Einkommen haben, werden Sie hier kein Mieter!“

„Aber ich habe doch Geld!“, diskutierte er weiter. „Ich bezahle die ersten drei Mieten im Voraus. Wo ist denn das Problem?“

„Für Mietnomaden ist hier kein Platz!“ Mit diesen Worten wurde ihm die Tür vor der Nase zugeklappt. Wie schon mehrere vorher.

Waleri saugte sich mit Luft voll und ließ diese dann betont langsam wieder entweichen, damit er sich jetzt nicht aufregte. Er hatte schon aufgehört, seine Absagen mitzuzählen. Es war zum Verzweifeln. Hatte man in Moskau keine Arbeit, bekam man keine Wohnung. Und hatte man keine Wohnung, bekam man keine Arbeit. Ein Teufelskreis. Vielleicht sollte er doch von der Hauptstadt erstmal Abstand nehmen und es weiter draußen auf dem Land versuchen. Dort war es bestimmt einfacher, Fuß zu fassen. Der Glatzkopf schob die Hände in die Jackentaschen und spazierte davon. Wo sollte er es als nächstes versuchen? Es war gerade erst kurz nach dem Mittag, der Tag war noch jung. Und auch wenn er jetzt schon keine Lust mehr hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als weiter nach Wohnung und Arbeit zu suchen. Er konnte nicht sehr lange in der Pension wohnen bleiben, in der er sich vorläufig einquartiert hatte, sonst würden seine finanziellen Rücklagen verschwinden wie in einem schwarzen Loch.

Er war kaum ein paar hundert Meter die Straße hinunter gewandert, da brachte ein seltsames Gefühl ihn jäh zum Stehen. Seine rechte Hand ruckte reflexartig zum Magen, obwohl er eigentlich gar nicht so genau einordnen konnte, wo dieses Gefühl wirklich saß. Ein heiß-kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Und eine erleuchtungsartige Erkenntnis verdrängte für einen Moment sämtliche andere Gedanken aus seinem Kopf. Es war ein wenig vergleichbar mit dem Moment, wenn man sich aus heiterem Himmel an etwas furchtbar Wichtiges erinnerte, das man vergessen hatte, zusammen mit dem Wissen, daß man deshalb jetzt richtig am Allerwertesten war.

Waleri brauchte ein paar Atemzüge, um diesen überraschenden Anfall von Eingebung zu verarbeiten und sich überlegend in der Straße umzusehen, dann änderte er seine Richtung. Die Wohnungssuche musste warten. Er hatte jetzt erstmal einem stärkeren Ruf zu folgen, den er selbst noch nicht ganz einschätzen konnte.
 

„He, Hexe, wohin so eilig?“, feixten die vier Schüler, die Mischka an diesem Nachmittag am Schultor abfingen.

Der Junge atmete genervt durch. Er hasste es, wenn die ihn 'Hexe' nannte. Er war ein Magier, und keine Hexe. Dummerweise hatte er die Sache mit der festgebannten Kaffeetasse zu Hause einmal hinbekommen, und danach nie wieder. Er konnte sein Talent noch nicht kontrollieren. Darum glaubte ihm keiner. Seine Klassenkameraden waren bis heute der Meinung, er hätte Igor tatsächlich konventionell krankenhausreif geschlagen, und taten die Sache mit der Magie als Ausrede ab. „Was wollt ihr?“, presste Mischka mürrisch hervor. Er überlegte schon, wie er die möglichst unkompliziert und ohne Aufsehen loswerden konnte. Leider musste er sich still verhalten. Wenn er noch einmal bei einer Rangelei erwischt wurde – völlig egal worum es dabei ging oder wer angefangen hatte – flog er definitiv von der Schule.

„Du hast lange niemanden mehr verhext!“, spottete einer der Mitschüler weiter. „Ist dir der Feenstaub ausgegangen?“

„Halt die Klappe, sonst schlag ich dir deine Nase auch noch ein! Und zwar ganz ohne Magie!“, konterte Mischka sauer und spürte, wie das hier schon wieder in eine handfeste Auseinandersetzung abdriftete. Wieso nur ließ man ihm nie eine Wahl? Er wollte sich ja gar nicht prügeln, aber es wurde ihm förmlich aufgezwungen. „Lasst mich jetzt durch! Ich will gehen!“, verlangte er, in der Hoffnung, diese Situation irgendwie gewaltfrei verlassen zu können.

Aber die vier Jungen, die sich durch ihre Überzahl durchaus sicher fühlten, dachten gar nicht daran, ihm den Weg frei zu geben. Stattdessen zog einer die Jacke weg, die als Sichtschutz über einem bisher undefinierbaren Gegenstand gehangen hatte, und brachte darunter einen Feuerlöscher zum Vorschein. Den hatten die vier wahrscheinlich irgendwo aus dem Schulgebäude entwendet. „Versuch uns doch zu verdreschen, du Großmaul! Mit Magie oder ohne, wir sind vorbereitet!“

„Genau! Du hast ja bloß die große Fresse, das ist alles!“

Ehe Mischka reagieren konnte, war der Sicherungs-Ring gezogen, der Auslöser gedrückt und ein harter, fauchender Pulverschaum-Strahl riss ihn von den Füßen. Er wurde aufs gründlichste mit dem Löschmittel eingeseift und konnte sich nur machtlos spuckend und hustend am Boden wälzen. Bis er irgendwann merkte, daß das Zeug in seinem Gesicht gar nicht ankam. Er hatte instinktiv eine Barriere aus Bann-Magie vor seinem Kopf erzeugt. Aber so wie Mischka sich des Schutzschildes bewusst wurde, verpuffte dieser wieder. Willentlich mit seinem neuen, magischen Talent arbeiten konnte er nämlich noch lange nicht. Zum Glück hatte der Feuerlöscher seinen Inhalt in diesem Moment auch schon entleert und hörte auf, immer mehr weißes Löschmittel zu speien, so daß sich ein Schutz dagegen nicht mehr erforderlich machte.
 

Waleri stand auf der anderen Straßenseite, mit der Schulter an einen Baum gelehnt, die Arme verschränkt, und verfolgte das Spektakel kopfschüttelnd. In ihm spulten eine ganze Reihe von Fragen und Gedanken herunter. Gar kein Zweifel, der blonde Junge, der da gerade eingeseift worden war, war sein Schützling. Waleri hatte kein Problem damit, ein Genius Intimus zu sein, aber wieso jetzt noch? Für gewöhnlich fanden sich Schützling und Schutzgeist schon im Kindesalter. Und wieso war sein Schützling so entsetzlich jung? Normalerweise waren Magi und ihre Schutzgeister doch immer ziemlich gleichalt. Waleri war 31, während der Knabe da bestenfalls 12 oder 13 sein konnte. Okay, auch das allein wäre jetzt kein Beinbruch gewesen. Aber als sein Genius Intimus musste er ständig an der Seite des Jungen bleiben und ihn überall hin begleiten. Musste er jetzt ernsthaft wieder in die 6. oder 7. Klasse gehen? Das war ja furchtbar!
 

„Na, Hexe? Was sagst du jetzt!?“, lachten die vier Jungen gehässig.

„Ihr Schweine!!!“ Mischka sprang auf, musste kurz auf dem glitschigen Löschschaum Halt finden, und wollte sich sofort auf den erstbesten Mitschüler stürzen, den er zu fassen bekam, um ihn ordentlich durchzuprügeln.

„Das reicht jetzt, Kinder!“, ging eine tiefe Bass-Stimme dazwischen und Mischka und sein Gegner wurden am Kragen gepackt und auseinander gezogen.

Ein entrüstetes „Fuck“. Drei der Jungen rannten sofort schreiend davon. Der vierte, der nicht weg konnte, weil er noch im Genick festgehalten wurde, gaffte Waleri einfach nur wie erstarrt an. Der sah aus, als könnte er Eisenstangen mit bloßen Händen verbiegen und mit seinem mächtigen Unterkiefer Konservendose kauen. Die riesige, bullige, breitschultige Statur, der wuchtige, kahlrasierte Kopf mit den harten, kantigen Gesichtszügen, die muskelbepackten Bodybuilder-Arme, bis zu den Schultern hinauf lückenlos zutätowiert, ... er bot aber auch wirklich eine furchteinflößende Erscheinung. Insbesondere, da er ganz bewusst noch seine Jacke ausgezogen hatte, bevor er dazwischen gegangen war, um mehr Eindruck zu schinden. Wenn er in seinen langen Jahren als Boxer im Ring eines gelernt hatte, dann das: Psychologie war wichtig.

Mischka brachte eher ein „Wouw“ heraus und bestaunte Waleri mit wesentlich mehr Faszination und Begeisterung, nicht mit Angst. Er wusste auf den ersten Blick tief in sich drin, daß ihn irgendwas mit diesem Mann verband.

„Du suchst dir jetzt den ersten Lehrer, den du finden kannst, und sagst ihm, wo du den Feuerlöscher her hast, verstanden?“, raunzte Waleri den letzten der vier Unruhestifter finster an.

Der Junge beeilte sich, eingeschüchtert zu nicken.

„Und was auch immer dieser Aufriss sollte, du entschuldigst dich jetzt bei dem Kollegen hier! Vier gegen einen, sowas geht ja mal überhaupt nicht an!“

„Äh-es ... es tut mir leid, Mischka! ... Kommt ... kommt nicht wieder vor!“

„Will ich dir auch geraten haben! Nun zieh schon Leine!“ Waleri drehte den Schüler am Kragen um und gab ihm einen groben Schubs, damit er sich in Bewegung setzte.

Der Klassenkamerad sah auch eiligst zu, daß er Land gewann.

Mischka schmunzelte in sich hinein. „Wouw. Ich glaube, Sie haben mir gerade gehörig den Schwanz gerettet, Mister.“

„Dafür bin ich doch da. Ab jetzt werde ich immer auf dich aufpassen, Partner. Ich bin übrigens Waleri. Waleri Konjonkow. Und mit wem habe ich die Ehre?“

„Mischka Bogatyrjow.“

Der glatzköpfige Hüne nickte verstehend und zündete sich erstmal eine Zigarette an. Die brauchte er gerade echt dringend für seine armen Nerven. „Du bist´n Magi, was?“, hakte er nach. Dabei griff er nach dem leeren, herumliegenden Feuerlöscher und schaute nach, was da für Zeug drin gewesen war. Manche Löschmittel sollte man besser nicht einatmen, oder sollte zumindest einen Arzt aufsuchen, wenn man zuviel davon eingeatmet hatte. Und der Junge war immerhin ziemlich gründlich damit geduscht worden.

„Ja. Das hat sich vor ein paar Tagen rausgestellt. Und Sie sind wohl mein Schutzgeist, oder? Jedenfalls fühlt es sich irgendwie danach an.“

„Oh bitte, Großer, du kannst 'du' zu mir sagen“, grinste Waleri, nahm noch einen Zug von seiner Kippe und stellte den Feuerlöscher wieder beiseite.

Mischka ging im Geiste nochmal das Wenige durch, was sein Klassenlehrer ihm bisher über magisch Begabte und Genii erzählt hatte, während er sich den fremden und doch so seltsam vertrauten Mann genauer anschaute. Obwohl er aussah wie ein Rüpel, hatte Mischka keinerlei Skepsis. Im Gegenteil, er fand den Kerl sogar sympathisch. „Ich dachte, mein Schutzgeist würde in meinem Alter sein. Du bist ganz schön ...“

„Pass auf, was du sagst, Kumpel! Nenn mich ja nicht 'alt'.“

„Nein-nein, 'erwachsen' wollte ich sagen!“

Waleri nickte zustimmend. „Tja, normalerweise. Aber es gab schon immer vereinzelte Fälle, in denen es nicht so war. Wer weiß, woran das liegt. Es wird wohl seine Gründe haben. Na komm, ich bring dich besser nach Hause“, schlug er vor und hielt Mischka die Hand hin. „Du solltest dir das Löschpulver abwaschen und dir saubere Sachen anziehen.“



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