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Niffler and Where to Find Them

von

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Der junge Mann verharrte regungslos auf dem Gehsteig gegenüber des Flatiron Building und atmete einmal tief ein und wieder aus. Die Morgenluft, noch feucht von den Schauern der vergangenen Nacht, belebte ihn, erfüllte ihn regelrecht mit Tatendrang.

Percival Graves war früh aufgestanden an diesem 1. September 1904. Früher, als seine Familie es von ihm gewohnt war, denn heute war ein wichtiger Tag für ihn. An diesem Donnerstag sollte also seine Karriere als Auror beginnen.

Vergangene Nacht hatte er eher schlecht geschlafen, was er achselzuckend auf seine Nervosität geschoben hatte. Zwar wusste er bestens Bescheid über den Beruf, den er gewählt hatte. Schließlich waren sowohl seine Eltern, Richard und Violet Graves, als auch sein älterer Bruder Raymund, Auroren. Trotzdem war es ein ihm unbekanntes Gefühl, plötzlich in solch große Fußstapfen treten zu müssen. Weshalb er irgendwann um drei Uhr morgens aufgestanden und auf leisen Sohlen durch das elterliche Anwesen geschlichen war, um sich für seinen ersten Arbeitstag fertig zu machen.

Percivals Vater hatte das Haus in Kings Point erworben, als der MACUSA von Washington nach New York umgesiedelt war. Damals hatte Percival sechs Lenze gezählt. Über die Jahre entwickelte es sich zu einer ansehnlichen Villa mit beachtlichem Garten, die zwar verglichen mit dem Herrenhaus eines J. P. Morgan wie eine Hundehütte wirkte, die ihre Bewohner jedoch trotzdem als Mitglieder der gehobenen Klasse New Yorks auswies.

Die Bodendielen hatten bei jedem seiner Schritte geknarzt, gerade so, als ob sie ihn an seine Eltern hatten verraten wollen. Erst in der Küche, die er zu selten aufsuchte, um sie wie seine Westentasche zu kennen, hatte Percival sich sicher gefühlt. Der Korkboden dämpfte seine Schritte so weit, dass die Bohlen darunter kein Geräusch von sich gaben.

Der angehende Auror hatte etwas suchen müssen, ehe er einen Kochtopf, seine Lieblingstasse und den Tee gefunden hatte. Mit einem plumpen Incendio-Zauber hatte er im Handumdrehen Wasser zum Kochen gebracht. Etwas zu Essen zu finden, war da schon schwieriger. Percival hatte es vorgezogen, wie ein Dieb nach Brot, Eiern und Speck zu suchen, statt alles aus den Schränken hervor zu zaubern und dabei vielleicht seine Eltern aufzuwecken. Sie würden ihn nicht mehr in Ruhe lassen. Eine halbe Stunde später saß er am Arbeitstisch und versuchte, verkrüppeltes Rührei und verbrannten Speck so gut es ging hinunter zu würgen. Nur das Brot mit Butter drauf war essbar.

Percival schauderte, als er daran zurückdachte und beschloss, den elterlichen Hauselfen einmal über die Schulter zu schauen, wenn sie kochten. Vorausgesetzt natürlich, er konnte sie dazu bringen, ihn in der Küche zu dulden. Über das Chaos, das er dort hinterlassen hatte, waren sie bestimmt schon gestolpert.

Er atmete noch einmal tief ein und überquerte dann die 5th Avenue, auf der noch Pfützen zwischen einzelnen Pferdeäpfeln schimmerten. Am Zentraleingang des markanten Flatiron Building stand ein als NoMaj-Polizist verkleideter Zauberer. Percival ging sicheren Schrittes auf den Mann zu und zeigte ihm seinen Ausweis.

„Guten Morgen, Mister Graves. Sie kommen schon so früh am Morgen?“

„Der frühe Vogel fängt den Wurm, hab ich mal gehört.“

Der Zauberer-Türsteher sah ihn verwirrt an.

„Ich hatte ja erwartet, dass Sie gemeinsam mit Ihrem Bruder kommen ...“

Percival erwiderte den Blick seines Gegenübers gelassen. Er hatte eine solche Frage kommen sehen. Vermutlich würden noch so einige seiner neuen Kollegen diese Frage stellen.

„Wir leben getrennt.“

Der Auror machte sich in Gedanken eine Notiz, sich noch einmal wegen einer eigenen Wohnung oder vielleicht sogar einem Haus umzuhören. Die neuen Kollegen mussten ja nicht wissen, dass er derzeit noch zu Hause residierte. Zu Hause wohnen war allenfalls noch etwas für seinen kleinen Bruder, Edric, der derzeit aber an der Zauberschule Ilvermorny lebte.

„Wollen Sie mich nicht rein lassen?“, fragte Percival, bevor der Mann eine weitere Frage stellen konnte.

„Entschuldigen Sie!“

Der Zauberer beeilte sich, ihm die Pforte zu öffnen. Aus den Augenwinkeln nahm Percival wahr, dass der Daumen des Mannes sanft über das Gelenk des Türgriffs glitt, an dem sich ein magischer Mechanismus befand. NoMajs würden weiterhin zu den Restaurants und Läden im Erdgeschoss oder den Firmenbüros in den oberen Stockwerken gelangen. Doch betätigte der Portier den kaum sichtbaren Knopf, betraten Hexen und Zauberer das Hauptquartier des Magischen Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika, oder kurz MACUSA.

Percival trat über die Schwelle. Wie schon auf den Straßen New Yorks war das Treiben überschaubar. Die Rezeption war mit zwei jungen Hexen besetzt, wovon ihn eine misstrauisch anstarrte. Der Auror starrte einen Moment lang zurück und wandte sich dann ab. Percival wusste genau, wo er hinmusste. Zielsicher ging er auf die Aufzüge zu und hörte dann eilige Schritte, die ihm folgten. Gelangweilt drückte er auf den Knopf.

„Mister! Wo wollen Sie denn hin?“, meint eine Frauenstimme hinter ihm.

Er drehte sich gemächlich um. Die Hexe, die ihn eben gemustert hatte, stand vor ihm. Sie reichte ihm gerade bis zu den Schultern und sah ihn aufgebracht an.

„Zur Abteilung für Magische Strafverfolgung!“

„Na hören Sie mal, Sie müssen sich vorher bei uns anmelden!“

Percival zückte erneut seinen Ausweis. Jeder weitere Protest blieb der Hexe im Hals stecken. Der Auror beachtete sie nicht weiter und drehte sich wieder um, als ein melodischer Glockenton die Ankunft des Aufzugs verkündete. Jemand im Inneren der Kabine schob die beiden Aufzuggitter auseinander.

„Guten Morgen, Sir!“

„Guten Morgen!“, erwiderte Percival den Gruß des Aufzugswärters höflich.

Der Mann, der den wohl einfachsten Job beim MACUSA hatte, war bisher der Einzige, der seine Anwesenheit nicht in Frage stellte.

„Zum Büro der Abteilung für Magische Strafverfolgung, bitte.“

„Sehr wohl!“

Der Aufzugwärter verschloss die Gittertüren wieder. Percival grinste der Empfangshexe, die immer noch auf dem Gang stand und ihn erschrocken anschaute, selbstsicher zu. Zugegeben, mit seinen knapp 20 Jahren wirkte Percival nicht wie ein Vollblutauror. Eher noch wie jemand, der noch mitten in der Ausbildung zum Auror steckte. Viel harte Arbeit und Fleiß, auch während der Wochenenden, und sicher auch der Einfluss seiner Familie hatten ihm ermöglicht, die Ausbildung in Rekordzeit und mit dem besten Ergebnis des Jahrgangs abzuschließen.

Die Aufzugskabine glitt in die Tiefe. Der Wärter ignorierte ihn höflich, Percival ignorierte seinerseits höflich den Aufzugwärter und blickte stattdessen an die Stockwerksanzeige. Der einem Zauberstab nachempfundene Zeiger schob sich von der Null gemächlich nach links. Sie fuhren in den Keller.

Der Auror hoffte, dass der MACUSA nicht mehr lange im Flatiron untergebracht sein würde. Das Gebäude bot inzwischen einfach viel zu wenig Platz für die zahlreichen Abgeordneten, die Verwaltung und die Abteilung für Magische Strafverfolgung, der die Auroren angehörten. Andere wichtige Abteilungen des Kongresses waren gar in ganz anderen Städten der Vereinigten Staaten von Amerika beheimatet. Eine Folge des Sasquatch-Aufstands von 1892.

Von seinem Vater wusste Percival, dass MACUSA-Präsident Peyton Jefferson eine Baufirma hat infiltrieren lassen, die derzeit an einem Wolkenkratzer arbeitete. Doch Graves senior hatte nicht mehr erzählt, als Percival nachgefragt hatte, und ihn aus seinem Studierzimmer gescheucht.

Die Glocke erklang, der Aufzug war im dritten Untergeschoss angekommen.

„Abteilung für Magische Strafverfolgung“, verkündete der Aufzugswärter überflüssigerweise und schob die Gittertüren auf. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Sir.“

„Ebenso.“

Percival trat auf den Gang hinaus, während sich der Aufzug hinter ihm wieder rumpelnd in Bewegung setzte. Die Luft hier unten war stickig und trocken, was nicht zuletzt an dem nur rudimentär vom ersten Kellergeschoss kopierten Lüftungssystem lag. Die Stockwerke darunter waren seinerzeit eiligst mit einem Raumausdehnungszauber angelegt worden. Percival wusste, dass der Präsident des MACUSA sein Büro im obersten Stockwerk hatte.

„Was für eine Verschwendung ...“

Er wandte sich nach rechts und ging den Gang entlang. Die Abteilung der Auroren lag am hintersten Ende, genau dort, wo das Gebäude sein markantestes Merkmal hatte. Percival hatte sich immer gefragt, warum man den Grundriss auch für die Kellergeschosse übernommen hatte. Vermutlich hatte sich hier ein kreativ angehauchter Magier ausgetobt.

Percival legte die wenigen Schritte zur Flügeltür zurück, die den Eingang in einen neuen Lebensabschnitt markierte, und blieb davor stehen. Endlich war er am Ziel. Sobald er die Schwelle überschritt, würde er ein vollwertiger Auror sein. Percival seufzte und trat ein. Und stockte.

An einem der Schreibtische brannte Licht, davor erhob sich ein dunkler Schatten, der sich nun erhob.

„Du bist früh dran ...“, kommentierte der Schatten.

„Raymund!“

Sein Bruder kam gemächlich auf ihn zu.

„Hat dich die Nervosität aus dem Bett getrieben?“, fragte der Ältere.

„Ich bin nicht nervös!“

„Nein, natürlich nicht. Du siehst nur so aus, als hättest du einen Geist gesehen. Hast du?“

„... Vielleicht“, konterte Percival.

Er fühlte sich tatsächlich so, als hätte er einen Geist gesehen. Einen, der zufälligerweise genauso wie sein Bruder aussah.

„Was machst du schon um diese Zeit hier?“, fragte er lahm.

„Arbeiten, was dachtest du denn? Und auf meinen kleinen Bruder warten.“

Percival runzelte die Stirn.

„Krieg dich wieder ein, es war doch klar, dass du an deinem ersten Arbeitstag überpünktlich erscheinst. Ich frage mich nur ...“

Raymund griff in seine Westentasche und förderte einen kleinen, goldenen Gegenstand zu Tage.

„... warum du schon um sechs Uhr morgens da bist. Die ersten kommen um sieben Uhr. Darüber hinaus meine ich mich zu erinnern, dass Commissioner Shoemaker dich erst um acht Uhr sehen wollte ...“

Der Jüngere sah ihn missmutig an, erwiderte jedoch nichts.

„Percy, Percy“, tadelte Raymund. „Pass auf, dass du vor Tatendrang und Eifer nicht über deine eigenen Füße fällst.“

Percivals Gesicht verfinsterte sich schlagartig. Sein Bruder riss abwehrend die Arme hoch.

„Kein Grund, gleich wütend zu werden. Also, möchtest du zuerst die Abteilung kennen lernen oder soll ich dir deinen Schreibtisch zeigen?“, fragte er versöhnlich.

Percival ließ es auf sich beruhen.

„Meinen Schreibtisch“, antwortete er knapp.

„Hab ich mir schon gedacht. Dann komm mal mit.“

Raymund führte ihn tiefer in den Raum hinein, der sich als eine Kombination aus Großraumbüro und Registratur herausstellte.

„Der Schreibtisch da drüben ist das Amt für Zauberstabzulassung.“

Percival starrte auf einen kleinen Schreibtisch, der zwischen zwei Regalen stand und unter den Aktenbergen kaum zu erkennen war.

„Sei nett zu Mrs. Fuller, wenn du sie triffst. Sie ist furchtbar kurzsichtig und trägt deshalb eine dicke Hornbrille.“

„Kurzsichtig?“

„Ja. Aber eine wahre Koryphäe auf dem Gebiet der Zauberstabkunde. Solltest du also einmal einen herrenlosen Zauberstab finden, solltest du als erstes Mrs. Fuller aufsuchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie seinen Besitzer identifizieren kann, ist sehr hoch.“

Percival nickte und sie gingen weiter.

„Da hinten ist unsere Kaffeeküche. Deinen Tee solltest du sicherheitshalber in deinem Schreibtisch verschließen.“

Raymund zeigte auf einen kleinen Durchgang. Percival sah seinen großen Bruder schief an.

„Diebstahl in der Abteilung für Magische Strafverfolgung? Ernsthaft?“

„Wohl eher Feinschmecker in der Abteilung für Magische Strafverfolgung. An meinen Sachen hat sich noch nie jemand vergriffen, aber ich trinke auch nicht so ein Gourmet wie du.“

„Und du meinst, ein Feinschmecker lässt sich von einer abgeschlossenen Schreibtischschublade aufhalten?“

Sein Bruder ignorierte die sarkastische Note.

„Da hinten ist übrigens Vaters Büro. Auch wenn wir Familie sind, solltest du nicht einfach bei ihm reinstürmen ...“

„... weil er dann ausrastet? Danke, die Information hab ich dringend gebraucht. Wolltest du mir nicht eigentlich meinen eigenen Schreibtisch zeigen?“, entgegnete Percival.

„Oh, stimmt, du hast recht! Wo bin ich nur mit meinen Gedanken?“

Der Jüngere verdrehte die Augen. Raymund führte ihn in die Richtung des Commissionerbüros. Davor standen zwei Schreibtische. Auf einem von ihnen, demjenigen, der näher am Büro des Abteilungsleiters stand, konnte Percival eine Schreibunterlage, ein Lampe, eines dieser mechanischen NoMaj-Schreibgeräte und einige Kladden erkennen. Der andere Schreibtisch war noch komplett jungfräulich.

„Soll das ein Witz sein? Das ist ja der reinste Durchgangsverkehr hier!“, beschwerte sich Percival, als er realisierte, dass der zweite Platz wohl für ihn gedacht war.

Raymund musterte ihn geringschätzig.

„Weißt du, vielleicht war es doch gar keine so schlechte Idee von dir, so früh zu kommen. So kriegt wenigstens niemand deine mit Arroganz garnierte Idiotie mit.“

Percival funkelte seinen Bruder wütend an. Der seufzte nur.

„Sieh es doch mal so, so nah am Commissioner und seiner Sekretärin hast du immer den vollen Überblick, wer bei ihm ein und aus geht.“

„War das Vaters Idee?“, fragte Percival stutzig. 

„Nein, meine. Vater wollte dich erst direkt neben mir platzieren, aber ich habe es ihm ausgeredet.“

Nun war Percival doch überrascht.

„Ehrlich?“

„Ja. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du dich in meiner unmittelbaren Nähe nach einem halben Tag unwohl fühlen würdest. Meinst du nicht auch?“

Der Jüngere nickte.

„Aber findest du nicht, dass das so nah am Commissioner verdächtig wirkt?“

„Keine Sorge, so häufig wirst du eh nicht im Büro sein. Also, willst du dich erst einmal räumlich einrichten?“

Der Nachwuchsauror sah auf seinen kleinen Schreibtisch.

„Ja.“

„Gut, dann lass ich dich mal allein. Falls du mich suchst, ich bin in der Küche, Wasser für Tee aufkochen.“

Percival wandte sich seinem Platz zu.

„Und Percy, stell nichts an, während ich in der Küche bin.“

Er sah Raymund wütend hinterher, als dieser in dem Kämmerlein verschwand, stellte dann seine lederne Aktentasche auf den Tisch. Ehe er seinem Platz seine vollkommene Aufmerksamkeit schenkte, machte er das Licht auf dem benachbarten Tisch an. Bei Licht sah es schon gar nicht mehr so negativ aus.

Der zu seinem Platz gehörende Stuhl war in halbwegs brauchbarem Zustand, sogar mit Polsterung, die nicht zu sehr abgewetzt war. Jedoch hatte sein Tisch nur zwei kleine Schubladen auf der linken Seite, von denen sich nur die oberste abschließen ließ. Nachdem er seinen Mantel ausgezogen und ihn achtlos über den Tisch geworfen hatte, setzte er sich. Beide Schubladen waren bis auf einen kleinen kupfernen Schlüssel leer. Beiläufig steckte er ihn in das Schlüsselloch der oberen Schublade. Er passte.

Percival griff nach seiner Aktentasche. Sie war komplett neu und aus hochwertigem Gnuleder. Eine sündhaft teure, britische Marke. Selbst einfache Brillenetuis kosteten dort ein kleines Vermögen. Sein Vater hatte nicht richtig hingeschaut, als Percival sie sich in dem Laden ausgesucht hatte. Nur hinterher beim Bezahlen hatte er seinen zweitältesten Sohn streng angeschaut, sich jedoch eines Kommentars enthalten.

Zu Tage förderte er einen großen Block. Den Kleinen beließ er vorerst in der Aktentasche. Oder sollte er ihn doch direkt in die Innentasche seines Mantels stecken? Unschlüssig sah Percival sich um und entdeckte einen Garderobenständer, der hinter dem Sekretärenplatz an der Wand stand.

„Dort wird schon kein Mantel verschwinden“, hoffte er laut und hängte sein Kleidungsstück auf.

Er hörte ein Pfeifen aus der kleinen Küche, danach Geschirrgeklapper und beschloss, seinen Tee hervorzuholen.

„Oh!“, war alles, was er zur Küche zu sagen hatte.

„Ja. Ich hab schon vermutet, dass du kommst, sobald das Teewasser fertig ist. Hier, verbrüh dich nicht.“

Raymund reichte ihm eine Teekanne und ein Teeei.

„Mehr als zwei Leute passen da aber auch nicht rein“, kommentierte Percival.

Sein Bruder folgte ihm mit einer weiteren Teekanne und zwei Tassen zu seinem Schreibtisch.

„Na ja, wir müssen alle zusammen rücken. Der erste, der morgens kommt, macht in der Regel einen großen Topf heißen Wassers für Tee und für Kaffee. An dem können sich alle bedienen. Vergiss das nicht, wenn du morgen wieder so früh kommst. Also, lass mal sehen.“

Raymund stellte seine Fracht auf Percivals Tisch ab.

„Was du noch brauchst, ist auf jeden Fall eine Lampe. Und vielleicht eine Schreibmaschine.“

„Schreibmaschine?“, fragte Percival und deutete auf den Tisch neben sich. „Das Ding da?“

„Ja.“

„Wofür brauche ich eine Schreibmaschine?“, hakte er nach.

„Um deine Berichte zu schreiben, natürlich. Der Commissioner will die nicht mehr in Handschrift haben. Keine Sorge, die Dinger lassen sich auch gut verzaubern, sodass sie von selber schreiben. Ich kann dir das zeigen, wenn du willst. Du wirst aber trotzdem alles noch einmal Korrekturlesen müssen.“

Percival nickte, während er etwas Tee in das Ei gab und es dann in seine Kanne hängte.

„Also, womit fangen wir an?“, fragte er dann und linste auf die Akten am Nachbartisch.

„Wie, womit fangen wir an? Du wirst warten, bis der Commissioner dich offiziell in der Abteilung begrüßt hat. Vorher wirst du keine Akten in die Finger bekommen.“

„Ach komm, das kann doch nicht dein Ernst sein.“

„Doch. Percy, du wirst genauso wie jeder andere Neuling hier behandelt.“

„Aber ich gehör doch quasi schon zur Familie.“

„Percy, auch für uns Graves gelten dieselben Spielregeln wie für alle anderen. Du wirst dich entsprechend verhalten und uns keine Schande machen.“

Percival sah Raymund angriffslustig an, gab dann aber trotzdem nach.

„Also eine Stunde warten?“

„Eine Stunde warten. Oder du lernst deine neuen Kollegen kennen. Da hinten kommt Miss Meyers.“

Der junge Auror drehte sich um und sah eine adrette Hexe mit blonder Lockenpracht auf sich zukommen.

„Guten Morgen Mister und Mister Graves“, begrüßte sie die beiden höflich.

Percival reichte ihr die Hand zur Begrüßung.

„Guten Morgen, Michelle. Sei bloß nicht zu nett zu meinem Bruder, das bekommt ihm nicht.“

Die Hexe lachte aufgeweckt und schüttelte Percival die Hand.

„Freut mich, Mr. Graves. Auf gute Zusammenarbeit!“

„Ebenso.“

Percival schaute ihr hinterher, wie sie ihren Schreibtisch umrundete, den Regenmantel auszog und zu seinem Mantel an den Garderobenständer hing.

„Mach den Mund zu. Es ist furchtbar unhöflich von dir, sie so anzustarren“, flüsterte Raymund ihm ins Ohr.

Percival wandte sich wieder von Michelle ab, die gerade schnurstracks auf die Kaffeeküche zueilte. Er sah seinen Bruder ertappt an.

„Schlag sie dir lieber aus dem Kopf. Da ist ein anderer im Spiel.“

„Ich hab nicht ...“

„Nein gar nicht. Also hör zu. Ich muss jetzt weiter arbeiten und kann mich vorerst nicht weiter mit dir beschäftigen.“

„Kann ich mich wenigstens umsehen?“

Raymund überlegte.

„Ja, aber nur hier im Raum.“

„Wo ihr mich beobachten könnt.“

„Genau! Versuch einfach, deinen Tee so lange wie möglich zu genießen. Der Commissioner sollte bald kommen, aber so lange wirst du dich noch gedulden müssen.“

„Kann ich nicht mal eine Akte von den bereits erledigten Fällen lesen?“

„Nein.“

Percival grummelte.

„Du kannst stattdessen meine Zeitung haben, wenn du unbedingt etwas lesen möchtest.“

„Eine NoMaj-Zeitung? Nein Danke!“

„Na dann nicht. Also sei brav, ja?“

Raymund wartete keine Antwort ab. Er drehte sich um und ging zu seinem Arbeitsplatz zurück, während Michelle aus der Küche zurückkam. Sie lächelte Percival aufmunternd zu und setzte sich dann an ihren Platz, um mit ihrer Arbeit zu beginnen. Percival beschloss, ihr heimlich zuzuschauen, auch, um den Umgang mit dem Schreibgerät besser zu verstehen.

‚Schreibmaschine nennen die NoMajs es ...‘, dachte er und setzte sich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Delacroix_
2019-10-17T11:14:00+00:00 17.10.2019 13:14
Hallo Calafinwe,
 
ich schulde dir ja noch eine Rückmeldung zu der Geschichte und da mach ich mich jetzt ran.
Erstmal sei vielleicht gesagt, dass ich mich wirklich freue, dass mir mal Jemand Percy geschrieben hat. Einfach weil ich ihn wirklich gerne mag und sich scheinbar keiner so richtig an ihn heran traut.
Ich mag auch die Idee, ihn bei seinem ersten Fall als Auror zu begleiten. Ist schon niedlich, wie er sich bei Nacht und Nebel aus dem elterlichen Haus schleicht, weil er nervös ist. (Und dabei auch noch die Küche ruiniert, weil er nicht wirklich gelernt hat, wie man sich ein essbares Frühstück macht.)
Was mich ein wenig irritiert hat, war, dass er, obwohl er ja irgendwo seine Ausbildung gemacht haben muss und beide Eltern Auror sind, scheinbar noch nie so wirklich in der Aurorenzentrale war und das er auch seine künftigen Kollegen nicht zu kennen scheint.
Was mich ebenfalls irritiert hat, ist das unterkühlte Verhältnis der beiden Brüder zueinander. In meinem Headcanon pflegt Percy eigentlich eine sehr gute Beziehung zu seinem Bruder, während es bei dir mehr so wirkt, als könnten sie gar nicht miteinander und würden sich höchstens als gegenseitige Konkurrenz/nerviges Ärgernis ansehen.
Das fand ich ehrlich gesagt ziemlich schade, vor allem weil ich eigentlich ein großer Freund von gesunden zwischenmenschlichen Beziehungen bin.


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