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Die Liebe kennt keine Grenzen!

von

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Prolog

Es heißt immer:

Man sollte mit seinen Wünschen vorsichtig sein,

sonst gehen sie vielleicht in Erfüllung.
 

Es geht nicht mehr, ich kann einfach nicht mehr.

Vor drei Jahren hatten wir Naraku besiegt und das Juwel zerstört. Ich beschloss mein Leben an Inuyashas Seite zu verbringen. Der Brunnen schloss sich somit für immer.

Ich war froh, dass kein Juwel mehr existierte und so auch keine Seelen mehr darin gefangen waren. Eigentlich sollte alles ab da an nur noch gut laufen, doch ich hatte mich geirrt.

Nichts lief gut. Ja, vielleicht am Anfang, doch schon bald danach fand ich mich an einem riesigen Abgrund wieder, welcher mein Herz schreien ließ.

Miroku und Sango bekamen Kinder, Shippo war sehr viel mit Prüfungen beschäftigt und Kohaku kümmerte sich um die Dämonen, welche in anderen Dörfern wüteten. Alles in allem war es so wie wir es uns alle gewünscht haben,… doch leider sollte sich dies ändern. Inuyasha und ich beschlossen einfach dorthin zu gehen, wohin uns unser Herz führt. So blieben wir immer alleine und bald bemerkte ich, dass das der größte Fehler meines gesamten Lebens war.

Denn Inuyasha wurde mit der Zeit immer abwesender und es schien mir so, als würde sich eine riesige Mauer zwischen uns errichten, welche man nie wieder einreißen konnte. Ich kam auf den Gedanken, dass er Kikyo doch noch immer mehr liebte, als mich. Es tat mir zwar weh, doch ich akzeptierte es. Aber irgendwann verschwand er plötzlich im Wald. Ich ging ihn suchen, doch ich fand ihn nicht. Bald gab ich es auf und die Tatsache, dass er einfach ging, ließ mein Herz Sprünge bekommen. Am nächsten Tag kam er wieder und er brachte mir eine wunderschöne Blume mit. Ich fragte ihn wo er war und er meinte darauf, er habe diese Blume gesucht, welche furchtbar selten ist. Ich glaubte ihm natürlich, doch dies sollte sich als schwerwiegender Fehler erweisen.

In der Nacht wurde ich durch ein seltsames Gefühl aus dem Schlaf gerissen. Ich sah, dass Inuyasha nicht da war, und machte mich deshalb auf den Weg, um ihn mal wieder zu suchen. Und dieses Mal fand ich ihn sogar. Ich folgte eigentlich nur diesem seltsamen Gefühl, welches ganz plötzlich aufgetaucht war.

Und da sah ich sie. Ich sah das, was ich seit drei Jahren nicht mehr für möglich gehalten hatte. Ich sah Kikyo. Sie und ihn. Inuyasha. Aber wie konnte das sein. Kikyo war endgültig fort, im Jenseits. Sie hatte schon viel zu lange unter der Lebenden geweilt. Doch eine Sache war anders. Sie lebte. Es war eindeutig, dass sie nicht aus Ton bestand. Aber wie war das nur möglich? Natürlich waren die zwei wieder eng umschlungen. Diese Szene ließ die Sprünge größer werden.

Plötzlich stach mir das Umfeld in die Augen. Blumen. Aber nicht irgendwelche Blumen. Nein, man sah überall dieselbe, welche mir Inuyasha geschenkt hatte. Sagte er nicht, sie sei selten? Hatte er das nicht gesagt? Er hat mich angelogen.

Ohne, dass ich es bemerkte, wurden die Sprünge in meinem Herzen immer größer.

Ich sah noch eine Weile zu, wollte wissen, was sie reden, wollte hören dass alles nur ein großes Missverständnis war. Doch wie hieß es so schön? Eine Tat sagt mehr als tausend Worte. Ihrer Schmuserei folgte ganz plötzlich ein Kuss. Und in diesem Moment hörte ich es splittern. Es war nicht irgendetwas. Es war mein Herz, welches genauso, wie das Juwel der vier Seelen zersprang. Dies trieb mir die Tränen in die Augen. Mir kam alles taub vor. Alles, bis auf meine Beine, welche mich nun langsam zu ihnen trugen. Ich war wie in Trance. Meine Tränen rannen mir unaufhörlich über meine Wangen und tropften schlussendlich auf den kalten Waldboden. Sie hatten mich bereits bemerkt und starrten mich praktisch in Grund und Boden. Während Kikyos Blick triumphierend und schadenfroh war, war Inuyashas entschuldigend. Als ich vor ihnen stand, brach es plötzlich aus mir heraus. Ich presste meine Augenlieder aufeinander und schrie hemmungslos:

„INUYASHA, WIE KONNTEST DU NUR? WARUM? WARUM? ICH HASSE DICH, ICH HASSE DICH.“

„Kagome, es… es…“ fing Inuyasha an, doch ließ ich ihm keine Zeit.

„SEI STILL INUYASHA! Ich wünschte… ich wünschte…“

Das Juwel existiert noch und unerwartete Hilfe

„ICH WÜNSCHTE, ICH WÄRE MIT DEINEM HALBBRUDER AUF REISEN GEWESEN UND NICHT MIT DIR“, schrie ich im Eifer der Verzweiflung und registrierte erst ein paar Sekunden später, was ich da gesagt hatte. Doch es zurückzunehmen würde mir im Traum nicht einfallen. Egal, wie verrückt und abgedreht es auch klingen mag, es war so. Mir wäre es lieber gewesen, mit dem kalten Killer zu reisen, als mit ihm. Dann hätte ich mir mit Sicherheit viele Schmerzen erspart. Und außerdem kann er ja gar nicht so böse sein, schließlich hat er Rin, ein Menschenmädchen bei sich.

„Kagome… bitte sag das nicht!“, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Doch es blieb keine Zeit, etwas zu erwidern, denn auf einmal umgab mich ein helles rosa Licht, welches mich an das Juwel der vier Seelen erinnerte. Aber das war doch vollkommen unmöglich, das Juwel wurde von mir zerstört. Es kann einfach nicht mehr existieren. Doch das Licht ging eindeutig von mir aus, was mich daraus schließen ließ, dass die Seelen, die darin gefangen waren, zwar frei waren, jedoch das Juwel selbst noch existierte und so wie das für mich aussah, scheinbar in meinem Körper, sowie auch am Anfang. Na toll, das war zwar jetzt geklärt, jedoch nicht die Tatsache, dass ich leuchtete. Doch bevor ich weitere Gedanken daran verschwenden konnte, machte sich ein schwarzes Loch direkt unter meinen Füßen auf. Ich fiel hinein und ehe ich mich versah, fand ich mich in der Dunkelheit wieder. Diese schwarze Leere erinnerte mich an damals, als ich mit dem Juwel alleine war und mir beinahe etwas Falsches gewünscht hatte. Doch Inuyasha hatte mich gerettet. Inuyasha. Nein, Inuyasha war für mich ab jetzt Geschichte. Nachdem er mir dies angetan hatte, konnte ich ihm nicht verzeihen. Nur war das jetzt nicht mein Problem. Wo war ich? Und wieso war ich hier? Plötzlich leuchtete mein Körper wieder auf und es kamen vier Lichter heraus, die mich sehr an Seelen erinnerten. Und das Seltsamste war auch noch, dass diese Seelen jetzt Gestalt annahmen. Sie waren durchsichtig, doch ich konnte in ihnen ein kleines Mädchen, eine junge Frau, einen alten Mann und einen jungen… äh, so wie das für mich aussah, scheinbar einen Dämon in Menschengestalt, erkennen.

Sie schenkten mir alle ein freundliches Lächeln, welches ich zaghaft erwiderte, fragte aber sogleich: „Wer seid ihr, und… was mache ich hier?“ Irgendwie war ich mir ziemlich sicher, dass sie die Antwort wussten. Und ich schien mich nicht zu irren, denn sie sprachen mich ohne Zögern an.

„Du hast sicher schon von uns gehört. Wir kommen aus dem Juwel der vier Seelen.“ Das war der ältere Mann, der dies sagte und mich in eine noch tiefere Verwirrung stürzte.

„Aber ich dachte, alle Seelen wären nun frei“, ließ ich verlauten, bekam aber sofort eine Antwort. Diesmal von der jungen Frau.

„Das ist auch so, mach dir da mal keine Sorgen, wir wachen über das Juwel. Weil du damals den richtigen Wunsch geäußert hattest, ist das Juwel nun ungefährlich, jedoch kann es noch Wünsche erfüllen. Nur, dass wir da mitbestimmen. Wenn wir den Wunsch hören, denken wir darüber nach, ob wir ihn erfüllen oder nicht. Und du bist ein Sonderfall, deswegen sind wir hier erschienen.“

„Aber wer seid ihr denn nun?“ Langsam wurde sie ungeduldig. Das, was sie bereits alles gesagt hatten war zwar sehr informativ, doch wenn man nicht wusste wer da vor einem stand, half selbst sowas nicht.

Sie sahen sich alle kurz an und fingen dann einer nach dem anderen an, sich vorzustellen. Die junge Frau begann als erstes.

„Ich bin Sakimitama und stehe für die Liebe“, dann sprach das kleine Mädchen.

„Mein Name lautet Nigimitama und ich stehe für die Freundschaft.“ Ich schenkte ihr ein Lächeln welches sie glücklich erwiderte und sah dann zu dem nächsten. Der alte Mann.

„Ich bin Kushimitama und stehe für die Weisheit“, und als allerletztes der Dämon.

„Und ich bin Aramitama und stehe für den Mut“. Ich nickte ihm zu und musterte alle nochmal ausgiebig. Wenn man das ganze genauer betrachtete, dann sah man, dass die Namen zu den jeweiligen Personen ausgezeichnet passten.

„Ihr seid also die Seelen, aus denen das Juwel entstanden ist?“, fragte ich noch immer etwas unsicher.

„Ganz recht, und wir sind hier um dir den richtigen Weg zu zeigen“, meinte Kushimitama sanft.

Ich starrte sie alle ungläubig an, fragte aber dann mit fester Stimme: „Und welcher Weg ist das?“

Diesmal antwortete mir Sakimitama.

„Das musst du selbst herausfinden, wir werden jedoch etwas nachhelfen. Den Wunsch, welchen du in deiner Verzweiflung geäußert hast, wäre normalerweise selbstsüchtig, doch du wirst bald sehen, dass dieser Wunsch nicht umsonst war. Es braucht jemand deine Hilfe, denn ohne dich würde diesen Jemand ein Schicksal treffen, welches er nicht verdient hat.“

„Und wer ist dieser Jemand?“ Ich versuchte, mich an meinen Wunsch zu erinnern, doch irgendwie wollte es mir nicht mehr einfallen. Und als wenn die vier meine Gedanken gelesen hätten, klärten sie mich über meinen derzeitigen Gedächtnisverlust auf.

„Du hast dieses Schicksal nicht verdient, was ein weiterer Grund für uns ist, dir zu helfen. Und was deine Erinnerung an deinen Wunsch angeht, die haben wir gelöscht.“

„Ihr habt wie… was… warum?“ brauste ich verständnislos auf.

„Du musst deinen Weg alleine finden, da darf dir keiner helfen, wir haben dich nur in die richtige Richtung gelenkt, das ist alles, und es ist besser für dich, wenn du nicht mehr weißt was du dir gewünscht hast. Irgendwann, wenn es so weit ist, wird es dir wieder einfallen, aber jetzt ist es noch zu früh.“

Ich verstand zwar irgendwie, wie sie das meinten, aber ich fand es auch unfair. Andererseits werden sie doch wohl wissen, was gut für mich ist oder nicht? Oder nicht? Naja, zu machen war eh nichts, also wieso nicht.

„Aha,… und was jetzt?“

„Jetzt wirst du auf deine Reise geschickt. Wir wünschen dir viel Glück. Oh, und bevor wir es vergessen, du wirst dich an die Begegnung mit uns nicht erinnern, wenn du wieder in deiner Welt bist. Wir wünschen dir nochmals viel Glück auf deinem Weg und hoffen für dich, endlich den Frieden in deinem Herzen zu finden.“

Nach diesen Worten verschwamm alles vor meinen Augen und ich fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.
 


 

Als ich wieder aufwachte, fand ich mich auf einer Lichtung wieder. Ich tat mir etwas schwer, da mir immer noch leicht schwindlig war, schaffte es aber dann doch, mich aufzusetzen und anschließend komplett zu erheben.

Plötzlich spürte ich eine mir zu bekannte Aura in unmittelbarer Nähe und gleich darauf einen erfreuten Aufschrei dicht hinter mir. Darauf drehte ich mich in Sekundenschnelle um und starrte mit ungläubigem Blick auf die kleine Gruppe vor mir.

„KAGOME – SAMA!“ ertönte es von dem Mädchen, das inzwischen schon 11 Jahre alt sein sollte. Rin lebte zwar anfangs im Dorf, doch sie entschied sich bereits nach zwei Jahren, wieder mit Sesshomaru zu reisen. Es war ziemlich lange her, dass ich einem von ihnen mal begegnet war. Genau genommen drei Jahre, als wir zusammen gegen Naraku gekämpft hatten, doch danach hatte ich sie kein einziges Mal mehr gesehen, abgesehen von Rin.

Ich schenkte ihr ein fröhliches Lächeln und hockte mich hin, um sie zu umarmen. Doch ihr Anlauf und der Schwung dazu war so stark, dass sie mich umwarf und wir beide auf der weichen Wiese landeten. Wir lachten und rappelten uns wieder auf.

Als Rin von mir abließ, fragte sie mich:

„Was machst du hier, Kagome – sama?“

Doch bevor die Angesprochene darauf antworten konnte, wurde ihr schon die nächste Frage gestellt. Jedoch nicht von Rin.

„Solltest du nicht bei meinem Bruder sein?“

Damit fiel der Groschen. Inuyasha hatte mich betrogen und belogen. Das wusste ich zwar wieder, aber nicht, wie ich hierher kam.

„Ich habe dich etwas gefragt“, entkam es dem Dämon ungeduldig. Durch seine Worte unterbrach er meine Gedankengänge, und so stand ich jetzt unschlüssig herum. Doch ich rang mich zu einer wenn auch nicht sehr informativen Antwort durch.

„Das geht dich gar nichts an und außerdem würde es dich sowieso nicht interessieren.“ Ich rechnete eigentlich damit, er würde mir jetzt an die Gurgel springen, doch dies blieb aus. Stattdessen wandte er sich einfach um und ging. Es erklang noch ein kurzes „Wir gehen“ und schon drehten sich auch die anderen um und folgten dem Hundedämon. Ich war etwas verwirrt, kümmerte mich aber nicht weiter darum.

Jetzt blieb ich wohl allein. Tja, nichts zu machen. Zu Inuyasha würde ich nie im Leben wieder zurück gehen, doch… wohin sollte ich dann? Der Brunnen war verschlossen und… aber Moment. Sango und Miroku. Sie könnten mir sicher für eine Weile Unterkunft verschaffen. Aber irgendwie wollte ich mich nicht damit abfinden, einfach nach Hilfe zu suchen, nur, weil mein Leben im Augenblick nicht so blendend lief. Ich seufzte und beschloss, einfach mal darüber zu schlafen, vielleicht würde ich ja schon am nächsten Morgen zu einer Lösung finden.

So lehnte ich mich also an einen Baum und schlief schon nach kurzer Zeit ein. Jedoch sollte mir der Schlaf nicht gegönnt sein.
 

Mitten in der Nacht schreckte ich durch ein Knacken auf. Meine Sicht klärte sich nur langsam, aber als ich alles erkennen konnte, zog ich scharf die Luft ein und meine Augen weiteten sich. Dieses Knacken kam keinesfalls von einem abbrechenden Ast. Nein, es kam von einer grün glühenden Klaue welche meinem Gesicht bedrohlich nahe war. Und das auch noch ohne triftigen Grund. Eine Sache jedoch verwirrte mich. Er grinste. Ich konnte nicht deuten, welche Art von Grinsen es war, aber ich konnte in seinen Augen ein seltsames Funkeln erkennen.

„Da wir jetzt alleine sind, kannst du mir ja mit Sicherheit sagen, wieso du dich nicht bei meinem Bruder aufhältst.“

Ich überlegte einen Moment, gab ihm aber eine Antwort.

„Nein, kann ich nicht!“

Dieses Funkeln in seinen Seelenfenstern verwandelte sich plötzlich in Belustigung und er meinte:

„Ich glaube nicht, dass es ratsam ist, in deiner Situation mir zu widersprechen.“

Da hatte er vielleicht recht, aber er war praktisch mein Schwager, er würde mir doch nicht wirklich was tun… oder? Ok, streichen wir das letzte. Trotzdem gebe ich nicht auf.

„Hmm, das mag zwar sein, aber trotzdem. Gegenfrage: Wieso interessiert dich das? Du willst Inuyasha zwar nicht mehr töten, was für deine Verhältnisse ja schon sehr großzügig ist, aber du kannst ihn noch immer nicht sonderlich leiden. Und ich, ich bin nur eine schwache, niedere Kreatur, wie du so schön sagen würdest. Also nenn mir nur einen Grund, wieso ich dir das sagen sollte, wenn du mich letzten Endes sowieso nur wieder schwach nennst.“

Ich hatte dazwischen kaum Luft geholt, weswegen ich nach meinem Redefluss erst mal gierig nach Luft rang.

Aus welchem Grund auch immer blieb es eine ganze Weile lang still. Es überraschte mich jedoch, nicht schon längst in meinem eigenen Blutbad zu liegen. Hm, vielleicht ist er ja doch etwas netter geworden. Schließlich hatte er nun ein Menschenmädchen an seiner Seite und wenn ich ehrlich war, dann konnte ich es noch immer nicht ganz fassen.

„Dafür, dass du wohl gerade mehr als schlecht gelaunt bist, spuckst du ganz schön große Töne.“ Und schon wieder dieses Amüsement in seiner Stimme. Machte er sich jetzt auch noch über mich lustig?

„Du kannst sagen was du willst, aber solange du mir keinen Grund gibst, dir alles zu erzählen, werde ich schweigen wie ein Grab.“ Hoffentlich hatte er es jetzt begriffen. Im nächsten Moment sah ich, dass er es zwar begriffen aber nicht akzeptiert hat. Und das… war mehr als schlecht. Denn seine Augen färbten sich gerade rot. Eins war klar. Natürlich würde er sich jetzt nicht verwandeln, jedoch zeigte mir seine Augenfarbe deutlich sein Missfallen über meine Verschwiegenheit. Und mir missfiel wiederum, dass ich jetzt wohl oder übel alles erzählen musste. Denn meine Wahl lag zwischen Tod und Leben, in welchem ich als schwach bezeichnet werde. Eigentlich hörte sich Tod gar nicht mal so schlecht an. Zu meiner Familie konnte ich nicht mehr. Inuyasha war für mich gestorben und meine Freunde hatten ihre eigene Familie gegründet, welche ich mit meinen Problemen einfach nicht zerstören konnte. Und sonst war keiner da, der mich brauchte. Jemand, der sich über meine Gegenwart freute. Niemand. Wieso sollte ich den Tod also nicht vorziehen?

„Wenn du wütend bist, dann töte mich doch einfach. Sonst fiel es dir ja auch nicht schwer mich umzubringen. Mich erhält sowieso nichts mehr hier am Leben. Ich bin allein und werde es auch immer sein. Mich würde niemand hier vermissen.“ Ich merkte, wie neutral meine Worte doch klangen und fühlte die Leere in mir aufkommen. Mir wurde erst jetzt klar, dass ich ihn praktisch über die Trennung zwischen mir und Inuyasha in Kenntnis gesetzt hatte. Aber im Augenblick war es mir egal. Mir war alles egal. Ich hatte Angst, dass sich diese Leere auch in meinen Augen bemerkbar machte, weswegen ich sie schloss und auf das Gift Sesshomarus wartete, welches meinen Körper ganz langsam wegätzen würde. Doch es geschah nichts. Stattdessen hörte ich ein leises Wimmern und gleich darauf eine tränenerstickte Kinderstimme.

„Wieso, Kagome-sama? Wieso sagst du so etwas?“

Vor Schock riss ich die Augen auf und sah in die Richtung, aus der die Stimme kam. Und wie erwartet stand dort die kleine Rin, welcher unaufhaltsam Tränen über die Wangen liefen.

„Es scheint so, als würde dich doch jemand vermissen. Und da ja anscheinend mein dämlicher Bruder an deinem Gemütszustand schuld ist, wundert es mich auch gar nicht. Schließlich hab ich selbst oft genug mitbekommen, mit wem er sich ständig trifft“, meldete sich nun auch Sesshomaru wieder zu Wort. Seine Stimme klang kalt, aber seine Worte erfüllten mich mit Wärme. Ich hätte nicht gedacht, dass er mich versteht. Aber wie ich schon sagte. Rin ist sicher an seinem Einfühlungsvermögen schuld. Bei diesem Gedanken schlich sich ein kleines Lächeln auf mein Gesicht und es wunderte mich fast, dass ich noch lächeln konnte.

Ich sah für einen kurzen Moment zu Rin, bevor ich meine Augen resigniert schloss und meine Erlebnisse nochmal Revue passieren ließ. Alles, was mir im Mittelalter passiert ist. Von den Momenten, in denen ich schon nah an der Schwelle des Todes stand, bis hin zu den Situationen, in denen ich mit Inuyasha zusammen sein konnte.

Ich hatte sowohl schönes als auch nicht so schönes erlebt. Und ich kam zu dem Schluss, dass ich nichts davon bereute. Sesshomaru hatte recht. Unglaublich, dass ich das mal denken würde. Es gibt sehr wohl noch Personen die mich brauchen. Ich sollte mich nicht hängen lassen, nur wegen Inuyasha.

Langsam trockneten meine Tränen und ich fühlte, wie das Lächeln auf meinen Zügen breiter wurde. Als ich meine Arme auffordernd in Rins Richtung hielt und dazu noch ein leises „Komm her, Rin“, flüsterte, konnte die Kleine nichts mehr halten und im nächsten Augenblick lag sie in meinen Armen. Noch immer weinte sie, doch nach einer Weile beruhigte sie sich wieder. Ich warf Sesshomaru einen dankbaren Blick zu, welcher das bloß mit einem Nicken zur Kenntnis nahm und schließlich aufstand.

„Rin, wir gehen!“, ertönte es kalt von ihm.

Er würde sich ja doch nie ändern. Langsam richtete auch Rin sich wieder auf.

Ich fragte mich, wohin ich jetzt sollte. Vielleicht dürfte ich ja mit Sesshomaru gehen. Pfeil und Bogen hab ich ja nicht dabei, ich könnte also schneller von einem Dämon verschlungen werden, als mir jemals lieb wäre. Also wäre dies eigentlich die beste Lösung, um nicht allein durch den Wald zu laufen. Doch irgendwie bezweifelte ich, dass er mich aufnehmen würde.

„Sesshomaru-sama, darf uns Kagome begleiten?“, erklang es plötzlich.

Ich sah ungläubig auf das kleine Mädchen, doch kurz darauf wanderte mein Blick zu dem Daiyokai. Sein Blick war berechnend auf mich gerichtet und während er sich umdrehte, gab er eine Antwort.

„Meinetwegen!“

Er ist wieder da!

Ich wanderte nun schon eine Woche mit dieser Gruppe, und auch wenn es eine vollkommen andere Atmosphäre war, als die bei Inuyasha, so fühlte ich mich doch in gewisser Weise wohl. Sesshomaru sprach nicht sehr viel, nur das nötigste, aber Rin machte das mit ihrer ständigen Heiterkeit wieder wett. Kein Wunder, dass sie bei dem Yokai bleiben durfte. Man musste sich einfach in die Kleine verlieben. Es gab keine besonderen Ereignisse in dieser Zeit, aber sie zeigte mir, wie anders sich dieser Yokai doch verhielt, wenn es nicht um seinen Halbbruder ging.

Plötzlich blieb der Weißhaarige stehen. Mit einem kurz angebundenen „Wartet hier“ war er verschwunden und ließ uns nun hier im Wald zurück. Ganz allein… mit nem Gnom als Beschützer. Ich fühle mich ja so sicher. Der einzige, der uns vielleicht noch in Gefahr helfen könnte, wäre wohl Ahun. Aber wenn es hart auf hart kommt, wird nur noch Sesshomaru helfen können. Hätte ich wenigstens meinen Bogen und meine Pfeile mit, dann… dann wären wir nicht ganz so hilflos. Wir konnten wohl nur hoffen, dass nichts schief ging, während der werte Herr weg war. Doch leider platzte meine Hoffnung von ein auf die andere Sekunde wie eine Seifenblase. Ich hörte es rascheln. Und ich spürte es. Eine Aura, welche nichts Gutes verhieß. Und das Schlimmste an allem war,… ich kannte diese Aura. Schwarz und böse. Ich hatte sie auf der Reise mit Inuyasha so oft gespürt. Ich musste mit dem Besitzer dieser Aura kämpfen und wir alle haben ihn getötet. Umso mehr schockte es mich, diese Aura plötzlich wieder wahrzunehmen. Ich erstarrte zur Salzsäule, konnte mich nicht mehr rühren. Ich war vollkommen in Gedanken, weswegen ich auch laut aufschrie, als auf einmal jemand an meinem Ärmel zupfte. Ich fand schnell heraus, dass es nur Rin war, welche mich besorgt musterte. Natürlich! Sie konnte es ja nicht spüren. Meine Augen waren immer noch geweitet. Meine Stimme versagte, als ich zu einer Antwort ansetzte. Mein Blick fiel in die Richtung, aus der die Aura kam, doch genau in diesem Moment… war sie plötzlich weg. So, als wäre sie niemals hier gewesen. So, als hätte sie niemals existiert. Mein Herzschlag, welcher sich in dieser Zeit beschleunigt hatte, normalisierte sich wieder, jedoch blieben meine Augen geweitet und ich sah weiterhin starr in dieselbe Richtung. Ein Geräusch ließ mich herumfahren.

Zum Glück! Es war Sesshomaru. Sollte ich ihm davon erzählen? Aber hätte er es dann nicht auch gespürt? Er braucht wohl kaum eine Miko aus der Neuzeit, um so etwas zu bemerken. Doch er wirkte so gelassen. Ist er zwar immer. Genauso, wie in den Kämpfen mit Inuyasha. Aber mich ließ das Gefühl nicht los, es ihm sagen zu müssen. Egal, was er dann denkt. Ein Fehler wird es keinesfalls sein.

„Äh… Sesshomrau?“ Er warf mir einen Blick zu, welcher mir deutete, weiter zu sprechen. Ich atmete noch einmal tief durch und fing dann an.

„Ich habe Naraku´s Aura gespürt“, sprach ich ernst, worauf er nur eine Augenbraue hob. Natürlich musste Jaken auch noch seinen Senf dazu geben.

„HAHAHA, du dummes Menschenweib, das ist doch lächerlich. Jeder weiß, dass Naraku nun endlich im Jenseits ist und nie wieder zurück kommen wir. Und das haben wir Lord Sesshomaru zu verdanken. Wäre er nicht gewesen, wärt ihr jetzt alle tod“, prahlte er arrogant, um sich bei seinem Herrn nur noch mehr einzuschleimen. Eben typisch Kröte. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass er genau wusste, dass nicht nur sein Herr bei dem Kampf gegen Naraku mitgewirkt hatte. Und ich… ich blieb trotz Jakens unnötigem Kommentar standhaft.

„Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber ich habe sie ganz deutlich gespürt, so als wäre er nur wenige Meter von mir entfernt. Doch kurz bevor du gekommen bist, war diese Aura wieder weg. Ich weiß, es klingt unmöglich, aber er lebt. Ganz sicher.“

Er machte noch immer einen skeptischen und vor allem arroganten Ausdruck. Wie hätte er mir auch glauben können?

Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf. Kikyo!

„Kikyo lebt!“, sagte ich. Der Gnom sah mich mit verengten Augen an.

„Ja und, wieso sollte das von Belang sein, und was hat das mit Naraku zu tun?“, quakte er.

Ich seufzte kurz bevor ich antwortete.

„Kikyo war die Miko aus Lehm und Erde. Ich bin sicher, ihr seid ihr schon einmal begegnet. Und ihr habt auch sicher mitbekommen, dass sie tot ist. Aber das ist sie nicht mehr. Ich hab sie gesehen. Sie lebt“. Ich konnte den traurigen Unterton in meiner Stimme nicht verhindern. Doch es schien, als hätte es niemand bemerkt.
 

Aber sie irrte sich. Denn ein gewisser Daiyokai merkte es sehr wohl. Und er wusste auch, wieso. Er wäre normalerweise ja ihr Schwager gewesen. Nur dieses Wort in Gedanken auszusprechen, bereitete ihm ein Gefühl von Ekel. Und jetzt, wo die Leiche wieder lebte, war sein Halbbruder sicher sofort zu ihr gelaufen. Hatte das Weib ihrem Schicksal überlassen. Auch wenn er sich dafür hätte erwürgen können, so empfand er doch Mitleid für Kagome. Sie blieb ihm stets treu und so dankte er es ihr. Sie hatte selbst Schuld. Das bewies mal wieder, wie unnötig und schwach solche Art von Gefühlen doch ist. Sie bringen nichts, als Ärger. Aber etwas ganz anderes war nun wichtig.
 

Ich sah nochmals in Sesshomarus Gesicht und es zeigte tatsächlich eine sehr interessante Regung. Seine Augen hatten sich verengt. Anscheinend wusste er bereits, worauf ich anspielen wollte. Naraku war nicht mehr tot. Er war am Leben. Und das wohl Schlimmste war, er wollte Rache, das konnte ich zu gut in seiner Aura spüren. Es würde also wieder anfangen. Der Kampf. Doch nun war es fraglich, ob es wieder gut enden würde. Oder war die Welt nun vielleicht verloren?

Die Ruhe vorm Sturm...

Wie konnte es nur bloß so weit kommen? Nachdenklich saß ich am Ufer eines seichten Flusses und sah den Fischen beim Schwimmen zu. Das Wichtigste war nun, ruhig zu bleiben. Wir mussten strategisch vorgehen.

Lange hatte es nicht gedauert, bis sich Sesshomaru dazu entschied, Rin und Jaken mit Ahun zurück zum Schloss zu schicken, wo sie in Sicherheit waren. Und nun lehnte er nur wenige Meter von mir entfernt an einem Baum. Schlussendlich rang ich mich dazu durch, die Stille zu durchbrechen.

„Was machen wir jetzt?“ Ich starrte weiterhin in den Fluss, als ich sprach, weswegen ich nicht sehen konnte, wie sein Blick forschend über mich glitt.

„Wir?“ Sein Tonfall war mehr als herablassend und ich musste mich beherrschen, nicht gleich total aus der Haut zu fahren. Stattdessen stand ich auf und schritt gelassen auf ihn zu, bis ich schließlich vor ihm zum Stehen kam und seinen kalten Blick ernst erwiderte.

„Hör zu, du weißt genauso gut wie ich, dass es nun niemanden mehr gibt, der gegen Naraku ankämpfen würde. Und ich will auch gar nicht, dass meine Freunde sich wieder in diesen Gefahr begeben. Sie haben nun endlich alle neu angefangen und ich will ihnen das keinesfalls antun. So bleiben nur noch du und ich übrig. Und ob es dir passt oder nicht, ich werde dir helfen, diesen Hanyou wieder in Jenseits zu schicken, koste es, was es wolle.“ Die ganze Zeit über hatte er meinen Worten still gelauscht, doch nachdem ich endete, stellte er mir eine Frage, welche ich um alles in der Welt gern vermieden hätte.

„Und was ist mit Inuyasha?“ Abwartend sah er mich an. Plötzlich konnte ich ihm nicht länger in die Augen sehen, weswegen ich meinen Kopf zur Seite drehte. Ja, was war mit ihm? Theoretisch gesehen wäre er eine große Hilfe, doch ich konnte und wollte ihm nicht wieder begegnen. Jede Faser meines Körpers sträubte sich dagegen, ihm wieder unter die Augen zu treten.

„Vergiss es, dieses Halbblut hatte damals lediglich Glück, nochmal würde er das sowieso nicht schaffen,“ riss er mich aus meinen Gedanken. Ungläubig sah ich zu ihm auf. Es schien mir beinahe so, als hätte er meine Gedanken gelesen. Doch egal, was es war, ich war ihm unendlich dankbar, dass er nicht weiter nachbohrte.

„Nun gut, solange du mir kein Klotz am Bein bist, erweise ich dir die Ehre mit mir kämpfen zu dürfen.“

Unwillkürlich verdrehte ich die Augen bei diesem Satz. Ja klar, dachte ich sarkastisch. Trotz dieser arroganten Aussage schlich sich ein Grinsen auf meine Züge.

„Dann sind wir uns ja einig.“

Sie würden zusammen in den Kampf ziehen.
 

Und nun liefen wir schon einen ganzen Tag ohne Pause durch den Wald. Ich hatte nicht den geringsten Schimmer, wohin er überhaupt wollte, glaubte jedoch auch nicht, dass er es mir sagen würde. So ging ich still hinter ihm her und hing meinen Gedanken nach. Als sich der Himmel langsam immer dunkler färbte, wurde zugleich meine Sicht immer schlechter. Doch ich wollte mich nicht beklagen, ich wollte ihm um jeden Preis beweisen, dass ich nicht so schwach war, wie er vielleicht dachte. Irgendwie würde es schon schief gehen. Und so war es dann auch. Kurze Zeit später konnte ich nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen und tastete mich deshalb nur langsam vorwärts. Trotz meiner Vorsicht konnte ich es nicht verhindern, dass ich an einer Wurzel hängen blieb und nach vorne flog. Hätten mich nicht zwei starke Arme rechtzeitig aufgefangen, hätte das wohl ziemlich schmerzhaft geendet. Leise hörte ich ihn seufzen und schon im nächsten Moment befand ich mich auf seinen Armen.

„So kommen wir schneller voran, also bilde dir bloß nichts darauf ein“, erklang es kühl über mir. Trotz dieser Worte konnte ich nicht verhindern, dass mir die Röte ins Gesicht stieg.

„Wohin gehen wir eigentlich“, entwich es mir nach einiger Zeit. Ich erhielt keine Antwort, gab mir jedoch damit zufrieden. Egal, wie lang ich nachbohren würde, er würde schweigen.

So ließ ich mich die ganze Zeit durch den Wald tragen. Das leichte Wiegen beim Gehen machte mich immer müder, ich versuchte noch mich bei Bewusstsein zu halten, doch schließlich siegte die Schwerkraft und drückte meine Lider unerbittlich nieder.
 

Leider bemerkte sie in ihrem tiefen Schlaf nicht, dass sie sich automatisch an Sesshomaru lehnte, was dieser mit einem nachdenklichen Blick auf sie quittierte.
 

Sie war doch tatsächlich eingeschlafen, dachte er innerlich seufzend. Es hatte ihn doch gewundert, dass sie keinen Mucks von sich gab, als es dunkler wurde. Er wusste, sie konnte nichts sehen und trotzdem tat sie ihr Bestes um ihm nicht zur Last zu fallen. In gewisser Weise beeindruckte ihn das sogar. Was aber noch lange nicht hieß, dass er jemals etwas für diese Menschen empfinden würde. Solche Art von Gefühlen war einfach nur lästig, sie machten auch seinen Bruder schwach, das hatte er ja gesehen. Doch dass sie es scheinbar sogar vorzog, mit ihm zu reisen, obwohl er sie schon mehr als einmal beinahe getötet hätte, verwunderte ihn doch sehr. Wäre sein Bruder nicht dazwischen so oft gegangen, würde sie wohl jetzt nicht mehr leben und aus einem ihm unerfindlichen Grund war er darüber nun auch erleichtert.

Aber wie ging es nun wirklich weiter? Um ehrlich zu sein, hatte auch er im Moment keinen konkreten Plan. Dazu kam auch noch, dass das Mädchen auf seinen Armen mit ihm kämpfen wollte. Ob sie ihm wirklich nützlich war, bezweifelte er und es widerstrebte ihm noch immer, sie mitgenommen zu haben, doch er hatte zugestimmt und er stand zu seinem Wort. Nun würde er sich wohl erst einmal umhören müssen, vielleicht käme er dann auf eine Spur.
 

Sonnenstrahlen kitzelten mich an der Nase, was mich blinzelnd die Augen aufschlagen ließ. Als ich aufsah, erkannte ich, dass ich noch immer von ihm getragen wurde und als sein Blick meinem begegnete, wich ich seinem schnell aus. Was war denn das gerade, dachte ich. Wieso kann ich ihm denn nicht wie immer normal in die Augen sehen? Da ich meinen Blick starr woanders hin richtete, entging mir das amüsierte Glitzern, welches sich kurz in seinen Seelenspiegeln bemerkbar machte.

Als ich plötzlich abgesetzt wurde, sah ich doch nochmal zu ihm. Er wandte sich gerade von mir ab und mit einem knappen und typischen „Warte hier“ war er verschwunden. Verflogen war die leichte Müdigkeit, die mich noch umgeben hatte, schlagartig riss ich die Augen auf. Er ließ mich doch tatsächlich allein, ich hatte nicht mal meinen Bogen mit und so ungern ich es auch zugab, ich war in diesem Moment ohne ihn total aufgeschmissen. Was dachte er sich bloß dabei und wohin wollte überhaupt so dringend, dass er mich nicht einfach mitnahm? Solche und andere Fragen machten sich in meinem Kopf breit, doch statt mich noch weiter über ihn aufzuregen, sah ich mich mal auf der Lichtung um, auf welcher er mich zurückgelassen hatte. Eben eine normale Waldlichtung, wie jede andere auch, doch am Rande konnte ich – oh Wunder – einen Apfelbaum ausmachen. Zielsicher schritt ich darauf zu und da ich nicht von unten an einen ran kam, musste ich nach oben klettern. Mit Mühe schaffte ich es schließlich, den Baum zu erklimmen und auf einem dicken Ast Halt zu finden. Dort seufzte ich erst mal erleichtert auf und besah mir nochmals die Lichtung. Dann schnappte ich mir einen Apfel und biss herzhaft hinein. Endlich was zu essen. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass er mich im Stich ließ, aber andrerseits wäre es ihm wahrscheinlich auch egal, wenn mir etwas zustieß. Ich musste mich also damit zufrieden geben, dass er mich wenigstens teilweise bei sich duldete und nicht gleich selbst ins Jenseits schickte. Ich konnte es mir jetzt gerade wirklich nicht leisten, undankbar zu sein. Wäre Rin nicht gewesen, säße ich wahrscheinlich immer noch heulend an jenem Ort. Meine Mundwinkel zogen sich leicht nach oben, als ich daran dachte, wie auch Sesshomaru mich auf eine seltsame, jedoch wirksame Art und Weise wieder aufheiterte. Dies zeigte mal wieder, dass er ja doch nicht so schlimm war, wie er gerne vorgab. Vielleicht konnte sie mit Hilfe dieses Daiyokais Inuyasha sogar schneller vergessen, als sie es sich erhofft hatte. Mit diesen Gedanken lehnte ich mich kauend an den Baumstamm und schloss genüsslich die Augen.
 

Was Kagome weder sehen noch hören konnte, war diese eine Person, die nicht allzu weit von ihr entfernt im Wald, verborgen von dichtem Geäst stand und leise Worte in den Wind flüsterte.

„Wiege dich nur in Sicherheit, kleine Miko, denn schon bald wirst du allein mir gehören.“ Und mit diesen Worten verschwand die Person wieder in der Dunkelheit.
 

Ich war schon wieder am Einnicken, als mich eine eisige Stimme aus dem Fastschlaf riss.

„Wir gehen weiter!“ Und schon bewegte er sich in eine Richtung, mich nicht weiter beachtend. Ungeschickt kletterte ich vom Baum und folgte ihm rasch. Als ich in den Himmel sah, erstarrte ich. Der Sonne war schon wieder am Untergehen. Ohne, dass ich es bemerkt hatte, war er fast den ganzen Tag über weg gewesen. Das Seltsamste an der Sache war, dass ich kein einziges Mal von einem Dämon angegriffen wurde. Das war doch nicht normal, oder doch?

„Komm her“, wurde ich erneut aus meinen Gedanken gerissen. Als ich aufsah, erkannte ich die bereits vorangegangene Dämmerung. Langsam holte ich zu ihm auf, bis ich schließlich neben ihm ging und abwartend zu ihm hoch blickte. Eine mir ewige Zeit sagte er nichts und ich fragte mich schon, wieso er mich dann zu sich gerufen hatte, als er mich plötzlich unvermittelt wieder auf seine Arme nahm. Einen kurzen Aufschrei konnte ich dabei nicht unterdrücken. Er jedoch tat so, als wäre nichts gewesen und bewegte sich gemächlichen Schrittes weiter voran. Ich ließ es über mich ergehen und blickte nach vorne. Viel sehen konnte ich nicht, aber schlafen konnte ich beim besten Willen auch nicht mehr.

„Wohin gehst du eigentlich immer?“ Ich konnte diese Frage einfach nicht mehr zurückhalten, nun wollte ich endlich eine Antwort. Und ich bekam sie sogar.

„Das geht dich nichts an!“ Naja, mehr oder weniger, ging es mir missmutig durch den Kopf. Aber so leicht gab ich diesmal nicht auf.

„Wieso verschweigst du mir alles. Was ist denn so geheim, das ich es nicht erfahren darf“, brauste ich auf, bereute es jedoch sogleich, als seine Klauen sich leicht in meinen Oberarm bohrten.

„Zügle deine Zunge, Mensch“, zischte er und sah mich dabei an. Er schien zwar wütend, doch ein mir unbekanntes Blitzen erschien in seinem goldenen Blick. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, es wäre Belustigung. Unbewusst runzelte ich die Stirn und betrachtete ihn nachdenklich. Wirklich sehr komisch. Er hingegen richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Weg vor uns.

„Ich suche nach einer Spur von Naraku, ohne dich geht das schneller.“

Abermals runzelte ich die Stirn. Er hatte mir tatsächlich geantwortet.

„Aber wieso kann ich nicht mitkommen?“

Er zog eine Augenbraue hoch und musterte mich argwöhnisch.

„Meinst du diese Frage ernst?“ Ich hatte mich doch nicht getäuscht. Auch in seinem Tonfall lag ein Hauch von Amüsement. Ich konnte nur nicht ganz verstehen, was er mit seiner Aussage meinte.

Genervt verdrehte er die Augen, als er meine Begriffsstutzigkeit bemerkte.

„Du bist nur ein Mensch. Was Informationen angeht, so bin ich ohne dich als Dämon schneller.“

Trotzig verschränkte ich die Arme. Du bist nur ein Mensch, äffte ich ihn in Gedanken nach. Ich schwacher Mensch, du starker Dämon, schon klar, das musste er mir nicht andauernd unter die Nase reiben. Jedenfalls wusste ich jetzt ein bisschen mehr, was aber nicht hieß, dass ich mich einfach damit zufrieden geben würde. Jedoch blieb mir im Moment wohl keine andere Wahl.
 

Und so vergingen ein paar Tage, in denen Sesshomaru öfters lang weg blieb. Und kein einziges Mal wurde sie angegriffen. Das kam ihr langsam mehr als unheimlich vor, jedoch verschwieg sie es Sesshomaru gegenüber. Es war ihm wahrscheinlich sowieso egal. Doch jede Nacht nahm er sie abermals auf die Arme und schritt mit ihr durch die Finsternis. Nie machten sie Halt, bis auf die Zeiten, in denen er verschwand. Aber egal, wie viel Zeit auch verging, von Naraku war nirgendwo eine Spur und so langsam überfielen mich Zweifel, ob ich mir das Ganze nicht nur eingebildet hatte. Zu dem Zeitpunkt konnte ich ja noch nicht wissen, dass dies nur die Ruhe vorm Sturm war.

Er lässt mich allein

Weitere vier Tage vergingen und nichts änderte sich. Keine Spur von Naraku. Es schien plötzlich aussichtslos. Und so wie Sesshomaru mich gemustert hatte, bevor er wieder auf die Suche ging, hätte ich wissen müssen, was passieren würde.

Irgendwie schaffte ich es, mir die Zeit zu vertreiben, indem ich meine Mikokräfte mehr stabilisierte, was sich als schwieriger erwies, als erwartet. Schließlich, als bereits wieder dämmerte, hörte ich ein Gebüsch rascheln und sah auf. Da kam, imposant wie eh und je daher stolziert und fixierte mich mit verengten Augen.

„Das hat keinen Sinn mehr, Miko“, gab er in einem schroffen Ton von sich.

„Was soll das heißen?“ Entgeistert sah ich ihn an, jedoch hatte ich schon eine gewisse Ahnung, worauf dies hinauslaufen würde.

„Naraku ist tot. Wahrscheinlich hast du dir seine Aura nur eingebildet. Sonst hätte ich nämlich auch gespürt und zumindest seinen Gestank wahrgenommen. Doch es besteht nicht die geringste Spur, dass er noch am Leben ist. Meinst du nicht, du bist von deiner Schwäche bezüglich meines Halbbruders, beeinflusst worden?“ Mal wieder klang seine Stimme so herablassend. Er wusste genau, wie er mich am Meisten erniedrigen konnte, und ich wusste nicht einmal ein Argument auf seine Aussage, da ich weder einen Beweis für Narakus Auferstehung, noch eine Spur von ihm hatte. Sesshomaru deutete mein Schweigen scheinbar richtig, denn er fuhr nach kurzer Zeit unbeirrt fort.

„Deshalb trennen sich nun unsere Wege.“

Ruckartig blickte ich ihm in die Augen. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Aber andererseits war es auch nicht minder verwunderlich. Als ich bemerkte, wie er an mir vorbei schreiten wollte, griff ich wie automatisch nach seinem Ärmel. Er sollte nicht gehen. Er sollte mich nicht allein lassen.

Als er zu mir zurück sah, registrierte ich erst richtig meine Tat und ließ deshalb blitzartig los. Für einen Moment musterte er mich noch mit einem undefinierbaren Blick, ehe er sich wieder vollends umdrehte und davon ging. Innerhalb weniger Sekunden war er im Wald verschwunden und es kam mir wie Stunden vor, als ich endlich aus meiner Starre wieder erwachte. Die ganze Zeit über hatte ich auf die Stelle geschaut, an der er verschwunden war. Langsam wandte ich mich um und ging hart schluckend in die entgegengesetzte Richtung.

Als ich schon bald in einen dichteren Teil des Waldes kam, hörte ich plötzlich ein Geräusch. Ich blieb wie erstarrt stehen und hörte gleich darauf noch eins. Schnell wandte ich meinen Kopf in alle Richtungen, sah mich um, doch nirgendwo etwas Verdächtiges. Aber schon wieder. Direkt vor mir raschelte es erneut und ich schritt langsam nach hinten, darauf bedacht, keinen Ton von mir zu geben, den Blick immer auf die Stelle vor mir gerichtet.

Plötzlich stieß ich gegen etwas und eigentlich dachte ich, es wäre ein Baum, doch als ich einen warmen Luftzug an meinem Nacken spürte, erstarrte ich, während mir der nächste Atemzug im Halse stecken blieb. Ich spürte, wie mich eine dunkle Aura umhüllte.

„Na, hast du mich vermisst?“

Das durfte nicht wahr sein. Das konnte einfach nicht wahr sein. Ich hätte alles gegeben, damit ich mit meiner Vermutung falsch lag. Innerlich wusste ich es aber schon die ganze Zeit über. Und als sich meine Glieder wieder regten und mein Körper sich demjenigen, welcher hinter mir stand, zu wandte, erlitt ich den nächsten Schock, und das, obwohl ich es bereits geahnt hatte. Schwarzes Haar. Rote Augen. Und ein überlegenes Grinsen zierte sein Gesicht. Äußerlich hatte er sich nicht verändert, doch ich spürte, dass er nicht mehr der war, den er einst verkörperte. Er war noch immer ein Hanyou, doch er schien nicht mehr das Herz Onigumos zu besitzen. Er sah irgendwie… nicht mehr so größenwahnsinnig aus.

„Wohl kaum“, entgegnete ich trocken. Ich wagte einen Schritt von ihm weg, er folgte mir jedoch, ohne Zeit zu verschwenden. „Was suchst du hier? Wieso schmorst du nicht in der Hölle?“ zischte ich. Allmählich fand ich zu meinem Mut wieder zurück. Doch er hielt nur für einen winzigen Moment an. Blitzschnell griff er nach meinem Kinn und zog es an sein Gesicht heran.

„Na na na, Kagome. Sei mal lieber nicht so frech, schließlich willst du doch noch länger leben, oder?“ „Scheusal“, zischte ich erneut. Sein Grinsen wurde durch meine Worte nur noch breiter, während er nach einer Strähne meines Haares griff und sie um seinen Finger wickelte. Von einem Moment auf den anderen löste er sich jedoch von mir und schritt gemächlich um mich herum. Obwohl sich äußerlich nichts an ihm verändert hatte, kam er mir plötzlich viel bedrohlicher vor.

„Weißt du, wie schwierig es ist, Hexenmeister zu finden, die die Toten wieder zu neuem Leben erwecken können? Und das auch noch in einem Körper, der nicht nur aus Lehm und Erde besteht?“

Bei mir fiel der Groschen, was mich die Augen weit aufreißen ließ.

„Kikyo“, hauchte ich ungläubig. „Das warst du? Du hast sie aus dem Jenseits wieder zurückgeholt?“ Wie auf ein Stichwort trat die Gesprächsperson aus dem Dickicht. Gelassen ging sie zu Naraku, dessen Blick immer noch aufmerksam auf mich gerichtet war.

„Ja das war ich“, antwortete er ohne Umschweife und sein Blick glitt nun zu der Miko. Du hast deine Sache gut gemacht, jetzt sind wir quitt.“ Auf diese Worte hin nickte Kikyo und entfernte sich wieder, bis sie gänzlich von den Schatten des Waldes verschlungen wurde. Diese Szene konnte ich bis dahin nur verwirrt mit ansehen, doch auch hier begriff ich langsam.

„Du machtest mit ihr gemeinsame Sache?“ Ein Nicken bestätigte meine Vermutung. „Aber wie hast du das alles gemacht und wozu dieser Aufwand?“ Das war das Einzige, was mir nicht einleuchten wollte. Ehe ich mich versah, stand er wieder direkt vor mir und drängte mich unmittelbar gegen einen Baum, wo er mich schließlich mittels seines Körpers festpinnte.

„Kommst du wirklich nicht auf die Antwort, kleine Miko?“

Nein, war mein einziger Gedanke.

„Der Grund bist du, meine Liebe.“

„Erklär mir das“, brachte ich hervor, zu geschockt war ich von seiner Antwort.

„Dank dir bin ich nun kein rachsüchtiger Hanyou mehr. Die Läuterung des Juwels der vier Seelen hat fast alles Böse aus mir vertrieben. Ich hatte damals eine Wärme gespürt, die ich niemals geglaubt hätte zu fühlen. Und als ich glaubte, mein Leben wäre verwirkt, wurde ich wiedergeboren.“ Als er endete, legte er schelmisch grinsend einen Finger unter mein Kinn und hob es leicht an, sodass ich spürte, wie sich mein Mund wieder schloss. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie mir die Kinnlade runtergefallen war.

Aber er ist immer noch ein Hanyou, schoss es mir durch den Kopf.

„Und was soll das mit Kikyo?“ Er kicherte diabolisch.

„Glaubst du wirklich, es wäre so einfach, dich zu bekommen, wenn die ganze Zeit Inuyasha um dich herum ist? Ich wusste, dass er noch immer etwas für Kikyo empfand und so schien mir das die beste Lösung. Leider konnte ich ja nicht ahnen, dass du geradewegs in die Arme seines Halbbruders läufst.“

„Dann hast du nur deshalb so lange nicht angegriffen, weil du wusstest, dass er die Suche dann aufgibt“, schloss ich und starrte ihn finster an. „Aber wieso ich? Ich dachte, du liebst Kikyo.“

Falsch Kagome, schalte ich mich gleich darauf in Gedanken. Onigumo liebte Kikyo, doch das war er nicht mehr. Er schien meine Gedanken zu erahnen, denn sein wissender Blick durchbohrte mich geradezu.

„Kikyo ist Vergangenheit. Sie war nur eine reine Zeitverschwendung, aber du meine liebe Kagome bist…“, er vollendete den Satz nicht, stattdessen beugte er sich zu mir herab, doch bevor seine Lippen meine legen konnte, stemmte ich meine Hände mit voller Kraft gegen seine Brust und es gelang mir sogar ihn für eine Millisekunde aus dem Gleichgewicht zu bringen, was ich ohne zu Zögern nutze. Ich ergriff meine Chance, schlängelte mich zwischen seinem Körper und dem Baum in meinem Rücken hindurch und preschte los. Ohne auf meine Umgebung zu achten rannte ich wie wild durch den Wald, das einzige Geräusch, welches ich vernahm, war mein rasselnder Atem. Aber ich wollte nicht anhalten, ich wusste, er folgte mir und er war mir ganz dicht auf den Fersen. Wie ein Jäger, der seine Beute in die Enge treiben wollte. Ich warf einen kurzen Blick nach hinten, doch genau das wurde mir zum Verhängnis. Gleich darauf blieb ich irgendwo hängen und fiel unsanft zu Boden. Einen Atemzug später befand er sich über mir. Seine Krallen strichen erstaunlich sanft über meinen Hals, doch sein Blick voller Verlangen.

„Du gehörst mir und ich werde dich keineswegs einfach so gehen lassen“, flüsterte er. Erneut beugte er sich zu mir herunter, worauf ich ängstlich die Augen zu kniff. Als ich jedoch einen kalten Luftzug spürte und gleich darauf einen schmerzerfüllten Laut hörte, öffnete ich sie wieder. Ich sah silbernes Haar und mein erster Gedanke war: Inuyasha?

Irgendwie anders

Auf den zweiten Blick sah ich, dass mein Retter sein Halbbruder war und seltsamerweise blieb die Enttäuschung, die mich eigentlich befallen müsste, aus. Starr verfolgte ich seine grazilen Bewegungen und merkte, wie er mich mit einem kühlen Blick von der Seite bedachte. Komischerweise senkte ich automatisch den Kopf, um ihm nicht weiter in die Augen sehen zu müssen.

Ein erneuter Schrei riss mich abrupt aus meinen Gedanken und lenkte meine Aufmerksamkeit auf den Halbdämon, welcher sich langsam wieder aufrappelte. Hasserfüllt blickte er zu Sesshomaru, der dies jedoch gelassen hinnahm und stattdessen sich in Kampfstellung begab. Eine Weile lang blieb es still und nur die Geräusche des Waldes waren zu hören, meine Augen wanderten ständig von einem zum anderen. Und ganz plötzlich beruhigte sich Naraku wieder und ein sicheres Grinsen zog sich über sein Gesicht.

„Verehrter Lord Sesshomaru, eure Anwesenheit ehrt mich“, säuselte er spöttisch und machte die Andeutung einer Verbeugung. „Aber ich verstehe nicht ganz, wieso ihr das Menschenmädchen beschützt. Schließlich ist sie die Freundin eures verhassten Halbbruders“.

„Meine Gründe haben dich nicht zu interessieren. Mag zwar sein, dass du nun ein richtiges Halbblut bist, aber du bleibst immer noch widerlicher Abschaum.“ Mit diesen Worten zog Sesshomaru sein Schwert und hieb im Nu auf Naraku ein, welcher jedoch geschickt auswich. Erst jetzt fiel mir auf, dass er gar keine Barriere mehr um sich hatte.

Ein ganz anderer Gedanke kam mir. Wieso hat mir Sesshomaru geholfen? Was hat er denn davon?

Da fiel mit einem Mal der Groschen. Er wusste, dass Naraku kommen würde, wenn er mich fortschickte. So musste es sein. Hatte er also niemals vor, mich allein zu lassen? Mit dieser Frage im Kopf beobachtete ich den Silberhaarigen aufmerksam, welcher gerade einem Angriff seitens Naraku auswich. Der Kampf dauerte nicht lang, bis sich der Halbbdämon schließlich aus dem Staub machte. Das einzige, was er zurückließ, waren folgende Worte: „Ich kriege schon noch was ich will.“

Eine Schweigeminute herrschte, doch schließlich brachte ich es heraus. „Danke!“

Ruckartig sah er zu mir, ich konnte seinen Blick nicht deuten, aber ich war froh, dass etwas anderes darin lag, als die ständige Kälte, die ich von ihm kannte. Im nächsten Moment wandte er sich ab.

„Bilde dir bloß nichts darauf ein.“ Trotz dieser Ermahnung lächelte ich. War ja klar, dass er das sagen würde.
 

Ich wusste nicht, was es war, aber irgendetwas hatte sich seitdem zwischen uns verändert. Eigentlich blieb ja alles gleich und irgendwie auch nicht. Zum ersten ging er nicht mehr so oft fort. Und falls doch, nahm er mich mit. In manchen Nächten legte er eine Pause ein, damit ich mir etwas zu essen suchen und ausruhen konnte.

Es war mal wieder zu so einer Nacht gekommen, in der er einfach stehen blieb und sich an einen Baum setzte. Ich wusste bereits, was dies bedeutete und mich sofort daran, Feuerholz zu sammeln und ein Feuer zu machen. Sobald ich damit fertig war, sah ich zu Sesshomaru. Er hatte die Augen geschlossen, doch er schien meinen Blick zu spüren, öffnete ein Auge und deutete schließlich in eine Richtung. Dankbar schenkte ich ihm ein kleines Lächeln, ehe ich mich aufmachte. Das war auch eine der Veränderungen. Irgendwie kam es dazu, dass er mir eines Abends die Richtung zeigte, in der ich Nahrung finden konnte. Mit seinem Geruchssinn konnte er das wahrscheinlich ja schon von weitem riechen. Tja, und irgendwie hatte sich das zur Gewohnheit gemacht.

Schnell fand ich etwas und kehrte, so schnell es mir möglich war, wieder zum Lager zurück. Und er saß immer noch unverändert an Ort und Stelle, seine Augen wieder geschlossen. Auf dem Weg hatte ich mich satt gegessen und sah nun unschlüssig zu Sesshomaru. Da keimte Neugier in mir auf. Vorsichtig näherte ich mich ihm. Der Gedanke, er würde schlafen, war absurd und trotzdem wollte ich es darauf ankommen lassen. So schlich ich mir mehr an ihn ran, bis ich vor ihm zum Stehen kam. Ich ging in die Hocke und beugte mich leicht nach vorn. 20 cm vor seinem Gesicht hielt ich inne. Was machte ich hier eigentlich? War ich suizidgefährdet? Innerlich schüttelte ich den Kopf. Meine Angst vor ihm war nur fast gänzlich verflogen. Vielleicht lag es daran, dass mir nicht in den Kopf wollte, wieso er mich retten sollte, wenn er mich dann umbringen würde.

Als ich mich schließlich wieder besann, blinzelte ich ein paar Mal und betrachte sein Gesicht. Wenn man ihn sich mal genauer ansah, sah er nicht mal so schlecht aus, das musste man zugeben. Aber ihre Frage war noch immer nicht beantwortet. Sie näherte sich noch ein Stück, lauschte seinem Atem. Schlief er nun oder nicht? Misstrauisch fixierte sie sein Gesicht, wartend auf irgendeine Regung, doch es passierte nichts dergleichen. Just, als ich mich entfernen wollte, schlug er die Augen auf und starrte mich unverhohlen an. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, in der ich zu Eis erstarrte und dann blitzartig mit einem Aufschrei zurückfiel. Erschrocken blickte ich in seine belustigt glänzenden Seelenspiegel. Dass er nicht aus der Haut fuhr, sondern die Situation eher amüsant fand, irritierte mich zusehends. Was sollte ich davon halten?

„Dachtest du wirklich, ich schlafe?“ Obwohl er es kalt klingen lassen wollte, gelang es ihm nicht vollständig, den belustigten Unterton aus seiner Stimme zu verbannen.

„Hmpf, wie kommst du denn darauf?“ Trotzig stand ich auf und ließ mich neben ihm an den Baum gelehnt nieder. „Ich weiß doch, dass du, ein hochrangiger Dämon, keinen Schlaf brauchst.“ Entnervt verdrehte sie die Augen.

„Tse, Menschen“, gab er in einem herablassenden Ton von sich.

„Tse, Dämonen“, entgegnete ich ebenso.

Wir beließen es dabei. Irgendwie kam es auch öfters zu solchen Auseinandersetzungen, aber anstatt auf mich loszugehen, ließ er es einfach über sich ergehen oder ignorierte mich. Ich schüttelte nochmal den Kopf und schloss dann die Augen. Schon bald war ich ihm Land der Träume versunken und bemerkte so auch gar nicht, dass mein Kopf auf Sesshomarus Schulter fiel.

Er jedoch bemerkte es sehr wohl und quittierte dies mit einem nichtssagenden Blick auf sie.
 

Wieso ließ er sich das alles nur bloß gefallen? Dieses Mädchen stellte seine so hart erarbeiteten Nerven immer wieder auf die Probe und seltsamerweise machten ihm ihre Diskussionen immer weniger aus. Abwesend sah er auf sie hinab. In ihrer Nähe viel es ihm aus einem unerfindlichen Grund schwerer, seine Kälte aufrecht zu erhalten. Es wurde gar anstrengend. Vielleicht sollte er sie einfach Naraku überlassen. Ehe er diesen Gedanken richtig zu Ende brachte, schüttelte er bereits den Kopf. Er konnte sie nicht allein lassen, so absurd es auch klang und so ungern er es sich auch eingestand.
 

„Mmh.“ Müde rieb ich mir die Augen, mein Rücken fühlte sich an, als wäre jemand darauf Trampolin gesprungen. Auch das war nichts Neues. Und statt mich daran zu gewöhnen, tat es mit jedem Morgen mehr weh. Erst jetzt fiel mir auf, dass mein Kopf – im Gegensatz zu meinem Rücken – auf etwas Weichem lag. Verwirrt blinzelnd sah ich mich um. Und erstarrte im nächsten Augenblick zu einer Salzsäule. Ich erkannte Sesshomarus Gesicht über mir, wie er den Kopf leicht neigte und mir einen Blick zuwarf, als würde er mir direkt in die Seele blicken. Schnell erkannte ich die Situation. Ich lag auf seinem Oberschenkel. Blitzartig schoss ich mit einem Schreckenslaut nach oben und versuchte gleichzeitig, meine Röte zu verbergen, die sich unaufhaltsam auf meine Wangen schlich. Weil ich mich von ihm weggedreht hatte, bemerkte ich nicht sein schelmisches Grinsen. Unvermittelt stand er auf.

„Wir gehen weiter.“

„Äh… ja“, fix stand ich auf und folgte ihm ohne Umschweife.

Naraku hatte sich die ganze Zeit nicht blicken lassen, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass schon sehr bald etwas passieren würde.
 

Ohne ein Wort schritten wir durch den düsteren Wald, als Sesshomaru plötzlich stehen blieb. Verwundert sah ich zu ihm hoch, doch er blieb ruhig, richtete sein Augenmerk lediglich auf eine Stelle im Wald. Ich merkte, wie er sich anspannte, was dafür sorgte, dass ich dies ebenfalls tat. Irgendetwas stimmte nicht. Aber was? Schon im nächsten Moment bekam ich meine Antwort, denn etwas Rotes sprang durch den Wald und kam mit jeder vergehenden Sekunde näher. Ich hatte schon eine Ahnung, doch ich hoffte, ich würde falschliegen. Leider wurden meine Gebete nicht erhört. Binnen einer Minute stand er uns gegenüber. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich nicht deuten, was er gerade dachte. Sein Kopf war gesenkt, so dass ich ihm nicht in die Augen sehen konnte.

„Inuyasha“, flüsterte ich und er fuhr so ruckartig hoch, dass ich unweigerlich zusammen zuckte. Sein Blick enthielt ein Chaos an Gefühlen. Wut, Trauer, Verwirrung aber auch ein Hauch von Liebe. Aber Liebe zu wem, fragte ich mich unwillkürlich.

„Kagome“, hauchte er atemlos. Beim nächsten Versuch klang seine Stimme etwas fester. „Was machst du hier?“

Automatisch trat ich einen Schritt zurück. Ich wollte ihn nicht sehen. Ihn nur zu sehen, ließ die alten Wunden wieder aufreißen. Dabei waren sie noch gar nicht komplett verheilt. Es zerriss mir förmlich das Herz. Ich spürte, wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete und mir die Tränen in die Augen trieb. Hart schluckte ich und versuchte die aufkeimenden Tränen ebenso zu runter zu schlucken. Doch es gelang mir nicht komplett. Ich spürte, wie ein einzelner Tropfen meine Wange hinab rann und lautlos auf dem Waldboden aufkam. Inuyashas Augen weiteten sich und er machte einen Schritt auf mich zu, doch in diesem Moment trat Sesshomaru dazwischen und somit vor mich.

„Was willst du von Kagome, Sesshomaru“, fragte der Halbdämon ungehalten.

„Das Selbe könnte ich dich fragen. Ich dachte, du hättest jetzt deine Leiche wieder“, entgegnete Sesshomaru eiskalt.

„Keh, was geht dich das an“, schnauzte der Kleinere zurück und wollte sich einen Weg an ihm vorbei bahnen, was ihm jedoch kläglich misslang. Stattdessen wurde er gegen einen Baum geschleudert.

„Fass sie nicht an, elendes Halbblut.“

Ich sah erschrocken auf Sesshomarus Hinterkopf. Warum setzte er sich so für mich ein? Ich verstand es einfach nicht. Entgegen meiner Vorsicht griff ich wie aus Reflex mit beiden Händen nach seinem Haori und lehnte meinen Kopf an seinen Rücken.

„Ich will von hier weg.“ Meine Stimme brach auf halber Strecke und ich befürchtete, er hatte es nicht verstanden, aber ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, hatte er mich auf die Arme genommen und war davon geprescht. Aus weiter Entfernung konnte ich noch ein lautes „Kagome“ hören, doch das war auch schon alles. Ich hätte nicht gedacht, dass er mir da tatsächlich heraushelfen würde, doch ich war ihm so unendlich dankbar, dass ich einfach, ohne nach zu denken, meine Lippen auf seine drückte. Ein Ruck ging durch meinen Körper und ich spürte, wie er sofort stehen blieb. Erst da wurde mir klar, was ich eigentlich gerade tat und löste mich deshalb rasch von ihm. Er hielt mich immer noch auf den Armen und starrte mich eindringlich an, während ich ihn nur angsterfüllt ansehen konnte. Denn nun hatte ich es ganz sicher zu weit getrieben.

Geht er?

Im nächsten Moment ließ er mich abrupt fallen, doch ehe ich auf dem harten Boden aufkam, griff er nach meinem Arm und drängte mich gegen einen Baum. Ich konnte gar nicht so schnell gucken, als seine Lippen über die Haut meines Halses streiften. Diese Reaktion kam so überraschend, dass ich ein leises Keuchen nicht unterdrücken konnte. Seine Hand strich meinen Körper entlang, bevor sie sich unter meinem Kinn vorfand und meinen Kopf nach oben drückte. Als sein Blick meinen erfasste, lief mir ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Es lag eine Intensität darin, dass ich glaubte, zu verbrennen. Seine nächsten Worte waren nur ein Hauch – seine Stimme klang gar rau - doch für mich schienen sie laut und deutlich.

„Du wagst zu viel, Weib.“ Er beugte sich noch ein Stück weiter vor. „Ich warne dich nur einmal. Noch so etwas, und du wirst es bereuen.“ Seine Stimme erhielt seinen kalten unnahbaren Ton wieder zurück und ich glaubte fast, ich hätte mir diese kurze Veränderung nur eingebildet. Doch die schnelle Bewegung, die er machte, als er sich wegdrehte, verriet mir aus unerfindlichen Gründen, dass es nicht nur Einbildung war.
 

Er musste sie loswerden. Schnellstens! Er merkte schon seit geraumer Zeit, dass ihn dieses Mädchen innerlich mehr berührte, als es sollte. Sie war ihm nur im Weg, sie machte ihn schwach.

Natürlich wusste er, dass Naraku kommen würde, sobald der Hanyou wusste, dass er sich von ihr getrennt hatte. Aber in diesem Moment hatte er nicht geplant, sie vor ihm zu retten. Und schon gar nicht vor seinem Halbbruder. Doch als er ihr Gesicht sah, hatte etwas von seinem Körper Besitz ergriffen und ihn gelenkt. Genauso, wie eben, hatte er sich nicht zurückhalten können, wie er es gerne gewollt hätte. Er wollte sie berühren, ihr zartes Fleisch unter seinen Fingern spüren, er wollte sie besitzen. Diesem Gefühl, dieser Begierde jedoch einfach nachzugeben, verstieß gegen seinen Stolz. Also würde er sie weiterhin so behandeln, wie sie es von ihm gewohnt war und vielleicht… sogar noch schlimmer.
 

Stumm sah ich in die Flammen des Lagerfeuers vor mir und versuchte, mich nur darauf zu konzentrieren. Wir hatten uns einen Unterschlupf gesucht, da es aus heiterem Himmel zu regnen angefangen hatte. Und nun prasselten unaufhaltsam dicke Wassertropfen auf den Boden. Mir wollte immer noch nicht in den Kopf, was da passiert war. Und was mich noch mehr irritierte, war sein Verhalten. Seit dem ignorierte er mich permanent. Er würdigte mich keines Blickes und behandelte mich wie Luft. Trotzdem verharrte er mit mir in der Höhle und wartete, bis der Regen wieder aufhörte. Denn ihm würde es ja nichts ausmachen, aber mir schon.

Ein plötzliches Geräusch riss mich aus meinen Gedanken und lenkte meine Aufmerksamkeit Richtung Höhleneingang. Sesshomaru war aufgestanden und stand knapp vor dem Eingang. Er wollte doch nicht…?

Doch ich erhielt die Bestätigung, als er auf einmal aus der Höhle und in den Regen trat und schon im nächsten Moment verschwand. Dies ließ mich hochfahren und zum Eingang laufen. Von dort aus versuchte ich, irgendetwas in dem dunklen Wald wahrzunehmen, doch nichts. Es war viel zu dunkel und der Regen machte es natürlich nicht besser. Ein seltsames Gefühl von Unbehaglichkeit nagte an mir und mein Herz fühlte sich plötzlich ganz schwer an. Wieso sagte er nichts? Wollte er vielleicht wieder Naraku herauslocken und mich als Köder benutzen? Bei diesem Gedanken senkte sich mein Kopf automatisch gen Boden. War ich tatsächlich nur ein Mittel zum Zweck?

Langsam glitt ich an der Wand hinab, legte den Kopf auf meine Knie und machte mich ganz klein. Die hell lodernden Flammen des Feuers spendeten mit einmal Mal kein bisschen Wärme mehr. Ein bekannter Schmerz ereilte mich, als mir der Gedanke kam, dass er mich diesmal nicht retten kam, sondern einfach verschwand, weil ich ihm zu lästig wurde. Wäre ja gut möglich, schließlich war er nie besonders gesellig, und schon gar nicht, was Menschen betraf, abgesehen von Rin. Ich wusste ja, dass allein Rins Wunsch ihn nicht dazu bewegen würde, mich für immer bei sich zu dulden, aber immerhin wollte ich doch mit ihm zusammen kämpfen, obwohl sich ja herausstellte, was für eine große Hilfe ich doch war. Nämlich gar keine. Das war die bittere Wahrheit. Wenn ich doch wenigstens meinen Bogen hätte. Ein tiefer Seufzer entwich mir. Naja, wundern sollte es mir wirklich nicht. Ich mache ihm ja nur Probleme. Angefangen mit Inuyasha und dann dieser Kuss…

Unbewusst berührte ich meine Lippen, ungläubig, was ich getan hatte. Ich war eben wirklich selten dämlich, einen mächtigen, kaltblütigen, menschenverachtenden Dämon zu küssen. Doch in diesem Moment war ich ihm einfach so unendlich dankbar, dass er mich vor Inuyasha praktisch gerettet hat, ich wüsste nicht, was sonst passiert wäre. Und ich wollte es auch gar nicht wissen. Der Gedanke an den Hanyou jagte mir noch immer mehrere Stiche ins Herz und trieb mir die Tränen in die Augen. Inuyasha. Wieso verdammt fiel es mir nur so verdammt schwer, loszulassen.
 

Mein Kopf lehnte nun gegen die Wand und nachdenklich starrte ich an die Decke. Dann ballte ich die Hände zu Fäusten und stand mit einem Ruck auf den Beinen. Ich hatte eine Entscheidung getroffen und sah nun entschlossen in den prasselnden Regen, der noch immer unaufhörlich auf den bereits matschigen Boden tropfte. Ich würde ihn suchen und wenn ich ihn erst einmal gefunden hatte, würde ich ihm nochmals klar machen, dass wir bis zur endgültigen Vernichtung Narakus ein Team waren. So war es abgemacht und auch wenn er ein Dämon war, so war er doch mit Sicherheit zu stolz um eine Abmachung einfach zu übergehen, selbst, wenn die Partnerin ein Mensch war.

Ich wagte einen Schritt nach draußen und wurde sofort von eisiger Kälte empfangen. Der Wind hatte ganz schön zugenommen. Langsam setzte ich mich in Bewegung, lief anfangs ziellos durch den Wald. Der Matsch spritzte beim Laufen meine Beine voll, während der Regen es wieder abwusch. Zweige hinterließen Kratzer auf meiner Haut. Doch dies alles ließ mich kalt. Ich musste ihn finden. Er war der Einzige – unglaublich dass ich das sage – zu dem ich noch konnte.

Es war schon einige Zeit vergangen. Falls er also wirklich die Absicht hatte, mich allein zu lassen, würde er vermutlich schon über alle Berge sein. Aber ich musste es versuchen. Und so schrie ich.

„SESSHOMARU!“ Ich rannte weiter und rief nochmal. Das würde er mit Sicherheit nicht überhören, es sei denn, er wollte es nicht hören. Doch diesen Gedanken schüttelte ich schnell wieder ab und lief lieber weiter, bis ich plötzlich strauchelte und zu Boden fiel. Mein Gesicht landete mit voller Wucht im Schlamm und das war keine schöne Angelegenheit. Ich hob meinen Kopf an und wischte mit der Hand das Gröbste weg, bis ich wenigstens wieder klare Sicht und die Gelegenheit hatte, einen lauten Fluch auszustoßen. Wieso musste sowas eigentlich immer mir passieren? Ungeschickt rappelte ich mich wieder auf, schwankte noch leicht, schaffte es jedoch schlussendlich, wieder auf die Beine zu kommen.

Ich wusste nicht, wie lange ich nun schon rannte, doch langsam wurde ich müde und der Regen wollte einfach nicht aufhören. Als ich abrupt stehen blieb, drehte sich alles und ich hatte Mühe mich noch auf den Beinen zu halten. Ich stützte mich an einem Baum ab und versuchte, wieder mein Gleichgewicht zurück zu erlangen, was mir jedoch misslang. Die Welt um mich herum drehte sich immer mehr und das Letzte, was ich wahrnahm, bevor ich von Schwärze verschlugen wurde, war der harte Aufprall meines Körpers.
 

Nun hörte er sie schon eine geraume Zeit und langsam übermannten ihn die Schuldgefühle. Es ist wahr. Er wollte sie allein lassen. Er stand immer zu seinem Wort, das war auch bei Menschen nicht anders, aber in diesem Fall hatte er einfach keine Wahl. Er musste weg von ihr. Sie war nicht gut für ihn. Als er aus der Höhle verschwunden war, war er sich seiner Sache noch sicher, aber nun, wo er ihre Rufe vernahm, plagte ihn das schlechte Gewissen. Gerade ihn. Gerade bei einem Menschen. Wie tief er in so kurzer Zeit gesunken war. Und obwohl sie ein Mensch war, sie hatte es nicht verdient, dass man ihr das antat. Auch wenn er es kaum glauben konnte, so vermutete er doch, dass dieses Mädchen womöglich sogar Vertrauen so ihm gefasst hatte. Und er hatte dieses aufs Schändlichste missbraucht. Warum verdammt kümmerte ihn dieses Weib so viel. Sie war doch auch nur ein Mensch. Einer von vielen, keiner besser als der andere. Und trotzdem bekam er Gewissensbisse.

Nach einiger Zeit hörten die Rufe auf und blitzartig blieb er stehen. Er kniff die Augen zusammen. Irgendetwas stimmte nicht. Ohne es zu bemerken, drehte er sich um. Sein kalter Blick schweifte durch den Wald.

„Jetzt werde ich sie mir holen!“ Die Bäume raschelten und ein plötzlicher Wind kam auf, als diese Stimme ertönte. Und so schnell wie der Wind kam, war er auch wieder weg. Seine Pupillen verschmälerten sich, während er wachsam lauschte, doch kein Mucks. Unruhe nagte an ihm und fraß sich durch seinen gesamten Körper. Ein beklemmendes Gefühl setzte sich in seinem Herzen fest und ehe er weiter denken konnte, setzten sich seine Beine automatisch in Bewegung und er preschte los. Er durfte nicht zu spät kommen. Es fiel ihm nicht sonderlich schwer, ihren Geruch aufzunehmen, doch trotzdem reichte dies nicht aus. Denn als er ankam, sah er sie bereits in Narakus Armen. Der Regen war zu einem Nieseln abgeklungen, wodurch er nun auch mehr erkennen konnte. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Wangen waren stark gerötet und sie atmete nur abgehackt. Ein einziger Gedanke schoss ihm durch den Kopf und die Schuldgefühle wurden mehr. Naraku gab die endgültige Bestätigung.

„Ts ts ts, also wirklich. Die arme Kagome einfach allein zu lassen, bei dem was sie alles durchgemacht hat. Sie scheint dir ja doch nichts zu bedeuten, also überlass sie einfach mir.“ Ein siegessicheres Grinsen schlich sich auf seine Züge, während seine Hand über Kagomes Wange strich.

Diese Geste ließ ihn rot sehen. Es war ihm egal, warum er so wütend war, die Hauptsache war, er würde dieses Scheusal in die Hölle schicken. Doch solange er Kagome auf dem Arm hatte, konnte er nichts unternehmen und das wusste sein Gegenüber scheinbar auch zu nutzen.
 

„Ach, der ist echt lästig, dieser Hanyou“, regte sich Nigimitama auf.

„Stimmt“, pflichtete ihr Sakimitama nickend bei.

„Hm, da müssen wir wohl ein bisschen nachhelfen“, meinte Aramitama schelmisch lächelnd.

„Allein schaffen sie es ja doch nicht“, nickte nun auch Kushimitama und krempelte die Ärmel hoch.
 

Plötzlich ging von dem Mädchen ein rosafarbiges Licht aus.

„Ist das etwa…?“, murmelte Naraku, wurde jedoch, bevor er zu Ende sprechen konnte, davon geschleudert. Sesshomaru ergriff seine Chance und hoffte innerlich, dass das Licht nicht das Selbe mit ihm machte. Und tatsächlich verschwand das Licht wieder, als er sie berührte, worauf er nur verwundert die Augenbraue hob. Doch er verschwendete keine weitere Zeit, nahm sie nun seinerseits auf die Arme und verschwand in seiner Lichtkugel. Es war eigentlich nicht seine Art einfach wegzulaufen, aber in diesem Moment war ihm – so ungern er es auch zugab – das Mädchen in seinen Armen wichtiger. Er hatte schon bemerkt, dass sie hohes Fieber hatte, ihr ganzer Körper sah total ramponiert aus. Sie musste die ganze Zeit durch den Regen gelaufen sein.

Krampfhaft biss er die Zähne zusammen. Er wusste, dass Fieber für Menschen tödlich sein konnte, doch wenn das Mädchen jetzt einfach starb, war alles umsonst.

„Also bleib gefälligst am Leben, Mensch“, knurrte er, auch wenn er wusste, dass er sie nicht hören konnte.
 

Kurze Zeit später landete er in dem Dorf seines Halbbruders, von dem glücklicherweise keine Spur war. Schnurstracks ging er in die Hütte und wurde von einem erschrockenen Schrei begrüßt. Mit schock geweiteten Augen starrte die alte Miko ihn an, riss sich aber schnell zusammen. Ihr Blick wanderte zu Kagome und sie erblasste. Rasch nahm sie sie ihm ab und scheuchte ihn raus. Widerwillig ließ er es geschehen und wartete angespannt darauf, dass sie wieder rauskam. Als dies endlich passierte, nahm das schwere Gefühl in seiner Brust nur noch mehr zu. Ich Blick war ausdrucklos auf ihn gerichtet, ehe sie ruhig ansetzte: „Ich kann nichts für sie tun.“

Eine neue Wendung

In dem Moment, als diese Worte ihre Lippen verließen, wurde ihm irgendwie ganz anders. Wut überflutete ihn. Wut über die alte Miko, weil sie dem Mädchen nicht helfen konnte. Wut auf Naraku, weil er dieses Mädchen angefasst hat. Wut auf Kagome, die ihn auf einmal so sehr aus der Fassung brachte. Aber am meisten Wut hegte er gegen sich, da die neue Situation ihn dermaßen aufwühlte, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte.

„Jedenfalls nicht viel“, riss die Alte ihn aus seinem Gefühlschaos. Auffordernd sah er sie an.

„Ich kann ihr nur ein Mittel geben, dass es ihr leichter macht, aber größtenteils liegt es nun an ihr, ob sie durchkommt.“ Sie deutete ihm, ihr zu folgen und als sie schließlich in der Hütte ankamen, hätte er beinahe wieder kehrt gemacht. Wie sie so vor ihm lag - schweißgebadet, gerötete Wangen, ihre Stirnfransen klebten auf ihrer Stirn und sie zitterte ununterbrochen – stiegen erneut Schuldgefühle in ihm auf. Warum hatte er sie nur bloß allein gelassen?

„Wir haben allerdings ein Problem“, begann die Miko und sein Kopf fuhr zu ihr herum. „Ihr Fieber sinkt einfach nicht. Ich hätte zwar ein Mittel, aber sie lässt es sich nicht einflössen. Und ohne das wird sie es unmöglich schaffen.“ Sie hielt eine Schale mit Flüssigkeit in den Händen, welches vermutlich das besagte Mittel enthielt. Hoffnungslos schüttelte sie den Kopf stellte die Schüssel ab und verließ die Hütte. Erst, als er ihre Schritte nicht mehr hörte, ließ er sich vor Kagome nieder. Sein Blick wanderte von dem Mädchen zur Schüssel und wieder zurück. Er wusste, sie war stark. Stark genug, um der Krankheit trotzen zu können. Doch war sie in ihrem jetzigen seelisch verletzten Zustand auch in der Lage dazu? Er kannte die Antwort, doch er wollte nicht länger darüber nachdenken. Nochmal gingen ihm die Worte der alten Kaede durch den Kopf: `Ich hätte zwar ein Mittel, aber sie lässt es sich nicht einflössen. Und ohne das wird sie es unmöglich schaffen`. Selbst wenn sie es trinken würde, bestand immer noch keine Garantie dafür, dass sie überlebte. Aber im Notfall könnte er sie ja mit Tenseiga wiederbeleben.

Abrupt schüttelte er den Kopf. Wieso sollte er das tun? Dann wäre er sie wenigstens los? Er stellte sich vor, wie es wäre, ohne dieses Mädchen durch den Wald zu gehen, mit Rin, Jaken und Ah-un. Doch Vorstellung gefiel ihm aus unerfindlichen Gründen nicht so gut, wie es sein sollte. Unbewusst verengte er die Augen und starrte auf das unschuldige Mädchen vor ihm. Verdammt. Er war ja so erbärmlich. Sein Vater würde sich wahrscheinlich vor Freude kaum noch einkriegen, wenn er wüsste, dass er für dieses Mädchen mehr empfand, als es gut für ihn war. Noch ein kurzer Blick zur keuchenden Kagome reichte und kurzerhand griff er nach der Schale. Seine andere Hand schob sich unter Kagomes Oberkörper und richtete ihn vorsichtig auf. Als sie für einen Moment blinzelte und ihre Augen aufschlug, blitzten sie ihm fiebrig entgegen. Sie schien ihn gar nicht richtig wahrzunehmen. Umso besser, denn an das Folgende sollte sie sich gar nicht erst erinnern. Doch ihre Augen schlossen sich bereits wieder.

„Du bist mir etwas schuldig“, hauchte er, bevor er schließlich einen großen Schluck von der bitteren Flüssigkeit nahm und seine Lippen gegen ihre presste. Ihr Mund öffnete sich einen Spalt breit, was er nutzte, um mit seiner Zunge ihre Lippen noch mehr auseinander zu schieben und ihr das Mittel langsam einzuflößen. Sie hatte keine andere Wahl, als zu schlucken. Ihre Augen blieben geschlossen, doch ein Keuchen entfuhr ihr, welches nicht vom Fieber zu kommen schien. Denn er erkannte sofort, dass es anders klang. Und seltsamerweise wollte er es nochmal hören. Seltsamerweise wollte er seine Lippen gar nicht mehr von ihr lösen. Er bemerkte nur so nebenbei, wie sich seine Zunge selbständig machte und sich spielerisch an ihrer rieb. Obwohl sie Fieber hatte, kam sie ihm wie automatisch entgegen, was ihn nur noch mehr anspornte und beinahe hätte er komplett vergessen, in welcher Situation er sich gerade befand, als das letzte Fünkchen Verstand ihn noch rechtzeitig daran erinnerte. Ruckartig fuhr er zurück und starrte in ihre leicht geöffneten braunen Seelenspiegel. Ihr Blick brannte sich in sein Gedächtnis, obwohl er immer noch total verschleiert und gar nicht so klar wie sonst war. Schon im nächsten Moment schloss sie sie wieder und es war so, als wäre nichts weiter geschehen. Innerhalb kürzester Zeit begann er die nächste Dummheit. Er lehnte sich an die Wand und zog sie zu sich, sodass sie mit dem Rücken gegen ihn lehnte, und schlang seine Arme um sie. Sie sollte aufhören zu frieren. Er konnte nur hoffen, dass er sich hier nicht umsonst lächerlich machte. Von Ekel konnte hier aber keine Rede mehr sein. So ungern er es zugab und so unpassend die Situation auch war – er genoss es, ihren Körper an seinem zu spüren und ihren Geruch einzuatmen. Gedankenverloren vergrub er sein Gesicht in ihrer Halsbeuge und machte einen tiefen Atemzug. Er spürte, wie sie sich an ihn schmiegte und darauf musste er unwillkürlich schmunzeln.

„Ich werde dich nie wieder allein lassen“, flüsterte er noch. Innerlich hoffte er inständig, dass die alte Miko nicht plötzlich rein schneien würde.
 

Vogelgezwitscher ertönte, als ich langsam die Augen aufschlug. Ich war noch ganz benommen, doch ich spürte sofort den warmen Körper in meinem Rücken. Für einen Moment erstarrte ich, denn ich konnte mich an rein gar nichts mehr erinnern. Forschend glitt mein Blick durch die Hütte. Ich erkannte sofort, dass ich mich bei Kaede befand, aber dann konnte mich doch nur Inuyasha hier her gebracht haben. Dieser Gedanke bescherte mir einen dicken Kloß in der Kehle und ich hatte schon Angst gleich wieder losheulen zum müssen. Aber vorher wollte ich noch wissen, wer dann hinter mir saß. Da fielen mir plötzlich die Arme, die er um mich gelegt hatte, auf. Die weißen Kimonoärmel sind ein Stück nach hinten gerutscht und so konnte ich die roten Streifen auf seinem Handgelenk betrachten. Augenblicklich erstarrte ich wieder zu Eis. Um eine endgültige Bestätigung zu bekommen, drehte ich meinen Kopf rasch zur Seite. Mir stockte der Atem – nicht nur weil es tatsächlich Sesshomaru war, sondern weil er den Anschein machte, als würde er schlafen und diesmal wirklich. Meine Anspannung löste sich mit einem Mal und ein Lächeln zierte meine Lippen. Wenn er schlief, konnte man wirklich nicht denken, dass er ein menschenverachtender, gleichgültiger Daiyokai war. Wie schon gesagt, konnte ich mich an nichts mehr erinnern, nur noch, dass ich im Wald zusammengebrochen war. Aber da war noch etwas anderes. Eine dunkle, verschleierte Erinnerung schlich sich in meine Gedanken. Warme, weiche Lippen, gehauchte Worte, die aber viel zu undeutlich klangen, und tröstende Wärme, die in meinen Körper gekrochen war, als ich sie am Dringendsten benötigte. Was die Wärme anging, so war ich mir nun sicher, dass er das war. Aber die anderen Dinge…. Rasch schüttelte ich den Kopf. Wohl kaum. Vielleicht war das auch nur ein Hirngespinst. Möglicherweise ging Inuyasha mir immer noch nicht aus dem Kopf. Ich sah nochmal zu dem Dämon hinter mir und befreite mich dann hastig aus seinen Armen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wieso er das gemacht hatte, doch so wie ich ihn kannte, würde er wahrscheinlich selbst nicht wissen, was ihn geritten hatte. Deshalb hielt ich es für besser, sich erst mal zu entfernen, bis er aufwachte. Und so schlich ich aus der Hütte, um frische Luft zu schnappen.
 

„Kagome, Kind, du bist ja schon auf.“ Kaede eilte auf mich zu. „Scheinbar hast du es ja doch geschafft und wie ich sehe geht es dir nun viel besser.“

Verwundert betrachtete ich ihr heiteres Gesicht. Hatte ich etwas verpasst?

„Sag mir Kaede, was ist gestern genau passiert?“ Ihre Augen wurden auf meine Frage hin groß wie Teller.

„Du kannst dich an gar nichts erinnern?“

Milde schüttelte ich den Kopf. „Sollte ich denn?“

Darauf lächelte sie wieder. „Kind, du hattest hohes Fieber, als dich Sesshomaru hergebracht“, sie wurde für einen Moment nachdenklich, fuhr aber dann fort. „ich dachte schon, du wärst verloren, aber scheinbar habe ich dich mal wieder unterschätzt.“ Eine erneute Pause folgte – etwas verriet mir, dass sie noch nicht fertig war. „Aber wo ist eigentlich Inuyasha und wieso bist du bei Sesshomaru?“

Ich hatte so eine Frage schon in gewisser Weise erwartet, trotzdem traf sie mich wie ein Fausthieb und es schien mir eine Ewigkeit, bis ich einen verständlichen Satz herausbrachte.

„Also, ich… ich habe mich von Inuyasha getrennt.“ Mehr brachte ich nicht zustande und als ich sah, wie sie zu einer Frage ansetzte, gab ich ihr mit meinem Blick zu verstehen, dass ich nicht weiter darüber reden wollte. Sie würde es noch früh genug selbst erfahren, also beließ ich es dabei.

Kurze Zeit später sprang ich freudig in den kleinen See. Kaede hatte mir vorgeschlagen, mich erst einmal ausgiebig zu waschen, worauf ich sofort zustimmte.

Ich tauchte unter, und kaum hatte ich den Boden erreicht, fiel es mir wieder ein. Es hat geregnet, ich suchte nach ihm, fand ihn aber nicht und brach schließlich zusammen. Was bedeutete dies nun? War er tatsächlich wieder zurückgekehrt und hatte sich mir angenommen? Was sollte ich davon halten? Immer mehr Fragen bahnten sich den Weg in meinen Kopf und verdrängten alles andere. Langsam ging mir die Luft aus und notgedrungen tauchte ich wieder auf. Eine leichte Brise wehte und machte das Wasser noch kälter, als es so schon war. Fröstelnd umschlang ich meinen Körper. Ich stand erst letzte Nacht kurz vorm Ableben, so weit wollte ich es dann doch nicht treiben. So entschloss ich mich, ans Ufer zurückzuschwimmen. Dort angekommen zog ich mich hoch und tapste eilig zu meinen Sachen. Gerade, als ich mich hinunter beugen wollte, um nach meiner Kleidung zu greifen, legte sich von hinten eine Hand auf meinen Mund, während sich die andere um meine Taille schlang. Ein Körper presste sich an meinen ein leises Säuseln erklang dicht an meinem Ohr.

„Also, so gefällst du mir ja am besten.“

Allein! oder doch nicht....?

Mein Herz setzte für einen Moment aus, um Sekunden später doppelt so schnell weiterzuschlagen, als ich die Stimme erkannte.

„Na, so sprachlos, kleine Miko?“

Ich kniff die Augen zusammen, Adrenalin floss durch meinen Körper und ich wagte einen Ellbogenstoß, den er mit Leichtigkeit abwehrte. Stattdessen drehte er mich in einer fließenden Bewegung zu sich. Sofort begegnete ich seinem lasziven Grinsen und dem siegessicheren Glitzern, das seine Augen beherbergten. Ohne ein weiteres Wort wanderte seine Hand meinen Körper entlang, böse blitzte ich ihn an, was ihm nicht im Geringsten etwas auszumachen schien.

„Wieso bist du jetzt bei Sesshomaru, kleine Kagome. Inuyasha hat dich verlassen, niemand ist mehr da, der sich um dich schert. Und nun belästigst du auch noch den werten Lord. Hast du gar kein schlechtes Gewissen?“

Durch seine Worte erfasste mich eine plötzliche Welle der Trauer. Denn dummerweise traf er genau ins Schwarze. Er schien zu bemerken, was ich dachte, denn seine Finger strichen sanft um meine Gesichtszüge. Seine Augen spiegelten Mitleid wieder.

„Ich weiß, wie sehr du gelitten hast. Ich will nur dein Bestes, Kagome. Darum begleite mich, ich werde gut für dich sorgen“, versprach er mir. Seine Stimme klang mit einem Mal ganz sanft, so ehrlich. War das wirklich noch Naraku? Nein, er war jemand anderes. Aber war das ein Grund ihm zu trauen? Er zog seine Hand von meinem Mund zurück, hielt sie mir stattdessen freundschaftlich entgegen. Mein Blick fiel auf seine Hand. Ich merkte, wie sich meine selbstständig zu machen schien und langsam nach seiner griff. Sein Ausdruck war immer noch der Selbe. Sanft, ehrlich und nicht mehr böse. Doch als mein Augenmerk nochmals auf seine Hand fiel bemerkte ich es aus dem Augenwinkel. Wie seine Augen gierig über meinen Körper wandern, wie sein Grinsen wieder Gestalt annimmt und der siegessichere Ausdruck in sein Gesicht zurückkehrt. Wie konnte ich mich nur so täuschen lassen? Aus einem Impuls heraus stieß ich ihn mit voller Kraft von mir, mehr konnte ich gar nicht tun. Durch die Überraschung taumelte er tatsächlich ein paar Schritte zurück, doch er fing sich schnell wieder. Zu schnell. Ehe ich mich versah, stand er vor mir und bevor ich die Schmerzen wahrnahm, hörte ich den Knall. Als ich mich auf dem Boden wiederfand und meine Wange hielt, die eine kräftige Ohrfeige erlitten hat, merkte ich erst, wie sehr ich am ganzen Körper zitterte.

„Miststück“, zischte Naraku und sein glühender Blick heftete sich auf mich, als ich immer weiter vor ihm zurückkroch. Wo war nur bloß mein Mut geblieben? Er war vollkommen futsch. Naja, ich hatte weder Waffen, noch war ich bekleidet. In diesem Moment fühlte ich mich mehr als nur ausgeliefert. Und kein Inuyasha, der mir zur Hilfe kommen würde. Ich war allein. Ganz allein.

Von einem Moment auf den anderen spürte ich, wie etliche scharfe Klingen in mein Fleisch schnitten. Ich schrie auf vor Schmerz, kniff die Augen zusammen und hoffte, dass dies alles nur ein böser Traum war. Doch ein weiterer Schmerz riss mich in die brutale Realität zurück.

„Tzz, eigentlich wollte ich es ja auf die sanfte Art versuchen, aber wenn du dich weiter so sträubst, werde ich nicht mehr so nachsichtig sein.“

Was sagte er da? Aber… warum ich? Als ich die Lider leicht anhob, bereute ich es sogleich wieder. Narakus Gesicht befand sich dicht vor meinem und ehe ich mich versah, drückte er seine Lippen hart auf meine. So schnell wie es passierte, löste er sich wieder von mir.

„Wirklich schade. Aber scheinbar hängst du mehr an dem verehrten Lord, als ich dachte. Vielleicht sollte ich mich dir ja doch entledigen.“ Mit einem Mal leuchteten seine Augen und das Nächste, was ich spürte, war die Druckwelle, welche von ihm ausging und mich unbarmherzig gegen einen Baum schleuderte. Der Aufprall presste mir die Luft aus den Lungen. Erschöpft blieb ich auf dem Boden liegen, keines meiner Glieder ließ sich mehr bewegen. Mühsam hob ich nochmals meine Lider an. Meine Sicht verschwamm, als ich Narakus Gestalt immer näher kommen sah. War es nun zu Ende?

Der Halbdämon zeigte mir seine Handinnenfläche, seine Augen leuchteten angriffslustig und ein Grinsen zierte seine Züge, als seine Lippen die verheißungsvollen Worte formten.

„Auf nimmer Wiedersehen, kleine Miko.“ Ich spürte, wie eine dunkle Aura von ihm ausging, wie sich ein riesiger Schwall an Kraft in seiner ausgestreckten Hand sammelte und zugleich spürte ich mein Ende immer näher rücken. Aus Reflex hielt ich die Luft an, schloss die Augen… und machte mich auf alles gefasst. Doch „alles“ entpuppte sich als gar nichts. Es schien mir wie eine Ewigkeit, aber egal, wie lange ich wartete, es passierte nichts. Stattdessen ertönte ein Klirren, ein Schrei. Ich fühlte, wie ich von einer bekannten Aura umhüllt wurde, welche mir Sicherheit gab. Trotzdem hatte ich Angst, meine Augen zu öffnen. Angst davor, was ich sehen würde, was mich erwarten würde. Ich wollte in der Dunkelheit versinken und mich dieser wärmenden und schützenden Aura hingeben, einfach alles vergessen. Aber ich wusste, nun war nicht der Moment dazu. Deshalb hob ich tapfer die Lider an und das Erste was ich erblickte, war mal wieder weißes Haar. Mein Herz setzte aus, diesmal jedoch wusste ich sofort, wer da vor mir stand. Sesshomaru!

„Fass sie nicht an!“, zischte er aggressiv. Selbst ich zuckte bei diesem scharfen Ton zusammen. Auch Naraku schien überrascht, auch wenn er es zu verbergen versuchte. Doch seine Anspannung wich schnell überlegener Arroganz.

„Perfektes Timing, wie immer. Liegt euch etwa doch etwas an dieser Miko?“

Er blieb still, zog stattdessen nur sein Schwert, während ich versuchte, mich unauffällig aus der Gefahrenzone zu schleifen. Doch ich kam nicht weit. Eine weitere Druckwelle riss mich vom Boden und warf mich zum Ufer zurück. Die Laute um mich wurden immer dumpfer. Sesshomaru und Naraku gingen immer wieder aufeinander los, doch niemand von ihnen nahm ernsthaften Schaden. Sie wichen einander geschickt aus, schickten Angriffe los, trafen die meiste Zeit aber ins Leere. Es ging noch eine Weile so weiter, bis der Wald um sie herum fast gänzlich einem einzigen Schlachtfeld glich. Schließlich machte sich Naraku erneut vom Acker. Seine letzten Worte waren: „Wenn ich sie nicht haben kann, dann auch niemand anderer.“ Und das war ein Versprechen.

Dunkel hörte ich Schritte, die sich mir unaufhörlich näherten. Mit meiner letzten Kraft richtete ich mich auf und griff nach meiner Kleidung, die ich mir notdürftig vor meinen Körper hielt. Meine Hände zitterten, während ich zu Sesshomaru aufblickte, welcher immer näher kam.
 

Als er ihre ängstliche Haltung sah, stieg erneut Wut in ihm hoch. Wut gegen Naraku. Er betrachtete die blauen Flecken und Blutergüsse auf ihrer Haut, sah die leicht angeschwollene Wange und die Tränen in ihren Augen glitzern. Sie schien ihm in dem Moment wie ein verängstigtes Kaninchen. Da traf ihn siedend heiß die Erkenntnis. Er konnte sie zum wiederholten Mal nicht beschützen.
 

Seine Miene ließ nicht das geringste Gefühl erahnen. Machte er sich womöglich über meine Hilflosigkeit lustig? Der Gedanke daran schmerzte zutiefst. Und da fiel mir die Bemerkung von Naraku wieder ein: `Aber scheinbar hängst du mehr an dem verehrten Lord, als ich dachte´.

War es so? Hang ich an ihm? Aber was war mit ihm. Ich bin ein einfacher Mensch, was konnte ihm schon an mir liegen? Plötzlich spürte ich Stoff auf meinen Schultern und sah überrascht auf. Er hatte seinen Haori ausgezogen und mir über die Schultern gelegt, ehe mich seine starken Arme umfingen und an sich zogen.

„Es tut mir leid“, hauchte er.

Mir fehlten die Worte, deshalb ließ ich das Sprechen lieber sein und sank stattdessen die Augen schließend in seine tröstende Umarmung.
 

Wir blieben noch eine Nacht dort, ehe wir wieder weiterzogen. In der Zeit hatte er meine Wunden verarztet und ist mir kein einziges Mal von der Seite gewichen. Wir waren noch nicht lange unterwegs, als plötzlich die Person vor uns auftauchte, die ich nach Naraku am wenigsten sehen wollte. Inuyasha. Kikyo stand neben ihm und ihr Blick war wachsam auf mich gerichtet.

„Kagome…“, fing er an, hielt aber inne. Sein Augenmerk huschte zu Sesshomaru und dann wieder zu mir. „…ich liebe dich immer noch“. Kikyo schien das nicht erwartet zu haben, genauso wenig wie ich. Überrascht musterte ich ihn. Mein Herz machte einen kleinen Sprung, doch das war es auch schon. Sonst fühlte ich nichts. Wie viel Zeit war bereits vergangen, seit dem wir uns getrennt haben? Warum kam er erst jetzt?

„Meinst du nicht, diese Erkenntnis kommt etwas spät?“ Sesshomaru sprach mir aus der Seele. Er schien genau zu wissen, was ich dachte.

„Was geht dich das an?“, entgegnete der Hanyou barsch und wandte sich wieder mir zu.

„Kagome, bitte komm wieder zu mir zurück.“ Als er einen Schritt auf mich zu machte, schien es Kikyo zu reichen. Sie packte ihn am Arm und drehte ihn zu sich.

„Aber ich dachte, du liebst mich.“

Inuyasha schüttelte nur milde den Kopf. Nun war ich es, dessen Geduldsfaden riss.

„Lass mich in Ruhe.“ Meine Stimme zitterte. Ich hatte Angst, bei dem nächsten Wort in Tränen auszubrechen. „Nun hast du endlich Kikyo, jetzt ist sie am Leben und nun willst du sie nicht mehr?“ Ich stieß ein bitteres Lachen aus. „Du willst immer das, was du nicht kriegen kannst. Ich bin sicher, du wirst mit Kikyo glücklich. Also bleib bei ihr...“, nun konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten, sie liefen unaufhörlich meine Wangen hinunter. „… und lass mich in Ruhe.“

„Aber…“, wandte er ein, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen.

„Geh bitte…“, mein Blick bohrte sich in seinen und ich zwang meine Stimme zu einem festen Klang. „…oder ich werde diesmal diejenige sein, welche dich an einen Baum bannt.“ Dies schien ihn nun doch zu überzeugen. Schnell war er mit Kikyo verschwunden. Sobald sie weg waren, fiel ich kraftlos auf die Knie und grub meine Finger in die Erde unter mir. Meine Tränen wollten nicht versiegen. Mir schmerzte das Herz und gleichzeitig empfand ich ein Gefühl von Erleichterung.

Sesshomaru kniete sich neben mich, nahm mich wieder in den Arm und strich mir sanft über den Rücken. Sofort beruhigte ich mich.

„Danke“, flüsterte sie.

Die kommende Nacht liefen wir mal wieder durch und ich wurde wie immer von ihm getragen. So hatte ich die Möglichkeit, mich unauffällig – zumindest hoffte ich das – an ihn schmiegen zu können. Und nebenbei konnte ich über mein Problem nachdenken. Naraku. Wie konnten ich ihn nur…?

Mir fiel Inuyasha wieder ein und plötzlich kam mir eine Idee. Eine Lösung, wie wir Naraku loswerden könnten.

Die Idee!

„Du willst was?“ Er versuchte sich zu beherrschen, aber für sie war sein Amüsement über ihre Idee gerade zu offensichtlich. Sein Blick wurde ernst, als er fort fuhr. „Ich glaube kaum, dass du stark genug bist“, höhnte er.

„Woher willst du das wissen, ich weiß, dass ich das schaffe“, zumindest hoffe ich es, fügte ich im Stillen hinzu. Er schien meine Sorge zu bemerken. Im nächsten Moment drängte er mich gegen einen Baum und beugte sich leicht zu mir herab.

„Red keinen Unsinn, deine Angst ist praktisch greifbar. Du kannst mir nichts vormachen“, flüsterte er, sein Atem strich über mein Gesicht. Ich wich ihm aus, er ließ es ohne Widerworte geschehen, starrte mich nur weiter unverhohlen an. Als würde er versuchen, sich einen Weg in meine Seele zu erschleichen. Diesem Blick konnte ich nicht mehr länger standhalten, weshalb ich ihn zu Boden richtete. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, meine Gedanken schweiften ab. Ich wusste, dass ich Angst hatte, aber das änderte nichts an meiner Entscheidung.

Ich war so abgelenkt, dass ich nicht bemerkte, wie Sesshomaru sich mir wieder näherte. Erst, als er seine Hand auf meinem Kopf ablegte, nahm ich seine Anwesenheit wahr.

„Übernimm dich bloß nicht“, erklang seine Stimme, so weich wie Samt. Ruckartig sah ich auf. Sein Ton klang so völlig anders, doch als ich in seine Gesicht sah, zweifelt ich an meiner Wahrnehmung. Und an meinem Gehör. Er sah genauso so aus wie immer. Kalt, gefühllos. Gehörte zu einer sanften Stimme nicht auch automatisch ein sanfter Ausdruck? Wenn dem so war, dann hatte ich mir das wahrscheinlich nur eingebildet. Genau. Nur Einbildung.
 

Es war dunkel um mich, nichts und niemand war zu sehen. Ich war allein. Hart schluckte ich und versuchte logisch zu denken. Mir blieb jedoch keine Zeit dazu, da sich im nächsten Augenblick ein Lichtstrahl einen Weg durch die Dunkelheit bahnte und mir somit die Sicht erschwerte. Hinter meinen Augenlidern merkte ich, wie das Licht langsam wieder abmilderte. So öffnete ich sie wieder und sah mich vier schwach leuchtenden Gestalten gegenüber. Unweigerlich hob ich eine Augenbraue. Meine stumme Frage erhielt sofort eine Antwort. Jedoch gab ich sie mir selbst.

Mein Schicksal!

„Genau, du erinnerst dich wieder. Damit wir uns die erneute Erklärung ersparen, geben wir dir deine Erinnerungen an uns frühzeitig zurück“, verkündete der Dämon, Aramitama.

„Aber was ist denn nun mein Schicksal und wieso gebt ihr mir meine Erinnerungen frühzeitig zurück? Nicht, dass ich mich darüber beschweren würde, aber…“ Ich ließ den Satz unvollendet, um besser meine Verwirrtheit auszudrücken.

„Weil sich die Situation geändert hat, Liebes“, meinte die junge Frau, Sakimitama, ernst.

„Naraku…?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Alle nickten mir zu.

„Wir hatten keine Ahnung, dass er wieder auftaucht. Dies konnten selbst wir nicht vorhersehen“, sagte Kushimitama.

„Und drastische Situationen verlangen drastische Maßnahmen, deshalb…“, fing die Frau an und die kleine Nigimitama endete: „…werden wir dir helfen“, rief sie entschlossen.

„Danke“, lächelte ich. Allein hätte ich vielleicht nicht die Kraft, aber mit ihnen wäre ich stark genug.

„Eine letzte Sache wäre da noch…“, begann Sakimitama. „Sesshomaru darf nichts von uns wissen. Also behalte über diesen Traum bitte Stillschweigen.“

„Gut.“ Ich nickte.
 

Blitzartig fuhr ich hoch und das Erste, was ich erblickte, waren goldenen Augen. Er lehnte etwas entfernt an einem Baum, seinen Blick wandte er nicht ab. Schnell erhob ich mich und ging auf ihn zu. Er rührte sich keine Stück, beobachtete mich nur weiter. Wartend, lauernd. Als ich schließlich vor ihm stehen blieb, spürte ich die Entschlossenheit in mir aufkeimen.

„Ich werde es schaffen, ganz sicher. Und ich hoffe, dass du mir hilfst.“

Plötzlich ging er an mir vorbei, ich dachte schon, das wäre seine Art von Abfuhr, doch ich irrte.

„Dumme Miko, als würde ich dich einfach allein gegen Naraku kämpfen lassen. Ohne mich wärst du doch sowieso verloren.“

Auf das hinauf lächelte ich in mich hinein. Ehe ich einen klaren Gedanken fassen konnte, war ich schon zu ihm gelaufen. Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, ihm nicht gleich um den Hals zu fallen und zupfte stattdessen an seinem Ärmel.

„Danke“, flüsterte ich. Er antwortete nicht, was ich auch nicht erwartet habe, aber das machte auch nichts. „Jetzt muss ich nur noch eine Sache erledigen.“

Nun drehte sich der Daiyokai zu mir um und hob fragend eine Augenbraue. Ich grinste wissend, ehe ich antwortete. „Kannst du mich nochmal zu Kaede bringen?“

Seine andere Augenbraue wanderte auch unter seinen Pony, doch mein entschlossener Blick machte ihm schnell klar, dass er früh genug den Grund erfahren würde. So nahm er mich ohne Widerworte auf die Arme und zischte davon.
 

Am Waldrand blieb er stehen und ließ mich runter.

„Ich warte hier!“
 

Ohne anzuklopfen oder mich sonst irgendwie bemerkbar zu machen, schob ich den Vorhang bei Seite und trat ein. Ein Blitz durchfuhr mein Herz, als ich nicht nur Kaede, sondern auch Inuyasha und Kikyo vor der kleinen Feuerstelle sitzen sah. Obwohl ich versuchte, es zu verhindern, verfinsterte sich unwillkürlich mein Blick. Ich spürte, wie mein Herz schmerzhaft pochte und mir die Luft zum atmen nahm. Ich wollte ihn nicht sehen, ich fühlte mich immer noch unwohl, wenn ich nur an sein Gesicht dachte. Und nun, wo er auch noch gerade mal 1-2 Meter von mir entfernt war und mich seine Augen praktisch durchbohrten, fühlte ich mich noch schlimmer. Der Muskel meines Herzens war bis zum Zerreißen gespannt. Ich zwang ihn mit größter Mühe, sich zu beruhigen und meinen Blick auf Kaede zur richten. Diese wiederum sah nicht minder überrascht drein. Sie hatte mich wohl nicht nochmal erwartet. Ich rang mich zu einem Lächeln durch.

„Kaede, ich bin nur nochmal gekommen, weil ich etwas von dir brauche.“

„Und was wäre das, mein Kind?“

Erneut schlich sich ein Grinsen auf meine Züge, als ich meinen Wunsch aussprach: „Einen Bogen!“
 

“Wieso willst du nicht deinen alten Bogen?“

Kaede hatte mich schnell herausgeführt und zu meinem Glück ist uns Inuyasha auch nicht gefolgt.

„Weil mich der alte zu sehr an meine Vergangenheit erinnert. Ich möchte neu anfangen und außerdem habe ich etwas zu erledigen, wozu ich unbedingt einen neuen brauche.“

„Wenn du das so willst…“

Ich nickte.

Allzu lange musste ich nicht warten, da kam die alte Miko schon mit einem Bogen daher, welcher aus dunklem Holz war. Über der Schulter trug sie einen Köcher mit Pfeilen, dessen scharfe Spitzen in der Sonne funkelten. Als sie mir beides überreichte, schlich sich ein ernster Ausdruck auf ihr Gesicht.

„Ich hoffe, du weißt, was du tust. Dieser Bogen ist über hundert Jahre alt, er wurde in dieser Zeit in einem Tempel aufbewahrt, der eine sehr starke Barriere besitzt. Ich dachte, du würdest ihn vielleicht brauchen.“

„Danke, Kaede, der ist perfekt“, ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange und lächelte selig, während wir uns langsam wieder auf den Rückweg machten. Kurz vor der Hütte stellte sie mir dann die zu erwartende Frage.

„Aber sag mir Kagome, was hast du eigentlich vor?“

„Naja...“, ich guckte in die Ferne, als ich ansetzte. „ich werde…“, bevor ich weitersprechen konnte, tauchte Inuyasha – mit Kikyo im Schlepptau – vor mir auf.

„Genau Kagome, was hast du vor?“ Mein Blick schweifte in den Wald und entdeckte sofort Sesshomaru, dessen Augen sich ein Stück verengt hatten. Schnell sah ich wieder zu dem Hanyou. Ich spürte immer noch mein Herz schmerzhaft pochen. Es wollte einfach nicht aufhören. Fest umklammerte ich meinen neuen Bogen und nahm einen tiefen Atemzug, bevor ich entschlossen antwortete: „Ich werde Naraku bannen.“ Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen. „Genauso, wie Kikyo es bei dir getan hat.“

Ich schaffe das!

Inuyasha´s Augen weiteten sich, als er meine Antwort vernahm. Ehe ich mich versah, stand er vor mir und packte mich an den Oberarmen.

„Hast du sie nicht mehr alle? Als könntest du das alleine schaffen. Und wieso überhaupt Naraku, der ist doch bereits tot.“ Wie ein Irrer schrie er mich an und schüttelte mich, doch darauf ließ ich mich gar nicht ein. Aber als er plötzlich erwähnte, dass er scheinbar nichts von Naraku´s Wiederauferstehung wusste, fiel mein Augenmerk auf Kikyo. Sie blieb komplett ruhig, rührte sich nicht und beobachtete still das Geschehen. Sie hatte ihm gar nichts davon erzählt? Naja, wen wunderte es? Viel seltsamer war es allerdings, das Inuyasha sie gar nicht danach gefragt hatte. Das musste ihm doch auch komisch vorgekommen sein, dass die todgeglaubte Kikyo plötzlich wieder auftauchte. Innerlich schüttelte ich jedoch den Kopf. Was dachte sie da eigentlich von ihm? Er würde sich höchst wahrscheinlich nicht die geringsten Gedanken darüber machen.

Ruckartig griffen meine Hände nach seinen Schultern und drückten sie leicht. Sein Geschüttel ließ ein wenig nach, aber sein Blick versprühte immer noch Funken. Ohne Widerworte ließ er sich von mir wegschieben.

„Inuyasha… Naraku war tot, aber ist wieder am Leben. Doch inzwischen ist es nicht mehr dein Kampf. Es ist meiner. Und ich werde ihn gewinnen.“ Eindringlich sah ich ihm in die Augen.

„Das kommt nicht in Frage. Ich werde dich nicht allein gegen ihn kämpfen lassen.“

Gerade, als ich etwas erwidern wollte, ertönte eine Stimme.

„Sie ist nicht allein.“ Ich fuhr herum und erblickte Sesshomaru, dessen kalter Blick auf seinen Halbbruder gerichtet war.

„Sesshomaru“, fauchte der Hanyou aggressiv, brachte den Daiyokai allerdings nicht aus der Ruhe.

„Wie sie schon sagte, das ist nicht dein Kampf, Halbblut.“

„Deiner aber auch nicht. Glaubst du wirklich, ich kauf dir ab, dass du mit Kagome kämpfen willst? Du benutzt sie doch nur als Köder.“

„Du solltest nicht von dir auf andere schließen.“ Sesshomaru´s Stimme wurde leise. Bedrohlich. Mein Warnsignal.

„Stopp!“ Ich streckte die Hände zu beiden Seiten aus und stellte mich zwischen die zwei. „Hört endlich mal mit dem Gezanke auf, dafür ist jetzt nicht die Zeit.“ Ich wandte mich nochmal Inuyasha zu und spürte, wie meine Trauer Stück für Stück verschwand und purer Entschlossenheit Platz machte. „Bitte, Inuyasha, lass mich gehen. Ich schaffe das schon.“ Vielleicht lag es an meinem Tonfall, vielleicht aber auch an meinem Gesichtsausdruck, denn von einem Moment auf den anderen gab er seine angriffslustige Haltung auf, legte seine Ohren an und betrachtete mich mit einem nichtssagenden Blick. Doch so schnell wie dieser Ausdruck kam, verschwand er auch wieder und wich dem typischen trotzigen Hanyou, den ich kannte.

„Keh, mach doch was du willst, aber komm dann nicht zu mir, wenn du es vermasselst.“ Mit diesen Worten drehte er sich um.

„Danke“, sagte ich sanft und bemerkte, wie seine Ohren zuckten. Ich warf noch einen warnenden Blick auf Kikyo, ehe ich mich an Sesshomaru wandte. Er schien sofort zu verstehen, nahm mich auf seine Arme stieß sich mit einem kräftigen Sprung vom Boden ab. Aus dem Augenwinkel sah ich Kaede, wie sie mir ein aufmunterndes Lächeln zuwarf.
 

„Alles in Ordnung?“

Verdutzt sah ich zu Sesshomaru auf, dessen Augen sich eindringlich in meine bohrten. Nur langsam verstand ich, was er meinte und nickte. „Ja.“

„Und, weißt du schon wie du vorgehen wirst?“

Beschämt senkte ich den Kopf. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

Ich konnte ein Prusten hören und musste kurz darauf selbst lächeln.

Mir würde sicherlich bald etwas einfallen.
 

Und so war es auch. Wenn es auch seine Zeit gedauert hat. Die letzten Tage, die seit dem Zusammentreffen mit Inuyasha vergangen waren habe ich angestrengt überlegt und meine Zielsicherheit noch verbessert. Ich habe jede einzelne Sekunde genutzt, denn wir wussten nicht, wann der nächste Angriff seitens Naraku kommen würde und mussten somit auf alles vorbereitet sein. Sesshomaru indes beobachtete mich stets still und stand mir mit Rat und Tat zur Seite, was ich wohl nie im Leben erwartet hätte. Aber wenn es um Strategien ging, war er nicht zu übertreffen. Und bald fand sie auch heraus, dass er sehr wohl auch eine freundliche Seite an sich hatte, sie nur wahrscheinlich zu seinem eigenen Schutz verborgen hielt. Sie konnte es verstehen und manchmal wünschte sie sich, dass sie das auch so einfach könnte.

So fassten sie in kürzester Zeit einen Plan, der, sobald Naraku angriff, in die Tat umgesetzt würde. Er konnte also kommen, denn sie waren bereit.
 

Keuchend ging ich in die Knie. Sesshomaru blieb sofort stehen.

„Was ist los? Schon erschöpft?“

„Was heißt hier erschöpft? Du hetzt mich doch schon den halben Tag durch den Wald.“ Verärgert blinzelte ich ihn an. Das war seine Art von Training. So konnte ich meine Reflexe, meine Ausdauer und meine Ruhe in Gefahrensituationen trainieren. Ich fand die Idee von Anfang an bescheuert und meine stechenden Lungen sowie die Kopfschmerzen, die unaufhörlich durch meinen Kopf jagten, bekräftigten mich in dieser Meinung nur noch.

„Das ist doch gar nichts!“ Ich hörte deutlich seine Belustigung über meinen Ärger, was mich nur noch wütender machte.

„Für dich vielleicht, aber du bist ja auch ein Dämon.“

Blitzschnell stand er vor mir und strich mit seinen Krallen die Kanten meines Kiefers entlang.

„Sag bloß, du willst mir deine Schwäche zugestehen.“

Verdammt! Meine Schwachstelle. „Niemals“, fauchte ich. Er grinste.

„Genau das wollte ich hören.“

Ich knirschte mit den Zähnen. Er wusste, dass ich niemals klein beigeben würde und nutzte dies liebend gern aus. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich die rötlichen Strahlen, welche sich über die Landschaft ausbreiteten. Es dämmerte bereits.

„Belassen wir es für heute dabei.“

Innerlich jubelte ich vor Freude und schickte ein lautloses Danke gen Himmel. Endlich mal eine Pause. Diesmal blieb das Lagerfeuer aus, stattdessen überreichte mir der Daiyokai seine Fellboa, welche ich dankend annahm und mich schließlich neben ihn den Baum setzte. Müde schloss ich die Augen, doch als sich die Sicherheit spendende Aura entfernte, öffnete ich sie augenblicklich wieder. Sesshomaru war nicht mehr da. Er war weg. Unsicher stand ich auf und sah mich um. Keine Spur von ihm. Die Sonne war immer noch nicht ganz untergegangen, weshalb die Strahlen sich einen direkten Weg durch den Wald bahnten. Ein Geräusch ließ mich herumfahren.

„Sesshomaru“, rief ich hoffnungsvoll, doch das Einzige, was ich entdeckte, war ein großer Schatten am Boden. Und dieser gehörte nicht Sesshomaru. Meine Augen weiteten sich geschockte, als mich mit einem Schlag die Erkenntnis traf. Doch schnell rief ich mich zur Ruhe und atmete tief durch, bevor ich mich langsam umwandte. Wie erwartet stand Naraku vor mir mit einem selbstsicheren Grinsen auf den Lippen. Er stand direkt vor der untergehenden Sonne, sodass ich für einen Moment blinzeln musste. Doch dies erwies sich als Fehler, denn binnen eines Wimpernschlags stand er so dicht vor mir, dass sich unsere Körper berührten. Hastig wich ich zurück, versuchte ihn mittels meines Blicks zu erdolchen, was aber leider nicht zu funktionieren schien. Kurzerhand zog ich einen Pfeil und spannte ihn abschussbereit. Er legte nicht viel Wert auf meine Drohung, sein Grinsen wurde nur noch breiter und ohne Umschweife näherte er sich mir wieder. Doch ich zögerte nicht, sondern ließ los. Überrascht riss er die Augen auf und wich gerade noch so aus. Da hörte ich plötzlich ein neues Geräusch. Ein Schwert durchschnitt die Luft. Gleich darauf ein schmerzverzerrtes Zischen. Sesshomaru. Im richtigen Moment war er aufgetaucht und hatte Naraku, gerade als er meinem Pfeil ausgewichen war, mit dem Schwert getroffen. Nun blutete der Hanyou stark an der Schulter, was ihm scheinbar doch zu schaffen machte. Im nächsten Moment hieb der Daiyokai schon auf ihn ein. Keine Sekunde ließ er aus, um einen neuen Angriff zu starten. Währenddessen wurde mir klar, dass Sesshomaru von Anfang an ein Ablenkungsmanöver geplant hat. Er wollte Naraku aus der Reserve locken. Und nun konnte mein Plan beginnen.

Unauffällig schlich ich an ihnen vorbei und versteckte mich hinter einem Baum. Fest kniff ich die Augen zusammen. Ich schaffe das! Fest umklammerte ich meinen Bogen, zog erneut einen Pfeil und spannte ihn. Ich bin bereit!

Ich trat hinter dem Baum hervor und beobachtete das Geschehen. Sie schienen mich nicht zu bemerken, meine Gelegenheit. Ich schloss ein Auge, um Naraku besser anvisieren zu können. Er stand in der richtigen Position, um genau sein Herz zu treffen. Jetzt! In dem Moment, als ich losließ, verließ mich augenblicklich meine Entschlossenheit. Mit einem Mal ging alles ganz schnell und doch passierte alles, wie in Zeitlupe. Naraku, wie er mich aus dem Augenwinkel beobachtete und wieder dieses siegessichere Grinsen im Gesicht hatte. Schon da wusste ich, dass ich einen Fehler begangen hatte. Doch es war zu spät. Der Pfeil raste unaufhaltsam weiter, verfehlte Naraku, der mit Leichtigkeit rechtzeitig ausgewichen war und traf stattdessen seinen Gegner. Sesshomaru. Überrascht riss er die Augen auf, als der Pfeil direkt in sein Herz traf und ihn einige Meter weg schleuderte. Ein Mikopfeil bedeutete für einen vollwertigen Dämon den Tod. So viel wusste ich und als ich hilflos mit ansehen musste, wie der Pfeil sein Herz durchbohrte, zerriss mein eigenes. Das Einzige, was ich wahrnahm, war der dumpfe Aufschlag, als sein Körper zu Boden ging. Danach hörte ich nur das schmerzhafte Pochen meines Herzens und das Rauschen meines Blutes. Tränen verschleierten meine Sicht, meine Knie wurden weich, doch bevor auch ich zusammenbrechen konnte, packte mich eine Hand am Arm und holte mich in die Wirklichkeit zurück. Es war Naraku dessen Blick nicht glühender hätte sein können.

„Denkst du wirklich, ich hätte nicht gewusst, was du vorhast?“ Missbilligend schüttelte er den Kopf, zog mich an sich heran und vergrub seine Nase in meiner Halsbeuge. Genüsslich sog er die Luft ein und drückte meinen Körper nur noch näher an seinen. Ich war zu nichts mehr in der Lage, ich zitterte am ganzen Körper und mein Blick haftete immer noch an Sesshomaru, welcher reglos auf den dicken Wurzeln eines Baumes lag. Ein Schmerzenslaut entwich mir, als sich Narakus Klauen in meinen Arm bohrten. Als ich meinen Kopf zu ihm drehte, nahm mein Zittern nur noch mehr zu. Hart stieß er mich von sich, so dass ich zu Boden fiel.

„Dein Herz hängt bereits an diesem Köter. Und nun hast du ihn auf dem Gewissen. Welch schreckliche Tragödie, nicht wahr?“ Noch einmal näherte er sich mich, griff nach meinem Kinn. „Willst du, dass ich dich aus deiner Verzweiflung heraushole?“

Mir schwirrte der Kopf. Sein Angebot klang so verführerisch. So verlockend. Er hielt mir seine Hand hin. Ohne zu Zögern streckte ich meine nach seiner aus. Tu es nicht! Das waren die vier, aus dem Juwel der vier Seelen. Dieser Ruf ließ mich innehalten und mit einem Schlag kehrte ich wieder in die Realität zurück. Barsch schlug ich seine Hand weg. „Eher würde ich sterben!“

„Du willst nicht? Nachdem du alles verloren hast, schlägst du mein Angebot aus? Nun, wenn du eher den Tod vorziehst, als mit mir zu kommen, lässt sich das ohne Probleme einrichten.“ Sein Tonfall klang mehr als bedrohlich und unweigerlich wich ich zurück. „Aber vergiss nicht, du hattest die Wahl.“ Und mit diesen Worten griff er an. Seine Augen leuchteten wieder auf und sandten eine Druckwelle aus, welche mich hart gegen den nächsten Baumstamm schleuderte. Diese einzige reichte schon aus, um mich sämtlicher Kräfte zu berauben. Es spielte sich nochmal das Selbe ab, wie damals am Fluss, doch diesmal würde kein Sesshomaru mehr kommen. Diesmal war ich wirklich hoffnungslos verloren.

Naraku ging auf mich zu, während in seiner Hand ein Dolch erschien. Er kniete sich neben mich, hob den Dolch an und… „Lebe wohl, kleine Kagome“, …stieß zu.

Nur gemeinsam sind wir stark!

„Hiraikotsu“, schrie jemand bevor mich die scharfe Klinge seines Dolchs berühren konnte. Schlagartig entfernte er sich, da er sonst unweigerlich vom Knochenbumerang getroffen worden wäre, welcher inzwischen wieder von seiner Besitzerin aufgefangen wurde. Ich erkannte die Stimme sofort und sah ungläubig auf. Meine Augen weiteten sich, als ich Sango, Miroku und Shippo erblickte. Und an vorderster Front stand Inuyasha, während irgendwo abseits Kikyo stand. Mir fiel die Kinnlade runter, zu einer anderen Reaktion war ich einfach nicht in der Lage. Zu überrascht war ich über das Auftauchen meiner alten Weggefährten.

Sie schenkten mir ein entschlossenes Lächeln und stürzten sich ohne weitere Worte in den Kampf. Auch wenn Naraku neue Fähigkeiten hatte, so war er doch nicht mehr unverwundbar, weshalb sie ihn langsam in Bedrängnis brachten. So hatte ich die Chance, zu Sesshomaru zu laufen – nein, ich hatte ihn nicht vergessen. Die ganze Zeit schon wirbelte er in meinen Gedanken herum und nun spürte ich die Sorge um mehr denn je. Als ich mich neben ihm niederließ, rührte er sich kein Stück seine Augen waren immer noch geschlossen, der Pfeil steckte tief in seiner Brust, doch es floss kein einziger Tropfen Blut. Ich hörte mein Herz laut in meinen Ohren pochen, meine Umgebung verblasste und ich bemerkte die vier Personen, welche plötzlich erschienen, erst, als sie mich ansprachen.

„Ihr geht es gut, mach dir keine Sorgen und hör auf zu weinen.“

Ich hatte gar nicht gemerkt, dass mir heiße Tränen über die Wangen liefen und dementsprechend reagierte ich auch. Wirsch fuhrt ich mit dem Arm über mein Gesicht, den Kloß ich meinem Hals wurde ich aber nicht so leicht los.

„Aber was ist dann mit ihm?“

„Dein Pfeil war nicht für ihn bestimmt, deshalb befindet er sich auch nur in einer Art Koma. Aber du bist in der Lage, den Bann wieder zu lösen.“

Ohne groß nachzudenken, machte ich das Erste, was mir einfiel. Ich griff nach dem Pfeil, wie bei Inuyasha damals, und drückte zu. Doch es funktionierte nicht. Hilflos sah ich zu Sakimitama. Sie grinste.

„Du hast schon den richtigen Weg gewählt, doch es fehlt noch eine Kleinigkeit.“ Nun lächelten auch die anderen und mich überkam ein ganz seltsames Gefühl. Nigimitama fuhr fort.

„Konzentriere die auf deine innere Kraft und den Wunsch, ihn wieder lebend zu sehen. Und während du das tust musst du ihn einfach küssen.“ Das kleine Mädchen sagte das mit solch einer Selbstverständlichkeit, dass ich nur noch mehr errötete, als sowieso schon.

„HÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ?!“ Ungläubig starrte ich sie an. „W-Wieso das denn? Bei Inuyasha war das doch auch nicht nötig.“

Sie zuckten nur mit den Schultern, schließlich meinte Kushimitama lächelnd: „Er ist aber ein vollwertiger Dämon und abgesehen davon ist die Situation eine völlig andere. Schließlich ist es dein eigener Pfeil, der ihn getroffen hat. Und nur so entfaltest du deine gesamte Kraft“.

Ich schluckte. War das wirklich ihr Ernst? Auch wenn es vielleicht nicht ihre Absicht war, so ließen ihre Worte doch meine Schuldgefühle erneut aufkeimen. Hatte ich eine andere Wahl? Ich hoffte es inständig, aber als ich einen Blick auf die vier und danach auf Sesshomaru warf, wusste ich, dass diese Hoffnung vergebens war. So schluckte ich nochmal hart und, griff nach dem Pfeil und beugte mich zu seinem Gesicht herab. Kurz vor seinen Lippen stoppte ich.

„Wenn das hier alles vorbei ist, wirst du mich dafür wahrscheinlich umbringen“, flüsterte ich im Galgenhumor, ehe sich meine Lippen sanft auf seine legten. Ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen, um seinem Ärger vielleicht noch knapp entkommen zu können. Doch kaum, dass ich mich löste, spürte ich etwas warmes Feuchtes über meine Lippen streichen. Um dem Übel nicht ins Gesicht sehen zu müssen und mein Herz wenigstens etwas zu beruhigen, hatte ich die Augen zugekniffen, doch als ich das fühlte, riss ich sie sofort auf und blickte in flüssiges Gold. Ich war wie gebannt, und das lag nicht nur an seinem Blick, es war viel mehr die warme Zunge, welche immer noch auffordernd über meine Lippen fuhr. Und schließlich, ohne es richtig zu bemerken, kam ich seiner Aufforderung nach. Das „Warum“ geriet dabei völlig in Vergessenheit. Sein Mund ließ meinen gar nicht mehr los und wären da nicht immer noch die vier Personen, die das Ganze mit einem Grinsen auf dem Gesicht beobachteten, wäre ich wohl völlig darin versunken. Außerdem durfte ich nicht vergessen, wer da mich da so leidenschaftlich küsste. Dass ich überhaupt noch zum Denken fähig war, wunderte mich ja doch, aber so wie er sich benahm, war er vielleicht noch etwas betäubt von meinem Pfeil. Umso wichtiger war es, dass ich nun nicht nachgab. So löste ich mich schlussendlich von ihm und mein Blick wanderte automatisch zur Seite. Ich fühlte mich gerade echt nicht dazu in der Lage, ihm nochmal in die Augen zu sehen. Zu groß war die Angst, was ich darin vorfinden würde.

Ich wusste es. Ich hatte es die ganze Zeit geahnt, und doch dachte ich, es würde vielleicht anders kommen, aber nun konnte ich es nicht mehr verleugnen. Ich empfand mehr für Sesshomaru, als mir lieb war. Ich hatte mich in den Halbbruder von Inuyasha verliebt. Ironie des Schicksals. Da traf mich plötzlich die Erkenntnis wie ein Blitz. Schicksal! Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah zu Wächtern des Juwels der vier Seelen. Sie lächelten nur unschuldig, was mein schlechtes Gefühl nur bekräftigte. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Ich schüttelte den Kopf, um meine wirren Gedanken in Ordnung zu bringen. Ich hatte immer noch was vor. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Sesshomaru aufstand. Ich verstand und wandte mich an die vier.

„Ich danke euch sehr, aber ich muss noch etwas erledigen. Ich hoffe, ihr steht mir nun zur Seite.“

„Du kannst auf uns zählen“, rief Nigimitama aus. Lächelnd nickte ich. Im nächsten Moment fanden wir uns wieder im Wald vor. Ein krachendes Geräusch lenkte unsere Aufmerksamkeit sofort auf den Kampf, welcher immer noch im vollen Gange war. Wie viel Zeit wohl vergangen war?

Inuyasha und die anderen sahen schon etwas mitgenommen aus, während sich Naraku scheinbar wieder erholt hatte. Das war nicht gut. Wir mussten jetzt handeln.

„Hey, Naraku“, rief ich und lenkte somit seine Aufmerksamkeit auf mich, seine Überraschung, Sesshomaru wieder gesund und munter zu erblicken, war nicht zu übersehen. Unsere Chance! Inuyasha verstand, hob sein Schwert und zielte mit einem Kaze no Kizu auf Naraku, der die Attacke zu spät bemerkte, als dass er noch hätte ausweichen können. Noch zusätzlich startete Sesshomaru einen Angriff mit Bakusaiga und in diesem Moment dankte ich den Kamis da oben, dass die zwei endlich mal zusammen arbeiteten. Naja, mehr oder weniger. Naraku wurde mit voller Wucht getroffen, sein Körper löste sich jedoch nicht auf, sondern krachte gegen den Stamm eines riesigen Baumes. Noch im selben Atemzug warf Sango ihren Knochenbumerang, so dass er in der Kleidung des Halbdämons stecken blieb und ihn somit an den Baum heftete. Ich hörte sein wütendes Zähneknirschen so laut, als wäre er direkt neben mir. Seine Augen weiteten sich, er wusste was nun folgen würde und ich auch, noch bevor jemand ein Wort sprach. Alle Geräusche um mich herum dämpften ab, als wären sie in Watte gepackt, und doch hörte ich sie laut und deutlich.

„Kagome….“, rief Inuyasha. Gleich darauf auch Sesshomaru: „Kagome…“. Nur nebenbei bemerkte ich, dass er mich zum ersten Mal beim Namen genannt hatte.

„JETZT“, riefen alle gleichzeitig. Während ich einen Pfeil aus dem Köcher zog und blitzschnell meinen Bogen spannte, betete ich zu den Seelen, die noch immer über das Juwel wachten: ….Sakimitama, Nigimitama, Aramitama, Kushimitama…. bitte steht mir bei….

Im selben Moment spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und ein plötzlicher Wind wehte leise Worte zu mir herüber: „Wir sind bei dir!“ Mit diesen Worten kehrte meine Entschlossenheit zurück und zielsicher richtete ich den Pfeil auf Naraku. Ein letzter Blick in seine Augen und ich ließ los. In Sekundenschnelle traf der Pfeil sein Ziel. Und dieses Mal war es das richtige. Mit einem Mal schlossen sich Narakus Augen und die Welt schien plötzlich wieder normal zu laufen. Ich hörte einen freudigen Ausruf von Shippo und Inuyashas Gelächter. Eine krallenbesetzte Hand legte sich auf meine Schulter, worauf ich mich erleichtert umdrehte. Sesshomaru nickte mir zu. Ich konnte meine Enttäuschung nicht verbergen, deshalb versuchte ich ein gezwungenes lächeln, was mir nicht so ganz gelingen wollte, aber vielleicht kam es mir auch nur so vor. Jedenfalls wandte ich mich danach sofort um – ich konnte ihm nicht länger in die Augen sehen, die nach dem Ganzen, was passiert war, immer noch so völlig emotionslos waren. Ließ es ihn völlig kalt? War das Ganze nur ein Spiel? Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, packte mich seine Hand am Handgelenk und mit einem Ruck lag ich in seinen Armen. Und ehe ich das richtig begriff, spürte ich erneut seine Lippen auf meinen. Ungläubig riss ich die Augen auf und starrte in seine, welche wieder zu flüssigem Gold geworden waren. Dieser Augenblick reichte schon aus, um mir zu zeigen, dass er sich sehr wohl daran erinnern kann und dass es ihn nicht so kalt ließ, wie er vielleicht gern vorgegeben hätte. Aber wer weiß…. vielleicht wollte er ja auch, dass ich das wusste.

Plötzlich löste er sich wieder von mir und wandte sich um. Als ich dieser plötzlichen Reaktion auf den Grund gehen wollte, riss mich eine Stimme aus meinem Tun.

„Kagome“, erklang Sangos Stimme. Das lenkte mich ab und aufgeregt lief ich zu ihr und den anderen. Freundschaftlich schlossen sie und Miroku mich in die Arme.

„Wie wusstet ihr….?“ fing ich an , doch eine Handbewegung in Richtung Inuyasha war mir Antwort genug. Kikyo stand im Hintergrund – ihr Blick war überwachend auf den Inuhanyou gerichtet. Doch das war mir in dem Moment egal. Inuyasha guckte mit einem typischen „Keh“ zur Seite. Ich konnte gar nicht anders. Ich sprang im förmlich in die Arme. Er war ganz überrumpelt und hätte beinahe das Übergewicht verloren, in einiger Entfernung hörte ich ein tiefes Knurren, aber das kümmerte mich nicht.

„Danke“, flüsterte ich und kurz darauf, legten sich seine Arme fest um mich.

„Ich sagte dir doch, ich lasse dich nicht im Stich.“

Ich nickte, löste mich aber schon von ihm. Er sollte sich keine falschen Hoffnungen machen. Er verstand es. Das sah ich ihm an, und ich war ihm mehr als dankbar. Wir würden Freunde bleiben. So viel war sicher.

„Es ist endlich vorbei“, stieß Sango erleichtert aus, während sie ihren Bumerang aus der Kleidung Narakus befreite. So fiel mein Blick automatisch auf ihn und sofort schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Es war noch nicht vorbei! Ich sah es in seinem Blick, als ich den Pfeil losgelassen hatte. Er würde wieder kommen. Nur ich wusste davon. Nur ich hatte es gesehen. Und so sollte es auch bleiben.
 

„Kagome, wir gehen“, hörte ich Sesshomaru rufen. Ich rannte wieder zu ihm und warf einen letzten Blick zurück. Sie sahen leicht besorgt drein, doch als ich ihnen ein sicheres Lächeln schenkte, konnten sie das nur erwidern.

„Hey, Sesshomaru, warte auf mich, ich kann nicht so schnell.“ Und schon verschwanden wir im Wald. Da ich immer noch versuchte, ihn einzuholen, sah ich sein Gesicht nicht und dadurch entging mir auch das warme Lächeln, welches sich auf seine Lippen geschlichen hatte.
 

Die Nacht brach bereits an, meine Gedanken schweiften um die letzten Ereignisse. Was herrschte nun eigentlich für eine Beziehung zwischen uns? Er hatte mit keinem Wort erwähnt, dass ich gehen sollte. Er sah es für selbstverständlich, dass ich bei ihm blieb und mit ihm ging. Und er nannte mich bei meinem Namen.

Plötzlich krachte ich mit voller Wucht der Länge nach auf den Boden. Ich war so in Gedanken, dass ich wo hängen geblieben bin. Als ich mich umsah, war es ziemlich dunkel, Sesshomaru war nirgends zu sehen. Ich schluckte. Mein Herz pochte lauter, dann hörte ich einen tiefen Seufzer und wurde plötzlich auf die Arme genommen. Auch wenn ich es schlecht sehen konnte, ich wusste, wer es war.

„Tollpatsch“, murmelte er. Ich erwiderte nichts darauf, sondern lehnte mich nur an seine Brust. Und schon wieder trug er mich. Müde schloss ich die Augen und versank kurz darauf in einem tiefen Schlaf. Das Letze, was ich spürte, war ein hauchzarter Kuss und das Letzte, was ich hörte war nur ein leises Geflüster, dessen Bedeutung ich aber nicht verstand.

„Ich lasse dich nie wieder los!“

Ich meinem Schlaf hörte ich noch einmal die vier Seelen: „Vergiss nicht Kagome, das ist dein Schicksal!“



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Kommentare zu dieser Fanfic (30)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-06-12T08:56:58+00:00 12.06.2019 10:56
Sesshomaru hat Mitleid mit Kagome wegen das was InuYasha getan hat. Wunder über wunder .

Auch das noch erst Kikyou das mist Stück und jetzt auch noch Naraku der depp vom Dienst der verrückte Typ.

Wer kommt als nächstes .Sesshomaru's Vater??? !!!!
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-06-12T08:44:07+00:00 12.06.2019 10:44
Waaaaaaas !!!meinetwegen???? Was echt jetzt!???? Ich glaub es ja nicht es geschehen noch Zeichen und wunder .

Schönes Kapitel.
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-06-12T08:18:57+00:00 12.06.2019 10:18
InuYasha du Schwein und Kikyou dieses mist Stück.

O O bei wünschen sollte mann/Frau vorsichtig sein meistens gehen die nach hinten los.!!!!

Trauriger Anfang eiso kann es nur besser werden 😁
Von:  KagomeKizu
2016-11-12T21:15:34+00:00 12.11.2016 22:15
Ein sehr schönes Ende der Geschichte!
Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2016-11-12T20:08:03+00:00 12.11.2016 21:08
Tolles Kapitel, bin mal auf Kagomes Idee gespannt.

Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2016-11-12T19:47:19+00:00 12.11.2016 20:47
Das kann ja nur Naraku sein.
Hoffe Sesshomaru wird bald der Verlust seiner "Wärmequelle" auffallen. ;)

Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2016-11-12T13:30:46+00:00 12.11.2016 14:30
Super Kapitel, hoffe Kagome geht's bald wieder besser.
Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2016-11-11T21:00:57+00:00 11.11.2016 22:00
Wer dieser geheimnisvolle Fremde wohl ist?

Lg Kago
Von:  KagomeKizu
2016-11-11T20:30:08+00:00 11.11.2016 21:30
Na dann sind wir ja mal gespannt. *grins*

Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2016-11-11T20:22:53+00:00 11.11.2016 21:22
Tolle Kapitel hat mir gut gefallen.
Glg Kago


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