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Fremde Welten: Das Buch von Incanta (#3 1/4)

Mutterliebe hat viele Gesichter
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hab es ja schon prophezeit... Thaumator ist der Nächste, der eine eigene Geschichte bekommt. Allerdings läuft diese hier parallel zu Fremde Welten 3, also könnt ihr ruhig schon anfangen zu lesen. Inhaltlich wird euch einiges bekannt vorkommen, allerdings stelle ich eine andere Perspektive dar. Außerdem probiere ich mich mal an der Schreibweise in der ersten Person. Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Derzeit brauche ich ein bisschen lange für jedes neue Kapitel, weil ich ein kleines Kind habe, das sehr viel beschäftigt werden will, und einen Homejob. Hoffe ihr habt Geduld mit mir. ^^° Komplett anzeigen

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Tag der Entscheidung

Der Bannkreis zeichnete sich perfekt auf dem Boden ab. Zwar konnte ich ihn hier nicht in die Steine ritzen, damit zeigte sich das Schlossherz nicht einverstanden, aber ich hatte ihn bereits vor ein paar Tagen mit einer speziellen Farbmischung aufgetragen, die für den Zweck wesentlich geeigneter war als einfache Kreide. Der Durchmesser betrug etwa zwei Meter. Ich umrundete ihn einmal, prüfte alles genau nach und trat dann über die Runenschrift, darauf bedacht, nichts zu beschädigen. Sobald ich mit beiden Füßen darin stand, merkte ich, wie die Bannwirkung meine Magie unterdrückte. Das Letzte, wozu ich sie benutzt hatte, war, alle meine Kleidungsstücke bis auf die Hose verschwinden zu lassen. Ich würde mich wohl erst daran gewöhnen müssen, mich normal umzuziehen.

In der Mitte des Bannkreises stand ein steinerner Stuhl, mehr ein Thron. Vindictus und ich hatten das gute Stück in der Schatzkammer dafür auserkoren, uns heute und hier zu dienen, denn der Schlossherr hatte es abgelehnt, Ketten an der Decke und am Boden installieren zu lassen. Nun, das sollte mir recht sein.

Ich sank auf die harte Sitzfläche und lehnte mich an. Die Kälte des Steines traf meinen Rücken und ließ mich fast zurückschrecken. Vermutlich gab es Gründe dafür, dass Herrscher sich üppig kleideten, und das war garantiert einer davon. Ein Kissen hätte wohl auch nicht geschadet, aber irgendwie passte es nicht zum Anlass.

„Wie ich sehe, seid Ihr als Erster da...“ Vindictus erschien in meinem Blickfeld und stellte seine Heilertasche außerhalb des Bannkreises ab.

„So konnte ich mir einreden, dass ich den Platz nur mal testen möchte,“ behauptete ich. „Bringen wir es hinter uns.“

Er nickte ernst. Wir beide hatten Fire eine spätere Zeit gesagt, damit alles bereit war, wenn er zu uns stieß. So würde es für ihn vielleicht etwas leichter werden.

Vindictus holte mehrere Verbandsrollen aus seiner Tasche hervor und trat in den Kreis. Sachlich fing er an, erst meine Handgelenke und dann meine Knöchel sorgfältig zu verbinden, um sie vor Verletzungen zu schützen.

Die Stricke lagen an der Seite in einer Kiste bereit. Vindictus fesselte meine Hände an die Armlehnen, die Füße an die protzigen, steinernen Stuhlbeine und schließlich wickelte er noch ein paar Meter um meine Schultern und die Rückenlehne, um zu verhindern, dass mein Oberkörper nach vorne kippte.

Zu behaupten, dass ich ein wenig nervös war, wäre eine glatte Lüge gewesen. Mein Herz pochte in meinen Ohren und ich brauchte all meine Selbstbeherrschung, um einigermaßen ruhig zu atmen. Obwohl es hier unten kalt war, stand mir der Schweiß auf der Stirn. Nein, ich war nicht nervös, sondern panisch. Dem alten Heiler konnte ich nichts vormachen; wenn er die Zeichen nicht deutlich sah, dann spürte er es bei jeder Berührung mit seinen erfahrenen Sinnen. Aber er kommentierte meine Verfassung nicht. Er sagte gar nichts mehr. Wir hatten vorher alles ausreichend besprochen, insofern bedurfte es keiner Worte. Darüber hinaus hatte ich den Verdacht, dass er seiner Stimme nicht ganz traute. Ich meiner auch nicht.

Ich zerrte und zog probeweise an meinen Fesseln, doch sie hielten problemlos. Zwar wollte ich keinen Widerstand leisten, bezweifelte aber, dass ich diesen Vorsatz einhalten konnte. Der Körper spannt sich unter Schmerzen immer an... lieber nicht dran denken.

Vindictus trat gerade aus dem Kreis zurück, als die Tür sich öffnete und Fire eintrat. Ich konnte ihn nicht direkt sehen, denn der Thron stand mit der Rückseite zur Tür. Aber ich bemerkte eine Veränderung des Lichtscheins und hörte seine Schritte, und wer sonst sollte zu dieser Zeit hier herunter kommen?

Dann trat der Junge auch schon vor mich hin. „Ihr... Ihr habt Euch bereits fesseln lassen?“ In seiner Stimme schwang Vorwurf mit.

Ich hob gespielt unbesorgt eine Augenbraue und kratzte meinen letzten Galgenhumor zusammen. „Sicher, oder wolltest du mich vorher noch liebevoll umarmen und mir viel Glück wünschen?“

Er starrte unglücklich auf den Boden. „Nun also... ich meine... irgendwie schon.“

Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet.

„Lieb von dir. Aber betrachte dies einfach als deine Meisterprüfung. Reiß dich zusammen und konzentriere dich, mein Schüler. Ich habe dir alles gezeigt, was ich kann, also...“ An dieser Stelle brach ich lieber ab. Zwar wollte ich noch einige ermutigende Hinweise hinzufügen, allerdings kroch ein seltsamer Druck in meine Nase und befiel auch meine Augen, somit schloss ich letztere und presste meinen Hinterkopf gegen die Lehne des Throns.

Fast erwartete ich Proteste von Fire, doch er schwieg, denn wir alle wussten, dass das hier jetzt geschehen musste. Das ungeschriebene Gesetz der Magier verpflichtete mich dazu, meinen Schüler zu beschützen, auch wenn es mich meine eigene Magie kostete. Welche Ironie, dass es auf einem Thron geschah, wäre ich doch fast der nächste böse Herrscher nach meiner Mutter geworden... Doch das wäre eine andere Geschichte.

Dies ist die Geschichte darüber, wie ich meinem Schüler beibrachte, Magie auszubrennen, so dass er es an mir üben kann. Die Geschichte meiner eigenen Magieausbrennung beginnt... mit einer anderen Ausbrennung.

Stufe vier

Das Licht erlosch in dem Raum, und für kurze Zeit blieb alles dunkel, doch ich fand das für den Moment in Ordnung. So konnte ich kurz die Augen schließen und mich sammeln.

Der keuchende Atem eines Mannes drang an meine Ohren.

Er ist noch ein Kind in seiner Astralwelt.

Die Gestalt, die jemand in seiner Astralwelt innehat, sagt viel über den Charakter aus. Viele sind sich dessen nicht bewusst und denken, dass sie sich in dieser Gestalt wohlfühlen und sie deshalb gewählt haben. Die meisten hören irgendwann einfach auf zu altern, wenn sie Mitte zwanzig oder Anfang dreißig sind, ein Alter, in dem Jugend und Erfahrung ein passables Gleichgewicht bilden.

Kinder sind selten. Erst recht eines, das zu allem entschlossen ist. Es ist für mich ohnehin nicht leicht, einem Kind alles wegzunehmen und zu zerstören, was es besitzt.

Mehrere magische Lichter flammten jetzt auf. Crimson, der Herr des Lotusschlosses, verließ seinen Platz und organisierte, dass Sorc in einen Nebenraum gebracht wurde.

Ich rieb meine rechte Hand mit der linken, denn sie kribbelte, als hätte ich darauf geschlafen. Der Ausbrennzauber hat diesen Effekt auf den Anwender. Es ist nichts, was man genießt, egal, an welchem Ende von ihm man sich befindet. Der Tag danach bringt meistens einen üblen Muskelkater mit sich, da ich angespannt dastehe, während ich mich auf das Ritual konzentriere. Vielleicht ist es auch eine Art der Magie, es denjenigen heimzuzahlen, die sie gegen sich selbst richten.

Daran dachte ich allerdings nicht, während ich zusah, wie einer nach dem anderen den Raum verließ. Sage blieb noch kurz, um mit Cosmea zu sprechen, die das Ritual mit mir zusammen durchgeführt hatte. Dann ging auch er hinaus.

Yubel, der Schriftführer des Zirkels, näherte sich uns mit einem Klemmbrett. „Gute Arbeit, möchte ich meinen, oder? Kann ich ins Protokoll schreiben, dass alles nach Plan und ohne Probleme verlaufen ist?“

Ich verschränkte die Arme und stellte sicher, dass Crimson und Sorc außer Hörweite waren. „Abgesehen davon, dass es gar nicht zum Plan gehörte, dass wir es überhaupt tun müssen?“

Yubel zuckte die Achseln. „Wir waren auf die Möglichkeit vorbereitet, nicht wahr?“

Für dieses gleichgültige Getue wollte ich den Unterweltler gerne eine Runde würgen. War es zuviel verlangt, ein bisschen erschüttert zu wirken? Zwar konnte ich mich kaum beschweren, ich tat ja selber so, als hätte ich nur meine Arbeit gemacht, aber ich fragte mich, ob ein Unterweltler überhaupt nachvollziehen konnte, was eben passiert war.

Zu meiner Erleichterung ergriff Cosmea das Wort: „Schreib, dass wir das Ritual erfolgreich abschließen konnten, obwohl der Verurteilte energisch Widerstand leistete. Wir werden in den nächsten Tagen den Kontrollbesuch vornehmen, rechnen aber mit keinerlei Komplikationen.“

Yubel schrieb mit, nickte sichtlich erfreut und entfernte sich dann.

Cosmea und ich blieben an unseren Plätzen stehen und ließen die anderen voraus gehen.

Im Prinzip hätten wir den Ort einfach verlassen können wie alle anderen auch, statt zu warten, bis wir als Letzte zurückblieben. Aber meine Beine fühlten sich schwach an. Im Zirkel des Bösen ging es um ein gutes Auftreten. Mich auf dem Flur langzulegen zählte ich nicht dazu.

Freundlicherweise sprach uns nach Yubel niemand mehr an.

Cosmea lehnte sich mit einem lauten Seufzen gegen die Wand, kaum dass sich die Tür hinter den hinaus strömenden Mitgliedern geschlossen hatte. „Ich werde zu alt für sowas,“ murmelte sie.

„Warum hast du mich nicht den Anfang machen lassen?“ stellte ich die Frage, die mir auf der Zunge brannte. „Du hättest das Ende sicherlich besser hingekriegt als ich...“

„Oh.“ Sie blickte ehrlich betrübt zu mir herüber. „War das nicht eine Bitte, dass ich übernehmen soll, als du sagtest, er leiste Widerstand?“

„Ah... in dem Moment hab ich nicht darüber nachgedacht. Aber vielleicht war es ganz gut so. Ich war wohl zu ängstlich, um seinen Widerstand einzureißen.“

„Du hattest ja noch genug Arbeit mit ihm.“

„Ja... er hat sich gesträubt bis zum Schluss...“ Ich schloss erbebend die Augen bei der Erinnerung. „Er ist noch ein Kind in seiner Astralwelt, Cosmea...“

Meine ältere Kollegin nickte, sie hatte es ja auch gesehen. „Ja. Bei Chaosmagiern ist das wohl so. Eine Weile glaubte ich, er würde es darauf anlegen, in seinem Haus umzukommen. Er wollte unbedingt irgendetwas retten.“

„Wenigstens verließ das Haus, aber er nahm etwas mit, einen kleinen Zettel oder so... er muss ihm wichtig gewesen sein, denn er ließ ihn nicht los, obwohl er in seiner Hand verbrannte. Wir sollten mit dem Kontrollbesuch nicht zu lange warten; ich bin fast sicher, dass wir nachbessern müssen.“

„Ich fürchte, du hast Recht,“ stimmte sie mir zu.

„Hast du sein Kapall gesehen?“ fragte ich Cosmea.

Sie rieb sich nachdenklich das Kinn. „Nein, jedenfalls fiel es mir nicht deutlich auf... Aber er muss welches haben. Jeder hat welches. Es könnte bei ihm einfach ziemlich wenig sein, oder wir haben nicht genug darauf geachtet, weil wir uns auf das Kind konzentriert haben.“

Das vermutete ich auch. Außerdem befürchtete ich, dass mich die Gestalt des Kindes vielleicht etwas vorsichtig hatte werden lassen, so dass ich nicht mit der Brutalität vorgegangen war, die nötig gewesen wäre, um die Sache zu einem sauberen Ende zu führen.

Wir verließen den Raum, als wir ziemlich sicher waren, dass unsere Knie das Vorhaben unterstützten. Noch viel länger zu warten hätte vielleicht dazu geführt, dass jemand nachsehen kam. Als ich die Tür hinter uns schloss, sah ich Sage vor der nächsten Tür stehen. Er unterhielt sich leise mit Lord Belial, daher gingen wir in die andere Richtung davon, ohne ihn anzusprechen. Crimson hielt sich wahrscheinlich mit Sorc in jenem Nebenraum auf.

Dieses Gebäude besaß Folterkeller und Ritualräume, die an Krankenzimmer grenzten, um die Wunden anschließend zu versorgen. Wir vom Zirkel des Bösen kümmern uns gut um unsere Gefangenen. Es gab sogar einen Friedhof für Personen, die zum Tode verurteilt worden waren und sonst keinen Ort hatten, an dem sie ihre letzte Ruhe finden konnten. Er wurde aber hauptsächlich als Zeltplatz benutzt, weil ihn noch niemand in Anspruch genommen hatte.

Ein paar Kollegen waren mit Gefolge da und ließen gerade das Lager zusammen packen, als wir dazu kamen. Aber nicht alle reisten sofort nach getaner Arbeit ab, sondern fanden sich in kleinen Gesprächsgruppen zusammen und gingen möglicherweise noch einen trinken. Dafür hatte ich gewiss keinen Nerv. Wir mussten uns aber in das Getümmel begeben, weil wir in einem der Zelte unser Gepäck gelassen hatten.
 

Vanis, der momentane Zirkelvorsitzende, erwartete uns dort schon. „Da seid ihr ja, ihr beide. Hier, trinkt was. Yubel berichtete, dass alles gut gelaufen ist.“

Er warf uns Trinkschläuche mit Wasser zu und schob uns zu einer grob gezimmerten Sitzgruppe, wo wir uns dankbar auf eine Bank ohne Lehne sinken ließen. Es tat gut, die Beine zu entlasten.

„Wir rechnen mit kleineren Komplikationen,“ sagte Cosmea. „Sorc war recht störrisch für jemanden, der das Urteil einfach hingenommen hat. Und ich habe es noch nie erlebt, dass jemand bis zum Ende bei Bewusstsein war. Du, Thau?“

Ich schüttelte bloß den Kopf, ließ die anderen reden und leerte recht unzeremoniell mit schnellen Schlucken meinen Wasserschlauch.

„Das war, weil er keine Seele hat,“ bemerkte Vanis. „Er kann außerhalb seines Schlosses nicht das Bewusstsein verlieren, sonst läuft er Gefahr, dass sein Geist vom Körper getrennt wird und verloren geht. Ich bin überrascht, dass er sich so weit von dort entfernen kann, aber Belial meinte, das hätte er lange trainiert.“

„Das kriegt auch nur ein Chaosmagier hin,“ meinte Cosmea. „Schon allein die Idee, die eigene Seele an ein Schloss zu binden...“

Einige Sekunden unangenehmen Schweigens breiteten sich aus, immerhin hatten wir besagten Chaosmagier eben vernichtet. Für die Welt der Magier war das ein herber Verlust, denn uns ging ein großes Potential ungeahnter Möglichkeiten verloren. Ich hatte Belials Berichte über diesen Rehabilitanden immer interessiert verfolgt, schon deswegen, weil Cosmeas Enkelsohn Dark mit Sorcs ältestem Sohn liiert war, wodurch ich ihn zur entfernteren Verwandtschaft zählte. Natürlich hatte ich meiner Kollegin nie gesagt, dass ich sie als so etwas wie eine Ersatzmutter betrachtete – sie hätte mich dann vermutlich mit leichtem Spott darüber aufgeklärt, dass sie mich mit dreizehn bekommen haben müsste. Allerdings ging ich zuversichtlich davon aus, dass sie mich zumindest als guten Freund sah.

Wenn man es so betrachtete, war wohl auch Vanis in diesem Fall persönlich betroffen, denn einer von Sorcs Söhnen war sein Neffe. Er hatte der Vollstreckung nicht beigewohnt, angeblich, damit in dem Raum mehr Magier Platz hatten, aber ich vermutete, dass er sich diese Erinnerung einfach nicht hatte aufbürden wollen. Immer, wenn ich ihn privat über Sorc reden hörte, wirkte es für mich so, als würde er ihn achten und respektieren, zumal der stolze Chaoshexer einer angesehenen Unterweltlerfamilie entstammte, was bei anderen Unterweltlern immer Pluspunkte mit sich brachte.

Wer jemanden achtete und respektierte, wollte eigentlich nicht sehen, wie derjenige auf einen Schatten seiner Selbst reduziert wurde. Umso mehr hatte es mich überrascht, dass Crimson, der Herr des Lotusschlosses und zufällig Cosmeas anderer Enkelsohn, sich das angetan hatte. Ich wusste, dass er für Sorc als Rehabilitand verantwortlich war, aber anscheinend standen die beiden sich auch sehr nahe.

Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als Belial das Zelt betrat und dabei mit den Flügeln an der Plane hängen blieb, da diese nicht fixiert war und hinter ihm wieder zuklappte. „Verdammter Mist!“ fluchte er und streckte den rechten Flügel flach nach außen aus, schob sich seitwärts nach drinnen und zog ihn dann nach.

Ich musste trotz meiner miesen Verfassung grinsen, während ich zusah, wie er sein Gewand glatt zupfte, sich räusperte und dann an unseren Tisch trat.

„Crimson hat sich dafür beworben, Sorc zu behalten,“ eröffnete er uns. „Er besteht außerdem darauf, ihn vorerst wieder mitzunehmen, und ich habe nicht den Eindruck, dass er ihn aus seinen Fängen lassen wird, auch wenn wir anders entscheiden.“

„Oha, das wird Edeh aber gar nicht gut aufnehmen,“ kommentierte Vanis mit einem schiefen Lächeln. „Er hat sich nämlich auch beworben, schon voriges Mal.“

„Edeh steigert sich ganz schön in die Sache hinein, findet ihr nicht?“ bemerkte auch Cosmea.

„Ach, das ist einfach eine alte Familiensache,“ winkte Belial ab. „Die Jagerilias und Araes gedeihen nicht auf demselben Boden.“

„Sorc steht aber nicht als Mitglied der Jagerilia-Familie vor Gericht,“ erinnerte Vanis uns. „Nun kann ich es dieses Mal ja verstehen, weil Edeh persönlich betroffen ist, aber irgendwas stimmt an der Sache nicht.“

Da sagte er uns nichts Neues, und diese Vermutung, dass Sorc etwas verschwieg oder aus irgendeinem Grund log, hatte uns ja auch davon ausgehen lassen, dass er mit der Wahrheit herausrücken würde, ehe er sich ausbrennen ließ. Das Urteil war so ausgefallen, wie es unseren Statuten entsprach, und er musste das auch vorher gewusst haben. Aber es nützte nichts mehr, darüber nachzudenken und nach den Gründen zu fragen. Der Schaden war angerichtet und nun musste er damit klarkommen, während wir den Fall zu den Akten legten und unter der Kategorie bedauernswerte Fehleinschätzungen vermerkten.

Für Cosmea und mich war es jedoch noch nicht ganz vorbei.

„Wenn Sorc also zum Lotusschloss gebracht wird, werden wir auch dorthin müssen,“ sinnierte ich. „Allerdings weiß ich gar nicht, wo das ist...“

„Willst du vielleicht mit zu uns kommen?“ schlug Cosmea vor. „Dann ist der Weg kürzer für dich. Du kannst wieder in dem kleinen Gästezimmer schlafen, das in den Garten blickt. Wir haben die Fensterläden repariert und das Bett ersetzt. Die Treppen machen dir doch nichts aus, oder?“

„Nein, nein,“ versicherte ich schnell. Mir kam es so vor, als entginge mir etwas, aber das bildete ich mir wohl nur ein. Momentan konnte ich kaum in eine bestimmte Richtung denken. Überhaupt hatte ich die ganze Verhandlung als eher belastend empfunden, seit ich zu Anfang zugestimmt hatte, die Ausbrennung durchzuführen, falls es dazu kommen sollte. Als alle noch gedacht hatten, dass es eh nicht dazu kommen würde.

„Ich wollte dann aber noch einen Abstecher zum Kristallschloss machen und meine Söhne dort besuchen, wenn dich das nicht stört,“ sagte Cosmea. „Es liegt beinahe auf dem Weg.“

„Meinetwegen,“ nickte ich.

Belial setzte sich etwas umständlich neben Vanis auf die Bank, wobei er seine Flügel eng anlegte. „Ähm, warum jetzt nochmal?“

„Weil bei Ausbrennungen manchmal was schiefgeht. Stell es dir vor wie eine Wunde, die nicht richtig sterilisiert wurde,“ antwortete ich ihm. „Falls wir etwas unsauber gearbeitet haben, kann Sorc daran sterben.“

„Ich dachte, ihr seid Profis,“ meinte Belial. „Kommt sowas oft vor?“

„Oh ja, schließlich üben wir das nicht jeden Tag.“ Ich ließ einen warnenden Unterton in meiner Stimme mitschwingen, denn ich hatte keine Lust auf weitere Sticheleien.

„Bei Ausbrennungen leistet das Opfer normalerweise Widerstand,“ nahm Cosmea den Faden auf. „Außerdem ist es irgendwann sehr geschwächt, so dass wir lieber nicht weitermachen. Deswegen ist es üblich, ein paar Tage später nochmal einen Kontrollbesuch zu machen, um noch den Rest zu erledigen, sobald der Ausgebrannte sich etwas erholt hat. Zum Glück ist Vindictus im Schloss meines Enkelsohnes, er kann helfen, falls es zu Komplikationen kommt, ehe wir da sind.“

Es beruhigte mich, das zu hören. Vindictus, ein Urgestein auf dem Gebiet der Heilkunst und Nekromantie, war so etwas wie eine lebende Legende. Dabei erzählte man sich, dass er gesundheitlich ziemlich angeschlagen gewesen war, bis vor knapp einem Jahr, als Crimson ihn in sein Schloss aufgenommen hatte. Das geregelte Leben dort tat dem alten Zausel offenbar gut.

„Schreibt dann einen Bericht, wie es gelaufen ist, ja?“ sagte Vanis. „Ihr könnt ihn abgeben, wenn wir uns zur nächsten Besprechung treffen, um zu entscheiden, wo Sorc hingeschickt wird.“

Oh, das hatte ich ganz vergessen. Diese Entscheidung stand ja auch noch an. Am liebsten wollte ich mich da raushalten, aber es machte keinen guten Eindruck, zu wichtigen Treffen nicht zu erscheinen. Davon abgesehen kam das ja so oft nicht vor, insofern musste ich da eben durch. Hm... war da nicht noch etwas, woran ich hätte denken sollen? Aber wir hatten jetzt wohl alles besprochen.

Die Zeltplane wurde erneut aufgeschlagen, und dieses Mal war es Sage, der zu uns stieß. „Ich bin fertig, Cosi, wir können los, wenn du willst.“

Cosmea nahm noch einen Schluck aus ihrem Wasserschlauch und schien dann darüber nachzudenken, ob sie die Reise verkraften würde. „Ja, ich glaube, es wird gehen.“ Sie stand auf, um bei den Gepäckstücken nach ihrer Tasche zu suchen. „Kommst du, Thau?“

„Ja, kein Problem.“ Auch ich erhob mich und suchte mein Reisegepäck zusammen, bei dem es sich nur um eine kleine Umhängetasche handelte.

Wir verabschiedeten uns von Belial und Vanis, verließen das Zelt und entfernten uns vom Lager, das in den letzten Minuten auffällig geschrumpft war. Edeh lief zwischen seinen Leuten herum und schien sich ziemlich aufzuregen, aber ich wollte ihm nicht begegnen, als drehte ich mich schnell um und folgte den anderen beiden.
 

In den Bäumen, die dem Gelände Schatten spendeten, saßen meistens die Drachen der Mitglieder und warteten in ihrer kleinen Gestalt darauf, dass ihre Reiter zurückkehrten. Nicht so meiner. Burner hielt es für angemessen, auf dem Rücken zu liegen und sich im Schritt zu kratzen. Zum Glück gab es da nicht das gleiche zu sehen wie bei einem Menschen, und man verzieh es ihm, denn selbst seine große Gestalt fiel eher klein aus und er wirkte wie ein Baby. Wenn es sein musste, trug er zwei Reiter, lieber aber beließ er es bei mir. Mit seinen 83 Zyklen war er auch gerade mal ein Teenager nach Drachenmaßstäben.

Als er mich bemerkte, rollte er sich herum und ließ seine beiden linken Pranken auf den Boden prallen, wobei tiefe Löcher auf dem Gras entstanden. Er rülpste laut, obgleich ich mir nicht vorstellen konnte, was er gefressen haben mochte. Aus seiner Schnauze kam eine kleine Flamme. Ich tätschelte seine Nase und kratzte über die an dieser Stelle dick gepanzerte Haut, was er als kraulen empfand, daran zu erkennen, dass er die Augen genüsslich zu Schlitzen verengte.

Einer der geschrumpften Drachen flog von einem Baum in der Nähe herunter und landete auf Cosmeas Schulter. „Es kann gleich losgehen,“ sagte sie zu ihm und kitzelte ihn am Bauch. „Wir gehen dort drüben hin, wo Platz ist...“

Sage blieb noch in meiner Nähe, während seine Partnerin eine Stelle suchte, die groß genug für einen Drachen war. Er wickelte eine Strähne seines Bartes um seinen rechten Zeigefinger. „Weißt du, Thau, in letzter Zeit überlege ich, mich einfach irgendwo zur Ruhe zu setzen, vielleicht in einem kleinen Häuschen, wie du es hast. Ich hänge an dem Turm. Aber keiner unserer Söhne oder Enkel wird sich dafür interessieren, sie haben eigene Schlösser. Und so ein Turm verursacht ganz schöne Kosten. Gerade erst die Reparaturarbeiten. Dann die Reinigung und so... Thaumator?“

Die Stichwörter Kosten und Reparaturarbeiten ließen ein kaltes Gefühl in meine Magengegend fahren wie eine stählerne Klinge. „Ah – mir fällt da gerade was ein! Ich kann nicht mit euch reisen, ich muss los! Wir treffen uns morgen früh bei euch, ja?“ Ich war schon dabei, auf Burners Rücken zu klettern, wobei der Gute dann auch zu merken schien, dass etwas nicht stimmte, und mit seinen Faxen aufhörte.

„Klar, kein Problem,“ rief Sage mir nach, als neben mir die Flügel anfingen zu schlagen.

Burner war weder besonders graziös in der Luft noch allzu schnell. Im Prinzip sah er überhaupt nicht so aus, als könnte er fliegen, denn all seine Gliedmaßen schienen aus glühender Lava zu bestehen. Ganz so schlimm verhielt es sich nicht, aber er hatte im Flug eine etwa siebzig Grad heiße Oberfläche, die ihn für jeden, der nicht dem Element Feuer angehörte, schwierig zu reiten machte.

Wir Feuermagier sind entgegen weitläufiger Annahmen nicht automatisch gegen Feuer immun. Aber wir vertragen generell mehr Hitze, weshalb viele Berufsgruppen, die mit Feuer zu tun haben, gerne einen Grundkurs bei uns machen. Von allen Elementen der Magie gilt Feuer als das, was am einfachsten erlernt werden kann, und das ist wohl auch so – wenn man keine allzu hohen Ansprüche hat. Selbst Schwertkämpfer mit einem Mindestmaß an Talent eignen sich gerne die Fähigkeit an, ihr Schwert in eine Feuerklinge zu verwandeln und vielleicht mit Feuerbällen um sich zu werfen, was ja immer recht imposant aussieht. Aber im Ernst – das konnte ich schon mit vier. Eine Fackel zu basteln ist komplizierter.

Wie dem auch sei, durch Burner hatte ich schon in manchem Winter eine Menge Feuerholz gespart, denn er beheizte einen Raum durch seine bloße Anwesenheit. Leider füllte das aber nicht meine Haushaltskasse auf. Die Geschäfte liefen nicht so gut wie früher, seit ein Großteil meiner Plantage einem plötzlichen Wetterumschwung zum Opfer gefallen war, verursacht durch einen tief fliegenden Eisdrachen. Dieses Unglück schien irgendwie weitere anzuziehen. Das Pech ist eben ein Rudeltier.

Wie Cosmea schon sagte, wäre es von ihrem Turm aus näher zum Kristallschloss gewesen, denn meine Farm lag genau in der entgegengesetzten Richtung. Allerdings hatte ich es nicht weit vom Zirkelhauptquartier aus, sonst hätte ich Roses Drachen genommen. Die Reise dauerte mit Burner eine knappe Stunde. Wenn ich es nicht so eilig hatte, ließ ich ihn gemächlicher fliegen und war dann ungefähr anderthalb Stunden unterwegs. So aber war er schon ziemlich erschöpft, als das Ziel in Sicht kam, und seine Temperatur betrug mindestens achtzig Grad.

Die Farm war ein Glücksgriff, ein Stück Land, das Rose und ich zusammen aufgebaut hatten – mit dem Erlös vom Verkauf einiger Schätze meiner Mutter. Nur waren davon leider keine mehr übrig, da wir alles großzügig investiert hatten. Eigentlich kein Problem – wer rechnet schon in dieser Gegend mit Frost mitten im Sommer?

Schon aus einiger Entfernung fiel mir ein kleiner Reisewagen auf, der vor unserem Wohnhaus stand. Die Tiere, die ihn zogen, waren dunkle Zebras. Meine Besucherin war meines Wissens keine Magierin und auch keine Kriegerin, daher reiste sie auch nicht auf einem Drachen. Sie war Geschäftsfrau, und sie handelte vor allem mit Geld. Und zwar machte sie mit jedem Geschäfte, auch mit Leuten mit krimineller Vergangenheit wie mir, denen seriöse Geldverleiher nicht über den Weg trauten. Das Problem waren ihre eigenwilligen Konditionen, denn sie ließ sich gut für ihre Dienste bezahlen.

Um die Zugtiere nicht zu erschrecken, ließ ich Burner weiter unten auf dem Weg landen und ging den Rest zu Fuß. Das gab mir Gelegenheit, meine etwas verkrampften Gliedmaßen zu lockern und meine Kleidung zu überprüfen. Ich wäre gerne gerannt, wusste aber, dass man mich vom Wohnhaus aus sehen konnte. Also schritt ich einfach zügig voran.

Beim Wagen lümmelte ein junger Bursche am Zaun und behielt das Gefährt im Auge, oder zumindest war das wohl seine eigentliche Aufgabe. „Hey! Hör sofort auf, an den Gräsern rumzuzupfen, sonst ersetzt du sie mir!“ wies ich ihn im Vorbeigehen zurecht. „Und dass die Viecher nichts fressen, das könnte ihnen schlecht bekommen!“ Ob er auf mich hörte, überprüfte ich nicht mehr, denn es war wichtiger, schnell im Haus zu erscheinen.
 

Phalae Nopsis blickte von ihrem Teebecher auf, als ich das Wohnzimmer betrat. Sie war ungefähr in Roses Alter und eine umwerfende, reife Frau mit einer etwas fülligeren Figur. Ihr schwarzes Haar trug sie kurz und gelockt, aber es war vermutlich mit Moorerde gefärbt, denn sie hätte zumindest vereinzelte graue Strähnen haben müssen. Ihre Gesichtsbemalung fand ich immer etwas übertrieben, aber das passte durchaus zu ihrem opulenten Stil, zu dem auch ein langes, rotes Reisekleid gehörte. Sie wollte auffallen, und das tat sie. Weniger auffällig waren hingegen ihre beiden Leibwächter, die sich ganz in Schwarz gekleidet im Hintergrund hielten und im Prinzip gar nicht existierten.

„Phalae, ein Glück, dass ich dich noch antreffe!“ rief ich mit gespielter Wiedersehensfreude.

Sie erhob sich galant und kam mir mit ausgebreiteten Armen entgegen. „Thaumator, mein Lieber! Ich dachte schon, du hättest dich abgesetzt! Ah nein, nur ein Scherz, ich weiß doch, dass auf dich Verlass ist, zumal ja deine Familie noch hier ist.“

Wir umarmten uns kurz zur Begrüßung, als wären wir die besten Freunde. Ihr blumiges Parfüm vertrieb den Geruch nach Reptilienhaut, den ich noch in der Nase hatte. Ich schaute über ihre Schulter zu Rose, die am Tisch saß und mir ein aufmunterndes Lächeln zuwarf, dabei allerdings die Augen verdrehte. Sie unterhielt Phalae wahrscheinlich schon seit einer Weile.

„Setzen wir uns doch,“ schlug ich dann vor. „Ich war gerade über eine Stunde auf einem Drachen unterwegs und davor, ähm... naja, es war anstrengend.“

Unser Gast setzte sich wieder auf ihren Platz, und Rose holte mir einen Teebecher und einen Teller. Sie hatte Kuchen gebacken, allerdings wusste ich nicht, ob das Zufall war oder ob sie gewusst hatte, dass Phalae heute kam und länger bleiben würde.

„Es tut mir wirklich Leid, falls ich einen falschen Eindruck erweckt habe, Phalae,“ sagte ich liebenswürdig. „Ich habe das Datum völlig vergessen, weil ich seit fast einer Woche jeden Tag zum Zirkelhauptquartier fliege. Ich wohne ja nahe genug, dass ich nicht dort übernachten muss. Es gab eine Gerichtsverhandlung mit einem unserer Rehabilitanden, aber die Einzelheiten sind vertraulich.“

„Ach, ist schon gut,“ winkte Phalae ab. „Aber reden wir nicht weiter drum herum... hast du mein Geld?“

Ich schloss kurz die Augen und sammelte mich. „Nein. Die Ernte fiel nicht so gut aus wie erhofft. Ich habe überlegt, etwas von meinem Privatbesitz zu verkaufen, ein, uhm, Erbstück... allerdings ist es etwas riskant, deshalb habe ich damit noch gewartet. Doch dann kam diese Zirkelangelegenheit dazwischen.“

Ich bot ihr nicht an, sie in Wertgegenständen zu bezahlen, denn sie hatte schon einmal klargestellt, dass sie sich nicht die Mühe zu machen gedachte, diese zu verkaufen. Es war nicht das erste Mal, dass wir ein solches Gespräch führten. Aber das erste Mal, dass es zum dritten Mal hintereinander geschah.

Phalae seufzte, blieb aber ansonsten ruhig. „Thau, du weißt, dass ich Verständnis für dich habe und für die Art, wie du deinen Lebensunterhalt verdienst. Deshalb habe ich dir auch eine zweite Anleihe gegeben, als deine neuen Pflanzen von diesem Wurzelpilz dahingerafft wurden, der auch noch einen großen Teil deines verbliebenen Altbestandes befallen hat. Und das, obwohl du deine Schulden zu dem Zeitpunkt lange noch nicht abbezahlt hattest.“

Daran musste sie mich nun wirklich nicht erinnern. Sie hatte einfach den Betrag, den ich ihr schuldete, wieder erhöht, ohne die grundlegenden Konditionen zu ändern, statt mir eine zweite Schuldenlast aufzudrücken. Das rechnete ich ihr hoch an.

„Bisher hast du hin und wieder mal eine Rate nicht zahlen können, aber das habe ich dir dann einfach gestundet, weil ich ja weiß, wie unvorhersehbar das ist mit der Landwirtschaft ist,“ fuhr sie fort. „Du bist im Großen und Ganzen ein zuverlässiger Klient, der dann eben beim nächsten fälligen Termin wieder zahlt. Aber jetzt ist es das dritte Mal in Folge, und du musst verstehen, dass ich nun keine Rücksicht mehr auf unsere langjährige Freundschaft nehmen kann.“

„Ich... könnte das besagte Objekt verkaufen... in den nächsten Tagen,“ warf ich hastig ein. Es klang etwas zu hektisch, wie mir sogleich bewusst wurde. Außerdem konnte ich nicht genau sagen, wieviel es einbrachte oder ob es überhaupt jemand kaufen würde. Aber Phalae sollte nicht denken, dass mir überhaupt keine Optionen mehr blieben.

„Warum leihst du dir denn nichts von einem deiner Zirkelfreunde?“ fragte sie mich. „Du warst doch gerade eine Woche lang täglich mit ihnen zusammen. Ah... es ist dir wahrscheinlich unangenehm, diese Leute zu fragen, aber gewiss hast du den ein oder anderen Vertrauten unter ihnen, oder nicht?“

Ich starrte auf meinen leeren Kuchenteller. Gebrannter Ton, beige lackiert mit einem Blümchenmuster. Wen konnte ich fragen? Cosmea vielleicht. Aber sie hatte selber nichts zu verschenken. Selbst wenn ich beabsichtigte, ihr das Geld zurückzugeben, riss so eine Leihgabe erst einmal ein Loch in ihre Kasse, das sie zur Zeit wahrscheinlich nicht gebrauchen konnte. Und die anderen... nein.

„Ich möchte eigentlich vermeiden, dass der Zirkel von dieser Situation erfährt,“ gab ich zu. „Ich habe ihnen gar nichts von der zweiten Panne mit dem Wurzelpilz erzählt, und sie denken, dass ich die erste mit eigenen Ersparnissen bewältigt habe.“

„Verstehe. Was war das nochmal... ein Sturmschaden?“

„So ähnlich... ein legendärer Eisdrache flog tief über uns hinweg.“ Das war wirklich großes Pech gewesen, weil die Wahrscheinlichkeit dafür etwa so groß war wie die, dass man zweimal an Schattenfieber erkrankt. Mit sowas rechnet doch niemand!

„Hmmm...“ Phalae schlürfte mit geschlossenen Augen den Tee und dachte anscheinend darüber nach, was jetzt für Maßnahmen angemessen wären. „Und dass du den Zirkel als Organisation nicht um Hilfe bittest, hat das immer noch damit zu tun, dass du als Rehabilitand geführt wirst?“

„Nun... ja. Ich wurde damals zu 35 Jahren Bewährung verurteilt, und die sind noch nicht ganz um. Nach den Auflagen des Rehabilitationsprogramms muss ich einen festen Wohnsitz haben und für mich sorgen können. Normalerweise schicken sie Rehabilitanden der Stufe drei an einen ausgewählten Arbeitsplatz, aber sie machten für mich eine Ausnahme, weil ich verlobt war,“ fasste ich zusammen.

Phalae wusste das, denn sie informierte sich über die Hintergründe eines Klienten, bevor sie Geld springen ließ. Damals, vor sechs Jahren, hatte sie mich streng darauf hingewiesen, dass sie meine Angaben überprüfen würde und dann besser nichts fände, was ich verschwiegen hatte. Mein Status als Rehabilitand hinderte mich nicht daran, selber Mitglied im Zirkel des Bösen zu sein. Acht Jahre nach meiner Verurteilung war ein Platz frei geworden. Vielleicht hatten sie ihn mir angeboten, um mich besser im Auge behalten zu können, aber vermutlich sahen sie in einem ehemaligen Darklord auch hilfreiches Potential. Wobei ich eigentlich nicht direkt ein Darklord gewesen war, nur der Sohn der amtierenden Darklady. Aber in Ermangelung eines anderen Mannes an ihrer Seite war das fast das gleiche. Mutter hatte mich nur nie zu ihrem ebenbürtigen Partner ernannt, deshalb betrachtete ich mich eigentlich eher als ihren Erben, der sein Erbe nie angetreten hatte. Wie dem auch sei... ich wollte nicht, dass der Zirkel erfuhr, dass ich hohe Schulden hatte. Sie wussten lediglich, dass ich etwas knapp bei Kasse war.

„Du solltest dir besser darüber klar werden, wo deine Prioritäten liegen,“ sagte Phalae in belehrendem Tonfall. „Unserem Vertrag folgend verlange ich Verzugszinsen von zwanzig Prozent auf den Ratenbetrag. Außerdem werde ich deine Arbeitskraft einfordern, wenn du auch bei unserem nächsten Termin in zwei Monaten nicht zahlen kannst. Alternativ kannst du sie mir jetzt anbieten, dann erlasse ich dir fünf Prozent des Restbetrages.“

Ich schüttelte wortlos den Kopf. Rose überbrückte die peinliche Stille, indem sie meinen Becher mit Tee füllte und sich und Phalae nachschenkte. Dabei klimperte sie etwas mit dem Tongeschirr.

So weit waren wir jetzt also. Laut Vertrag konnte sie von mir verlangen, meine Schulden abzuarbeiten. Dazu musste ich mich für einen bestimmten Zeitraum verpflichten, der anhand meiner Restschulden und des Wertes meiner Arbeitskraft ausgerechnet wurde. Diesen Zeitraum verkaufte sie dann an einen Kunden, der Bedarf an einem Feuermagier mit botanischen Kenntnissen hatte. Im Prinzip unterschied sich das nicht besonders vom Rehabilitationsprogramm Stufe drei.

Ich verdrängte den Gedanken an all die möglichen daraus entstehenden Probleme vorerst, denn erst einmal musste ich Phalaes Besuch überstehen. Meine Nerven machten heute nicht mehr lange mit, wie mir schien.

Einer ihrer schwarzgekleideten Begleiter trat unaufgefordert hinter sie und flüsterte ihr etwas zu. Es war der mit der olivbraunen Haut und der Glatze. Nein, Moment... der andere hatte auch eine Glatze, somit schied die Frisur als Unterscheidungsmerkmal aus. Hm... dann der kleinere.

„Oh,“ machte Phalae. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu und lächelte gönnerhaft. „Du hast großes Glück, Thau.“

Ich hasste es, wenn sie mich so nannte, denn das erlaubte ich eigentlich nur meinen Freunden. Allerdings gehörte sie zu den Leuten, denen ich es lieber nicht verbot.

Sie nahm einen Schluck Tee, wie um die Spannung zu erhöhen. „In zwei Monaten, wenn eigentlich unser Termin wäre, ist die Geburt meiner Enkelkinder eingeplant. Meine Schwiegertochter erwartet nämlich Zwillinge! Deshalb werde ich in dem Zeitraum nicht abkömmlich sein, weil ich und Epipactis unseren Sohn und seine Familie besuchen werden. Ach, der Gedanke versetzt mich in gute Laune! So sehr, dass ich dir einfach vier Monate Zeit gebe und dann also zu unserem übernächsten regulären Termin wieder hier sein werde. Eine Rate plus zwanzig Prozent, das sollte bis dahin zu schaffen sein. Oder?“

„Äh...“ Ich war vor positiver Überraschung beinahe sprachlos. „Ja, sicher!“ gelang es mir zu sagen. „Vielen Dank, Phalae, ich weiß das zu schätzen.“

„Gut! Weißt du, Thamator, ich würde es wirklich bedauern, dich als Klienten zu verlieren. Andererseits wäre es auch keine Schande, wenn du für mich arbeiten müsstest. Zermartere dir also nicht deinen störrischen Kopf. Und jetzt muss ich los...“ Phalae stand auf und zog einen schwarzen Umhang über, den sie von dem Stuhl neben ihrem nahm. Das Kleidungsstück war eher für die Optik, denn so kalt, dass sie ihn deswegen gebraucht hätte, war es draußen nicht.

„Ich bringe dich zur Tür, Phalae,“ sagte Rose und drückte mich zurück auf meinen Stuhl, da ich mich auch gerade erheben wollte. „Du ruh dich aus, Thau.“

Regel Nummer eins bei uns: Ich widersprach meiner Frau nicht, wenn es sich vermeiden ließ. So ging ich in Gedanken schon einmal durch, was wir in den nächsten Monaten ernten und verkaufen konnten. Da wir nun nicht unter Druck standen, die Rate (plus zwanzig Prozent) in zwei Monaten zu zahlen, konnte ich die Sache gelassener sehen. Ich lehnte mich auf dem Stuhl zurück, schloss die Augen und atmete auf.

Das erwies sich jedoch als keine gute Idee, denn schon schob sich die nur wenige Stunden alte Erinnerung an das flackernde Licht in einem kerkerähnlichen Raum in den Vordergrund, und damit die Schreie, das brennende Haus und ein Kind, das irgendetwas retten wollte...
 

Ich schrak zusammen, als Rose mich an der Schulter berührte.

„Thau, alles in Ordnung?“ Sie setzte sich auf ihren Stuhl und schnitt mir ein großes Stück von dem kranzförmigen Kuchen ab. „Du siehst gar nicht gut aus. Das letzte Mal hast du so niedergeschlagen gewirkt... ich glaube, das war, als wir Granit verloren haben.“

„Oh... wirklich?“ Wir nannten unseren zweiten Sohn Granit, obgleich er nie einen eigenständigen Atemzug getan hatte. In unseren Augen hatte er trotzdem gelebt.

„Was ist heute beim Zirkel passiert?“ erkundigte meine Frau sich.

Sie kannte mich gut. Ich hatte sie nur in groben Zügen eingeweiht. Sie wusste, dass wir über jemanden Gericht gehalten hatten, aber keine Einzelheiten. Solche Informationen waren generell vertraulich, aber niemand beschwerte sich, wenn die Lebenspartner etwas mitbekamen. Ich redete auch meistens über die aktuellen Zirkelangelegenheiten mit Rose, weil ich oft genug ihre Meinung hören wollte, gerade wenn ich mich über etwas aufregte. In diesem Fall jedoch... nein, das ging nicht.

„Ist jemand zum Tode verurteilt worden?“ hakte Rose nach.

„Nein, nein... mhm...“ Ich biss mich zur Ablenkung an meinem Stück Kuchen fest, obwohl ich mich derzeit nicht besonders hungrig fühlte. Mein Magen jedoch reagierte schon bei dem fruchtigen Geruch und forderte sein Recht ein.

„Dann muss es eine Ausbrennung gewesen sein.“

Ich verschluckte mich an einem Krümel, den ich vor Schreck eingeatmet hatte. Rose klopfte mir auf den Rücken und drückte mir den Teebecher in die Hand. Ich trank einen Schluck und hustete trotzdem einige Minuten herum, bis es endlich aufhörte.

„Ich habe wohl ganz gut geraten,“ stellte Rose fest. „Aber es war eigentlich auch nicht schwierig... vorgestern war ich bei Fuma zu Besuch. Ich habe deine Salbe von Fawarius abgeholt und dann haben wir Frauen uns noch eine Weile unterhalten... Im Gegensatz zu mir war Fuma gut informiert, anscheinend war Edeh recht erfreut darüber, dass Sorc, der Chaoshexer, erneut vor Gericht gestellt wurde. Er hoffte auf ein Todesurteil. Wenn es das nicht war und da Sorc ja schon auf Stufe drei war, bleibt nur noch Stufe vier. Und sie haben dich anscheinend dazu bringen können, es zu machen.“

Ich seufzte und gab meinen Widerstand auf. „Cosmea hat mich darum gebeten... sie hat sich freiwillig gemeldet, weil ihr Enkelsohn Crimson mit dem Angeklagten befreundet ist und sie wollte, dass es anständig gemacht wird. Sorc war ein schwieriger Fall, und das wussten wir vorher. Allerdings gingen die meisten davon aus, dass er seine seltsame Geschichte revidieren würde, so dass es gar nicht zur Vollstreckung käme...“

„Hm... dann glaubst du, dass er unschuldig war?“

„Seine Aussagen waren merkwürdig... sie passten teilweise nicht zusammen oder wirkten wie Ausreden. Ganz anders als bei seiner ersten Verhandlung.“

„Nun ja, es ist nicht deine Sache, diesen Fall aufzuklären, und es ist jetzt ohnehin zu spät.“ Rose tätschelte mir aufmunternd den Arm.

„Morgen muss ich noch einmal weg,“ eröffnete ich ihr. „Ich treffe mich mit Cosmea beim Obsidianturm, und wir fliegen dann zusammen zum Kristallschloss und dann zum Lotusschloss, da Sorc wahrscheinlich vorerst dort bleibt. Wir werden nachprüfen, ob wir alles korrekt ausgeführt haben.“

Meine Frau nickte verstehend – ihr musste ich das nicht erklären. Sie schwieg und sah mich an, als ob sie darauf wartete, dass ich noch mehr sagte.

„Willst du gruselige Einzelheiten hören?“ fragte ich mit einem winzigen Anflug von Trotz, mit dem der eigene Geist sich weigert, eine unangenehme Erfahrung noch einmal aufleben zu lassen.

Rose hob beschwichtigend die Hände. „Ich dachte nur, dass du vielleicht darüber reden möchtest... weißt schon, um es dir leichter zu machen.“

Sie war so ziemlich die Letzte, die ich damit belästigen wollte, und doch redete ich einen Moment später munter drauflos: „Cosmea meinte, ich hätte die nötige Erfahrung und die Kraft für diesen Fall... Sorc hat keine Seele, weißt du, deshalb wurde er nicht bewusstlos. Es ist gewissermaßen leichter, wenn das Opfer bewusstlos wird... es zerrt dann nicht so an den Nerven... Dieser Mann, er... er blieb die ganze Zeit sehr gefasst, so dass man denken konnte, er würde willig sein Schicksal annehmen. Aber ich habe noch nie solch einen Kampf erlebt. Er ist ein Kind in seiner Astralwelt, und er versuchte verzweifelt... er wollte unbedingt...“

Ich merkte, dass ich auf meine linke Hand starrte, die ich fest geschlossen hatte, als würde ich wie das Kind Sorc etwas darin festhalten wollen. Ja, der kleine Junge hatte etwas festgehalten, doch ich hatte es verbrannt, weil alles brennen musste, was aus dem Haus stammte.

„Er hat etwas mitgenommen und wollte es nicht loslassen, obwohl seine ganze Hand dadurch verletzt wurde. Ich mache mir Sorgen deswegen. Aber auch, weil bestimmt noch irgendwelche Reste da sind, die zu vernichten wir aber nicht mehr riskieren konnten.“

„So wie ich das verstehe, war es seine Entscheidung, Thau. Alles, was du jetzt noch für ihn tun kannst, ist diese Überprüfung, und dann solltest du nicht weiter darüber nachdenken, hm?“

Sie wusste so gut wie ich, dass ich es nicht einfach vergessen konnte. Vielleicht gab es Magier, die so abgebrüht waren, aber ich erinnerte mich an jedes meiner Opfer. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich sie alle huckepack trug. Und das waren jetzt schon neun an der Zahl...

Böse Träume

Mein kleines Bauernhäuschen verfügte über ein Bad mit einer Wanne, in die man Wasser pumpen konnte. Praktischerweise hatte ich kein Problem mit dem Aufwärmen des Wassers, aber theoretisch konnte von außen unten drunter Feuer gemacht werden, um das Bad anzuheizen. Ob das Erwärmen von Wasser der Feuermagie zuzuordnen ist oder der Wassermagie, darüber streiten sich die Geister, aber mir reichte völlig, dass ich das gewünschte Ergebnis erzielte. Außerdem sparte ich Feuerholz. Mein Hirn rechnete ohne mein Zutun immer wieder durch, wie es mir möglich sein würde, meine Schulden abzuarbeiten, wenn die Ernte wie erwartet ausfiel, keine Drachen mehr mein Grundstück verwüsteten und auch sonst keine großen Anschaffungen nötig wurden. Nun gut, es handelte sich nur um eine Rate, und danach folge die nächste. Aber ich hatte im Gefühl, dass es bergauf ging, wenn wir das erst einmal schafften.

Es klopfte an der Tür, und herein kam unsere Haushälterin, Sana. Sie hatte keine Scheu, das Bad zu betreten, wenn ich in der Wanne war. Immerhin war ich in der Wanne und damit nicht vollständig sichtbar.

„Thaumator, Ihr habt ja gar keine Handtücher. Hier sind ein paar frische,“ sagte sie und legte einen Stapel seitlich auf ein Schränkchen. „Und legt mir Eure getragenen Kleider zum Waschen raus, es ist nicht gut, wenn ihr sie zu den frischen in den Schrank zurück zaubert. Aber was red ich, das sage ich Euch ja nicht zum ersten Mal. Ihr solltet Euch mal angewöhnen, Euch normal auszuziehen!“

„Mach ich doch... jedes zweite Mal oder so,“ verteidigte ich mich. Heute jedoch fühlte ich mich ziemlich erledigt und ersparte mir deswegen unnötige Bewegung, wie sie zum Wechseln der Kleidung erforderlich gewesen wäre.

Sana marschierte hinaus und schloss die Tür energisch hinter sich, was ich mit einem Lächeln quittierte. Sie arbeitete für uns, seit wir diese Stellung ausgeschrieben hatten, kurz nach der Geburt unseres zweiten Kindes. Wir konnten sie zur Zeit nicht bezahlen, aber sie blieb trotzdem, angeblich weil sie nicht wusste, wo sie hin sollte und weil sie uns schon als eigene Familie betrachtete. Dabei konnte sie mit einem Alter von Mitte vierzig – genau wusste ich es gar nicht, fiel mir auf – noch gut eine andere Position finden. Aber wenn man so lange irgendwo wohnte... nun, das konnte ich schon nachvollziehen, und wir rechneten es ihr hoch an, dass sie blieb und uns unterstützte.

Ich schnappte mir die Seife und beschäftigte mich eine Weile damit, mich zu waschen, als hätte ich auf dem Feld gearbeitet. Mir kam es vor, als klebte überall Schweiß an mir, was auch gut sein konnte. Die Tätigkeit lenkte mich davon ab, über die Ausbrennung nachzudenken, und ich ermunterte meine Gedanken erneut, sich mit unseren Finanzen zu befassen. Da klappte ganz gut. Allerdings verließ ich gleich im Anschluss das angenehme Wasser, um nicht darin einzunicken. Wirklich entspannt war ich zwar nicht, aber erschöpft.

Mein Schrank bot neben mehreren vornehmen Gewändern eines Zirkelmitglieds auch normale Arbeitskleidung und tatsächlich sogar bequeme Freizeitkombinationen. Eine davon zauberte ich mir herbei, ein ärmelloses, eigentlich zu großes Shirt und eine weite Hose. Beides zeigte die Farbe Staubbraun. Genau richtig, um diesen Tag ausklingen zu lassen, auch wenn ich mich so nicht vor anderen Zirkelmitgliedern sehen lassen würde. Allerdings waren meine Hausschuhe nicht Teil des Zaubers, daher musste ich sie suchen gehen.

Ich kam zunächst mal an der Küche vorbei, wo Rose mich bemerkte und herein winkte. „Thau! Komm essen, ich habe heute früh gerade Brot frisch gebacken. Und es ist auch noch Eintopf da. Du bist doch bestimmt sehr hungrig.“

Ausbrennen macht hungrig, da hatte sie Recht. Und vielleicht war es auch das, was sie sagen wollte, nur halt nicht aussprach. „Naja, ich hab vorhin Kuchen gegessen,“ murmelte ich.

„Den Süßkram hast du bestimmt schon verdaut,“ wandte meine Frau ein. Ihr Blick wanderte an mir auf und ab, wobei ein Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. „So gefällst du mir irgendwie besser als in den förmlichen Sachen.“

Darauf hätte ich jetzt mit einer anzüglichen Bemerkung antworten können, aber nicht heute. Ich war nicht in der Stimmung, mich mit meiner Frau zu vergnügen, währen woanders jemand die Folgen meiner heutigen Tat verarbeitete. Dazu kam noch, dass auch Rose... nein, lieber nicht darüber nachdenken. Ich setzte mich einfach an den Tisch, nahm eine Schale Eintopf entgegen und dazu zwei Scheiben Brot. Das Essen tat mir wirklich gut und ich erwischte mich dabei, dass ich es geradezu verschlang.

Rose stellte mir noch einen Becher mit Wasser hin, setzte sich auf den Platz mir gegenüber und lächelte, während sie mir zusah. „Siehst du, wusste ich es doch. Du musst mehr auf dich achten.“

„Wenn ich nicht gerade unterwegs bin, esse ich doch regelmäßig!“ verteidigte ich mich, indem ich kurz pausierte und mir dann wieder Brot in den Mund stopfte.

„Du meinst, wenn du nicht gerade Leute ausbrennst,“ entgegnete Rose.

Ich atmete daraufhin versehentlich eine Brotkrume ein und erstickte fast, während ich heftig hustete, bis ich Tränen in den Augen hatte.

„Mir ist klar, dass du das Thema vermeiden willst, aber so ist es nun einmal. Du solltest es ruhig auch aussprechen, mich musst du jedenfalls nicht schonen,“ setzte meine Frau fest.

Ich seufzte, trank den Becher halb leer und aß etwas vorsichtiger weiter. Als der Teller kurz darauf leer war, gab Rose mir Nachschlag, den ich auch gerne annahm. „Ich verdiene dich gar nicht,“ murmelte ich.

Sie zuckte mit den Schultern. „Natürlich nicht, aber ich bin halt das, was du gekriegt hast.“

„Hey, so war das nicht gemeint! Sowas Gutes wie dich verdiene ich nicht!“ stellte ich klar.

Rose lachte, sie hatte mich natürlich nur geneckt. Seit Phalaes Besuch hatte auch sie ihre Kleidung zu etwas Bequemerem gewechselt und ihr rotes, etwas ergrautes Haar für die Küchenarbeit hochgebunden, allerdings sah die Frisur nicht so aus, als hätte sie sich damit viel Mühe gemacht, wodurch seitlich mehrere Strähnen heraushingen. Ich fand das süß. Ihr Lachen fand ich ebenfalls süß, und es war unbezahlbar, dass sie überhaupt noch lachen konnte. Ich selbst hatte dieses Lachen vor vielen Jahren beinahe ausgelöscht.

„Ich kann mir schon denken, was in deinem Kopf vorgeht,“ fuhr sie fort. „Cosmea hätte dich wirklich nicht darum bitten sollen. Jetzt wirst du tagelang grübeln und dir Sorgen machen. Sieh lieber zu, dass wir das Geld zusammenkratzen, um die nächste Rate zu bezahlen.“

„Du bist pragmatisch wie immer,“ kommentierte ich in einem vielleicht etwas zu trockenen Tonfall.

„Iss auf,“ befahl sie mir mit einem strengen Blick.

Ich aß meinen Eintopf auf.

Rose nahm das mit einem wohlwollenden Nicken zur Kenntnis. Da sie es ja nur gut mir mir meinte, sah ich auch keine Notwendigkeit, ihr zu widersprechen.

Eine weitere Frau, die es nur gut mit mir meinte, kam nun gerade in die Küche. Sana brachte mir meine Hausschuhe. „Thaumator, Ihr solltet nach dem Baden nicht barfuß herumlaufen, sonst erkältet Ihr Euch noch!“

„Ach was, dafür ist meine reguläre Körpertemperatur zu hoch,“ winkte ich ab.

Sie ließ die Latschen neben meinen Stuhl fallen. „Dann zieht sie an, damit ihr Euch nichts eintretet!“ befahl sie. „Ich erinnere nur an das letzte Mal, als Ihr in eine Scherbe getreten seid, einen Tag vor dem monatlichen Trainingsturnier des Zirkels!“

„Hey, ich hab doch gar nicht vorgehabt, sie nicht anzuziehen, Sana! Davon abgesehen hab ich bei besagtem Turnier immer noch den dritten Platz geschafft!“

Sie schnaubte indigniert, schnappte sich meinen leeren Teller und trug ihn zum Spülbecken, wo sie anfing, das Geschirr zu reinigen. So wie sie sich benahm, mochte man eine energische, mollige Matrone erwarten, doch Sana war geradezu dürr und dabei auch noch relativ klein, außerdem trug sie stets ungefärbte Stoffe, die keinerlei Aufmerksamkeit auf sich zogen, und versteckte ihr ehemals blondes Haar unter einer Haube. Sie konnte sich durch einen Raum bewegen und dabei kaum auffallen. Manchmal sprach sie mich an und ich zuckte zusammen, weil ich sie bis dahin nicht bemerkt hatte. Einzig ihre Augen zeigten eine auffällig intensive Farbe, nämlich das rötliche Braun von Lavanussholz. Also eine ganz ähnliche Farbe wie unsere Küchenmöbel. Seltsam, was einem manchmal so auffällt.

Ich schlüpfte in die Hausschuhe und bemerkte mal wieder, dass ich sie gelegentlich austauschen oder reparieren lassen musste. Aber sie waren so bequem, nachdem ich sie mehrere Jahre lang eingelatscht hatte, dass ich keine neuen wollte. Vielleicht konnte ja Basalt etwas ausrichten.

„Denkt bitte daran, Eure gebrauchten Sachen rauszulegen,“ erinnerte Sana mich, als ich aufstand.

„Am besten machst du das, bevor du irgendwas anderes anfängst,“ fügte Rose hinzu.

Ihrem Tonfall nach meinte sie es ein bisschen im Scherz, aber wir beide wussten, dass Sana sehr hartnäckig sein konnte, also begab ich mich nach oben ins Schlafzimmer. Selbiges war das geräumigste Zimmer im ganzen Obergeschoss, und Rose und ich besaßen jeweils einen eigenen, breiten Schrank.

Mein Schrank war mit einem Zauber versehen, der aus ihm ein Beschwörungslager machte. Alles, was sich darin befand, konnte ich herbeizaubern und wieder verschwinden lassen, und ich hatte viel Übung darin, so dass ich nie in die Verlegenheit kam, in beschädigter Kleidung herumlaufen zu müssen. Innerhalb des Zirkels hatte ich deswegen den Ruf, ziemlich eitel zu sein. Dabei traf eine gewisse Eitelkeit eigentlich auf uns alle zu, denn vieles drehte sich einzig und allein um die eigene Präsentation vor anderen. Schließlich würde mich niemand ernst nehmen, der mich so sah wie jetzt gerade.

Der Schrank hatte vier Türen, von denen die beiden mittleren sich nach verschiedenen Seiten öffnen ließen, um die Kleiderstangen mit meinen Sachen freizugeben. Ich hatte sogar Hosen auf Kleiderbügeln hängen, dann natürlich Hemden und Jacken sowie Magierroben. Die Kleiderbügel waren alle nummeriert, und auf jedem hingen stets dieselben Sachen und mussten nach dem Waschen wieder dorthin gehängt werden. Über der Kleiderstange befand sich noch ein Brett für Hüte. Davon hatte ich nur drei, daher blieb die Sache übersichtlich.

Hinter der rechten Tür verbargen sich ordentlich sortiert verschiedene Paar Schuhe und hinter der linken einige Kisten mit Kleinzeug, das ich ab und zu brauchte. Ach ja... mein Zauberstab lag immer auf dem Schrank. Einmal in der Woche musste ich ihn von da beschwören und ihn entstauben.

Das alles kann man vermutlich auch machen, indem man einfach alles aus einer unordentlichen Besenkammer beschwört, aber ich brauchte Ordnung für mein System. Generell zog ich es vor, wenn jedes Ding immer an seinem Platz lag, so fand man es leichter wieder.

Ich suchte die Kleidung heraus, die ich zur Ausbrennung getragen hatte, und fragte mich, ob ich diese Zusammenstellung wohl jemals wieder anziehen konnte, ohne daran erinnert zu werden. Wäre ich ein bisschen finanziell flüssiger gewesen, hätte ich das einfach alles eingeäschert und mich neu eingekleidet, aber wie die Dinge lagen, musste wenigstens die protzige Jacke noch eine Weile halten. Ich hängte diese Sachen und ein paar andere gebrauchte Teile samt Bügel an einen Haken an der Wand, damit Sana sie dort abholen und wieder hinhängen konnte. Sie hängte niemals etwas gleich in den Schrank, da waren Rose und ich nämlich sehr eigen. Meine Frau konnte zwar ihre Kleidung nicht beschwören, aber auch sie hatte eine strenge Sortierung, bei der ich mich aber nicht auskannte. Ich wusste nur, dass sie sehr wenige elegante Kleider besaß. Eigentlich hatte sie nur welche für den Fall, dass wir mal zu einer vornehmen Veranstaltung mussten, ansonsten bevorzugte sie Hosen. Selbige zog auch ich den Magierroben vor.

Während ich im Schlafzimmer beschäftigt war, erschien mir mein Bett sehr verlockend, aber dafür war es noch zu früh. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wovon meine Träume handeln würden, wenn ich jetzt die Augen schloss. Andererseits gab es daran heute wahrscheinlich eh nichts zu rütteln.

Letzten Endes verließ ich den Raum noch einmal, um Sana Gelegenheit zu geben, meine Sachen abzuholen, und um Basalt zu finden und zu fragen, ob er meine Schuhe reparieren konnte.
 

Ich traf ihn um diese Tageszeit wie erwartet in seiner Bastelwerkstatt an, wo er an irgendeinem Projekt arbeitete. Für mich war immer schwer zu erkennen, was es einmal werden sollte, aber da wir die Ergebnisse manchmal sehr gut verkaufen konnten, unterstützte ich sein Hobby.

„Hey, Paps. Nichts anfassen und nicht zündeln,“ begrüßte mein Junge mich, ohne von seiner Werkbank aufzublicken, wo er gerade etwas in einen Schraubstock einspannte.

Ich lugte in ein Aquarium, in dem etwas, das wie Pergament aussah, in eine ominöse Flüssigkeit eingelegt war. Ein Deckel lag darauf, aber dennoch nahm ich einen beißenden Geruch wahr.

„Ich probiere, das Material mit Ammoniak zu bleichen,“ erläuterte Basalt, der gerade seine andere Tätigkeit beendete und sich schwarze Flecken von den Händen wischte.

„Mit Ammoniak?“ wiederholte ich. „Woher hast du den denn?“

Mein Sohn grinste. „Alles natürlichen Ursprungs.“

Ich warf noch eine Blick auf das Aquarium. „Oh...!“ Diese Information hatte ich jetzt nicht gebraucht. Naja.

„Wolltest du etwas Bestimmtes, Paps?“ hakte Basalt nach.

Ich zog einen Schuh aus und reichte ihn ihm. „Kannst du meine Hausschuhe flicken? Sie brauchen nur eine neue Naht, denke ich.“

„Ich bin doch kein Schuster!“ Doch er nahm den Schuh an sich und begutachtete ihn mit leuchtenden Augen. „Wow, das ist authentisch abgenutztes Leder! Bist du sicher, dass ich sie flicken soll? Neue sind nicht sooo teuer.“

„Sie sind bequem,“ argumentierte ich. „Jeder hat quasi schon meinen Fußabdruck in sich drin.“

„Und einen Haufen festgetretenen Dreck!“ meinte Basalt und deutete auf die glänzende Innensohle, die deutlich dunkler war als der Rest. Das galt freilich auch für die Unterseite.

„Ich kann sie auch wieder mitnehmen, und dann schmeiße ich sie weg, wenn sie auseinanderfallen!“ drohte ich. Der Gedanke, meine geliebten Latschen könnten in dem Aquarium mit der Ammoniaklösung landen, gefiel mir nicht so wirklich. Allerdings, fiel mir ein, war das wohl doch eher unwahrscheinlich, denn vielleicht wurde dadurch die authentische Abnutzung ruiniert.

„Leg sie da drüben hin,“ gab Basalt nach.

Ich folgte seinem Fingerzeig zu einem Tisch, wo schon andere Teile herumlagen, die er irgendwie noch gebrauchen konnte, darunter ein alter, mottenzerfressener Samtvorhang, ein beschädigter Seidenschal und verschiedene größere Lederstücke, von denen schon etwas abgeschnitten war. Hoffentlich waren meine Schuhe da gut aufgehoben.

Basalt indessen wandte sich wieder seiner Werkbank zu, wo er nun Papier nach einem System sortierte, das sich mir nicht erschloss. Vielleicht nach Abnutzung oder Vergilbung.

Ganz wie sein Name vermuten ließ, hatte mein Sohn das schwarze Haar von mir geerbt, jedoch nicht meine blassblaue Hautfarbe. Manche Leute meinen, dass das Blau darauf hindeutet, dass man etwas von einem Unterweltler oder einer Fee in sich hat und deshalb nicht so begabt als Magier ist. Ich erinnerte mich noch an einige unpassende Kommentare zu Basalts Geburt, mit denen ich dazu beglückwünscht wurde, dass wir nun einen fähigeren Magier in der Familie haben würden als Toyara, nur weil sie blauhäutig war und damals nicht einmal drei Jahre alt, so dass ich davon ausging, dass der Kommentar eigentlich mich treffen sollte. Nach einer darauf folgenden hitzigen Debatte hatte ein großer Teil von Roses Familie den Kontakt zu uns abgebrochen. Nicht dass es einen großen Unterschied machte. Mich mochten sie nicht und Rose hatte sich ihren Zorn zugezogen, weil sie sich mit mir abgab. Es war also nicht schade. Gelegentlich fragte ich mich allerdings, ob die Haare ihrer Cousine nach dieser Sache wohl wieder ordentlich nachgewachsen waren und ob mein Bundvater von unsrem Streit irgendwelche Narben behalten hatte.

Es ließ sich jedenfalls nicht leugnen, dass Basalt als Magier etwas taugte, und wir wunderten uns zwar, wie aus ihm ein Erdmagier werden konnte, aber diese Tatsache hatte sich schon mehrmals als Segen erwiesen. Ich hoffte ja, dass er später mal den Hof übernahm, aber ein leidenschaftlicher Giftpflanzenbauer war er eigentlich nicht. Die Arbeit stärkte seine Muskeln, doch abgesehen davon war er von eher durchschnittlicher Statur, was ich aber für gewöhnlich auch von mir behaupte. Ich sorgte mich ein bisschen, weil er mit fast zwanzig Jahren noch gar keine Frau in Aussicht hatte – und auch keinen Mann, soweit ich wusste. Andererseits... in dem Alter war bei mir auch noch nichts dergleichen gewesen. Im Moment versuchte er wohl noch, seine Bestimmung im Leben zu finden.

Ich dachte schon, er wäre ganz auf seine momentane Arbeit konzentriert, als er plötzlich fragte: „Sollen wir das Buch, das ich gemacht habe, eigentlich wirklich verkaufen?“

Ich hob erstaunt die Augenbrauen. „Wieso? Wolltest du es aus sentimentalen Gründen behalten, weil es dein erstes ist oder so?“

„Naja... es ist irgendwie das erste, für das ich mir solche Mühe gemacht habe.“

„Sonst mach noch eins und wir verkaufen dann das,“ schlug ich vor.

„Aber liegt das erste dann nicht unnütz rum? Außerdem war das Material teuer.“

Da hatte er natürlich Recht, aber es würde sich dennoch lohnen, wenn wir Material neu kauften. Ich sah das heute ein bisschen entspannter als gestern. „Hm... da findet sich bestimmt was. Zeigst du es mir mal?“

„Momentchen.“

Basalt sortierte sein Papier noch schnell fertig, dann ging er zu einem Regal, das mit allerhand Zeug gefüllt war, aber die obersten drei Fächer beinhalteten Bücher, welche sorgfältig in Tücher eingewickelt waren. Er nahm eins davon herunter, packte es aus und reichte es mir. Dann machte er eilig Platz auf einem Arbeitstisch am Fenster, schob einen Stuhl hin und breitete das Tuch dort aus. „Leg es hier hin, da kann nicht damit passieren.

Es handelte sich um ein mittelgroßes Format, etwa 20 cm breit und knapp 30 hoch sowie 2-3 cm dick. Der Ledereinband wirkte abgenutzt und zeigte Gebrauchsspuren, darunter Kratzer, Flecken von unbekannten Flüssigkeiten und angesengte Stellen. Auf der Rückseite schien mal eine Tasse mit irgendeinem Getränk gestanden zu haben, die einen halbmondförmigen Abdruck hinterlassen hatte. Mit anderen Worten, alles Hinweise, dass der oder die Vorbesitzer es nicht unbedingt besonders pfleglich behandelt hatten.

„Wirkt sehr authentisch,“ nickte ich amüsiert und schlug den Deckel auf. Die Handschrift erschien mir so, als hätte ich schon einmal ein Buch vom selben Autor gelesen oder zumindest die Schrift schon irgendwo mal gesehen, allerdings konnte ich sie nicht zuordnen.

„Könntest du es mal durchlesen und auf Fehler überprüfen? Du kennst es ja sehr gut, nicht wahr?“ bat Basalt mich.

Ich nickte. „Dabei könnte ich noch ein paar authentischen Gebrauchsspuren hinterlassen.“

„Untersteh dich,“ grinste mein Sohn. „Ich habe die vorhandenen alle sehr sorgfältig erschaffen.“

„Ich nehme es mit ins Schlafzimmer, wo ich keinen Tee trinken werde,“ versprach ich.

Damit war er einverstanden. „Behalt es aber nicht zu lange, in diesem Haus neigen Bücher und Werkzeuge ja gerne dazu, nicht wieder aufzutauchen, nachdem sie sich jemand ausgeliehen hat. Das wäre bei dem da etwas ungünstig. Und zieh dir was auf die Füße, sonst kriegst du Ärger mit Sana.“

„Ja mein Sohn,“ sagte ich im Tonfall eines braven Schülers.

Das Buch kam mir gerade recht. Etwas zu lesen vor dem Einschlafen, das nichts mit Ausbrennungen zu tun hatte – wenn auch mit Feuer. Etwas Bekanntes.

Doch noch war es nicht spät genug dafür, obwohl ich mich müde genug fühlte. Ich spazierte noch ein wenig durch meine Felder (nachdem ich ein Paar Sandalen herausgesucht hatte) und inspizierte den Bestand, rechnete den wahrscheinlichen Verdienst durch die Ernte aus.

Meine Vulkanischen Ratten, die ich als Hobby züchtete, bekamen auch einen Besuch von mir. Derzeit besaß ich vierzehn Exemplare, von denen ich acht als Paare hielt und ausprobierte, wie sich verschiedene Futtersteine auf die Bildung des Gesteins auf ihrem Körper auswirkten. Sie befanden sich derzeit im Lagerschuppen, weil es dort wesentlich wärmer war als im Haus zu dieser Jahreszeit. Diese Tiere hielten Temperaturen in Vulkanen aus, daher ja auch der Name, aber sie ließen sich auch als Haustiere halten, vor allem dann, wenn sie schon in Gefangenschaft geboren worden waren. Man musste jedoch darauf achten, dass ihre Umgebung nicht zu sehr auskühlte, deshalb waren ihre Käfige auch im Hochsommer mit reichlich Polstermaterial ausgestattet, in das sie sich in der Nacht verkrochen.

Vulkanische Ratten fressen üblicherweise keine landwirtschaftlichen Erzeugnisse, sondern diverse Gesteinsarten und bestenfalls hartes Brot, weswegen ich mir um meine Lagerbestände auch nie Sorgen machen musste. Falls mir mal eine weglief, fand ich sie leicht wieder, wenn ich ein bisschen mit Feuer spielte, bis sie von selbst zu mir kam.

Eine Weile beschäftigte ich mich damit, sie alle zu füttern, zu streicheln und auf meine Schulter klettern zu lassen. Sie mochten meine für einen Menschen relativ hohe Körpertemperatur. Ich begutachtete den Wuchs der Steinpanzerung und fand ein paar Teile, die abgefallen waren. Das kommt bei dieser Art regelmäßig vor. In dem Fall muss man zur Stelle sein, bevor sie das Material wieder auffressen können. In der Natur tun sie das nicht, aber in Gefangenschaft manchmal aus Langeweile oder wenn das Futter nicht schnell genug kommt. Wenn sie zu lange nicht gefüttert werden, kann es sogar vorkommen, dass sie die Steine am Körper eines Artgenossen anknabbern. Das zeugt dann aber schon von Vernachlässigung.

Bei uns war zum Glück meine Familie in der Lage, sich um die Ratten zu kümmern, wenn ich nicht anwesend war. In den letzten Tagen war ich ja immer Abends zu Hause gewesen, um das zu erledigen, aber die Tiere gaben sich heute sehr streichelbedürftig, weil ich mir dafür nicht viel Zeit genommen hatte.

Außer den Ratten besaßen wir noch ein paar Nutztiere, zum Beispiel Zwerg-Niwatoris für Eier, aber sie befanden sich auf dem Grundstück unseres Nachbarn Klepos, der auf meiner Gehaltsliste stand, weil er als Imker für uns arbeitete. Seine Bienen sammelten Honig an Pflanzen von uns, aber andere Tiere ließ ich lieber nicht in meine Felder, weil sie nicht nur die Ernte ruinieren, sondern sich auch selbst vergiften konnten. Ein Gartentürchen verband die beiden Grundstücke und wir konnten uns jederzeit Eier holen.

Leider gab es bei Klepos nicht die Option, ihn gar nicht zu bezahlen, obwohl er meine Situation vielleicht verstanden hätte. Aber er war ein geschwätziger Bursche und ich wollte nicht, dass in einer Woche das ganze Schattenreich davon wusste. Sana hingegen war eher verschwiegen und würde nie vor anderen über uns reden, jedenfalls nur Gutes, da vertraute ich ihr vollkommen.

Meine Hand kribbelte immer noch ein wenig von der Ausbrennung, allerdings konnte ich das Gefühl ausblenden, wenn ich anderweitig beschäftigt war. Insofern dachte ich darüber nach, ein bisschen mit dem Feuer zu üben, weil mich das immer entspannte, aber das kam mir dann doch unangemessen vor. Ich konnte doch nicht hier mit Magie um mich werfen, während ein anderer unter ihrem Verlusst litt.

Ich verbrachte statt dessen den frühen Abend auf der Bank unter einem Baum der Ewigkeit, der als einziger Baum auf meinem Gelände keinen alchemistischen Nutzen hatte. Jedenfalls kannte ich keinen. Bäume der Ewigkeit heißen so, weil sie ewig blühen, wenn das Klima es erlaubt, aber erst in hohem Alter Früchte tragen und Samen bilden. Sie werden gepflanzt, weil sie schön aussehen, und meistens in Gedenken an ein besonderes Ereignis oder eine geliebte Person. Ihre Blütenfarbe kann variieren, je nachdem, wie der Boden beschaffen ist.

Dieser blühte derzeit in einem kräftigen Orangerot. Die Blüten bildeten kleine Trauben, und ab und zu, wenn der Wind durch die Zweige blies, fielen ein paar herunter und tanzten davon. Heute half mir dieser Ort leider nicht, zur Ruhe zu kommen. Seufzend ging ich schließlich ins Haus zurück und beschloss, mir das Buch zu schnappen und im Bett etwas zu lesen, bevor ich einschlief. Ich hoffte, dass ich überhaupt schlafen konnte – einerseits wollte ich es nicht, aber ich wollte auch nicht total übernächtigt morgen bei Cosmea und Sage erscheinen. Das Problem waren die Träume.
 

Da mein Nachtgewand für gewöhnlich unter der Bettdecke lag, musste ich mir zumindest dieses normal anziehen, was Sana sicherlich befürwortete. Ich kroch mit dem Buch von Basalt auf meiner Seite des Bettes, der rechten, unter die Decke und las im Sitzen im Schein einer schwebenden Flamme. Vorteilhafterweise ging sie einfach aus, wenn ich einschlief.

Ich konzentrierte mich auf den Text des Buches. All die Formeln kannte ich besser als den Inhalt so mancher Jackentasche. Basalt hatte gut gearbeitet. Jedoch kam ich ziemlich langsam voran, denn meine Gedanken drifteten ab. Sie wollten die Geschehnisse des Tages verarbeiten, und während ich ihnen gestattet hatte, Phalaes Besuch noch einmal durchzugehen, wollte ich nicht, dass sie eine andere Richtung einschlugen und sich mit früheren Ereignissen des Tages beschäftigten.

Ich las den Zauberspruch auf der neuesten Seite bereits zum vierten Mal und hatte ihn noch immer nicht wirklich registriert. Vor meinem inneren Auge sah ich den Chaoshexer, der mit gefasster Mine die Vollstreckungskammer betrat und einen Moment zögerte, als müsse er den Anblick erst in sich aufnehmen. Kurz zuvor hatten einzelne Zirkelmitglieder noch gescherzt, dass er sich ganz schön Zeit ließ, mit der Wahrheit herauszurücken. Ich für meinen Teil fühlte mich wie vor einem Abgrund. Wenn ich es nun wirklich tun musste?

Es gelang mir nicht, meine Aufmerksamkeit wieder auf das Buch zu lenken. Die Erinnerungen drängten sich mit Macht in den Vordergrund, wie ich es schon seit Stunden befürchtet hatte. Ausbrennungen wirkten leider so auf mich, wobei ich mich fragte, ob es wohl jemanden gab, der sie einfach wegsteckte. Selbst bei Zuschauern musste das einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich dachte an Yubel mit seinem Klemmbrett, der sehr abgebrüht gewirkt hatte, aber vielleicht schauspielerte er einfach nur gut. Als er Sorc fragte, ob er noch etwas sagen wollte, rechneten wir eigentlich alle damit, dass der Chaosmagier spätestens dann seine Aussage noch einmal revidierte, um seinem Schicksal doch noch zu entgehen. Denn soweit wir wussten, hing er an seiner Magie.

Doch er schwieg, und somit waren Cosmea und ich an der Reihe. Sorc sah uns nicht an, als wir vor ihn traten, sondern richtete den Blick auf etwas hinter uns. Ich konnte sehen, dass er schnell atmete. Die Stirn lag in angestrengten Falten und der Kiefer war angespannt. Wir wechselten zum Aurenblick, um die Aura unseres Opfers abschätzen zu können, aber nur kurz. Das genügte auch. Er hatte eine sehr aggressive Aura, die zu überwinden nicht einfach erschien. Falls er keinen Widerstand leisten wollte, wäre ihm das wahrscheinlich nicht wirklich möglich gewesen.

Ich wollte anfangen, damit Cosmea es gut zu Ende bringen konnte. Als ich meine Hand auf Sorcs Brust legte, spürte ich Schweiß und ein heftig pochendes Herz – ähnlich wie meins. Vielleicht schwächte das meine Entschlossenheit, denn es gelang mir nicht, durch seine geistigen Schranken zu stoßen. Jedenfalls nicht beim ersten Versuch.

Ich warf einen Blick zur Tür hinter Sorc. Sie war vorhanden, alles wie im Original. Es gelang mir, die Sache abzubrechen und zur Tür zu gehen. Manchmal dauert es eine Weile, aber ich merke, wenn ich träume. Und ich weiß, wie ich davonkomme, ohne zu gruselige Erinnerungen zu sehen. Meistens.

„Das wagst du nicht, Junge!“ zischte Itrikaria mich an. Meine Mutter war an einen Baum gefesselt, weil ich mich beeilt hatte, etwas Passendes zu finden und den Bannkreis zu ziehen, bevor sie aufwachte.

„Du solltest froh sein, dass du es mir inzwischen richtig beigebracht hast, so überlebst du es vielleicht!“ entgegnete mein jüngeres Selbst gehässig. Schließlich hatte sie mir eine Zukunft mit der Frau, die ich liebte, verdorben. Außerdem war ich ein Mörder und Geächteter, alles dank ihr.

Ich verbrannte ihre Robe gerade so weit, dass ich Platz hatte, sie mit der Hand auf der Brust zu berühren, wie man es traditionell macht. Es war schwierig, in ihre Astralwelt vorzudringen, zumal ich unbewusst noch sehr viel Respekt vor ihr hatte.

Das Gesicht vor mir veränderte sich, als ich versuchte, der Szene zu entgehen. Eine Junge Frau mit Tränen in den Augen sah zu mir auf. „Aber ich habe euch nichts getan!“ jammerte sie.

„Das ist nichts Persönliches,“ versicherte meine Mutter ihr. „Doch deine Schwester soll aufhören, uns zu verfolgen. Das wird ihr eine Lehre sein. Thaumator, mach den Anfang!“

Im Nachhinein wusste ich, warum sie das gefordert hatte. Um das Ende unsauber zu belassen und zu bewirken, dass Orchidee an den Folgen starb.

„Wenn du das machst, wird Rose dir nie vergeben!“ kreischte Orchidee voller Angst. „Sie hat dich geliebt, aber sie wird dich garantiert nie wieder lieben, wenn du das machst! Hast du ihr nicht genug angetan?“

Sie hatte dunkelblondes Haar und ähnelte auch sonst ihrer Schwester nicht auffällig, obwohl sie Vollgeschwister waren. Ich ignorierte ihr Weinen und erhob meine Hand gegen sie, spürte die wachsamen Blicke meiner Mutter im Rücken, während ich ein paar Schritte rückwärts ging und den silbernen Blitz heraufbeschwor. Ich machte mich bereit, ihn zu benutzen, hielt dann inne und konzentrierte mich darauf zu erwachen, denn ich wollte nicht zur nächsten Szene wechseln. Denn wenn es chronologisch rückwärts weiterging, kam als nächstes...

„Thau, wach auf.“

Ich blinzelte. Ein Glück, meine Frau hatte mich geweckt.

Sie lächelte. „Schön. Ich möchte doch, dass du bei Bewusstsein bist, um die Schmerzen deines Todes zu genießen.“

„Äh... wie bitte?“ Ich konnte mich nicht bewegen, fiel mir auf, und Rose hielt seltsamerweise eine Fackel in der Hand, um mein Gesicht zu beleuchten.

Sie steckte die Fackel in eine Wandhalterung und machte sich an einem großen Behälter zu schaffen, der aus meinem Blickwinkel ein Fass sein konnte. Es roch nach Lampenöl, und der Grund wurde gleich offensichtlich: Rose holte breite Stoffstreifen hervor, die damit getränkt waren, und wickelte sie um mein rechtes Bein. Das Fußgelenk schien irgendwo festgekettet zu sein, denn der Rand eines metallenen Scharniers drückte in meine Haut, während sie arbeitete.

Oh nein... dies war nicht die umgekehrte chronologische Reihenfolge. Gut, es war in gewisser Hinsicht besser als die rückwärts chronologische Reihenfolge. Doch es fiel mir immer schwer, mich aus diesem speziellen Traum zu befreien, was vielleicht an den Fesseln lag, welche mein Unterbewusstsein als Schuldgefühle wahrnahm, verbunden mit dem Wunsch zu büßen.

„Rose, komm schon... ich dachte, wir hätten ausreichend darüber geredet...“

Sie arbeitete konzentriert weiter und sah mich nicht an. „Ein bisschen Gerede kann deine Taten nicht aus der Welt schaffen, Thau. Ich bin es meiner Schwester schuldig und auch mir selbst.“

Sie war rechts bis zum Knie gekommen und wiederholte den Vorgang beim linken Bein. Meine Hände waren seitlich neben mir angekettet und eine weitere Kette verlief über meine Brust. Es schien so etwas wie eine Opferstätte in einem Tempel zu sein, und ich lag auf dem Altar.

„Rose, bitte... ich habe nicht gelogen... ich wollte damals den Bund mit dir schließen... aber ich war so dumm, meiner Mutter mehr zu glauben als dir...“ Das alles hatten wir zuvor schon besprochen. Ich wusste zu jenem Zeitpunkt nicht, ob seither Stunden vergangen waren oder vielleicht ein Tag. Die Schmerzen der Verletzungen, die sie mir zuvor zugefügt hatte, und Hunger oder Durst wichen gänzlich der Panik im Angesicht eines jämmerlichen Flammentodes, der mich erwartete. Ich zerrte an meinen Fesseln, doch letztendlich gab ich es auf und ließ meinen Körper erschlaffen. Mein Schluchzen hallte von den weitläufigen Wänden wider. Dies war so ungefähr der armseligste Moment meines Lebens. „Ich will immer noch den Bund mit dir schließen, ehrlich.“

„Jaja, du sagtest das bereits,“ erinnerte sie mich. „Warum sollte ein Darklord wie du Interesse an einem Wrack wie mir haben?“ Offenbar glaubte sie mir nicht. Allerdings hörte sie vorerst auf, ölgetränkte Tücher auf meinem unbekleideten Körper zu verteilen.

Ohne ein finsteres Reich ist eigentlich auch der Sohn der Dunklen Feuerhexe Itrikaria kein Darklord, auch wenn ich rein vom Erbe her auf den Titel Anspruch erheben konnte. Nicht dass ich das wollte. Doch ich verzichtete darauf, das richtig zu stellen.

„Wenn du mir nicht glaubst, dann schließ jetzt mit mir den Bund,“ forderte ich sie heraus. „Es ist kein Risiko für dich, denn du kannst mich im Anschluss direkt töten.“ So konnte ich dann wenigstens als ihr Mann sterben.

„Man tötet den eigenen Bundpartner nicht.“ Sie wischte sich die Hände an einem sauberen Lappen ab und holte die Fackel zurück. „Doch ich kann etwas anderes tun. Ich schwöre, dass ich deine Frau werde, wenn du jetzt deinen Schwur aufsagst und es überlebst.“

Ich war so perplex, dass ich wertvolle Sekunden verstreichen ließ, in denen ich bereits einen halben Bundschwur hätte aufsagen können. Normalerweise denkt man lange darüber nach und arbeitet möglichst romantische Formulierungen aus, die man dann zu einer vorbestimmten Zeit an einem Ort der Glücksseligkeit vorträgt, am besten vor einigen Zeugen.

Ich hatte im Laufe meines Lebens zahlreiche Ideen für uns ausgearbeitet, doch in dieser Situation wollten mir nur Teile davon einfallen.

Rose näherte sich mit der Fackel. „Nun?“

Als mir endlich aufging, was sie plante, beeilte ich mich, irgendetwas hervorzubringen. „Ich, Thaumator, nehme dich, Rose, zu meiner Frau. Ich schwöre, dir treu zu sein und nie andere Frauen neben dir zu haben...“

Sie senkte die Fackel auf die ölgetränkten Tücher zu meinen Füßen, die zuerst etwas zögerlich Feuer fingen, doch bald kamen die Flammen auf den Geschmack. Mir blieben ein paar Sekunden, ehe sie zu meiner Haut durchdrangen.

„Ich will nur dir gehören und dich beschützen, ich werde einen Weg finden, um meine Magie mit dir zu teilen!“ Meine Stimme klang panisch, und ich schrie die Worte so schnell wie möglich heraus. „Jetzt und für immer gehört mein Leben dir; ich werde niemals wieder auch nur eine Unwahrheit zu dir sagen, niemals die Hand gegen dich erheben, niemals wird etwas wichtiger für mich sein als du...!“ Ich konnte das brennende Öl riechen und den Lichtschein sehen, noch ehe ich die Flammen spürte, und nutzte die Zeit verzweifelt aus. „Ich will mit dir alt werden, gute und schlechte Zeiten zusammen überstehen... gemeinsame Kinder großziehen... ein ehrliches Gewerbe finden und dir ein angenehmes Leben bieten...!“

Mir fiel weiter nichts ein, und darauf kam es auch nicht an, denn die Tücher standen jetzt in hellen Flammen, die auch meine Beine von den Knien abwärts verbrannten. Selbstredend konnte ich in dieser Situation keine Worte mehr formulieren.

Ich wollte aufwachen, aber ich konnte mich kaum konzentrieren. Dieser Traum kam immer wieder, und stets sehr realistisch. Auch dieses Mal. Schließlich wurde es schwarz um mich, und im nächsten Moment – oder Tage später – riss ich die Augen auf und sah Roses besorgtes Gesicht über mir. Sie hatte sich damals um mich gekümmert, abwechselnd mit Cosmea und Sage, denen sie mich im Anschluss an ihre Rache ausgeliefert hatte. Das hatte ich zuerst für eine Halluzination gehalten, ausgelöst durch den Einfluss von schmerzlindernden Drogen.

„Rose... wirst du meine Frau?“ hakte ich nach.

Sie lächelte. „Thau, du hast wieder von unserem Bundschluss geträumt, ja? Ich hab dich ja kaum wach gekriegt, du hast gewimmert und dich herumgewälzt.“

Stirnrunzelnd sah ich mich um. Auf dem Nachttisch brannte eine Kerze. Ich roch meinen eigenen Schweiß und fühlte mich völlig erledigt. Aber ich lag in meinem Bett zu Hause, Basalts Buch neben mir auf Roses noch unberührter Seite des Lakens. Wahrscheinlich hatte sie gerade erst schlafen gehen wollen.

Stöhnend wischte ich mir durchs Gesicht. „Allerdings... hätte wohl lieber bei Sorcs Ausbrennung bleiben sollen... oder bei der von meiner Mutter...“

Ich wollte ihrem Blick ausweichen, doch sie griff an mein Kinn und drehte meinen Kopf zurück zu sich. „Du musst dir selbst vergeben, Thau, sonst wirst du das immer wieder durchmachen.“ Zorn blitzte in ihren Augen auf. „Ich bin wirklich sauer auf Cosmea, wie konnte sie von dir verlangen, jemanden auszubrennen, wo sie doch weiß, wie sehr dich das belastet?“

„Vielleicht... weiß sie es nicht,“ nahm ich die ältere Magierin in Schutz. „Es ist ja nicht so, dass ich mit ihr regelmäßig über meine Alpträume rede. Und ich hätte ja auch ablehnen können...“

„Und dann hättest du dir Vorwürfe gemacht, wenn der andere es verpfuscht hätte,“ meinte Rose.

„Wahrscheinlich,“ seufzte ich. „Aber was, wenn ich es nun auch verpfuscht habe?“

„Cosmea war doch dabei, oder? Und ihr geht ja hin, um sicherzustellen, dass alles gut läuft. Jetzt solltest du schlafen, du musst morgen früh los.“ Meine Frau schlug meine Bettdecke zurück und fing an, meine Füße zu massieren.

Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu entspannen. Meine Zehen hatten keine Nägel mehr, und die vernarbte Haut verfügte nicht mehr über alle Nervenenden, so dass sie leider die Berührung sanfter Hände nicht mehr so gut spürte. Die Heiler hatten mich damals ausreichend wieder hingekriegt, so dass mir daraus keine echte Behinderung entstanden war. Wenigstens machte Rose sich keine Vorwürfe, mich so entstellt zu haben. Darüber war ich froh, zumal ich ganz sicher weit davon entfernt war, mich zu beschweren. Wir ließen die Vergangenheit üblicherweise ruhen und erfreuten uns an der Gegenwart.

Die unter der Haut befindlichen Muskeln der Füße nahmen die Massage selbstredend gerne zur Kenntnis, und Rose nutzte ihr Wissen über Reflexzonen, um mich ein bisschen zu verwöhnen. Ich ließ meine Augen schwer werden und versuchte, an nichts zu denken, damit ich auch nichts träumte. Nach ein paar Minuten nahm ich vage einen süßlichen Duft wahr und erkannte, dass er von der Kerze kam. Während ich ihn einatmete, wurden meine Gedanken still, ich wollte für immer liegen bleiben und die Ruhe genießen. Hätte ich nicht gewusst, dass meine Frau dieses Mittel beruflich nutzte, hätte ich mir wohl Sorgen gemacht. So aber ließ ich es einfach geschehen und wartete auf den Morgen.

Schwarzer Turm und weißes Schloss

Ich konnte mich nicht erinnern, mich jemals am Morgen nach einer Ausbrennung gut gefühlt zu haben. Allerdings nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch wegen der körperlichen Aspekte. Eigentlich wollte ich früh aufstehen, um schnell zu Sage und Cosmea zu reisen – soweit man Burner als schnell bezeichnen konnte – und mit den beiden dann zum Kristallschloss, von wo aus wir am folgenden Tag das Lotusschloss aufsuchen würden. Einfacher Plan.

Roses Schlafkerze hatte mich tief und traumlos schlafen lassen, weswegen mein Körper nach relativ kurzer Zeit die Meinung vertrat, das müsse reichen. Aber schon die erste Bewegung ließ mich aufstöhnen. Ich kam mir vor, als hätte ich einen Gewaltmarsch durch den Urwald hinter mir. Dabei dürfte selbst ein solcher Marsch keine allzu schlimme Wirkung auf mich haben, schließlich hielt ich mich gut in Form.

Ob es nun daran lag, dass ich die ganze Zeit während der Ausbrennung ziemlich angespannt dagestanden hatte, oder die Magie mich auf diese Weise dafür bestrafte, wusste ich nicht. Aber ich wusste, dass dies eine übliche Nachwirkung war für den, der den Schaden anrichtete.

Zusätzlich fühlte ich einen leichten Kopfschmerz von der benebelnden Kerze, aber dieser hielt sich in erträglichen Grenzen. Genug trinken half da meistens. Nur graute es mir vor dem Aufstehen, und wenn nicht das Leben meines Opfers davon abgehangen hätte, dass ich hinging und seinen Gesundheitszustand überprüfte, wäre ich einfach im Bett geblieben und hätte mich den ganzen Tag hier verkrochen.

Ich hörte Roses sanftes Schnarchen neben mir und riss mich zusammen. Was beschwerte ich mich überhaupt... immerhin würde das Problem für mich nur ein, zwei Tage anhalten, maximal drei. Diejenigen, die ich ausgebrannt hatte, mussten damit leben... oder waren daran gestorben.

Ich warf mein Nachtgewand aufs Bett und verzog mich kurz in die Waschecke, ehe ich mir etwas Bequemes für die Reise überzog – das allerdings wie üblich mit Magie, wozu sich unnötig quälen. Auf der Suche nach etwas zu essen fand ich in der Küche einen Tee vor, der auf einem Stövchen warmgehalten wurde. Ich erkannte den Geruch, eine Mischung gegen Muskelschmerzen. Eine Tasse stand daneben bereit. Gerührt seufzend ließ ich mich auf einen Stuhl sinken.

„Ich verdiene dich wirklich nicht, Rose,“ murmelte ich, goss mir die Tasse voll und trank zügig aus. Der Geschmack war etwas bitter, aber offenbar war auch Honig drin, um dem entgegen zu wirken. Der Topf mit dem süßen Zeug stand noch auf dem Tisch und das Etikett an dem kleinen Henkel, der wirklich nur dem Befestigen des Etiketts diente, sagte in Klepos' grober Handschrift aus, dass es sich um die Sorte „Kummerkraut“ handelte, also wiederum etwas, das man auch gegen allgemeine Verstimmungen und düstere Gemütszustände nutzen konnte.

Rose hatte sogar schon einige belegte Brote und einen Wasserschlauch für unterwegs fertig gemacht. Das kam mir sehr gelegen, denn so konnte ich essen, während ich auf Burner unterwegs war, was ja lange genug dauerte im Vergleich zu anderen Drachen.

Ich überlegte, ob ich etwas Symbolisches machen konnte, um meine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, doch mir fiel auf die Schnelle nichts ein, also stellte ich einfach brav die leere Kanne und die Tasse zur Spüle, nahm den Proviant mit und ging nach draußen, um nach meinem Drachen zu suchen. Naja, er würde wahrscheinlich nicht unterschreiben, dass er meiner war, eher kroch er bisweilen bei mir unter, weil er vermutlich meine Gesellschaft ganz nett fand.

Als ich seinen Namen rief, kam er aus der Scheune geschlurft, wo er bei offenem Tor geschlafen hatte. Bestimmt sehr zur Freude der Ratten. Er gähnte und kratzte sich anschließend mit einem Hinterfuß am Kinn.

Ich wartete, bis er sich ein bisschen akklimatisiert hatte und mich aufsteigen ließ. Als er sich etwas holperig in die Luft erhob, teilte ich ihm das Ziel mit, und sobald er stabil flog, packte ich mein Frühstück aus. Burner kannte den Weg zu Sage und Cosmea, denn wir besuchten die beiden öfters im Jahr. Auch kamen sie ab und zu für ein paar Tage zu uns, manchmal, um bei einer Ernte zu helfen und ihre Bestände an alchemistischen Zutaten aufzufüllen. Es gab eine alte Freundschaft, gewachsen aus Not und Schwierigkeiten. Solche waren die besten.

Und dennoch, oder gerade deswegen, war ich nicht ganz ehrlich zu den beiden, wenn ich Sorgen hatte. Ich wollte sie einfach nicht damit belasten. Doch in diesem Fall wollte ich vor allem meine Frau nicht allzu sehr in die Sache verwickeln, obwohl sie sonst meine engste Vertraute war. Die Ausbrennung betraf ja auch Cosmea, also sollte ich mich vielleicht lieber bei ihr zu dem Thema aussprechen. Möglicherweise tat ihr das ja auch gut.

Da die Reise beinahe zwei Stunden dauerte, wenn Burner gemütlich flog, blieb mir Zeit zum Grübeln. Hätte ich doch lieber ablehnen sollen, ihr zu helfen? Sie hatte sich freiwillig gemeldet, um Sorc auszubrennen, als im Raum stand, dass es dazu kommen könnte. Ich erinnerte mich an ihre Worte: „Thau, ich hätte dich gerne als meinen Helfer, denn mit dir kann ich am ehesten zusammenarbeiten. Du bist stark genug und du hast die meiste Erfahrung von uns allen.“

„Vor allem darin, wie man Leute auf diese Art umbringt,“ hatte ich erwidert.

„Doch du weißt inzwischen, wie man es nicht machen soll. Mir ist es wichtig, dass es vernünftig gemacht wird, mein Enkelsohn wäre sonst untröstlich,“ hatte sie argumentiert.

Dass sie es ihrem Enkel zuliebe tun wollte, hatte mich dann auch überzeugt. Das konnte ich nachvollziehen. Wenn eines meiner Kinder einen Freund hätte, der ausgebrannt werden musste, würde ich mich vielleicht auch anbieten, einfach, damit es kein völlig Fremder tat, dem die Person egal war. Andererseits stellte ich mir das auch schwierig vor. Wie dachte Crimson wohl darüber? Hasste er seine Großmutter dafür? Verstand er ihr Motiv? Jedenfalls war es wohl an mir, in diesem Fall der Böse zu sein. Sollten sie mich hassen, solange nur die Familie intakt blieb.

Erneut rief ich mir Sorcs Gesicht in Erinnerung, direkt vor der Ausbrennung. Mein Gedächtnis bestätigte die Bilder aus meinem Traum. Er hatte sich gefürchtet und war logischerweise nervös gewesen, doch ich kannte niemanden sonst, der ohne zu betteln, zu jammern oder zu fluchen diesem Schicksal entgegengetreten war. Nun stammte er wohl aus einer Familie, die viel Wert auf würdevolles Auftreten legte, ähnlich wie wir vom Zirkel immer darauf achteten, uns nicht zu blamieren. Aber in dieser Situation hätte es jeder verstanden. Und wir hatten ja alle erwartet, dass er im letzten Moment zusammenbrach und seine Aussage änderte, denn irgendetwas stimmte daran nicht... er schien sich die Geschichte spontan auszudenken, gar nicht der Stil, den wir in seiner letzten Verhandlung von ihm erlebt hatten.

Aber es half ja nichts, darüber nachzudenken. Selbst wenn ich irgendwann erfuhr, was es damit auf sich hatte, der Schaden war angerichtet. Gewissermaßen traf mich und Cosmea keine Schuld, wir waren nur diejenigen, die das Urteil vollstreckt hatten. Aber diese Rolle fühlte sich nicht gut an.

Ich nahm mir vor, mich nicht weiter damit zu befassen, sobald wir unseren Kontrollbesuch hinter uns hatten, denn es gab genug eigene Probleme, die es zu meistern galt. Wenn nun die Ernte nicht so gut ausfiel oder Schädlinge meine Pflanzen befielen? Dann nützte es auch nichts, dass Phalae mir freundlicherweise Aufschub gewährt hatte. Was geschah mit mir, wenn ich nicht zahlen konnte?

Sie würde mich für sich arbeiten lassen, bis meine Schulden getilgt waren. Kollidierte das mit meinen Auflagen vom Rehabilitationsprogramm des Zirkels? Vielleicht konnten sie einfach meine Bewährungsfrist für die Zeit aussetzen, in der ich für Phalae arbeitete, und sie danach weiterlaufen lassen. Sie kannten mich inzwischen doch so weit, dass sie mir vertrauten und das kein Problem sein sollte. Genau, gute Idee, das konnte ich im Ernstfall beantragen. Vielleicht verzichteten die Kollegen auch darauf, sich einzumischen, immerhin konnte ich immer noch für mich selbst sorgen, wie es von mir verlangt wurde, selbst wenn ich irgendwo einer erzwungenen Arbeit nachging.
 

Ich war relativ überrascht, als der Schwarze Turm schon in Sicht kam. Da war ich wohl wirklich sehr in Gedanken gewesen. Burner brüllte, um sich anzukündigen. Der viereckige Turm stand auf einem Hügel in einem Wald und bot rundherum nicht genug Platz zum Landen, doch statt eines Daches gab es eine Landeplattform mit niedriger Brüstung für eben diesen Zweck. Alternativ konnten Besucher natürlich auch weiter unten am Hang landen und eine halbe Stunde zum Turm laufen, wonach mir aber nicht der Sinn stand. Burner war ja wirklich klein genug für die Plattform.

Leider landete mein Drachenfreund ebenso ungraziös, wie er startete, weshalb ich ziemlich durchgeschüttelt wurde und für einen Moment befürchtete, wir würden auf der anderen Seite hinunter schlittern. Meine Muskeln waren noch immer nicht begeistert von jeder Art von Bewegung, doch ich zwang sie einfach zur Kooperation, während ich abstieg und die Falltür suchte, die ins Treppenhaus führte. Eigentlich gehörte an diese Stelle ein kleines überdachtes Häuschen, welches die Öffnung verdeckte, aber die beiden Bewohner hatten es durch die Falltür ersetzt, nachdem es mehrere Male von landenden Drachen beschädigt worden war. Leider war es so etwas unpraktisch, denn ich musste die Klappe öffnen und sie hinter mir zufallen lassen, während ich die Stufen hinab stieg, die direkt darunter begannen. Wieder ein Aspekt, der mit zunehmendem Alter unerfreulicher wurde, überlegte ich. Auch war das Ding bei Regen möglicherweise undicht.

Die Klappe befand sich an der Seite, damit der eventuell anwesende Drache einen hinabsteigenden Gast nicht behinderte. Die Treppe führte in einen schmalen Flur mit einem Fenster, durch das Licht bis ins eigentliche Treppenhaus gelangte, welches sich in der Mitte der Turmkonstruktion befand. So konnten die einzelnen Räume allesamt Fenster haben, was im Wald auch nötig war. Zwar hatten Cosmea und Sage die Bäume in einem Umkreis von etwa fünf Metern rund um den Turm gerodet und nutzten die Fläche auch als Garten, dennoch fiel schnell Schatten auf die unteren Fenster, da die restliche Vegetation problemlos die gleiche Höhe wie der Turm erreichte. Der Wald wurde hier als Rohstoffquelle genutzt, daher gab es keine wirklichen Baumriesen in unmittelbarer Nähe.

Der Turm an sich musste ungefähr 15 Meter hoch sein, da jede der vier Etagen eine Deckenhöhe von gut drei Metern vorzuweisen hatte, und dazu kamen ja noch dicke Decken zwischen ihnen und das Dach. Die quadratische Grundfläche maß etwa 8 x 8 Meter. Ganz ordentlich für ein Pärchen. Eigentlich hatten sie sich wohl erhofft, hier mal Enkelkinder wohnen zu haben, denn Platz war mehr als genug vorhanden, weshalb die dritte Etage auch hauptsächlich aus Gästezimmern bestand. Auf meinem Weg nach unten pausierte ich dort und suchte das Zimmer auf, dessen Tür von dem kleinen Gang zum Fenster abging. Hier war es tatsächlich nur ein Gang, der dazu diente, im Treppenhaus für Licht von außen zu sorgen, nur ganz oben führte an dieser Stelle eine Treppe hoch zum Dach. Der Architekt hatte das wohl ursprünglich nicht vorgesehen.

Die Tür war nicht verschlossen, also trat ich ein und ließ die Atmosphäre auf mich wirken. Viel verändert hatte sich in den letzten 26 Jahren nicht. Gut gepflegte Möbel hielten ja auch lange, daher gab es keinen Grund, sie zu ersetzen. Die Gardinen waren andere und auch die Teppiche auf dem Boden. Aber im Großen und Ganzen war noch alles beim Alten. Auf einem Sessel lag immer noch dasselbe, hübsch bestickte Kissen und auf dem Bett die altbekannte Überdecke. Der Tisch hatte ein paar mehr Kratzer, doch auf ihm stand noch derselbe schlichte Kerzenständer aus gebranntem Ton wie damals und in einer kleinen Holzkiste unter dem Bett fand ich die gleiche Sorte Kerzen, die dazu passte. In der geräumigen Kleidertruhe befanden sich einige Nachthemden für Gäste und Fellpantoffeln in drei Größen.

Obwohl ich hier mit schweren, schmerzhaften Brandverletzungen gelegen hatte, empfand ich die Erinnerungen an dieses Zimmer als überwiegend positiv – schließlich hatte Rose an diesem Bett ihren eigenen Treueschwur gesprochen, um meinem zu entsprechen, den ich dann auch noch einmal wiederholt hatte – seltsamerweise wusste ich damals und bis heute noch den genauen Wortlaut, obwohl die Originalfassung unter starkem psychischem Druck entstanden war. In diesem Zimmer hatten mich die Heiler wieder ausreichend zusammengeflickt und Sage, Cosmea und Rose mich gepflegt, wobei sie parallel bereits mit dem Zirkel des Bösen in Kontakt gestanden hatten, um mir eine schnelle und reibungslose Gerichtsverhandlung zu ermöglichen.

Im Nachhinein hatte ich erfahren, dass sie mir dieses Zimmer damals zugeteilt hatten, weil es sich gut bewachen ließ. Ich konnte ja nur in eine Richtung flüchten, sofern ich nicht riskieren wollte, aus dem Fenster zu stürzen. Natürlich gestaltete sich eine Flucht mit verbrannten Beinen, diversen anderen Verletzungen und Wundfieber ohnehin schwierig, und ich hatte dort auch noch gewohnt, als es mir bereits besser ging, fast ein Jahr später. So lange hatte ich gebraucht, um mich wirklich gut zu erholen und das Grundstück zu erwerben, das ich heute bewirtschaftete. Wäre Rose nicht an meiner Seite gewesen, hätte ich vielleicht nicht den nötigen Willen aufgebracht.

Schade, dass wir noch heute wieder aufbrechen mussten, sonst hätte ich gerne um der alten Zeiten willen hier eine Nacht verbracht. Vielleicht auf dem Rückweg. Aber nein... Sorcs Verhandlung hatte mich schon fast eine Woche beschäftigt, ich musste mich unbedingt zu Hause um meine Angelegenheiten kümmern.

„Na, ich hab mir schon gedacht, dass du hier vorbeischaust,“ holte mich Cosmeas Stimme aus meinen Gedanken.

„Es ist ziemlich... nostalgisch,“ lächelte ich.

Meine alte Freundin sah müde aus, anscheinend ging es ihr nicht besser als mir nach gestern. Sie trug ein Freizeitkleid und die Haare offen, so sah ich sie fast nie. „Du siehst so aus, wie ich mich fühle,“ stellte sie fest.

„Oje, ich lasse nach,“ entgegnete ich mit einem schiefen Grinsen.

„Wir sitzen unten im Garten, da kannst du was trinken und dich kurz ausruhen. Aber ich möchte gegen Mittag beim Kristallschloss sein, also müssen wir beizeiten los.“

Ich nickte und folgte ihr nach unten. Burner flog wahrscheinlich inzwischen den Hang hinunter und wartete dort – das war bei uns so üblich. Außerdem kam mir das sehr gelegen, denn dann musste ich später nicht all die Stufen wieder hoch klettern.

Das Magierpaar hatte im Garten vor ihrem Turm einige Beete mit Nutzpflanzen, aber auch eine kleine Wiese, wo eine hölzerne Sitzgruppe für gemütliche Zusammenkünfte stand. Normalerweise hätten wir wohl einen Krug Wein aufgemacht, doch in Anbetracht der Umstände gab es Tee, sogar die gleiche Mischung, die Rose mir zu Hause zubereitet hatte. Sage und Cosmea bezogen diese Sachen von mir. Das ließ ja Rückschlüsse darauf zu, wie sie sich fühlte.

Ich hängte meine Jacke über meinen Stuhl und lehnte mich müde seufzend zurück. Für ein paar Minuten blieben wir still und hielten uns am jeweiligen Teebecher fest. Irgendwie war die Stimmung etwas gedrückt. Normalerweise fingen wir schnell ein Gespräch über alltägliche Dinge an, aber so richtig in Fahrt kommen wollte das heute anscheinend nicht.

Ich beschloss, das leidige Thema dann halt mal anzuschneiden und sagte: „Befürchtest du, dass dein Enkel dich jetzt verabscheut, Cosmea?“

Sie zuckte sichtbar zusammen, als hätte ich sie beim Grübeln ertappt. „Äh... nun ja... Natürlich hab ich es gut gemeint mit Crimson, aber das könnte aus seiner Sicht anders aussehen... Vielleicht hat er in ein paar Monaten dafür Verständnis, aber jetzt wohl kaum.“

Ja, das konnte ich mir vorstellen. Crimson sah diese Sache vermutlich vorrangig von der Warte des Opfers.

„Ich ärgere mich im Nachhinein, dass wir uns alle etwas zu gut gelaunt benommen haben,“ warf Sage ein. „Crimson hat mich angefleht, Sorc irgendwie zu helfen, aber ich hab die Situation überhaupt nicht ganz ernst genommen... das hat er wohl auch gemerkt. Nach dem Ritual habe ich noch einmal mit ihm gesprochen, und er wirkte sehr aufgebracht.“

„Naja... das ist wohl das mindeste, was man zu erwarten hat,“ murmelte ich.

„Das Problem ist nur, dass die Zirkelregeln keine andere Entscheidung zuließen als die Ausbrennung... höchstens eine Hinrichtung,“ fuhr Sage fort. „Sorc wusste, was auf ihn zukommt, wenn er seine Rehabilitationsauflagen verletzt. Dennoch erzählt er uns so eine seltsame Geschichte... Was da wirklich dahinter steckt, werden wir wohl nie erfahren.“

Wir drei verfielen erneut in Schweigen. Es ließ sich eben über diese Thematik nicht entspannt reden, obwohl wir wohl alle das Bedürfnis hatten.

„Wie nimmt Rose es auf?“ fragte Cosmea schließlich. „Ist sie... verstört oder so?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, gar nicht. Im Gegenteil, sie hat versucht, mir meine Gewissensbisse auszureden...“ Ups... eigentlich hatte ich nicht erwähnen wollen, dass ich Gewissensbisse hatte.

Aber Cosmea nickte nur verstehend. „Deine Frau ist wirklich stark. Wenn jeder so damit umgehen könnte wie sie...“

Ich verkrampfte mich und biss mir auf die Lippe. Cosmea bemerkte es offenbar, denn sie warf mir einen prüfenden Blick zu.

„Thau, du wirfst dir das nicht immer noch vor, oder? Dafür war doch allein deine Mutter verantwortlich.“

„Aber ich... habe ihr geglaubt...“ Ich rieb mir aufstöhnend die Schläfen. Hätte ich mal bloß die Klappe gehalten. Eigentlich hatte ich ja Cosmea ermutigen wollen, darüber zu reden, weil es ihr vielleicht auch half. Das fiel jetzt mal direkt auf mich zurück.

„Nicht jedem ist die Magie gleich wichtig,“ gab Cosmea zu bedenken. „Manche ausgebrannte Magier kommen gut zurecht, indem sie neue Aufgaben finden, neue Berufungen... Und wer weiß, vielleicht wird es auch Sorc so gehen, nur wird er sicherlich etwas Zeit brauchen...“

Das bezweifelte ich. „Der Mann hängt doch angeblich so an seiner Magie. Vielleicht gehört er zu denen, die daran zugrunde gehen.“

Letzteres kam relativ selten vor. Die meisten fanden sich irgendwann damit ab oder kamen sogar ganz gut klar. Einige ergaben sich in ihr Schicksal und verbrachten ihre restlichen Tage als kleine Leute in einer einfachen Existenz. So richtig zugrunde ging selten jemand. Doch bei Sorc konnte ich es mir vorstellen. Jeder Mensch hat etwas, das ihn brechen kann.

„Sorc ist auch ein stolzer Mann,“ brachte Sage sich einmal mehr ein. „Er wird sich jetzt etwas einschränken müssen, mehr noch als bisher schon. Das wird gewiss nicht leicht.“

„Ich hoffe, dass Crimson nicht damit überfordert ist,“ äußerte nun auch Cosmea ihre Bedenken. „Er scheint ja in letzter Zeit etwas reifer geworden zu sein, aber er ist es doch kaum gewohnt, mit Problemen umzugehen, denn Shiro hat ihn leider lange Zeit vor allen Schwierigkeiten geschützt.“

„Er hat aber gut reagiert, als wir... fertig waren,“ überlegte ich. „Aufgebracht und alles, aber auch sehr sachlich und auf das Wichtigste konzentriert.“

Die beiden anderen nickten langsam.

„Vielleicht unterschätzen wir ihn,“ räumte Sage ein und strich sich über den langen Bart. „Ach, Thau, ist bei dir eigentlich alles in Ordnung? Du bist gestern plötzlich so überstürzt aufgebrochen.“

Na, die Frage musste ja kommen. Schön, dass er besorgt um mich war, aber ich log ihn nicht gerne an. „Ich habe nur einen wichtigen Termin vergessen. Es war noch eine Rechnung zu bezahlen, für die ich vorher nicht genug Geld im Haus hatte. Ihr könnt euch das ja vorstellen, die Leute stunden das gerne mal, aber wollen dann auch bezahlt werden, schließlich müssen sie auch leben.“

Das schien Sage zu schlucken. „Ach so, verstehe... naja, Rose war ja zu Hause, oder?“

„Ja, sicher, kein Problem,“ winkte ich ab und bemühte mich, es nicht zu eilig wirken zu lassen.

„Wir haben auch erst letzte Woche den neuen Fensterladen bezahlt. Aber der musste halt schnell eingebaut werden,“ bemerkte Cosmea. „Die Leute in der Siedlung sind zum Glück recht entgegenkommend gegenüber einem alten Pärchen, das etwas abgeschieden in einem Turm wohnt.“

„Vermutlich helft ihr ihnen ja auch oft genug,“ meinte ich. „Zwei Magier in der Nähe wohnen zu haben, finden die meisten doch ganz praktisch. Und dann noch Mitglieder des Zirkels des Bösen... da ist die Wahrscheinlichkeit, erobert zu werden, doch gleich geringer.“

Genau genommen lief die Zirkelmitgliedschaft eigentlich auf Cosmeas Namen, wie ich wusste. Sage war dabei einfach ihr Anhängsel. Nicht alle Mitglieder brachten ihre Partner zu den Sitzungen mit, Rose zum Beispiel hielt sich größtenteils aus den Angelegenheiten heraus, kannte aber viele meiner Kollegen und deren Familien. Generell galt, dass pro Wohnsitz nicht mehr als eine Mitgliedschaft vorhanden sein sollte.

„Funktioniert jedenfalls immer noch ganz gut, es wohnt sich angenehm hier,“ nickte Sage. „Was meint ihr, wollen wir langsam los?“

„Soll mir recht sein.“ Ich trank meinen Tee aus, und während Sage und Cosmea noch kurz ihr Gepäck holten, suchte ich schonmal nach Burner. Sie selbst pflegten eine telepathische Verbindung zu ihrem Drachen, etwas, wofür ich kein Talent hatte. Gut möglich, dass mir einfach die Übung fehlte, aber auf der anderen Seite gehörte meine geistige Abwehr zu den stärksten aller Zirkelmitglieder. Ich ließ niemanden in meinen Kopf und verlangte im Gegenzug nicht, dass andere mich in ihren ließen.

Burner war relativ leicht zu finden. Noch während ich den Hang hinunter ging, sah ich das Glühen seiner Schuppen durch die Bäume. Er kaute auf einem fünf Meter langen Baum herum wie ein Hund auf einem Knochen. Ein Teil der Krone fehlte, und am Wurzelballen hing noch frische Erde. Nun ja... wenigstens fraß er nur in sehr seltenen Fällen anderer Leute Vieh.

Kurz darauf stießen meine Reisegefährten zu uns. Cosmea hatte sich ein für die Reise geeignetes Kleid angezogen, die Haare hochgesteckt und sie trug eine Umhängetasche bei sich, Sage einen Rucksack. Während ich Burner dazu brachte, seinen Baum fallen zu lassen, und auf seinen Rücken kletterte, riefen die beiden einen Drachen herbei, der dreimal so groß war und auch viel gruseliger aussah. Er konnte vermutlich auch viel schneller fliegen, aber sie mussten ihn wegen mir heute etwas zurückhalten. Das Geschöpf schnüffelte in Burners Richtung, schwarz mit roten, glühenden Adern auf der Haut. Ich sah diesen Drachen nicht zum ersten Mal, fand ihn aber stets recht bedrohlich. Burner hingegen gab sich sorglos, ja sogar geradezu frech. Er marschierte an ihm vorbei, schüttelte seine Flügel aus und arbeitete sich dann umständlich in die Luft. Kaum zwei Minuten später überholten uns Cosmea und Sage auf ihrem Drachen, und sie mussten auch voraus fliegen, weil ich den Weg nicht wusste. Ich bat Burner, nicht allzu sehr zu trödeln.
 

Tatsächlich dauerte die Reise zum Kristallschloss dann auch gerade mal zwanzig Minuten, so dass wir vor dem Mittagessen ankamen. Ich hatte dieses Gebäude noch nie gesehen und staunte entsprechend. Es war aus weißem Stein erbaut mit bläulich schimmernden Dächern. Die Türme und Erker wirkten eher zierend als praktisch, aber insgesamt gefiel es mir sehr. Schließlich bewertete ich auch nicht immer alles nur nach seinem Nutzen. Wie es sich gehörte für einen Zufluchtsort, stand es schwer zugänglich auf einem Berg, und an einer Seite stürzte ein Wasserfall in die Tiefe.

Das Kristallschloss war aus irgendwelchen Gründen lange Zeit im Reich der Legenden versunken, vielleicht, weil es kaum bewohnt wurde, bis die Magier unter der Führung von Dark, dem Dunklen Magier, dort eingezogen waren. Nun stand wohl zur Debatte, ob sie dort bleiben wollten oder später wieder zur Burg Drachenfels umzogen, sobald diese wieder aufgebaut war. Dies alles wusste ich, weil der Einsturz der Burg natürlich bei Sorcs Verhandlung zur Sprache gekommen war, und Cosmea erzählte mir auch gerne davon, wie es ihren Söhnen und Enkeln gerade ging. Soweit ich wusste, bezog das Kristallschloss manchmal alchemistische Zutaten von mir, allerdings durch einen Händler, mit dem ich schon lange zusammenarbeitete.

Der große Drache brüllte, um sich anzukündigen, worauf Burner darauf verzichtete. Wir landeten auf einem großen Hof, auf dessen Boden helle, glänzende Steinplatten ein kreisförmiges Muster rund um einen großen, beeindruckenden Brunnen bildeten, den Burner fast zu Fall brachte, obwohl seitlich davon genug Platz war. Manchmal brachte er mich echt in Verlegenheit. Ich stieg schnell ab und überprüfte die drei marmornen Drachenfiguren, die in dem Brunnen das Wasser ausspien, ganz genau auf Beschädigungen. Erleichtert fand ich keine.

Cosmea kam lachend auf mich zu. „Du solltest echt mal Landungen üben, Thau.“

Das sollte ich wohl wirklich, wenn ich nicht irgendwann doch mal einen Schaden ersetzen wollte. Burner jedenfalls tat völlig unbekümmert und ließ sich mit einem grunzenden Laut auf den Bauch fallen. Ich tätschelte seine Schulter, straffte dann meine Haltung und baute mich neben meinen Begleitern auf. So gingen wir wie Vertreter des Zirkels des Bösen auf das Tor zu, welches sich auch schon öffnete.

Das Tor bestand aus dunklem Holz, reich verziert mit Schnitzereien, die ich aber nicht mehr genauer betrachten konnte. Etwas lenkte mich ab – ein Gefühl, als würde mir Energie entzogen. Ich sperrte mich dagegen, worauf es nur noch schlimmer wurde.

„Das Schloss hat zwei Herzen,“ flüsterte Cosmea mir zu. „Sie nehmen Meras von Besuchern. Lass es zu, es ist ein Zeichen deiner guten Absichten.“

„Das ist mal leichter gesagt als getan,“ presste ich hervor.

Meine Mutter hatte mich von klein auf darauf gedrillt, mich gegen alles zu wehren, was mich schwächen konnte, angefangen bei geistigen Vorstößen bis hin zu Energiediebstahl. Diese Dinge nicht zuzulassen, konnte Nachteile haben, die meiner Meinung nach aber zu vernachlässigen waren.

„Du gewöhnst dich schnell dran,“ versicherte Cosmea. „Bald fällt es dir gar nicht mehr auf.“

Vorsichtig schwäche ich meinen Widerstand ab, und der Energieentzug pendelte sich auf einen kleinen, erträglichen Wert ein. Dass ich das irgendwann nicht mehr merken sollte, konnte ich aber nicht glauben.

Von drinnen kamen uns zwei Männer entgegen, bei denen es sich wahrscheinlich um die Skill-Brüder handelte. Shiro und Kuro, wenn ich mich recht entsann.

Der Blonde schritt elegant auf meine beiden Begleiter zu und breitete die Arme aus. „Hallo, Eltern!“ Er umarmte beide nacheinander. Der Dunkelhaarige hielt sich etwas zurück, daher umarmten sie ihn.

„Ich dachte, dich sehen wir erst auf Lotusblüte,“ sagte Sage zu ihm.

„Eigentlich war ich da auch, aber Shiro wollte mal mit mir tauschen, um bei Crimson sein zu können.“

Der Dunkle musste dann wohl Kuro sein. Im Vergleich zu Shiro sah er etwas ungepflegt aus, er trug einen Bartansatz und schäbige Reisekleidung.

„Ich kann noch zum Essen bleiben, aber dann reise ich ab,“ bestätigte Shiro die Worte seines Bruders. „Was führt euch denn her? Kann ich noch was helfen, solange ich hier bin?“

„Wir wollen in der Bibliothek etwas nachlesen,“ gab Cosmea Auskunft, ohne das genauer zu spezifizieren.

Shiro nickte und wandte sich mir zu.

„Oh, das ist Thaumator, ein Kollege vom Zirkel,“ stellte seine Mutter mich vor. „Thaumator, dies sind meine Söhne Shiro und Kuro.“

Wir nickten einander grüßend zu. Ich verzichtete auf rhetorische Höflichkeitsfloskeln. Falls mein Name einem der Männer bekannt vorkam, sagten sie nichts dazu, aber ich sah Shiros Lächeln kurz verschwinden, ehe er es wieder aufsetzte.

„Ihr bleibt doch alle bis morgen, oder?“ fragte er. „Essen ist gleich fertig, und die Reise war bestimmt anstrengend.“

„Also Shiro, wir sind zu dir doch nicht lange unterwegs,“ lächelte Cosmea.

„Nun, dann war vielleicht gestern ein anstrengender Tag, also ruht euch nur aus, ehe ihr Crimson unter die Augen tretet. Das hat doch noch bis morgen Zeit, oder?“

Aha, er wusste offenbar Bescheid. Darüber, was wir getan hatten, und anscheinend auch über das, was wir tun wollten. Vielleicht hatte ihm Kuro von der Ausbrennung berichtet, wenn er gerade von Schloss Lotusblüte kam, aber nicht jeder kannte sich mit dem weiteren Vorgehen aus.

„In der Tat kann es bis morgen warten. Genau genommen wartet man für gewöhnlich zwei oder drei Tage,“ gab Cosmea ihm bereitwillig Auskunft. „Es könnte auch sein, dass sich unsere Recherchen hinziehen.“

„Na dann lasse ich Zimmer herrichten, während wir essen,“ verkündete Shiro.

Bei diesen Worten bekam ich doch gleich Appetit, und zum Glück waren auch meine Freunde nicht abgeneigt. Wir folgten den Schlossherren nach drinnen.

Im Schloss gab es genug fürs Auge zu entdecken, ohne dass es kitschig oder überladen wirkte. Zunächst durchquerten wir eine Vorhalle, von der aus zu beiden Seiten ein Gang weg führte, und gelangten von da aus in eine große Haupthalle. Hier verzierten Gemälde mit epischen Kampfszenen die ansonsten weißen Wände, und große Bogenfenster durchfluteten den Raum mit Licht von außen. Insgesamt wirkte alles geradezu strahlend. Mein Interesse richtete sich jedoch auf die zahlreichen Tische, die gerade mit Essen beladen wurden. Der Geruch ließ mir das Wasser im Mund zusammen laufen. Vor allem, weil es in einem Schloss mit vielen Einwohnern offenbar auch viel Auswahl an Speisen gab, lohnte sich der Besuch hier.

Shiro und Kuro führten uns zu einem freien Tisch, wo wir uns so hinsetzten, dass die beiden Brüder ihren Eltern gegenüber saßen, wobei ich mir neben Cosmea irgendwie etwas außen vor gelassen vorkam, was mir aber ganz recht war. Ich hatte eh vor, den Schweigsamen zu spielen.

Die restlichen Plätze an unserem Tisch füllten sich mit mir fremden Magiern. Insgesamt gab es sechzehn Stühle, acht auf jeder Seite. Die Kopfseiten blieben ungenutzt, vielleicht, damit man bei Bedarf noch weitere Tische dort heranschieben konnte oder damit die Bediensteten besser vorbei kamen. Oder, damit man da, wo ein Teller stehen müsste, noch Gefäße mit Essen abstellen konnte. Ich gab mir alle Mühe, nicht allzu gierig auszusehen, während ich das Sortiment in Augenschein nahm und höflich darauf wartete, dass man mir etwas anbot. Das geschah allerdings nicht, sondern jeder nahm sich einfach, auch Cosmea und Sage. Nun denn... dann war es wohl in Ordnung, wenn ich das auch tat.

Und wie sich herausstellte, gab es hier wirklich gute Köche. Vor allem kochten sie für Magier, nicht etwa für Unterweltler oder Vampire. Insofern traf das Angebot voll meinen Geschmack. Ich langte ordentlich zu und stellte fest, dass andere das auch so machten, ob nun aus Eile oder einfach, weil es schmeckte. Nicht dass meine Frau oder Sana schlecht kochten, aber man musste halt essen, was auf den Tisch kam, und manchmal mussten wir mit dem vorlieb nehmen, was wir hatten.
 

Im Anschluss an das Mahl verabschiedete Shiro sich, um seinen Sohn zu besuchen, und Kuro begleitete uns noch zur Bibliothek.

„Ihr kennt euch ja aus,“ sagte der Finsternismagier und gab seinen Eltern mit einer Geste zu verstehen, dass sie sich ruhig umsehen sollten. „Ich bin gerade erst gekommen und muss mich um ein paar Sachen kümmern, aber ich stoße später wieder zu euch.“

Dann wandte er sich mir zu. „Ihr, ähm... könnt auch hier bleiben, wenn ihr wollt... sucht Ihr vielleicht etwas Bestimmtes?“

Ich rieb mir nachdenklich das Kinn und betrachtete die vielen Regale mit Büchern. Papier schluckte viele Geräusche, deshalb fand ich es in Bibliotheken immer recht gemütlich, obwohl man sich von den Regalen eingeengt fühlen mochte, wenn sie gar zu eng standen.

„Nun... Ihr habt nicht zufällig eine Kopie des Buches von Incanta, oder?“ fragte ich, um irgendeine Antwort zu geben.

Kuro hob eine Augenbraue. „Gilt das nicht als verschollen?“

„Deshalb fragte ich nach einer Kopie,“ stellte ich klar. „Es hätte mich allerdings überrascht, wenn Ihr eine hättet, denn der Flammenbrunnen-Hexenzirkel gibt normalerweise keine an Außenstehende heraus.“

„Ja, das ist auch meine Information,“ nickte Kuro. „Etwas anderes vielleicht?“

„Botanik,“ entschied ich. „Habt Ihr etwas über den Anbau von Heilpflanzen und giftigen Pflanzen, über Obstbäume oder sonstige Gewächse, die alchemistische Zutaten hervorbringen?“

Kuro schien von meiner Anfrage überrascht, zeigte mir dann aber den Weg zu einem Regal, das gefüllt war mit Titeln wie Vom Feld ins Heldentäschchen. Einfache Standardtränke aus dem eigenen Garten oder Der Garten des Alchemisten. Kräuter selber anbauen und lagern. Hier konnte ich mich sicherlich eine Weile beschäftigen. Kuro zeigte mir einen Arbeitstisch mit Schreibutensilien in der Schublade und überließ mich meinen Studien.

Als er weg war, suchte ich mir Titel heraus, die ich nicht schon selber zu Hause hatte und die sich anhörten, als könnten sie mich ein bisschen inspirieren. Ab und zu veränderte oder erweiterte ich mein Sortiment, ein paar Anregungen konnten also nicht schaden. Besonders fiel mir ein Buch mit dem Titel Seltene Pflanzen für das Alchemielabor auf. Seltene Pflanzen verkauften sich ja meistens auch gut, nur kam es darauf an, ob sie auch oft gebraucht wurden.

Ich verbrachte etwa zwei Stunden damit, Bücher durchzublättern und mir Notizen zu machen, doch dann verlor ich die Geduld dafür und spazierte noch ein wenig wahllos durch die Regalreihen, um vielleicht etwas Interessantes zu finden. Mir fiel ein Schulbuch mit deutlichen Gebrauchsspuren in die Hände, das mit Lichtzauber, Klassenstufe 3 betitelt war und offenbar mal Shiro gehört hatte, denn sein Name stand auf der Innenseite des Einbands. Da ich gerne auch einige andere Zauber als die meines eigenen Elements beherrschte, suchte ich mir ein paar heraus und schrieb sorgfältig die Anleitungen ab, da ich sie ja kaum hier drin würde üben können. Meine Hoffnung, dass es vielleicht ein entsprechendes Buch für Finsterniszauber gab, erfüllte sich leider nicht – oder ich suchte an den falschen Stellen.

Im Anschluss verließ ich die Bibliothek, um mich anderswo im Schloss umzusehen. Die Magier, die ich traf, verhielten sich zumeist freundlich oder zumindest nicht unfreundlich und wiesen mir auf Anfrage den Weg. So kam ich als Nächstes in den Kräutergarten. Solche Anlagen interessierten mich immer, und dieser erfreute meine Augen durch seine präzise Ordnung. Da wir uns an einem Berghang befanden, erstreckten sich die Anbauflächen über mehrere Terrassen, und insgesamt sprachen wir hier wohl von ungefähr einem Hektar, wobei ich die Stellen, wo Bänke unter Bäumen standen, mitrechnete, zumal es sich bei den Bäumen ebenfalls um Nutzpflanzen handelte. Ich erkannte Lavanuss, Nebelkerze und Dornenflieder.

Der Garten wand sich halb um das Schloss herum. Auf der Rückseite befand sich eine Konstruktion, die sich über mehrere Etagen erstreckte und fast völlig aus Glas bestand, und ganz in der Nähe stürzte ein Wasserfall hinab. Doch es gab auch eine Art Innenhof, unsymmetrisch wie die gesamte Architektur, was aber seine eigene Ästhetik hatte. Ich starrte den Baum an, der diesen Innenhof beherrschte. Hier wurden keine Nutzpflanzen angebaut – es war offenbar ein Ort der Einkehr und der Ruhe. Weiße Blütenblätter schwebten mit dem Wind an mir vorbei.

Ein Baum der Ewigkeit. Wie ein gewaltiger Schirm spannte sich die Krone über einen Stamm, den zu umfassen man mindestens vier von meiner Sorte brauchte. Der Baum musste ein paar Jahrhunderte alt sein. Jemand hatte eine Schaukel an einem der dickeren Äste weiter innen befestigt. Eine Bank stand so am Stamm, dass man die Schaukel im Blick hatte. Möglicherweise hatten bereits Shiro und Kuro hier gespielt – wobei ich eigentlich gar nicht wusste, ob sie früher mit ihren Eltern hier gelebt hatten. Ich nahm mir vor, Cosmea und Sage später zu fragen.

An einigen Stellen hingen die Zweige mit den Blüten so tief, dass ich danach greifen konnte. Ich zog einen zu mir herunter. Zuerst hatte ich gedacht, ich hätte mich getäuscht, aber tatsächlich bildete sich da, wo eine verwelkte Blütentraube am Zweig hing, eine dickere Stelle. Als ich weiter unter den Baum trat und nach oben schaute, entdeckte ich vereinzelt mehr davon, auch in anderen Größen. Und schließlich trat ich auf etwas. Ich merkte es, kurz nachdem meine Fußspritze damit in Kontakt kam, so dass ich den Fuß noch zurückziehen konnte, ohne zu großen Schaden anzurichten.

Eine stachelige, grüne Fruchtkapsel. Sie sah sehr reif aus und platzte bereits entlang mehrerer vorgeformter Linien auf. Ich bog die Stücke auseinander und fand einen Samen, der aussah wie eine Art Nuss... oval, dunkelbraun glänzend mit einem hölzernen Muster und einer helleren, runden Stelle, die vielleicht ein Fünftel der Gesamtoberfläche ausmachte.

„Nanana, du willst das doch nicht klauen?“ sprach mich eine helle Stimme an.

Ich hatte gar niemanden kommen hören, aber als ich mich umschaute, entdeckte ich eine hübsche junge Frau auf der Schaukel. Sie hatte ein rosafarbenes Sommerkleid an und trug ihr Haar zu einem Pferdeschwanz hochgebunden und mit Ponyfrisur, wobei ich mir nicht sicher war bezüglich der Farbe. Eben noch sah es weiß oder farblos aus, dann grünlich oder hellblau... auf jeden Fall erschien es irgendwie transparent und wie eine einzige Masse statt einzelne Strähnen. Vielleicht lag es an den Schatten unter dem Baum.

Ich ging ein bisschen näher hin. „Gäbe es einen Grund, eine Nuss zu klauen?“ fragte ich sie.

„Das ist keine Nuss!“ korrigierte sie mich und zog einen Flunsch.

„Dieser Baum könnte durchaus zu den Nüssen gehören,“ informierte ich sie. „Ich habe so einen Samen schon lange nicht mehr gesehen... sie kommen nicht allzu häufig vor.“

„Ja, man sagt, sie wachsen nur auf Gräbern, wenn sie vorher durch Tränen der Lebenden zum Keimen gebracht wurden,“ verkündete sie, das Kinn stolz erhoben. Irgendwie erinnerte mich ihr Getue stark an ein Kind, obwohl sie älter aussah. Achtzehn oder neunzehn.

„Oh... wirklich...“ Das hörte ich zum ersten Mal. „Ich dachte, man pflanzt sie auch, wenn man an etwas Schönes erinnert werden will. Zum Beispiel zur Bundschließung.“

Das Mädchen zuckte dazu nur mit den Schultern.

„Wie alt ist dieser Baum denn?“ ergriff ich wieder das Wort. „Sie bekommen doch erst ab einem hohen Alter Samen, oder nicht?“

„Der ist fast fünfhundert Jahre alt,“ teilte sie mir mit. „So alt wie das Schloss.“

„Dann wurde er anlässlich der Erbauung gepflanzt, ja?“

Wieder bekam ich keine Antwort, nichtmal ein Schulterzucken, so als wollte sie nicht antworten. Nun gut, da konnte ich auch nichts machen. Ich legte den Samen auf die Bank und wollte gehen.

„Du kannst den ruhig mitnehmen,“ gestattete sie überraschend. „Schenke ich dir. Wenn jemand sich beschwert, sag, ich hab es dir erlaubt.“

„Ah. Und welchen Namen soll ich nennen, wenn sich jemand beschwert?“

„Turmalinda.“

„Gut, ich bin...“

„Ich weiß, wer du bist,“ unterbrach sie mich. „Thaumator vom Zirkel des Bösen, der mit der kalten, silbernen Hand.“

Zunächst wusste ich nicht, was sie meinte, doch dann dämmerte mir, dass sie den Ausbrennzauber meinte. Nun war es an mir, als Antwort zu schweigen. Sprachen sich diese Dinge so schnell herum? Gut, vermutlich war Kuro vom Lotusschloss hergekommen, um es Shiro zu erzählen, und vielleicht hatte es jemand gehört und weiter erzählt. Doch dadurch konnte das Mädchen eigentlich nicht wissen, wie dieser Zauber aussah. Oder dass meine Hand sich dabei für das Opfer kalt anfühlte. Hatte vielleicht Cosmea etwas zu viel geplaudert? Konnte ich mir nicht vorstellen, aber sonst ergab es keinen Sinn.

„Woher weißt du das?“ fragte ich sie deshalb.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ist doch egal.“

Ich verdrehte die Augen. Sie benahm sich echt wie eine Zehnjährige. Meine Jüngste war auch manchmal noch so, wenn auch schon sechzehn.

„Zeigst du mir den silbernen Zauber?“ bat mich Turmalinda und schaute mich mit großen Augen an, wie es Kinder immer machen, wenn sie etwas wirklich gerne wollen.

„Nein,“ antwortete ich sofort. „Das ist nichts, womit man spielt.“

„Och... dann gib mir den Samen wieder.“

„Nein.“ Ich musste lächeln, denn diese Masche kannte ich zur Genüge. „Du hast ihn mir geschenkt, es ist meiner. Wiedernehmen ist gestohlen.“

„Aber...!“ Sie starrte mich an und ich fragte mich, ob sie es wohl gewohnt war, ihren Willen zu kriegen. Ihre Iris schimmerte in mehreren Farben, ohne sich auf eine festzulegen. Solche Augen hatte ich noch nie gesehen.

Turmalinda verlegte sich aufs Schmollen, daher wandte ich mich dem Stamm zu und strich mit einer Hand über die Rinde. Die Oberfläche zeigte das typische Muster senkrechter Risse. Ob hier wohl jemand begraben lag? Legenden zufolge konnte die Seele dieser Person dann im Baum weiterleben. Aber ich war weder besonders legendengläubig noch sensibel für solche Dinge, wobei ich letzteres manchmal schade fand.

„Hat mich gefreut, aber nun muss ich los,“ sagte ich zum Abschied zu Turmalinda und setzte meine Erkundung fort.

Zunächst konnte ich einen Blick in das hohe, glasverkleidete Konstrukt werfen und sah darin drei Podeste wie für Statuen, aber es standen keine darauf.

Ich versuchte, das Schloss komplett zu umrunden, doch das erwies sich als schwierig wegen des Wasserfalls. Wie konnte hier eigentlich so ein großer Wasserfall hinabstürzen, wenn wir uns doch hoch auf einem Berg befanden? Wo genau kam das Wasser eigentlich her und wo floss es hin? Ich gelangte bis zu einer Stelle, wo ein stabiles Geländer die Neugierigen vor dem Absturz schützte. Hier wurde ich bereits mit feinsten Tröpfchen besprüht und konnte nach unten schauen, um festzustellen, dass der Wasserfall knapp fünf Meter weiter unten in einen kleinen See fiel, von wo aus ein Bach den Berg hinunter floss. Dort badeten Leute! Natürlich konnte ich nichts von ihren Stimmen hören bei dem Getöse, aber die Anlage schien zum Schloss zu gehören. Nur erklärte das noch nicht, woher das Wasser kam. In einem Schloss mit Schlossherzen konnte es sich durchaus um eine magische Spielerei handeln.

Unter anderen Umständen hätte ich sicherlich einige Nachforschungen betrieben und herausgefunden, was dahinter steckte, doch ich verschob das auf eine andere Gelegenheit. Vielleicht gab es ja in der Bibliothek Informationen darüber, welche Legenden sich um die Bäume der Ewigkeit rankten und vielleicht sogar, ob man die Samen in irgendeiner Form nutzen konnte. Da ich nicht erwarten konnte, die Samen meines eigenen Baumes noch zu erleben, hatte ich mich vorher nie sonderlich dafür interessiert, aber wenn es hier eine Quelle dieser Raritäten gab, schadete dieses Wissen sicherlich nicht. Auf dem Rückweg traf ich Turmalinda unter dem Baum nicht mehr an.

Der Preis der Lüge

Nach meinem Ausflug in die Gärten begab ich mich wieder in die Bibliothek. Dort traf ich zunächst Kuro an, der an einem Tisch in der Nähe des Eingangs saß. Er hatte einen weiteren Tisch herangezogen und auf beiden Bücher gestapelt, von denen die Hälfte aufgeschlagen herumlag, teilweise übereinander, auf Stühlen oder auf dem Boden. Er selbst benutzte ein eher großformatiges, aber dünnes Buch als Unterlage für seine Schreibarbeit. Für mich sah es so aus, als hätte er sich etwas zu viel aufgebürdet.

Obgleich ich ihn nicht stören wollte, näherte ich mich dem Schlossherrn und sprach ihn an: „Verzeihung. Ein junges Mädchen, das sich mir als Turmalinda vorgestellt hat, schenkte mir einen Samen von dem Baum auf dem Innenhof. Ist das in Ordnung?“

Kuro sah kurz auf, wobei sein Finger an einer Stelle in dem Buch verharrte, dass er gerade las. „Ja, sicher, wenn sie das sagt.“

Ich fragte mich, ob er mir richtig zugehört hatte, beließ es aber dabei. „Gibt es hier Bücher, in denen ich Informationen zu Bäumen der Ewigkeit finden kann?“

„Shiro hat eins in seinem privaten Besitz,“ antwortete Kuro, diesmal ohne aufzublicken. „Ich kann es Euch nicht geben, da er nicht da ist, aber Ihr könnt ihn fragen, wenn Ihr morgen weiterreist. Auf Schloss Lotusblüte werdet Ihr ihn ja treffen.“

„Hm... wisst Ihr vielleicht...“

„Tut mir Leid, ich bin beschäftigt.“

„Schon gut.“ Ich verzog mich lieber, schließlich sollte ich hier ja noch übernachten, so dass ich mir lieber nicht den Zorn eines Schlossherrn zuzog. Rasch ließ ich meinen Blick über seine gesammelten Bücher schweifen, und soweit ich die Buchrücken sehen konnte, schienen es Werke über fremde Länder zu sein. Einige der aufgeschlagenen Exemplare zeigten Landkarten oder Darstellungen von etwas, das ich für regionale Kleidung oder Speisen hielt.

Da ich von Cosmea und Sage wusste, dass ihr dunkler Sohn manchmal gerne auf Reisen ging, dachte ich mir nichts dabei, sondern machte mich auf die Suche nach den beiden. Das war gar nicht so einfach, denn die Bibliothek erstreckte sich über mehrere Etagen und Räume, was ziemlich beeindruckend war. Auch dieser Ort verfügte über eine schöne Fensterfront an einer Seite, doch von da aus blickte man auf die Gärten, nicht auf den großen Baum. Ich persönlich bewunderte die Arbeit des Glasers, der für jedes einzelne Fenster so klare Scheiben hinbekommen hatte. Sie waren in recht große Teilstücke aufgeteilt, auch das sah man selten. Komplizierte Bilddarstellungen aus verschiedenfarbigem Glas gab es häufiger und sie sahen viel schwieriger aus, aber soweit ich wusste, bestand eine wesentlich größere Herausforderung in der Herstellung von großen, ungebrochenen Flächen mit großer Klarheit.

Meine beiden Freunde fand ich schließlich zusammen an einem Tisch vor einem dieser Fenster. Im Gegensatz zu ihrem Sohn hatten sie nur wenige Bücher seitlich gestapelt und jeweils eines vor sich aufgeschlagen.

„Ah, Thau, bist du mit deiner Erkundung fertig?“ begrüßte mich Sage, als er mich bemerkte.

„Ich fand die Gärten sehr interessant und entdeckte einen wunderschönen Baum,“ nickte ich.

„Ah ja... der ist wirklich hübsch,“ stimmte der ältere Magier mir zu. „Vielleicht sollten wir für heute Schluss machen und uns mal unsere Zimmer zeigen lassen. Es gibt hier übrigens auch einen Badesee.“

„Danke, nicht für mich,“ murmelte ich. Sie wussten natürlich, dass ich Gruppenbäder üblicherweise mied.

Als sie ihre Bücher wegräumten, sah ich, dass sich meine Freunde mit Seelenmagie und diversen psychologischen Themen befasst hatten. Ich hob eine Augenbraue, zeigte, dass es mir aufgefallen war, fragte aber nicht nach. Wenn sie wollten, konnten sie mir ihre Gründe von selbst erklären, an einem Ort und zu einer Zeit, die ihnen sinnvoll erschien. Hier hatten vielleicht die Wände Ohren in Form von zwei Schlossgeistern, von denen sich noch keiner hatte blicken lassen, was mir aber auch ganz recht war.

Als wir Kuro baten, uns die Zimmer zu zeigen, sagte er nur, es sei das übliche und das gegenüber liegende. Diese Information schien seinen Eltern zu reichen, sicherlich übernachteten sie nicht zum ersten Mal hier.

Sie zeigten mir das besagte Zimmer, wofür wir durch einige Gänge spazierten, die mich ziemlich verwirrten. Mein einziges Gepäck war der Beutel mit meiner nicht mehr existenten Reiseverpflegung, während meine Begleiter Rucksack und Tasche abluden.

Ich sah mich in dem Zimmer um und stellte fest, dass es im Vergleich zu meinem Schlafzimmer zu Hause, das ich bereits groß fand, noch einmal viel beeindruckender war. Alle Möbel waren ein bisschen protzig mit Schnitzereien versehen und teilweise mit Intarsien verziert. Das überdachte Bett alleine hätte für meine ganze Familie gereicht. Ein großer Schrank und eine Sitzgruppe durften nicht fehlen, dann natürlich ein Arbeitstisch und eine kleine Kommode mit Papier und anderen Schreibutensilien, alles vom Feinsten. An einer Wand hing ein Spiegel in einem breiten Holzrahmen. Selbstredend versanken meine Füße in flauschigen, teuer aussehenden Teppichen, und an den insgesamt drei Fenstern hingen schwere, verdunkelnde Vorhänge und versprachen eine ungestörte Nachtruhe. Es gab auch an den Wänden mehrere Kerzenhalter, um später den Raum zu erhellen. Ein Leuchter mit fünf Kerzen konnte auf nächtliche Ausflüge mitgenommen werden.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies alles zur Grundausstattung jedes Zimmers gehörte. Vielleicht war ich hier untergebracht, weil die Schlossherren mich als den Begleiter ihrer Eltern, denen zweifellos ein anständiges Zimmer gebührte, nicht schlechter behandeln wollten. Oder sie wollten einfach ein bisschen angeben.

Ich probierte die Sitzgelegenheiten aus und gönnte mir einige Minuten Ruhe. Tatsächlich war ich wohl etwas eingenickt, als Cosmea an der Tür klopfte, diese ein Stückchen öffnete und sich erkundigte, ob wir zum Abendessen gehen wollten. Da sagte ich gewiss nicht nein. Ein kleines Stimmchen meldete sich in meinem Hinterkopf und merkte an, dass ich nicht so den weltlichen Genüssen frönen sollte, während wir doch eigentlich unterwegs waren, um eine Ausbrennung zu überprüfen. Andererseits tat ich das ja auch nicht zum Vergnügen, insofern sprach wohl nichts dagegen, das beste daraus zu machen.

Das Abendessen bestand aus Brot, dass teilweise noch warm war, und verschiedenen Wurst- und Käsesorten. Außerdem gab es eine Suppe, von der ich erfuhr, dass es sich dabei um Reste des Mittagessens handelte. Insgesamt also eher einfach, aber dennoch üppig im Vergleich.

Zum Essen gab es eine helle Biersorte und alternativ Wasser oder Kräutertee. Ich hielt mich an das Bier. Allerdings verzichtete ich auf einen zweiten Humpen, da ich merkte, wie es mir in den Kopf stieg. Da stieg ich lieber auf Wasser um.

Recht zufrieden und leicht berauscht kam ich später wieder in meinem Zimmer an und stand vor einem unerwarteten Problem. Das Schloss bot keine Nachtgewänder für Gäste an, wie ich es von Zirkelmitgliedern gewohnt war. Dummerweise hatte ich auch keines im Gepäck. Ich überlegte, Cosmea und Sage danach zu fragen, beschloss dann aber, mir keine Blöße zu geben, falls eines der Schlossherzen seine Augen bei mir hatte. Ich wechselte meine Kleidung gegen eine meiner Freizeitzusammenstellungen, die auch zum Schlafen taugte, und beließ es einfach dabei.

Eins musste ich allerdings zugeben, während ich die edle Überdecke zurückschlug und unter die umfangreiche Bettdecke krabbelte. Ich hatte tatsächlich nach einer Weile nicht mehr bewusst bemerkt, dass mir kontinuierlich Energie abgezapft wurde.
 

Am nächsten Morgen wachte ich, wie es meiner Gewohnheit entsprach, sehr früh auf, als es gerade draußen hell zu werden begann. Das wertete ich als Zeichen, dass mein Körper sich gut erholt hatte. Die Beschwerden, die mich gestern noch geplagt hatten, waren nun auch deutlich geringer.

Statt dessen musste ich sofort daran denken, dass wir möglicherweise zu spät zu Sorc kamen, wenn wir zu lange trödelten, daher sah ich nach, ob meine Reisebegleiter noch schliefen. Zumindest Sage traf ich schon wach und angekleidet an, während Cosmea noch mit sich rang, ob sie die warmen Kissen verlassen sollte. Beide stimmten jedoch zu, schnellstmöglich aufzubrechen.

Zehn Minuten später waren wir reisefertig und auf dem Weg, wobei wir in der großen Halle mit den Tischen vorbei kamen, wo bereits das Frühstück vorbereitet wurde, da Magier ja generell früh aufstanden. Wir konnten jeder etwas Brot und Obst für die Reise ergattern und unsere Wasserschläuche nachfüllen lassen.

Plötzlich tauchte Kuro auf. Er sah aus, als hätte er sich in aller Eile etwas übergezogen und sich nur grob gekämmt.

„Hey, Mutter, Vater, wollt ihr schon abreisen? Ich dachte, ihr bleibt noch zum Frühstück!“

„Das geht schon, bei Crimson gibt es sicherlich auch etwas,“ meinte Cosmea.

„Aber er ist doch auf Besuch gar nicht vorbereitet,“ argumentierte der Schlossherr. „Und ihr müsst euch stärken, schließlich dauert die Reise fast zwei Stunden!“

„Vermutlich fast drei mit Burner, aber das geht schon,“ lachte Sage. „Gerade deshalb müssen wir aber auch los, Thaumators Drache ist nicht der Schnellste.“

„Ich kann Euch später einen leihen,“ bot Kuro an, wobei er sich mir zuwandte.

„Danke, aber Burner wäre sicherlich gekränkt.“ lehnte ich höflich ab. „Wir sollten nicht länger warten, denn wir müssen unsere Aufgabe wahrnehmen. Es ist wichtig.“

Kuro gab es auf, und wir konnten endlich aufbrechen.

Zu meiner Überraschung war Burner bereits startklar, genau wie der größere Drache meiner Freunde. Vielleicht hatte er sich an ihm ein Beispiel genommen, schließlich konnten Sage und Cosmea ja telepathisch ankündigen, wenn sie aufbrechen wollten.

„Wenn es auf Lotusblüte einen Notfall gäbe, hätten wir es sicherlich durch die Schlossherzen erfahren, denn Shiro ist ja dort. Dennoch sollten wir uns beeilen,“ sagte Sage. „Bist du sicher, dass du nicht mit uns fliegen willst?“

Ich kletterte bereits mit geübten Bewegungen auf meinen eigenen Drachen. „Ja, das ist schon in Ordnung. Lasst uns vielleicht eine kurze Pause einlegen, wenn euch die Zeit zu lang wird.“

„Mal sehen,“ nickte mein Zirkelkollege.

Wir brachen in ungefährer Richtung des heller werdenden Streifens am Horizont auf, und Burner schien sich richtig ins Zeug zu legen. Hin und wieder holte er den schwarzen Drachen vor uns fast ein, worauf dieser ein wenig schneller wurde. Burners Temperatur näherte sich den neunzig Grad. Ich konnte das ertragen, fand es aber doch schon recht warm.

„Überanstrenge dich nicht,“ riet ich meinem Kumpel, wobei ich mich über seinem Hals weit nach vorne beugte, um dicht an seinem Ohr sprechen zu können.

Burner stieß einen seltsamen Laut aus, worauf der Drache vor uns in den Sinkflug ging und landete, kurz darauf auch wir. Ich war etwas verwirrt. Doch Burner keuchte, wie mir kurz darauf auffiel, und er fiel auf den Bauch, um mich absteigen zu lassen. Das tat ich und ging zu seinem Kopf, um den Nasenrücken zu reiben.

„Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich nicht überanstrengen. Wozu hast du dich so beeilt?“

Burner schubste mich in Richtung meiner Freunde und legte demonstrativ den Kopf auf seine Vorderfüße, als müsse er schlafen.

„Ich glaube, der hat schon ganz gut begriffen, wie es im Zirkel läuft,“ rief Cosmea mir zu. „Er hat beim Schloss einen würdevollen Abgang hingelegt, weiß aber, dass die Strecke zu weit für ihn ist, um sie in angemessener Zeit zu schaffen.“

Burner gab einen bestätigenden Laut von sich, den ich eigentlich aus anderen Zusammenhängen kannte – etwa, wenn ich ihm etwas zu fressen anbot. Ich seufzte gerührt.

„Du kommst aber nach, ja?“ beharrte ich und streichelte noch einmal über seinen glatten, gepanzerten Kopf. Auf jeden Fall würde er mich wohl irgendwie wiederfinden, schätzte ich.

Zögernd ging ich zu dem größeren Drachen und ließ mir von Sage hoch helfen, der hinter Cosmea saß. Nur sehr selten in meinem Leben hatte ich andere Drachen geritten als meinen. Meistens war Burners Tempo auch ganz in Ordnung. Wenn es jemand sehr eilig hatte, etwa in einem medizinischen Notfall, gab es noch Roses Drachen.

Wir waren bisher kaum zehn Minuten unterwegs gewesen. Der Rest der Reise verlief sehr viel schneller als der Anfang, und ich schloss heimlich die Augen, während ich mich an Sage festhielt und mich bemühte, nicht zu verkrampft zu wirken. Luftkrank würde ich mich nicht nennen, aber ich war es halt nicht gewohnt, in dieser Geschwindigkeit zu reisen.

Wir landeten etwas außerhalb des Gebietes von Schloss Lotusblüte, so dass wir uns noch etwas die Beine vertreten konnten. Ich für meinen Teil hoffte auf einen kleinen Imbiss, da ich es nicht gewagt hatte, unterwegs meinen Proviant anzurühren. Allerdings wusste ich auch, dass wir vermutlich nicht gerade willkommen sein würden. Ich wechselte magisch meine Jacke und fügte noch einen passenden Hut hinzu. Es war die weinrote Kombi mit den Goldrändern.

„Na, das wäre aber nicht nötig gewesen, Thau,“ lächelte Cosmea. „Du immer mit deiner Eitelkeit.“

„Du kannst darauf verzichten, du bist seine Großmutter, ich aber bin nur der böse Magier vom Zirkel,“ erwiderte ich, nahm eine gerade Haltung an und setzte ein strenges, sachliches Gesicht auf.

„Das Schloss hat ebenfalls ein Schlossherz, also sei darauf gefasst, dass dir wieder Energie abgezogen wird,“ bemerkte Sage. „Darüber hinaus ist es ein beseeltes Schloss, seit Sorc seine Seele damit verbunden hat.“

„Ja, ich kenne die Berichte,“ nickte ich. „Aber wird die Ausbrennung dann Folgen für das Schloss haben?“

Sage strich sich nachdenklich den Bart glatt. „Davon gehe ich mal aus.“

Keine allzu schönen Aussichten, wenn das Schloss selbst uns nicht willkommen hieß.

„Habt ihr deswegen Bücher über Seelenmagie gewälzt?“ erkundigte ich mich.

„Tja, es hätte ja irgendwo Informationen geben können,“ entgegnete Cosmea. „Aber so einen Fall gab es natürlich noch nie, also auch keine Aufzeichnungen dazu. Leider konnten wir auch nichts finden, das annähernd so ähnlich beschrieben wurde. Schade, ich hätte Crimson gerne damit geholfen.“

Möglicherweise machte meine alte Freundin sich auch ihre Gedanken und kompensierte das auf diese Art.

Wir waren noch recht früh dran, auch wenn wir bereits den einen oder anderen Magier sahen, der in der Umgebung Lauftraining absolvierte. Da wir uns von der Landseite näherten, ergab sich vorerst kein Blick aufs Meer.

Als wir bereits das Haupttor sehen konnten, schienen wir eine Grenze zu überschreiten, denn plötzlich fühlte ich mich von feindlichen Augen beobachtet, und ich bemerkte auch den Energieverlust. Es wurde schlimmer, als wir weiter gingen, so als ob die Reichweite des Gegners dann besser wurde. Ich versuchte, mich dem Schlossherz zu öffnen wie beim Kristallschloss, was offenbar auch ganz gut klappte... nach einer Weile blieb der Pegel gleich. Jedoch fand ich, dass ich hier mehr Energie einbüßte. Ob das daran lag, dass hier nicht so viele Leute wohnten und daher jedem Einzelnen mehr abverlangt wurde, oder ob es vielleicht reine Bosheit war oder vielleicht auch nur Einbildung meinerseits, konnte ich nicht beurteilen.

Nun ja, ein Gutes hatte die Sache – es fiel mir umso leichter, den strengen Zirkelmagier rauszukehren.

Das Haupttor war geschlossen, als wir uns dem Gebäude selbst näherten, dafür ging daneben eine Tür in normaler Größe auf, wo uns der Schlossherr Crimson empfing. Er trat einen knappen Meter nach draußen, und mehr war auch kaum nötig, denn wir waren nahe genug.

„Großmutter, Großvater! Wie nett, dass ihr mich besucht. Und Ihr seid... Thaumator, nehme ich an.“

Ich neigte zum Gruß den Kopf, als er sich mir zuwandte. „Freut mich, Euch kennen zu lernen, Direktor Crimson. Wir wurden uns ja leider noch nicht vorgestellt.“

Jedenfalls nicht persönlich, obwohl wir uns natürlich vom Sehen kannten, konnte man sagen. Crimson musterte mich kurz und schien nach Worten zu suchen, während er sich ein Bild von mir machte, das vermutlich nicht gut ausfiel.

Zuletzt wandte er sich an seine Großeltern. „Habt ihr schon gefrühstückt?“

„Nein, wir sind vor dem Frühstück abgereist, obwohl Kuro uns angeboten hat zu bleiben,“ entgegnete Sage. „Aber wir würden uns gerne mit dir unterhalten, und was eignet sich besser dafür als ein Essen?“

„Ja... gehen wir doch in mein Büro,“ schlug Crimson vor.

Einige Sekunden verstrichen, ohne dass er sich vom Fleck bewegte.

„Willst du nicht vor gehen?“ forderte Cosmea ihn schließlich auf.

Crimson schien jetzt auch zu merken, dass er den Eingang blockierte. „Ja... sicher.“ Er drehte sich um und ermöglichte es uns damit, die Schwelle zu überschreiten.

Als wir drei eintraten, fühlte ich mich noch mehr wie auf Feindesland – wie auf einem Gelände, wo ich nur geduldet wurde, aber keineswegs willkommen war. Ein Schimmern huschte über den Boden, wo für einen kurzen Moment mir unbekannte Symbole in verschiedenen Farben aufleuchteten, möglicherweise eine geheime Schrift. Ich sah mich instinktiv um und entdeckte den Effekt vereinzelt auch weiter oben an den Wänden. Fast erwartete ich, dass sich eine Falle aktivierte, doch vermutlich war es nichts dergleichen. Es mochte an dem nachträglich beseelten Zustand liegen. Schließlich musste Sorc seine Seele ja irgendwie an das Schloss gebunden haben, da lag ein Bann der Seelenmagie nahe. Ich hielt mich ja für nicht allzu sensibel im Bezug auf solche Dinge, aber selbst ich wurde von einer gewissen Unruhe ergriffen.

„Dies ist wirklich ein interessantes Schloss,“ befand ich in einem möglichst neutralen Tonfall. „Eines, das anscheinend seine Gefühle nicht unter Kontrolle hat. Stimmt es, dass es nachträglich beseelt wurde... mit der Seele des Rehabilitanden?“ Eigentlich wusste ich das ja, aber nur aus Erzählungen und Berichten meiner Kollegen, daher wollte ich es gerne aus erster Hand hören.

„Ja, das ist korrekt,“ gab Crimson Auskunft, erörterte das Thema aber nicht weiter. Er führte uns zu seinem Büro, wo Shiro zu uns stieß.

„Hallo, Eltern. Seid gegrüßt, Thaumator,“ sagte er. „Ich dachte, ihr kommt später.“

„Man könnte glatt an eine Verschwörung glauben,“ merkte Sage an.

„Da hast du Recht,“ gab Shiro unumwunden zu.

Ich hob eine Augenbraue in seine Richtung, fragte aber ansonsten nicht nach. Offenbar hatte man bewusst versucht, uns hinzuhalten. Das passte ja zu Kuros Verhalten von heute früh. Nur verstand ich nicht, was das sollte. Wusste denn hier niemand, wie wichtig es war, dass wir kamen? Shiro schien ja eine gewisse Ahnung zu haben, als wir gestern mit ihm sprachen, aber auf jeden Fall gab es ja noch Vindictus. Der musste zumindest merken, wenn sich Sorcs Zustand verschlechterte.

Der Schlossherr öffnete die Tür seines Büros. Sie klemmte offenbar, denn er musste sich mit Kraft dagegen stemmen und ließ sie dann offen. Ich konnte aber beim Eintreten keine Langzeitspuren auf dem Boden oder am Holz entdecken, daher musste das wohl eine jüngere Entwicklung sein – zumal ja auch niemand so etwas unrepariert lassen würde.

Crimson überließ uns höflich die Polstermöbel in der Sitzecke und holte für seinen Vater und sich selbst einen Stuhl vom Schreibtisch. Die Zusammenstellung seiner Möbel und deren Farbgebung fand ich... nun... interessant. Wie vorläufig zusammengewürfelt und dann nie durch etwas Passenderes ersetzt.

Eine Bedienstete kam kurz darauf mit einem großen Tablett, auf dem sich außer Geschirr und Besteck aber nur eine Schüssel mit warmem Getreidebrei und eine Kanne Tee befanden. „Es tut mir Leid, wir haben nicht mit Besuch gerechnet,“ sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.

„Das macht doch nichts, ich esse morgens eh nicht viel,“ meinte Shiro und nahm ihr freundlich das Tablett ab. „Wenn der Brei gut ist, gibt es doch nichts einzuwenden.“

„Was ist das für ein Tee?“ erkundigte Cosmea sich naserümpfend.

„Strandlotus,“ klärte Crimson sie auf. „Eine Spezialität des Lotusschlosses.“ Crimson nahm eine Schluck. „Etwas heiß ist er noch.“

Er verzog keine Mine, dabei wusste ich, dass das Zeug widerlich schmeckte, seit Basalt es als Medizin gegen Schattenfieber erhalten hatte. Das wuchs hier also? Ich hätte gerne danach gefragt, aber das gehörte jetzt nicht zum Thema. Schade.

„Der Honig zum Süßen ist leider alle,“ lächelte das Dienstmädchen, scheinbar peinlich berührt. „Wir haben vergessen, welchen anzufordern.“

Das erschien mir wenig glaubwürdig, allerdings konnte ich mich nach wenigen Minuten kaum noch daran erinnern, wie das Mädchen ausgesehen hatte. Seltsam. Ich ließ den Gedanken dann aber sogleich fallen und aß meinen Getreidebrei. Zweifellos wäre das Frühstück im Kristallschloss üppiger und leckerer ausgefallen, aber ich hatte Hunger. Außerdem aß ich oft Getreidebrei zum Frühstück und hatte im Grundsatz kein Problem damit.

„Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund für euren Besuch?“ erkundigte Crimson sich bei seinen Großeltern. „Und dafür, dass ihr einen Zirkelmagier mitbringt?“

„Stell dich nicht dumm, Junge“ mahnte Cosmea. „Du weißt, dass Thaumator nicht irgendein Magier ist. Wir wollen sicherstellen, dass es mit dem Rehabilitanden Sorc keine Komplikationen gibt. Manchmal können gesundheitliche Schäden auftreten, und das wollen wir ja nicht.“

„Ich werde meinen Heiler herbitten. Er wird euch über Sorcs beziehungsweise Soachs Gesundheitszustand Auskunft geben können,“ wiegelte Crimson ihre Worte ab. Vielleicht war ihm der Ernst der Lage nicht klar.

„Wir werden uns lieber persönlich davon überzeugen,“ teilte ich ihm daher mit.

„Das werdet Ihr nicht,“ widersprach Crimson. „Vindictus ist wahrscheinlich schon unterwegs, da ihn mein Schlossherz inzwischen wohl verständigt hat.“

Na fein, dann warteten wir eben auf Vindictus. Ich wollte an dieser Stelle auch unnötigen Streit vermeiden, und es schien Cosmea und Sage ebenso zu gehen, denn keiner von uns sagte etwas. Doch ich fragte mich ernsthaft, ob der Schlossherr vielleicht unterschätzte, in welcher Lage sich Sorc befand. Er goss sich Tee nach und gab sich völlig unbekümmert. An dieser Stelle überlegte ich, dass er uns womöglich nur etwas vorspielte, obgleich ich mir nicht denken konnte, wieso. Wollte er uns absichtlich davon abhalten, unsere Pflicht zu tun?

„Direktor Crimson... sicher wollt Ihr mit uns zusammenarbeiten, schließlich hat bis jetzt alles gut geklappt,“ versuchte ich es noch einmal.

Cosmea war etwas energischer. „Stell dich nicht so an, wir wollen ihn doch nur kurz besuchen und überprüfen, ob alles in Ordnung ist!“

„Dafür wird das Wort meines Heilers wohl reichen,“ beharrte Crimson hartnäckig.

„Crimson, also wirklich!“ Cosmea sprang von ihrem Sessel auf.

Irgendwie beschlich mich der Verdacht, dass meine alte Freundin es nicht gewohnt war, von Ihrem Enkel so die Stirn geboten zu bekommen. Er ließ sich jedenfalls durch ihr Verhalten in keiner Weise einschüchtern, sondern stand ebenfalls auf und machte erneut seinen Standpunkt klar: „Setz dich, Großmutter. Rede mit meinem Heiler.“

Sage und ich tauschten einen kurzen Blick aus und kamen darin überein, uns einfach mal nicht einzumischen. Ich nahm mir noch etwas Getreidebrei nach.

Nach scheinbar endlosen Minuten lenkte Cosmea ein. „Na schön. Ich rede mit dem Mann, aber wenn mir seine Aussage nicht ausreicht, werde ich persönlich den Gesundheitszustand des Rehabilitanden überprüfen.“

„Einverstanden,“ kam Crimson ihr entgegen.

Die beiden setzten sich wieder, und damit ließ die Spannung im Raum spürbar nach. Ehe wir in die Verlegenheit kamen, ein Gesprächsthema suchen zu müssen, um die Stille zu überbrücken, kam dann auch tatsächlich Vindictus dazu. Er quetschte sich durch den Türspalt der noch immer festklemmenden Tür. Dann zupfte er kurz seine Kleidung glatt und baute sich zwischen Crimson und Shiro auf.

„Seid gegrüßt, ich bin Vindictus, Heiler in diesem Schloss. Das Schlossherz teilte mir mit, dass meine fachkundige Meinung hier benötigt wird.“

„Hallo, Vindictus,“ lächelte Sage in seine Richtung. „Das sind meine Frau Cosmea und mein Kollege vom Zirkel, Thaumator.“

„Huch, woher kennt ihr euch denn?“ entfuhr es Crimson, der sichtlich von dieser Entwicklung überrascht war.

„Vindictus war ein junger Referendar an der Akademie, als ich dort die vierte Klasse besuchte,“ gab Sage Auskunft.

„Jaja, der junge Sage,“ grinste Vindictus verschmitzt. „Damals hast du noch eine anderen Namen verwendet.“

„Reden wir nicht davon,“ winkte Sage ab und lachte kurz nervös. „Wir sind ja eigentlich wegen Sorc hier. Cosmea und Thaumator wollten überprüfen, ob die Ausbrennung vollständig war.“

„Der Mann nennt sich jetzt Soach, da er seinen früheren Namen abgelegt hat – zumal das auch sein Hexername war.“

Wir nahmen die Information mit einem Nicken zur Kenntnis, während der Heiler fortfuhr.

„Es ging Soach in der Tat sehr schlecht, jedoch bereits gestern. Sein Körper schien die Lebenskraft aufzubrauchen in dem Versuch, neues Meras herzustellen. Das hat mich bei ihm eigentlich auch nicht gewundert, er... war mit Leib und Seele Magier.“

Ich war entsetzt über diese Information, denn sie bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen. Doch es war ungewöhnlich, dass diese Probleme so früh auftraten. Deshalb waren wir ja auch heute erst hier und fanden das noch eher früh. Eigentlich hätten wir einen ausgebrannten Magier erst am dritten Tag besucht, doch bei Soach hatten wir ja gleich den Verdacht, dass es eilig war.

Vindictus atmete einmal tief durch. „Ich hatte eigentlich gehofft, dass er sich auf wundersame Weise erholt, weil ich es von allen mir bekannten Personen ihm zugetraut hätte, solch ein Wunder zustande zu bringen. Es wäre eine interessante wissenschaftliche Thematik gewesen. Doch das geschah selbstredend nicht. Dennoch ist jetzt alles wieder in Ordnung mit ihm. Ich kann ebenfalls Magie ausbrennen und habe in meiner Eigenschaft als Schlossheiler bereits sichergestellt, dass Soach keinen gesundheitlichen Schaden zurückbehalten wird. Jedoch habe ich zur Vorsicht verfügt, dass er sich ausruht und mindestens drei Tage zur Beobachtung auf der Krankenstation bleibt.“

Dass Vindictus auch ausbrennen konnte, hatte ich nicht gewusst, doch es beruhigte mich insofern, als dass er dann wohl gewusst hatte, was zu tun war. Im Prinzip gab es an seinen Ausführungen nichts auszusetzen, doch ich hätte mich dennoch gerne selber davon überzeugt.

„Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir aus irgendeinem Grund von dem Rehabilitanden ferngehalten werden sollen,“ sagte ich ganz offen.

Vindictus lächelte erhaben. „Natürlich. Unser Direktor hier möchte seinem Freund die Begegnung mit Euch ersparen, schließlich... war das letzte Mal nicht gerade angenehm.“

Cosmea schüttelte seufzend den Kopf. „Warum sagst du das denn nicht gleich, Junge?“

„Ich dachte, dass meine persönlichen Beweggründe für den Zirkel des Bösen nicht relevant sind,“ murmelte Crimson schulterzuckend. „Deshalb wollte ich mich lieber anders durchsetzen.“

„Nun... das ist lobenswert. Ich darf dir verraten, dass ich mich freiwillig für die Ausbrennung gemeldet habe, weil ich wusste, dass es um einen Freund von dir geht. Natürlich konnte ich ihm nicht ersparen, was geschehen musste, aber ich wollte irgendetwas für dich tun...“

„Sentimentaler Quatsch, wenn du mich fragst,“ wandte ich ein. Das war nicht wirklich meine Meinung, aber ich wollte meine Freundin gerne in einem besseren Licht dastehen lassen, weil sie vorhin so mit ihrem Enkel aneinander geraten war. „Cosmea, wir müssen irgendetwas in unseren Bericht schreiben, damit die Akten in Ordnung sind. Sollen wir sagen, dass wir unsere Pflicht nicht getan haben, weil ein Heiler uns gesagt hat, dass er sich schon darum gekümmert hat?“

„Warum nicht?“ erwiderte sie. „Vindictus ist vielen Magiern bekannt. Seine Meinung wird anerkannt werden.“

Ich überlegte, noch einen drauf zu setzen, doch es reichte dann wohl auch. „Wie du meinst, Cosmea.“

„Ich freue mich, dass wir uns einigen konnten,“ lächelte Crimson in die Runde. „Noch Tee?“

Das lehnten wir alle höflich ab, und meine beiden Begleiter und ich verabschiedeten uns dann auch. „Wir müssen dem Zirkel schnellstmöglich Bericht erstatten,“ sagte Cosmea. „Heute oder morgen wird wohl auch darüber beraten werden, wo wir den Rehabilitanden hinschicken. Ich hörte, dass du ihn behalten willst.“

„Ja doch,“ bestätigte Crimson. „Kannst du dich ein wenig für mich einsetzen?“

„Ich werde sehen, was ich tun kann,“ versprach seine Großmutter.

Crimson begleitete uns zur Tür, als wolle er sichergehen, dass wir gingen. Auch Shiro kam mit, um seine Eltern zu verabschieden. Er umarmte beide und lud sie ein, ihn bald wieder zu besuchen. Mir fiel noch ein, dass ich ihn nach dem Buch fragen konnte, das Kuro erwähnt hatte, doch das erschien mir im Moment unpassend.

Wir traten den Rückweg an und schwiegen, bis wir die Grenze des Bereiches, auf den das Schlossherz Einfluss nehmen konnte, erreicht hatten. Das war deutlich zu bemerken, ein Gefühl, als wenn Druck in der Luft nachlässt und eine innere Unruhe weicht. Ich atmete erleichtert auf.

Cosmea lachte plötzlich. „Also Thau, du wolltest wirklich, dass sie dich nicht leiden können, was?“

„Najaaa... ich wollte von dir ablenken,“ grinste ich. „Hoffentlich ist wirklich alles in Ordnung. Aber wenn sie das alle so fest behaupten, ist es nicht mehr unsere Verantwortung.“

„Da hast du Recht. Denk einfach nicht weiter drüber nach.“

„Was haltet ihr davon, wenn wir im nächsten Dorf ein Gasthaus aufsuchen, ehe wir abreisen,“ schlug Sage plötzlich vor. „Dieser Getreidebrei war ja wohl nicht ernst gemeint.“

„Ich habe bei unserer Ankunft eins recht nahe beim Schloss gesehen, aber wir müssten umkehren, um es zu erreichen. Dort drüben müsste noch eines sein, das jetzt eher auf dem Weg liegt.“ Cosmea zeigte in die Richtung.

Wir spazierten in gemächlichen Schritten dorthin und fanden bald einen Trampelpfad, dem wir folgen konnten. Hier gab es auch mehr Bäume als in unmittelbarer Nähe zum Schloss. In der Ferne war ein Wald sichtbar.

„Gehört das hier noch zum Hoheitsgebiet von Schloss Lotusblüte?“ erkundigte ich mich.

„Denke schon,“ meinte Sage.

Wir erreichten das besagte Dorf nach einem guten Fußmarsch, den ich entspannend fand, und betraten es auch ohne zu zögern. Es war ein ganz normaler Ort mit Bauern, die Vieh hielten oder etwas anbauten. Mir fiel eine Obstplantage auf und einige Felder und Weiden in der Umgebung.

Was mir noch auffiel, waren die feindseligen Blicke der Leute. Niemand griff uns direkt an, aber manchmal wurden Fensterläden oder Türen zugeknallt, kurz nachdem ich dort ein grimmiges Gesicht erspäht hatte. Obwohl wir Personen grüßten, an denen wir vorbei kamen, starrten sie uns alle einfach nur an, ohne die Höflichkeit zu erwidern. Ich hätte mich vielleicht zu einer abfälligen Bemerkung über Bauern hinreißen lassen, wenn ich mich nicht selber zu ihnen gezählt hätte. Gastfreundlichkeit sah jedenfalls anders aus, und ich fragte mich ernsthaft, ob ich hier Geld für Essen lassen wollte.

„Ich habe noch von dem Proviant aus dem Kristallschloss,“ murmelte ich und fühlte mich direkt mal belauscht. „Wir... könnten nur schnell ein Brot kaufen.“

„Dafür bin ich auch. Diese Leute scheinen nicht auf Gäste vorbereitet zu sein, daher nehme ich an, dass sie im Gasthaus auch kein Essen für Besucher anbieten,“ stimmte Cosmea zu, und im Vergleich zu mir sprach sie laut genug, dass sie vermutlich in dem ganzen Kaff verstanden wurde.

Dies hatte dann allerdings zur Folge, dass alle Geschäfte plötzlich geschlossen hatten oder die Waren ausverkauft waren. In solchen Momenten musste ich gegen das Verlangen ankämpfen, irgendetwas nur zum Spaß in Brand zu stecken.

Als wir das Dorf ein paar hundert Meter hinter uns gelassen hatten, riefen Cosmea und Sage ihren Drachen herbei, und wir brachen unzeremoniell doch noch auf. Bloß gut, dass wir nicht noch Geld dagelassen hatten, überlegte ich im Nachhinein, aber eine vernünftige Mahlzeit hätte mir auch gefallen.
 

Wir machten nach einer halben Stunde Pause und verspeisten unsere Proviantrationen, dann ging es direkt weiter zum Schwarzen Turm. Zu meiner Überraschung wartete Burner dort. Ich hatte damit gerechnet, ihn erst bei mir zu Hause zu treffen oder dass er vielleicht zum Kristallschloss zurückgeflogen war, was ungünstig gewesen wäre.

„Guter Junge,“ flüsterte ich ihm zu und kraulte ihn hinter seinem Nackenschild.

„Wie wär's, wenn du zum Essen bleibst, Thau, Rose erwartet dich bestimmt nicht früher zurück,“ lud Cosmea mich ein. „Wir gehen in ein Gasthaus in unserem Dorf, da gibt es noch anständige Gastfreundschaft.“

„Gerne,“ nickte ich.

Wie sich herausstellte, konnten die Dörfler tatsächlich gut kochen, und sie lächelten, als sie uns die Teller servierten. So wünschte man es sich. Nach dem Essen tranken wir noch ein Bier und besprachen dabei den Bericht an den Zirkel. Cosmea und ich notierten Stichpunkte, und Sage erklärte sich bereit, die Endfassung zu schreiben und abzugeben. So gern ich im Anschluss noch bleiben wollte, machte ich mich doch nach etwa einer Stunde Aufenthalt im Gasthaus auf den Heimweg, denn ich wollte endlich wieder die normalen Probleme eines Bauern für alchemistische Zutaten bearbeiten, auch wenn mich die Ausbrennung vielleicht noch eine Weile in meinen Träumen und Grübeleien beschäftigen würde. Meine Finanzen würden sicher bald wieder in den Vordergrund treten.

Dieses Mal konnte ich Burner sein Tempo selber bestimmen lassen und genoss einfach den ruhigen Flug. Ich freute mich auf eine Tasse Tee, der nicht nach Medizin schmeckte, und danach vielleicht etwas Feldarbeit oder Organisation. Seit gut einer Woche hatte ich kaum noch mit meiner Familie die Lage besprechen können. Das fehlte mir und beunruhigte mich, obwohl ich eigentlich niemand war, der immer und ständig alles kontrollieren musste. Ich wusste dennoch gerne Bescheid. Rose verzeichnete bei uns die Einnahmen und Ausgaben und informierte mich, wenn es etwas Wichtiges gab, etwa, wenn die Ausgaben viel höher ausfielen als erwartet oder schlicht und einfach die Einnahmen nicht reichten. Leider war das in den letzten Jahren öfter geschehen, aber ich hoffte, dass sich nun langsam Besserung einstellte. Immerhin blieb uns nun lange Zeit für die nächste Rate, nachdem Phalae mir so freundlich Aufschub gewährt hatte.

Basalt wusste nichts von meinem Kredit, noch nicht einmal, dass wir Sana im Moment nicht bezahlten. Er war gelernter Artefaktmagier, hatte sich aber noch keinen eigenen Ruf erarbeiten können. Eigentlich bot es sich für junge Leute dieser Zunft an, für einen bekannteren, älteren Artefaktmagier zu arbeiten, doch Basalt hatte nach dem Schulabschluss mit Spezialisierung auf Artefaktmagie noch zwei Jahre lang bei einem gelernt und sich stets beschwert, dass er gar keinen Spielraum für eigene Projekte hatte, sondern immer nur die Verkaufsartikel seines Meisters produzierte. Somit wohnte er jetzt seit etwa einem Jahr wieder zu Hause und half uns aus, indem er ein paar Dinge bastelte, die sich ganz gut verkaufen ließen. Amulette und Talismane und solche Sachen. Ein Großteil der Einnahmen floss aber wiederum in seine Hobbys. Er hatte Freude daran, Bücher zu kopieren. Und zwar nicht einfach als Abschrift für den Gebrauch, sondern originalgetreu, inklusive altem Ledereinband und vergilbten Seiten. Ich ließ ihn gewähren.

Außerdem machte sich Basalts Erdmagie oft bei den Ernten bezahlt. Er ging regelmäßig zwischen den Beeten und Bäumen spazieren und überprüfte die Bodenbeschaffenheit. Er konnte sogar feststellen, wenn unterirdisch Schädlinge an den Wurzeln fraßen oder ob Mineralstoffe in der Erde fehlten. Durch seine Magie konnte er recht zuverlässig beurteilen, ob Knollen und Wurzeln schon die gewünschte Größe erreichten. Auch ging die Ernte selbst manchmal viel schneller, denn er konnte den Boden vorher auflockern. Insofern drängte ich ihn natürlich nicht, sich einem älteren Artefaktmagier anzuschließen.

Um meine Älteste brauchte ich mir keine Sorgen zu machen. Toyara kam ab und zu vorbei und brachte meistens etwas Beute von ihren Reisen mit, manchmal auch die Gruppe, mit der sie gerade unterwegs war, wenn unser Haus auf dem Weg lag und die Helden etwas Erholung brauchten. Das gab dann manchmal ganz nette Nebeneinkünfte für Artikel aus unserem kleinen Lagerbestand.

Lediglich Vesuvia ging noch zur Akademie und zeigte zur Zeit noch keine Anstalten, sich für irgendeinen Beruf entscheiden zu wollen. Sie interessierte sich für meinen Geschmack etwas zu sehr für typische Mädchensachen wie Kleider und Jungs. Aber gut... mit sechzehn war das wohl so.

Am frühen Nachmittag erreichte ich mein Zuhause. Im Anflug fiel mir ein kleinerer Drache auf, der in unserem Garten ruhte. Naja, etwa so groß wie Burner war er schon. Vielleicht einer von der Akademie, was hieße, dass Vesuvia hier war. Das war ja eine schöne Überraschung!

Ich landete vor dem Haus und streichelte meinen geschuppten Freund ausgiebig zum Dank für seine Transportdienste. Er gähnte und spazierte in die Scheune. Wahrscheinlich würde er sich etwas ausruhen und dann jagen gehen.

Später gedachte ich, mir all meine Felder genau anzusehen, das Wachstum meiner Pflanzen zu kontrollieren und generell normale Dinge zu tun. Ja, darauf freute ich mich jetzt. Aber erstmal waschen und umziehen. Ich fühlte eine große Erleichterung darüber, dass die Ausbrennung nun endgültig abgeschlossen war und ich nichts mehr deswegen unternehmen musste. Eventuell würde ich die Zusammenkünfte besuchen, bei denen über Sorcs weiteren Verbleib entschieden werden sollte.
 

Sobald ich das Haus betrat, hörte ich ein vertrautes Geräusch von schnellen Füßen auf der Treppe und musste lächeln. Vermutlich hatte Vesuvia meine Ankunft vom Fenster aus bemerkt. Meistens, wenn sie zu Besuch kam, hatte sie mir irgendetwas extrem Wichtiges zu erzählen.

Schon kam sie mir entgegen gerannt und fiel mir um den Hals. Dann sah sie mich schmollend an. „Vati! Endlich erwische ich dich mal! Ich war ja vor ein paar Tagen schonmal da, aber Mami meinte, du hättest keine Zeit... also kam ich gestern wieder, aber du warst wieder nicht da, und inzwischen werde ich schon schief angeguckt, wenn ich einen Drachen ausleihen will...“

„Ich hatte etwas beim Zirkel zu tun,“ sagte ich. „Keine schöne Sache. Aber jetzt ist das beendet.“

„Na ein Glück, es ist jetzt nämlich schon richtig dringend...“

„Vesuvia, Liebes,“ unterbrach Rose sie. „Lass deinen Vater erstmal zur Ruhe kommen, bevor du ihn damit konfrontierst. Er war ziemlich viel unterwegs.“

„Hm na gut.“ Meine Tochter ließ etwas widerstrebend von mir ab.

„Ich versuche, mich zu beeilen,“ versprach ich und strich ihr übers Haar. Sie sah Rose sehr ähnlich, inklusive rotem Haar. Mehr und mehr erinnerte sie mich an früher, als meine Frau noch eine junge Dienerin im Hause meiner Mutter gewesen war.

Irgendwie machte Rose ein skeptisches Gesicht. Ihre Lippen pressten sich stark aufeinander und bildeten einen schmalen Strich. So sah sie aus, wenn sie sich sorgte. Aber vielleicht fragte sie sich nur, ob bei mir alles in Ordnung war.

Ich wusch mich schnell im Bad uns zog mir andere Sachen über, die für die Feldarbeit taugten. Also etwas Einfaches und Stabiles samt Schuhen. Da ich das mal wieder magisch tat, würde ich später mal meinen Schrank durchsehen müssen, ob etwas davon zu waschen war. Eventuell reichte es, die Jacken zu lüften und die Hemden zu waschen, die ich zuletzt angehabt hatte.

Als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, hatte Vesuvia sich umgezogen und trug jetzt ein nachtblaues Kleid. Eines, das ich noch nie an ihr gesehen hatte. Mein erster Gedanke war, dass ich es ziemlich gewagt fand für ihr Alter. Es ließ völlig die Schultern frei und zeigte oben herum generell viel Haut. Auf Brusthöhe war es V-Förmig ausgeschnitten und wurde von zwei schmalen Bändern gehalten, die im Nacken zusammengebunden wurden. Das V hätte meiner Meinung nach nicht ganz so tief gehen müssen. Der aus mehreren Schichten von Rüschen bestehende Rock reichte nur gerade so bis zu den Knien. Vesuvia drehte sich stolz und gewährte mir einen Blick auf den fast gänzlich unbedeckten Rücken. Eine große Zierschleife war oberhalb ihres Hinterns angebracht, und von ihr hingen die zwei Bänder verschwenderisch lang nach unten und wurden immer breiter, wie eine Schärpe. Die Unterseite dieser Bänder, welche man von vorne sah, hatte eine andere Farbe, nämlich ein dunkles Rot. Das ganze Kleid war mit glitzernden Steinchen besetzt, so dass es funkelte wie ein silbriges Feuerwerk.

„Du musst dir vorstellen, dass ich dazu die Haare hochgesteckt habe,“ hörte ich die Stimme meines jüngsten Kindes wie aus weiter Ferne. „Und andere Schuhe natürlich, aber die habe ich in meinem Zimmer an der Akademie gelassen. Wie gefällt es dir?“

„Es... sieht teuer aus,“ bemerkte ich. Was natürlich ihre Frage nicht wirklich beantwortete.

Vesuvia verschränkte die Arme vor der Brust, wodurch ihre jugendliche Oberweite nach oben gedrückt wurde. Das Kleid schien so verarbeitet zu sein, dass es ohnehin etwas mehr Fülle hinzufügte. „Ist das alles, was dir dazu einfällt? Es ist für den Sommerball der Akademie, an dem ich dieses Jahr zum ersten Mal teilnehmen kann! Da kann ich doch nicht in nem billigen Fetzen aus dem Sortiment hingehen, in dem dann vielleicht noch drei andere rumlaufen!“

Ich fühlte meine Knie weich werden und taumelte Richtung Esstisch, wo ich auf einen Stuhl sank, den Rose mir reaktionsschnell hinschob. „Der Sommerball... ja... wir wollten nächste Woche mit dir darüber reden... und vielleicht mal bei Elfstride & Covenflower vorbeischauen...“

Meine Tochter verzog das Gesicht. „Vati, das ist ein Laden für alte Vetteln und keusche Jungfern! Stell dir vor: Die berühmte Gewandmeisterin Efrinora hat ein Seminar in der Stadt gehalten und dann einige wenige Aufträge angenommen! Ich konnte einen ergattern!“

Sie hüpfte jetzt aufgeregt vor mir auf der Stelle, die Hände unter ihrem Kinn zu Fäusten geschlossen und breit grinsend. Eine niedliche Geste, die ich noch aus ihrer frühesten Kindheit kannte, doch leider konnte ich ihre Begeisterung überhaupt nicht teilen.

„Elfirona,“ wiederholte ich. Der Name klang teuer.

„Nein, Efrinora heißt sie,“ korrigierte sie mich. „Lebst du in einer anderen Zeitepoche oder warum hast du noch nie von ihr gehört? Sie ist die Koryphäe in der Modewelt der Magier! Würde dir vielleicht auch nicht schaden, sie mal zu besuchen, du hast all deine Klamotten seit Jahren!“

Ich merkte, dass es hinter meiner Stirn zu pochen begann. Elfstride & Covenflower waren schon teuer genug, boten aber eine anständige Auswahl an festlichen Kleidern für junge Mädchen. Sie machten auch Auftragsarbeiten, wenn es unbedingt ein persönliches Unikat sein sollte. Die Worte Gewandmeisterin, wenige Aufträge und Koryphäe ließen mich gleich mal vierzig bis sechzig Prozent auf den Preis aufschlagen. Nochmal zehn Prozent für den Stoff, der verdammt edel und teuer aussah. Zumindest damit kannte ich mich ein bisschen aus. Ahnungsvoll schloss ich die Augen und rieb mir die Schläfen.

„Sag ihm den Preis,“ vernahm ich Roses Stimme.

Ich öffnete notgedrungen die Augen wieder und hielt mich an der Tischkante fest, nur damit ich nicht hinten rüber kippte. Vesuvia schien der angespannte Tonfall ihrer Mutter nicht aufgefallen zu sein. Rose war leicht verärgert bis ernsthaft besorgt, aber noch beherrscht, wenn sie so sprach.

Unsere Tochter stemmte die Hände in die Hüften und hob stolz das Kinn. „Nur 280 Goldstücke, und da sind die Schuhe mit drin! Das ist ein super Preis, wenn man bedenkt, dass sie erst 320 haben wollte, aber dieses Angebot gilt nur noch für vier Tage. Efrinora hat unter der Bedingung zugestimmt, dass ich eine Vertragsstrafe von 20% des Ausgangspreises zahle, wenn ich das Geld nicht rechtzeitig aufbringe. Deshalb brauche ich das Geld jetzt schnell.“

320 plus 20%... 384 Goldstücke. Mir wurde gerade ganz schwindelig. 280 konnte ich schon nicht aufbringen, aber erst recht nicht 384. Wir hatten es auch nicht geschafft, mehr als 67 für diesen Anlass zu sparen – ich hatte gehofft, eine Zahlungsfrist zu bekommen und in der Zeit noch eine Ernte zu verkaufen. Bis zum Ball waren es ja noch ein paar Wochen.

Mit einem Mal fiel meine Finanzplanung wie ein morscher Schuppen in sich zusammen. Ich sah mich schon auf Phalaes Rechnung eine miese Arbeit annehmen. Mein Frust wurde zu Ärger und verlangte nach einem Ventil. „Vesuvia... warum hast du nicht gewartet, bis wir mit dir zusammen ein Kleid kaufen gehen?“ verlangte ich zu erfahren. „Frag, ob du dieses da zurückgeben kannst!“

„Nein, das geht nicht!“ rief sie aus, und ihr entsetzter Blick ließ mich beinahe Mitleid haben. „Es ist eine maßgeschneiderte Sonderanfertigung. Selbst wenn ich es zurückgebe, müsste ich einen Anteil bezahlen, weil sie es vielleicht nicht zum Vollpreis los kriegt. Davon abgesehen gibt man an Efrinora kein Kleid zurück, dass sie individuell entworfen hat! Wie sieht das denn aus?“

„Hättest du nicht auch eins von den Kleidern anziehen können, die du in deinem Schrank hortest?“ erwiderte ich aufgebracht. „Da sind doch welche dabei, die du noch nicht bei Akademieveranstaltungen anhattest, sondern nur zu Einladungen bei Zirkelmitgliedern!“

„Aber der Modestil ist doch total von gestern und viel zu... spießig! Du kannst doch ne Zirkelveranstaltung nicht mit dem Sommerball vergleichen, wenn ich da in einem dieser Kleider auftauche, lachen mich alle aus!“

Nun wurde ich wirklich wütend, da sie jeden meiner Versuche abblockte. „Sehen wir doch mal nach!“ Ich sprang von meinem Platz auf und marschierte nach oben zu ihrem Zimmer.

Dort angekommen, riss ich den Kleiderschrank auf und zerrte die Kleider heraus, die ich meinte. Das war nicht einfach, weil alles ziemlich eng gestopft war. Einige andere Stücke rutschten von ihren Bügeln, doch ich ignorierte diesen Umstand.

„Hier, dieses...“ Ich deutete auf ein moosgrünes Exemplar aus glänzendem Brokat, welches ich auf das Bett geworfen hatte. „Sieht doch elegant aus! Man könnte es kürzen und aus dem abgetrennten Material einige dieser Rüschen herstellen, die du so toll findest.“

Vesuvia war mir natürlich gefolgt und starrte mich entgeistert an. „Aber... das hat lange Ärmel! Ich hab es im Winter getragen!“

„Was ist mit dem hier?“ Ein dunkelrotes Teil mit Trägern und passendem Jäckchen. „Einfach ein paar Steinchen drannähen und vielleicht so ein Schleifchen. Es ist ja auch schon eher kurz. Daran wäre doch nichts auszusetzen, oder?“

„Euphenia hat das gleiche zum Jahresabschlussball getragen, alle werden denken, ich hätte es ihr abgekauft!“

„Und das schwarze? Schwarz ist zeitlos! Soweit ich weiß, haben wir das extra anfertigen lassen! Kann also kaum noch jemand das gleiche haben!“ Ich warf das dritte Kleid ebenfalls aufs Bett. „Passt noch am ehesten zu dem, das du da anhast, hat auch mehrere Schichten an Röcken und eine Menge Spitze dazwischen! Wir könnten es noch etwas aufpeppen lassen und gut!“

„Was ist eigentlich dein Problem, Vater? Hast du Angst, dass ich den Jungs gefallen könnte?“ Vesuvia klang plötzlich weinerlich, und als ich hinsah, glitzerten ihre Augen tatsächlich.

Ich deutete gnadenlos auf das Sortiment auf dem Bett. „Diese drei Kleider zusammen waren nicht so teuer wie das da!“

„Na und? Die waren ja auch nicht für so eine einmalige Gelegenheit! Der Sommerball ist voll wichtig für alle, die was auf sich halten! Das musst gerade du doch verstehen mit deinem Zirkel des Bösen, wo alle immer so edel tun! Meine Freundinnen erwarten, dass ich in einem teuren Kleid komme, und die blöde Zaria würde sich kaputt lachen, wenn ich für den Sommerball bei Elfstride & Covenflower einkaufen würde! Sie hat schon überall rumerzählt, dass ihre Eltern mit ihr zu Dallan Darkmore gehen, dem berühmten Schneider aus der Feenstadt Güldenberg!“ Eine Träne fand ihren Weg über Vesuvias Wange und tropfte auf das neue Kleid. Hoffentlich minderte das nicht die Qualität.

Doch ich ließ mich nicht erweichen, denn Prestige war hier nicht mein einziges Problem. „Na und? Was geht es dich an, wo deine Feindin ihre Klamotten kauft?“ regte ich mich auf. „Wenn das überhaupt mal stimmt, was sie sagt! Du hättest wenigstens mit uns sprechen sollen, Vesuvia! Ich hätte vielleicht meine Beziehungen spielen lassen können. Aber nein, gehst hin und kaufst bei einer Gewandmeisterin ein, weil deren Name berühmt ist!“

„Ich verstehe nicht, was daran so schlimm ist! Es ist vielleicht etwas teurer, aber...“

„Ich kann es nicht bezahlen, Vesuvia!“ fuhr ich sie an. „Seit Jahren drehe ich jeden Kupferling dreimal um! Wir sind pleite, Kind!“

Sie schloss den Mund und schluckte jeden Kommentar, der möglicherweise auf ihrer Zunge gelegen hatte. Ihre Augen waren ganz groß.

„Gerade vorgestern war meine Gläubigerin da, an die ich den Kredit zurückzahlen muss, der uns nach dem Eisschaden über die Runden geholfen hat!“ fuhr ich fort, da ich nun nicht mehr an mich halten konnte. „Doch wir hatten noch einiges an Pech seitdem und ich konnte nicht zahlen. Sie gab mir Aufschub, und ich hatte gerade Hoffnung, dass es klappen wird... Ich habe schlicht und einfach kein Geld für ein Kleid von einer berühmten Gewandmeisterin übrig! Wenn ich nächstes Mal nicht zahlen kann, wird sie meine Arbeitskraft verlangen, und dann sieht es mit neuen Kleidern mal ganz düster aus!“

Vesuvia hielt sich nun eine Hand vor den Mund und starrte mich einfach nur geschockt an.

Ich fühlte mich auf einmal ganz leer und ließ die Schultern sinken.

„Warum... warum hast du mir das nie gesagt?“ stammelte meine Tochter.

Ich seufzte und starrte auf den Boden. „Warum wohl, was denkst du? Weil ich nicht wollte, dass du dir Sorgen machst. Du solltest eine sorglose Kindheit haben. Wenn ich wusste, dass du bald ein neues Kleid brauchst, weil ein Ball an der Akademie oder etwas in der Art anstand, habe ich monatelang dafür gespart. Ab und zu fanden deine Mutter und ich... weniger legale Wege, um etwas Geld zu organisieren. Oder auch geheime Magierduelle mit Wetteinsatz. Aber das wurde zu gefährlich... einmal wären wir fast aufgeflogen. Ich bin immer noch Rehabilitand Stufe Drei. Wenn jemand erfährt, dass wir kein Geld haben, um unsere Schulden zu bezahlen, verletze ich meine Auflagen.“ Von besagten weniger legalen Wegen mal ganz zu schweigen.

„Aber... das hättest du mir doch sagen müssen!“ schniefte Vesuvia. „Das konnte ich doch nicht ahnen! Ich dachte, wir wären wohlhabend!“

„Ja... das gaukle ich auch allen vor,“ murmelte ich. Mir wurde bewusst, dass sie tatsächlich keine Schuld traf, sondern mich. Sie hatte nicht wissen können, dass sie mich mit ihrem anspruchsvollen Kleid in Schwierigkeiten brachte. „Es tut mir Leid, ich... hab überreagiert.“ Das änderte natürlich nichts daran, dass dieses verdammte Kleid bezahlt werden musste. Ich schaute es mir noch einmal genauer an. „Es ist ja schon ganz hübsch...“

„Hübsch? Es ist ein Meisterwerk!“ stellte Vesuvia klar, wirkte aber sehr unglücklich dabei.

„Zieh es aus, damit nicht noch was damit passiert vor dem Sommerball,“ schlug ich vor. „Ich lasse mir was einfallen... geheime Magierduelle oder so.“

„Das ist nicht witzig, Vati.“

„Allerdings nicht,“ stimmte ich zu. „Aber ich habe jetzt gerade keine bessere Idee...“

Ausverkauf

Basalts Buch lag auf meinem Schoß auf der Bank unter dem Baum der Ewigkeit. Vielleicht konnte man es doch ganz gut verkaufen, denn es wirkte wirklich sehr authentisch und die Formeln waren korrekt aufgeschrieben. Wie alle Zauberbücher barg das Werk eine gewisse Gefahr, sollte es in die falschen Hände fallen. Doch derartige Skrupel konnte ich mir nicht leisten. Das Problem war leider, dass ich es schnell verkaufen musste, wenn ich den verringerten Preis für Vesuvias Kleid zahlen wollte. Daher konnte ich bezüglich des Käufers nicht wählerisch sein und musste wahrscheinlich weniger nehmen, als es sonst einbringen könnte. Aber gut, das war ohnehin klar. Ich nutzte in solchen Fällen immer einen Hehler, der ja auch noch seinen Profit machen wollte. Nur rochen es diese Leute, wenn die Zeit drängte.

Meine Tochter war schon vor einigen Stunden abgereist, angeblich, weil sie den Schuldrachen bis zum Abendessen zurückbringen sollte. Ich vermutete eher, dass sie es vorzog, nicht mit uns zu essen, um sich Peinlichkeiten zu ersparen. Sie hatte mich mit besorgtem Gesicht gebeten, nicht wirklich an geheimen Zauberturnieren teilzunehmen, was ich ja irgendwie rührend fand. Dabei hätten die Turniere sicherlich etwas Spaß gebracht. Ich wusste aber gar nicht, ob sie überhaupt noch wie gewohnt stattfanden, es war lange her.

Im Baum über mir flog ein Vogel auf, und rote Blütenblätter schneiten auf mich herab, landeten teilweise im Buch. Ich pustete sie weg, damit sie nicht drin blieben und verrieten, woher das Buch stammte. Gut, das war unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

Ich gab mir einen Ruck und stand auf. Das Abendessen musste bald fertig sein. Appetit hatte ich zwar keinen, aber ich wollte nicht auch noch meine Familie beunruhigen. Ich wählte den Hintereingang von Basalts Werkstatt, um mit ihm den Verkauf des Buches zu besprechen. Das passte mir gar nicht, denn vorgestern noch hatte ich ihm versichert, dass wir es behalten konnten. Ich musste ihm wohl die Wahrheit über meine Situation sagen.

Mein Sohn war gerade damit beschäftigt, meine Hausschuhe zu flicken. Überrascht trat ich näher und sah ihm dabei zu.

„Hallo, Paps. Ist das Buch in Ordnung?“ fragte Basalt, wobei er kurz aufblickte und den Faden fest zog.

„Ja, ich stelle fest, dass du meine Notizen nicht von der Vorlage übernommen hast, das ist gut so. Allerdings sollten wir etwas wegen Seite 34 unternehmen... der Spruch dort ist sehr gefährlich; wenn man ihn laut liest, aktiviert er sich schon. Kann man ihn teilweise unkenntlich machen? Oder einen Warnhinweis einfügen?“ Ich klappte das Buch auf jener Seite auf und zeigte ihm die Stelle.

Basalt warf einen Blick darauf. „Sicher... aber dann hast du dich entschieden, es doch zu verkaufen, nehme ich an. Warum sonst wäre das nötig.“

„Nun ja... tatsächlich könnten wir das Geld gut gebrauchen...“ druckste ich herum.

Basalt seufzte, doch er lächelte ein wenig dabei. Er legte den unfertigen Schuh erst einmal zur Seite. „Paps. Ich bin im Bilde. Vielleicht nicht über alles, aber ausreichend.“

„Wie bitte?“ entgeistert schloss ich in einer langsamen, unbewussten Bewegung das Buch und drückte es an mich.

„Hey, mir ist aufgefallen, dass du ewig keine neuen Klamotten für dich gekauft hast, außer die alten fielen auseinander. Dabei legst du so viel Wert auf einen guten Eindruck für den Zirkel und hast dir früher regelmäßig was Neues angeschafft. Du kaufst Pflanzen, die wenig kosten und eine sichere Ernte bringen, statt seltene und teure, die aber auch mehr Geld bringen könnten, wenn man sie denn durchbringt. Du vermeidest also finanzielle Risiken. Und dann kommt immer mal diese Frau zu Besuch... natürlich ist es mir nicht aufgefallen, während ich noch in der Lehre war, aber seit ich wieder hier wohne, war sie vier oder fünf Mal da. Ich hab also dem Fahrer der Kutsche was zu Rauchen angeboten und er hat mir erzählt, in welchem Gewerbe die Frau tätig ist. Vorletztes Mal schon. Daraufhin hab ich mir mal unsere Bilanzen angesehen. Und wenn ich es dann noch nicht begriffen hätte, dann hätte ich es vorhin von Vesuvia erfahren.“

Ich biss mir auf die Lippe und senkte beschämt den Blick. Da hatte ich meinen Sohn wohl deutlich unterschätzt. Er verbrachte so viel Zeit in dieser Werkstatt, dass ich immer annahm, dass er von der restlichen Welt abgeschnitten lebte, das wurde mir jetzt klar. Und er hatte nie ein Wort über seine Erkenntnisse verloren. Wenn ich so darüber nachdachte, bezog er seine Bastelmaterialien hauptsächlich von Gebrauchtwarenmärkten oder schwatzte sie Leuten ab, die damit offensichtlich nichts mehr anfangen konnten. Er hatte das immer damit begründet, dass dann die Abnutzung authentischer aussah, aber früher hatte er sich auch mal etwas Teureres für seine Talismane gegönnt, etwa ein seltenes Stück Holz oder einen Edelstein. Mit solchen Zutaten wurden Talismane wirkungsvoller, aber auch teurer und damit nicht mehr so leicht verkäuflich. Ich hatte vermutet, dass er einfach das Interesse daran verloren hatte, diese Dinge herzustellen, dabei versuchte er, meinen Geldbeutel zu schonen.

„Vesuvia hat sich einen Rucksack und eine Tasche von mir geliehen. Sie bat mich, dir zu sagen, dass du dir keine Sorgen machen sollst, sie will das Problem selbst lösen,“ informierte Basalt mich. „Naja, ich fragte, ob es mit Geld zu tun hat, und da erzählte sie es mir...“

Ich konnte mir nicht erklären, wo Vesuvia das Geld für ihr Kleid hernehmen wollte. „Sie hat aber nichts Illegales vor, oder?“ hakte ich nach.

Basalt zuckte mit den Schultern. „Glaube nicht. Aber hör mal, wir können dieses Buch trotzdem verkaufen, auch wenn es mein erstes richtig gut gelungenes ist. Sentimentalität zahlt nicht unsere Schulden, nicht wahr? Und dann sehen wir ja, ob die Qualität wirklich jemanden täuschen kann.“

„Einverstanden,“ stimmte ich zu.

„Kennst du irgendwen, der sowas kaufen würde?“ fragte er mich, und damit bekam ich wieder das Gefühl, einen Nutzen zu haben.

„Ja, wir können es bei Rurik dem Ruchlosen versuchen.“

„Rurik der Ruchlose?“ Basalt grinste amüsiert.

„Er handelt mit allem, was Gewinn abwerfen könnte, und kauft es besonders gerne von Leuten, die das Geld dringend brauchen und deshalb mit wenig zufrieden sind. Wenn dir das zu unbefriedigend ist, gibt es noch Jorik Silberstreif, einen zwielichtigen Händler für Dinge, die jemand sammeln könnte. Es ist ihm egal, wo die Sachen herkommen, und seinen Kunden auch.“

„Du kennst komische Leute,“ stellte Basalt fest. „Aber das kommt vielleicht davon, wenn man im Zirkel des Bösen ist.“

„Oh, ich habe auch Beziehungen durch die Sachen, die wir legal verkaufen. Händler kennen sich oft untereinander.“

Ehe wir das Thema vertiefen konnten, rief Rose uns zum Abendessen, was ich bedauerte, weil meine Schuhe noch nicht fertig waren. Appetit hatte ich noch immer keinen. Aber ich aß, damit sich niemand Sorgen machte. Es gab Spiegelei auf Brot. Auch Sana saß mit am Tisch in der Küche, da sie ja quasi schon zur Familie gehörte. Sie wachte darüber, dass mein Magen voll wurde. Eigentlich hätten wir den Esstisch im Wohnzimmer benutzt, aber bei vier Leuten reichte auch die Küche, und außerdem brieten stetig neue Eier in der Pfanne, solange nicht alle satt waren.

„Vorhin erschien ein Kontaktformular von Sage,“ sagte meine Frau. „Die Sitzung bezüglich Sorcs neuer Arbeitsstelle findet erst in einigen Tagen statt, da Edeh gerne dabei sein will, aber in den nächsten Tagen zu tun hat.“

„Das hätte er ja auch mal eher sagen können,“ murmelte ich, aber mir war es ganz recht. Einige Tage ohne den Zirkel taten mir sicher gut und gaben mir Zeit für das Kleiderproblem, zumal die Frist für die geringere Zahlung ja in wenigen Tagen ablief.

„Wie ist es heute gelaufen?“ erkundigte Rose sich. „War alles in Ordnung?“

„Offenbar schon,“ gab ich Auskunft. „Aber wir haben Sorc nicht persönlich gesehen, denn der Schlossheiler hatte sich schon um das Problem gekümmert... also es gab eins, aber es war nicht mehr aktuell.“

„Naja, das ist doch erfreulich, nicht wahr? Weniger Arbeit für dich.“

„Ja... die Leute vom Lotusschloss waren bei aller Höflichkeit recht feindselig, was ich aber verständlich finde. Später besuchten wir ein Dorf, das zu Crimsons Gebiet gehört, und dort war es ganz seltsam... die Leute behandelten uns wie Diebe, selbst als wir darüber sprachen, dass wir etwas kaufen wollten. Sie verschlossen Fenster und Türen vor uns. Dabei kannten sie uns doch gar nicht.“

„Vielleicht sind sie einfach Fremden gegenüber misstrauisch?“ mutmaßte Rose.

Ich zuckte mit den Schultern. „Muss wohl so sein, wir haben ihnen jedenfalls meines Wissens keinen Grund gegeben, sich so zu benehmen.“

„Thaumator, Euer Eibrot wird ja ganz kalt,“ erinnerte Sana mich.

Da hatte sie wohl recht, also aß ich schnell weiter, um meinen guten Willen zu zeigen. Ich mochte es, wenn der Eidotter beim Braten heile blieb und ich ihn dann auslaufen lassen konnte, aber heute hatte ich dafür keinen Blick. Nebenbei musste ich daran denken, dass wir lange keinen richtigen Braten mehr gegessen hatten, jedenfalls nicht zu Hause. Und hoffentlich fiel nicht bald irgendeine Zirkelveranstaltung in meinen Zuständigkeitsbereich als Gastgeber. Inzwischen fiel mir auf, dass ich ständig nur an Geld dachte. Aber ich legte nun einmal keinen Wert darauf, meine Schulden abarbeiten zu müssen.

Das Mahl gestaltete sich einigermaßen schweigsam, bis Basalt fragte: „Hast du eigentlich dieses Ausbrennen, das du beherrschst, mal jemandem beigebracht, Paps?“

Ich stoppte meine Gabel auf dem Weg zum Mund. Flüssiger Eidotter tropfte auf den Teller. Alle schienen mich anzustarren.

„Das... würde ich niemals tun,“ antwortete ich meinem Sohn schließlich. „Wieso fragst du?“

„Nun ja...“ Basalt warf kurz einen Blick auf Rose, die aber entgegen meiner Vermutung normal weiter aß. „Ich bin nur neugierig, ist das nicht eine Kunst, die man vorsichtig weitergeben sollte?“

„Natürlich ist sie das,“ bestätigte ich etwas unwirsch. „Ausbrenner lassen ihre Schüler deshalb einen Eid schwören – ähnlich wie Heiler. Der Schüler hat zu schwören, dass er diese Fähigkeit nie missbraucht, um eigene Ziele zu verfolgen und so weiter. Natürlich... halten sich nicht alle dran.“

Und Itrikaria hatte sich auch nicht damit aufgehalten, mir diesen Schwur abzuverlangen. Ich hatte davon erst durch Cosmea erfahren, aber auch sie hatte mich diesen Eid nicht schwören lassen, und ich hatte natürlich nicht darum gebeten. Den genauen Wortlaut kannte ich nur aus einem Buch, das sie mir für meine Studien geliehen hatte. Wie sich das bei meiner Mutter verhielt, wusste ich nicht. Normalerweise hatte Eidbruch für einen Magier Folgen. Aber es gab Wege, einen magischen Eid zu umgehen, und Itrikaria kannte sie vermutlich alle.

„Du wolltest jetzt aber nicht darum bitten, dass ich es dir beibringe, oder?“ fragte ich vorsichtshalber meinen Sohn.

Basalt hob abwehrend die Hände. „Nein bloß nicht. So abgebrüht bin ich nicht. Es... interessiert mich halt bloß. Ist das sowas wie eine geheime Fähigkeit oder gibt es ein Verzeichnis aller, äh, Ausbrenner?“ Er sprach das letzte Wort langsam aus, wie um zu testen, wie es sich auf der Zuge anfühlte.

„Es gibt meines Wissens kein Verzeichnis, jedenfalls kein offizielles. Wer es kann, erzählt es nicht überall rum. Aber bei den meisten großen Orten, an denen Magier leben, gibt es so jemanden, oder zumindest kennt man dann jemanden, den man holen kann, sollten diese Kenntnisse gebraucht werden. Das kommt doch hin und wieder mal vor, meistens als Strafe... es gibt aber auch eine seltene Krankheit, die es nötig machen kann, sich ausbrennen zu lassen.“

Jetzt blickte auch Rose von ihrem Essen auf. „Wirklich? Wie schrecklich...“

Ich nickte, konnte sie aber nicht direkt ansehen, daher starrte ich auf meine Gabel und das Stück Eibrot an ihr. „Ja, es ist wie eine Allergie gegen Magie, die Kinder befällt, wenn ihre magischen Kräfte gerade erwachen. Ich kenne jemanden, der das hinter sich hat. Er erinnert sich kaum, was wohl ein Segen ist. Möglicherweise konnte er aber auch narkotisiert werden... hoffe ich jedenfalls.“

Oder er war eh schon bewusstlos gewesen. Ich stopfte das Stück Brot in den Mund, um nicht weiter antworten zu müssen, und kaute demonstrativ lange darauf herum, ehe ich mich zum Schlucken zwang.

„Dann kann es auch nützlich sein, nicht wahr,“ stellte Rose in dem sanften Tonfall fest, den sie immer anschlug, wenn sie mich beruhigen wollte.

Ich verzichtete darauf, ihr zu sagen, dass der silberne Zauber ursprünglich als Folterinstrument erfunden worden war, ehe jemand bemerkt hatte, was man damit anrichten konnte. Die Magie war ein zweischneidiges Schwert aus Nutzen und Missbrauch. Etwas Schönes, das zu Grausamem fähig war. Ich selbst beherrschte ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten, jemanden zu töten, und konnte mir aussuchen, wie schnell es gehen sollte. Kein schöner Gedanke.

„Entschuldigt mich, ich habe genug gegessen,“ sagte ich und stand auf. Eigentlich war es in diesem Haus nicht üblich, den Tisch so zu verlassen, aber niemand beschwerte sich.
 

Draußen zog bereits die Dunkelheit auf, was mir ganz gelegen kam, denn heute brauchte ich unbedingt etwas Magietraining. Schon während ich mich von meinem Haus entfernte, überkreuzte ich die Arme vor der Brust, so dass beide Hände auf Höhe der Schultern lagen. Kleine Flämmchen entstanden in der Luft und tanzten um mich herum. Ich ließ sie schneller werden, bis es so aussah, als wäre ich von einem Schutzfeld mit einem feurigen Leuchten umgeben. Doch sobald ich meine Hände nach vorne schnellen ließ, flogen die Flämmchen in diese Richtung, um einen möglichen Angreifer abzufangen. Da mich gerade niemand behelligte, konnte ich sie wieder zurückrufen und in Schutzschildform bringen. Im Anschluss warf ich sie nach oben, ließ sie vielleicht fünfzig Meter steigen und schloss dann die Fäuste. Die Flämmchen explodierten nach allen Seiten wie Feuerwerk und verpufften harmlos.

Meine Nachbarn kannten das Schauspiel schon und erfreuten sich hin und wieder daran. Unfälle kamen eher selten vor, schließlich ging ich ja zum Üben immer von meinem Grundstück weg und hielt mich auch von anderen fern. Ich hatte einen bestimmten Platz, zwanzig Minuten Fußweg entfernt. Der Marsch tat mir gut, gab mir Zeit, meinen Geist zu klären. Feuermagie der Art, wie ich sie anwendete, erlaubte keine Unkonzentriertheit, außer ich wollte die Umgebung einäschern.

Ich gelangte zu den Ruinen eines großen Hauses, einer Villa. Schloss war wohl zu viel gesagt, auch wenn Reisende das manchmal dachten. Die Überreste gaben nicht viel preis, denn selbst die Mauern waren kaum noch als solche zu erkennen, eher als zusammengeschmolzene Gesteinsmasse. An diesem Ort siedelten sich keine Tiere an, und wenn, blieben sie nicht lange. Das Echo eines brutalen Zaubers der Verwüstung hing auch nach Jahren noch in der Luft und würde wohl noch eine Weile bleiben. So etwas konnte sehr lange dauern, wenn sich niemand darum kümmerte.

Da es hier also selten Störungen gab und auch niemand verletzt werden konnte, handelte es sich für mich um einen idealen Übungsplatz. Seltsamerweise konnte ich mich hier gut konzentrieren.

Ich warf einen klassischen Feuerball in die Trümmerlandschaft. Das betrachtete ich als die leichteste Anfängerübung, aber es machte immer wieder Spaß. Die Leute erwarteten Feuerbälle von mir. Manchmal dachte ich, dass wir Feuermagier in den Augen von Nichtmagiern auf Feuerbälle werfende Akrobaten reduziert wurden.

Ich vergrößerte meinen nächsten Feuerball und ließ ihn gegen eine niedrige Mauer fliegen, deren Steine permanent miteinander verschmolzen waren. So fuhr ich fort, bis mein Feuerball fünf Meter über mir entstand und eine Durchmesser von zwei Metern hatte. Ich ließ ihn nach oben schießen und in einem scharfen Bogen zurück zur Erde sausen, wo er mit einem brüllenden Geräusch von windgepeitschtem Feuer in die Ruinen krachte und alles innerhalb eines Kreises von etwa fünfzehn Metern Durchmesser gegrillt hätte. Die äußeren Randflämmchen züngelten kurz gegen meine Stiefel, die zum Glück aus widerstandsfähigem Leder bestanden. Doch selbst ungeschützt hätten diese kleinen Ausläufer nicht viel ausgemacht, vielleicht wäre mir ein bisschen warm geworden.

Allerdings, das musste ich zugeben, versetzte es mir immer einen Adrenalinstoß, wenn ich Feuer gefährlich nahe kam. Ich wusste genau, wie grausam Feuer verletzen konnte. Aber ich fürchtete mich dennoch nicht vor ihm. Die Kunst bestand darin, das Risiko richtig einzuschätzen und sich nicht davor zu scheuen, sich auch mal die Finger zu verbrennen. Oder eben die Füße.

Ich wiederholte den Zauber noch einmal, doch dieses Mal holte ich den großen Feuerball in Form von zahlreichen kleinen herunter. Dies beeindruckte für gewöhnlich sowohl Feinde als auch Freunde, allerdings musste ich aufpassen, nicht selber getroffen zu werden. Erwähnte ich den Adrenalinschub?

Noch einmal! Ich ließ den neuen Feuerball direkt über mir herabstürzen und begegnete ihm mit einem Flammenstrahl, der aus meiner Hand zu kommen schien. Hier gab es ein besonders großes Potential, sich versehentlich selbst zu grillen. Ich drängte den Ball so weit zurück, dass er irgendwann explodierte und wiederum kleine Feuerkugeln auf mich herabregneten. Noch effektiver wäre das mit einem zweiten Feuerball geworden – wobei dann beide explodiert wären.

An dieser Stelle kam es vor allem darauf an, nicht in Panik zu verfallen. Die Chance, sich zu verletzen, war viel größer, wenn man panisch herumlief. Als der beherrschende Magier dieses Zaubers blieb mir noch eine Option: Ich verschaffte mir wiederum die Herrschaft über die Feuerkügelchen und ließ sie um mich kreisen. Sie verschmolzen zu einem Feuerring, den ich an meinem ausgestreckten Arm nach oben wandern ließ, um ihn dann wie einen Kampfdiskus in die Ruinen zu werfen. Normalerweise hätte ich damit vielleicht eine Mauer sprengen können, aber diese hier waren schon so geschädigt, dass es sie wiederum stabil machte. Es gab allerdings einen recht befriedigenden Knall.

Und damit ließ ich mich auf die Knie fallen, setzte mich auf meine Fersen und atmete erst einmal durch. Ich fühlte mich angenehm erschöpft nach dieser Übung. Auch die Stille fand ich angenehm. Die Nachtluft strich kühl an meinem Gesicht vorbei. Ohne mein Feuer befand ich mich fast völlig im Dunkeln, bis auf die Tatsache, dass über der Schattensphäre irgendetwas leuchtete und daher die Nacht nicht völlig in Schwärze versank. Nur in sehr dunklem Lila.

Endlich hörten meine Gedanken auf, um meine finanzielle Situation zu kreisen. Morgen würde sich eine Lösung finden – zum Beispiel der Verkauf des Buches. Auch die Ausbrennung konnte ich nun als vergangen betrachten. Vermutlich würde ich noch oft daran denken, aber zumindest brauchte ich mir keine Sorgen mehr zu dem Fall zu machen.

So wie ich mir zu den meisten anderen meiner Opfer keine Gedanken mehr zu machen brauchte.

Wäre es nur so gewesen.

Ich ließ mich auf den Rücken fallen und starrte in die Nacht, wobei ich meine Gedanken kreisen ließ, wohin sie wollten. Nach vielleicht zehn Minuten befand ich, dass ich zu Hause besser aufgehoben war, und machte mich auf den Weg. Zu diesem Zweck erschuf ich mir wieder ein Licht, das den Weg beschien. Nun ja. Weg war zu viel gesagt. Aber so völlig im Dunkeln verlief ich mich sonst schonmal.

Als ich zurückkehrte, war der Esstisch abgeräumt und niemand zu sehen. Da ich für gewöhnlich früh aufstand, beschloss ich, gleich schlafen zu gehen, solange ich noch diese wohltuende Erschöpfung verspürte. Vielleicht träumte ich ja dann harmlosere Sachen.

Ich ging mich zunächst etwas frischmachen, damit ich nicht später noch einmal die Treppe hinunter musste, und ließ mein Hemd gleich im Wäschekorb im Bad zurück. Da würde Sana sich bestimmt freuen. Als ich das Schlafzimmer betrat, war ich extra leise, aber wie sich herausstellte, schlief Rose noch nicht. Sie saß bei Kerzenschein in einem Sessel vor dem Fenster, wo wir eine kleine Sitzgruppe stehen hatten, und erhob sich, als sie mich eintreten saß. Sie hielt eine Wolldecke fest, die sie um ihre Schultern geschlungen hatte.

„Da bist du ja – wir konnten dein Feuerwerk zum Teil sehr gut beobachten. Geht es dir besser?“

Sie kannte mich wirklich gut. „Ich glaube schon,“ murmelte ich.

„Basalt ist ein bisschen besorgt, er denkt, dass er irgendwas Falsches gesagt hat...“ sagte Rose. „Ich hab ihm versichert, dass du nur unter Druck stehst und das Thema dich generell etwas mitnimmt. Eigentlich weiß er das ja auch...“

Sie ließ die Decke los. Ich sah zu, wie sich das Material zu ihren Füßen anhäufte, und ließ den Blick dann an ihren Beinen hoch wandern. Rose hatte für ihr Alter eine großartige Figur, die sie sich auch hart erarbeitete. An beiden Waden trug sie, festgeschnallt in einer dünnen Lederscheide, einen flachen Dolch, der unter normalen Hosen oder in Stiefeln kaum auffiel. Sie ging niemals unbewaffnet ins Bett, selbst zu Hause nicht. Es war so eine Art Aberglauben. Diese beiden speziellen Klingen kannte ich persönlich sehr gut, und vielleicht gefiel es ihr, dass sie einst mein Blut getrunken hatten und ihr Anblick heute noch einen gewissen Schauder in mir auslöste. Alle anderen Waffen hingegen hatte sie abgelegt – genau wie sämtliche Kleidung. Nur in ihrem Nabel glänzte noch der silberne Ring, zu dem ich das Gegenstück trug.

„Ich dachte, ich könnte dich noch etwas mehr... auf andere Gedanken bringen.“ lächelte sie, während meine Augen den Anblick in sich aufnahmen.

In dem Dämmerlicht konnte ich den hellen Fleck auf ihrer Haut direkt über ihren Brüsten nicht sehen, doch ich wusste, dass er da war. Ich trat auf sie zu und legte die Hand dorthin. Sie legte ihre beiden auf meine. Es war wie ein Ritual, das wir oft begingen. Doch heute war die Erinnerung wieder besonders frisch... daran, wie sie diese Narbe bekommen hatte. Denn die gleiche hatte ich kürzlich Soach beschert.

„Denk nicht daran,“ flüsterte Rose, die meine Gedanken erriet. „Ich muss dich nicht daran erinnern, dass du deine Strafe von mir bekommen hast, oder?“

„Gerade deswegen hätte ich es nicht noch einmal tun sollen...“

„Das war ein ganz anderer Zusammenhang. Mir scheint, ich muss deine Aufmerksamkeit mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge lenken...“ Sie strich mit einem Zeigefinger über mein Kinn und dann am Hals nach unten. „Zieh dich aus und komm mit zum Bett.“

Ich sah zu, wie sie sich schon einmal auf die Laken begab und dort räkelte. Sicherlich erwähnte ich bereits, dass ich meiner Frau für gewöhnlich nicht widersprach.
 

Tags darauf schlug ich die Augen auf, als es noch dunkel draußen war, und fühlte mich trotz der wenigen Stunden Schlaf recht ausgeruht. Vielleicht hatte ich einmal richtig fest geschlafen, denn ich konnte mich auch an keine wirren Träume erinnern.

Die Kerze auf dem Tisch brannte schon wieder, denn Rose war bereits wach und zog sich gerade an. Ich setzte mich auf und sah ihr dabei zu. Eine lehmbraune Arbeitshose trug sie bereits, doch am Oberkörper befestigte sie erst noch diverse Waffen, beispielsweise an jedem Oberarm ein kleines Messer und an den Unterarmen lederne Schienen, in denen sich je ein Stilett verbarg – eine Waffe im Format eines zierlichen Dolches, jedoch mit einer Spitze statt einer Schneide. Stilette eignen sich hervorragend, um jemandem das Herz zu durchbohren.

Rose hatte den Beruf der Attentäterin erlernt, um mich zu erwischen. Allerdings war ich im Unterschied zu einigen anderen noch am Leben, und sie hielt ihre Fähigkeiten auch jetzt noch aktiv, obwohl sie natürlich keine Aufträge mehr annahm. In ihrer Jugend hatte sie sich zeitweise als Kopfgeldjägerin über Wasser gehalten.

Sie zog zu meinem Bedauern einen Büstenhalter über und dann ein Hemd mit Ärmeln, die weit genug waren, um die Waffen zu erreichen, aber dennoch nicht bei der Arbeit behinderten. Über die Armschienen wunderte sich selten jemand, immerhin lebten wir in einer Welt, wo etwas Schutz nicht schadete. Ich und meine Nachbarn gehörten auch keinem Schloss oder Großgrundbesitzer an, sondern bildeten eine Gruppe von unabhängigen Gehöften, die sich gegenseitig unterstützten und Waren austauschten. Es hatte Vorteile, denn wir zahlten keine Steuern, aber es gab auch niemanden, der uns Hilfe schickte, wenn uns jemand überfiel, daher wussten wir uns zu verteidigen. Es half vielleicht auch, dass auf meinem Dach die Flagge des Zirkels des Bösen wehte.

Rose band sich die Haare im Nacken zusammen und stemmte die Hände in die Hüften. „Genug gesehen?“

„Eigentlich nicht,“ grinste ich.

„Ich geh schonmal in die Küche und mache Tee,“ entgegnete sie mit einem feinen Lächeln. Allerdings bewegte sie sich dann doch nicht vom Fleck, oder nur ganz wenig in Richtung Tür.

Ich griff in meinen Nachtschrank und holte ein Töpfchen Salbe hervor, dann schlug ich die Bettdecke zurück und cremte meine Beine unterhalb der Knie ein, damit das vernarbte Gewebe nicht so spannte. Dabei war ich mir bewusst, dass meine Frau mich beobachtete und ich es heute Nacht nicht mehr für nötig gehalten hatte, etwas überzuziehen. Ausnahmsweise ging ich mal wie jeder andere zum Schrank und suchte mir Arbeitskleidung für den Tag heraus, um mich dann von Hand anzuziehen. Etwas öfter als nötig wechselte ich die Pose, um Rose auch genug zu sehen zu geben. Mein Körper war durchaus gut in Form, wenn auch wohl nicht das, was man ästhetisch finden mochte. Aber diesbezüglich gab es nur eine Meinung, die für mich zählte.

Wenn ich es mir so recht überlegte, hätte ich die Kleider lieber wieder abgelegt und den Abend nochmal fortgesetzt, aber wir mussten wirklich an die Arbeit. Während meine Frau dann wie angekündigt in die Küche ging, nahm ich ein kurzes Bad. Kalt.

Als ich schließlich ebenfalls in der Küche auftauchte, hatte Rose schon Brote mit Wurst belegt und reichte mir eins. „Schön, dass du es immer noch anregend findest, wenn ich Waffen anlege.“

Ich kommentierte das lediglich mit einem Lächeln.

Wir nahmen uns Zeit für ein, zwei Tassen Tee und traten ins Freie, als draußen die Helligkeit des Tages aufzog. Basalt schlief offenbar noch, denn er arbeitete meistens lange in seiner Werkstatt, wenn ein Projekt ihn gerade sehr fesselte. Für diesen Zweck hatte er extra einen Lichtzauber gelernt, denn ich hatte mich mal beschwert, dass er unnötig Kerzen verbrauchte, wo er doch auch seine Tätigkeiten auf die hellen Stunden verlegen konnte. Möglicherweise hatte auch das ihm einen Hinweis auf unsere finanzielle Situation gegeben.

Heute früh stand aber nichts Großes an, wir jäteten Unkraut, wässerten die Pflanzen, kontrollierten alles auf Schädlinge und den Zustand des Wachstums, entfernten welke Blätter und banden einige hochgewachsene Exemplare weiter oben an ihren Stützstangen fest. Ich fütterte die Ratten mit hartem Brot, Steinen und verkohltem Holz. Rose holte indessen neue Eier von Klepos' Grundstück und nahm eine mittlere Kanne Milch entgegen, als unser übernächster Nachbar mit seinem Karren vorbei kam. Er machte täglich seine Runde. Ich überlegte, ob heute auch er Gemüsefarmer vorbei kam, als ein Drache sich mit Gebrüll näherte. Es war kein lautes Geräusch und auch kein sehr großer Drache. Im Näherkommen erkannte ich die Art, die sie an der Akademie an Schüler verliehen. Kam Vesuvia schon wieder zu Besuch? Um diese Zeit musste sie aber noch Unterricht haben.

Nein, es handelte sich um einen älteren Schüler, der mir nicht bekannt war. Er machte ein sehr ernstes, wichtiges Gesicht und schritt energisch auf mich zu, kaum dass er von seinem Drachen abgestiegen war. „Thaumator?“

„Ja, das bin ich.“ Ich stellte einen Eimer mit Unkraut zur Seite.

„Ich komme im Auftrag Direktorin Silentias,“ sprach der Jüngling, wobei seine Augen kurz an mir hoch und runter wanderten. „Sie lässt Euch diese Nachricht überbringen und erbittet eine direkte Antwort.“

Er reichte mir eine kleine Pergamentrolle mit dem Siegel der Akademie. Bildete ich es mir ein oder rümpfte er missbilligend die Nase, weil er mit einem Bauern sprechen musste? Manche Magier standen einfach über den Dingen, und damit natürlich auch ihre Kinder.

Ich öffnete die Botschaft und überflog kurz den Inhalt. Oh. Anscheinend hatte Vesuvia irgendetwas angestellt, was ein dringendes Gespräch mit einem Elternteil erforderte.

„Ich mache mich gleich auf den Weg,“ gab ich dem Boten meine Antwort und ließ ihn stehen, um mich umziehen zu gehen. Vorher brachte ich aber noch das Unkraut auf den Komposthaufen.
 

Eine Stunde später landete Burner in der Nähe der Magierakademie. Ich hätte ihn auch direkt vor der Tür landen lassen können, denn das wurde ständig gemacht, obwohl es verboten war, den gepflegten Rasen dort zu beschädigen. Da beschädigen bei Burner meistens über ein paar Prankenabdrücke hinaus ging, ging ich lieber ein Stückchen zu Fuß.

Schulangelegenheiten waren grundsätzlich meine Sache. Möglicherweise empfand Rose diesen Ort als traurige Erinnerung, aber soweit ich wusste, hatte sie ebenso wenig hier gelernt wie ich, der ich quasi bei meiner Mutter in die Schule gegangen war. Aus diesem Grund war die Akademie für mich immer ein geheimnisvoller Ort, an dem ich mich fremd und fehl am Platze fühlte. Bei Gelegenheiten, zu denen ich andere Eltern traf, zeigten sich diese immer in formellen Magiergewändern, daher hatte auch ich ein solches gewählt, und zwar eine schwarze, halblange Robe mit roten Stickereien an den Säumen, die vorne nur bis zur Hüfte zu knöpfen ging und daher cool hinter mir her wehte, wenn ich flott ging, und passend dazu eine Hose in Schwarz und ebensolche Stiefel. Das entsprach weitestgehend meinem persönlichen Stil, obgleich ich oft Rottöne bevorzugte. Aber ich wollte ernst und sachlich wirken.

Den Weg zum Büro der Direktorin kannte ich schon, denn ich war nicht zum ersten Mal hier, nachdem ich nun das dritte Kind an der Schule hatte. Ich klopfte an und wurde auch gleich herein gebeten, wobei ich zu meiner Überraschung Vesuvia bereits im Büro vorfand. Sie saß auf der Besucherseite am Schreibtisch und beschäftigte sich mit einem Buch und einem Stück Papier, auf das sie schrieb – möglicherweise eine Strafarbeit.

Direktorin Silentia war höchstens halb so alt wie ich. Allerdings empfand ich sie stets als Bedrohung, ohne recht zu wissen, warum. Vielleicht hatte ich ein Trauma von mächtigen Frauen. Und sie war mächtig. Nicht nur, dass ihre Karte beim Duellierverein 3500 Angriffspunkte zeigte, sie hatte dazu auch noch einen sehr praktischen Effekt. Und sie strahlte das für ihr Position nötige Selbstbewusstsein aus. Ihre weiße Robe zeigte ein blaues Muster. Das silbrige Haar trug sie heute im Nacken zusammengebunden, was sie strenger aussehen ließ, und dazu hatte sie hellblaue Augen. Nicht nur Eismagier sahen so aus, auch Lichtmagier, zu denen sie gehörte. Warum ein Element, das immer als so heilig und gut galt, solche kalten Farben bevorzugte, verstand ich nicht.

Silentia erhob sich von ihrem Platz, eine Schreibarbeit unterbrechend. „Thaumator. Ich bin erfreut, dass Ihr so schnell kommen konntet.“ Sie machte eine Geste zu dem freien Stuhl rechts neben Vesuvia.

Ich nahm möglichst würdevoll Platz. „Danke sehr. Eure Nachricht enthielt leider keine genauen Angaben, nur, dass meine Tochter gegen die Schulregeln verstoßen hat.“ Ich warf Vesuvia einen Blick zu.

„Das ist nur, weil du mir keinen neuen Schrank kaufen wolltest!“ sprudelte es aus ihr heraus. „Dabei ist mein Zimmer doch groß genug! Muss ja auch kein großer Schrank sein, nur so einer, wie ich schon habe! Da hätte dann auch alles locker reingepasst!“

Ich konnte ihr nicht ganz folgen, bis ich begriff, dass sie mir eine Vorlage geben wollte, mit der ich arbeiten konnte. Dennoch wusste ich nicht wirklich, worum es eigentlich ging.

„Wir haben das besprochen, Vesuvia. Dein Platzproblem wäre nicht existent, wenn du nicht noch Kleider aufheben würdest, die dir längst nicht mehr passen!“ erwiderte ich auf gut Glück.

„Seht Ihr?“ wandte sich meine Tochter an die Direktorin. „Ich war gezwungen, die Sachen zu verkaufen! Und zwar schnell, weil ich mich sonst wieder beruhigt hätte und nicht mehr wütend genug gewesen wäre, um es durchzuziehen! Das könnt Ihr als Frau doch sicher verstehen!“

Mir klappte vor Überraschung der Kiefer runter. „Du hast Kleider verkauft? In der Schule?“

„Na sicher, hier hab ich doch die nötige Kundschaft.“

Silentia räusperte sich, meine Aufmerksamkeit auf sich lenkend. „Eure Tochter hat in den Pausen andere Schüler dazu angestachelt, überall zu verbreiten, dass sie am Abend ihre Sachen anbieten wird. Dann hat sie in ihrem Zimmer einen regelrechten Basar aufgebaut und den jüngeren Mädchen die Kleider und auch Schuhe aufgeschwatzt.“

„Das war fachkundige Modeberatung!“ wandte Vesuvia ein.

Die Direktorin warf ihr einen warnenden Blick zu. „Es ist nicht verboten, an der Schule etwas zu verkaufen, aber das bezieht sich eher auf Einzelteile, etwa ein gebrauchtes Schulbuch oder auch ein einzelnes Kleid. Aber ein größerer Verkauf ist vorher anzumelden! Außerdem haben wir zu diesem Zweck regelmäßig Schulveranstaltungen, bei denen das kein Problem gewesen wäre! Vesuvias Preise überstiegen bei mehreren Kleidern den Betrag von 50 Goldstücken, welchen die Schülerinnen maximal als Taschengeld besitzen dürfen. Die Mädchen haben sich Geld bei ihren Freundinnen geliehen oder gar Schuldscheine ausgestellt. Mal ganz davon zu schweigen, dass Vesuvia am Ende 540 Goldstücke durch den Verkauf in ihrem Besitz hatte!“

Ich kam mir vor, als hätte sich die Tür zu einer Schatzkammer geöffnet, um meine Sorgen zu vertreiben. Jedoch ließ mich die Formulierung wiederum hellhörig werden. „Ähm... hatte? Hat sie die Kleider zurückgenommen?“

„Nein, ich habe das Geld beschlagnahmt. Ihr könnt es nachher mitnehmen.“ Silentia griff in eine Schublade und ließ klimpernd einen ansehnlich gefüllten Lederbeutel neben sich auf den Tisch fallen. Mein Herz schlug einen Takt schneller bei dem Geräusch.

„Ich für meinen Teil gehe ja stark davon aus, dass von dem Geld eine Party finanziert werden sollte,“ fuhr Silentia fort. „Ich war selber mal jung und kann das verstehen. Aber dafür genügt es auch, wenn einige von euch zusammenlegen und nicht so viele Rauschmittel zum Einsatz kommen, junge Dame!“

Vesuvia verschränkte die Arme und starrte trotzig schweigend auf die Tischplatte, schlauerweise die Vermutung nicht widerlegend.

„Rauschmittel?“ Ich griff bereitwillig das Stichwort auf und bemühte mich um einen strengen Tonfall, während ich innerlich jubilierte. „Ich habe dir schon mehrmals gesagt, dass du nicht irgendwelche billigen Drogen bei zwielichtigen Händlern kaufen sollst! Wenn, dann frag mich! Ich kann euch was zusammenstellen, das euch nicht gleich umhaut!“ An der Schule war bekannt, womit ich mein Geld verdiente, daher brachte diese Bemerkung auch keinen Ärger ein.

„Ja, ja,“ grummelte Vesuvia. „Wenigstens solltest du stolz sein, dass ich die Sachen nicht unter Wert verschleudert habe, schließlich betonst du immer, dass ich geschäftstüchtig handeln soll!“

Oh, da war ich sogar sehr stolz auf sie. Selbst wenn sie die Kleider billig angeboten hätte, wäre das auf jeden Fall besser gewesen, als wenn sie zu Hause in ihrem überquellenden Schrank unnötig Platz wegnahmen, dadurch verringerten sich ja meine Schulden nicht. Davon abgesehen musste sie auch lernen, dass man sich von nutzlosen Dingen trennen sollte, spätestens, wenn die Umstände es erforderten.

„Nun ja, das muss ich dir wohl zugestehen,“ sagte ich, den strengen Vater mimend. „Jedoch ist diese Art von Geschäftstüchtigkeit nicht überall erwünscht, wie du ja nun mitbekommen hast.“

Vesuvia verlegte sich wieder aufs trotzige Schmollen. Aber ich glaubte zu erkennen, dass sie sich heimlich amüsierte und aufpassen musste, dass sie nicht loslachte.

„Das war dann alles,“ verkündete Silentia. „Ich habe hier noch die Tasche mit den restlichen Kleidern, wenn Ihr die wohl auch mitnehmen könntet, Thaumator.“

Wir beide erhoben uns höflich und sie reichte mir eine Reisetasche, die ich als eine von Basalts erkannte. Das Geld steckte ich in eine der Seitentaschen, schnallte diese sorgfältig zu und nickte. „Selbstverständlich. Ist es wohl möglich, dass Vesuvia mich noch zu meinem Drachen begleitet?“

„Sicher. Ich hatte sie hier im Büro, weil wir Euch erwartet haben. Die nächste Unterrichtsstunde kannst du wieder mitmachen, Vesuvia.“

„Muss ich?“ hakte meine Tochter nach.

„Ich habe dich nicht zur Belohnung hier warten lassen, meine Liebe!“ wies die Direktorin sie zurecht. „Fall mir in nächster Zeit lieber nicht unangenehm auf!“

Wir beide sagten nichts mehr dazu und verließen das Büro.

Als wir uns etwas von der Tür entfernt hatten, seufzte Vesuvia genervt. „Jetzt haben wir Heilkunde. Hättest du nicht etwas später kommen können?“

„Heilkunde ist ein wichtiges Fach,“ erinnerte ich sie. „Ich habe mein weniges Wissen zu dem Thema hauptsächlich aus Büchern, sei also froh, dass du es hier lernst.“

„Aber es ist so... öde. Bestimmt könnte man das auch interessanter gestalten. Da sitz ich lieber noch ne Stunde im Büro rum. Sie hat mir ne Strafarbeit aufgebrummt, die ich schonmal beginnen musste, und ich soll zusehen, dass ich den Stoff des verpassten Unterrichts nachhole, aber was soll's.“

Das Thema war nicht wirklich das, was wir besprechen wollten, aber man musste damit rechnen, in diesen Wänden belauscht zu werden. Daher warteten wir, bis wir Burner außerhalb des Schulgeländes erreichten.

Dort tätschelte ich zunächst den Drachen, der daraufhin unappetitlich grunzte, und wandte mich dann Vesuvia zu. Mit einem anerkennenden Blick, wie ich hoffte. „Wusstest du nicht, dass du etwas Verbotenes tust?“ erkundigte ich mich halb ernst.

Sie zuckte mit den Schultern. „Doch, klar. Aber ich hatte keine Zeit, eine Verkaufsveranstaltung zu beantragen. Und vor dem Sommerball ist noch der allgemeine Jahresabschlussball, an dem auch die unteren Klassenstufen teilnehmen, da kann man aber ruhig ein gebrauchtes Kleid tragen. Ist einigen sogar lieber, schließlich kostet es weniger. Ich wollte ausnutzen, dass viele jetzt noch kein Kleid hatten. Oh, ja... hier ist die Adresse, wo du die Gewandmeisterin Efrinora findest. Am besten bringst du ihr das Geld jetzt gleich.“

„Ja, das ist mir auch am liebsten. Wer weiß, was sonst noch alles dazwischen kommt.“ Ich nahm den kleinen Zettel von ihr entgegen und stellte fest, dass es sich um eine Anschrift im nächsten Dorf handelte, wo die Schüler der Akademie gerne zu Fuß hingingen.

„Wenn du einen Abnehmer findest... dann kannst du die restlichen Kleider noch verkaufen,“ sagte Vesuvia zögerlich und warf schluckend einen Blick auf die Tasche. „Weg ist weg... ohne diese Sachen ist schön viel Platz in meinem Schrank für Neues. Du kannst das restliche Geld für die nächste Rate nehmen oder so.“

„Das... weiß ich wirklich zu schätzen,“ murmelte ich. „Danke, Vesuvia. Ich finde das übrigens sehr geschäftstüchtig, was du an Geld eingenommen hast. Überhaupt war das eine geschickte Maßnahme. Hat ihren Zweck erfüllt.“

Sie schien etwas verlegen zu sein und errötete leicht. „Es hat Vorteile, dass du in diesem Zirkel bist,“ grinste sie. „Du nimmst Regeln nicht so genau. Aber gute Vorstellung da drinnen. Silentia denkt wahrscheinlich, dass du jetzt gerade mit mir schimpfst. Dabei scheint sie sonst immer zu glauben, dass du als Zirkelmitglied auf die Idee kommen könntest, dass deine Kinder an der Schule Sonderrechte haben. Aber da verwechselt sie dich mit anderen Leuten, die wirklich so sind.“

„Ach, solche Leute gibt es? Kann ich mir gar nicht vorstellen,“ intonierte ich.

Wir lachten zusammen, und es tat mir unglaublich gut. Vielleicht ging es jetzt tatsächlich aufwärts. Ich umarmte Vesuvia zum Abschied und sah noch zu, wie sie wieder in das Gebäude ging, dann unternahm ich noch einen Spaziergang ins Dorf, ehe ich nach Hause zurückkehrte. Burner watschelte ein Stück weit neben mir her. Wer hätte gedacht, dass ein Termin bei der Direktorin der Akademie so entspannend werden konnte...

Gutes Geld, schlechte Nachrichten

Mit ziemlicher Genugtuung dachte ich noch einige Stunden lang an das Gesicht von Elfirona... Efronova... Efrolina... wie auch immer, noch eine ganze Weile hatte ich das Gesicht der Gewandmeisterin vor Augen, als ich den Laden betrat und ihr das Geld überreichte. Natürlich geschah das im Rahmen eines völlig seriösen Auftritts von mir, in dessen Verlauf ich lässig verkündete, dass ich Vesuvias Vater sei und ihre Rechnung begleichen wollte. Ich vermutete stark, dass die Frau nicht damit gerechnet hatte, dass ich kam. Vielleicht hatte sie des Öfteren junge Kundinnen, die ihre Eltern in Schwierigkeiten brachten und die dann eben nicht gleich zahlen konnten. Das hatte ich schon anhand der seltsamen Konditionen angenommen, die sie mit Vesuvia ausgehandelt hatte.

Ich fühlte mich daraufhin ziemlich gut und fand dann noch einen Laden für gebrauchte Kleidung, wo ich Vesuvias restliche Kleider versetzen konnte – teilweise sogar fast zu dem Preis, den sie auf den jeweiligen Preisschildchen angegeben hatte. Eine anwesende Kundin teilte mir verschwörerisch mit, dass die Kleider der letzten Jahre manchmal gerne von Mädchen gekauft wurden, die damals die Kollektion verpasst hatten. Das entzog sich meinem Verständnis, aber ich musste an dieser Stelle auch nur verstehen, wie sich mein Geldbeutel anschließend anfühlte, nämlich ungefähr genauso schwer wie vor meinem Besuch bei Efrilina... Elfinira... egal.

Gut gelaunt kehrte ich nach Hause zurück und kam gerade recht für ein Mittagessen, bei dem ich ordentlich zulangte. Ich berichtete Basalt, Rose und Sana von Vesuvias Aktion, und wir beschlossen, das Geld zur Seite zu legen, damit es noch da war, wenn Phalae das nächste Mal zu Besuch kam.

Am Nachmittag wollte ich noch etwas auf dem Hof arbeiten, aber Basalt bat mich darum, mit seinem Buch zu einem meiner Hehler zu gehen. Er selbst wollte nicht mit, denn er meinte, dass er nicht überzeugend genug lügen konnte, um viel Geld dafür zu erhalten. Also machte ich mich mit dem guten Stück im Gepäck auf zu Jorik Silberstreif. Zwar kam Rurik der Ruchlose theoretisch auch in Frage, aber irgendwie war mir das Buch für ihn zu schade, wie auch für einige andere Leute, die ich kannte. Jorik hatte immerhin eine erlesene Kundschaft, die ein gutes Sammlerstück zu schätzen wusste, da bestand eine höhere Chance, dass Basalts Werk in die Hände von jemandem kam, der es nicht auseinandernahm und in Einzelteilen weiterverkaufte.

Ich hatte eine Reise von gut zwei Stunden zu bewältigen und ließ Burner etwas entfernt landen, um den Rest zu Fuß zu gehen. Für den Zweck hatte ich mir einfache Kleidung herausgesucht, die mich nicht gleich als Magier zu erkennen gab, und trug das Buch in einem abgenutzten Lederrucksack bei mir, den Basalt noch nicht zu irgendetwas verarbeitet hatte, weil der praktische Nutzen noch gegeben war. Vielleicht ging ich so als Abenteurer oder Vagabund durch.

Jorik besaß einen Laden in einer Kleinstadt südwestlich von meiner Farm. Offiziell handelte er mit Antiquitäten, vor allem Schmuck und Zierrat sowie kleinen Möbeln. Dazu gehörten allerdings auch einige Sachen, die er nur auf Anfrage unter dem Ladentisch hervor holte, wenn keine Zeugen zugegen waren. Natürlich kaufte er solche Dinge auch nur unter den genannten Bedingungen.

Entsprechend trat ich ein und sah mich um, bis außer mir keine Kundschaft mehr im Laden war. Das dauerte ein Weilchen, denn eine Frau mit zwei jugendlichen Töchtern sah sich ausgiebig Diademe und Halsketten an. Ich tat so, als wäre ich an gebrauchten Hüten interessiert, wobei ich tatsächlich überlegte, ob Basalt wohl irgendetwas damit anfangen konnte. Ich ermahnte mich, nicht zu großzügig mit dem Geld zu verfahren, das ich hatte, auch wenn die Situation sich zu bessern schien. Schließlich konnte sich das schnell wieder ändern.

Irgendwann hatten dann die Kundinnen genug – ich hatte nicht darauf geachtet, ob sie mit dem Verkäufer einig geworden waren, Hauptsache, sie gingen weg. Ich verlor keine Zeit und trat an den Tresen. Jorik kannte mich und wusste, wer ich war, aber er tat trotzdem immer so, als sähe er mich zum ersten Mal – nur zur Vorsicht. Er war etwa in meinem Alter und ein zierlicher Mann mit schütterem, grauschwarzem Haar, das er streng zurückkämmte, so dass sein weit über der Stirn befindlicher Haaransatz ihn kompetent wirken ließ. Die spitze Nase und die aufmerksamen Augen erinnerten mich immer an einen Lehrer, auch wenn ich diese Berufsgruppe nur vom Sehen kannte. Er trug ein einfaches, hellbeige gebleichtes Hemd mit kleinen Rüschen am Kragen und darüber eine dunkelbraune Weste. Alles andere konnte ich nicht sehen.

„Wie kann ich Euch helfen, mein Herr?“ erkundigte er sich und ließ bereits seinen Blick zu meinem Gepäck wandern.

„Ich habe etwas zu verkaufen,“ begann ich und streifte den Rucksack ab. „Es ist vielleicht etwas heikel, und ich würde mich eigentlich nicht davon trennen, da es sich um ein Familienerbstück handelt. Aber ich möchte vermeiden, dass man es in meinem Besitz findet, versteht Ihr...“

„Oh ja, vollkommen,“ sagte Jorik ernst, aber zugleich wirke er auch sehr neugierig auf mein Angebot.

Ich ließ mal offen, wer das Buch finden könnte, auch, dass es eigentlich keinen Grund zur Besorgnis gab. Schließlich befand ich mich nicht in der Gefahr, dass jemand mein Haus durchsuchen wollte. Aber das wusste er ja nicht.

Ich machte einen großen Akt davon, das Buch aus dem Rucksack zu holen und aus dem Stück Stoff auszupacken, in das Basalt es sorgsam eingewickelt hatte. „Also... es lag lange Zeit einfach in einer Kiste im Schrank bei mir zu Hause. Es ist...“ Ich sah mich vorsichtshalber noch einmal schnell um, ob niemand da war. „Eine Abschrift des Buches von Incanta, welches, wie Ihr wisst, von Itrikaria gestohlen wurde und seither verschollen ist. Ich fand dieses Exemplar bei ihren Besitztümern, die mir von ihr geblieben sind.“

Der Händler hob die Augenbrauen, wirkte aber noch nicht allzu überzeugt. Zumindest zog er sich weiße Stoffhandschuhe über und nahm das Buch in Augenschein, wobei er es vorsichtig durchblätterte. Erfahrungsgemäß taten diese Leute ohnehin immer so, als müssten sie sich den Kauf vom Munde absparen, ohne sicher sein zu können, dass das Objekt überhaupt etwas wert war.

„Und dies gehörte Itrikaria?“ hakte er nach. „Wieso sollte sie es an sich nehmen, wenn sie das Original gestohlen hat?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Möglicherweise handelt es sich um eine Art Sicherheitskopie, die sie ebenfalls vom Flammenbrunnen-Hexenzirkel mitgenommenem hat, weil sie beide in der Eile nicht unterscheiden konnte. Sie hat mich mit Hilfe des original Buches in der Feuermagie unterrichtet, ich kann Euch versichern, dass diese Abschrift inhaltlich identisch ist. Die Handschrift ist jedoch anders.“ Was das Buch dann eben zu einer Abschrift machte, nicht zu einer originalgetreuen Kopie.

Ich beobachtete, dass Jorik den Namen bemerkte, der ganz hinten auf der letzten Seite unten stand, und dabei kurz die Augenbrauen hob. Es war eigentlich nur ein Kürzel, das man aber, laut Basalt, in der Szene der Buchhändler kannte. Es gehörte zu einem bekannten Magier, der vor gut zweihundert Jahren umhergezogen war, um seltene und berühmte Bücher abzuschreiben und seiner Sammlung hinzuzufügen. Dabei war es ihm egal gewesen, ob er das mit oder ohne Erlaubnis tat. Er war bekannt für seinen Einfallsreichtum, um zu bekommen, was er wollte. Konnte also gut sein, dass er auch das Buch von Incanta abgeschrieben hatte, heimlich oder nicht. Wobei es dann vielleicht seltsam war, dass sein Exemplar bei Itrikaria gelandet war, aber wer konnte schon nachvollziehen, was aus dieser teilweise hochgradig illegalen Bibliothek im Einzelfall geworden war? Basalt hatte mir gesagt, dass nach dem Tod des Mannes die Bände teilweise frei verkauft, teilweise den Besitzern der Originale übergeben worden waren. War doch theoretisch möglich, dass dieses Exemplar dann wieder beim Flammenbrunnen-Hexenzirkel gelandet war.

Jorik nahm eine Lupe und sah noch einmal genauer hin. Dann betrachtete er die Tinte eingehend, indem er verschiedene farbige Glasscheiben darüber hielt und eine noch feinere Lupe einsetzte. Er sah sich die Blätter genau an, streichelte den teilweise etwas zerfransten Rand. Er untersuchte das Leder und die Art der Bindung der einzelnen Blätter. Dass er sich so viel Zeit nahm, zeigte mir eigentlich schon, dass er Feuer gefangen hatte... bildlich gesehen natürlich. Doch er blieb ganz sachlich und darum bemüht, sich nichts anmerken zu lassen.

„Naja... fünfzig Goldstücke wäre es wohl wert,“ murmelte er dann in einem sehr geschäftsmäßigen und etwas herabwürdigenden Ton. Diese Masche kannte ich aber schon und fragte mich, ob das ein Spielchen war, das er ausprobierte, obwohl er wissen musste, dass ich es kannte.

„Vergesst ihr da nicht eine Null?“ entgegnete ich in einem möglichst neutralen Tonfall. „Gewiss werdet Ihr einen interessierten Feuermagier finden, der es Euch gerne wieder abkauft.“

„Na, jetzt übertreibt Ihr aber,“ meinte Jorik und lächelte nachsichtig. „Gut, das Buch ist alt, aber fünfhundert ist doch sehr hoch gegriffen... was, wenn ich darauf sitzen bleibe?“

„Kann ich mir nicht vorstellen,“ beharrte ich. „Und fünfhundert ist noch ein Sonderpreis für ein Buch, in dem alle Inhalte des Buches von Incanta stehen. Manch einer träumt davon, das mal lesen zu dürfen, das kann ich Euch sagen.“

„Auf Seite 34 ist eine Notiz, die offenbar nicht so alt ist!“ wandte der Händler ein.

Ich seufzte theatralisch. „Ja, ich weiß. Eine Warnung, nicht wahr? Das hat vermutlich eine der Hexen dort angemerkt. Und zu Recht! Dieser Spruch ist gefährlich, ich habe damit den Wohnsitz meiner Mutter vernichtet. Außerdem ist es doch ganz normal, dass der Besitzer eines Buches manchmal etwas reinschreibt. Das ist keine Qualitätsminderung, sondern zeigt doch nur, dass es in Gebrauch war.“

Jorik gab sich immer noch unentschlossen. „Na, ich weiß ja nicht...“

„Wisst Ihr was, ich nehme es am besten wieder mit,“ sagte ich verärgert, was ich nicht einmal spielen musste, denn ich hatte wirklich keine Lust, noch zu einem anderen Händler zu gehen. „Ich frage einfach Rurik oder so, der stellt sich vielleicht nicht so an...“ drohte ich dennoch. „Ich würde es auch direkt an einen Interessenten verkaufen, Ihr habt halt nur Glück, dass ich nicht damit in Verbindung gebracht werden will.“

Ich schickte mich an, das Buch wieder einzupacken, doch da änderte er sein Verhalten: „Nein, nein, wartet... vierhundert. Das kann ich gerade noch zahlen.“

„Vierhundertsiebzig!“ schoss ich zurück.

„Ihr seid hartnäckig,“ stellte mein Gegenüber fest. „Nun gut... vierhundertfünfzig. Aber das ist mein letztes Wort.“

„Dann krieg ich aber noch den Hut dort drüben dazu,“ verlangte ich und deutete in die Richtung.

Jorik blickte nicht einmal hin. „Einverstanden.“

Wir besiegelten das Geschäft per Handschlag und Geld und Buch tauschten den Eigentümer. Ich vermutete, dass er seinen Gewinn machen würde, aber dafür, dass ich ihm gerade eine Fälschung angedreht hatte, war ich zufrieden. Das wäre ich auch mit dreihundert schon gewesen, aber ich beschwerte mich natürlich nicht.

Als ich mit klimperndem Geldbeutel und einem neuen gebrauchten Lederhut im Bauernstil auf die Straße trat, konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich machte keine Umwege mehr, sondern begab mich schleunigst zu Burner, um meinen Geldschatz in Sicherheit zu bringen.
 

Als ich zu Hause eintraf, wurde es bereits dunkel, da die Reise einen Großteil der Zeit eingenommen hatte. Ich präsentierte Basalt meine Einnahmen und überreichte ihm den Hut.

„Wow! Echtes, abgewetztes Leder! Könnte Dunkles Zebra oder sowas sein. Dafür finde ich bestimmt Verwendung!“ Er legte den Hut zu seinen anderen abgenutzten Sachen und betrachtete erst dann den Geldbeutel. „Der sieht voll aus... wieviel ist drin?“

„Vierhundertfünfzig,“ sagte ich. „Am Anfang hat er fünfzig geboten... aber das ist so seine Masche. Vermutlich verkauft er es jetzt für achthundert weiter.“

„Vierhundertfünfzig!“ rief Basalt aus. „Das Material hat mich nichtmal zwanzig gekostet... man darf natürlich die Arbeitszeit nicht einberechnen. Hat er die Signatur bemerkt?“

„Ja, ich glaube schon, nickte ich und erzählte Basalt dann lieber gleich die ganze Geschichte, ehe er mich mit Fragen löchern konnte. „Jorik schien keine Ahnung zu haben, dass er eine Fälschung vor sich hat. Ich denke mal, dass er schon weiß, wer sich dafür interessieren könnte,“ beendete ich meine Ausführungen.

Basalt grinste breit, wie ein Schüler, der eine Klassenarbeit zurückbekam und besser abgeschnitten hatte als erwartet. Und diese Situation kannte ich tatsächlich von ihm. „Ich könnte noch eins machen, das du an einen anderen verkaufen kannst!“ bot er an.

Ich nickte nachdenklich. „Tu das ruhig, aber so schnell sollten wir das nicht wieder machen. Manche Händler kennen sich untereinander, das wäre riskant. Zwar sind nicht alle so befreundet, dass sie über sowas reden würden, aber man kann nie wissen.“ Da wollte ich dann lieber kein Risiko eingehen, jetzt wo ich endlich eine Glückssträhne zu haben schien.

„Ach ja, ich hab deine Hausschuhe fertig,“ wechselte Basalt plötzlich das Thema und deutete auf einen anderen Arbeitstisch.

Oh ja, ich hatte wirklich eine Glückssträhne – davon war ich überzeugt, als ich meine alten Latschen erfreut an mich nahm.

„Ich könnte eine Luxusausgabe von dem Buch herstellen,“ philosophierte mein Sohn. „Mit Steinen am Umschlag. Aus dem Nachlass eines reichen Gutsherrn oder so, der nie wusste, was es damit auf sich hat...“

„Übertreib es nicht gleich. Ich wollte das Geld eigentlich zur Seite legen,“ ermahnte ich ihn. „Aber gut... streng genommen ist es deins. Abzüglich einer Verkaufsprovision für mich vielleicht.“

Basalt knotete lachend den Beutel auf und nahm eine Handvoll Goldmünzen heraus, die er kurz in seiner Hand betrachtete. Ich rechnete damit, dass er diese Menge mir überreichte. Aber er legte sie in eine Schublade an seinem Arbeitstisch. Den Rest schob er mir hin. „Das waren zwanzig oder dreißig, also hab ich meine Ausgaben wieder drin und kann neue tätigen.“

Nun, da beschwerte ich mich mal nicht. Wenn Basalt wieder etwas bastelte, bekamen wir vielleicht weitere Reichtümer herein. Aber ich rief mich zur Ordnung – nicht zu weit im Voraus mit Geld rechnen. Immerhin konnte auch ein Meteor auf mein Haus fallen, das schloss ich zumindest nicht aus nach der Sache mit dem Eisdrachen.

Der Rest des Tages verlief dann recht harmonisch. Beim Abendessen langte ich wie beim Mittagessen ordentlich zu, was Sana mit Wohlwollen zur Kenntnis nahm. Danach gönnte ich mir ein entspannendes Bad nach all den Reisen heute und freute mich auf einen ereignislosen Folgetag mit normaler Feldarbeit, als ich neben Rose unter die Bettdecke kroch und sie sich an mich kuschelte.
 

Am Tag darauf konnte ich endlich meine unterbrochenen Tätigkeiten in Ruhe beenden, wie zum Beispiel Unkraut jäten zwischen den Heldenglöckchensträuchern. Später half ich Klepos, den Niwatori-Stall zu reparieren, wobei uns viele der Tiere auf seinem Grundstück entkamen, aber seine Kinder hatten Spaß dabei, sie wieder einzufangen. Zum Glück können Niwatoris nicht so recht fliegen, obgleich sie Vögel sind.

Nach dem Mittagessen ging ich aus Neugier mal kurz in Vesuvias Zimmer und warf einen Blick in den Schrank. Dieser sah... ordentlich aus. Endlich konnten all ihre Kleider wieder frei hängen, statt sich eng nebeneinander zu quetschen. Zweifellos wirkte sich das positiv auf Falten und Rüschen aus. Das neue Kleid hing ganz rechts mit einer Handbreit Sicherheitsabstand nach beiden Seiten. Auch den Schrankboden konnte ich nun wieder erkennen. Zuvor hatten sich dort mehr Schuhe gestapelt, als ein einzelner Mensch jemals tragen kann. Aber was rede ich... ich bin nur ein Mann und habe von solchen Feinheiten keine Ahnung.

Als ich das Zimmer verließ, schwor ich mir im Stillen, Vesuvia ein ganz besonders hochwertiges Kleid inklusive Schmuck und Schuhen zu kaufen, sollte ich jemals das Geld dazu haben. Hoffentlich interessierte sie sich überhaupt noch für Mode, wenn es irgendwann in ferner Zukunft soweit war. Denn zur Zeit hatte ich zwar Geld in Reserve, wusste aber auch, wie schnell sich sowas ändern konnte. Ich war zumindest für den Moment beruhigt, und wollte dieses Gefühl genießen, solange es anhielt.

Nachmittags mistete ich die Käfige meiner Ratten aus, das war längst mal wieder fällig. Ich räumte in der Scheune ein bisschen auf, reinigte unsere Arbeitsgeräte und half dann Rose, neue Vorhänge in einigen Räumen im Haus aufzuhängen, so dass die anderen gewaschen werden konnten. Anschließend sortierte ich im Büro einige Papiere und sie ergänzte die Bilanzen, indem sie unsere neuen Rücklagen als diverse Einkünfte verbuchte. Achtzehn Goldstücke gingen dafür drauf, ein paar kleinere Rechnungen zu bezahlen, die aber erst seit kurzem offen waren. Beispielsweise war es bei meinen Nachbarn normal, dass ich oft erst ein paar Tage oder auch mal eine Woche später zahlte, wenn ich zum Beispiel Gemüse oder Milch von ihnen erhielt. Schließlich hatte ich nicht immer Geld in der Tasche, wenn ich draußen arbeitete.

Während wir uns im Büro aufhielten, erschien ein Kontaktformular des Zirkels des Bösen auf der auf dem Schreibtisch befindlichen Ablage für diesen Zweck. Der Effekt verursachte ein leichtes Kribbeln in der Luft, das Außenstehende vielleicht nicht bemerkt hätten, aber ich kannte das schon.

„Das wird die Nachricht sein, wann wir uns treffen, um über Sorcs zukünftige Arbeitsstelle zu beraten,“ vermutete ich. Den Mann jetzt auch noch aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen, erschien mir grausam, wenn man bedachte, dass an seiner Geschichte eh irgendetwas faul war. Ob er jedoch in Wahrheit unschuldig war oder noch größere Schuld mit sich trug, blieb Spekulation. Ich für meinen Teil konnte mir nicht vorstellen, dass er jetzt noch etwas verheimlichte, schließlich wäre er bereits beinahe hingerichtet worden statt ausgebrannt.

„Willst du gar nicht nachsehen?“ Rose nahm das Formular an sich und warf einen Blick darauf.

„Eigentlich hab ich kein gesteigertes Verlagen, da hinzugehen, aber ich werde es wohl tun,“ grummelte ich. Irgendwie fühlte ich mich verantwortlich für mein neuestes Opfer.

Meine Frau atmete scharf ein und hielt sich die Hand vor den offenen Mund.

„Was ist?“ fragte ich sie. „Ist es nicht wegen des Treffens?“

Sie wandte sich mir mit großen Augen zu und hielt mir das Blatt hin. „Edeh ist tot... der Zirkel trifft sich noch heute in seinem Haus.“

Damit hatte ich gewiss nicht gerechnet. „Edeh? Aber wie... hatte er einen Unfall?“

Nun, das stand da freilich nicht. Die Nachricht stammte von Belial und beschränkte sich auf das Wichtige. Klar, er musste wahrscheinlich etliche davon verschicken.

Wir ließen alles stehen und liegen, zogen uns um und sagten nur schnell noch Basalt und Sana Bescheid, ehe wir abflogen. Rose wollte Fuma beistehen, der Frau von Edeh, deshalb kam sie natürlich mit.
 

Wir reisten mit zwei Drachen, was natürlich hieß, dass Rose den ihren bremsen musste, damit er Burner nicht davonflog. Doch Nachtschatten war zu klein, um uns beide über eine lange Strecke zu tragen. Er war schnell, leise und nachts fast unsichtbar.

Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit das Arae-Anwesen erreichten, fiel mir sofort auf, dass weder der Tarnzauber noch sonst irgendetwas aktiv war. Es war schon nicht mehr ganz hell, aber hell genug, um Verwüstungen im sonst so gepflegten Garten und generell auf dem Grundstück zu erkennen. Der Turm sah aus, als wäre unter dem Dach etwas explodiert. Teile davon fehlten. Einige tote Behemots lagen herum. Waren die Tiere vielleicht durchgedreht? Oder war Edeh der Explosion zum Opfer gefallen? Soweit ich wusste, bewahrte er dort seinen Feldzauber auf. Aber dafür war eigentlich Fawarius zuständig.

Wir landeten so dicht wie möglich beim Haus, wobei ich mal nicht darauf achtete, ob Burner den Rasen beschädigte – darauf kam es nicht mehr an. Während wir eintrafen, landeten weitere Mitglieder, und ich vermutete mal, dass viele schon hier waren. Zwar war nicht jeder immer besonders erpicht darauf, irgendwo spontan hinzukommen, aber bei einem Todesfall überwog offenbar die Betroffenheit, Neugier oder Sensationslust.

Rose und ich schritten zügig zum Eingang und sahen hier und da Blutspritzer an der Wand des Hauses oder auf dem Boden, der hier mit Steinen ausgelegt war. An einer Stelle der Mauer gab es eine Kerbe, die von irgendeiner Waffe stammen musste, vielleicht einem Schwert. Woanders schien Magie aufgeschlagen zu sein und hatte ein geschwärztes Loch hinterlassen. Eine zerbrochene Lanze steckte weiter hinten im Rasen und ein verlorenes Schwert lag herum. Rose krallte sich an meinen Arm und wir tauschten einen schockierten Blick aus. Was war hier los?

Wir betraten das Haus und trafen auf Yubel, der uns zunickte und unsere Namen auf einem Klemmbrett notierte. „Damit der Koch weiß, wie viele Besucher da sind.“

Es gab aber bereits belegte Brote und Gemüsebrühe für die hungrigen Gäste, zu denen ich uns zählte, da wir vor der Abreise gar nichts mehr gegessen hatten. Die Speisen befanden sich in einem Aufenthaltsraum im ersten Obergeschoss, in dem sich aber besser jeder nur so lange aufhielt, bis der Hunger gestillt war, denn es gab dort nicht genügend Plätze für uns alle.

Auf dem Gang gab es ebenfalls Beschädigungen – eine Stelle, wo kein Teppich lag und auf dem Boden noch Reste von irgendeiner Substanz klebten, die die Bediensteten noch nicht vollständig abgekriegt hatten.

Rose und ich luden uns einige Brotscheiben auf einen Teller und zogen uns in das Gästezimmer zurück, das wir üblicherweise nutzten, wenn wir hier waren. Es war das neben der Bibliothek. Auf der anderen Seite war eine Tür mit einem Schild „nicht benutzen – Fenster defekt“ behängt.

Wir aßen zügig, denn an Ausruhen war nicht zu denken.

„Ich hoffe, Fuma ist nicht verletzt,“ murmelte Rose. „Oder Edin, der arme Junge! So wie das hier aussieht... als ob eine Armee hier eingefallen ist.“

„Von anderen Todesfällen stand nichts in der Nachricht,“ gab ich zu bedenken. Aber das hieß natürlich nicht, dass es auch keine Verletzten gab.

Wir hatten die Tür offen gelassen für den Fall, dass jemand nach uns suchte. Gelegentlich gingen weitere Zirkelmitglieder draußen vorbei. Türen wurden geöffnet, vermutlich bezogen auch andere ihre angestammten Zimmer. Wenn der ganze Zirkel inklusive Begleitpersonen anreiste, konnte es mit dem Platz aber knapp werden.

Gerade, als ich mir das überlegte, klopfte jemand an unsere offene Tür, und ich blickte auf, um Sage zu entdecken. „Hallo, Ihr zwei. Cosmea und ich haben vorgeschlagen, mit euch ein Zimmer zu teilen, wenn das für euch in Ordnung ist. Wir müssen alle ein bisschen zusammenrücken.“

„Uhm... sicherlich. Ihr könnt das Bett haben,“ sagte Rose. „Thau kann ja in seiner Rattengestalt auf einem Sessel schlafen.“

„Sehr witzig,“ grummelte ich, musste jedoch zugeben, dass die Idee was für sich hatte. So aus praktischen Gesichtspunkten. Wir hatten nicht daran gedacht, Schlafsäcke mitzubringen, und ich fragte mich, wo Rose dann nächtigen wollte. Womöglich mit der Überdecke und einem Zierkissen auf dem Boden. Sie war da recht abgebrüht.

„Ach, ihr braucht uns nicht den Vortritt zu lassen,“ winkte Sage ab.

Er holte aus seiner Reisetasche zwei Betten in der Größe von Puppenmöbeln, stellte sie nebeneinander an eine Stelle mit viel Platz und murmelte einen kurzen Spruch. Die Betten wuchsen zu normaler Größe heran, und ich erkannte die Bauart der Möbel aus dem Schwarzen Turm.

„Den Trick muss ich mir unbedingt auch aneignen,“ stellte ich fest.

„Erinnere mich bei Gelegenheit mal dran,“ lächelte der alte Magier. Er stellte seine Tasche auf eins der Betten. „Ich gehe mal nach Cosmea sehen, sie wollte was zu essen besorgen.“

„Wir werden wohl mal nach Fuma suchen gehen,“ entgegnete ich mit einem Blick auf Rose, die zustimmend nickte.

Wir teilten uns also erst einmal wieder auf und trafen unterwegs viele andere Mitglieder, die ebenfalls so aussahen, als wären sie gerade angekommen. Einige hatten wesentlich mehr Gepäck dabei als wir, vielleicht hatten sie an Schlafsäcke gedacht.

„Ihr könnt dieses Zimmer haben, ich werde zum Schlafen ins Dorf fliegen, wo ich den Wirt ganz gut kenne,“ hörten wir im Vorbeigehen Lord Belial sagen.

Für die Geflügelten unter uns bot sich das Dorf natürlich an, da dauerte der Weg nur eine Minute. Edehs Haus war groß, aber nicht groß genug für so viel Besuch. Allerdings verlangten es die Zirkelregeln, in Fällen wie diesem am Ort des Geschehens zu verweilen, schon um bei Aufräumarbeiten zu helfen und dem Verstorbenen Respekt zu zollen. Ansonsten hätten wir wohl das Hauptquartier vorgezogen, aber dieses bot ebenfalls nicht den Komfort vieler Gästezimmer, sondern diente vor allem als Versammlungsplatz. Dafür konnte man leicht Zelte auf dem Grundstück errichten. Hier war das eher schwierig, weil das Gelände etwas abschüssig war, und derzeit bot es sich auch nicht an, weil es vor kurzem offenbar noch als Kampfschauplatz gedient hatte.

Wir fanden Fuma zunächst nicht, dafür begegnete uns Vanis, der im Moment den Vorsitz des Zirkels inne hatte, ein Job, der immer mal wechselte. Ich versuchte stets, mich davor zu drücken.

„Ah, Thau, dich habe ich gesucht,“ begrüßte der Unterweltler mich, doch bevor er zur Sache kam, küsste er Rose die Hand. „Du siehst wie immer bezaubernd aus, Röschen. Thau, da draußen liegen ein paar tote Behemots, und wir vermuten, dass noch mehr im Wald sind. Im Wald wird sie vermutlich irgendein Viechzeugs auffressen, aber auf dem Gelände ist das nicht so schön. Du beherrschst doch so starke Feuerzauber, könntest du die Kadaver entsorgen?“

„Das wird sich wohl machen lassen,“ stimmte ich zu. „Ich kümmere mich im Laufe des Abends darum. Hast du Fuma gesehen?“

„Ich glaube, sie hilft im Erdgeschoss bei der Zuteilung der Zimmer und sucht Bettzeug heraus.“

Dieser Information folgend, gingen Rose und ich unten nachsehen. Hier rannte uns der kleine Edin fast über den Haufen, gefolgt von seiner Kinderfrau. Wenigstens schien es ihm gut zu gehen, denn er kicherte ganz vergnügt, als wäre nichts geschehen. Kinder konnten manchmal auch ganz gut verdrängen, oder Fuma hatte ihm noch nichts gesagt...

Wir folgten dem Gang zu Edehs und Fumas privaten Räumen und einigen weiteren Gästezimmern, als uns ein blonder Mann entgegen kam, der einen Stapel ordentlich gefalteter Laken trug. Er blieb stehen und starrte uns an. Ich wollte einfach vorbei gehen, doch er folgte uns mit Blicken.

„Ähm... stimmt etwas nicht?“ fragte ich deshalb.

Er schien aus einem Tagtraum zu erwachen. „Verzeihung... wo bleiben meine Manieren. Ich bin Ray... ich meine, Lichal. Prinz der Eisigen Inseln. Aber man nennt mich Ray.“

Er klemmte sich die Laken etwas umständlich unter den linken Arm, nahm galant Roses Hand und hauchte einen Kuss darauf, etwas, das Männer anscheinend gerne bei ihr machten. „Verehrte Dame. Wer auch immer Ihr seid, ich freue mich, Eure Bekanntschaft zu machen.“

Rose gab sich verlegen. „Ich bin einfach nur Rose.“

„Wie passend. Eine schlichte Bezeichnung für eine edle Blume.“ Ray stellte seine Schmeicheleien ein und wandte sich mir zu, wobei sein Blick ernst, ja gar furchtsam wurde. Doch als ich seine Hand schüttelte, war sein Griff fest. „Ihr seid Thaumator.“

Ich hatte schon Luft geholt, um meinen Namen zu nennen, doch nun öffnete sich mein Mund in wortlosem Erstaunen. Kannte ich diesen blonden Schönling? Ganz nebenbei... wenn er ein Prinz war, warum trug er dann hier Wäsche herum? Hatte ihn eine der Damen aus dem Zirkel als Begleitung dabei? Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass die Eisigen Inseln mir bekannt vorkamen, aber ich konnte den Begriff nicht einordnen.

Seine Hoheit schloss kurz die Augen und stieß einen leisen, leidenden Laut aus, während er noch immer meine Hand hielt. Er hob sie näher an sein Gesicht und drehte sie etwas, als gäbe es auf dem Handrücken etwas zu sehen. „Ja, kein Zweifel. Ihr habt meinen Bruder ausgebrannt.“

Iiihks! Wie unangenehm! Ich zuckte zurück, doch er hielt mich immer noch fest. „Ihr seid Sorcs... oh.“ Na kein Wunder, soweit ich wusste, war dessen wahre Identität auch von herrschaftlichem Blut, allerdings behandelte der Zirkel ihn stets nur als Sorc, den Chaoshexer. Deshalb ging das Prinzliche an ihm immer irgendwie unter.

Schließlich erinnerte sich Ray wohl daran, dass er mich loslassen sollte. Er öffnete die Finger und lächelte entschuldigend. „Tut mir Leid. Ich habe es gespürt, sobald ich Euch sah. Und Euch zu berühren, brachte mir... Einblicke.“

Nun war es an mir, ihn anzustarren, wobei ich mir begriffsstutzig vorkam. Was redete der da?

„Thau, der Mann ist offenbar ein Seher,“ übersetzte Rose für mich.

„So würde ich das nicht nennen,“ wehrte Ray ab. „Es ist nur eine schwache Gabe. Jedoch erscheint sie mir stärker und präziser seit einigen Tagen... zumindest immer dann, wenn es um meinen Bruder geht. Aber Ihr...“ Er schloss erneut die Augen. „Ihr habt mit ihm zu tun, deshalb sehe ich wohl auch Dinge über Euch...“

Das passte mir natürlich gar nicht, dass jemand einfach so in meinem Leben herumschnüffeln konnte. „Lasst das gefälligst!“ verlangte ich etwas unwirsch.

„Ich mache es nicht mit Absicht,“ versicherte Ray eilig. „Aber ich will auch gerne wissen, was aus meinem Bruder wird, daher nutze ich Möglichkeiten aus, die sich bieten. Im Grunde glaubt mir eh selten jemand. Manchmal wollen die Leute nur hören, was sie ohnehin zu wissen glauben.“

Ich war unentschlossen, ob ich ihn nach Einzelheiten fragen oder als Spinner abtun sollte. Dass die Leute ihm nicht glaubten, konnte ich mir lebhaft vorstellen. Zugleich wollte ich aber auch nichts wissen, weswegen ich mich dann zweifellos verrückt machen würde. Ehe ich Zeit hatte, zu einer Entscheidung zu kommen, wurde mir diese abgenommen.

„Ray? Bist du schon zurück? Oh!“ Aus der übernächsten Tür kam Fuma auf uns zu. Sie legte mehrere Kissen und Decken am Boden ab, um uns zu begrüßen. „Rose! Hallo! Und Thau... wie schön, dass ihr kommen konntet.“ Sie umarmte meine Frau und drückte mir die Hand. „Habt ihr Ray schon kennen gelernt?“

„Oh, äh... ja, gerade eben,“ antwortete ich und fragte mich noch mehr, was er hier zu suchen hatte. Allerdings fehlte uns ja generell noch die Information zum Anlass dieses Treffens.

„Fuma, Liebes, was ist denn nur hier passiert?“ ergriff Rose das Wort. „Wir wissen nur, dass Edeh... also... dass ihm etwas zugestoßen sein muss.“

Fuma seufzte. „Das kann man so sagen. Er... hat sich in etwas verrannt, und das hat ihn das Leben gekostet... Die Einzelheiten solltet ihr euch lieber von euren Kollegen erklären lassen, Angelus und Belial waren in der Frühe hier und haben Protokolle aufgenommen. Jedoch solltet ihr das mit Ray vielleicht lieber von mir erfahren... Er, ähm... ist mein neuer Mann.“

Das hatte ich gewiss nicht erwartet, und Rose wohl auch nicht. Wir tauschten einen Blick aus und ich erkannte auf ihrem Gesicht denselben Ausdruck des Unglaubens, den ich auf meinem vermutete. „Hab ich das richtig verstanden... ihr habt den Bund geschlossen? Quasi direkt nach Edehs Ableben?“

„Nun ja... die Umstände machten diese Maßnahme nötig. Ich bin gewissermaßen Kriegsbeute. Ray hat befürchtet, dass seine Mutter mir und Edin etwas antun könnte, aber wenn ich seine Frau bin und Edin damit auch zur Familie gehört, tut sie das natürlich nicht.“

„Meine Mutter hat, wie Ihr vielleicht wisst, den Thron der Eisigen Inseln von einem tyrannischen Herrscher übernommen, den sie entmachtet hat,“ schaltete Ray sich wieder in das Gespräch ein. „Dessen Frau und Sohn zeigte sie Gnade – und dieser Sohn war Edeh Arae. Da die Gnade von damals sie nun fast den Sohn gekostet hätte, wäre es dieses Mal wahrscheinlich anders verlaufen und es hätte keine Gnade für die Familie des Mörders ihres Sohnes gegeben.“

„Ich komme nicht mehr mit,“ stöhnte ich. „Wieso Mörder?“

„Edeh hat versucht, Prinz Soach zu ermorden,“ verriet Fuma uns in leiserem Tonfall. „Er war wie besessen von der Idee, dass er der rechtmäßige Herrscher der Eisigen Inseln war. Außerdem hat seine Mutter ihm eingeredet, dass Soach sein Halbbruder ist... dass also Lady Charoselle sich mit dem Tyrannen eingelassen hat, um von ihm schwanger zu werden, bevor sie ihn tötete, und so ihren Herrschaftsanspruch zu legitimieren. Sein Plan sah vor, Soach zu töten und die Lady verwundbar zu machen in ihrer Trauer, damit er dann den Thron an sich reißen konnte.“

„Also war das auch der Grund, weshalb er schon immer für die Todesstrafe plädiert hat... ich dachte, er macht das nur, um es den Verteidigern nicht ganz so leicht zu machen,“ murmelte ich.

„Ich war leider nicht in alles eingeweiht,“ fuhr Fuma fort. „Aber soweit ich Bescheid wusste, dachte ich natürlich, er sei im Recht... schließlich war er mein Mann... auch wenn er sich in letzter Zeit sehr von mir entfremdet hat.“

Sie schlang die Arme um sich und senkte den Blick, scheinbar den Tränen nahe. Rose legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie tröstend an sich. Ray hielt sich hingegen eher zurück... was ich auch verstehen konnte, immerhin konnten die beiden nach dieser kurzen Zeit keine besonders herzliche Beziehung aufgebaut haben. Da ließ er lieber der Freundin den Vortritt.

„Ich denke, Genesis und Belial werden schon bald alles genauer erklären, soweit es die Vorgänge hier betrifft, wobei ich hoffe, dass auf die privaten Details nicht so sehr eingegangen werden muss,“ sagte der blonde Prinz. „Ich muss diese Bettwäsche nach oben bringen, entschuldigt mich...“ Er drehte sich schon um, zögerte dann jedoch. „Ihr werdet mit meinem Bruder noch zu tun haben, Thaumator,“ prophezeite er. „Mehr als Euch vielleicht lieb ist. Aber sorgt Euch nicht deswegen.“

Nach dieser Botschaft setzte er sich in Bewegung, und ich sah ihm noch hinterher, bis er um die Ecke verschwand. Was sollte dieses kryptische Geschwafel jetzt schon wieder? Wenn ich irgendwas nicht wollte, dann mit Sorc beziehungsweise Prinz Soach zu tun zu haben.

„Ich sollte wohl auch mal gehen und mich um die, äh... um der Bitte von Vanis nachzukommen.“ In Fumas Gegenwart sollte ich wohl lieber nicht die toten Behemots erwähnen. Sie hatte einige der Tiere selbst trainiert.

Rose nickte mir zu, und ich überließ die Frauen sich selbst. Die Neuigkeiten wollten sich nicht so ganz in meinem Hirn in eine vernünftige Ordnung bringen lassen, aber vielleicht musste das einfach warten, bis die restlichen Informationen dazu kamen.

Folglich konzentrierte ich mich auf etwas, das ich konnte, nämlich mit Feuer hantieren.

Die Kadaver waren nicht zu übersehen, und ich schritt auf den nächsten zu. Vielleicht lag er dicht genug bei einem anderen, um mit einer Anstrengung gleich beide zu beseitigen. Letztendlich sah ich mir erst einmal alle an, um zu entscheiden, welche Reihenfolge sinnvoll wäre.

Beim vierten kam plötzlich jemand hinter dem Kopf des Geschöpfes hervor auf meine Seite. „Hey. Das ist mein Loot, verschwinde!“

„Wie bitte?“ Ich erkannte den blonden Kerl, der mit Sorc zusammen festgenommen worden und dann dem Drachenhauchorden überstellt worden war – Malice, wenn ich mich recht erinnerte.

„Na die Krallen und Zähne! Diverse Stacheln, Haare, Schuppen... kann ich alles verscherbeln! Du warte schön, bis du dran bist!“

Okay, es war an der Zeit, den Zirkelmagier rauszukehren. Soviel Unverschämtheit musste ich mir als solcher von so einem Rehabilitanden-Jungspund nicht gefallen lassen!

„Bürschchen, wenn du dich nicht gleich eines angemesseneren Tonfalls befleißigst, bleibt von deinem Loot in wenigen Sekunden nur noch Asche übrig, denn ich bin hier, um die toten Tiere zu beseitigen. Und ich werde bestimmt nicht hier rumstehen und warten, bis so ein Grünschnabel den Viechern alle Zähne rausgebrochen hat!“

„Schon gut, schon gut, bleib mal locker!“ wechselte der Typ seine Taktik. Er schien sein Haar jetzt kürzer zu tragen, stellte ich fest. „Statt hier großzukotzen, könntest du mir lieber helfen, dann geht’s schneller! Das Zeug bringt voll Geld ein, besonders die großen Hörner und diese Stachelfortsätze an den Gelenken. Das kann ich mir doch nicht entgehen lassen!“

Oh, so war das also. Darauf hätte ich auch kommen können, aber ich kannte mich mit dieser Thematik nicht so aus wie ein Abenteurer, der so seinen Lebensunterhalt verdiente. Diese Gelegenheit ließ ich mir dann aber ebenfalls nicht entgehen.

„Fein, ich sehe über deine Unverschämtheiten hinweg und gehe dir sogar zur Hand, wenn ich dafür von zweien das ganze Zeug für mich kriege!“

Malice schien kurz zu rechnen. „Na gut... es sind insgesamt sechs, mit einem bin ich schon fertig. Hier...“ Er reichte mir eine blutige Zange. „Zieh dem da alle Zähne raus. Schneid dich nicht an den restlichen.“

Was folgte, war eine ziemlich eklige und anstrengende Arbeit, für die ich mir vorsorglich einfacherer Klamotten herbeizauberte. Wir zogen den Behemots alle Zähne, schnitten die Mähnen ab und entfernten die Hörner und Krallen. Da es inzwischen dunkel war, ließ ich Flammen zur Beleuchtung der schaurigen Szene umherschweben. Dabei hoffte ich, dass nicht jemand vom Haus herkam und uns zur Rechenschaft zog. Am widerlichsten war zweifellos das Abtrennen der Haut. Das konnten wir auf die Schnelle nur an einigen großflächigeren Stellen machen, da alles andere zu lange gedauert hätte. Außerdem, so erfuhr ich, nahmen Händler generell lieber große Stücke. Ich war da zwar recht abgebrüht, denn in meiner Nachbarschaft half ich manchmal, ein Tier zu schlachten, aber diese Größenordnung war eigentlich nicht dabei. Außerdem gehörte diese Tätigkeit nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. So gut es ging, reinigten wir die Haut von Fleischresten. Zu meinem Erstaunen hatte der Heldenpraktikant für fast alles ein passendes Werkzeug dabei. Nun ja. War vermutlich nicht das erste Mal.

Malice stopfte das ganze Zeug in seine Taschen, bei denen es sich offenbar um magische Heldenausrüstung handelte, und bedauerte, dass er keine Gefäße dabei hatte, um noch die Augen und Zungen mitzunehmen.

Ich überlegte mir, dass Basalt diese Sachen wohl gut würde verwerten können, daher ließ ich meinen Anteil fachmännisch in eine abgenutzte Decke einschnüren, die Malice mir im Austausch für einen Zahn überließ. Er versicherte mir, dass sie diesen Preis wert sei, weil sie verhinderte, dass darin eingewickelte Sachen verdarben. Gut, dann fingen die Häute wohl nicht an zu zu stinken, wie ich hoffte. Schließlich wusste niemand, wie lange das hier dauern würde.

Nachdem alles zu Malices Zufriedenheit gelootet war – was wohl so viel hieß wie abgeerntet – schickte ich den Burschen weg, damit er sich wusch und mir nicht im Weg rumstand bei meiner nun folgenden Arbeit. Er brachte ein bisschen Entfernung zwischen uns, guckte aber. Na schön.

Ich flüsterte den Zauberspruch, den Basalt in seinem gefälschten Buch mit einem Warnhinweis versehen hatte. Laut sprach man den lieber nicht aus, wenn Zeugen anwesend waren, denn man musste kein Magier sein, damit der Spruch wirkte. Eigentlich genial, wenn er nicht so gefährlich gewesen wäre.

Ich hielt meinen Blick auf den Kadaver gerichtet, den ich zuerst verbrennen wollte, und dirigierte das Feuer dorthin. Es schien in er Luft zu entstehen und stürzte sich hungrig auf das Ziel. Dadurch wurde die restliche Szene so gut erhellt, dass ich problemlos den nächsten toten Behemoth sehen konnte, um diesen danach in Angriff zu nehmen.

Eingeweihte nannten diesen Zauber das Epische Todesinferno. Laien dachten, es sei ein falscher oder alternativer Begriff für das epische Todesfeuer, einen alchemistischen Trank, der Brände auslöste. Letzteres war aber harmlos dagegen.

Das Todesinferno ließ innerhalb weniger Minuten nichts als Asche von den großen Viechern übrig, welche größenmäßig immerhin einem Drachen Konkurrenz machen konnten. Und das bezog sich nicht auf ein kleines Exemplar wie Burner. Die Hitze versengte mir beinahe die Haut, obwohl ich als Feuermagier etwas besser dagegen gefeit war als andere. Es gelang mir, alle sechs nacheinander zu verbrennen, ohne etwas zu beschädigen, das heile bleiben sollte. Wo die Behemoths gelegen hatten, würde man morgen nur noch versengte Erde finden, die möglicherweise eine Weile kahl bleiben würde, wenn sie nicht rekultiviert wurde. Als ich fertig war und die Flammen mit einiger Willensanstrengung zum Erlöschen zwang, obwohl sie weiter wüten wollten, hing der Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft.

Im Anschluss wünschte ich mir ein Bad, denn ich sah vermutlich genauso verdreckt aus wie Malice nach unserer Loot-Aktion. Zum Glück kannte ich mich auf Edehs Gelände und im Haus aus und winkte dem Heldenpraktikanten, mir zu folgen. „Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn wir uns waschen.“ Ich hoffte nur, dass in der Zwischenzeit keine Versammlung ohne mich anfing.

Ein Hintereingang führte in ein Bad, das meist von den Angestellten genutzt wurde, wenn sie von der Arbeit im Freien zurückkehrten. Ich ließ Malice von draußen Wasser in das Becken pumpen und heizte das Wasser von drinnen auf. Das hatte den Vorteil, dass ich natürlich auch als Erster mit Baden drankam, was ich in meiner Stellung als Zirkelmitglied auch für mich beanspruchte. Fast hätte ich meine Kleidung zurück in den Schrank gezaubert, hielt mich aber gerade noch zurück, denn Sana würde das sicherlich nicht befürworten, wenn blutige und verdreckte Sachen zwischen meinen guten Stücken hingen.

Ich hielt mich nicht lange auf, sondern wusch mich methodisch, wobei Malice dazukam, als ich halb fertig war. Nun war ich kein Freund davon, andere meine Narben sehen zu lassen, doch wir ignorierten uns mehr oder weniger gegenseitig – was jemand wie er wohl auch lernte, wenn er mit einer Gruppe unterwegs war. Ich stieg aus der relativ kleinen Wanne, schnappte mir ein Handtuch und ließ ihn direkt rein. Er befasste sich demonstrativ mit der Seife, und wenn er irgendetwas von meinem entstellten Körper gesehen hatte, behielt er es für sich. Ich zauberte die Kleidung von vorhin wieder herbei, sobald ich trocken genug war. Mit meinem Loot-Bündel und den dreckigen Sachen unterm Arm machte ich mich dann auf den Weg in mein Zimmer, wobei ich nicht auf Malice wartete.

Als ich in den Gang mit den Gästezimmern einbog, kamen mir zahlreiche andere Mitglieder entgegen, die mir fast alle sagten, dass es gleich eine Versammlung in der Eingangshalle geben sollte. Das fand ich seltsam, denn Edeh hatte unter dem Dach einen Saal, der sich für sowas besser eignete. Ich packte mein Gepäck in das Zimmer, wo ich zu schlafen gedachte, und folgte dann den anderen nach unten. Nun würde ich hoffentlich endlich erfahren, was hier los war.

Die Wahrheit ist inoffiziell

Edehs Eingangshalle quoll über vor Betriebsamkeit, als wir uns dort versammelten. Gut, sie war groß und reichte locker, um seine Bediensteten strammstehen zu lassen, aber alle restlichen 32 Mitglieder des Zirkels des Bösen, zum Teil samt Begleitung, passten nur schwer hier hinein – zum Teil deshalb, weil seitlich Tische mit Erfrischungen standen. Und es gab nur zwanzig Stühle, die den älteren vorbehalten blieben. Ich zählte mich noch nicht dazu und suchte mir mit Rose einen Stehplatz, wobei ich mitbekam, dass Sage und Cosmea in der ersten Reihe saßen.

Etwas davor stand ein Tisch, auf dem ein paar Akten lagerten, und an ihm saßen Vanis, Angelus Genesis und Marquis Belial. Die drei steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich miteinander, bis sie einander noch einmal zunickten und dann aufstanden. Nach und nach kehrte daraufhin Ruhe ein.

Als Vorsitzender ergriff Vanis das Wort: „Liebe Freunde! Ihr werden euch gewundert haben, wie es sein kann, dass ein Mitglied wie Edeh Arae, ein hartgesottener Unterweltler, einfach von uns gehen konnte. Aber um euch das zu berichten und um über weitere Konsequenzen zu beraten, habe ich euch herkommen lassen. Angelus und Belial waren heute in den frühesten Morgenstunden hier vor Ort, um die Situation zu begutachten. Sie werden euch berichten, was sie vorgefunden haben.“

„Danke, Vorsitzender,“ sagte Genesis feierlich, worauf Vanis die Augen verdrehte, denn diese Förmlichkeiten ärgerten ihn immer ein bisschen. Der Vampir blickte in die Runde. „Gestern erhielt ich ein Kontaktformular, in dem Edeh mir mitteilte, dass Sorc hier aufgetaucht sei und ihn bedrohe, so dass er entsprechende Maßnahmen ergreifen werde,“ sagte er. „Ich benachrichtigte Belial, der für diesen Rehabilitanden zuständig ist, und gemeinsam reisten wir hierher. Bei unserer Ankunft befand sich das Haus unter Belagerung von Lady Charoselle von den Eisigen Inseln sowie Lord Crimson vom Lotusschloss. Crimson erklärte uns, dass er gekommen sei, um Sorc zu befreien, somit stellte sich uns ein etwas anderes Bild dar als durch Edehs Nachricht. Belial wird jetzt den offiziellen Bericht verlesen.“

Der Vampir überließ dem Unterweltler das Feld.

„Diesen Bericht fertigte ich heute früh an, nachdem wir unter anderem Crimson, Rahzihf und den Praktikanten Malice befragt hatten,“ eröffnete Belial seinen Vortrag.

„Thau... offizieller Bericht heißt doch, dass es nicht zwangsläufig die Wahrheit ist, oder?“ flüsterte Rose mir zu.

Ich nickte. „Wahrscheinlich kommt anschließend der inoffizielle...“ Davor hatte ich richtig Angst, stellte ich fest.

Belial las nun von seinem Klemmbrett ab: „Der Rehabilitand Sorc wollte sichergehen, dass der Junge Kinahf unbeschadet an seinem Heimatort ankommt, daher bat er Lord Crimson vom Lotusschloss, der besagten Jungen in Gewahrsam hatte und auch der Anbieter der bisherigen Rehabilitandenstelle Stufe 3 ist, ihn dorthin begleiten zu dürfen. Crimson stellte ihm eine schriftliche Erlaubnis aus für den Fall, dass es zu Problemen mit dem Zirkel käme. Das Schreiben liegt allerdings nicht mehr vor.“

Das hätte Sorc eigentlich nicht tun sollen. Aber vermutlich hatten weder er noch Crimson das genau gewusst, oder aber gedacht, dass es schon nicht auffallen würde, konnte ich mir vorstellen...

„Dem Rehabilitanden war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, dass Kinahf in den Diensten Lord Araes stand und auch in dessen Haus wohnte. Arae missverstand Sorcs Ankunft als Angriff auf seine Person; offenbar rechnete er mit einem Racheakt. Er nahm ihn gefangen und drohte an, ihn zu töten. Durch seinen bereits lange schwelenden Wunsch, Sorc möge zum Tode verurteilt werden, steigerte er sich wohl in den Wahn hinein, dass dies eine vom Schicksal dargebotene Chance sei.

Indessen reiste Lord Crimson mit einigen Gefolgsleuten an, da er die telepathische Verbindung zu Sorc verloren hatte, als dieser die Schutzschilde Lord Araes durchschritt. Crimson ging davon aus, den Rehabilitanden vor Schaden bewahren zu müssen, was tatsächlich eine zutreffende Beurteilung der Situation darstellte.

Durch seine Ankunft kam es zu Kampfhandlungen, in deren Verlauf Lord Arae sein Leben verlor: Der Praktikant Malice stellte ihn zum Duell, um sein Können zu beweisen. Doch der Lord war ihm überlegen und konnte ihn entwaffnen, daraufhin holte er mit seiner Waffe aus. Sorc, der Zeuge des Duells war, interpretierte dies als klare Tötungsabsicht und erschlug Arae mit dem Zauberstab seines Sohnes Kayos, welchen er zu seiner Verteidigung bei sich hatte. Ob Lord Arae tatsächlich vorhatte, Malice zu töten, oder ob es nur so aussah, ist nicht bekannt.

Lady Charoselle, die von den Umständen durch einen Boten Araes Kenntnis erhalten hatte, reiste ebenfalls an, jedoch erst, als die Situation bereits geklärt war. Lord Crimson beansprucht Araes Besitz für sich und hat bis auf weiteres Prinz Lichal von den Eisigen Inseln als Verwalter eingesetzt.“

Belial ließ sein Klemmbrett sinken und die Zuhörer seine Worte verdauen. Auch mir lagen diese Informationen im Magen. Also hatte Sorc Arae getötet? Soviel Wahrheit dürfte der offizielle Bericht schon enthalten, ich ging nur davon aus, dass die Details sich etwas anders darstellten. Es wurde mit zunehmender Lautstärke gemurmelt, bis Vanis eine Hand hob und so wieder Stille einkehren ließ.

„Dies ist die Version, welche wir in unsere Akten aufnehmen werden,“ verkündete er. „Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es jedoch noch die inoffizielle, wahre Version. Angelus?“

„Das ist richtig, Vanis.“ Genesis nahm einige Blätter Pergament vom Tisch an sich. „Wir haben zugleich eine andere Version von Sorcs Aussage vor Gericht erhalten. Genau wie wir annahmen, entsprach seine Aussage nicht völlig der Wahrheit.“

Ich schloss die Augen, ballte die Hände zu Fäusten und atmete heftig durch. Das hatte ich ja befürchtet... Rose legte eine Hand tröstend auf meinen Arm, doch die Geste beruhigte mich nicht.

„Ich habe das nur als Notizen aufgeschrieben,“ bemerkte der Vampir. „Ich muss etwas weiter ausholen und bitte um etwas Geduld.

Vor neunzehn Jahren ereignete sich ein Goblinangriff auf den Flammenbrunnen-Hexenzirkel. Zu jenem Zeitpunkt war eine der Hexen, Fuega, hochschwanger mit dem Kind des Rehabilitanden Sorc. Der Krieger Rahzihf war in der Gegend und verteidigte die Frauen, wobei er unter anderem Fuegas Leben und das ihres Kindes rettete, jedoch durch seine Verletzungen den rechten Arm verlor. Sorc kam erst wenige Tage später hinzu und erfuhr davon. Aus Dankbarkeit gab er Rahzihf sein Wort als Prinz der Eisigen Inseln, ihm ebenfalls einen Dienst zu erweisen, wenn er einen solchen brauchte, und überließ ihm als Pfand des Versprechens einen magischen Armreif, der seinen Träger zu ihm führen konnte.“

Der Flammenbrunnen-Hexenzirkel. Eben jener, aus dem meine Mutter mit dem Buch von Incanta floh, schwanger mit mir. Offenbar gab es tatsächlich eine weitere Verbindung zwischen Sorc und mir... wir hatten beide durch Blutsverwandtschaft mit diesem Hexenzirkel zu tun.

„Inzwischen arbeitet Rahzihf als Söldner für Lord Arae, wie viele von euch wissen. Der Lord erhielt Kenntnis von der Sache und nutzte die absolute Treue seines Untergebenen und dessen Verbindung zu Sorc aus, um dem Rehabilitanden eine Falle zu stellen. Rahzihf stimmte auch deshalb zu, weil sein Sohn und der Sohn von Fawarius kürzlich in Ungnade gefallen waren.

Kinahf wurde also zu Sorc geschickt, um ihm eine Geschichte zu erzählen von einer Gefahr, in der er schwebte, weil er Arae bestohlen hatte. Der Lord erhoffte sich, dass Sorc sich für den Jungen opfern würde, jedoch gehörte es nicht zu seinem Plan, dass er sich der Gerichtsbarkeit des Zirkels stellte. Dennoch kam ihm der Umstand gelegen und er hoffte auf eine Hinrichtung. Dass es dazu noch immer nicht kam, muss ihn sehr verärgert haben. Wie ihr alle wisst, wurde Sorc entgegen Araes Hoffnung nicht hingerichtet, sondern ausgebrannt. Er nahm die Schuld für den angeblichen Diebstahl auf sich und verschwieg die Wahrheit bis zuletzt, um zu verhindern, dass dem Jungen doch noch etwas zustieße. Insofern spielte Arae quasi das Schicksal in die Hände, als Sorc darauf bestand, Kinahf hierher zu begleiten. Laut Kinahfs Aussage hatte er zwar die Aufgabe, genau dafür zu sorgen, falls es nicht zu einer Hinrichtung kommen sollte, doch der Junge hat sich bemüht, Sorc durch unhöfliches Benehmen von der Idee abzubringen. Dies tat er auf Bitten seines Vaters, der nicht wirklich wollte, dass Sorc zu Schaden kam.“

Es stimmte also... wir hatten einen Unschuldigen ausgebrannt. Mehr noch... einen, der sich opferte, um einen anderen zu beschützen. Ich rieb mir die Schläfen und bemühte mich um Haltung. Seltsamerweise musste ich dabei wiederum an Sorc denken, um mir an ihm ein Beispiel zu nehmen. Zumindest ich hatte ihm die Angst angesehen, aber er hatte dennoch Haltung bewahrt, so gut es ihm eben möglich war. Die Erinnerung stürzte wieder mit Macht auf mich ein und ich musste mich zusammenreißen, um mich auf die Fortsetzung von Angelus' Ausführungen zu konzentrieren.

„Als Sorc als Kinahfs Begleiter hier eintraf, nahmen Rahzihf und Fawarius ihn gefangen und lieferten ihn dem Lord aus. Da Araes ursprünglicher Plan vorgesehen hatte, Sorc ohne den Einfluss des Zirkels in seine Gewalt zu bekommen, war er darauf vorbereitet. Er vergiftete Sorc mit einem langsam wirkenden Gift und ließ Lady Charoselle eine klare Botschaft zukommen, indem er ihr von ihrem Sohn die abgeschnittenen Haare und ein Stück Haut mit einem markanten Mal zukommen ließ. Er wollte erreichen, dass die Lady Sorc sterben sieht und dadurch verwundbar ist, denn sein ultimatives Ziel war die Eroberung der Eisigen Inseln. Wie sich herausstellte, war Arae der Erbe des früheren Herrschers, der von Lady Charoselle entmachtet wurde. Arae ging außerdem fälschlich davon aus, dass Sorc sein Halbbruder sei, Sohn eben jenes Herrschers und der Lady Charoselle.

Lord Crimson kam zu Sorcs Rettung, da er die telepathische Verbindung verloren hatte und sich um den Freund sorgte. Sobald der Schutzschild fiel, erfuhr er telepathisch von Sorcs Situation und drang mit seinem Gefolge gewaltsam in das Haus ein.

Ich muss dazu sagen, dass Arae ein Gift benutzte, das ein Gegenmittel hatte, jedoch war kein Heilmittel verfügbar. Arae demütigte Sorc, indem er ihn um das Gegenmittel und damit eine stundenweise Verlängerung seines Lebens betteln ließ. Auch folterte er ihn als Strafmaßnahme, denn Sorc hat mehrfach versucht, Arae zu töten, jedoch ausschließlich, um zu verhindern, dass seiner eigenen Familie Schaden zugefügt wird. Praktisch dem Tode geweiht, hatte er nichts mehr zu verlieren. Insofern stellt sich die Szene, in der Arae schließlich starb, in Wahrheit etwas anders dar.

Die Gefolgsleute Rahzihf und Fawarius konnten von Kayos beziehungsweise Crimson ausgeschaltet werden, und schließlich drang Sorc in Begleitung des Heldenpraktikanten Malice, welcher mit Crimson und einzelnen Vertretern des Drachenhauchordens angereist war, zu Arae vor. Dieser erwartete sie im Saal im Obergeschoss. Malice lenkte Araes Aufmerksamkeit auf sich, so dass Sorc Gelegenheit bekam, ihn von hinten zu erschlagen. Hierfür benutzte er den Zauberstab, den sein Sohn Kayos ihm als Stützstock überlassen hatte, denn zu diesem Zeitpunkt konnte er kaum noch aufrecht gehen. Er nutzte ein Elixier der Verdammten, um seine selbst auferlegte letzte Aufgabe zu erfüllen. Im Anschluss nahm Crimson das Haus in Besitz und versuchte, durch einen selbst gebrauten Trank Sorcs Leben zu erhalten, da das Gegenmittel inzwischen verloren war. Doch Sorc wäre trotz allem gestorben, wäre nicht Ujat mit Schleimborke erschienen, die dafür bekannt ist, das sie jedes Gift unwirksam machen kann. Ujat, der an der Lotusschule als Lehrer arbeitet, ist wohlgemerkt Hellseher und sah den Bedarf voraus.“

Noch ein Hellseher... in dem Fall war es wohl gut so, aber generell mochte ich solche Leute nicht. Das lag wohl daran, dass ich einige Geheimnisse hatte, die ich gerne verbarg. Doch mein Hauptgedanke drehte sich um Edeh... hatte ich den Mann so falsch eingeschätzt? Wir waren nicht unbedingt die besten Freunde gewesen, hatten jedoch ein ausreichend kollegiales Verhältnis gehabt, dass ich ihm solche Taten nicht zugetraut hätte. Seine Pläne stellten im Grunde genommen einen Bruch der Zirkelstatuten dar. Denn auch wenn wir uns Zirkel des Bösen nannten, eroberten wir doch keine Reiche, indem wir deren Prinzen umbrachten und versuchten, die Herrscherin zu erledigen. Aber dies war die inoffizielle Version. Vermutlich hatte man sich mit Crimson und Sorc darauf geeinigt, sonst hätte es zu einer nachträglichen Entehrung Edehs und seinem Ausschluss aus dem Zirkel kommen können.

Doch der Bericht ging noch weiter...

„Als Belial und ich früh am heutigen Morgen eintrafen, war dies alles schon geschehen. Inzwischen befand sich auch Lady Charoselle hier, doch für sie gab es nichts mehr zu tun.

Belial und ich sprachen mit Crimson und weiteren Zeugen, und nach eingehender Beratung boten wir ihm an, Araes Platz im Zirkel einzunehmen.“ Genesis ließ seine Notizen sinken. „Crimson ist einverstanden und hat nach unsere Statuten ein Anrecht als Eroberer. Dennoch muss die Mehrheit der Mitglieder zustimmen. Bitte lasst euch alles durch den Kopf gehen, morgen nach dem Frühstück werden wir abstimmen. Die Akten können bei mir jederzeit erneut eingesehen werden, falls ihr noch an eurer Entscheidung zweifeln solltet.“

Wieder wurde Gemurmel laut, das Vanis zum Versiegen brachte.

„Ach ja, eins müsste ich noch erwähnen,“ nahm Genesis das Thema noch einmal auf. „Prinz Lichal von den Eisigen Inseln traf zusammen mit Crimson ein und agiert derzeit wie schon gesagt als sein Verwalter. Er hat den Bund mit Edehs Witwe Fuma geschlossen, um sie und ihren Sohn vor Rache Seitens seiner Mutter zu schützen. Denn damals, als Charoselle den Tyrannen der Eisigen Inseln besiegte, ließ sie Gnade walten und die Frau und das Kind des Mannes entkommen. Dieses Kind war Edeh, so dass zu befürchten stand, dass sie diesen Fehler nicht zu wiederholen gedachte, hätte er sie doch fast den Sohn gekostet. Dies nur zu eurer Information. Das war dann alles.“

Die Kollegen entfernten sich und es wurde nun wirklich laut, weil alle das Gehörte diskutierten. Ich ließ mich auf einen frei gewordenen Stuhl sinken und lehnte mich erschüttert zurück. Dass ein Kollege aus dem Zirkel, dessen Frau gut mit meiner befreundet war und dessen Alchemist immer meine Salben herstellte, zu solchen Taten fähig war, hätten wir wohl alle nicht erwartet. Und Sorc war durch seine Machenschaften unschuldig ausgebrannt und fast umgebracht worden...

Gut, man konnte argumentieren, dass er nicht völlig unschuldig war, denn sein letztes Urteil war relativ milde ausgefallen. Aber was das anging, konnte ich mich nicht beklagen, denn auch ich war damals nicht so hart bestraft worden, wie es dem Zirkel möglich gewesen wäre. Wir hatten Sorc bei seiner ersten Verhandlung mit dem Stufe Drei Programm davonkommen lassen, weil sein Sohn Kayos sich sehr für ihn eingesetzt hatte, obwohl er zu den Geschädigten gehörte, und weil Sorc sich sehr einsichtig und kooperativ gezeigt hatte. Außerdem hatten viele von uns sein Potential als Magier gesehen und es besser gefunden, dieses nicht zu zerstören – etwa so, wie man eine Antiquität nicht auf den Müll werfen würde. Sein Urteil hatte jedoch bedeutet, dass ein weiterer Fehltritt den nächsten Schritt zur Folge haben musste – und das hatte er gewusst.

Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es wohl war, sich freiwillig einer Situation auszusetzen, die mit einem solchen Opfer verbunden war, wenn die Wahrheit ausgereicht hätte, um ihn davor zu retten. Doch es geschah, um ein Versprechen zu ehren, erinnerte ich mich an den Anfang des inoffiziellen Berichts. Ein Mann, der seine Magie opferte, um ein Versprechen einzulösen, hatte meiner Meinung nach nicht verdient, dass er es wirklich tun musste, und ich grämte mich noch mehr wegen meiner Rolle in dieser Sache.

„Thau, ist alles in Ordnung mit dir?“

Ich fuhr hoch, als Cosmea mich an der Schulter berührte. Auch sie sah nicht glücklich aus.

„Nein... es ist nicht in Ordnung,“ gab ich zu. „Aber es lässt sich auch nicht mehr ändern.“

Niemand sonst sprach mich an. Rose stand in meiner Nähe und redete mit einer Dame, die ich erst auf den zweiten Blick als die Bundpartnerin von Finsterlord Asmodeus erkannte, eine schöne Fee mit Flügeln, die sie im Moment nicht trug. Manche Feen und Unterweltler, darunter die meisten aus dem Arae-Clan, hatten diese Gabe, nicht jedoch der Kollege Belial, der sich weiter hinten bemühte, seine so eng anzulegen, dass er nichts vom Tisch mit den Erfrischungen umwarf. Während es mich meistens amüsierte, wie er damit in engen Räumen umging, konnte ich dieses Mal keine Aufheiterung dabei empfinden.

Sage kam zu uns. „Ich habe die Bediensteten gebeten, uns noch etwas zu essen und genug Wasser in unser Zimmer zu bringen. Das wird noch einen Moment dauern, aber wenn ihr wollt, können wir dann bald schlafen gehen.“

Ich stöhnte vernehmlich. „Schlafen ist jetzt nicht gerade das, wonach mir der Sinn steht. Habt ihr Fawarius gesehen? Vielleicht hat er irgendein Mittel...“ Ansonsten befürchtete ich, würde ich entweder nicht einschlafen können oder irgendwelche Alpträume haben. Und ich hatte mich schon so gefreut, das Thema Sorc abhaken zu können und wieder normal zu schlafen.

„Den haben wir heute noch nicht getroffen,“ sagte Cosmea. „Schauen wir doch mal nach ihm...“

Doch zu meinem Verdruss wussten die Kollegen nichts über seinen Verbleib. Erst, als wir Fuma fragten, erfuhren wir, dass der Alchemist mit Crimson abgereist war, da er ihm die Treue gelobt hatte. Fantastisch. Mir kam spontan der Gedanke, dass ich jetzt gar nicht mehr wusste, ob er mich auch in Zukunft mit meiner Salbe beliefern konnte, die ich für meine Beine zu nutzen pflegte. Aber vielleicht war sein Aufenthalt bei Crimson ja nur temporär... hoffte ich jedenfalls. Ansonsten musste ich mich wohl oder übel zum Lotusschloss begeben und darum bitten, was mich schon jetzt mit Vorfreude erfüllte... wo ich doch dort so ungemein willkommen war.

Rose betrieb freundliche Konversation mit anderen Gästen, wie um sie von mir abzulenken. Als ich mich in unser Zimmer verkroch, wo die Bediensteten inzwischen unser Essen abgestellt hatten, kam sie wieder zu mir.

„Na? Wirst du für Crimsons Aufnahme in den Zirkel stimmen?“ fragte meine Frau.

Darüber hatte ich noch gar nicht recht nachgedacht. „Es wird seltsam mit ihm als neuen Kollegen, glaube ich, aber was sonst könnte ich tun...“

„Du musst dich ihm gegenüber nicht schuldig fühlen... oder Sorc...“

„Ich weiß, ich weiß. Aber ich habe dennoch das Gefühl, dass irgendeine Form von Wiedergutmachung angemessen wäre... auch wenn es Sorcs Entscheidung war, die Wahrheit zu verschweigen.“

„Und es ist auch Crimson, der beitreten soll, nicht Sorc,“ erinnerte sie mich. „Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist ja noch nicht raus, ob er als Rehabilitand auf Schloss Lotusblüte bleibt.“

„Das kommt auch noch dazu,“ seufzte ich. „Wahrscheinlich werden wir im Anschluss an die Abstimmung über seinen Verbleib beraten. Ich erinnere mich gut daran, wie Crimson sich um Sorc gekümmert hat, nachdem... nachdem wir fertig waren. Die beiden stehen sich augenscheinlich sehr nahe, kein Wunder, dass Crimson herkam, um ihn zu retten.“

Rose hob eine Augenbraue. „Haben sie eine, äh... romantische Beziehung?“

„Soweit ich das von Cosmea und Sage weiß, habe sie sich einfach sehr miteinander angefreundet, und Sorc hat seine Seele an Crimsons Schloss gebunden. Somit ist fraglich, ob er dort überhaupt weg kann. Allerdings sagt man ja auch, dass man sich von einem Ort, an den die Seele gebunden ist, gar nicht entfernen kann, und doch kann er es. Nur, wie lange?“

„Nun ja, Thau... das ist nicht dein Problem, ganz ehrlich. Du solltest dich nicht so hineinsteigern.“

Ich nickte, denn natürlich hatte sie Recht. Aber ich konnte nicht ändern, dass meine Gedanken um das Thema kreisten. Und auch darum, wie sehr ich mich in Edeh getäuscht hatte.
 

Zumindest hatte ich in der Nacht kein Problem mit Alpträumen, denn ich schlief nicht, sondern lag wach und versuchte, niemanden meiner Zimmergenossen durch meine Unruhe zu stören und mich möglichst nicht viel herumzuwälzen. Am Ende ging ich jedoch in den Aufenthaltsraum mit den Brettspielen aus der Welt des Blauen Lichts, die ich ab und zu schon hier mit dem Hausherrn und seiner Familie gespielt hatte, und wartete grübelnd auf den Morgen, wobei ich mich in eine Sofadecke wickelte.

Jemand hatte auf dem Tisch ein handliches Buch liegen gelassen, das wahrscheinlich in die Bibliothek gehörte, doch es konnte auch sein, dass es aus einem der Einzelzimmer stammte. In Ermangelung anderer Beschäftigungen nahm ich es an mich. Flüche und Verwünschungen. Worauf es ankommt, damit sie wirken.

Interessant, wo doch die meisten Bücher über Flüche darauf abzielten, sich dagegen zu wehren oder sie zu brechen. Nun konnte man natürlich aus diesem Buch sicherlich auch Schlüsse ziehen, wenn erklärt wurde, was zu beachten war – und vielleicht, was passierte, wenn es falsch lief. Da ich ein bisschen über das Thema wusste, interessierte es mich, ob ich etwas Neues lernen konnte. Ich blätterte einfach etwas durch und suchte nach Themen, die mich interessierten.

Aha... ja, das Opfer musste den Fluch hören, damit er wirkte, jedenfalls bei dem Typ Fluch, der direkt gegen jemanden ausgesprochen wurde. In diesem Falle lohnte es sich, diese Person namentlich anzusprechen, und zwar nach Möglichkeit mit dem Geburtsnamen, aber theoretisch funktionierte auch jeder Name, mit dem diese Person sich identifizierte. Ironischerweise wirkten Flüche am besten, die eher einfach klangen, denn sie boten nicht viele Ausweichmöglichkeiten. Nun war es leider nicht damit getan, sich die Ohren zuzuhalten, um einem Fluch zu entgehen. Im Gegenteil. Falls es sich als unmöglich erwies, den Sprecher zu stoppen, so empfahl es sich, genau hinzuhören, um dann anhand der Formulierung ein Schlupfloch finden zu können, und dabei konnte es auf sehr kleine Details ankommen. Den Sprecher zu unterbrechen, konnte Leben retten, aber nicht zwangsläufig. Manchmal veränderte sich die Bedeutung, wenn ein Fluch nicht zu Ende gesprochen wurde, was gefährlicher sein konnte als beabsichtigt. Schon ein faszinierendes Thema. Das Buch widmete sich dann verschiedenen Dingen, die einen Fluch stärker oder schwächer machen konnten, etwa bestimmte Orte oder spezielle Bedingungen und Hilfsmittel. Der Autor analysierte Unterschiede in Formulierungen, die sehr ähnlich klangen. Beispielweise bestand ein feiner Unterschied zwischen nach drei Tagen und am dritten Tag. Je mehr Spielraum der Magie blieb, wenn sie für Flüche zum Einsatz kam, umso mehr Überraschungen konnten passieren. Mit anderen Worten, Verfluchen und Verwünschen setzte eine gute Kenntnis der benutzten Sprache voraus und sollte lieber nicht in Fremdsprachen versucht werden, derer der Anwender nicht ausreichend mächtig war. Nach Möglichkeit sollte der Verfluchende sich gut überlegen, was er erreichen wollte, da sonst vielleicht etwas ganz anderes passierte.

Es gab auch Flüche, mit denen Gegenstände belegt wurden und die dann auf denjenigen übersprangen, der diese berührte. Der Autor schnitt dieses Kapitel kurz an, nannte einige Beispiele für als verflucht geltende Artefakte und verwies auf Band zwei.

Ich hätte mich gerne noch weiter mit Flüchen in der Theorie beschäftigt, zumal mir vieles bekannt vorkam und ich mich daher schlau fühlte, aber schon nach drei Kapiteln konnte ich kaum noch etwas von der kleinen Schrift erkennen, da meine Augen zu müde waren. Einschlafen konnte ich dennoch nicht, denn ich grübelte und machte mir Vorwürfe, überlegte, ob es bei Sorcs Verhandlung eine andere Lösung gegeben hätte und dachte darüber nach, was ich bezüglich seiner Unterbringung im Rahmen des Rehabilitationsprogramms Stufe Vier vorschlagen könnte. Es würde sicherlich nicht reichen, einfach Crimson gewähren zu lassen, der seinen früheren Chaosmagier behalten wollte. Er hatte zwar einen formellen Antrag gestellt, aber andere Bewerber würden sich vielleicht übergangen fühlen. Andererseits war der Zirkel niemandem Rechenschaft schuldig und konnte theoretisch einfach zugunsten des weißhaarigen Magiers entscheiden. Das wiederum war eigentlich nicht unser Stil, auch wenn ich mich im Grunde schon für diese Möglichkeit erwärmte. Vielleicht konnte ich Cosmea überreden, sich für ihren Enkel einzusetzen, das würde nicht so merkwürdig aussehen, wie wenn ich es tat.
 

Die Abstimmung fand nach de Frühstück statt und ohne unsere Partner, was bedeutete, dass sowohl Rose als auch Sage zurückblieben, während Cosmea und ich mit den anderen Zirkelmitgliedern erneut zu einer Versammlung in der Eingangshalle gingen. Diesmal bekam dann auch jeder einen Stuhl, weil keine Stehplätze eingeplant werden mussten. Es wurde eine recht einfache Sache. Vanis fragte uns, ob wir einverstanden wären, per Handzeichen abzustimmen, und da niemand ein Problem damit hatte, wurde es so gemacht. Es gab das übliche Spielchen: Auf die Frage hin, wer dafür sei, dass Crimson vom Lotusschloss in den Zirkel aufgenommen werde, um Arae zu ersetzen, zuckten mehrere Finger direkt hoch, andere überlegten ein wenig und zuletzt meldeten sich 18 Mitglieder dafür. Da ich sah, dass dies ausreichte, um die Mehrheit zu bekommen, enthielt ich mich als Einziger, während der Rest von uns dagegen stimmte. Die meisten taten das vermutlich nur, um ein Gegengewicht zu zeigen. Crimsons Aufnahme hatte ja nun nicht gerade für Empörung oder große Diskussionen gesorgt, aber ich für meinen Teil freute mich, dass ich mich etwas zurückhalten konnte. Meine Rolle bei dieser Angelegenheit war für meinen Geschmack eh schon zu groß.

„Damit ist Crimson unser neues Mitglied!“ verkündete Vanis. „Gibt es noch Fragen?“

Anscheinend nicht, denn es blieb still.

„Dann werden wir jetzt darüber beraten, was aus dem Rehabilitanden Sorc werden soll, welcher derzeit noch im Lotusschloss eine Stelle innehat,“ fuhr Vanis fort.

„Ich würde ja dazu neigen, ihn einfach bei meinem Enkelsohn zu lassen, da Crimson vermutlich eh darauf bestehen wird,“ ergriff Cosmea rasch das Wort. Ich hatte mit ihr zuvor über das Thema gesprochen, doch fast unnötig – sie hatte ohnehin geplant, sich für Crimson einzusetzen.

„In Anbetracht der Umstände, durch die es zur Ausbrennung des Rehabilitanden kam, wäre ich auch dafür,“ warf ich ein. „Sorc wurde offenbar Opfer eines Komplotts, wir sollten wenigstens seine Wünsche berücksichtigen. Die scheinen sich mit Crimsons zu decken.“

„Im Grundsatz stimme ich dir zu, Thau,“ begann Angelus und wurde von einigen lachenden Stimmen unterbrochen, die ihn mit seiner Frühstücksbeziehung zu dem weißhaarigen Magier aufzogen, von der wir ja alle wussten. Er nahm es gelassen, wartete auf Ruhe und sagte: „Allerdings dürfen wir uns meiner Meinung nach nicht ganz so parteiisch zeigen, zumal wir immer noch der Zirkel des Bösen sind und nicht die Wohltäter des Lichts oder sowas.“

„Ich hab mich schon drauf gefreut, einen Assistenten zu kriegen!“ ließ sich unser Mitglied Kozaky vernehmen, der sich auch seit geraumer Zeit um einen Rehabilitanden beworben hatte.

„Yubel, erörtere uns doch bitte, welche Stellen noch zur Verfügung stehen,“ forderte Vanis unseren Schriftführer auf, der sich daraufhin mit seinem Klemmbrett erhob und räusperte.

„Abgesehen von Kozaky, der sich generell beworben hat, haben wir beispielsweise noch die Amazonen und einen Harpyienstamm, die sich speziell für den Rehabilitanden Sorc interessieren. Auch das Kristallschloss hat nach Sorc gefragt. Hingegen haben wir unbestimmte Bewerbungen von folgenden Personen oder Organisationen. Da wäre zum einen der Meereskönig, der einen neuen Wirtskörper für seine Landaktivitäten sucht...“

Ich gähnte und meine Aufmerksamkeit driftete ab. Die durchwachte Nacht rächte sich nun, und im Grunde konnte ich hier auch abschalten, denn ich hatte meine Meinung kundgetan und hatte nicht vor, sie allzu vehement zu verteidigen. Das überließ ich dann Cosmea, die gerade neben mir wieder etwas einwandte, aber ich hörte nicht hin. Es wurde lauter, während die Diskussion lebhaft, wenn auch einigermaßen geordnet in Gang kam. Meines Wissens wurden ab und zu Bewerber bevorzugt, die einen bestimmten Rehabilitanden wollten, weil sich das ja anbot, aber das traf nicht immer zu. Ungewöhnlich war hier ja auch die Situation, dass Sorc eine Stelle innehatte und dort weder weg wollte noch von dem Anbieter gehen gelassen wurde. Sowas hatten wir zum ersten Mal. Jedenfalls konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, dass wir schon jemals einen Rehabilitanden der Stufe Drei zu Stufe Vier befördert hatten, wenn man es so nennen wollte.

Nach einer Weile der ergebnislosen Debatte seufzte ich genervt und vielleicht lauter als beabsichtigt. Plötzlich fühlte ich mich angestarrt. „Uhm... schickt doch einfach alle Bewerber hin, damit sie Sorc ihr Angebot unterbreiten können, und wer es schafft, ihn abzuwerben, kriegt ihn,“ grummelte ich. Der Vorschlag war nur halb ernst gemeint, doch Vanis stürzte sich regelrecht darauf.

„Super Idee, Thau. Die Leute sollten die Erlaubnis bekommen, sehr... überzeugend aufzutreten, wenn ihr versteht. Das ist genau das, was zum Zirkel des Bösen passt. Dürfte Sorc und Crimson schön ins Schwitzen bringen.“

„Äh... okay, freut mich, dass ich helfen konnte...“ sagte ich.

Rund um mich herum fand meine im Nachhinein ziemlich dämliche Idee breite Zustimmung, und ich hoffte nur, dass später nicht mein Name damit in Verbindung gebracht wurde, falls sich jemand beschwerte. Der Vorteil war, dass wir nun etwas entschieden hatten und ich die Sache bald hinter mir lassen konnte.

Dachte ich jedenfalls, bis Vanis einen neuen Punkt anschnitt. „Sehr gut, dann werden wir eine Gruppe aussenden, die hingeht und es Crimson sagt. Sowohl das mit seiner Aufnahme als auch den Beschluss bezüglich des Rehabilitanden. Ich selbst werde natürlich gehen, wer möchte noch? Thau vielleicht? Du scheinst ja ein gewisses Interesse an der Angelegenheit zu entwickeln.“

Sah ganz so aus. Vermutlich hätte ich mich freiwillig gemeldet, wenn der Vorsitzende das nicht praktisch schon erledigt hätte. „Wenn du meinst, dass ich der richtige Mann dafür bin...“ begann ich und beobachtete bereits, wie Yubel meinen Namen notierte. Na großartig. Aber im Prinzip war es mir ganz recht, denn ich spürte, dass ich mich um diese Sache kümmern musste... aus Gründen, die sich mir derzeit nicht erschlossen. Vielleicht einfach um meines lieben Seelenfriedens willen. Ich würde mich davon überzeugen, dass Sorc trotz Ausbrennung ein schönes Leben vor sich hatte, und dann konnte ich vielleicht mein eigenes auch wieder genießen, ohne mir seinetwegen Gedanken zu machen. Vielleicht war es in diesem Zusammenhang doch nicht optimal, wenn er bei Crimson blieb, so dass ich ihm zwangsläufig hin und wieder begegnen würde, jetzt wo Crimson Mitglied im Zirkel war. Aber gut... damit würde ich mich schon arrangieren.

„Wir werden in drei Tagen zum Lotusschloss aufbrechen und treffen uns zu dem Zweck wieder hier, würde ich vorschlagen,“ sagte Vanis. „Wer nicht mitkommen will, kann diese Sache als erledigt betrachten. Damit ist dann auch die Sitzung geschlossen.“

Das ging ja doch sehr viel schneller als erwartet. Allerdings reisten wir jetzt nicht gleich alle hektisch ab, sondern blieben noch, um zu reden, Bekannte zu treffen und Fuma beizustehen. Es wurden auch Aufgaben verteilt, etwa das Formulieren von Botschaften an die einzelnen Rehabilitandenstellen sowie die Überbringung derselben. Hierbei blieb ich für gewöhnlich außen vor, da Burners Langsamkeit dem Zirkel bekannt war. Es gab andere Mitglieder, die sich gerne um solche Aufgaben rissen oder Untergebene hatten, die sie damit betrauen konnten. Außerdem gehörte ich ja nun schon zu der Abordnung, die erneut zum Schloss Lotusblüte reisen würde.

Bei nächster Gelegenheit wollte ich dann auch abreisen, um Basalt die Beute von den Behemots zu bringen, denn mir war irgendwie nicht wohl dabei, die blutigen Sachen in meinem Schlafzimmer aufzubewahren, auch wenn sie in eine Decke der Unverwüstlichkeit eingewickelt waren. Die Vorstellung war doch irgendwie eklig, weshalb ich das Paket auch an einer Stelle möglichst weit weg von den Betten platzierte.

Allerdings wollte ich auch nicht unhöflich erscheinen, zumal Rose bestimmt noch bei Fuma bleiben wollte, also plante ich mal eine weitere Übernachtung ein. Einen Vorteil hatte es... kostenloses Essen. Aber natürlich blieb auf der Farm wieder Arbeit liegen, und ich musste auch noch ein paar Tage Aufenthalt bei Crimson einrechnen. Jedoch... ein Teil von mir war zufrieden damit, denn ich hatte das Gefühl, das tun zu müssen, so als wäre ich irgendwie verantwortlich für den ausgebrannten Magier. Da spielte es auch keine Rolle, wie oft ich mir vor Augen führte, dass ich nur der Henker gewesen war, nicht aber der Richter.
 

Im Laufe des Tages fanden meine Frau und ich Hilfsarbeiten, die uns gut von der Hand gingen. Wir räumten den Garten auf. Dort hatten sich Fuma und Ray mit Schwertern duelliert, ehe er ihr erklären konnte, dass sie mit ihm den Bund schließen musste. Seltsame Geschichte, aber für mich war daran hauptsächlich relevant, dass sie dabei den Garten mit den schönen Ziersträuchern und Blumen verwüstet hatten, etwas, das ich weitestgehend beheben konnte. Wir gingen zu viert nach draußen (ich zog mich magisch um für die Arbeit), aber letztendlich räumten Ray und ich auf, während Rose und Fuma auf einer Bank saßen und sich leise unterhielten. Wir Männer beschwerten uns nicht, sicherlich brauchte die ehemalige Herrin des Hauses jetzt Zuspruch.

Zum Glück wusste ich recht gut, wie der Garten mal ausgesehen hatte, aber einige Beete mussten komplett erneuert werden, da die Blumen platt getrampelt worden waren, und die Sträucher mussten erst einmal nachwachsen, wo ein Schwert sie unschön gekappt hatte. Ray hatte leider wenig Erfahrung mit solcher Arbeit, so dass ich ihn anleiten musste. Wir schnitten die beschädigten Sträucher ein bisschen zurecht und verbrannten die Zweige auf einem Haufen. Ich zeigte ihm, wie man mit einem Spaten den Boden umgrub und die unbrauchbaren Pflanzen aussortierte. Einen Großteil konnten wir wieder einpflanzen, nachdem wir die Erde glatt geharkt hatten. Einige Blümchen wirkten etwas müde und ließen Blätter und Blüten hängen, aber das würde sich geben.

Ich gab mir Mühe, Sorcs Bruder nicht zu nahe zu kommen oder ihn gar zu berühren, denn ich wollte nicht, dass er noch mehr über mich hellsah. Aber eine gewisse Nähe setzte diese Art der Zusammenarbeit schon voraus. Falls er etwas sah, verriet er es mir nicht.

Außer uns waren natürlich noch andere Kollegen am Werk. Auch wenn sich manch einer allerhand darauf einbildete, im Zirkel des Bösen zu sein, so war sich doch niemand zu schade, mit anzufassen, ebenso die Lebenspartner, soweit sie mitgekommen waren. Jeder nach seinen Fähigkeiten eben.

Nachdem Ray und ich erneut einen Haufen mit zu entsorgenden Pflanzenteilen geschaffen hatten und ich im Begriff war, diesen zu entzünden, tauchte Rosaria bei uns auf. Ich ließ das Zündeln erstmal sein, denn er mochte kein Feuer. Insofern warf er auch einen missbilligenden Blick auf den Haufen, äußerte sich aber nicht dazu.

„Sag mal, Thau, was hast du mit dem Rasen vor dem Haus angestellt?“ klagte er mich an und baute sich mit den Händen in den Hüften vor mir auf.

Hätte ich nicht gewusst, dass Rosaria zum Typ Pflanze gehörte, hätte ich ihn wohl für eine Fee gehalten, denn er sah aus wie ein schlanker, hochgewachsener Mensch mit Flügeln – die, bei genauerem Hinsehen, aus Blütenblättern von Rosen bestanden, auf einer Seite rot, auf der anderen eher violett, und die Haut zeigte einen Pastellviolettton. Er trug eine typische Feentunika aus edlen Stoffen, die ihm erstaunlich gut stand, und gab sich außerhalb des Zirkels stets ein bisschen heilig... vermutlich eine Masche von ihm. Doch zur Zeit waren wir unter uns, somit konnte er sich mehr wie er selbst benehmen. Ich fand es immer etwas befremdlich, mich mit einer Pflanze zu unterhalten, selbst wenn es sich lediglich um ein Geschöpf vom Typ Pflanze handelte. Rosaria war nicht gerade mit einer normalen Pflanze zu vergleichen.

„Ach das...“ antwortete ich ihm endlich. „Ähm...“ Ich trat etwas näher, so dass ich leiser sprechen konnte und Fuma nicht mit der Information verstören musste. „Ich hab doch die Behemothkadaver verbrannt... Es war ein starker Zauber, der nichts von ihnen übrig gelassen hat. Aber er beschädigt manchmal auch die unmittelbare Umgebung ein bisschen...“

„Na das erklärt's,“ grummelte Rosaria. „Die Flecken da sind vermutlich ne Weile unfruchtbar, wenn man nichts macht. Ich werde ein paar Leute zusammentrommeln, die helfen, alles in dem Gebiet umzugraben und die betroffene Erde weitläufig zu verteilen, damit sie sich regeneriert.“

„Ich kann später auch mithelfen, wenn wir hier im Garten fertig sind,“ bot ich versöhnlich an.

Rosaria sah sich um. „Fein... aber mach das erst hier anständig fertig.“ Damit wandte er sich um und ging zurück zu seiner eigenen Arbeit vor dem Haus. Dabei grummelte er etwas vor sich hin, das so klang, als ärgerte er sich über Leute, die Pflanzen aus Achtlosigkeit verstümmelten. Vermutlich standen weder Fuma noch Ray derzeit ganz oben auf seiner Beliebtheitsliste. Ich als Erde verderbender Feuermagier sicherlich ebenso wenig.

Im Großen und Ganzen verlief der Tag aber recht zufriedenstellend, zumal es zu den Essenszeiten gute Mahlzeiten gab. Das Personal musste sich ordentlich ins Zeug legen, aber wir blieben ja nicht ewig. Mir fiel irgendwann auf, dass Malice der Praktikant nirgends mehr zu sehen war, und als ich nachfragte, fand ich heraus, dass er eigentlich am Vortag mit Black Luster abgereist war und niemand überhaupt gewusst hatte, dass er zurückgekommen war. Ich dachte mir meinen Teil dazu.

Am Abend plünderten wir Edehs Weinkeller und tranken auf sein Wohl. Auch das hatte Tradition, wobei wir es in diesem Falle nur taten, weil die offizielle Version der Ereignisse das verstorbene Mitglied nicht anklagte. Später fiel ich müde ins Bett, und da ich in der Nacht davor schon keine Ruhe gefunden hatte, hoffte ich auf guten Schlaf. Dank des Alkohols bereitete das Einschlafen jedenfalls keine Probleme.

Neu im Zirkel

Basalt freute sich über die Behemoth-Ausbeute. Als Artefaktmagier konnte er damit natürlich allerhand anfangen, aber er begeisterte sich fast noch mehr für die Decke, in der ich ihm die Sachen lieferte, und versuchte zu ergründen, ob er so etwas auch selber herstellen konnte.

„Wo hat dein Bekannter sie gekauft?“ fragte er mich.

„Das hat er mir nicht erzählt,“ entgegnete ich. „Vielleicht in einem Laden für Heldenzubehör.“

„Hmmm...“ Basalt bekam einen abwesenden Gesichtsausdruck, als würde er darüber nachdenken, Dinge für Helden herzustellen. Mir war durchaus bewusst, dass die Arbeit auf der Farm nicht die Erfüllung seiner Träume darstellte.

„Ich muss morgen mit ein paar anderen zum Lotusschloss, deshalb kann ich nicht bleiben... ich werde noch einmal auf dem Arae-Anwesen übernachten, damit ich morgen vor Ort bin, wenn meine Gruppe von dort aufbricht,“ erklärte ich meinem Sohn.

„Kann ich verstehen, das ist sicherlich bequemer, als hier so früh loszufliegen. Wie lange bleibt Mutter denn noch dort?“

„Sie wird morgen im Laufe des Tages zurückkommen. Die Arbeit hier macht sich ja auch nicht von selbst. Ich hoffe, dass sich die Sache beim Lotusschloss nicht zu lange hinzieht. Aber ein paar Tage haben wir schon eingeplant.“

„Diese Angelegenheit nimmt dich ganz schön in Anspruch,“ stellte Basalt fest. „Wenn du schon in einem Schloss bist, versuch es zu genießen. Liegt es nicht sogar am Meer? Geh mal schwimmen, die Gelegenheit hast du nicht oft.“

„Das sollte ich mir wirklich überlegen,“ nickte ich mit einem Lächeln, doch Basalt wusste eigentlich, wie ungern ich mich irgendwo unbekleidet herumtrieb, wo man mich sehen konnte.

Aber das war nicht meine Hauptsorge, was ich meinem Sohn jedoch verschwieg. Genießen würde ich den Aufenthalt jedenfalls kaum, und vermutlich würden die Schlossbewohner sich auch nicht über meinen Besuch freuen. Dennoch... ich musste einfach mit.

Ich erledigte noch ein paar Arbeiten auf meiner Farm und reiste bei Einbruch der Dunkelheit wieder ab. Als ich beim ehemaligen Arae-Anwesen ankam, war die Nacht hereingebrochen. Ich begab mich sogleich in das Schlafzimmer, das Rose und ich inzwischen für uns hatten, denn einige Kollegen waren bereits abgereist und daher hatten Sage und Cosmea sich ein anderes gesucht. Das wussten wir sehr zu schätzen, zumal ich die nächsten Tage ja wieder nicht zu Hause sein würde und wir deshalb diese Gelegenheit noch einmal nutzten, um... Stillezauber zu üben.
 

Früh am nächsten Morgen brachen wir zum Schloss unseres neuesten Mitgliedes auf, so dass Angelus, der natürlich unbedingt zur Gruppe gehörte, wenn es um Crimson ging, nicht so große Probleme mit der Helligkeit bekam. Auch Cosmea und Sage waren wieder mit von der Partie, insgesamt waren wir acht Personen. Wer fliegen konnte, flog selbst. Das hatte für mich den Vorteil, dass Burner nicht so sehr zurück blieb, denn ein Drache flog für gewöhnlich schneller als ein Unterweltler oder eine Fee, und in seinem Fall reisten wir ungefähr mit einer Geschwindigkeit, die für ihn noch gut zu halten war. Dennoch landeten wir als Letzte in der Umgebung des Schlosses, als wir unser Ziel erreichten. Er setzte seine Vorderpranken mit einem Ruck auf, verursachte Abdrücke im Boden und warf mich fast runter. Die anderen beiden Drachen blieben mit ihm zurück.

Zur Feier des Tages hatten wir uns ordentlich in Schale geworfen, wobei ich eine meiner weinroten Kombinationen trug. In dieser Farbe fühlte ich mich am wohlsten.

Crimson musste unsere Ankunft wohl schon von weitem bemerkt haben, denn er erwartete uns vor dem Haupttor. Eventuell traf ihn unsere Ankunft überraschend, denn er schien sich nicht extra deswegen umgezogen zu haben.

Vanis verstand sich darauf, so zu gehen, dass seine langen Haare herrschaftlich wehten. Er präsentierte sich in einem edlen schwarzen Umhang mit Silberapplikationen am Kragen, unter dem sein ganzer Körper verschwand, während er uns voran auf das Schloss zu schritt.

„Seid gegrüßt, Lord Crimson vom Lotusschloss. Ich bin Vanis, amtierender Vorsitzender des Zirkels des Bösen,“ begrüßte er den Schlossherrn. Anschließend wandte er sich zu uns um und deutete auf jeden, dessen Namen er nannte. „Ihr kennt Lord Genesis, Marquis Belial, Thaumator, Meister Sage und Lady Cosmea. Diese beiden geflügelten Herren sind Finsterlord Asmodeus und Finsterlord Desire.“

Crimson nickte jeweils höflich. Offenbar kannte er meine Gruppe, bis auf die Feen Asmodeus und Desire, die auf dunkelblauen beziehungsweise roten gefiederten Flügeln angereist waren. Beide trugen ästhetische Rüstungen, die eher der Optik dienten, als einen praktischen Nutzen zu haben. Das war eine Marotte von ihnen, da sie schlicht und einfach nicht für nette Vertreter des Lichts gehalten werden wollten. Mit der weißen Haut sahen sie nun einmal fast so aus.

„Wir sind gekommen, um über Eure Aufnahme in den Zirkel zu sprechen,“ verkündete Vanis feierlich. So wie er das vortrug, konnte man meinen, es handle sich um eine Krönung zum Großkönig oder etwas in der Art. Unter anderen Umständen hätte mich das amüsiert, schließlich hatten wir doch alle irgendwie eine dramaturgische Ader.

„Natürlich. Gehen wir in mein Büro.“ Crimson machte eine einladende Geste Richtung Haupttor, welches hinter ihm offen stand.

Wir traten ein und ich musste mich wieder einmal damit arrangieren, dass mir Energie abgezogen wurde, während hinter uns das Tor scheinbar von selbst zu fiel wie eine Falle, inklusive bedrohlichem, dunklem Geräusch. Ich kam einige Schritte weit, dann flammte plötzlich unter mir ein Bannkreis aus bunt schillerndem Licht auf. Erschrocken atmete ich tief ein und bemühte mich um Ruhe. Ich konnte mich nicht mehr vom Fleck bewegen und hatte den Eindruck, dass die Schwerkraft sich verdoppelte und die Luft dünner wurde.

„Was hat das zu bedeuten?“ verlangte neben mir Cosmea zu erfahren. Erst dachte ich, sie regte sich meinetwegen auf, dann sah ich jedoch, dass auch sie in einem solchen Bannkreis stand. Die anderen Kollegen blieben hingegen unbehelligt.

Das Schlossherz materialisierte sich neben seinem Herrn. „Diese beiden sind hier nicht willkommen!“ motzte es.

Ich glaubte mich zu erinnern, dass der Geist männlich war, obwohl er auf den ersten Blick sehr feminin wirkte. Eine hübsche Gestalt eigentlich, wenn er nicht gerade schimpfte und sich aufregte.

„Cathy, das ist vielleicht nicht der richtige Augenblick,“ merkte Crimson an.

Doch der Geist ging nicht auf ihn ein. „Es gibt gar keinen Grund, warum sie unbedingt dabei sein müssen!“

„Also wirklich! Ich kam mit, weil ich Crimsons Großmutter bin!“ sagte Cosmea.

„Und was ist mit dem da?“ Die leicht transparente Gestalt zeigte auf mich.

Zeit für meine böse Zirkelmaske. Ich hatte mich zwar zunächst erschrocken, setzte nun jedoch ein feines, aristokratisches Lächeln auf. „Ich bin Mitglied im Zirkel und wollte dabei sein, wenn ein neuer Kollege beitritt. Das ist wohl kaum verwerflich, oder?“

Ich war recht stolz darauf, dass ich ruhig blieb und mir nichts anmerken ließ. Prinzipiell konnte ich damit leben, wenn mich jemand offen ablehnte. Allerdings bestand die Gefahr, dass mir all meine Energie abgezogen wurde, was ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend verursachte.

Vanis ergriff das Wort und versuchte es diplomatisch: „Für solche Gelegenheiten wird immer bevorzugt eine Gruppe von Personen geschickt, die der Betreffende kennt. Jedoch mindestens sieben. Das ist Tradition.“

Der Bannkreis zu meinen Füßen schillerte bedrohlich. Oder spielten mir meine Augen einen Streich?

„Das sind acht, schmeiß den Kerl raus!“ zeterte der Schlossgeist.

Offenbar wusste er nicht, dass Sage nur durch Cosmea im Zirkel war und nicht für die Anzahl zählte. Wir waren tatsächlich sieben Mitglieder und ein Gast, nicht etwa acht Mitglieder.

Crimson ballte für einen Moment die Hände zu Fäusten und glättete seine gerunzelte Stirn. Schwer zu sagen, was in ihm vorging. Ich hielt es für schwierig, Schlossherr eines Schlosses zu sein, dessen Seele unter einer frischen Ausbrennung litt. Soweit ich wusste, teilte er eine tiefe Verbundenheit mit dem Gemäuer, und auch mit Sorc. Das konnte ich mir kaum vorstellen, da ich nicht einmal Telepathie in einfachen Ausmaßen zuließ, geschweige denn eine Bindung wie die eines Magiers zu seinem Schlossherz und einer weiteren Seele.

Doch obwohl er sich vermutlich dazu überwinden musste, ermahnte Crimson sein Schlossherz: „Cathy, mir ist klar, dass du so reagierst, weil Soach... nun, ich will nicht sagen, sie fürchtet... er möchte sie eben verständlicherweise nicht wiedersehen. Jedoch ist es nichts Persönliches, hörst du? Sie verurteilten ihn zur Ausbrennung der Magie, und jemand musste es machen.“

Der Geist schnaufte noch einmal wütend und verschwand. Ebenso die Bannkreise.

„Ich bitte um Verzeihung,“ murmelte Crimson. „Es ist für uns alle momentan nicht leicht.“

„Ja, Belial erzählte, dass die Seele des Rehabilitanden Sorc an dieses Schloss gebunden ist. Ich möchte mir kein Urteil darüber erlauben,“ meinte Vanis. „Wenn das dann geklärt ist, können wir mit dem eigentlichen Grund unseres Kommens fortfahren.“

„Ja, bitte.“ Crimson führte uns ohne weitere Zwischenfälle zu seinem Büro. Die Stühle reichten nicht aus, aber Belial, Desire, Asmodeus und Angelus mit ihren Flügeln blieben freiwillig stehen. Ich landete auf demselben Sessel wie bei meinem letzten Besuch.

Vanis verteilte einen Haufen Unterlagen auf dem kleinen Tischchen, wobei ich innerlich lächeln musste, weil ich den Eindruck hatte, dass Crimson die Haare an seinen Armen anstarrte. Nicht selten wurde der Unterweltler für einen Werwolf gehalten, aber ich hatte ihn noch nie ohne Fell gesehen und nahm deshalb an, dass es sich um sein normales Erscheinungsbild handelte.

„Der Zirkel des Bösen hat Euren Antrag auf Aufnahme mit einer Mehrheit von 58% gebilligt. Herzlichen Glückwunsch. Außerdem seid Ihr nun der Besitzer der Ländereien von Edeh Arae, da sein Clan keine Einwände erhoben hat,“ teilte Vanis unserem Neuzugang mit.

Soweit ich wusste, hatten wir den Arae Clan gar nicht um seine Zustimmung gebeten, sondern ihnen lediglich eine Information zukommen lassen. Aber dennoch handelte es sich um einen Tatsache: Es gab keine Einwände seitens Edehs Angehörigen. Bisher jedenfalls nicht.

„Ähm... der Anteil der Zustimmungen erscheint mir fast ein wenig gering, sollte ich mir da Sorgen machen?“ hakte Crimson nach.

„Ach was,“ winkte Vanis ab. „Niemand konnte behaupten, Euch nicht zu kennen, wo Ihr doch erst kürzlich Gast bei uns gewesen seid, aber manche stimmen dagegen, einfach damit es kein einstimmiges Ergebnis wird. Einige sind auch Araes Sympathisanten, doch das muss Euch nicht beunruhigen.“

Im Gesicht des Weißhaarigen arbeitete es kurz. „Danke,“ sagte er schließlich in einem betont festen Tonfall. „Ich hätte es auch bedauert, mich mit den Araes streiten zu müssen.“

Ich hob die Augenbrauen und war nicht alleine damit. Da wollte wohl jemand Respekt einflößend wirken. Aber das zeigte eigentlich nur, dass er bereits begriff, wie das bei uns lief: Bei offiziellen Anlässen benahmen wir uns förmlich und zeigten selbst untereinander keine Schwäche. Im Prinzip musste jeder von uns gut schauspielern können.

„Besitzt Ihr schon ein eigenes Wappen, das Ihr dort auf einer Flagge hissen könnt?“ erkundigte Vanis sich.

„Ich habe eine Schulfahne, geht die?“ fragte Crimson. „Ich meine... ja, wir haben noch einige Exemplare in Reserve. Ich werde noch heute einen Boten hinschicken.“

Es gelang mir, nicht zu grinsen, während ich beobachtete, wie er sein Verhalten korrigierte, um zu uns zu passen. Da freute ich mich ja schon auf das Ende des offiziellen Teils, wenn wir mit der Scharade aufhören konnten.

„Sehr gut,“ nickte der Zirkelvorsitzende. „Wir haben Euch auch eine Flagge mitgebracht. Die Flagge des Zirkels, die Ihr von nun an von Euren Türmen wehen lassen könnt.“

Auf das Stichwort holte Sage die Flagge unter seinem Umhang hervor und überreichte sie seinem Enkel mit einem Augenzwinkern und einem Lächeln, das wie stolze Anerkennung wirkte.

Crimson nahm einen schwarzen Stoffbeutel entgegen, in dem die Flagge zusammengefaltet war. Ehe er dazu kam, sie auszupacken, sprach Vanis weitere Punkte an: „Hier sind einige Informationsblätter für Euch, und hier... das Buch über unsere Geheimschrift, in der Ihr Briefe an andere Mitglieder verfassen könnt. Lernt sie so schnell wie möglich. Hier das Buch über unsere Traditionen und Regeln, Kleiderverordnungen und allgemeine...“

An dieser Stelle unterbrach Crimson ihn. „Moment. Heißt das, ich muss mir so einen rüschenbehafteten Kleidungsstil anschaffen?“

Oh ja, dass ihn das verstörte, konnte ich nachvollziehen.

„Rüschen? Oh, weil einige unserer Mitglieder das mögen!“ Vanis lachte amüsiert. „Nicht doch, aber wir haben zu bestimmten Anlässen beispielsweise eine Pflicht für schwarze Roben. Außerdem solltet Ihr Euch überlegen, stilistische Merkmale in Eure Alltagskleidung zu integrieren, an denen Ihr leicht zu erkennen seid. Nur für den Wiedererkennungswert, es kann praktisch alles sein. Und es gibt den Brauch, Gästezimmer mit vornehmer Kleidung auszustatten. Solche Dinge stehen da drin.“

„Oh... dann fahrt doch bitte fort.“

Das tat unser Vorsitzender. Crimson bekam weitere Bücher, Merkzettel und Infobroschüren. Wir hatten wirklich viele davon im Angebot, beispielsweise auch zum Rehabilitandenprogramm. Yubel machte es Spaß, die Dinger zu entwerfen, und damit ersparten wir uns einiges an Erklärungen. Zuletzt händige Vanis dem Schlossherrn eine Einladung zum nächsten Zirkeltreffen aus.

„Es ist üblich, dass jedes Mitglied einen Begleiter mitbringt, der helfende Tätigkeiten ausführt, etwa Akten tragen oder so. Das macht auch generell einen einflussreichen Eindruck,“ erklärte Vanis. „Habt Ihr schon jemanden für dieses Amt im Hinterkopf?“

„Soach,“ entgegnete Crimson ohne zu zögern.

Darauf breitetet sich erst einmal Stille aus. Ich für meinen Teil war beeindruckt von der schnellen Antwort. Die beiden Männer mussten wirklich gut befreundet sein, und ich fragte mich, welcher Art eigentlich ihre Beziehung war.

„Nun... vielleicht sollten wir dieses Thema jetzt besprechen,“ meldete sich Marquis Belial zu Wort. „Ihr wart doch so gut wie fertig, oder, Vanis?“

„Ich glaube, das Wichtigste ist gesagt. Bitte, Marquis.“ Der Vorsitzende lehnte sich zurück und ließ Belial reden.

Der Sachbearbeiter für den Rehabilitanden Sorc trat an den Tisch heran und reichte Crimson eine Liste. „Dies ist eine Aufzählung der Personen und Gruppen, die sich als Rehabilitationsstelle beworben haben. Wir haben entschieden, Euch zu begünstigen, jedoch werden wir all diesen Bewerbern mitteilen, dass sie persönlich Angebote oder Forderungen unterbreiten dürfen, die Sorc annehmen oder ablehnen kann.“

„Forderungen?“ wiederholte Crimson. „Was wäre das zum Beispiel?“

„Nichts Schlimmes,“ versicherte der Marquis. „Nur wird es den ein oder anderen geben, der sein Angebot nicht so freundlich formuliert wie die übrigen, das ist alles. Viele werden vermutlich gar nicht reagieren, etwa das Kristallschloss.“

Das hoffte ich inzwischen sehr, denn wie sich die Lage darstellte, wäre es wirklich bedauerlich gewesen, den ausgebrannten Magier auch noch von hier wegzuholen.

„Wo steckt Soach eigentlich?“ fragte Sage.

„Oh... er ist...“ Crimson schloss die Augen für wenige Sekunden, in denen er möglicherweise telepathisch nach dem Rehabilitanden suchte. „Er war auf einem Botengang, wird aber bald hier sein.“

„Ich dachte schon, er traut sich nicht,“ bemerkte Cosmea. Es klang nicht einmal spöttisch, sondern völlig ernst.

„Warum sollte er sich nicht trauen?“ entgegnete Crimson. „Soach hat sich schon immer jeder Situation gestellt, egal wie unangenehm.“

„Das haben wir gesehen,“ murmelte ich und fühlte mich einmal mehr in den verließartigen Raum versetzt, in dem wir das Urteil des Zirkels vollstreckt hatten. Nachdem ich die inoffizielle Version von Sorcs Aussage kannte, fühlte ich mich umso schlechter dabei.

Inzwischen war der Name Soach wieder des Öfteren gefallen, und mein Gehirn bemühte sich, ihn mit Sorc gleichzusetzen. Bei unserem letzten Besuch hier hatte man uns ja gesagt, dass der Rehabilitand sich nun anders nannte und den Namen Sorc abgelegt hatte. Auch Ray hatte immer von ihm als Soach gesprochen. Offenbar war das sein Geburtsname.

In mir machte sich Nervosität breit, während wir seine Ankunft erwarteten. Wie sollte ich ihm begegnen? In dem Zusammenhang kam es mir gelegen, dass ich genug Begleiter hatte, um nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.

„Wird er zurechtkommen?“ fragte Cosmea ihren Enkelsohn plötzlich ganz offen. Ich vermutete, dass sie sich ebenfalls sorgte, allerdings vor allem um Crimson.

Der Schlossherr spannte die Kiefernmuskeln an, als müsse er erst darüber nachdenken. Er atmete ein, zweimal tief durch und sagte dann: „Selbstverständlich. Er hat hier auch genug Aufgaben und kann es sich nicht erlauben, sich gehen zu lassen.“

Das hielt ich stark für eine Lüge, und vermutlich wusste Crimson auch, dass wir uns das denken konnten. Aber die Antwort war natürlich gut gewählt für ein Mitglied des Zirkels des Bösen. Niemand von uns würde offen eingestehen, einen traumatisierten Mitarbeiter zu haben. Das blieb ein Thema für den Privatbereich.

Cosmea räusperte sich. „Man sagt ja, die Zeit heilt alle Wunden, doch die Erfahrung hat auch gezeigt, dass ausgebrannte Magier oft mit seelischen Problemen zu kämpfen haben, gerade zu Beginn. Bist du sicher, dass es gut ist, wenn Soach hier bleibt, wo er ständig von Magie und Magiern umgeben ist?“

„Er ist hier unter Freunden,“ versicherte Crimson. „Und er möchte nicht ohne Magie leben, selbst wenn er sie nicht selber nutzen kann. Vermutlich wird er versuchen, einen Weg für sich zu finden, wie er doch noch Gebrauch von Magie machen kann.“

„Hm... mit Artefakten oder so, nehme ich an,“ warf Sage ein.

Crimson nickte. „Zum Beispiel. Jedenfalls weiß ich ganz sicher, dass Soach nicht von hier weg will. Schon allein, weil seine Seele hier gebunden ist, aber auch, weil er sich einfach zu Hause fühlt in diesem Schloss.“

„Ich bin gespannt, ob der Rehabilitand das bestätigt,“ meinte Belial.
 

Als Soach schließlich eintrat, trug er ein rundes Tablett mit einem Teegedeck bei sich. Es war ziemlich voll, da wir ja insgesamt neun Leute waren. Die Tassen und Untertassen standen übereinander darauf, dazu eine große Kanne. Aus irgendeinem Grund war seine rechte Hand bandagiert, und ich fragte mich, ob ihm sein neues Tätigkeitsfeld wohl nicht so lag. Zwar hatte ich Soach als Chaoshexer nie in Aktion gesehen, aber es tat mir weh, dass er nun die Arbeit eines Bediensteten machen musste. Das musste ganz schön an seinem Stolz nagen.

Falls Genesis das auch so sah, überspielte er es gekonnt. Er ging ihm entgegen und klopfte ihm kumpelhaft auf die Schulter. „Soach! Bist du wieder wohlauf? Das freut mich.“

„Ja... Danke der Nachfrage.“ Soach stellte das Tablett auf den Tisch und verteilte Tassen, in die er dann Tee eingoss. „Hallo, Vanis,“ sagte er, als er dem Vorsitzenden eine reichte.

Crimson sah von dem Formular zum Thema empfohlene Mitstreiter und Angestellte für Zirkelmitglieder auf. „Ihr kennt euch?“

„Er wäre fast mein Schwager geworden,“ verriet Vanis. „Oh... Kriegerbeerentee. Lecker.“

Soach stellte mir und dann Cosmea eine gefüllte Tasse hin, ohne uns anzusehen, statt dessen konzentrierte er sich scheinbar ganz auf das Geschirr. Er gab auch den stehenden Gästen jeweils eine. Die Kanne ließ er auf dem Tisch stehen. Anschließend klemmte er sich das Tablett unter einen Arm und nahm einen Platz neben Crimsons Stuhl ein. Offenbar hatte er für sich selbst keine Tasse mitgebracht. Er machte einen gefassten Eindruck, doch ich hielt mich selber für ganz gut darin, eine Fassade zur Schau zu tragen, da wollte ich es bei einem Prinzen mal nicht ausschließen.

„Konntest du unser bisheriges Gespräch verfolgen?“ fragte Vanis ihn geradeheraus.

„Ich war so frei,“ gab Soach zu.

„Dann hast du ja mitbekommen, was wir besprochen haben, und dass du hier bleiben kannst, sofern dir kein anderes Angebot gefällt,“ fuhr Vanis fort. „Dein Schlossherr wollte dich als den Vertrauten an seiner Seite.“

„Von mir aus gibt es da kein Problem,“ versicherte Soach genauso schnell, wie Crimson verkündet hatte, dass er Soach für diese Aufgabe wollte. Eine bewundernswerte Freundschaft.

Belial holte sein Klemmbrett unter dem Umhang hervor. „Ich werde das erst einmal notieren, und wenn sich nichts anderes ergibt...“

„Es wird sich nichts anderes ergeben,“ unterbrach Soach ihn. „Mein Platz ist genau hier. Auf Schloss Lotusblüte, an der Seite des Schlossherrn.“ Er baute sich – vermutlich unbewusst – gerader auf, als er das sagte.

Crimson grinste wie jemand, der sich bestätigt sah. „Ihr glaubt nicht wirklich, dass mein Schlossherz und ich diesen Mann aus unseren Fängen lassen würden?“

„Lord Crimson, letztendlich müsst Ihr akzeptieren, wie wir entscheiden,“ wandte Belial ein.

„Sagt wer?“ entgegnete der weißhaarige Magier, wobei das Grinsen einer trotzigen Mine wich. „Ich möchte zu Protokoll geben, das ich mich an die Regeln gehalten und mich ordnungsgemäß für diesen Rehabilitanden beworben habe, aber ich kann auch anders. Und sagtet Ihr nicht sowieso, dass er hierbleiben kann?“

„Wenn die Bewerber ihn nicht überzeugen,“ erinnerte der Marquis ihn.

„Dann ist das ja geklärt,“ setzte Crimson fest.

Lord Genesis lachte. „Habe ich euch nicht gesagt, dass wir einen interessanten Neuling kriegen werden?“ Er leerte seine Teetasse. „Wenn es keine Umstände macht, würde ich mich gerne in ein Gästezimmer zurückziehen, ich schlage mir jetzt schon zum wiederholten Mal den Tag um die Ohren. Vielleicht bringt unser Gastgeber mir ja später das Frühstück...“

Die Gruppe johlte, denn wir wussten ja alle, wie er das meinte. Auch ich machte halbherzig mit, beobachtete jedoch weiterhin den ausgebrannten Magier. Soach hatte ein feines Lächeln auf den Lippen und sah voller Zuneigung auf seinen Schlossherrn herab. Die Vertrautheit der beiden erinnerte mich inzwischen an mein Verhältnis zu Rose. Nur dass ich den romantischen Teil da mal ausklammerte. Sie waren vermutlich einfach Freunde der besonderen Art. Eben wie Rose und ich... nur dass wir außerdem noch das Bett miteinander teilten. Es beruhigte mich zu sehen, dass Soach hier wirklich gut aufgehoben war.

Vanis erhob sich. „Dann können wir ja nun zum entspannten Teil übergehen. Angelus, du kennst ja das Schloss schon, aber wir anderen würden uns gerne etwas umsehen. Führst du uns herum, Crimson? Ich darf doch du sagen?“

„Ja, also, wenn ich das auch darf?“ entgegnete Crimson mit einem etwas verdutzten Gesichtsausdruck.

„Wir benehmen uns nur bei offiziellen Anlässen so förmlich,“ erklärte Sage. „Du hast hoffentlich genug Platz, Crimson, wir wollen gerne ein oder zwei Tage bleiben.“

„Was?“ riefen Soach und Crimson wie aus einem Munde. Sie wirkten geradezu geschockt von der Bitte. Nun ja... vielleicht wäre es anders gewesen, wenn Cosmea und ich schonmal abgereist wären.

Crimson schloss kurz die Augen und rieb sich die Schläfen. „Entschuldigung, mein Schlossherz hat angemerkt, dass wir auf so viel Besuch gar nicht vorbereitet sind, aber das kriegen wir hin.“ Er stand von seinem Platz auf und machte eine Geste zur Tür. „Fangen wir doch in den Gärten an.“

Ich beeilte mich, meine Teetasse zu leeren, und reichte sie Soach, der inzwischen angefangen hatte, das Geschirr wieder auf das Tablett zu stapeln, wobei er nach Tassen und Untertassen sortierte. Ich hatte ein bisschen den Eindruck, dass er in Gedanken, war.

Die Mitglieder meiner Gruppe standen ebenfalls auf oder verließen ihre Stehplätze, um Crimson zu folgen.

„Ich komme lieber nicht mit nach draußen,“ sagte Genesis. „Wie gesagt, ich brauche Schlaf.“ Und das Licht bekam ihm draußen auch nicht so gut, aber das führte er für gewöhnlich nicht vorrangig als Grund an, um sich keine Blöße zu geben.

„Soach wird dir ein Zimmer suchen, wenn es dich nicht stört, dass es eventuell nicht optimal ausgestattet ist,“ schlug Crimson vor.

„Das ist schon gut, wir haben dich ja auch ziemlich überrumpelt,“ winkte der Vampir ab. „Ich wünsche euch allen noch viel Spaß...“
 

Wir ließen Angelus bei Soach zurück und folgten dem Schlossherrn zu einem seitlichen Ausgang, wobei er uns unterwegs auf eine Abzweigung zur Küche hinwies. Diese befand sich in der Nähe des Gartens, um Zugang zu den Kräuterbeeten zu gewährleisten.

Ich besichtigte immer gerne die Gärten anderer Leute, vor allem die umfangreichen eines Schlosses. Als wir die Mauern hinter uns ließen und einen Weg aus hellen, unregelmäßig großen Steinplatten betraten, wehte uns vom Meer eine kühle Brise um die Nase und die Luft roch nach blühenden Pflanzen. Schon ganz schön für den Anfang. Allerdings ließ mich der erste optische Ersteindruck dann doch die Stirn missbilligend runzeln.

Crimsons Gartenanlagen sahen teilweise noch sehr verwildert aus. Gerade direkt am Schloss wucherte einiges an Gestrüpp, das ein bisschen zurechtgeschnitten werden musste. Nützliche Bäume gingen daher fast unter oder wurden vielleicht nicht bewusst genutzt. Generell gab es viel ungenutzten Platz. Allerdings wuselten überall kleine weiße Kaninchen herum – mit langem oder kurzem Fell. Insofern hielt Crimson vielleicht absichtlich große Flächen für Wildwuchs frei, so dass die Tiere zu fressen hatten.

Wie beim Kristallschloss gab es auch hier einen Bereich, wo ein Zaun einen Abgrund absicherte, wobei es sich hier aber um eine Klippe am Meer handelte, bei der es ungefähr fünf Meter nach unten ging. Ich beugte mich vorsichtig über die Bretter und sah eine seichte Bucht, in der lauter Wasserpflanzen wuchsen. Strandlotus, wenn ich mich nicht irrte, das musste dann wohl die Quelle für den Tee sein, den wir bei unserem ersten Besuch hier bekommen hatten. Ich kannte diese Pflanzen eigentlich nur vom Sehen oder in getrockneter Form, da ich sie logischerweise nicht selber anbauen konnte. Zumindest lohnte es den Aufwand nicht.

Vermutlich als Schutz vor den Nagetieren waren die Kräuterbeete ebenfalls mit einem Zaun gesichert, dieser jedoch bestand aus viel dichteren Latten, welche teilweise angenagt waren. Auch zeigten die Latten unterschiedliche Farben durch Abnutzung, weshalb ich annahm, dass sie regelmäßig ausgetauscht werden mussten.

Eine Gruppe von sechs jungen Leuten arbeitete bei den Beeten. Als wir näher herankamen, konnte ich erkennen, dass sie sich nicht unbedingt mit alchemistische Zutaten beschäftigten. Zumindest wäre es mir neu gewesen, dass man Sumpfkraut noch zu anderen Zwecken als zum Rauchen oder Verräuchern verwenden konnte. Die Jungs bauten es im Schatten eines großen Laubbaumes an und wässerten es gerade eifrig, weil es sonst relativ schlecht in trockenen Gebieten wuchs. Vielleicht wirkte die Nähe des Meeres sich da positiv aus.

Die sonstigen angebauten Pflanzen sahen überwiegend nach Standardware für den Hausgebrauch aus, und für einen Alchemisten wie Crimson wäre es schon peinlich gewesen, diese kaufen zu müssen.

Leider kam ich nicht dazu, alles im Einzelnen zu analysieren, da die Besichtigungstour weiterging. Es gab eine kleine Laube, die halb als Werkzeuglager und halb als gemütlicher Pausenraum diente. Sie beinhaltete sogar ein Bett für den Fall, dass jemand sich bei der Arbeit verletzte. Sehr umsichtig. Der Turm, der von hier aus am besten zu sehen war, beherbergte das Alchemielabor, wie wir erfuhren.

Crimson führte uns vom Garten aus um das Schloss herum und am Haupteingang vorbei. Dort gelangte man auf einem abwärts führenden Weg zu einem hübschen Badestrand. Vielleicht sollte ich tatsächlich Basalts Rat befolgen und die Gelegenheit zum Schwimmen nutzen. Diese Art von Ertüchtigungsübung schien eine gewisse Freiheit zu versprechen, und bestimmt würde ich das Gefühl verminderter Schwerkraft genießen können. Der Anblick des Meeres direkt vor der Haustür wirkte in der Tat sehr verlockend.

„Und da oben ist unsere Drachenlandeplattform,“ zeigte der Schlossherr uns und lenkte mich damit von meinen Betrachtungen ab. „Sie ist auch schön, um die Aussicht aufs Meer zu genießen. Der Turm da drüben ist ein Wohnturm, dessen oberstes Stockwerk ich bewohne. Die Etagen darunter sind auch bewohnbar, aber die Zimmer sind eher klein. Sie haben allerdings Balkone.“

„Du könntest eins davon zu deinem Ankleidezimmer ausbauen,“ schlug Vanis vor.

Crimson runzelte wenig begeistert die Stirn. „Im Ernst? Na ich weiß nicht...“

„Deine Garderobe dürfte sich demnächst etwas erweitern, es wird somit in dem Zimmer da oben etwas eng werden. Oder du suchst dir ein größeres aus...“ riet ihm Asmodeus.

Der Schlossherr warf einen zweifelnden Blick nach oben, als würde er das zögerlich in Erwägung ziehen. Ich konnte mir vorstellen, dass es einen gewissen Reiz hatte, dort zu wohnen, etwas, das man ungern aufgab, selbst wenn einiges dafür sprach, lieber im Erdgeschoss zu wohnen. Immerhin vermied er dann weite Laufwege. In seiner Position musste er eigentlich schnell überall hinkommen können.

Wenn ich ein anderes Verhältnis zu Crimson gehabt hätte als das, seinen Vertrauten ausgebrannt zu haben, hätte ich gefragt, ob ich ein Turmzimmer kriegen konnte, denn die Idee gefiel mir. Doch wie die Dinge lagen, wollte ich lieber keine Sonderwünsche anmelden. Immerhin gab es ja noch die Aussichtsplattform.

„Jetzt macht dem Jungen mal keine Angst, diese Veränderungen müssen ja nicht von heute auf morgen kommen,“ sagte Cosmea.

„Es ist schon durchaus eine gute Idee, was Asmodeus sagt, Großmutter. Ich werde mir das überlegen...“ räumte Crimson ein. „Den Eingang kennt ihr ja schon... gehen wir rein, ich zeige euch jetzt, wie man von hier aus auf unsere Krankenstation kommt. Man sollte immer wissen, wo es in einem Notfall Hilfe gibt. Also wenn euch was passiert, geht dorthin.“

Der Schlossherr führte uns ein kurzes Stück weiter zu besagter Krankenstation und stellte uns den Heiler Vindictus vor. Cosmea, Sage und ich kannten ihn ja schon, und er bedachte uns mit einem leicht grummeligen Nicken zur Begrüßung. „Meine Kolleginnen Dsasheera und Lily werden euch ebenfalls helfen, aber versucht einfach, euch nicht zu verletzen, während Ihr hier seid.“

Das sollte vermutlich ein Spaß sein, jedenfalls lachten Vanis, Asmodeus und Belial, während der Rest von uns zumindest freundlich lächelte. Die erwähnten Kolleginnen konnten wir nirgends entdecken.

„Sind drei Betten nicht etwas wenig?“ hakte Desire nach.

„Wir haben noch ein Zimmer, in dem vier Betten stehen,“ informierte der Heiler uns. „Dies stammt aus einer Zeit, als wir hier eine Epedemie von Schattenfieber hatten, wir habe es dann einfach so gelassen. Bei der bisherigen Belegschaft kamen wir so ganz gut aus. Derzeit suchen wir einen Spezialisten für Gifte, also falls Ihr zufällig so jemanden kennt, der einen neuen Job sucht...“

Belial zückte sein Klemmbrett und notierte sich das. „Ich gebe die Information mal weiter.“

Eines unserer vielen Formulare berichtete auch über das Jobvermittlungsprogramm, aber das würde Crimson schon noch feststellen. Es funktionierte im Prinzip ähnlich wie das Vermittlungsprogramm für Rehabilitanden und wurde von den gleichen Leuten organisiert – was gut war, schließlich gab es nur alle paar Monate oder gar Jahre mal einen Rehabilitanden zu vermitteln, demnach wäre der Job sonst recht öde gewesen.

„Von hier aus kommen wir leicht in die Kellergewölbe, wenn ihr möchtet, zeige ich euch gleich das große Bad,“ schlug Crimson vor.

Wir hatten nichts einzuwenden, aber Vanis fragte: „Warum befindet es sich im Keller?“

Der Schlossherr zuckte mit den Schultern. „Das hat praktische Gründe, weiter nichts. Durch den Lavastrom kann es auf natürliche Weise beheizt werden, und natürlich lässt es sich dort gut mit Wasser versorgen. Wir haben auch in den anderen Etagen Bäder, die sind aber wesentlich kleiner und unbeheizt. Das ist aber nicht so schlimm, weil wir ja ein Magierschloss sind, da lässt sich Wasser recht leicht durch Magie erwärmen. Ruft einfach nach dem Schlossherz und sagt ihm Bescheid.“

Wir folgten Crimson eine Treppe nach unten und einen Gang entlang, bis wir vor einer Tür aus Metall standen, die mich irgendwie an einen Kerker erinnerte. Davon gab es, nebenbei bemerkt, einige hier unten.

„Das hier war mal ein rein zweckmäßiges Bad, aber nachdem ich hier Schlossherr geworden bin, habe ich es renovieren lassen,“ erzählte er uns. „Das Design stammt von Yami aus der Welt des Blauen Lichts, ihr habt bestimmt von ihm gehört. Für die, die es nicht wissen, er ist der Geist des Pharaos mit dem Millenniumspuzzle, inzwischen wieder in einem eigenen Körper.“

Ein Geist in einem eigenen Körper? Ich tauschte Blicke mit meinen Kollegen aus, aber sie zuckten nur mit den Schultern, bis auf unser Magierpärchen.

„Ich hab euch doch von Yami erzählt, wisst ihr noch?“ sagte Sage. „Nach dem, was Dark mir erklärt hat, erhielt eigentlich nicht Yami einen eigenen Körper, sondern Yugi, sein Wirt. Yugis Geist wurde bei einem Schattenspiel ins Reich der Schatten verbannt und Yami blieb im Wirtskörper zurück, während Yugi hier einen eigenen bekam – das kennt ihr ja.“

Wir nickten kollektiv. Es kam hin und wieder vor, dass Leute hierher verbannt wurden, oft jedoch nur ihr Geist bzw. die Seele, während der Körper in der anderen Welt ins Koma fiel. Hier bekam die Person aber dann trotzdem einen Körper, während wir, wenn wir nach drüben beschworen wurden, üblicherweise keinen hatten.

„Also kehrte Yugi zurück und behielt seinen Schattenreichkörper?“

„Genau, Thau. Das kam einerseits überraschend, andererseits wäre es seltsam gewesen, wenn sich der Körper als Einziger aufgelöst hätte, als Dark, Blacky und Appi mit ihm zusammen durch Angelus' Tor reisten. Angelus war natürlich selbst auch dabei. Vermutlich lag es einfach an der Art zu reisen.“

Crimson ließ uns ins Bad und wir traten staunend ein. Es sollte vielleicht nicht überraschen, dass wir einen ägyptisch dekorierten Raum vorfanden, in dem ein helles Sandbraun vorherrschte, während magische, rußfreie Feuerschalen für Licht sorgten. Das im Boden eingelassene Badebecken bot Platz für uns alle. Schöne Sache, nur eins störte mich.

„Wie ist das denn hier mit der Privatsphäre? Kannst du uns immer beim Baden zusehen, Crimson?“ fragte ich.

Erneut konnte ich beobachten, dass der Schlossherr kurz die Augen schloss und sich sogar die Schläfen rieb, ehe er antwortete: „Tut mir Leid, Catherine wies mich nur gerade darauf hin, dass alle Bereiche des Schlosses aus Sicherheitsgründen bis zu einem gewissen Maße überwacht werden, da dies die Aufgabe eines Schlossherzes ist. Das hat jedoch mit einer Verletzung der Privatsphäre nichts zu tun.“ Er räusperte sich. „Heißt natürlich, dass ich es theoretisch könnte, da müsst ihr mir dann schon vertrauen.“

Er betonte das wie einen Scherz, und ich entschied, es auch so aufzufassen. Allerdings beschloss ich zugleich, kein Bad zu benutzen, in dem ich ertrinken konnte, in einem Schloss, das mich verabscheute. Crimson äußerte sich da immer sehr vorsichtig, aber nach dem Auftreten des Schlossgeistes am Anfang vermutete ich, dass er ziemlich laut zeterte im Kopf seines Herrn.

„Ich find's gemütlich,“ bemerkte Vanis. „Ich könnte direkt hierbleiben.“

„Brrr, du haarst nur alles voll,“ grummelte Belial gespielt angeekelt.

„Und du nimmst unnötig viel Platz ein mit deinen Federn,“ gab unser Vorsitzender zurück.

„Merken wir uns das doch einfach für die Abendstunden vor,“ beschwichtigte Sage die beiden.

„Äh... ich würde vorschlagen, dass ich euch jetzt den Speisesaal zeige, wo wir uns später wieder treffen können, und euch dann die Zimmer zuteile, damit ihr euch ein bisschen ausruhen könnt...“ versuchte Crimson, die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken.

Wir folgten ihm brav nach oben zurück. Der Speisesaal war für ein Schloss eher klein, aber in Ordnung. Ich stellte es mir nur etwas eng vor, wenn hier mehr Leute wohnten als zur Zeit. Zunächst einmal nahmen wir lediglich zur Kenntnis, wo wir später hin mussten, denn es ging nunmehr an die Zuteilung der Zimmer.

„Die Räume sind leider noch nicht ganz einsatzbereit, wir schieben die Renovierung jetzt schon eine ganze Weile vor uns her, weil es einfach, nun ja... wichtigere Sachen gab, deshalb sind die Möbel teilweise auch nicht zusammen passend,“ entschuldigte Crimson sich verlegen. „Ich hab versucht, schnell einige Zimmer so herrichten zu lassen, dass sie erstmal die nötigste Einrichtung haben und frisch bezogene Betten bieten. Cathy hat es den Schülern gesagt, während wir noch beschäftigt waren, also wenn es irgendetwas zu bemängeln gibt, sagt einfach Bescheid.“

Mein Zimmer befand sich im ersten Obergeschoss und blickte auf den Garten, weil Crimson nach eigenen Angaben bemerkt hatte, dass mir dieser gut gefiel. Zwar hätte ich einen Meerblick bevorzugt, da ich Garten ja jederzeit zu Hause haben konnte, aber ich nickte höflich und bedankte mich für die Mühe, die er sich mit der Auswahl gegeben hatte.

Im Anschluss blieb ich erst einmal alleine in dem Raum, während noch die restlichen meiner Begleiter untergebracht wurden. Es gab ein normal breites Bett, eine Kleidertruhe und eine Sitzgruppe mit zwei verschiedenen Sesseln und einem Stuhl. Der runde Tisch passte von der Holzfarbe her zu einem der Sessel und beides auch zum Bett. Die Truhe hingegen schien aus dem gleichen Holz zu bestehen wie der Stuhl, doch sie war ganz anders verarbeitet. Offenbar hatten Crimsons Schüler in keinster Weise darauf geachtet. Nun ja. Wenigstens hingen Vorhänge vor den Fenstern und ein Teppich lag auf dem Boden. Das Bettzeug war einfach, aber in Ordnung. Meine Ansprüche hielten sich da auch in Grenzen, solange ich gut darin schlafen konnte.

Da dieses unfertige Zimmer im Moment nichts an Unterhaltung bot, weil nicht einmal ein Buch vorhanden war, legte ich mein geringes Gepäck auf einen Sessel, hängte meine Jacke über die Lehne des Stuhls und begab mich wieder nach unten, wo ich hoffte, die anderen zu treffen. Wir hatten nichts vereinbart, daher musste ich es auf gut Glück versuchen. Richtung Speisesaal erschien mir sinnvoll, zumal man dort auch einfach sitzen und sich unterhalten konnte, falls das Essen noch nicht fertig war.

Belial kam auch gerade aus seinem Zimmer, und da er seine Flügel nicht wegzaubern konnte, streckte er sie auf der Treppe nach beiden Seiten aus, bewegte sie auf und ab und faltete sie dann wieder auf dem Rücken zusammen, ähnlich wie Vögel es manchmal machen. Einmal bei einer Versammlung hatte ich mitbekommen, dass die Federn regelmäßig Pflege brauchten und ihr Träger dafür Hilfe benötigte, weil er selbst nicht an alle drankam. Insofern ging ich davon aus, dass Unterweltler und Feen mit gefiederten Flügeln einen recht sozialen Charakter haben mussten. Entweder das oder genug fachkundige Diener. Belial hatte seine Übergewandung und Rüstungsteile abgelegt und trug nurmehr eine violette Robe ohne Ärmel. Auch hatte er seine Haare zusammengebunden. Insgesamt ließ ihn das viel umgänglicher aussehen.

Während ich den Unterweltler von hinten beobachtete, kam mein Fuß anscheinend ungünstig auf einer Stufe auf und ich rutschte von der Kante ab. Ich konnte mich noch ans Geländer klammern und vermeiden, dass ich gegen den Kollegen stolperte und wir womöglich noch beide in die Eingangshalle fielen.

Belial wurde reaktionsschnell auf die Geräusche aufmerksam und sah mich am Geländer hängen. „Hooh, Thau, langsam! Alles in Ordnung?“

„Ja, ich glaube...“ Die Stufen schienen unbeschädigt zu ein, aber ich wusste auch nicht mehr so genau, wo ich abgerutscht war.

„Du wirkst ein bisschen nervös, seit wir hier sind,“ kommentierte Belial. „Entspann dich mal.“

Ich verdrehte sichtbar die Augen, schließlich kannte er ja meine Gründe. Von nun an hielt ich mich jedenfalls gut am Geländer fest.



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)

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Von:  Hikari-Yumi
2020-08-27T22:57:28+00:00 28.08.2020 00:57
Und auf ein letztes...
Huh...
Nun, ich hätte dieses Spin off kommen sehen sollen.. thaumator hatte einen ähnlichen vibe wie Crimson in #1. wie ein geliebter Charakter über den man noch mehr lesen will.

Aber erst die Frage.. wieso ist diese Story komplett in der ersten Person geschrieben? War das eine bewusste Entscheidung?

Jedenfalls.. thaumator wurde mir ja schon sehr sympathisch nach vindictus bonding in #3... also hab ich mich gefreut... besonders um seine Perspektive auf die Beziehung zwischen soach und Crimson zu sehen.

Es ist irgendwo erfrischend? Offensichtlich nimmt es ja ein nicht ganz so gutes Ende... obgleich das Fluch Buch bei arae ja auf ein entkommen hoffen lässt...
Thaumator ist ein merkwürdiger Fall... er ist Crimson ähnlich.. irgendwie... aber nciht sehr.
Er tut mir vor allem leid... hoffentlich kann er irgendwann mit jemanden außer seiner Frau und cosmea über seine Schuldgefühle mit der ausbrennung reden. Vllt vindictus.
Achja bevor ich es vergesse. Die Tatsache, dass er keine Telepathie benutzt finde ich toll. Man ist so gewohnt, dass jeder wenigstens ein bisschen Telepathie beherrscht (und Crimson und Yugi vor allem das Problem des zu offenen Geist haben) dass es eine interessante Abwechslung ist. Ähnlich wie appi zu Anfang... nur halt... ernster.

Ich denke thaumator könnte gut in das Schloss passen zu dem Rest des Haufens.. seine geldprobleme und sein Hunger machen mir sorgen... ebenso wie die Tatsache das er selbst noch auf Stufe 3 ist... und jetzt auch noch Fire...

Kann gar nicht viel sagen.. außer naja.. dass ich befestigt genossen habe.

Ich werde nicht fragen ob und warum die Serie abgebrochen wurde, schließlich will ich das Selbst nichtgefragt werden.
Aber falls es für immer auf diesem Stand bleibt... ich glaube damit könnte ich auch leben... dank der ganzen hints und foreshadowing (grandiose Arbeit übrigens) fühlt es sich nicht abrupt an? Wenn du weißt was ich meine?

Wenn es dir nichts ausmacht (vorausgesetzt du wirst diese Kommentare überhaupt lesen und dann auch noch gewillt sein mir nach all dem zu antworten) würde ich gerne die Serie herunterladen und für mich selbst Privat drucken und ins Regal stellen. Natürlich nciht ohne Erlaubnis.
Es ist nur, FW ist wine der wenigen fantastischen, großen und mehr oder weniger beendeten Serien die mich auch noch so berührt haben... ich würde sie gerne in der Hand halten können.

Wie auch immer.

Danke für das posten über so viele Jahre, für das schenken so vieler Geschichten und das erschaffen einer grandiosen Welt.
Danke, dass ich meine Sorgen während der letzten Woche hinter mir lassen konnte und eintauchen konnte in diese vertraute Welt die mich nie losgelassen hat.

Alles gute,
~Hikari aka Kathy
Antwort von:  Purple_Moon
19.10.2020 13:41
Ich habe im Moment wirklich nicht viel Zeit zu antworten, aber nur soviel: FW ist nicht angebrochen. Nichts davon. Es gibt bereits eine Million ungeschriebener Wörter - und 50k vom NaNoWriMo 2019. Leider erlaubt mir mein Privatleben derzeit keine richtige Schreibarbeit. Ich bin immer ganz entsetzt, wenn schon wieder ein Monat um ist. Ich muss wohl den ganzen Kram selber nochmal lesen.
Und um mal ein bisschen zu spoilern:
Im Laufe dieser Geschichte wird Fire verflucht, so dass Thau meint, er müsse sich selbst ausbrennen lassen, damit seine Magie Fire nicht tötet.
T: "Wir müssen es deinem Vater sagen. Hoffentlich bringt er mich nicht um, immerhin war das mein Fehler."
F: "War es nicht so, dass Euer Tod mich nicht retten würde? Insofern seid Ihr sicher."
T: "Das ist auf eine seltsame Art praktisch."
Nachdem sie es Soach gesagt haben:
Soach denkt kurz über das gehörte nach. Er lächelt hintergründig. "Eure Mutter hat Euch mit dem letzten Atemzug verflucht? Macht Euch keine Sorgen. Hier wird niemand mehr ausgebrannt. Ich finde eine Lösung."
T: "Aber... Ihr könnt nicht einmal mehr zaubern, wie wollt Ihr..."
S: "Ein Chaosmagier findet einen Weg. Und jetzt sollten wir uns beeilen, wir kommen zu spät zum Essen."
T: "Eh???"
F: "Mein Vater wird Euch retten, seht Ihr?"
T: "Ich glaube, den Leuten in diesem Schloss fehlt der nötige Realismus..."
Thau wünscht sich natürlich tief in seinem Herzen, dass Soach Recht behält, kann aber den Optimismus der beiden nicht so ganz teilen. Die Autorin hat aber schon ne ganz simple Lösung auf Lager. ;)

Ich war eigentlich selber ein bisschen überrascht davon, was aus Thau geworden ist, denn ich habe ihn ursprünglich nur erfunden, damit man einen eher unsympatischen, kaltherzigen Charakter hat, der anscheinend keine Skrupel hat, jemanden auszubrennen. Er sollte in der Ausbrennszene kurz dabei sein und dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Tja... so kann's gehen. Die Ich-Perspektive ist eigentlich nicht so meins, aber umso mehr wollte ich sie halt mal ausprobieren und mit einem Charakter experimentieren, der oft etwas anderes denkt, als er sagt.
Ein bisschen Ich-Perspektive sieht man beim Prolog und Epilog von #2, da habe ich mich dann aber doch für eine personale 3. Person Perspektive entschieden, wie sie beispielsweise in Harry Potter üblich ist. Irgendwie ist das mittlerweile auch die, welche ich meistens nutze.

So das wurde jetzt doch ein bisschen länger als geplant, weil mein Kind bei Oma ist. XD

LG
Anja
Von:  jyorie
2018-04-17T14:08:57+00:00 17.04.2018 16:08
(づ。◕‿‿◕。)づ Hi,

hm ... ja, das könnte wirklich sein, nach der Reaktion der Gewandmeisterin und den seltsamen Konditionen, das sie versucht junge Mädels anzulocken bei ihr zu kaufen und dann hinterher mehr bekommt als vorher, weil nicht gezahlt wird. Eine fiese Masche.

Der Buchverkauf war toll geschrieben, die Vorsichtsmaßnahmen die die beiden getroffen haben hast du dir gut ausgedacht. Ich war ja zu Beginn etwas skeptisch, aber Basalt scheint nicht sehr nostalgisch zu sein, oder an Gütern zu hängen, das er (zumindest nach außen hin) so locker mit dem Weggeben seines ersten Werkes umgeht. Tau muss ziemlich stolz auf seine Kinder sein :)

Ray´s Begegnung auf dem Arae Anwesen war ebenfalls gut gemacht. Ich wäre echt neugierig, was er jetzt alles weiß nach dem Handschlag. Tau war es sichtlich unangenehm so gelesen zu werden, ob er jetzt auch etwas von seinen Gedanken und Gefühlen kennt, das es ihm nicht so einerlei ist, das er jemand ausbrennen musste. (Die Stelle hat mich an das Buch Open Mindes – Mindjack Geschichten erinnert. Eine Mutation bewirkt das die Menschen Gedanken lesen können und wenn sich die Leser berühren ist das sehr sehr intim und tiefgehend was dabei alles ausgetauscht wird. Ich habe mich an der Stelle gefragt ob Ray dadurch einfach nur ein paar Bilder empfangen hat oder ob es mehr war was er an Info bekommen hat).

Ein Treffen mit Marlice – cool :-D ... Wenn er noch da ist, heißt das auch, dass Chrimson und Sorg noch garnicht lange weg sind, oder? Die Armen Behemots Tiere, das sie jetzt ausgeschlachtet werden, erinnert mich ein bisschen an die Elefanten oder Nashörner, wenn sie gewildert werden. Die Decke von Marlice mit der eingebauten Haltbarkeit fand ist super. Sowas hätte ich auch gern.

Liebe Grüße, Jyorie
Antwort von:  Purple_Moon
13.05.2018 18:36
Hallo!

So, hoffentlich krieg ich jetzt mal die Antwort hin. Hatte schonmal angefangen, war dann abgelenkt und hab aus Versehen den PC runtergefahren, ohne fertig zu sein.^^°

Vielleicht schaffe ich es nochmal, die Gewandmeisterin einzubauen und dann zu klären, ob das wirklich eine Masche ist, aber du kannst davon ausgehen, ja. XD So kann sie sich noch mehr Geld erschleichen, als das KLaid kostet, so als Strafzahlung, und das alles ganz legal, weil es ja vereinbart war. Das Reich der Schatten hat ja nun keinerlei Kundenschutzgesetze.

Das erste Werk nicht zu verkaufen, ist so eine sentimentale Macke von mir... aber eigentlich unsinnig, da ja spätere Werke besser sein müssten, dann hat man ja schon mehr Erfahrung. Basalt sieht das wohl auch eher so, vor allem aber ist es ihm wichtiger, dafür Geld zu bekommen. Wenn es gegangen wäre, hätte er es aber gerne behalten - zumindest hab ich drüber nachgedacht, das so zu schreiben, dass er es behält, mich dann aber anders entschieden.

Also ganz so viel weiß Ray jetzt nicht über Thau, es ist nicht so heftig, wie du beschreibst. Klingt aber nach ner guten Anregung. :) Ray kann ja nun keine Gedanken lesen, hat aber ein bisschen die Zukunft gesehen und weiß zum Beispiel, dass Thau noch weiter mit Fire als seinem Schüler und damit Soach zu tun bekommen wird. Und ein paar andere Sachen, die ich jetzt nicht verrate. Außerdem hat er ein paar Bilder von der Ausbrennung gesehen und fand das nicht gerade toll. Nun ja.

Eigentlich hab ich in FW geschrieben, dass alle abreisen, aber Malice ist nochmal (heimlich) zurückgekehrt, um sich den Loot zu holen. Das erfährt man allerdings nicht so genau, weil ihn keiner fragt.
Es gibt auch im Reich der Schatten die Unsitte, Tiere wegen ihrer Hörner oder anderen Bestandteilen zu töten, ja. Aber die Behemots waren ja nun eh schon aus anderen Gründen tot, so haben sie dann irgendwie noch einen Nutzen. Hätte ich sonst schade gefunden.
Die Decke erwähne ich bald nochmal XD

LG
Anja
Von:  jyorie
2018-04-17T14:08:33+00:00 17.04.2018 16:08
/(=∵=)\ Hi,

die Versammlung des Zirkels des Bösen war interessant mit dem Offiziellen Bericht, damit man das Andenken/Ansehen des Toten in guter Erinnerung behält, - das kommt in die Akten. Und für alle die Da sind, gibt es dann noch die Wahrheit.

Bei der Wahrheit fand ich es sehr interessant wie Thau reagiert als er erkennt, das Sorc unschuldig ist. Ich musste dabei immer wieder an das Denken was er später auf dem Schloss erlebt und das macht es noch um sooooo viel mehr spannender, wenn man diese Reise dann auf seiner Schulter erleben wird, warum er Ray ausbildet und wie das Treffen mit Sorc wird.

Gefallen hat mir auch, wie Thau im Garten sich von dem Wahrsager verhält, damit der nichts über ihn erfährt – ich glaub er weiß schon mehr als Thau lieb ist^^°

Der Zirkel des Bösen muss auch nach seinen Statuten handeln^^° Interessant, das aber nach der Versammlung so viele geholfen haben das Anwesen von Arae wieder herzustellen.

Bei der Begegnung mit dem Pflanzenwesen, musste ich an das andere Schloß denken, wo ich zuvor dachte das es da eine Begegnung mit einem der Schlossherzen war – war das auch ein Pflanzenwesen, das eine Geschichte hören wollte und dann den Samen verschenkt hat?

War ein tolles Kapitel und du hast damit noch viel mehr Appetit darauf geweckt welche Wege das Schicksal hat und warum es Sorc so übel mitspielt, was es wohl vorhat und warum will es ihn auf so einem harten Weg läutern?

Liebe Grüße, Jyorie

Von:  jyorie
2018-01-09T14:48:44+00:00 09.01.2018 15:48
⊂(◕‿◕)つ Heyyy,

Find ich gut, wie Thaus Familie zusammen hält und jeder ohne vorwürfe mithelfen will. Das es kein Problem ist, doch das erste Buch zu verkaufen das was geworden ist.

Aber auch wie Vesuvia in der Schule die Idee mit dem Bazar hatte und wie sie mit ihrem Einfall von dem Wutanfall weil sie keinen Schrank bekommt es so deichseln konnte, das sie das Geld behalten, war schon cool. Aber ich glaub das insgesamt es sie doch schon geschmerzt hat ihre Kleider herzugeben.

Ein sehr schönes Kapitel, Auch die kleinen Szenen mit Tau und seiner Frau, wie sie sich innig lieben und anziehend finden, hast du schön geschrieben.

Ciao, Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
17.01.2018 20:57
Hallo!

Die Antwort kommt jetzt ein bisschen spät, aber du stellst ja acuh eigentlich keine Fragen zum beantworten.^^
Erwähnen könnte ich wohl, dass Vesuvia schon ihre Kleider nicht gerne hergibt - daran zu erkennen, wie sie ein bisschen zögert, ihren Vater um den Verkauf der restlichen zu bitten. Das ist fast schon autobiografisches Material - ich bin zwar nicht so ne Modetussi, aber ich hab vor einer Weile mal meine Kleidung aussortiert und mich dabei von schönen Sachen getrennt, die ich nie anziehe, so dass es keinen Sinn hat, sie weiter zu behalten. Oh Mann das war teilweise hart... wenn man damit irgendwelche sentimantelen Erinnerungen verbindet oder so.
Die Gefahr, dass sie das Geld nicht behalten darf, bestand allerdings nie, es hätte höchstens sein können, dass die Direktorin verlangt, dass sie die Kleider wieder zurücknimmt und das Geld dann den Käufern zurückgibt. Aber einfach wegnehmen kann Silentia es ihr ja nicht.
Thau im Familienumfeld zu beschreiben macht übrigens viel Spaß, aber ich freue mich schon drauf, an die Ereignisse von FW3 wieder anzuknüpfen - indem er die Nachricht bekommt, dass Edeh Arae tot ist. Passiert dann bald. :)

Das war's erstmal - liebe Grüße
Anja
Von:  jyorie
2017-10-25T06:12:44+00:00 25.10.2017 08:12
ツ Hallo,

die Szene mit Burner war niedlich, wie er sich für Thau bemüht hat gut auszusehen und dann als es niemand mehr vom Schloss mitbekommen hat, macht er erst schlapp, so das es für Thau nicht peinlich ist, wenn er die Landung nicht packt oder so was^^ irgendwie mag ich auch die Laute die du beschrieben hast, die er von sich gibt. :)

Nicht nur das Schloss scheint Thau nicht zu mögen, so zickig wie Chathy war, auch das mit der peinlich berühren „Bedinung“ die zufällig nicht alles da haben zum Essen / Trinken. ... Nein, die Reisenden waren echt nicht willkommen bei Chrimson. ... Aber wenn es doch so viele Komplikationen gibt und sie sich so beeilt haben, vielleicht wäre es Sorc dann wirklich besser gegangen, wenn sie die Besucher zu ihm gelassen hätten, jetzt wei0 man ja, das sie es nur gut gemeint hatten.

Bei dem Dorf fand ich es auf ne gewisse weiße niedlich wie Solidarisch sie waren, das sie alle so hinter Crimson stehen, auch wenn es den Gästen schon unhöflich gegenüber war.

Oh weh, das war ziemlich heftig, was Thau zuhause erlebt hat mit seiner Tochter. Sehr positiv fand ich allerdings seine enorm schnelle Einsicht, wie er meinte, das er Mitschuld an der Misere hat, weil er nichts gesagt hat und auf Heile Welt gemacht hat, hat sich seine Tochter zu so einem Kleid verleiten lassen. (Ob sie vielleicht selbst gesparrt hätte oder einen Mini Job gemacht hätte und für ein Kleid gesparrt) ... oh man, das ist ziemlich aussichtslos, wie Thau jetzt dar steht - ich bin gespannt, was er tun wird.

Er hat echt an allen Ecken und Enden sorgen. Du beutelst deinen neuen Liebling echt ganz schön.

Viele Grüße
Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
27.10.2017 13:50
Hallo,
endlich komme ich hier mal zu.^^

Burner ist doch schon ein ganz lieber, oder? XD Er hat noch einen coolen Karteneffekt, den ich hoffentlich irgendwann einbauen kann.

Die Szene bei Crimson kannst du praktisch parallel lesen in Fremde Welten 3, Kap. 7. Als ich selbiges geschrieben habe, war Thaumator noch als eher unwichtiger, ruhig unsympatischer Nebenchara geplant, daher musste ich sein doch eher kühles Verhalten irgendwie begründen... Die Besucher werden schlicht und einfach nicht zu Soach gelassen, weil der Schiss vor ihnen hat und man ihm den Stress ersparen will. Natürlich würde er das nie zugeben. Aber seine Gefühle färben sowohl auf das Schloss als auch ein bisschen auf die Bewohner ab, weshalb die dafür Verantwortlichen etwas abweisend behandelt werden... auch wenn sie nichts dafür können, jemand musste halt die Ausbrennung machen. Zumindest haben Thaumator und Cosmea ja schon Verständnis dafür, dass sie keinen freudigen Empfang zu erwarten haben.

Ich erwähne manchmal ein Dorf in FW, wo die Leute zum Einkaufen hingehen und von wo Sachen geliefert werden. Das ist allerdings noch ein anderes als das, wo die Gruppe hier hingeht, allerdings gehören beide zu Crimsons Hoheitsgebiet. Cosmea hat beide Dörfer bei der Ankunft aus der Luft gesehen, aber sie entscheiden sich für das für sie näher gelegene. Gelegentlich muss ich die mal benennen... Behalt das mit dem Dorf mal im Hinterkopf, das will ich in FW nochmal aufgreifen, deshalb hab ich es jetzt schonmal erwähnt. Deine Interpretation des Verhaltens der Bewohner hat mich überrascht, mir war gar nicht klar, dass man es so deuten könnte. Dazu sag ich jetzt mal nichts weiter. ;)

Die Szene mit Vesuvia war schon lange geplant und ich hab mich sehr drauf gefreut.^^ Sie ist dann geringfügig länger geworden als geplant... oder generell das Kapitel. Tatsächlich ist das Mädchen sehr flexibel und hätte Mittel und Wege gefunden, ihren Willen zu kriegen bzw. an das nötige Geld zu kommen. Aber wozu, sie dachte ja, Papa hat's. Aber warte mal ab, was sie noch macht.

Naja, meine Gewohnheit, dass ich Leute erstmal platt trete, bevor sie glänzen dürfen, müsste ja inzischen bekannt sein. XD Sie müssen quasi an ihrem Leid wachsen, manchmal durchaus auch über sich hinaus. Und Thau hat's ja bekanntlich noch nicht überstanden... Soach übrigens auch nicht, muahahaha!

OK das soll erstmal genügen für heute. Das nächste Kapi kommt hoffentlich bald.

LG
Anja

Von:  jyorie
2017-10-11T06:20:45+00:00 11.10.2017 08:20
Hey ☆*:.。. o(≧▽≦)o .。.:*☆

Muskelkater vom Ausbrennen? hm, warum nicht?! zudem noch die ganzen Gedanken die sich Thaumator macht, da verspannt man sich ja auch noch ... Ich finde es sehr süß, wie Thaumator seine Frau beschreibt und wie er die ganzen Gesten sieht und erkennt, was sie für ihn macht. Das klingt sehr liebevoll/dankbar, wenn er sie dafür schätzt und findet er hat sie nicht verdient.

Mir hat auch gefallen, dass der MuskelkaterTee ebenfalls bei Cosmea auf dem Herd stand. Ob es sie auch erwischt hat, oder ob sie ebenfalls Thaus Beschwerden kennt... wenn man etwas bekommt was man braucht, weil jemand schon vorher weiß was los ist, das ist toll. Verstehen und kennen ohne Worte :)

Die Ankunft in LotusBlüte fand ich lustig. An seinen verunglückten Landung sollte Thaumator echt noch etwas üben, es könnte das Bild von dem schweigsamen, unantastbaren Zirkelmitglied etwas trüben, wenn man das so bei Crimson im Schloss beobachtet. Ich bin deshalb auch schon sehr gespannt, wenn sie an ihrem nächsten Ziel ankommen.

Das die Gruppe erst noch einen Halt bei Crimsons Vater macht hatte ich gar nicht so mitbekommen.

Turmalinda kommt mir dunkel bekannt vor, hattest du sie schon mal erwähnt? Hieß eines der beiden Schlossherzen so?

Bei der Stelle mit der Nuss auf dem Grabbaum habe ich mir einige Gedanken zu Turmalinda gemacht. Oder zu den Schlossherzen allgemein. Woher kommen sie? Ist das auch wie bei Soarch, das es fürher Menschen waren, die sich zu dem Gebäude verpflichtet haben, oder muss man sie sich eher so wie Computer/künstliche Intelligenz vorstellen. Ein bisschen ist mir bei dem Grab der Gedanke gekommen, ob sie um den früheren Schlossherrn selbst mal geweint hat, oder ob es ihr eigenes Grab sein könnte oder das des zweiten Schlossherzens, wenn die Schlossherzen mal Menschen waren. Ich fand das Thaumator gut mit dem Mädchen argumentiert hat und auch wie er die Trotzreatktionen gemeistert hat, mit solchen Phasen umzugehen ist echt schwer :(

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
11.10.2017 17:58
Hallo!
Danke für den Kommi, lese ich immer wieder gerne.

Vielleicht bin ich etwas sadistisch veranlagt oder lasse meine Leute generell gerne leiden, weil das halt unterhaltsamer ist als ein Friede-Freude-Eierkuchen-Szenario. Allerdings wollte ich auch, dass Ausbrennen nichts ist, was man mal so nebenbei macht und dann vergisst. Es ist kompliziert und gefährlich, kann das Opfer töten, und ist auch unangenehm für den Anwender. Außerdem lernt man das nicht einfach mal eben in der Schule. Also etwas, das wirklich Können und Konzentration erfordert und nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte.
Du erinnerst dich vielleicht, was mit Rose los ist - Thau beschreibt es in der Episode, in der er mit Vindictus am Strand ist. Ich habe es aber in dieser Nebengeschichte extra noch nicht deutlich gesagt. ;) Jedenfalls kannst du dir ja dann denken, warum er sich im Licht der neuesten Ereignisse ihrenwegen Vorwürfe macht und zugleich zu schätzen weiß, dass sie seine Frau ist.

Du kannst davon ausgehen, dass Cosmea unter den gleichen Beschwerden leidet wie Thau. Natürlich kann sie sich denken, wie es ihm geht. XD Naja er beschreibt ja auch, dass sie in einer Krisensituation Freunde geworden sind, was das Verhältnis dann umso inniger und fester macht.

Das mit Burners Landungen hat sich irgendwie zu einem Running Gag entwickelt. Da sollte man sich ja echt fragen, warum er sich keinen cooleren Drachen anschafft. Aber der kalte Zirkelmagier hat eben auch sowas wie freundschaftliche Gefühle zu dem Drachen. :D
Ganz davon abgesehen macht es jemanden ja auch sympatisch, wenn er so ein trotteliges Reittier hat, oder? Allerdings ist das wieder eine dieser Sachen, die ich vorher nicht absichtlich eingeplant hatte.

Turmalinda kam schon ab und zu mal zur Sprache. Sie ist Shiros Schlossherz, aber Thaumator weiß das nicht, deshalb wird es auch erstmal nicht erklärt. Es gibt eine tragische Geschichte zu ihrer Erschaffung, die aber noch nicht bekannt ist. Da wird dann auch erklärt, warum der Baum da wächst. Zunächst bleibt das nochmal unklar.

Schlossherzen werden in einem komplizierten magischen Verfahren geschaffen, das ich jetzt aber hier nicht erkläre. Wenn sich mal die Gelegenheit ergibt, werde ich das in die Story einbauen. Jedenfalls wird theoretisch von jedem der mitwirkenden Magier ein bisschen von dessen Bewusstsein kopiert, und zusammen bilden diese Teile dann ein neues Bewusstsein für das Schlossherz, also sowas wie eine künstliche Intelligenz, bei der jeder Teilnehmer etwas von seinem Wissen einprogrammiert hat. Ich glaube in manchen Sci-Fi Serien gibt es Bordcomputer bzw. KIs, die sich ebenfalls als holografische Gestalt materialisieren können. Ist ein bisschen von da geklaut.
Man kann ein Schlossherz auch mit einer Seele erschaffen, in diesem Fall wird jemand geopfert und derjenige ist dann das Schlossherz. Das war zum Beispiel bei Draconiel so. Natürlich kann man sich denken, dass sich nicht immer ein Freiwilliger findet...
Soachs nachträgliche Beseelung des Schlosses ist noch nie vorgekommen und wird von Fachleuten für unmöglich, zu gefährlich oder schlichtweg idiotisch gehalten. Auf so eine Idee kommt nur ein Chaosmagier. Ich hab noch ei paar Probleme eingeplant, die er dadurch kriegt. :P

OK jetzt mach ich mal Schluss hier, wird sonst zu lang.

LG
Anja
Antwort von:  jyorie
12.10.2017 08:39
Hi^^°

ja, die Geschichte von Rose kenn ich noch :) Ihr Schwester ist bei der Ausbrennung gestorben und sie hat auch ihre Magie verloren, zur Strafe wollte sie ihn verbrennen und dabei haben sie geheiratet und seine Verlobte hat ihm dann alles vergeben. Ich finde schon das man seine Schuldgefühle und Dankbarkeit gut verstehen kann. Das stand in dem Kontext glaub ich dabei, welche Möglichkeiten Soarch hat seine magie zurück zu bekommen, weil Thau mit seiner Frau diese Teilt.

hi hi ... ja stimmt, so ein bisschen plumper Drache und die Treue zu ihm ist Liebenswert :)

okay, dann bin ich gespannt, wenn noch etwas zu den Schlossherzen kommt^^°

LG
Jyorie
Antwort von:  Purple_Moon
12.10.2017 18:24
Hallo,

eins muss ich jetzt noch anmerken: Die Schwester ist nicht tot. So wie Thau es erzählte, hörte es sich aber zuerst mal so an. Vindictus hat das auch gedacht, also kann man schonmal so verstehen. :P
Tipp: Diese Tatsache wird nochmal wichtig...

LG
Von:  jyorie
2017-08-14T05:13:20+00:00 14.08.2017 07:13
Hey (❀◦‿◦)♫・*:.。. .。.:*・

ich mag die Vertrautheit von Tau und seiner Frau, das sie auch ohne Worte ziemlich genau abschätzen kann, wie es ihrem Gatten geht. ... Allerding bin ich mir nicht sicher, ob Cosmea davon weiß, wie es Tau nach den ausbrennungen geht, sicher hat sie ihre Gründe gehabt ihn zu bitten das bei Soarch zu tun. Vielleicht nicht zuletzt weil er gut und gewissenhaft ist und immerhin Crimson mit ihrem Opfer befreundet ist.

Der Tagesablauf von Tau und dessen Farm und Tiere und Sorgen hast du gut und interessant beschrieben. Den einen Satz, das Tau zur Entspannung Zaubern könnte aber es dann wegen seinem schlechten Gewissen nicht tut, weil er es könnte und ein anderer nicht mehr, fand ich auch toll. Das nimmt dem Charakter sehr viel härte, wenn er über so etwas nachdenkt und macht ihn sympathisch.

Der Traum, wie Tau und seine Frau „geheiratet“ haben war echt schrecklich aber auch irgendwie schön. Ich denke das da echt was dran sein kann, was sie meinte, das er sich solange weiter quält bis er sich endlich selbst verzeihen kann, klingt sehr logisch. (Ob es Sorach besser gehen würde, wenn er von all dem weiß? Ich denke das wird er leider nie erfahren)

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
17.08.2017 18:17
Hallo!

Tut mir Leid ich antworte etwas spät. Die Zeit rennt mal wieder.

Also zunächst mal scheine ich ja das Verhältnis von Thaumator und Rose so rübergebracht zu haben, wie ich wollte.^^ Du kannst auch davon ausgehen, dass Rose diejenige ist, die ihn von allen Menschen am besten kennt, schließlich haben sie eine bewegte gemeinsame Vergangenheit.
Cosmea hingegen kennt Thau gut, und wir wissen ja aus der letzten Episode, dass er in ihr eine Mutterfigur sieht, aber sie stehen sich nicht wirklich so nahe, wie sie könnten, da diese Ansicht nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Wenn man Cosmea fragen würde, würde sie sagen, dass sie in ihm eher einen guten Freund sieht, seit sie und Sage ihm damals geholfen haben, als er verletzt war und später vom Zirkel vor Gericht gestellt wurde. Sie weiß allerdings, dass er ihr heute noch dankbar für ihren Beistand ist.

Ich hab schon befürchtet, dass Thaus Farm und das alles vielleicht irgendwann lanbgweilig sein könnte, aber ich beschreibe solche Sachen gerne, weil es eine Figur ja auch charakterisiert. Auch sollte man durchaus sehen, dass er nach der Ausbrennung nicht einfach zur Tagesordnung übergeht. Also Ziel erreicht, wenn er ein bisschen sympatisch wird, ohne dabei zu luschig zu wirken. Inzwischen freue ich mich schon darauf, zu beschreiben, was er denkt, während er sich zum ersten Mal auf Schloss Lotusblüte aufhält, wo ihn ja alle für einen harten und durchaus abgebrühten Kerl halten. XD

Thau macht sich immer noch Vorwürfe für jede einzelne Person, die er ausgebrannt hat, aber vor allem natürlich, weil Rose und ihre Schwester völlig unschuldig seine Opfer wurden. Solange sich das nicht ändert, träumt er auch noch von Roses Rache, da er diese gewissermaßen als gerechte Strafe betrachtet. Wenn Soach davon wüsste, würde ihm das nicht weiterhelfen, aber er würde den Mann vielleicht sympatischer finden. Es ist auch wahrscheinlich, dass er es tatsächlich nie erfährt, aber das wird sich zeigen. ;) Jedenfalls plane ich schon ein, dass die beiden sich etwas näher anfreunden, als man vielleicht erwarten könnte bei den gegebenen Umständen. Hehe.

Naja jetzt ist meine Antwort bald länger als dein Kommentar. XD Danke schön dafür und ich beeile mich mit der Fortsetzung...

LG

Antwort von:  jyorie
18.08.2017 06:27
" Inzwischen freue ich mich schon darauf, zu beschreiben, was er denkt, während er sich zum ersten Mal auf Schloss Lotusblüte aufhält, wo ihn ja alle für einen harten und durchaus abgebrühten Kerl halten. XD"

XD ... darauf bin ich auch schon sehr gespannt, wie er damit umgeht, weil er ja doch viel feinfühliger ist, als man vom äußeren Anschein dachte. Ich denke auch die Stelle mit dem kleinen Kampf mit Fire wird sehr spannend. Ich freu mich ebenfalls.

Wünsch dir ein angenehmes Wochenende.
LG Jyorie
Von:  jyorie
2017-03-08T14:49:12+00:00 08.03.2017 15:49
ⓗⓐⓛⓛⓞ ☻

das ist cool, das du so weit zurück gehst und das mit Soarchs Ausbrennung noch mal aufrollst. Ich fand es total spannend, wie du die Gegenseite beschrieben hast. Ist sehr angenehm zu lesen, das es Lady Cosmea und Thaumator nicht leicht gefallen ist, sowohl Körperlich erschöpfend als auch das es ihnen vom Kopf her noch nachhängt. Zudem fand ich es mies, dass Lord Belial sich so gefreut hat darüber und das eigentlich alle wussten, dass es ein Fehlurteil ist.

Ich bin gespannt was es mit dem Zettel auf sich hat, den Soach beschützt hat, der hier wieder in Erinnerung gerufen wird. Hoffe das da noch was ganz großes damit kommt ^^°

oh man, Taumator sitzt finanziell ja ganzschön in der Patsche. Wie hat er es dann noch mit Fire machen können und ihn als Lehrling nehmen, wenn er ihm noch Taschengeld zahlen muss? - ... Mir ist auch noch eine Idee gekommen, (falls die Ausbrennung durch Fire echt sein wird,) das Taumator seine Arbeitskraft verkaufen muss und es vielleicht ein Schutz ist vor seinem Auftraggeber? Wenn der etwas verlangt was er nicht möchte, wobei das seinen Stundenlohn sicher sehr senken würde, falls der Gedanke hin kommt.

Ich freu mich schon, wenn Taumator auf Schloss Lotusblüte kommt und man dann noch mehr aus seiner Sicht erlebt.

ⓒⓘⓐⓞ, ⓙⓨⓞⓡⓘⓔ

Antwort von:  Purple_Moon
08.03.2017 20:36
Hallo! ^^
Ach ich lese deine Kommis immer gerne. :)

Ich hab zuerst was anderes geplant gehabt, fand das dann aber doch ganz cool, bei der Ausbrennung anzufangen, zumal man dann den Bogen ganz gut schafft. Ich weiß schon, wie die letzte Folge ungefähr sein wird. Das ist ja mal was ganz Neues. Sprich, es steht schon fest, ob es ne Ausbrennung gibt und wieso oder warum nicht.

Du verwechselst aber wahrscheinlich gerade Belial mit Lord Arae (Edeh), denn der ist es, der sich freut, wohingegen Belial das eher neutral sieht. Aus der Sicht des Zirkels ist es auch nicht direkt ein Fehlurteil, sie haben ja so geurteilt, wie es anhand der Sachlage sein musste. Aber alle wissen, dass etwas nicht stimmt, soviel steht fest.

Der Zettel hat noch seinen Sinn. Aber es dauert noch, bis ich das offenlegen kann...

Tjaaa, Thau kann sich eigentlich keinen Lehrling leisten, was wohl auch mit ein Grund ist, warum er keinen wollte. Andererseits muss er ihm nicht allzu viel zahlen, das liegt in seinem Ermessen. Speziell Fire kann er auch in Kräutern zum Rauchen bezahlen. XD Das wirst du ja dann irgendwann lesen können. Tatsache ist aber, dass er sich Soach irgendwie verpflichtet fühlt und sich daher um dessen Sohn kümmert, zudem würde er sich eher die Zunge abbeißen, als zuzugeben, dass er kein Geld übrig hat.

Die letzte Frage hab ich jetzt nicht verstanden mit dem Auftraggeber und so, aber ich schreib einfach mal ne Antwort - meistens ist ja das, was du wissen wolltest, dann auch dabei.^^ Angenommen, Thau wird ausgebrannt und kann nicht zahlen, dann hätte er das Problem, dass der Wert seiner Arbeitskraft viel geringer ausfällt, weil er ein Mann mit botanischen Kenntnissen ist, aber kein Magier mehr. Damit hat Phalae nicht mehr so viele Möglichkeiten, ihn zu vermitteln, er müsste dann länger dafür arbeiten. Also ja, er kann dann quasi nicht für denselben Stundenlohn arbeiten. Er ist dann allerdings nicht auf dem Stand eines Sklaven, sondern wie jemand, der für eine Zeitarbeitsfirma arbeitet. Also muss er nicht alles mit sich machen lassen.

Bevor Thau nach Lotusblüte kommt, reist er erstmal noch zu Cosmea, dann zum Kristallschloss... mal sehen, was der so erlebt in der Zeit. Ich werde mich wahrscheinlich auf diese Geschichte konzentrieren, bis beide etwa auf dem gleichen Stand sind, aber erstmal ist die eine Wettbewerbsstory noch dran. ^^

Leider dauert es derzeit etwas, naja.

Bis dann mal! Dankeschön!

LG
Anja
Antwort von:  jyorie
09.03.2017 07:28
Guten morgen,

danke für deine Antwort :D

ja, das hast du so in etwa richtig verstanden, stimmt die Frage ist unglücklich formuliert. Ich hatte überlegt, ob die Ereignisse sich so zugespitzt haben, das Taumator dieses Angebot mit der Leiharbeit annehmen muss und erfahren haben könnte, wer sein Auftraggeber ist. Aber bevor er das tut, was sein neuer Chef will, das er da lieber Fire so eine Abschlussprüfung machen läßt und dann leider nicht das ausführen kann, was sein künftiger Auftraggeber von ihm möchte ... irgendwie so was, weil es mir einfach immer noch nicht in den Kopf will, warum jemand so etwas macht, ggf noch aus Buse, oder als Entschädigung für Sorch.

Wobei, jetzt wenn ich eine Nacht drüber geschlafen habe, er ja auch bei dem Gespräch mit seiner Frau daran gedacht hat, das er noch alle seine 9 Opfer im Kopf hat. Vielleicht will er einfach keine neuen hinzu haben...

Viele Grüße
Jyorie
Antwort von:  Purple_Moon
09.03.2017 10:25
Sorry ich muss gerade lachen, denn der Grund steht in der Beschreibung der Geschichte XD Thau wird verflucht (kam bisher nicht im Plot vor) und sieht das als einzige Lösung, dem Fluch zu entgehen. Ich werde dann genau erklären, warum, weshalb, wieso.

Ah jetzt kapiere ich es. Das mit der Ausbrennung wird er Phalae beizeiten sagen müssen, weil es die Konditionen des Vertrages ändert. Sie muss ja dann ggf. alles neu berechnen. Aber keine Sorge... alles kommt ganz anders als gedacht, was das angeht. XD

Antwort von:  jyorie
09.03.2017 13:56
*blush* stand das schon von Anfang an als Klappentext da?!
*versteckt*

okay, das hatte ich nicht gelesen, sonst hätte ich mich wohl auch nicht beim ersten Kapitel so erschreckt, und die Mutmaßungen angestellt, ob es echt ist. Okay, dann ist es logisch, wenn er sein Kind schützen will. Hoffentlich lässt sich so der Fluch abwenden, solche Weissagungen kann man ja auf vielerlei anwenden oder auslegen. Danke für den Hinweis, dann ist zumindest das schon mal keine Frage mehr, ob die Ausbrennung echt ist.

Grüße; Jyorie
Antwort von:  Purple_Moon
09.03.2017 14:07
Nun, der Prolog spielt quasi in der Zukunft und man erfährt jetzt, wie es dazu kam. Im Prolog ist Fires Kind schon geboren. Fire hat von Thau ausbrennen gelernt und Thau hat die Absicht, seine eigene Magie vernichten zu lassen, damit Fire nichts passiert. Also echt ist das, ja. Es wird noch ein paar Kapis dauern, wie ich mich kenne, aber das Problem wird bald in der Story auftauchen.
Am Ende erfährt man dann, ob sie die Ausbrennung durchziehen müssen. Tipp: Sag dem Chaosmagier, was du brauchst, und er findet einen Weg ;)
Von:  jyorie
2017-01-06T10:58:13+00:00 06.01.2017 11:58
⊂(◕‿◕)つ Hallo,

der Titel mit dem ¼ ist cool :)

Als Thaumator im Keller festgebunden wurde, hatte ich noch an die Behandlung von Vindictus wegen der Narben gedacht, wobei irgendwie hat die ganze Szene nicht so gepasst. Aber dass die Meisterprüfung für Fire die Ausbrennung seines Lehrers sein soll, das hat mich echt geschockt. (Ein bisschen wünsche ich mir da einen Trick aus dem Naruto Universum, das es nur ein Genjutzu ist). Irgendwie kann ich das nicht wirklich glauben, das Fire ihn tatsächlich ausbrennen soll, ohne Trick, ohne Falltür, Plan B oder sonst was? Als Thaumator in der Ausbildung war, hat er das sicher auch nicht mit seinem Meister gemacht, deswegen hoffe ich immer noch auf die Hintertür *hust*

Ein echt spannender Prolog. Und ich bin auf deine Geschichte gespannt.

Liebe Grüße, Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
06.01.2017 12:31
Hallo!

1/4 kommt auch chronologisch noch vor 1/2 XD

Nein, für gewöhnlich brennt ein Schüler, der den Ausbrennzauber gelernt hat, seinen Lehrer dann nicht damit aus, aber da es ohnehin eine Notwendigkeit gibt, es zu tun, ist das, von der praktischen Seite gesehen, eine optimale Gelegenheit. Außerdem ist es das Ende von Fires Lehre bei Thaumator, wenn dieser keine Magie mehr hat, so wollen es die Regeln der Magier. Insofern ist das auf makabere Weise wirklich so etwas wie eine Meisterprüfung.
Aber denkst du, dass ich noch einen Magier ausbrennen lasse? Thau hat seine Erzählung ja nun auch an einer fiesen Stelle abgebrochen. XD Ich sag nur so viel... Fire ist nicht alleine in den Raum gekommen. ;)

Kapitel 1 folgt hoffentlich bald.
Viele Grüße
Anja


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