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Liebe ist Besitzanspruch Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Besitz ist eigentlich eine trostlose Angelegenheit. Alles, was man erlangt, was man sein eigen nennt, gerinnt zur Selbstverständlichkeit. Die Begeisterung dafür, das Begehren, das vorher da war, erlischt sofort. Man will dies, man will das, und all der Krempel - Klamotten, Taschen und so weiter - verkommt sofort, nachdem man es erworben hat, zu einem bloßen Exemplar der Sammlung. Man trägt das Zeug ein paarmal, und schon hat es den Reiz des Neuen eingebüßt. Mit der Ehe ist es wohl nicht anders, auch hier geht es darum, den anderen zu besitzen. Und selbst wenn man nicht verheiratet ist, neigen doch die Typen im Laufe der Beziehung dazu, herrisch zu werden - gemäß dem Sprichwort: "Einen Fisch an der Angel braucht man nicht zu füttern". So läuft das doch. Und was, wenn dem Fisch das Futter ausgeht? Dann hat er lediglich die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: entweder zu verrecken oder zu flüchten. Besitz ist eine heikle Angelegenheit, und trotzdem wollen wir Dinge und Menschen für uns haben.

"Tokyo Love" von Hitomi Kanehara

Das Leben ist nur sinnloser Zufall. Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Schicksal. Bestimmung. Gott.
Das ist alles Schwachsinn.
Die Leute wollen, dass ihr Leben einen Sinn ergibt. Sie wollen sich hinsetzen und wie kosmische Detektive alle bisherigen Ereignisse in ihrem Leben unter die Lupe nehmen, die wichtigsten Wendepunkte identifizieren, die sie geprägt haben, und diese Momente rückwirkend mit einer mystischen Aura ausstatten. Als würden die himmlischen Mächte des Universums wie ein Autorenteam die Fernsehserie unseres Leben schreiben, damit beauftragt, sich ungeheuer verwickelte Handlungsstränge auszudenken, die sich dann am Ende der Staffel in Wohlgefallen auflösen sollen. Niemand möchte glauben, dass das alles völlig willkürlich abläuft und die Richtung, die wir mit unserem Leben einschlagen, nur auf einer komplexen Reihe von Zufällen beruht, kleinen Atompilzwolken, in deren Fallout wir leben.

"Mein fast perfektes Leben" von Jonathan Tropper

Stolz der Toten Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Solch ein Toter ist anders als einer, der gleich nach dem Tod eingeäschert wird, dachte ich. Die Toten in der Wanne hier haben sich gleichsam zu Dingen verdichtet, sind kompakte Gegenstände geworden, losgelöst vom Leben. Ein Toter, der schnell eingeäschert wird, ist nicht so gegenständlich, dachte ich, er ist weder Gegenstand noch Bewusstsein, sondern geht über in einen undefinierbaren Zwischenzustand. Bei eiliger Einäscherung bleibt ihnen keine Zeit, gegenständlich zu werden. Die Toten, die die Wanne füllten, hatten diesen gefährlichen Übergangszustand überwunden. Ich betrachtete mir diese Gegenstände.
Ja, schienen sie zu sagen, wir sind Gegenstände, und sehr präzis gemacht. Wer eingeäschert wird, hat keine Maße und kennt nicht das sichere Gefühl der Schwere.
So verhält es sich, dachte ich. Der Tod ist gegenständlich. Bisher hatte ich den Tod nur unter dem Aspekt des Bewusstseins betrachtet. Doch nach dem Aufhören des Bewusstseins wird der Tod gegenständlich.

Als der Krieg zu Ende ging, musste er in den Herzen der Erwachsenen verdaut werden, und das unverdaulich Harte wurde ausgeschieden.
"Eure Hoffnung war eine schwere Verantwortung für uns. Doch der nächste Krieg ist eure Sache."
Der nächste Krieg wird beginnen, ob wir wollen oder nicht, und dann werden wir im Strom der leeren Hoffnung ertrinken.
"Ihr seid es, die den nächsten Krieg beginnen werden! Wir Toten können nur noch zuschauen und kritisieren."

Die Verantwortung beim Gebären ist genauso schwer wie bei einem Mord.
Der Embryo und die Leichen, das sind beides eine Art von Menschen, bei denen der Körper keine Verbindung mit einem Bewusstsein hat. Es sind Menschen, aber sie sind nur eine Verbindung aus Fleisch und Knochen.

Kenzaburō Ōe

Aus dem Leben eines Taugenichts Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

"Alles ist so fröhlich, um dich kümmert sich kein Mensch. Und so geht es mir überall und immer. Jeder hat sein Plätzchen auf der Erde ausgesteckt, hat seinen warmen Ofen, seine Tasse Kaffee, seine Frau, sein Glas Wein zu Abend und ist so recht zufrieden... Mir ist's nirgends recht. Es ist, als wäre ich überall eben zu spät gekommen, als hätte die ganze Welt gar nicht auf mich gerechnet."
Joseph von Eichendorff

"Er ist Mensch, und er ist es so sehr, dass er überhaupt nichts außerdem sein will und kann: eben deshalb ist er der Taugenichts, denn man ist selbstverständlich ein Taugenichts, wenn man nichts weiter prästiert, als eben nur Mensch zu sein."
Thomas Mann

Gerechtfertigter Tod ist Realismus Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Es gibt das Gute nicht. Und wenn einer das Gute repräsentiert, dann lügt er.

Mein Gott und dein Gott kennen einander nicht. Von Gott zu sprechen ist eine Art, von sich selbst zu sprechen. Deshalb ist Moral ein anderes Wort für Lüge.

Weit draußen unterm schwarzgefleckten Himmel, aus dem Boden schießt das weißeste Eis. Barfuß und stolpernd weiter. Die Sohlen schreien. Es regnet glühende Nägel, denen nicht zu entkommen ist. Schwefelmeere brodeln mit weltfüllendem Gestank. In diesem Augenblick senkt sich der universale Arsch Gottes aus dem Weltraum und scheißt seine Schöpfung ins Exit. Für immer. Welch ein Glück, denkt man, während man in der göttlichen Scheiße erstickt.

Die Intellektuellen huren heute mit der Öffentlichkeit genauso wie vorher mit Gott. Wer das für einen Vorwurf hält, weiß nicht, was Gott war und was die Öffentlichkeit ist.

Manchmal beherrscht einen das Gefühl, ganz und gar in diesem Mediengewebe aufzugehen. Du bist nichts als ein Teil dieses Mitteilungszusammenhangs. Und es gibt außer diesem Zusammenhang nichts. Du wirst beatmet. Das heißt informiert. Du selber musst nicht mehr leben.

Das Gegenteil von Kritik ist nicht Lob, sondern Zustimmung. Das ist etwas anderes als Lob. Lob ist Überheblichkeit über den, den man lobt. Lob ist Anmaßung, wie Kritik Anmaßung ist. Machtausübung beides. Wenn man nicht zustimmen kann, soll man den Mund halten.

Vor allem anderen sind wir eine Gesellschaft von Verfolgten und Verfolgern. Und jeder ist beides, Verfolgter und Verfolger. Jeder hat eine deutlichere Erfahrung vom Verfolgtsein als davon, selber Verfolger zu sein. Wir merken deutlicher, was uns angetan wird, als was wir anderen antun.

Wir stoßen einander von den Planken eines sinkenden Schiffs.

Wie verständlich sind mir die Mörder. Schon wegen der Notwendigkeit, die sie zum Ausdruck bringen. Sie geben zu, dass sie nicht anders können.

Er dürstet nach Unmenschlichkeit, weil er sein will wie die, die ihn so gemacht haben.

Kein Verbrechen kommt ohne Utopie aus. Keine Utopie ohne Verbrechen.

Schriftsteller sind ununterbrochen (und ununterbrechbar) mit dem Notieren ihres Alibis beschäftigt.

Eine Figur, deren Tod man für vollkommen gerechtfertigt hält, das wäre Realismus.

Martin Walser

Historiographie im Zirkel philologischer Zuschreibungen Philosophie, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Vor dem frühen neunzehnten Jahrhundert wurde die Historiographie als Zweig der Redekunst und damit als passender Gegenstand für die Theorie der Rhetorik betrachtet. Im Gefolge der Bemühung, historische Studien wissenschaftlicher zu gestalten, wurde jedoch die Ehe der Historiographie mit der Rhetorik im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts geschieden. Der zweifache Angriff auf die Rhetorik, zum einen seitens der romantischen Poetik, und zum anderen von Seiten des Positivismus, führte dazu, dass die Rhetorik von der westlichen Hochkultur in Acht und Bann geschlagen wurde. "Literatur" als Praxis des "Schreibens" nahm nun den Platz ein, den vormals die Redekunst innehatte, und die "Philologie" verdrängte die Rhetorik als die allgemeine Wissenschaft der Sprache. Das theoretische Problem der Geschichtsschreibung wurde von da an im Rahmen der Frage nach der Beziehung von Geschichte und Literatur erörtert. Da die Literatur aber gewöhnlich als das geheimnisvolle Ergebnis "dichterischer Kreativität" galt, war das Problem unlösbar. Hinsichtlich des Verhältnisses der Geschichte zur Philologie wurde allgemein anerkannt, dass die Philologie nichts anderes sei als die auf die Untersuchung sprachlicher Phänomene angewandte "historische Methode". Nun wurde aber die "historische Methode" ihrerseits einfach als die auf das Studium historischer (dokumentarischer) Zeugnisse angewandte "philologische Methode" betrachtet, womit sich das Methodenproblem in einem ausweglosen tautologischen Zirkel verfing.

Hayden White

Oh Captain, mein Captain! Lyrik, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Oh Captain, mein Captain
Die schwere Fahrt ist aus
Das Schiff hat jedem Sturm getrotzt
Nun kehren wir stolz nach Haus
Der Hafen grüßt mit Glockenschall
Und tausend Freudenschreien
Vor aller Augen rauschen wir auf sichrem Kiel herein

Aber Herz, ach Herz, ach Tropfen blutig rot
Wo auf dem Deck mein Captain liegt
Gefallen, kalt und tot

Oh Captain, mein Captain
Steh auf und hör den Schall
Steh auf, dir gilt der Flaggengruß
Dir gilt das Jauchzen all
Die Sträuße dir, die Kränze dir
Und weit entlang am Strand
Das Menschenmeer, Gesichtermeer
Dir freudig zugewandt

Hier Captain, liebster Vater
Hier ist mein Arm als Halt
Es ist nur Traum, dass du hier liegst
Gefallen, tot und kalt

Mein Captain gibt nicht Antwort
Seine Lippen sind bleich und still
Mein Vater fühlt nicht meinen Arm
Hat nicht mehr Kraft noch Will
Das Schiff liegt heil vor Anker nun
Die Reise ist nun aus
Von schwerer Fahrt, das Siegerschiff
Kam vom Triumph nach Haus

Jauchzt, ihr Gestade, Glocken dröhnt
Ich aber knie in Not
Wo auf dem Deck mein Captain liegt
Gefallen, kalt und tot
 

Andere Übersetzung:

O Käpt’n, mein Käpt’n, zu End’ ist unsre Reis’
wir haben jedes Riff umschifft, der Sieg war unser Preis.
Am Kai entlang der Glockenklang, der Menge Lustgespinster;
das Auge folgt dem festen Kiel, der Barke, wild und finster.

O Herz, o mein Herze!
O Tropfen feucht und rot,
wo auf dem Deck mein Käpt’n liegt,
gefallen, kalt und tot.

Erhebe dich, mein Käpt’n und hör den Glockenton!
Steh auf - dir ist die Flagg’ gehißt, dich grüßt das Jagdhorn schon.
Mit Bändern, Blumen tausendfach der Hafen ist geschmückt
für dich allein. Es ruft nach dir die Menge hoch beglückt.

O Käpt’n, mein Vater!
Mein Arm, dem Haupt zum Halt.
Im Traum nur liegst du auf dem Deck,
gefallen, tot und kalt.

Mein Vater gibt nicht Antwort, sein Mund ist bleich und still.
Mein Vater spürt nicht meinen Arm, hat weder Puls noch Will.
Das Schiff, es geht vor Anker. Zu End’ ist seine Reis’,
zurück gekehrt nach wilder Fahrt - der Sieg, das war der Preis.

Ihr Ufer, jauchzt! Ihr Glocken, klingt!
Ich aber geh in Not
dahin, wo nun mein Käpt’n liegt,
gefallen, kalt und tot.
 

Original:

O Captain my Captain! our fearful trip is done;
The ship has weather’d every rack, the prize we sought is won;
The port is near, the bells I hear, the people all exulting,
While follow eyes the steady keel, the vessel grim and daring:

But O heart! heart! heart!
O the bleeding drops of red,
Where on the deck my Captain lies,
Fallen cold and dead.

O Captain! my Captain! rise up and hear the bells;
Rise up - for you the flag is flung - for you the bugle trills;
For you bouquets and ribbon’d wreaths - for you the shores a-crowding;
For you they call, the swaying mass, their eager faces turning;
Here Captain! dear father!
This arm beneath your head;
It is some dream that on the deck,
You’ve fallen cold and dead.

My Captain does not answer, his lips are pale and still;
My father does not feel my arm, he has no pulse nor will;
The ship is anchor’d safe and sound, its voyage closed and done;
From fearful trip, the victor ship, comes in with object won;
Exult, O shores, and ring, O bells!
But I, with mournful tread,
Walk the deck my Captain lies,
Fallen cold and dead.

Walt Whitman

Lyricon - ASP ASP (Band), Liedtexte, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Ich bin ein wahrer Satan

An jedem Ort stehen Kreuze schon gekrümmt an ihren Enden
Und die immer gleichen Schatten schlagen Haken an den Wänden
Werden rostige Ideen aufpoliert zu neuem Glanz
Und von Angst genährtes Gift in eure Köpfe eingepflanzt

Und das alles tun sie offen
Während du dich nur versteigst
Während du empört betroffen
Mit dem Finger auf mich zeigst

Ich bin ein wahrer Satan
Komm und fass mich an!
Die Wahrheit ist mein Ziegenhuf, meine Hörner und mein Plan
Ja, ich bin ein echter Teufel
Hör gut zu, du wirst verstehen
Und ich bringe dir das Feuer
Um die Dunkelheit zu sehen

Und die anderen Opfer, Mammon, Nadelstreifen, hohe Priester
Ziehen Marionettenfäden von Regenten und Ministern
Euer Fleisch und eure Knochen ihren Götzen dargebracht
In den Mühlen klein gemahlen und zu kaltem Gold gemacht

Und das alles tun sie offen
Während du dich nur versteigst
Während du empört betroffen
Mit dem Finger auf mich zeigst

Ich bin ein wahrer Satan
Komm und fass mich an!
Die Wahrheit ist mein Ziegenhuf, meine Hörner und mein Plan
Ja, ich bin ein echter Teufel
Hör gut zu, du wirst verstehen
Und ich bringe dir das Feuer
Um die Dunkelheit zu sehen

Und sie predigen von Liebe
Wenn es sein muss mit Gewalt
Mit dem Schwert und Buch vertrieben
Und die Asche wird schon kalt
Und im Glauben an das Gute
Lassen sie dich losmarschieren
Hier im heißen Sand verbluten
Dort im kalten Schnee erfrieren

Weiß der Teufel, warum einer
Der die Wahrheit kennt, nur lügt
Weiß der Teufel, warum einer
Der den Schmerz kennt, ihn zufügt
Weiß der Teufel, warum keiner
Weiß, wir sind vom Tod erwacht
Wir sind längst im Paradies
Haben die Hölle daraus gemacht

Und das alles sage ich offen
Weil du stets zum Schlechten neigst
Während du empört betroffen
Mit dem Finger auf mich zeigst

Ich bin ein wahrer Satan
Komm und fass mich an!
Die Wahrheit ist mein Ziegenhuf, meine Hörner und mein Plan
Ja, ich bin ein echter Teufel
Hör gut zu, du wirst verstehen
Und ich bringe dir das Feuer
Um die Dunkelheit zu sehen

Der Schwarze Schmetterling

Lyricon - ASP ASP (Band), Liedtexte, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Ich bin ein wahrer Satan

An jedem Ort stehen Kreuze schon gekrümmt an ihren Enden
Und die immer gleichen Schatten schlagen Haken an den Wänden
Werden rostige Ideen aufpoliert zu neuem Glanz
Und von Angst genährtes Gift in eure Köpfe eingepflanzt

Und das alles tun sie offen
Während du dich nur versteigst
Während du empört betroffen
Mit dem Finger auf mich zeigst

Ich bin ein wahrer Satan
Komm und fass mich an!
Die Wahrheit ist mein Ziegenhuf, meine Hörner und mein Plan
Ja, ich bin ein echter Teufel
Hör gut zu, du wirst verstehen
Und ich bringe dir das Feuer
Um die Dunkelheit zu sehen

Und die anderen Opfer, Mammon, Nadelstreifen, hohe Priester
Ziehen Marionettenfäden von Regenten und Ministern
Euer Fleisch und eure Knochen ihren Götzen dargebracht
In den Mühlen klein gemahlen und zu kaltem Gold gemacht

Und das alles tun sie offen
Während du dich nur versteigst
Während du empört betroffen
Mit dem Finger auf mich zeigst

Ich bin ein wahrer Satan
Komm und fass mich an!
Die Wahrheit ist mein Ziegenhuf, meine Hörner und mein Plan
Ja, ich bin ein echter Teufel
Hör gut zu, du wirst verstehen
Und ich bringe dir das Feuer
Um die Dunkelheit zu sehen

Und sie predigen von Liebe
Wenn es sein muss mit Gewalt
Mit dem Schwert und Buch vertrieben
Und die Asche wird schon kalt
Und im Glauben an das Gute
Lassen sie dich losmarschieren
Hier im heißen Sand verbluten
Dort im kalten Schnee erfrieren

Weiß der Teufel, warum einer
Der die Wahrheit kennt, nur lügt
Weiß der Teufel, warum einer
Der den Schmerz kennt, ihn zufügt
Weiß der Teufel, warum keiner
Weiß, wir sind vom Tod erwacht
Wir sind längst im Paradies
Haben die Hölle daraus gemacht

Und das alles sage ich offen
Weil du stets zum Schlechten neigst
Während du empört betroffen
Mit dem Finger auf mich zeigst

Ich bin ein wahrer Satan
Komm und fass mich an!
Die Wahrheit ist mein Ziegenhuf, meine Hörner und mein Plan
Ja, ich bin ein echter Teufel
Hör gut zu, du wirst verstehen
Und ich bringe dir das Feuer
Um die Dunkelheit zu sehen

Der Schwarze Schmetterling

Selbstmörder Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Es ist falsch, wenn man nur jene Menschen Selbstmörder nennt, welche sich wirklich umbringen. Unter diesen sind sogar viele, die nur gewissermaßen aus Zufall zum Selbstmörder werden, zu deren Wesen das Selbstmördertum nicht notwendig gehört. Unter den Menschen ohne Persönlichkeit, ohne starke Prägung, ohne starkes Schicksal, unter den Dutzend- und Herdenmenschen sind manche, die durch Selbstmord umkommen, ohne darum in ihrer ganzen Signatur und Prägung dem Typus der Selbstmörder anzugehören, während wiederum von jenen, welche dem Wesen nach zu den Selbstmördern zählen, sehr viele, vielleicht die meisten, niemals tatsächlich Hand an sich legen. Der "Selbstmörder" braucht nicht notwendig in einem besonders starken Verhältnis zum Tode zu leben - dies kann man tun, auch ohne Selbstmörder zu sein. Aber dem Selbstmörder ist es eigentümlich, dass er sein Ich, einerlei, ob mit Recht oder Unrecht, als einen besonders gefährlichen, zweifelhaften und gefährdeten Keim der Natur empfindet, dass er sich stets außerordentlich exponiert und gefährdet vorkommt, so, als stünde er auf allerschmalster Felsenspitze, wo ein kleiner Stoß von außen oder eine winzige Schwäche von innen genügt, um ihn ins Leere fallen zu lassen. Diese Art von Menschen ist in ihrer Schicksalslinie dadurch gekennzeichnet, dass der Selbstmord für sie die wahrscheinlichste Todesart ist, wenigstens in ihrer eigenen Vorstellung. Voraussetzung dieser Stimmung, welche fast immer schon in früher Jugend sichtbar wird und diese Menschen ihr Leben lang begleitet, ist nicht etwa eine besonders schwache Lebenskraft, man findet im Gegenteil unter den "Selbstmördern" außerordentlich zähe, begehrliche und auch kühne Naturen. Aber so wie es Naturen gibt, die bei der kleinsten Erkrankung zu Fieber neigen, so neigen diese Naturen, die wir "Selbstmörder" heißen und die stets sehr empfindlich und sensibel sind, bei der kleinsten Erschütterung dazu, sich intensiv der Vorstellung des Selbstmordes hinzugeben.
Wie jede Kraft auch zu einer Schwäche werden kann (ja unter Umständen werden muss), so kann umgekehrt der typische Selbstmörder aus seiner anscheinenden Schwäche oft eine Kraft und eine Stütze machen, ja er tut dies außerordentlich häufig. Er macht aus der Vorstellung, dass ihm zu jeder Stunde der Weg in den Tod offenstehe, nicht bloß ein jugendlich-melancholisches Phantasiespiel, sondern baut sich aus ebendiesem Gedanken einen Trost und eine Stütze. Zwar ruft in ihm jede Erschütterung, jeder Schmerz, jede üble Lebenslage sofort den Wunsch wach, sich durch den Tod zu entziehen, allmählich aber schuf er sich aus dieser Neigung gerade eine dem Leben dienliche Philosophie. Die Vertrautheit mit dem Gedanken, dass jener Notausgang beständig offenstehe, gibt ihm Kraft, macht ihn neugierig auf das Auskosten dieser Schmerzen und üblen Zuständen, und wenn es ihm recht elend geht, kann er zuweilen mit grimmiger Freude, einer Art Schadenfreude, empfinden:
"Ich bin doch neugierig zu sehen, wie viel eigentlich ein Mensch auszuhalten vermag. Ist die Grenze des noch Erträglichen erreicht, dann brauche ich ja bloß die Tür zu öffnen und bin entronnen."
Es gibt sehr viele Selbstmörder, denen aus diesem Gedanken ungewöhnliche Kräfte kommen.

"Der Steppenwolf" von Hermann Hesse


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